Absegeln am 12.09.2015

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Absegeln am 12.09.2015
Absegeln am 12.09.2015
Und wieder neigt sich ein Segelsommer dem Ende zu. Nur zögerlich trafen am
Samstag einige Segelkameraden und –Kameradinnen unter dem Flaggenmast ein,
um bei frischem Wind, aber strahlendem Sonnenschein Abschied von der Saison zu
nehmen. Der 1. Vorsitzende, Dr. Jan Bühner, ergriff das Wort:
Liebe Segelkameradinnen und Segelkameraden,
schon wieder neigt sich ein Segelsommer seinem Ende zu. Absegeln bringt immer die traurige Gewissheit, dass nun wieder
die winterliche Seite unseres Sportes dran ist: Winterlager, Wartungs- und Reparaturarbeiten, Punschtrinken,
Grünkohlwanderung, Curry-Essen. Für mich persönlich Hüft-OP und hoffentlich wieder besser laufen können.
Der Sommer war für die SVC insgesamt erfolgreich: viel Betrieb im Hafen, sehr zufriedene Gäste, kaum Gemecker aus dem
Kreis der Mitglieder - Vorsitzender, was willst du mehr?
Eine besondere Tendenz: die Boote werden immer größer. Auch Motorjachten, die dann mal eben unseren 5000l-Tank an der
Tankstelle leermachen, gibt es vermehrt. Einer hat hier im Hafen wohl mal verkündet, dass er bei Vollgas 500l in der Stunde
verballert.
Das lässt sich natürlich alles noch steigern, gehört aber in eine Tendenz, deren vorläufiges Ende sich z.B. bei der FilmBiennale in Venedig zeigt.
Während der Filmfestspiele liegen sechs oder sieben Megajachten an der Promenade. Die Größe der Schiffe nimmt in
Richtung Giardini zu: Erst kommt die Vertigo, eine hochmoderne, siebzig Meter lange Segelyacht, die vielleicht Rupert
Murdoch gehört (die Besitzverhältnisse lassen sich bei vielen dieser Schiffe nicht ermitteln) und für eine Viertelmillion Euro
in der Woche gemietet werden kann. Es folgt die Polar Star, ein gut sechzig Meter langes Schiff, das für die "Eisklasse 1A
(schwierige Eisverhältnisse)" gerüstet ist, aber auch schon bei den Marshallinseln gesichtet wurde. Abgeschlossen wird die
Reihe mit der Octopus, der 126 Meter langen Yacht Paul Allens, der einst zusammen mit Bill Gates die Firma Microsoft
gründete. Das Schiff birgt zwei U-Boote und besitzt zwei Landeplätze für Hubschrauber.
Der Hamburger Kunsthistoriker Wolfgang Kemp veröffentlichte vor einiger Zeit in der Zeitschrift Merkur einen Essay, in
dem er die "Megayacht" erklärt ("Der Oligarch. Ein Beitrag zur Berufskunde", August 2014): Eine Yacht, so heißt es darin,
sei zunächst etwas sehr Materielles. Der Reichtum nimmt darin eine unmittelbare, greifbare Form an, in einer Art und
Weise, wie das zuletzt in Palästen geschah und dann lange Zeit nicht mehr. Aber die Yacht ist noch viel mehr. In ihr, so
Wolfgang Kemp, habe das Prinzip "offshore" feste Gestalt angenommen und sich zugleich selbst übertroffen: Der Symbolort
habe sich in ein Vehikel verwandelt, das gegenüber den Cayman Islands oder den Bermudas den Vorteil besitzt, sich schnell
durch allerhand internationale Gewässer bewegen und dabei nur sehr bedingt überwacht werden zu können.
Soweit wird es in unserem bürgerlichen Segelsport nicht kommen!
Aber es gibt ja auch noch eine andere Seite: Natürlich fragen sich sicherlich viele von uns, was die großen Veränderungen in
der Welt mit ihrer zunehmenden Globalisierung und Internationalisierung für uns bedeuten: Dass die Siemens-Ansiedlung
vermutlich auch Menschen mitbringt, die sich für den Segelsport interessieren werden, ist eine angenehme Perspektive. Was
ist aber mit den vielen Menschen, die bei uns mit leben möchten und doch so unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen.
Das ist eine gesamtgesellschaftliche Frage und Aufgabe. Die nächsten Wahlen werden spannend. Uns in der bürgerlichen
Mitte kommt dabei sicherlich eine besondere Bedeutung zu, damit das Leben nicht nach rechts oder links abkippt. Hat auch
das etwas mit unserer SVC zu tun? Oder leben wir in unserem Verein und in anderen Vereinen auf einer Insel der Seligen?
