Geschäfte mit der Armut

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Geschäfte mit der Armut
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Bundesweite Aktionswoche der Schuldnerberatung
www.aktionswoche-schuldnerberatung.de
Hilfsangebote für Schuldner -Ein
Abgrenzungspapier
Mit
der
wachsenden
einerseits
Verschuldung
und
der
der
Bevölkerung
Etablierung
des
Restschuldbefreiungsverfahrens nach der Insolvenzordnung
andererseits, ist das Bedürfnis nach adäquater Beratung
von und Hilfe für Schuldner enorm gestiegen. Während die
Zahl der Schuldnerberatungsstellen in Trägerschaft der
Kommunen, Wohlfahrtsverbände und Verbraucherzentralen in den letzten Jahren
eher
rückläufig
war,
Insolvenzberatungsstellen
Angebote
selbsternannter
hat
sich
gegründet.
Schulden-
eine
kleine
Gleichzeitig
oder
Zahl
haben
gewerblicher
die
Insolvenzberater
unseriösen
explosionsartig
zugenommen.
Eine Unterscheidung der Angebote, die von seriöser Beratung bis hin zu Offerten
aus dem Grenzbereich krimineller Aktivitäten reichen, sich „am Markt“ aber unter
identischen Bezeichnungen finden, ist für Hilfe suchende Schuldner schwer.
Dieses Papier stellt die verschiedenen Hilfsangebote vor und grenzt die von
Wohlfahrtsverbänden, Kommunen und Verbraucherzentralen angebotenen Hilfen
sowohl
von
gewerblichen
Insolvenzberatungen
als
auch
von
unseriösen
Medien,
Werbung,
Regulierungsangeboten ab.
Begriffsdefinitionen und Rechtsgrundlagen
Hilfen
für
Überschuldete
werden
in
Fachliteratur,
Selbstdarstellung und Selbstverständnis der Anbieter mit einer Vielzahl von
Begriffen umschrieben, die im Allgemeinen weder klar definiert noch trennscharf
genug sind, die Angebote zu bewerten: Schulden- bzw. Schuldnerhilfe, Schuldenbzw.
(soziale)
Schuldnerberatung,
Entschuldungshilfe,
Schuldenregulierung
gleichberechtigt
Insolvenzhilfe,
Entschuldungsberatung,
stehen
–
nebeneinander,
zumindest
um
Insolvenzberatung,
Sanierungsberatung
ohne
Hilfsangebote
nähere
für
Erläuterung
Überschuldete
und
–
zu
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beschreiben. Die Zielgruppe der Schuldner, aber durchaus auch beruflich mit der
Materie
befasste
Personen
und Institutionen
(Gerichtsvollzieher,
Gerichte,
Anerkennungsbehörden), stehen der Vielzahl von Begrifflichkeiten gegenüber,
ohne erkennen zu können, welche Leistung die Verwender der Begriffe
tatsächlich beschreiben. Die im Folgenden verwendeten Begriffe verstehen sich
wie folgt.
Schuldnerberatung
Schuldnerberatung als persönliche Hilfe für Menschen in wirtschaftlicher Not wird
traditionell als ganzheitlich verfahrende und auf die Person ausgerichtete
Beratung verstanden1. Sie ist über die reine Sanierungsberatung hinaus eine
psycho - soziale Dienstleistung und gründet sich auf einen bestimmten
Arbeitsethos und daraus abgeleitete Prinzipien:
Freiwilligkeit des Beratungsangebots
Wahrung der Eigenverantwortlichkeit des ratsuchenden Schuldners
Garantie von Verschwiegenheit und Vertraulichkeit
Nachvollziehbarkeit des Beratungsprozesses für den Schuldner
fachliche Unabhängigkeit der Berater
Schuldnerberatung ist damit ein Konzept, "das die gesamte soziale und
wirtschaftliche Situation der überschuldeten Klienten einbezieht".
