Rechtsgeschichte

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1848-1851
IV. Periode: Frühkonstitutionalismus
1848- 1851
Dieser kurzen Periode kommt hinsichtlich der Verfassungsentwicklung des 19. und 20.
Jahrhunderts eine zentrale Bedeutung zu. Das Kaisertum Österreich bekommt erstmals
Verfassungen im formellen Sinn, 1848 die „Pillersdorfsche Verfassung“, 1949 die
„Oktoyierte Märzverfassung“. Beide Verfassungen gelten als frühkonstitutionell, eine
hochkonstitutionelle, die „Kremsierer Verfassung“ tritt nicht in Kraft, sondern bleibt nur
Entwurf.
Die Verfassungen spiegeln Probleme des 19. Jahrhunderts wieder: Verhältnis zwischen
Gesamtstaat und den Ländern, Verhältnis zwischen dem Gesamtstaat und den Nationalitäten,
Verhältnis des Monarchen zum Volk, Grundrechte, …
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Im Zuge der „Bauernbefreiung“ kommt es zur Abschaffung der Grund- und
Stadtherrschaft. An ihre Stelle treten staatliche Behörden.
Staat und Kirche erfahren eine Trennung, sodass die Katholische Kirche ihre weltlichen
Kompetenzen abgeben muss.
Der Gesamtstaat
Verfassung 1848, Verfassung 1849 → frühkonstitutionelle Verfassungen
Kremsierer Verfassung 1848/49 → hochkonstitutionelle Verfassung
Frühkonstitutionalismus:
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Verfassung im formellen Sinn, die allerdings vom Monarchen oktroyiert wird (d.h. ein
einseitig, ohne Mitwirkung der Volksvertretung erlassen wird).
Der Monarch ist Träger der Souveränität.
Die Gesetzgebung ist auf Monarchen und Volksvertretung aufgeteilt.
Das Parlament besteht zum einem aus dem Abgeordnetenhaus, zum anderem, nach
englischen Vorbild eines Oberhauses, aus dem Herrenhaus (ständische Kammer). Die
Abgeordneten des Herrenhauses werden vom Monarchen ernannt.
Das Parlament hat weder Selbstversammlungsrecht, noch Gesetzesinitiative und kann
nur bei einer Initiative des Monarchen oder der Regierung tätig werden.
Dem Monarchen steht in der Gesetzgebung ein absolutes Veto zu.
Die Verwaltung besorgt der Monarch gemeinsam mit den Ministern.
Die Gerichtsbarkeit wird von unabhängigen Gerichten ausgeübt.
Es gibt einige wenige Grundrechte.
(Hoch-) Konstitutionalismus:
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Verfassung im formellen Sinn, die nach Vereinbarung vom Monarchen und der
Volksvertretung gemeinsam erlassen wird.
Der Monarch und das Volk sind gemeinsam Träger der Souveränität.
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Die Gesetzgebung obliegt dem Parlament, das nur mehr aus einer Kammer
(Abgeordnetenhaus) besteht. Eine zweite Kammer wäre als Länderkammer einzurichten.
Das Parlament hat Selbstversammlungsrecht und Gesetzesinitiative und muss zu
bestimmten Terminen einberufen werden.
Dem Monarchen steht in der Gesetzgebung ein suspensives Veto zu.
Die Verwaltung besorgt der Monarch gemeinsam mit den Ministern.
Die Gerichtsbarkeit wird von unabhängigen Gerichten vorgenommen.
Es gibt einen umfassenden Grundrechts- und Staatsbürgerrechtskatalog.
Es gibt eine Verfassungs- und Verwaltungskontrolle durch Gerichte.
Verfassung 1848 („Pillersdorfsche Verfassung“)
Die französische Revolution 1830 (Luis Phillippe wurde gestürzt) verbreitet sich über ganz
Europa und lässt auch in Österreich Unruhen befürchten. Schließlich trifft sie am 13. März in
Wien ein, Metternich, die Personifizierung des vormärzlichen Stabilitätssystems muss
zurücktreten. Der Kaiser verspricht eine Verfassung, und garantiert bereits vor deren
Inkrafttreten Grundrechte.
