Geração de 70
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Geração de 70
1 Diplom Literaturwissenschaft: Geração de 70, SS 99 Geração de 70 Überblick 1864: Coimbra wird an das europäische Eisenbahnnetz angeschlossen => Bessere Verbreitung europäischer Ideen 1871: Pariser Kommune => Verbreitung sozialistischer Gedanken in Europa Mitte der 60er Jahre des 19. Jh. bricht ein Streit zwischen der älteren Schriftstellergeneration aus Lissabon und jungen Dichtern aus Coimbra, der sogenannten Geração de 70 oder Geração de Coimbra, aus. Die jungen Dichter kritisieren an den Romantikern: Harmlose Poesie, tränenreiche Rhetorik ohne praktische Auswirkungen, Furcht vor der Unabhängigkeit des Geistes, mangelnde Innovationskraft. Kritik Camilo Castelo Brancos am Realismus: Biologische und psychologische Bedingtheit des Individuums ist ein Angriff auf Freiheit und freien Willen (Fatalismus). Zu der Geração de 70 zählen: Antero de Quental, Eça de Queiroz, Ramalho Ortigão, João de Deus, Oliveira Martins, Teófilo Braga und Guerra Junqueiro. Einflüsse von Victor Hugo, Baudelaire. Ziele der Generation: Keine Kunst für die Kunst, sondern für didaktische Zwecke. Abkehr von wirklichkeitsfremder Rhetorik und Hinwendung zu einer Prosa der Wirklichkeit ohne Aussparung häßlicher Aspekte. Antero de Quental und Oliveira Martins vertreten europäische Ideen, Teófilo Braga und Ramalho Ortigão dagegen eher nationalistische Ideen. Die portugiesische Geschichte ist für Oliveira Martins seit Ende der großen Entdeckungen ein kontinuierlicher Niedergang. Mitglieder der Geração de 70 veranstalten 1871 in Lissabon die Conferências do Casino, deren Vorträge verboten werden. Praktische Folgen der Geração de 70: Festigung des Sozialismus in Portugal, Gründung von Arbeitervereinen, starke Bewegung für die portugiesische Republik (Teófilo Braga erster port. Staatspräsident 1910). Überblick Erzählsituationen nach Genette Heterodiegetisch homodiegetisch nach Stanzel Nullfokalisierung = auktoriale Erzählsituation Interne Fokalisierung = personale Erzählsituation Externe Fokalisierung = personale Erzählsituation Nullfokalisierung = Ich-Erzählung (Ich=Nebenrolle) interne Fokalisierung = Ich-Erzählung (Ich=Nebenrolle) externe Fokalisierung autodiegetisch Nullfokalisierung = Ich-Erzählung (Ich=Hauptrolle) interne Fokalisierung = Ich-Erzählung (Ich=Hauptrolle) externe Fokalisierung Diplom Literaturwissenschaft: Geração de 70, SS 99 2 Antero de Quental Antero Tarquínio de Quental geboren 1842 in Ponta Delgada (Azoren) und gestorben 1891 nach Selbstmord. Mit 16 tritt er in die Uni Coimbra ein und beginnt erste Verse zu schreiben. Vor allem Dichter. Eine der herausragenden Figuren der Geração de 70. 1863/65: Odes Modernas. Explizite, doktrinäre, revolutionäre Poesie. Antero ist ein latenter Pessimist, der sich jeder Hoffnung verschließt. Philosophie Anteros: Realisierung der Freiheit im menschlichen Geist möglich (inspiriert von Kant). Engagierter Sozialist, gegen eine bürgerliche Republik und Republikaner. Kandidiert mehrmals für die sozialistische Partei. Zusammen mit Eça de Queiroz erfindet er Carlos Fradique Mendes, einen virtuellen Dichter. Hauptorganisator der Conferências do Casino. Rede auf den Conferências do Casino in Lissabon: As Causas da Decadência dos Povos Peninsulares Zusammenfassung: Iberische Halbinsel ist dem Rest Europas bis ins 16. Jh. in allem ebenbürtig: Architektur, Religion (port. Papst João XXI.), Philosophie. Römer wurden nirgendwo solange bekämpft wie auf der Iberischen Halbinsel. Nur die Iberische Halbinsel entkommt im Mittelalter dem Feudalismus. Ruhm wird aber im 16. Jh. aufgrund eigener Fehler beendet. In 50-60 Jahren von zehn Jahrhunderten Glorie in dunkle Abgründe. Mit Felipe II. zeigt sich die Dekadenz der Iberische Halbinsel. Portugal verliert unter der