Dartzeel CTH-8550

Transcrição

Dartzeel CTH-8550
Sonderdruck
Ausgabe 4/2010
hifi
& records
Das Magazin für
hochwertige Musikwiedergabe
»Golden Gate«:
Dartzeel CTH-8550
VERSTÄRKER
W
er beim Betrachten des Dartzeel CTH-8550 zusammenzuckt, dem sei versichert: Es gibt ihn auch in
Schwarz. Aber ein Statement wie diesen Vollverstärker sollte man nicht hinter dem üblichen Schwarz, Alu oder Champagner verstecken. Das darf sichtbar leuchten – gerne auch in
schimmerndem Gold und prallem Rot. Mich erinnert die Farbgebung an eine Ausstellung, die ich 2002 in der Villa Hügel in
Essen sah: »Sinn und Sinnlichkeit – Das flämische Stillleben 1550
- 1680«. Man betrat die Schauräume über eine Treppe, und unvermittelt stand man darin. Alle Wände waren mit roter Textiltapete
bespannt. Nicht irgendein Rot, sondern genau jenes, das mir jetzt
beim Dartzeel CTH-8550 wieder begegnet. Es heißt »Rouge Flamboyant« auf Französisch, wie ich auf Nachfrage von Hervé Delétraz
erfahre. An diesen roten Wänden hingen damals goldene Prunkrahmen mit Bildern, die nicht nur »alles ist eitel« sagten, sondern
unterschwellig auch erotische Botschaften vermittelten. Befremdliche Assoziationen? Überhaupt nicht! Ein mit »Pleasure-Control«
beschrifteter Lautstärkeregler dokumentiert ja nicht gerade einen
nüchternen Zugang zum Thema HiFi. Hier geht es um Verführung, Sinnesfreuden und Emotionen. HiFi als Genussmittel.
Jetzt aber mal halblang. Vor einem eventuellen Geständnis, diesem Vollverstärker und seinem betörenden Klang womöglich verfallen zu sein, gilt es noch ein nüchternes Faktum in den Blick zu
nehmen, das da lautet: 15.500 Euro. Da gibt es keine Schonung. Der
Dartzeel CTH-8550 muss entweder perfekt sein oder ein Kunstwerk. Mindestens aber sollte er mich tief beeindrucken. Ein paar
Kameraden aus seiner Leistungsklasse habe ich schon in meiner
Anlage erleben dürfen – nicht alle gefielen mir persönlich, aber objektiv spielten sie tatsächlich alle ganz oben mit: Krell FBI, Burmester 032, ASR Emitter 2 HD Akku, Accuphase E-530, Jeff Rowland
Concentra II … Zugegeben, einige wichtige Vergleichskandidaten
wie Pass INT-150 oder Gryphon Diablo fehlen noch auf meiner klei-
Test: Vollverstärker Dartzeel CTH-8550
Eine Begegnung der etwas anderen Art: Der
Schweizer Vollverstärker Dartzeel CTH-8550
verspricht mehr als HiFi. Er ist Verführung pur!
nen Liste interessanter Begegnungen mit Vollverstärkern. Aber ich arbeite daran. Und, auch das muss
ich einräumen, manche Erfahrung liegt schon eine
Weile zurück. Trotzdem werden all’ die Erlebnisse
mir helfen, den Dartzeel CTH-8550 einzuordnen.
Ich erlebe das nämlich so: Wer einmal beim Spitzenkoch genascht hat, der mag monatelang Hausmannskost essen – beim nächsten Besuch in einem
Top-Restaurant wird er jedoch allemal einschätzen
können, ob das Niveau in etwa wieder erreicht wird.
In Nachbarschaft zu Maschinen wie dem Krell FBI
(teurer) oder dem Gryphon Diablo (billiger) wirkt
der Preis des Dartzeel CTH-8550 übrigens nicht
mehr wie aus der Luft gegriffen. Zumal ich nach
dem Lupfen seines Deckels sehen werde, dass in
dem Gehäuse tatsächlich eine komplett autarke Vorstufe (mit eigenem Trafo) und eine ebenso separate
und von einem enormen Trafo versorgte Endstufe
stecken. Ein letzter Punkt, um gewissermaßen den
Rahmen abzustecken, in dem dieser Verstärker sich
beweisen muss: Dass man auch fürs halbe Geld –
und viel weniger – bereits exzellent Musik hören
kann, haben mir gerade der Direct Amp No. 280 von
WBE (Seite 48) und der Musical Fidelity AMS 35i
(hifi & records 3/2010) gezeigt. Letzterer kommt
dem Dartzeel mit seinem geschmeidigen und rasterfreien Klang übrigens schon ziemlich nahe, nur
hat er weniger Leistung. Das kann man auch hören.
Dartzeel – woher kommt der überhaupt? Hervé
Delétraz entwickelt seine Verstärker am Rande von
Genf, der französischsprachigen Kleinstadt, wo goldene Uhren in den Schaufenstern liegen. Im Jahr
2001 hat er die Entwicklung seiner Verstärker bei
der »Stereophile« in einem sechsteiligen Leser-Bericht dokumentiert. Aha, noch ein Dilettant, der die
Welt mit Selbstgebautem beglückt? Mitnichten.
