Vibrationen virtuell eliminiert

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Vibrationen virtuell eliminiert
© 2007 Carl Hanser Verlag, München
www.cad-cam.de
Nicht zur Verwendung in Intranet- und Internet-Angeboten sowie elektronischen Verteilern.
P R AX I S S C H W I N G U N G S A N A LY S E
L M S h i l f t Wo c o , m e h r N V H -Ve r a n t w o r t u n g z u ü b e r n e h m e n
Vibrationen
virtuell eliminiert
Entwicklung einer mittelgroßen Limousine für china
Automobilzulieferer haben für ihre Geschäftsstrategie zwei
Möglichkeiten: mit ihren Kunden globale Partnerschaften einzugehen oder in Bedeutungslosigkeit zu versinken. Woco hat
sich für Ersteres entschieden und deshalb in enger Zusammenarbeit mit GM China in einem Fahrzeugentwicklungsprogramm eine mittelgroße Limousine entwickelt, die
speziell auf die Straßenbedingungen und Kraftstoffanforderungen der Kunden in China zugeschnitten wurde.
ANTRIEBSSTRANGLAGERUNG.
Das neue Fahrzeug ist von entscheidender Bedeutung für die Pläne von GM, die eigene Position auf
dem rasant wachsenden chinesischen Markt zu stärken. Die Rolle
von Woco konzentrierte sich auf
die Entwicklung der Antriebsstranglagerung, wobei in jeder
Phase des Projekts auf Systeme von
LMS zurückgegriffen wurde.
Während LMS Test.Lab dazu
diente, Tests und Ergebnisanalysen
abzuarbeiten, identifizierte LMS
Virtual.Lab die Quellen von Vibrationen, simulierte die Auswirkungen von Entwurfsänderungen und
versetzte die Ingenieure von Woco
in die Lage, die optimale Konfiguration von Lagern und Halterungen zu bestimmen. Die generierten
Berichte enthielten Echtzeitdaten,
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sodass die Ingenieure in China
durch dialogfähige Displays, veränderbare Ansichten und bewegte
Bilder bessere Einsichten in das
Verhalten der Lagerungen erhielten. Dank der Technologie von
LMS konnte Woco die Verantwortung für die Konstruktion der gesamten
Antriebsstranglagerung
übernehmen und eng mit dem
OEM kooperieren.
Als Endverbrauchermarkt
hat China ein großes Potenzial
Als kostengünstiger Fertigungsstandort bekannt, rückt China
wegen seines riesigen Potenzials als
Endverbrauchermarkt für hochwertige Konsumgüter wie Autos
zunehmend ins Blickfeld. Dieses
Wachstum wird getrieben von einem zunehmenden Wohlstand
und der Tatsache, dass bisher nur
relativ wenige Chinesen ein Fahrzeug besitzen. Nach der neuesten
Statistik kommen in China auf
1 000 Einwohner nur 20 Autobesitzer, verglichen mit 500 in Europa
und 700 in Nordamerika.
China ist gegenwärtig der zweitgrößte Automobilmarkt, und die
Verkäufe von Personenwagen sollen 2006 um 16 Prozent zunehmen,
mit einer jährlichen Wachstumsrate von 10 bis 15 Prozent über die
nächsten fünf Jahre. General Motors weist in dem Land eine besonders gute Bilanz auf. Im Jahr
2005 erzielte das Unternehmen
dort einen Verkaufsrekord von
665 390 Fahrzeugen, ein Wachstum
von 35,2 Prozent und einen Marktanteil von 11,2 Prozent, das sind 1,8
Punkte mehr als im Vorjahr – ein
großer Vorsprung gegenüber dem
Rest der Branche.
GM begründet seinen Erfolg in
China mit einer Modelloffensive,
die neue und aufgewertete Fahrzeuge umfasst. Das Unternehmen
expandiert dort weiterhin. Einen
besonderen Beitrag hierzu leistet
Shanghai General Motors Ltd.,
denn dieses größte Joint Venture
von GM in China zeichnet verantwortlich für die Hälfte der dortigen
Verkäufe des Autoherstellers. Das
Anfang 2006 eingeführte neueste
Modell ist der Buick LaCrosse, eine
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Woco nutzte die Test- und Simulationstechnologie von LMS bei der Entwicklung der Antriebsstranglagerung für das neue Pkw-Modell LaCrosse von Shanghai General Motors. Die mittelgroße
Limousine wurde speziell für die Straßenbedingungen, Kraftstoffanforderungen und
Erwartungen der Kunden in China entwickelt.
mittelgroße Limousine, die für den
chinesischen Markt von Patac, einem Gemeinschaftsunternehmen
von GM, technisch modifiziert
wurde.