2
Mit dem Inkrafttreten der sog. Hartz-Reformen sind die gesetzlichen Grundlagen
der Schuldnerberatung in den Sozialgesetzbüchern II und XII geregelt worden.
1 vgl. AGSBV: Funktions- und Tätigkeitsbeschreibung Schuldner- und Insolvenzberater/in vom 0204.2004,
Recherche: http://www.infodienstschuldnerberatung.de/methoden/berufsbild/funktionsundtaetigkeitsbeschreibungsb.pdf
Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) sind die Arbeiterwohlfahrt
Bundesverband e.V., die Bundesarbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung e.V., der Deutsche Caritas Verband,
der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband e.V., das Deutsche Rote Kreuz, das Diakonische Werk der EKD
e.V., sowie der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.. Die Kommunen werden durch einen Vertreter als
ständiger Gast einbezogen. Die AGSBV versteht sich als gemeinsame Plattform überverbandlicher fachlicher
Zusammenarbeit.
2 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 16.07.1987 Nr. VI
5/7100/15/87
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Wenn der Sozialleistungsträger (Kommune, Arbeitsagentur), etwa in Form einer
kommunalen Schuldnerberatung, die Schuldnerberatung nicht selbst erbringt,
beauftragt
er
damit
Schuldnerberatungsstellen
der
Wohlfahrts-
oder
rechtsberatende
bzw.
Verbraucherverbände.
Schuldnerberatung
stellt
regelmäßig
(auch)
eine
rechtsbesorgende Tätigkeit dar. Eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten
liegt immer dann vor, wenn die Tätigkeit das Ziel hat, konkret fremde Rechte zu
verwirklichen oder fremde
beispielsweise
Ratsuchenden
indem
Rechtsverhältnisse
zu gestalten/zu verändern3,
Zahlungsvereinbarungen
getroffen
werden4.
Nach
mit
§
den
8
Abs.
Gläubigern
1
Nr.
der
1-5
Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) dürfen öffentliche und öffentlich anerkannte
Stellen
im
Rahmen
ihres
Aufgaben-
und
Zuständigkeitsbereiches
Rechtsdienstleistungen erbringen5.
Verbraucherinsolvenzberatung
Um einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens stellen zu
können,
muss
ein
Schuldner
gem.
§
305
Insolvenzordnung
(InsO)
die
Bescheinigung einer geeigneten Person oder Stelle über das Scheitern eines
außergerichtlichen Einigungsversuches vorlegen. Insolvenzberatung ist demnach
die Beratung und Vertretung überschuldeter Personen im außergerichtlichen
Einigungsversuch
und
gegebenenfalls
auch
im
vereinfachten
Verbraucherinsolvenzverfahren nach der Insolvenzordnung.
Die Verbraucherinsolvenzberatung darf nur durch geeignete Personen oder
Stellen gem. § 305 InsO erfolgen. Sie ist eine gem. § 8 Abs. Nr. 3 RDG zulässige
Tätigkeit und setzt eine Anerkennung nach dem jeweiligen Landesrecht voraus.
Mit
Ausnahme
des
Landes
Baden-Württemberg
sehen
die
jeweiligen
3 BGH NJW 1956, 591 u. 749
4 Inzwischen wurde die Rechtsdienstleistung gesetzlich in § 2 Abs.1 RDG definiert als jede Tätigkeit in
konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert
5 Kommunale Trägerschaft § 8 Abs. 1 Nr.2, Trägerschaft der Verbraucherzentralen § 8 Abs. 1 Nr. 4,
Trägerschaft der Wohlfahrtsverbände § 8 Abs. 1 Nr.5
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Landesausführungsgesetze zur Insolvenzordnung (AGInsO) für geeignete Stellen6
ein förmliches Anerkennungsverfahren vor. Die Ausführungsgesetze und die
entsprechenden Verwaltungsvorschriften unterscheiden sich teilweise erheblich7
in den Anerkennungsvoraussetzungen (zum Beispiel bei den organisatorischen
Voraussetzungen) und im dort beschriebenen Tätigkeitsumfang (zum Beispiel bei
der Vertretung im gerichtlichen Verfahren).
