Man muss sie gesehen haben
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Man muss sie gesehen haben
FILMWELTEN Volkshochschule Aachen im Apollo Kino, Pontstraße 141-149 Man muss sie gesehen haben ... Montag, 20. Oktober 2008, 20 Uhr Actrices − oder der Traum aus der Nacht davor / Actrices Frankreich 2007 108 Minuten, OmU Regie: Buch: Valeria Bruni Tedeschi Valeria Bruni Tedeschi, Noémie Lvovsky, Agnès de Sacy Kamera: Jeanne Lapoirie Schnitt: Valeria Bruni Tedeschi, Anne Weil Produktion: Olivier Delbosc, Marc Missonnier Produktionsfirma: Fidélité Films/Virtual Films/Wild Bunch/ CNC/Canal + Darsteller/innen: Valeria Bruni Tedeschi (Marcelline), Noémie Lvovsky (Nathalie), Mathieu Amalric (Denis), Louis Garrel (Éric), Marisa Borini (Mutter), Valeria Golino (Natalja Petrowna), Maurice Garrel (Vater), Simona Marchini (Tante), Bernard Nissille (Jean-Paul), Olivier Rabourdin (Marc) Peterstraße 21-25 Telefon: 0241 47920 Telefax: 0241 406023 www.vhs-aachen.de Volkshochschule Aachen Das Weiterbildungszentrum Lebens Langes Lernen Spröde und sensibel Ja, sie ist die amtierende Schwägerin des französischen Präsidenten Sarkozy. Und nein, Valeria Bruni Tedeschi, die Schwester von Carla Bruni, hat so gar nichts von schamlosen Staatsaffären. Äußerst sensibel und persönlich zeigt sie sich in ihrer zweiten Regie Actrices als Schauspielerin in einer Lebens- und künstlerischen Krise. Valeria Bruni Tedeschi ist Schauspielerin, eine grandiose! Als Bäckersfrau in Nénette et Boni kurbelte sie 1996 den Brotverkauf heftig an. In La Seconda Volta spielte sie, die im Italienischen ebenso zuhause ist wie im Französischen, eine rehabilitierte Terroristin der Roten Brigaden, die auf ihr früheres Opfer trifft. Während Ist Liebe nur ein Wort? aufs Wunderbarste mit der Verletzlichkeit einer psychisch labilen jungen Frau fasziniert, zeigte Die Farbe der Lüge eine ruppige Kommissarin. Ihre Regisseure heißen Chabrol, Blier, Denis oder Ozon, aber erst in ihrer ersten eigenen Regie konnte sie das gleichzeitig spröde und äußerst sensible, das schon ihre Stimme in Originalversion erleben lässt, ganz ausspielen: Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr ... war als autobiografische Tragikomödie ebenso klug und klassenkämpferisch wie humoristisch und anrührend. Und wer wirklich etwas erfahren möchte über die Familie eines italienischen Industriellen, der aus Angst vor den Roten Brigaden mit Frau und den beiden Töchtern nach Paris flieht, über Valeria und die besagte Carla Bruni, der möge sich diesen Film ansehen und nicht all die oberflächlichen Promi-Stories. Carla hieß dort Bianca und wurde gespielt von Chiara, Chiara Mastroianni. Genau: der Tochter. Biografisch ist auch Valerias zweiter Film Actrices, wenngleich nicht derartig entschlüsselbar. Valeria Bruni Tedeschi spielt eine Schauspieler und sie spielt im Film an dem Theatre des Armandiers in Nanterra, das im richtigen Leben ihr Bühnendebüt erlebte. Der Star Marcelline (Bruni Tedeschi) probt dort die Hauptrolle der Natalaja Petrowna aus Turgenjews Ein Monat auf dem Lande. Und es ist die Hölle. Mit enormer Offenheit, extrem engagiert und verletzlich kämpft sie mit der Figur – und mit sich selbst. Denn selbst ihre Gynäkologin weist die bald 40-Jährige auf das Ticken der biologischen Uhr hin. All die kleinen Momente, die Verletzlichkeiten, Zweifel, Unsicherheiten zeigen eine Frau mit so ehrlicher Offenheit, dass man schamhaft wegschauen möchte, es aber zu keiner Sekunde kann. Zwischen der Affäre mit dem Falschen, einer Vergewaltigung durch ihren nichtswürdigen Regisseur, den Zwiegesprächen mit einer mysteriösen Petrowna oder einem Sofa, fließt immer eine berührende Anmut der Schwäche, eine enorme Kraft im Selbstzweifel. Ganz nebenbei sind die