Erfahrungsvorsprung
in der Vibroakustik
Bei der Entwicklung der Antriebsstranglagerung für den LaCrosse
übertrug GM der Firma Woco wichtige Verantwortlichkeiten im Bereich ›Fahrzeugakustik‹ (Noise Vibration Harshness, NVH): Evaluation eines wettbewerbsfähigen Fahrzeugs und Entwicklung der gesamten Antriebsstranglagerung mit der
Zielvorgabe, dass die Motorgeräuschübertragung durch das Fahrwerk in den Innenraum bestimmte
Werte nicht überschreiten durfte.
Ein großer Teil solcher Aufgaben
für Woco ergibt sich aus der Zusammenarbeit mit OEM-Herstellern bei Lösungen zur Geräuschund Schwingungsreduktion. Gegründet 1956 von Franz Josef Wolf,
erwarb sich das Unternehmen eine
exzellente Reputation als Hersteller
von Gummiteilen. Als das Unternehmen begann, die immer stärkere globale Konkurrenz anderer
Komponentenhersteller zu spüren,
gelang es Wolf, Woco durch fahrzeugakustische Komplettlösungen
vom Wettbewerb zu differenzieren.
Dabei half die jahrzehntelange Erfahrung in der Applikation von Lagern, Buchsen und anderen Teilen
zum Tilgen von Geräuschen und
zum Dämpfen von Schwingungen.
Als Ergebnis lässt sich feststellen,
dass sich der Umsatz in den letzten
zehn Jahren mehr als verdreifachte,
die Mitarbeiterzahl sich mehr als
verdoppelte und die Fertigungsstandorte weltweit expandierten.
Auch die Kundenliste von Woco ist
eine Ansammlung der wichtigsten
Automobilhersteller, einschließlich
GM, DaimlerChrysler, Ford, Volkswagen, Mitsubishi, BMW, Audi,
Peugeot und Renault-Nissan.
»Die Transformation von Woco
und der kontinuierliche Geschäftserfolg sind unserer auf dem neuesten technischen Stand befindlichen
Technologie und der enormen
Kompetenz unserer Mitarbeiter auf
den Gebieten Akustik und Schwingungstechnik zu verdanken«, sagt
Wolf.
Als einen Grundpfeiler dieses
Plans sieht das Unternehmen die
Technologie von LMS International. »Die Lösungen spielen eine
strategische Rolle in allen unseren
NVH-Projekten und vermitteln
den Ingenieuren wertvolle Einsichten in das vibroakustische Verhalten komplexer Automobilsysteme«,
meint Reinhard Eder, zuständig für
Fahrzeugversuche, Komponententests, Messung und Analyse. Er erläutert, dass zur Datenerfassung
und Signalaufbereitung in Laborund Praxistests ein 32-kanaliges
LMS-Scadas-III-Frontend mit der
Analyse- und Visualisierungssoftware LMS Test.Lab zum Einsatz
kommt. Dieses Testsystem wird in
Kombination mit der Software
LMS Virtual.Lab für die Geräuschund Schwingungssimulation sowie
für das virtuelle Prototyping genutzt.
»Als integriertes Lösungspaket
üben LMS Test.Lab und LMS Virtual.Lab einen signifikanten Einfluss auf unser NVH-Engineering
aus. Die Tools machen es möglich,
Geräusch- und Schwingungstilger
effizient zu entwickeln, zu testen
und zu optimieren. Kritische Ergebnisse können wir unseren Kunden anschaulich und schnell vermitteln«, erläutert Eder. »Diese Fähigkeiten erlauben es uns, die Probleme des Kunden effizient zu lösen
und vollständige NVH-Lösungen
für seine Produkte zu entwickeln.
So gesehen sind Lösungen von LMS
mehr als nur Hardware und Software. Sie repräsentieren einen entscheidenden Teil unserer Geschäftsstrategie, indem sie Woco als
vollwertigen NVH-Systempartner
für große Automobilhersteller und
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ber hinaus war das Übertragen von Ergebnisdaten von
LMS Test.Lab an LMS Virtual.Lab dank der engen Integration der beiden Systeme
völlig problemlos.«
Die Vorhersagefähigkeiten von
LMS Virtual.Lab versetzten die
Ingenieure von Woco in die Lage, die Auswirkung von Änderungen in der Konfiguration der
Antriebsstranglagerung zu prognostizieren. Änderungen am
Verhalten der Lagerung lassen
sich durch Vorher-Nachher-Vergleich von Frequenzgangdiagrammen der Simulationssoftware auf einfache Weise bewerten. Die durchgehende rote Linie in dieser grafischen Darstellung zeigt den Effekt der Absenkung der Lagersteifigkeit um
die Hälfte.
andere Fertigungsorganisationen
der Weltklasse positionieren.«
Vierpunktlagerung
ist weniger aufwendig
Beim Projekt ›LaCrosse‹ analysierte
Woco zunächst das Verhalten einer
Antriebsstranglagerung an einem
vergleichbaren Mittelklassefahrzeug der Konkurrenz. Dabei wurden Frequenzgangdaten von Beschleunigungsmessern und Mikrofonen an Schlüsselpositionen
im Fahrzeuginnenraum für einen
Bereich von Getriebeabstufungen
und Motordrehzahlen mit LMS
Test.Lab erfasst und analysiert.