Noch vor dem Erlass der Verfassung wurde Böhmen eine eigene Verfassung zugesagt
(„Böhmische Charte“), Ungarn eine solche sogar bestätigt. Ungarn konnte sich mit einer eigenen
Verfassung als nur noch in einer Personalunion mit dem Rest der Monarchie sehen. Als 1848
die „Pillersdorfsche Verfassung“ in Kraft tritt (Gesamtstaatverfassung) steht sie in einem
Spannungsverhältnis zu den versprochenen, bzw. garantierten Verfassungen. Die radikalen
Zustände in Ungarn machen es nicht möglich die Verfassung 1848 dort in Kraft zu setzen,
Ungarn bleibt ebenso wie Lombardo- Venezien vom Geltungsbereich ausgeschlossen.
In der Reichstag- Wahlordnung ist daher auch von jenen Teilen, für jene die
Verfassungsurkunde erlassen wurde, die Rede.
Mit der Ausarbeitung der Verfassung wird Minister Pillersdorf beauftragt (als Vorbilder
dienen Verfassungen aus anderen Staaten des deutschen Bundes und Belgien).
§1: „Alle zum österreichischen Kaiserstaate gehörigen Länder bilden eine
untrennbare konstitutionelle Monarchie“
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Träger der Staatsgewalt ist der Kaiser, seine Anordnungen sind aber von der
Gegenzeichnung eines verantwortlichen Ministers abhänigig.
Die Gesetzgebung wird von Kaiser und Reichstag gemeinsam ausgeübt.
Das Parlament besitzt Gesetzesinitiative, aber kein Selbstversammlungsrecht.
Der Kaiser hat ein absolutes Veto.
Der Reichstag besteht nach englischem Vorbild aus einem Unter- und einem Oberhaus.
Das Unterhaus (=Abgeordnetenhaus) setzt sich aus gewählten Volksvertretern, das
Oberhaus (=Senat) aus ständischen Vertretern, die der Monarch ernennt, zusammen.
Die Gerichtsbarkeit besorgen unabhängige Gerichte, im Strafprozess kommen
Schwurgerichte zum Einsatz.
Die Verfassung enthält einen Grundrechtskatalog, der zwischen Menschen- und
Staatsbürgerrechten unterscheidet, Staatsbürgerrechte sind Staatszielbestimmungen.
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Der Föderalismus ist sehr schwach ausgebildet, Länderstände bleiben zwar bestehen,
haben jedoch keine Gesetzgebungskompetenz.
Fazit: Die Verfassung 1848 wird von der starken Stellung des Monarchen sowie der alleinigen
Gesetzgebungskompetenz des Gesamtstaates geprägt.
Kritik an der Verfassung 1848:
 Das Zwei- Kammern- System erschwert es dem Abgeordnetenhaus den wahren
Volkswillen durchzusetzen.
 In der 1. Reichstag- Wahlordnung werden sowohl Arbeiter, als auch Dienstpersonal von
der Wahl ausgeschlossen. Die Wahl erfolgt indirekt durch Wahlmänner.
Kremsierer Verfassungsentwurf 1848/49
Im Juli 1848 tritt der Reichstag erstmals in Wien zusammen, aufgrund des Oktoberaufstands
wird er aber in die mährische Stadt Kremsier verlegt.
Der Kremsierer Entwurf steht auf dem Boden der Volkssouveränität (§1: „Alle Staatsgewalt
geht vom Staat aus“) und Grundrechte finden umfassende Behandlung.
Gesetzgebung: Die Gesetzgebung erfolgt auf Reichsebene durch Kaiser und Reichstag, auf
Landesebene durch Kaiser und Landtag und auf Kreisebene gemeinsam mit dem Kreistag.
Zentrales Organ bleibt jedoch der Reichstag, er besteht aus zwei Kammern (Volkskammer und
Länderkammer).