Delétraz hat einen Studienabschluss als Elektroingenieur; seine Abschlussarbeit bestand in der Entwicklung eines Class-D-Verstärkers. Doch mit dieser
Technologie kam er nicht weiter. Wo er selbst seine
Ziele sieht, verrät beim CTH-8550 übrigens auch das
Namenskürzel: CTH steht für »Close To Heaven«,
Golden Gate
VERSTÄRKER
8550 für »85 % der Klangqualität der
getrennten Verstärkerkombination
zu 50 % von deren Preis«.
Als ich Hervé Delétraz bitte, mir
die entscheidenden Punkte seiner
Verstärkerentwicklung zu beschreiben, hebt er zwei Aspekte hervor:
Erstens erreiche er ein sauberes Ausgangsspektrum mit Hilfe einer in
Audio-Verstärkern einmaligen (und
darum patentgeschützten) digitalen
Kontrolle per DAC, die für die
Rauschunterdrückung und eine Reduzierung des Gleichstromanteils
sorge. Zweitens entwickle er seine Schaltungen, indem er den eigentlichen Signalweg so weit wie möglich reduziere
und die dabei auftretenden Probleme
wiederum durch Regelungs- und Kontrollfunktionen angehe. Das Musiksignal passiere beispielsweise in der Endstufe lediglich drei verstärkende Bauteile.
Klingt nach einem ziemlich puristischen Verstärker. Tatsächlich ist der
CTH-8550 aber genauso vollgepackt wie
etwa ein Krell FBI. Vor allem bei der
Spannungsversorgung mit unzähligen
lokalen, geregelten Stützpunkten betreibt Delétraz einen extremen Aufwand.
Er denkt dabei ebenso unkonventionell
wie zielgerichtet. So kann man den
größeren der beiden übereinander angeordneten Trafos abschalten; er ist für
die Versorgung der Endstufenabteilung
zuständig. Auf diese Weise werden vom
Trafo ausgehende Magnetfelder eliminiert. Das soll den Klang des CTH-8550
im reinen Vorstufeneinsatz noch einmal
verbessern. Der Verstärker arbeitet im
Class-A/B-Betrieb mit ausschließlich
lokaler Gegenkopplung und ist prinzipiell unsymmetrisch aufgebaut. Für die
hohe Qualität aller Bauteile kann beispielhaft der speziell für Dartzeel von
Elma produzierte Drehschalter mit optischem Encoder genannt werden; im
Hintergrund erfolgt
die eigentliche Lautstärkeregelung mit
Halbleitern.
Auf die enorme
Ausstattungsvielfalt
des CTH-8550 kann
ich kaum eingehen.
Manches – wie die
Aktivierung
per
USB-Schlüssel bei
der erstmaligen Inbetriebnahme – erhöht die Sicherheit
beim Versand, anderes – wie etwa die
Tatsache, dass der
CTH-8550 seinen
Besitzer im hübschen Display namentlich anspricht
– empfinde ich als
Schnickschnack. Unser Testgerät kam
von Bauer Audio und war natürlich mit
einem Phono-Eingang ausgestattet (Willibald Bauer produziert ja den Plattenspieler dps). Zum ersten Mal während
eines Vollverstärkertests habe ich komplett auf den Anschluss meiner externen Phonostufe verzichtet und trotzdem
viele LPs gehört. Der MC-Eingang klingt
nicht »besser« als mein SAC Entrata
Disco, aber allemal so gut, dass man sich
für die Suche nach einem Top-Phonopre
viel Zeit lassen und seine Plattensammlung auf hohem Niveau genießen kann.
Ich habe das Plattenhören mit dem Dartzeel jedenfalls genossen.
Für mich gibt es ein Unterscheidungsmerkmal, welches gewissermaßen die
Crème de la Crème beim HiFi klassifiziert und ausschließlich ihr zu eigen ist.
Es ist die Fähigkeit, ein Klangbild herstellen zu können, in dem sich alle Details zu einem perfekten Ganzen zusammenfügen und kein einzelner Aspekt
mehr herausragt. Mir schwebt eine nicht
mehr zu hinterfragende Selbstverständlichkeit vor. Es geht um jenen Moment,
in dem die perfekte Illusion gelingt. Ich
bin nicht so naiv zu glauben, HiFi könne das Konzert ins Wohnzimmer projizieren. Im Kino glaubt bei »Jurassic
Park« ja auch niemand, im Dschungel
zu sein. Es kommt allein darauf an, ob
die emotionale Ansprache so packend,
ergreifend oder aufregend gelingt, dass
wir beim Hören die technischen Rahmenbedingungen vergessen. Quellengeräte scheinen es dabei leichter zu haben
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VERSTÄRKER
Labor-Report
Frequenzgang: Dartzeel CTH-8550
Wunderbar gemacht: Allein schon die
Kontaktierungen auf der roten Dartzeel-Platine sind eine echte Augenweide.
