Nach 19 Jahren gibt es wieder Tarifverträge für das

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Nach 19 Jahren gibt es wieder Tarifverträge für das
Nach 19 Jahren gibt es wieder Tarifverträge für das
Tischlerhandwerk in Sachsen-Anhalt
14.09.2012 |
- 5000 Beschäftigte können profitieren
- Erhebliche Entgeltsteigerungen
- Erstmals Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld
- Absenkung der Arbeitszeit von 42 auf 38,5 Stunden
- Angleichung der Arbeitsbedingungen per Stufenplan auf
Westniveau
Nach 19 Jahren gibt es wieder reguläre Tarifverträge für die rund
5000 Beschäftigten aus etwa 900 Betrieben im Tischlerhandwerk
in Sachsen-Anhalt. IG Metall und die Tarifgemeinschaft für das
Tischlerhandwerk Ostdeutschland verständigten sich am 12.
September in der 6. Verhandlungsrunde in Caputh bei Potsdam
auf ein neues Tarifwerk, das eine Erhöhung der Stundenlöhne für
Gesellen von 8,93 auf 11,25 Euro, erstmals wieder Urlaubs- und
Weihnachtsgeld sowie in einem Stufenplan eine Verkürzung der
Arbeitszeit von derzeit 42 auf 38,5 Stunden vorsieht. Für Helfer
wurde ein Mindestlohn von 8,50 Euro die Stunde verankert.
Wolfram Schöttle:
"Die Tarifflucht
der Arbeitgeber ist beendet"
Das völlig neue Tarifpaket beinhaltet einen Stufenplan der
Einkommen, das ab 1. Oktober 2012 innerhalb der nächsten zwölf
Monate für Gesellen von 1 840 auf 1 958 Euro im Monat (11,25
Euro die Stunde) steigt. Die Laufzeit der Einkommensregelung
endet September 2014.
In einem zeitgemäßen Rahmentarifvertrag wird die Arbeitszeit von derzeit 42 auf 38,5 Stunden bis
zum Jahr 2019 bei vollem Lohnausgleich abgesenkt. Innerhalb der Laufzeit wird erstmalig ein
zusätzliches Urlaubsgeld in Höhe von 47 Prozent sowie ebenfalls erstmalig ein anteiliges 13.
Monatseinkommen (Weihnachtsgeld) in Höhe von 70 Prozent eines Monatseinkommens, beginnend
mit je 20 Prozent, eingeführt.
Auszubildende erhalten ab Oktober 2012 rund 100 Euro mehr, somit zwischen 460 Euro im ersten
Ausbildungsjahr und 699 Euro im dritten Monat, ab Oktober 2013 zwischen 490 Euro und 744 Euro im
Monat.
Zum Tarifergebnis sagte Tarifsekretär Wolfram Schöttle, der für die Bezirksleitung Niedersachsen und
Sachsen-Anhalt verhandelt hat: "Das ist ein guter Tag für das Tischlerhandwerk in Ostdeutschland.
Die Beschäftigten hatten in den vergangenen Jahren erhebliche Reallohnverluste hinnehmen müssen.
In keiner anderen Branche war die Lohnentwicklung dermaßen schlecht. Wir mussten eine Menge von
dem aufholen, was den Beschäftigten in den vergangenen Jahren verloren gegangen ist. Gleichzeitig
durften die Betriebe nicht überfordert werden. Jetzt haben wir eine Lösung gefunden, die beiden
Seiten Rechnung trägt."
Laut Schöttle ist das Tischlerhandwerk damit zu rechtssicheren Tarifverträgen zurückgekehrt: "Die
Tarifflucht der Arbeitgeber ist damit beendet. Ein Tischlergeselle ist wieder etwas wert. Der
Tischlerberuf ist mit den jetzt fair geregelten Arbeitsbedingungen wieder attraktiv und zukunftsfähig."
Damit endet der seit fast zwei Jahrzehnten dauernde tariflose Zustand. In der gesamten Branche
können bis zu 32 000 Beschäftigte in Ostdeutschland in über 6000 Betrieben vom Tarifabschluss
profitieren.
Hintergrund
Die fünf Landesinnungen und Fachverbände für das Tischlerhandwerk hatten die letzten gültigen
Tarifverträge mit der damaligen Gewerkschaft Holz und Kunststoff (GHK) im Jahr 1993
abgeschlossen, die im Jahr 1999 mit der IG Metall fusionierte. Der Tariflohn lag im Jahr 1996 bei
10,38 Euro, den die Arbeitgeber absenkten.
Seit der Fusion der GHK mit der IG Metall hatten die Arbeitgeber im Tischlerhandwerk mit einer
"christlichen Gewerkschaft" (GKH) Regelungen zur Absenkung der Einkommen vereinbart bei
gleichzeitiger Ausweitung der Arbeitszeit. Bis dahin übliche tarifliche Leistungen wurde völlig
abgeschafft. Im Ergebnis hatten die ostdeutschen Tischlermeister die Jahreseinkommen der
Beschäftigten um rund 5.000 Euro abgesenkt.
Die Gewerkschaftseigenschaft der GKH wurde inzwischen höchstrichterlich vom BAG aberkannt. Sie
hatte weder Mitglieder geschweige denn Durchsetzungsmächtigkeit. Alle Tarifverträge wurden als
Gefälligkeitsverträge entlarvt und damit unwirksam.
Derzeit drohen hohe mehrjährig rückwirkende Nachzahlungen der Sozialkasse für das Baugewerbe,
deren allgemeinverbindlicher Tarifvertrag die Beitragspflicht für die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse
in der Bauwirtschaft auch bei Tischlereien vorsieht. Ein gültiger Tarifvertrag mit der IG Metall kann das
verhindern, indem sich die Tischlereien rechtssicher von reinen Monteuren abgrenzen, die nur
Baufertigteile auf Baustellen einbauen und selten eigene Werkstätten betreiben oder Auszubildende
haben.
Das Tischlerhandwerk zählt bundesweit mit über 200 000 Beschäftigten zum vierwichtigsten
Handwerksbereich und erwirtschaftet rund 17 Milliarden Euro.
(Presseinformation 73/2012 des IG Metall-Bezirks Niedersachsen und Sachsen-Anhalt)
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