Verwaltung: Die vollziehende Gewalt obliegt dem Kaiser alleine, doch wird er durch
verantwortliche Minister unterstützt.
Gerichtsbarkeit: Die Gerichtsbarkeit wird von unabhängigen Gerichten vorgenommen, ein
„Oberstes Reichsgericht“ übt die Verfassungsgerichtsbarkeit aus.
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Enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog
Föderalismus betrifft nur die Gesetzgebung, Verwaltung und Gerichtsbarkeit sind
gesamtstaatlich organisiert. Der Föderalismus soll auch das Nationalitätenproblem im
Gesamtstaat lösen.
Der Kremsierer Verfassungsentwurf ist zwar als Gesamtsstaatsverfassung angedacht, tritt
jedoch ähnlich wie die Verfassung 1848 in Ungarn, sowie in Lombardo- Venezien nicht in Kraft.
Vorgesehen ist jedoch die Aufnahme weiterer Länder (Walachei, Moldau, …).
Verfassung 1849 („Oktroyierte Märzverfassung“)
Am Ende des Jahres 1848 haben Kaiser Franz Joseph und die Regierung Schwarzenberg großes
Interesse an der Fertigstellung der Kremsierer Verfassung. Doch die extrem formulierte
Volkssouveränität und die Einschränkung monarchischer Rechte führen zu einem
Stimmungswechsel.
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Mit der Begründung, der Reichstag hätte sich zu sehr mit Erörterungen aus dem Gebiet der
Theorie beschäftigt, wird der Kremsierer Reichstag aufgelöst und vom Monarchen selbst eine
Verfassung und ein Grundrechtspatent erlassen, die dem Kremsierer Entwurf aber durchaus
ähnlich ist.
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Das Parlament hat weiterhin zwei Kammern, eine Volks- und eine Länderkammer.
Das Prinzip der Volkssouveränität wird von der monarchischen Legitimität verdrängt.
Dem Monarchen steht in der Gesetzgebung ein absolutes Veto zu.
Die Verwaltung obliegt dem Monarchen ausschließlich und unteilbar.
Der Reichsrat berät nicht nur die Regierung, sondern auch den Monarchen.
Ein Mindestmaß an Grundrechten wird im Gesamtstaat garantiert, doch das
Grundrechtspatent tritt nur in Cisleithanien in Kraft.
Die vorgesehene Unterteilung der Länder in Kreise entfällt.
Dem Reichsgericht obliegt Verfassungsgerichtsbarkeit, dem Obersten Rechnungshof die
Kontrolle der Gebarung.
Fazit: Die Verfassung 1849 tritt anders als jene von 1848 im gesamten Kaisertum in Kraft.
Nationalitätenproblem
Durch die Revolution 1848 bricht in ganz Europa der Nationalismus aus, der beinahe zum
Zerfall der Habsburgermonarchie führt. Anfangs versucht man sie mit Hilfe der Armee zu
unterdrücken (Feldherr Radetzky erobert Lombardo- Venetien zurück) und damit die Einheit
des Kaisertums Österreich aufrecht zu erhalten. Gewalt erweist sich jedoch nicht als Erfolg
versprechendes Mittel um dem geforderten Mitbestimmungsrecht entgegenzuwirken.
Die Lösung des Nationalitätenproblems wird im Repräsentationsprinzip gesehen, auch
Galizien, Ungarn und Lombardo- Venetien sollen Abgeordnete zum Reichstag entsenden.
 Gleichberechtigung der Volksstämme.
 Alle Volksstämme haben ein unverletzliches Recht auf Nationalität und Sprache.
 Der Gleichheitssatz wird fundiert.  Die formelle Gleichbehandlung bringt im Laufe des
19. Jahrhunderts keinen Erfolg, denn
 Volksstämme besitzen keine Autonomie.
 Der Gleichheitssatz trifft das Individuum, nicht aber das gesamte Volk.
 Das Nationalitätenproblem kreuzt sich mit dem Länderföderalismus.
 Fast alle Nationalitäten sind auf mehrere Länder verteilt.