als Verstärker. CD-Player wie der Accuphase DP-700, der Moon 750D oder der
Reimyo CDP-777 besitzen diese nicht
mehr zu hinterfragende Selbstverständlichkeit nämlich. Aber Verstärker? Ein
Beispiel: Der Krell FBI oder der Burmester 032 sind Weltklasse. Es tat in beiden
Fällen weh, sie nach ein paar Wochen
zurückzugeben. Beide können Musik
überraschend differenziert darstellen –
ein Wunder eigentlich angesichts ihrer
schieren Kraft. Und genau die legt den
Hauch eines Schattens auf ihre Wiedergabe. Die Verstärker-Power ist beim Musikhören nämlich jederzeit gegenwärtig,
obwohl sie eigentlich nicht zum Musik-,
sondern zum HiFi-Erlebnis gehört.
Beim Musikhören mit dem Dartzeel
CTH-8550 denke ich über solche Parameter wie Kraft, Schnelligkeit, Dreidimensionalität nicht mehr nach. Selbst
komplexeste Musik in keineswegs perfekten Aufnahmen (Schönberg: Gurrelieder, Philips-CD mit dem BSO unter
Ozawa) tritt mir ohne Raster, Pixel oder
Nähte als etwas Ganzes entgegen: als
weites und stabiles Bild, bei dem ich
nach wie vor wahrnehme, wie es aufgenommen wurde, das aber in sich absolut
intakt ist. Darum lenkt nichts von der
Musik ab. Ich höre die CD – nicht den
Dartzeel. Die Messwerte deuten etwas
anderes an? Mir vollkommen egal, wenn
Anne Sofie von Otter oder Fiona Apple
mich mit dem unvergleichlichen Klang
ihrer Stimmen becircen!
Halt. Ich hatte eingangs angedeutet,
mich von dem Dartzeel CTH-8550 nicht
einfach einwickeln zu lassen. Wo könnte Kritik ansetzen? Bei der Frage, ob er
nicht doch ab und an eine Nuance biss-
fester klingen sollte. Der Steinway, den
Alexandre Tharaud auf seiner jüngsten
Chopin-CD spielt (Virgin classics),
könnte für meinen Geschmack noch
eine Spur metallischer, noch glockiger
klingen. Dieser Punkt geht an etwas fester klingende Komponenten aus Amerika oder Deutschland, deren Entwickler
mit hoher Gegenkopplung arbeiten.
Aber sobald dem Lustprinzip sein Recht
eingeräumt werden soll, haben sie dem
Dartzeel nichts mehr entgegenzusetzen.
Klirrspektrum: Dartzeel CTH-8550
Störspektrum: Dartzeel CTH-8550
Mir käme dieser
Traumverstärker sogar ins Regal, wenn er
als Tigerente lackiert wäre. Der Dartzeel
CTH-8550 öffnet der Musik ein Tor und
baut ihr goldene Brücken. In den vergangenen zehn Jahren kamen diesem
Amp eigentlich nur der Emitter 2 HD
Akku von ASR gleich und der Musical
Fidelity AMS 35i nahe. Alles andere war
nur HiFi.
Heinz Gelking ■
Fazit
Vollverstärker Dartzeel CTH-8550
Nennleistung 8Ω (1% THD)
203 W
341 W
Nennleistung 4Ω (1% THD)
Klirrfaktor (THD+N, 10W / 4Ω)
0,21 %
IM-Verzerrungen (SMPTE, 5W / 4Ω)
0,58 %
0,01 %
IM-Verzerrungen (CCIF, 5W / 4Ω)
Fremdspannung (20/250kHz-Filter) -89,4/-82,1 dB
-95,0 dB
Geräuschspannung (A-bewertet)
Obere Grenzfrequenz (-3dB / 10W)
141 kHz
Kanaldifferenz
0,034 dB
Eingangswiderstand
41 kΩ
Leerlauf-Leistungsaufnahme
73,5 W
D
Dartzeel
CTH-8550
BxHxT
Garantie
Preis
Vertrieb
Telefon
44 x 17 x 33,5* cm
2 Jahre
17.950 Euro
Gaudios
Brandhofgasse 11
A-8010 Graz
00 43 316 - 33 71 75
*mit Griff: 41,5 cm – Phono-MC: 790 Euro
er Dartzeel bietet satte Leistung,
wie es sich für die VollverstärkerTopliga gehört. Die Störabstände sind
sehr gut, die Bandbreite von 140 kHz ist
gut gewählt (am oberen Ende des »vernünftigen Bereichs«). Seinen Fingerabdruck zeigt der Dartzeel beim hohen Klirr
mit breitbandigem Spektrum, begleitet
von deutlichen Intermodulationsverzerrungen. Der Klirrfaktor liegt auch bei
einem Watt (4 Ohm) schon bei 0,2 Prozent. Da der CTH-8550 intern unsymmetrisch arbeitet, haben wir ihn über den
Cincheingang »L1« gemessen.
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