sp. Herrschaft Kolonien. Ebenso zeigt sich der Niedergang der Iberischen Halbinsel im spanischen Erbfolgekrieg, der eine fremde Macht (Frankreich unter Louis XIV.) auf den Thron in Spanien bringt. Spanien verliert dabei Neapel, Sizilien, Mailand, die sp. Niederlande etc. Volk verliert durch Absolutismus die Unabhängigkeit vom König. Es wird durch die Palastaristokratie ersetzt. Diese behindert das Emporsteigen einer Mittelschicht und zerstört das Wirtschaftsleben. Auch die Sitten verfallen. Vorreiter ist auch hier die Krone mit ihren außerehelichen Affären: „É a época das amásias e dos filhos bastardos.“ Währenddessen schreitet das restliche Europa fort und entwickelt ohne Beteiligung der Iberischen Halbinsel neue Wissenschaften. Die letzten drei Jahrhunderte seit dem 16. Jh.: Ohne Leben, ohne Freiheit, ohne Reichtum, ohne Wissenschaft, ohne Erfindungen und ohne Sitten. Drei Hauptphänomene auf Iberische Halbinsel: 1. Transformation des Katholizismus auf dem Konzil von Trient 1545-1563: Grundlage für Gegenreformation, Klärung von Dogmen wie Erbsünde, Heiligen-, Bilder- und Reliquienverehrung. Vulgata wird authentische Bibel. Beichte, Kommunion und Messebesuch für Laien Pflicht. Konzil: „Invidueller Wille ist teuflisch.“ Katolizismus auf der Iberischen Halbinsel: Inquisition, Ausweisung Neuchristen und Mauren, Verfolgung Neuchristen, Indianervernichtung in Amerika. Jesuitisches Ideal: Volk von unmündigen Kindern (Paraguay). 2. Absolutismus und Ruinierung der lokalen Freiheiten. 3. Kolonialismus mit Eroberungsmentalität. Überseeische Eroberung einer der wichtigsten Gründe für Dekadenz. Moderne Industrie und Arbeit bringt Wohlstand, nicht dagegen pures Verkaufen der eroberten Güter. Portugal kann die Reichtümer der Kolonien nicht produktiv einsetzen. Landwirte lassen Pflug und werden Abenteurer. Landflucht: Landwirtschaftliche Produktion sinkt, Preise für die Agrargüter steigen => ausländische Konkurrenz verdrängt Portugiesen vom Agrarmarkt: Portugal wird vom Agrarexport- zum Agrarimportland. Gegenteil ist im Rest Europas der Fall: Diplom Literaturwissenschaft: Geração de 70, SS 99 3 1. Reformation => Moralische Freiheit. Wichtigsten Völker sind heute reformiert: Holland, Deutschland, England, Schweiz, USA. Die dekadentesten Länder sind dagegen katholisch. 2. Aufstieg Mittelschichten. 3. Eigene Industrie. England verwendet die Reichtümer seiner Kolonien produktiv. Lösung: 1. Statt dem Katholizismus die Philosophie, Wissenschaft und den Fortschrittsglauben. Gegen espírito mortal den espírito moderno. 2. Statt der zentralisierten Monarchie die republikanische Föderation. 3. Statt der Untätigkeit die Initiative der Arbeit des Volkes für das Volk (Föderation freier Produzenten). => friedliche Revolution => neue Welt, neue Zivilisation und Christentum in einer modernen Welt. Eça de Queiroz José Maria Eça de Queiroz geboren 1845 in Póvoa de Varzim, gestorben 1900. Der portugiesische Realist par excellence. Erster fantastischer Autor in Portugal (autor fantasista). Eça begann seine literarische Tätigkeit mit romantischen Texten. Zusammen mit Ramalho Ortigão gibt er die satirische Zeitschirft „As Farpas“ heraus. Er bereichert die portugiesische Sprache mit Gallizismen und hat auch sonst großen Einfluß auf die portugiesische Sprache. 1869: Orientreise zum Eröffnung des Suezkanals. Eça arbeitet auch als Jurist und seit seiner Cuba-Reise 1882 als Diplomat im port. Dienst. 