Lösungsvorschläge:
 Ein nach Sprachgrenzen begrenztes föderalistisches System (ethnische Variante kann
sich aber nicht durchsetzen)
 Kremsierer Verfassungsentwurf: Das Problem soll durch die föderalen Ebenen gelöst
werden (multinationaler Gesamtstaat, multinationales- nationales Land, nationaler
Kreis)
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Anfänge des Rechtsstaates
Mit der Verfassung 1848 bekommt Österreich erstmals eine rechtsstaatliche Verfassung,
obrigkeitliches Handeln ist somit nicht mehr Willkür unterworfen, sonder durch die Verfassung
und Grundrechte beschränkt.
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Die Gerichtsbarkeit darf nur aufgrund von Gesetzen erfolgen, die Verfassung wird durch
einfache Gesetze präzisiert.
Die Verwaltung ist nicht durchgehend an Gesetze gebunden (keine einfachen Gesetze),
der Rahmen zwischen Verfassung und Grundrechten ist weit gezogen. Es werden also
nicht einzelne Gesetze vollzogen, sondern Staatszwecke.
Übergang vom Kollegialsystem auf das Ministerialsystem aufgrund der
Ministerverantwortlichkeit.
Beseitigung der intermediären Gewalten: Aufhebung der Grundherrschaft im Zuge der
Bauernbefreiung → an ihre Stelle treten staatliche Behörden
Verfassungswirklichkeit
Verfassung 1848: Die „Pillersdorfsche Verfassung“ galt nicht nur formell, sonder auch
faktisch. Der Reichstag, der seit der Verfassungsnovelle im Mai 1848 nur mehr aus dem
Abgeordnetenhaus besteht, wird gewählt, tritt zusammen und beschließt Gesetze.
Verfassung 1849: Die „Oktroyierte Märzverfassung“ tritt zwar formell in Kraft, doch
abgesehen von Reichsrat und Regierung treten die anderen geplanten Institutionen nicht
zusammen. Gesetze werden in der Regel vom Monarchen unter Berufung auf sein
Notverordnungsrecht erlassen. Durch die Verfassung 1849 wird die konstitutionelle Staatsform
verlassen, denn der Reichstag hätte zwar aufgelöst werden dürfen, jedoch hätten Neuwahlen
stattfinden müssen.
Kompetenzen
Vertretung: Die Verfassung 1848 ordnet sowohl Gesetzgebung also auch Gerichtsbarkeit dem
Gesamtstaat zu, die Länder, Kreise und Gemeinden sind zur Wahrnehmung von
Regionalinteressen berufen. Die Verfassung 1849 regelt die Kompetenzverteilung genauer. Die
Gesetzgebung obliegt sowohl dem Gesamtstaat als auch den Ländern, Verwaltung und
Gerichtsbarkeit sind gesamtstaatliche organisiert. Die Kompetenzen werden grundsätzlich dem
Gesamtstaat zugeschrieben, soweit sie nicht zu Landesangelegenheiten delegiert werden.
Zusätzlich obliegt dem Gesamtstaat die Kompetenzen der Länder zu entscheiden („KompetenzKompetenz“)
Maßnahmen bis 1851:
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Gerichtsbarkeit: Übergang vom Inquisitionsprozess zum Anklageprozess (Ankläger
und Urteiler sind getrennt), Geschworene im Strafprozess
Kultuswesen: geprägt von der Trennung von Staat und Kirche
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1848-1851
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Unterrichtswesen: Reformen von Minister Thun- Hohenstein (Einführung vom
achtklassigen Gymnasium bzw. der Realschule als Vorbereitung für die höhere
Bildung), Universitäten bekommen teilweise Autonomie
Agrarwesen: Aufhebung der Grundherrschaft („Bauernbefreiung“)
Wirtschaft: Mit der Aufhebung der Zollgrenze zu Ungarn wird ein einheitlicher
Wirtschaftsraum gebildet.