Dialoge genial, die Rollen exzellent besetzt. Valeria – nach diesem Film denkt man, man dürfe sie duzen – spielt zusammen mit ihrer Mutter Marisa Borini, einer bekannten Konzertpianisten. Besser: sie rauft sich zusammen mit ihrer Mutter. Auch ein ziemliches Theater in diesem nicht einfachen Leben, das sich in diesen Nuancen nicht mehr beschreiben lässt, man muss es mit viel Mitgefühl erleben. Günter H. Jekubzik in www.filmtabs.de Ängste und Selbstzweifel Actrices ist keine Komödie über Eitelkeiten und Launen von Schauspielerinnen, sondern erzählt in Form eines komödiantisch stilisierten Selbstporträts von den tiefsten, intimsten Ängsten und Selbstzweifeln einer vierzigjährigen Frau. Warum habe ich nicht bemerkt, wie mein Privatleben ins Niemandsland abdriftete? Gehört zum „vollständigen“ Bild der Frau die Mutterschaft? Solche Fragen werden in komische Situationen, die ihren Bodensatz veritabler Verzweiflung nie verhehlen, anmutig und anrührend transformiert. Valeria Bruni Tedeschi gelingen die wunderbarsten Szenen, wenn das Thema „Mutterschaft“ umspielt wird. Wenn Marcelline versucht, einem Baby, das hilflos und vergessen in einem Umkleideraum liegt, die Brust zu geben; wenn sie nach einer Angstattacke zu ihrer Mutter (gespielt von Valerias leibhaftiger Mutter, der Konzertpianistin Marisa Borini) ins Bett steigt, und sich eine niederschmetternde Gardinenpredigt anhören muss: „Du hast keine Kinder, weil du selbst noch ein Kind bist, weil du dich weigerst, erwachsen zu werden!“ Ging es in Valerias erster Regiearbeit noch um die übergroße, heiß geliebte Vaterfigur, so dreht sich jetzt alles um Mutterbilder und Muttersein. Freuden und Seelenfreude. Andererseits raubt er mir unheimlich viel Kraft. Ich empfinde mich als reich, weil ich mich ausdrücken darf und in Kontakt mit herrlichen Texten trete. Wer Glück hat, steht im Rampenlicht, verdient Geld, wird bewundert. Was für eine Illusion! Irgendwann steht man plötzlich hilflos vor den leeren Wänden seiner Existenz. Maxi Leinkauf in Süddeutsche Zeitung vom 21. April 2008 Die nächsten VHS-Filme: 27. Oktober Daratt Tschad 2006 Regie: Mahamat-Saleh Haroun 3. November Willenbrock Deutschland 2005 Regie: Andreas Dresen OmU 93 Minuten DF 108 Minuten 10. November Das kurze Leben des José Antonio Gutierrez Deutschland 2006 DF Regie: Heidi Specogna 90 Minuten Schweizer Filmpreis: Bester Dokumentarfilm 2007 17. November The Hours − Von Ewigkeit zu Ewigkeit USA 2002 OmU Regie: Stephen Daldry 115 Minuten Mit: Nicole Kidman und Vanessa Redgrave Golden Globe: Bester Film, Berlinale 2003: Silberner Bär Rainer Gansera in Süddeutsche Zeitung vom 16. April 2008 sueddeutsche.de Nun erforschen Sie das Universum der Schauspieler. Warum? Bruni-Tedeschi Ich wollte wieder Klischees aufbrechen. Und diesmal die Kehrseite meines Metiers, der Schauspielerei, beleuchten. Ich beobachte die Frauen und Männer um mich herum wie in einem Labor und erkenne mich in ihnen wieder. Ich sehe eine Schauspielerin, einen Schmerz in ihr, kaschiert von dem Schein des irrtümlichen Glücks. Manchmal ist es nur eine Geste oder ein Blick, der in mir plötzlich eine große Melancholie auslöst. Dieses Metier birgt ein Risiko: die Einsamkeit. sueddeutsche.de Sie gehen es ein. Bruni-Tedeschi „Schauspieler“ sein ist hart und brillant zugleich. Einerseits schenkt mir dieser Beruf unendliche 24. November Comrades in dreams/Leinwandfieber Deutschland 2007 Regie: Uli Gaulke 1. Dezember Liebes Tagebuch − Caro diario Frankreich/Italien 1994 Regie: Nanni Moretti Mit: Nanni Moretti, Renato Carpentieri Cannes 1994: Goldene Palme, Beste Regie DF 92 Minuten OmU 100 Minuten montags 20 Uhr, Apollo Kino, Pontstraße 141-149 Information: www.filmwelt en.net oder Volkshochschule Aachen, Telefon 0241 4792-150