1889: Eça wird Konsul in Paris. Schreibt Zeitungskolumnen für Portugal und Brasilien über England und Frankreich. Ist immer mehr über Paris enttäuscht. Die Karikatur von Individuen durch Eça zielt auf die ganze portugiesische Gesellschaft. Os Maias 1888 veröffentlicht. Dritter großer realistischer Roman von Eça. Untertitel: Episódios da Vida Romântica. Teil des Projektes Cenas da Vida Portuguesa. Roman über die Dekadenz. Symbolische Geschichte des Ruins einer Familie, die auf ihre Weise in der Abfolge ihrer Generationen die Perioden der port. Geschichte darstellt. Die Sklavenhändler Monforte stellen die Korruption der Händler dar. Der Gegenpunkt dazu bilden die nichtkorrumpierten Maias aus den Beiras. Indem sich die Maias mit den Sklavenhändlern der Monfortes über die Heirat von Pedro da Maia mit Maria Monforte verbinden, werden die Maias korrumpiert => Ehebruch Maria de Monforte mit einem italienischen Prinzen und Flucht => Selbstmord Pedro da Maias => Inzest zwischen Maria Eduarda (Tochter von Maria Monforte und Pedro da Maia, die Maria Monforte auf Flucht mitgenommen hatte) und Carlos da Maia (Sohn von Maria Monforte und Pedro da Maia, der nach Flucht Maria Monfortes und Selbstmord Pedro da Maias zurückblieb und von seinem Großvater Afonso da Maia aufgezogen wurde). „Tudo é uma fatalidade.“ Pedro da Maia ist Opfer seiner romantischen Illusion: Er zerbricht an der Kluft zwischen Schein und Sein => Selbstmord. Tod Pedros ist Einschnitt: Wechsel von Familien- zu Erziehungsroman. Afonso da Maia erzieht seinen Enkel Carlos nach Renaissance-Maßstäben (englischer Erzieher, gesunde Erziehung), dies befähigt Carlos aber nicht zu sozial sinnvollen Tätigkeiten. Carlos einer der bestausgestattesten Portugiesen (reich, gesund, intelligent) endet damit, daß er nichts für sein Land tut. Seine medizinische Ausbildung in Coimbra ist quasi wertlos geblieben, da er fast keine Patienten in seiner Praxis am Rossio empfängt und sich auch nicht groß forschend betätigt. Stattdessen verbringt er seine Zeit in bürgerlichen Salons, auf Festen und sonstigen gesellschaftlichen Ereignissen. Diplom Literaturwissenschaft: Geração de 70, SS 99 4 Eça de Queiroz über Carlos da Maia: „No fundo era um diletante.“ Dilettantisch, egoistisch, völlig faul und feige symbolisiert Carlos da Maia das Scheitern eines ganzen Landes. Alle Ideale von Carlos da Maia und seiner Freunde scheitern. João de Ega zu seinem Freund Carlos da Maia: „Falhámos na vida, menino.“ Korrumpierung des revolutionären Liberalismus der Regeneração. Flucht Carlos da Maias nach Paris ist Resignation zum dekadenten Müßiggang und Ausdruck eines umfassenden Skeptizismus. Carlos wohnt wie Jacinto aus A Cidade e as Serras in Paris in einer Mansion an der Champs-Élysées und führt das Leben eines Reichen. João de Ega ist eine Art Doppelgänger von Carlos da Maia. João da Ega kann aber auch Autokarikatur des Autors sein: Ega ähnlich wie Eça. Das Romanprojekt Memórias de um átomo stammt ursprünglich von Eça und wird im Buch dann ein Projekt von Ega. Der Dichter Alencar ist laut Eça keine Karrikatur eines romantischen Dichters, wie ihm von diesen vorgeworfen wurde. In der Tat ist das Bild von Alencar am Schluß deutlich positiv. Erzählsituation: nach Genette heterodiegetischer Erzähler mit Nullfokalisierung; nach Stanzel auktoriale Erzählsituation. Zwischendrin aber hin und wieder mal Wissenshorizont auf Carlos da Maia zugeschnitten: heterodiegetischer Erzähler mit interner Fokalisierung (beispielsweise weiß Carlos bei einem Essen nicht, daß die „Senhora de escarlate“ die Frau von Senhor Neto ist). A Cidade e as Serras 1901 (ein Jahr nach dem Tod von Eça) veröffentlicht. Dem enttäuschenden Stadtleben wird das Lebensgefühl des harschen, aber erfüllenden Landlebens gegenübergestellt. Ausdruck von Nostalgie, Saudosismo und Sebastianismus (letzterer wird aber im Buch karikiert). Rückzug aufs Land ist für Eça die Abkehr von der Dekadenz des Fin-de-Siecle und die Hinwendung zu einer natürlichen Lebensordnung. Klarer Ausdruck des Skeptizismus zu Technik, Wissenschaft, Philosophie und Theologie von Eça. Erzählsituation: nach Genette autodiegetischer Erzähler mit interner Fokalisierung; nach Stanzel Ich-Erzähler.