Organe
Gesetzgebung (obliegt Kaiser gemeinsam mit dem Reichstag):
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Verfassung 1848: Die Wahl des Abgeordnetenhauses erfolgt indirekt durch
Wahlmänner, passiv also auch aktiv wahlberechtigt ist jeder österreichische Staatsbürger
ab Vollendung des 24. Lebensjahres. Ein Gesetz kommt durch die Initiative von Kaiser,
Regierung oder Reichstag zustande.
Verfassung 1849: Das Unterhaus wird direkt gewählt, eine Wahlberechtigung setzt
jedoch ein Mindestmaß an steuerlichen Abgaben voraus. Ins Oberhaus entsenden die
Länder je zwei Mitglieder, weitere werden gewählt (Vorraussetzung ist ein jährliches
Steueraufkommen von 500 Gulden). Gesetzesinitiativen werden wie in der Verfassung
48 gehandhabt, dazu kommt das Notverordnungsrecht des Kaisers.
Verwaltung (an der Spitze steht der Kaiser, der von Ministern unterstützt wird):
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Zentralbehörden: Ministerrat (=Regierung, Spitze der Ministerien), Reichsrat
(beratendes Organ von Kaiser und Regierung)
Mittel- und Unterbehörden: Statthalterei, Kreisbehörden ,Bezirkshauptmannschaft
Bei allen Behörden handelt es sich um staatliche Verwaltungssprengel und nicht um
Selbstverwaltungskörperschaften!
Gerichtsbarkeit (beinahe heutige Organisation der Gerichtsbarkeit):
Sondergerichte werden aufgehoben, es gibt nur noch staatliche Gerichte: Bezirksgericht,
Bundeskollegialgericht, Landesgericht, OLG, Oberster Gerichts- und Kassationshof
Das Land
Die Verfassung 1849 beendet sie ständische Landesherrschaft, an ihre Stelle treten die
Landtage. Das Land hat ein eigenes, wenn auch nur bescheidenes, Gesetzgebungsrecht und ist
durch die Länderkammer an der Gesetzgebung des Gesamtstaats beteiligt. In der Verwaltung
erfahren die Länder eine zunehmende Stärkung, denn sie treten als staatliche
Verwaltungssprengel an die Stelle der Gouvernementsbezirke. Das Land hat somit eine
Doppelfunktion (staatlicher Verwaltungssprengel, Selbstverwaltungskörperschaft).
Die Kompetenzen der Länder werden durch die „Oktroyierte Märzverfassung“ nicht wesentlich
erweitert, doch dies nehmen die Länder ohne Kritik hin. Sie sehen sich selbst nicht als Staaten
im Gesamtstaat, sondern als Gebietskörperschaften geringeren Rangs. Sie fordern nur die
Umformung des ständischen Landtages, ohne weitere Kompetenzen für sich zu beanspruchen.
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Fazit: 1850 treten Landesverfassungen in Kraft, diese sind aber wenig effektiv. Obwohl sie nie
vollzogen werden, dienen sie als Vorlage für die Landesordnungen 1861.
Die Gemeinde
Im Zuge der Aufhebung der Grundherrschaften ist die Lokalverwaltung neu zu regeln. Es
kommt zur Bildung von Gemeinden, die durch gewählte Organe handeln. Grundlage für die
Errichtung der Gemeinden ist das Provisorische Gemeindegesetz 1849.
Die Gemeinde besitzt einen eigenen (autonomen) Wirkungsbereich und einen vom Gesamtstaat
übertragenen.
Fazit: Das Provisorische Gemeindegesetz 1849 erleidet ein ähnliches Schicksal wie die
Landesverfassungen aus dem Jahr 1850, es dient jedoch als Vorlage für das
Reichsgemeindegesetz 1862.
Verhältnis zum Deutschen Bund
Nach der Niederlage Napoleons und der Auflösung des Rheinbundes ist es das Ziel des Wiener
Kongresses 1814/15, Deutschland politisch zu einigen. Es gibt unter anderem Pläne für die
Wiederherstellung des Heiligen Römischen Reiches, für einen Einheitsstaat und einen
Bundesstaat. Diese Vorschläge scheitern jedoch an der Verteidigung der Souveränität der
einzelnen Staaten, einzige Möglichkeit bleibt somit die Herstellung eines Staatenbundes.