Regelmäßig wird im jeweiligen AGInsO, teilweise auch in den Verwaltungsvorschriften, vorausgesetzt, dass
•
die Stelle von einer zuverlässigen Person geleitet wird und
•
die Stelle auf Dauer angelegt ist und
•
zeitgemäße technische und organisatorische Voraussetzungen gegeben
sind und
•
mindestens eine Person über ausreichende praktische Erfahrung in der
Schuldnerberatung verfügt und
•
die erforderliche Rechtsberatung sichergestellt ist.
Verbraucherinsolvenzberatung
im
Sinne
der
Definition
wird
sowohl
von
Schuldnerberatungsstellen in Trägerschaft der Kommunen, Wohlfahrtsverbände
und Verbraucherzentralen als auch von gewerblichen Anbietern, soweit das
jeweilige Bundesland eine Anerkennung gewerblicher Anbieter zulässt, erbracht.
Die Problematik unseriöser Anbieter von Schuldnerberatung existierte bereits vor
Inkrafttreten der Insolvenzordnung und der Landesausführungsgesetze8. Doch
auch trotz der nunmehr förmlichen Anerkennungsverfahren gelingt es unseriösen
Anbietern immer wieder, teilweise für befristete Zeiträume, eine Anerkennung als
geeignete Stelle gem. § 305 InsO zu erlangen. Das liegt vor allem daran, dass
die Anerkennungsvoraussetzungen in einigen Landesausführungsgesetzen allzu
6 Für geeignete Personen, unter denen die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe verstanden werden, ist
ein Anerkennungsverfahren nicht vorgesehen
7 Vgl. Wellmann, Pamela: Auswertung der Aktion „Umfrage bei Sozialministerien“ in BAG-SB Info, oder
http://www.forum-schuldnerberatung.de/akgeschaefte/armut/v0008.htm
8 Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung vom 21.04.97, IV 2/7100/19/97
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leicht zu erfüllen sind. Erfreulicherweise sehen aber mehrere Bundesländer den
Bedarf, die Ausführungsgesetze zu novellieren9, da die geltenden Bestimmungen
weder trennscharf genug sind, um unseriösen Anbietern die Anerkennung zu
versagen, noch sehen sie ausreichend Sanktionen gegen diese vor.
Schuldenregulierung
Schuldenregulierung ist eine Sammelbezeichnung für alle Anbieter von Hilfen für
Schuldner, die über keine Rechtsberatungsbefugnis verfügen und nicht als
geeignete Stelle nach § 305 Abs.1 Nr.1 InsO anerkannt sind. Wenn der
Schuldenregulierer rechtsberatende Tätigkeit auf einen Rechtsanwalt überträgt,
dieser ihm also mit Wissen und Wollen bei der Erfüllung seiner Pflichten hilft
(sog. Erfüllungsgehilfe), dann ist auch dies unerlaubte Rechtsberatung: Denn
derjenige, der Rechtsberatung bzw. –besorgung anbietet, muss hierzu in eigener
Person ermächtigt sein10.
Umfassende und seriöse kostenpflichtige Hilfen für Überschuldete kann es
demnach nur durch die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe und durch die
von der jeweiligen Anerkennungsbehörde als „geeignet nach § 305 InsO“
anerkannten
gewerblichen
Schuldenregulierers
gegen
Anbieter
das
geben.
Verstößt
die
Rechtsdienstleistungsgesetz,
Tätigkeit
des
welches
ein
Schutzgesetz im Sinne des § 134 BGB ist, so ist der mit dem Schuldner
geschlossene
Vertrag
nichtig,
denn
ein
„Rechtsgeschäft,
das
gegen
ein
gesetzliches Verbot verstößt, ist nichtig“ (§ 134 BGB). Der Verstoß wirkt sich
auch auf eine etwaige Vereinbarung mit dem Gläubigervertreter aus, der weiß,
„dass er die Verhandlungen mit dem Schuldenregulierer ablehnen muss, da
mögliche Vereinbarungen, die er mit ihm trifft, nach § 134 BGB i.V.m. Art.1 §1
RBerG nichtig sind“11.