Sicherlich nicht. Sport und besonders auch Segelsport gehören in eine Phase der bürgerlichen Lebensentfaltung jenseits der
Sorge um Grundbedürfnisse. Es ist sicherlich kein Zufall, dass unsere Segler-Vereinigung 1926 in der Phase der
wirtschaftlichen Blüte der 'Goldenen Zwanziger' gegründet wurde. Die Krise des Dritten Reiches betraf die übergestülpte
Ideologie und die Kriegsbedingten Einschränkungen. Die Blüte des Vereins ging dann in den Wirtschaftswunderjahren
weiter und erreichte in den 70er und 80er Jahren auch einen Höhepunkt der Mitgliederentwicklung. Aber wie ich schon
mehrfach ausgeführt habe, war die Entwicklung des Segelsports von Anfang an auch international ausgerichtet. Zumindest
im Dunstkreis europäischer Kultur hat der Segelsport auch von Cuxhaven aus im grundsätzlichen Sinne der
Völkerverständigung gedient. Wer die Zeitung ausführlich genug liest, hat schon mitbekommen: unter den Flüchtlingen
sind viele mit akademischen und bürgerlichen Berufen: Ärzte, Apotheker, Lehrer. Vereine können einen großen Beitrag
leisten, Menschen aus fremden Ländern in unsere Gesellschaft zu integrieren. Wir wollen einmal sehen, ob die SVC hierzu
nicht auch einen Beitrag leisten kann.
Stichwort: Winterlektüre für Segler. Ich bin mal wieder auf Joseph Conrad gestoßen. Selbst lange Jahre als Seemann
unterwegs hat dieser aus Polen stammende und in England lebende Novellist vieles aus dem Seemannsleben der klassischen
Seglerzeit überliefert. Schaurig schön die Geschichte von 1898 unter dem Titel 'Youth', 'Jugend'. Er berichtet von einer
Fahrt, er als Zweiter Offizier, mit einer Dreimast-Bark von Falmouth nach Bangkok. Das Schiff hatte den eigenartigen
Namen 'Judaea' und fuhr unter dem Motto 'Be brave or die' 'Sei stark oder stirb'. Auf dem Atlantik mussten sie beim ersten
Versuch beidrehen, weil der Wassereinbruch unbeherrschbar zu werden drohte. Zurück nach Plymouth, Kohlen entladen,
Reparatur des Rumpfes, neu beladen, neue Mannschaft, los. Im indischen Ozean stellte der Zweite beim Öffnen einer
Ladeluke fest, dass es aus dem Schiffsbauch heraus stinkt wie von tausend Petroleumlampen. Nach weiteren Tagen entströmt
den Ventilatoren heiße Luft: die Ladung hat sich entzündet. Man versucht durch massiven Einsatz von Wasser und
gleichzeitiges Pumpen eine Löschung des Feuers hinzubekommen. Aussichtslos. Ein Dampfer nimmt sie in Schlepp, aber
durch den stetigen Fahrtwind kommt die Höllenglut im Leib des Schiffes erst recht in Schwung. Eine Staubexplosion reißt
große Löcher in weite Bereiche des Decks. Das Schiff muss aufgegeben werden. Die drei Boote werden zu Wasser gelassen.
Der Zweite ist bei den Booten und wartet auf die anderen aus der Besatzung...
Es folgten das traditionelle dreifache Hipp Hipp Hurra und der Umtrunk. Danach
gingen die Segler an Bord, schlugen die Segel an und ‚raus ging es auf die Elbe. Bei
südöstlichen Winden der Stärke 4 – 5 Bft war eine sportliche Kreuz angesagt. Die
teilnehmenden acht Boote wurden am Anleger des SEEFAHRERS freundlich
empfangen. Am Abend trafen in der Gaststätte 24 Teilnehmer ein, davon waren acht
mit dem Auto gekommen. Nach einem vorzüglichen, von allen gelobten Essen in
Büffetform feierte eine kleine, aber feine Runde bei bester Stimmung bis in die Nacht.
Am Sonntagmittag – als der Nebel sich gelichtet hatte- wurde die Heimreise
angetreten. Bei herrlichem Sonnenschein und achterlichen Winden konnten die
Segler ganz entspannt heimwärts segeln. Angela und Thommy Cords haben ein
weiteres Mal eine schöne Absegelfeier kreiert. Danke!
Margrit Erkner
Fotos: Malte Stoye