Österreich gehört dem Deutsch Bund nicht zur Gänze an. Im einzigen Organ des Bundes, der
Bundesversammlung, führt Österreich den Vorsitz. Die hier beschlossenen Gesetze binden nur
die Mitgliedstaaten, sie haben die Gesetze aber innerstaatlich durch Transformation
umzusetzen.
Der Deutsche Bund legt den Einzelstaaten gewisse
Beschränkungen auf:
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Das Prinzip der monarchischen Legitimität soll durch die Untersagung der absoluten
Monarchie gewahrt werden. In den Ländern sollen ständische Verfassungen eingeführt
werden.
Die Umsetzung von Bundesverfassungsrecht bzw. Bundesgesetzen kann den
Einzelstaaten durch „Bundesexekution“ aufgezwungen werden.
Das Kaisertum Österreich hat selbst großes Interesse an der Herstellung landesständischer
Verfassungen. In Österreich haben nur die Länder Krain und Tirol Verfassungen, jedoch wird
durch diese der Monarch in der Ausübung seiner Rechte so gut wie nicht beschränkt. Für
Österreich stellt der Deutsche Bund die Möglichkeit dar, das vormärzliche Stabilitätssystem auf
ganz Deutschland auszudehnen.
Die zusätzlich gebildete „Heilige Allianz“ (Bündnis europäischer Staaten ohne die Türkei und
die Kirche) rechtfertigt Interventionen in Italien und schirmt das vormärzliche System nach
außen ab.
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Österreichs Verhältnis zu Reformen im Deutschen Bund
Aus dem Deutschen Bund ist kein Bundesstaat geworden, sondern ein Staatenbund dem es an
einer Volksvertretung und obersten Gerichtsbarkeit mangelt.
Während der revolutionären Bewegungen 1848 ergreift die Bundesversammlung, unter dem
Vorsitz Österreichs, selbst die Initiative und führt Wahlen für eine Nationalversammlung durch.
Die Nationalversammlung tritt in Frankfurt am Main in der so genannten Paulskirche
zusammen („Paulskirchenversammlung“). Als erste Aufgaben zählen
 Die Schaffung einer provisorischen Zentralgewalt
 Die Errichtung des Amts des Reichsverwesers (=Staatsoberhaupt)
Großdeutsche und Kleindeutsche Lösung
Der Deutsche Bund soll von einem Staatenbund nun endlich in einen Bundesstaat umgewandelt
werden.
Probleme: Was soll mit jenen Staaten passieren, die nicht zur Gänze Teil des Deutsche Bundes
sind? (z.B. Österreich) Soll das künftige Staatsoberhaupt der österreichische Kaiser oder der
preußische König sein?
Kleindeutsche Lösung: Deutscher Bundesstaat unter der Führung Preußens ohne
Österreich.
Großdeutsche Lösung: Deutscher Bundesstaat mit Österreich (nimmt Trennung des
Hoheitsgebiets in Kauf)
Schließlich wird es Österreich überlassen, ob es als Einheitsstaat bestehen bleiben will und
somit dem Deutschen Bundesstaat nicht angehört, oder dem Deutschen Reich beitritt und mit
einem Teil des Gebietes im Verhältnis einer Personalunion steht.
Die Regierung Schwarzenberg erteilt sowohl der Großdeutschen, als auch der Kleindeutschen
Lösung eine klare Absage. Der Deutsche Bund hätte mit Modifikationen (Österreich sollte zur
Gänze beitreten) weiterhin als Staatenbund zu bestehen. Damit wäre ein mitteleuropäischer
Großraum (70. Millionen Einwohner) geschaffen, der wirtschaftliche Vorteile bringt.
Fazit: Die Verfassung scheitert an der Ablehnung der Kaiserwürde des preußischen Königs. Die
Nationalversammlung löst sich auf und der Reichsverweser Erzherzog Johann überträgt seine
Kompetenzen wieder an den Deutschen Bund.
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