9 Vgl. Pressemeldung Rheinland-Pfalz MASGFF Nr. 036-5/08
10 BGH NJW 87, S. 3003, BGH vom 29.07.2009, Az.: I ZR 166/06
11 Jäger, ZVI 2/2003 (das Zitat bezieht sich noch auf das Rechtsberatungsgesetz, trifft Angesichts des
Charakters des RDG als Schutzgesetz jedoch weiter zu).
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Hilfsangebote in Überschuldungssituationen
Anwaltliche Beratung
Anwaltliche Beratung für Überschuldete findet, wenn auch die Anwaltschaft gerne
in ihrer Werbung auf den Begriff Schuldnerberatung Bezug nimmt, nahezu
ausschließlich
in
Einigungsversuches
Form
der
nach
der
Durchführung
des
Insolvenzordnung
außergerichtlichen
statt.
Eine
über
diese
Durchführung hinausgehende Beratung des Schuldners ist in aller Regel weder
vorgesehen
noch
leistbar,
so
dass
sich
die
Mandantschaft
auf
„wenig
beratungsintensive“ Schuldner beschränken muss. „Wenig beratungsintensiv“
sind zum Beispiel die, die keine multiplen Problemlagen haben (etwa keine
Sucht- und Familienprobleme), nicht obdachlos und keine Straftäter sind,
eventuell noch etwas Geld zur Verfügung haben (zum Beispiel, weil sie in einem
Arbeitsverhältnis stehen oder finanzielle Unterstützung Dritter erhalten), die
pünktlich und zuverlässig zu den Beratungsterminen erscheinen, die deutsche
Sprache verstehen usw.
In
der
Mehrzahl
der
Kanzleien
spielen
die
Beratung
und
Vertretung
überschuldeter Personen allerdings eine geringe Rolle, da das Verhältnis von
Aufwand und Ertrag die Beratung meist nur dann wirtschaftlich interessant
macht, wenn sich die Kanzlei auf die Verbraucherinsolvenzberatung spezialisiert
und damit entsprechend viele Mandate in diesem Bereich bearbeitet12. Deshalb
wird
der
überwiegende
spezialisierten
Kanzleien
Teil der
vertreten.
Schuldner
In
2006
von
vergleichsweise
wurde
ca.
die
wenigen
Hälfte
der
Verbraucherinsolvenzschuldner von Anwaltskanzleien vertreten.
Ein Teil der Verbraucherinsolvenzmandate wird über die Möglichkeit der
Beratungshilfe abgewickelt, wobei die Leistungen nur den außergerichtlichen
Einigungsversuch und die Bescheinigung über das Scheitern desselben abdecken,
12 Vgl hierzu Heuer, Jan: Anwaltliche Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung, Bremen 2007, S. 78
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nicht aber die Antragstellung im weiteren Verfahren. Ist Hilfe bei der Erstellung
der Antragsunterlagen gewünscht, werden daher in der Regel zusätzliche
Gebühren in Rechnung gestellt. Entsprechendes gilt natürlich auch für eine
Vertretung im weiteren Verfahren.
Vielfach werden Beratungshilfescheine durch die Amtsgerichte allerdings nicht
erteilt,
so
dass
Honorarvereinbarungen
Verbraucherinsolvenzmandate
auf
abgerechnet
Kosten,
werden.
Die
Basis
die
von
den
selbstzahlenden Schuldnern in Rechnung gestellt werden, beginnen in etwa in
der doppelten Höhe dessen, was bei Beratungshilfefällen von der Staatskasse
erstattet wird.
Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung durch Kommunen,
Wohlfahrtsverbände und Verbraucherzentralen
Die
Schuldner-
und
Verbraucherinsolvenzberatung
durch
Kommunen,
Wohlfahrtsverbände und Verbraucherzentralen richtet sich nicht nur an “wenig
beratungsintensive“ Klienten, sondern sie steht den Menschen unabhängig von
der Komplexität und Anzahl ihrer wirtschaftlichen und sozialen Probleme offen.
Allerdings ist eine Zielgruppenbeschränkung durch personelle Ausstattung,
fachliche Konzeption und Trägerschaft möglich13. Insolvenzberatung ist nur ein –
wenn auch bedeutsamer – Baustein der Methodik der Schuldnerberatungsstellen.
Die Klienten der Schuldner- und Verbraucherinsolvenzberatung sind in der Regel
gezwungen, am Rande oder unterhalb des Existenzminimums zu leben. Sie
suchen Hilfe, weil sie überschuldet, also zahlungsunfähig sind. Allein angesichts
dieser Lebenssituation kann die Unterstützung dieser Menschen grundsätzlich nur
kostenfrei erfolgen.
13 Teilweise findet keine Beratung (aktiv) Selbstständiger oder von Personen mit Baufinanzierungsschulden
statt, teilweise ist die Beratung auf bestimmte Personengruppen (Suchtmittelabhängige, Straffällige)
beschränkt oder spezialisiert. Ein Teil der Schuldnerberatungsstellen hat – aus unterschiedlichen Gründen – auf
die Anerkennung als geeignete Stelle verzichtet.
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Wer für Schuldnerberatung ein Entgelt fordert, begibt sich außerdem in einen
Interessenkonflikt: Schuldnerberater werden selbst zu Gläubigern ihrer Klienten,
denn sie erheben Zahlungsansprüche aufgrund der Beratungsleistung gegen sie.
Wenn die Klienten die Beratungsleistung nicht bezahlen können, dann müssten
die Schuldnerberater Vollstreckungsmaßnahmen gegen diejenigen richten, die sie
gleichfalls aufgrund ihrer beruflichen Funktion vor Vollstreckungsmaßnahmen
bewahren sollen. In einem solchen Fall stehen Schuldnerberater nicht mehr auf
der Seite ihrer Klienten, sondern verfolgen bei der Beratung Eigeninteressen.
Wenn
ein
Insolvenzverfahren
beantragt
werden
soll,
ist
dies
besonders
problematisch: Der Schuldner und sein Vermögen sollen ja gerade davor
geschützt werden, neue Verbindlichkeiten einzugehen. Insbesondere ist eine
Gleichbehandlung aller Gläubiger – wie sie das Verbraucherinsolvenzverfahren
fordert - nicht gewährleistet, eventuelle Zahlungen an den Schuldnerberater
können deshalb anfechtbar sein. In aller Regel ist die Beratung daher,
entsprechend
der
verbandlichen
Vorgaben
und
der
obergerichtlichen
Rechtsprechung14, unentgeltlich.
Formal umfasst die Verbraucherinsolvenzberatung regelmäßig die Durchführung
des außergerichtlichen Einigungsversuches, ggf. nebst Bescheinigung über das
Scheitern
der
Einigung,
Schuldnerberater
und
die
prüfen
Erstellung
im
der
Antragsunterlagen.
Zusammenhang
mit
Die
dem
Verbraucherinsolvenzverfahren in der Praxis aber auch, ob das Verfahren (jetzt)
überhaupt der richtige Weg für den Schuldner ist und klären ihn umfassend über
Ablauf und Bedeutung des Verfahrens auf. Daneben ergreifen sie auch
existenzsichernde Maßnahmen, die formal keine Insolvenzberatung sind: Sie
stellen sicher, dass die laufenden Lebenshaltungskosten (Miete und Strom)
gedeckt sind, um die Schuldner unter anderem vor Wohnungsverlust zu
bewahren und prüfen, ob das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum
zur
Verfügung
Pfändungsfällen).
steht
(zum
Auch
Beispiel
andere
Kontrolle
Probleme,
von
wie
Lohnabrechnungen
überlagernde
in
soziale
Schwierigkeiten oder Unterhaltsfragen bemüht sich die Schuldnerberatung zu
14 OVG Berlin-Brandenburg, 1 B 27.08
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klären. Die Schuldner werden nicht nur wirtschaftlich, sondern auch psychisch
und sozial stabilisiert, wodurch sich zum Beispiel ihre Beschäftigungsquote
deutlich
erhöht15.
Meist
werden
die
Schuldenbereinigungsplanverfahren
Schuldner
und
auch
während
im
(optionalen)
des
eröffneten
Verbraucherinsolvenzverfahrens, sowie der Wohlverhaltensperiode bis hin zur
Erteilung der Restschuldbefreiung betreut.
Die
Kosten
der
Verbraucherinsolvenzberatung
werden
überwiegend
durch
öffentliche Förderung16 der Länder abgedeckt, die der Schuldnerberatung durch
kommunale Mittel sowie teilweise durch Eigenmittel der Träger.
Verbraucherinsolvenzberatung durch gewerbliche Anbieter
Auch gewerbliche Insolvenzberatungsstellen bewerben ihre Tätigkeit regelmäßig
mit der Bezeichnung „Schuldnerberatung“. Eine Schuldnerberatung im Sinne der
eingangs
genannten Definition findet
allerdings
nicht statt, die
Leistung
gewerblicher Insolvenzberatungsstellen konzentriert sich vielmehr auf die reine
Durchführung von außergerichtlichen Einigungsversuchen17. Insoweit ist die
Tätigkeit gewerblicher Insolvenzberatungsstellen eher mit der anwaltlichen
Insolvenzberatung zu vergleichen, mit der sie sich auch die Zielgruppe
„selbstzahlende Schuldner“ teilt. Im Gegensatz zu Rechtsanwälten können
gewerbliche
Insolvenzberatungsstellen
allerdings
nicht
im
Rahmen
der
Beratungshilfe mit der Staatskasse abrechnen, so dass den Ratsuchenden
Gebühren
–
meist
analog
der
Honorarvereinbarung
in
der
anwaltlichen
Insolvenzberatung - in Rechnung gestellt werden.
15 Das wurde in einer von dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Auftrag
gegebenen Studie festgestellt:
http://www.kwup.de/fileadmin/templates/downloads/KWuP_Expertise%20Wirksamkeit%20von%20Schuldnerb
eratung%202004.pdf
16 Die diesbezüglichen Regelungen unterscheiden sich in den einzelnen Bundesländern erheblich, vgl:
http://www.f-sb.de/download/foerderungsb2005.pdf
17 Vgl. hierzu Baumann, Jan Theo/Schmitz-Winnenthal, Friedrich-Karl Die Verbraucherinsolvenzberatungsstelle
– Organisation und Arbeitsablauf ZVI 2009, S. 143
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Darüber
hinaus
bezieht
sich
die
Insolvenzberatungsstellen, und damit die
regelmäßig
auf
Insolvenzordnung.
Anerkennung
Rechtsgrundlage
den
außergerichtlichen
Eine
Rechtsdienstleistung
gewerblicher
ihrer Tätigkeit,
Einigungsversuch
für
Schuldner,
nach
für
der
die
das
Verbraucherinsolvenzverfahren – aus welchen Gründen auch immer – nicht in
Frage kommt bzw. nicht angestrebt wird, dürfte von der Anerkennung nicht
abgedeckt sein. In diesem Zusammenhang ebenfalls problematisch erscheint die
Beratung
von
beruflich
aktiv
selbstständigen
Schuldnern,
wie
sie
einige
gewerbliche Insolvenzberatungsstellen in ihrer Werbung anbieten, da für diese
meist18 nur das Regelinsolvenzverfahren in Frage kommt.
18 Soweit eine Fortsetzung der selbstständigen Tätigkeit beabsichtigt ist, bzw bei Aufgabe der selbstständigen
Tätigkeit die Voraussetzungen des § 304 InsO nicht gegeben sind
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