Grafische Darstellungen des Amplitudengangs über der Frequenz
dienten dann zum Vergleich dieser
Daten mit ähnlichen Messwerten,
die von Prototypen verschiedener
Konzepte für die Antriebsstranglagerung gewonnen worden waren.
Mithilfe der effizienten Datenanalyse- und Visualisierungsfähigkeiten von LMS Test.Lab demonstrierten die Ingenieure von Woco
und Patac, dass eine Vierpunktlagerung, bestehend aus Nickdämpfer,
Motorlagern vorn und hinten und
einem Getriebelager, wirksamer,
leichter und weniger aufwendig ist
als das ursprüngliche Konzept.
Als das Konzept stand, ging Woco zur Detailkonstruktion der Antriebsstranglagerung über. Hierbei
wurden Lagerelemente und Halterungen dimensioniert und positioniert, um ein optimales Betriebs28
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verhalten für einen Bereich von Betriebszuständen zu erzielen. In dieser Phase wurden einzelne Lager
sowie die Lagerträgereinheit bei
verschiedenen Frequenzen getestet,
um ihre Geräuschübertragungsfunktion (Noise Transfer Function) – das heißt die statischen und
dynamischen
Steifigkeitseigenschaften beim Übertragen von
Schwingungen – zu bestimmen.
Ferner wurden Beschleunigungsaufnehmer in einem GM-Konzeptprototyp installiert, um Beschleunigungen an Lagerstellen zu messen. Gleichzeitig erfassten Mikrofone auf Fahrer- und Beifahrersitz
das Innengeräusch bei Beschleunigung/Hochlauf, Leerlauf, Motorschütteln und bei Bewegungen, wie
sie durch Anlassen oder Abschalten
des Motors hervorgerufen werden.
»Die Tests wurden mithilfe von
Bedienerhinweisen und anderen
automatisierten Funktionen in
LMS Test.Lab schnell eingerichtet«,
sagt Eder. »Die große Bandbreite
und Kanalanzahl versetzten uns in
die Lage, mehrere Arten von Daten
gleichzeitig zu erfassen, einschließlich Schwingungen und Akustik.
Auch die Analyse von Daten, wie
die Bestimmung von Resonanzen,
konnte an Ort und Stelle durchgeführt werden, und wir konnten
ausgewählte Ergebnisse bei Bedarf
in Echtzeit betrachten, zwecks
Identifizierung von Testabschnitten, die möglicherweise weiterer
Untersuchungen bedurften. Darü-
Virtuelle Modelle simulieren das Betriebsverhalten
Eder erläutert, dass er mit LMS
Virtual.Lab in der Lage war,
die gesamte Antriebsstranglagerung abzubilden. Der Gesamtfrequenzgang ergab sich
durch Multiplizieren der Systemübertragungsfunktion mit
den Betriebslasten für jedes
Lager basierend auf dessen spezifischer Steifigkeit und den Schwingwegen im Betrieb. Auf diese Weise
bestimmte die Übertragungsweganalyse (Transfer Path Analysis) in
LMS Virtual.Lab die kombinierte
Vibration an ausgewählten Stellen
(Ohren von Fahrer und Beifahrer)
im Fahrzeuginnenraum.
Nach der Validierung der Korrelation des virtuellen Modells mit
Prüfdaten hatten die Ingenieure
von Woco die Möglichkeit, die Auswirkung von Änderungen an der
Konfiguration der Lagerung vorherzusagen. So konnten sie das Verhalten der Baugruppe optimieren,
indem sie Größe und Position der
Lager im Computer und nicht an
der realen Hardware modifizierten.
Geleitet von Simulationsergebnissen gelang es den Ingenieuren, das
Geräusch-/Schwingungsverhalten
der Lagerung durch Modifikationen des statischen und dynamischen Verhaltens der Lager signifikant zu verbessern.
»LMS Virtual.Lab versetzte uns
in die Lage, die Auswirkung verschiedener Änderungen an der Antriebsstranglagerung zu untersuchen und schnell zur besten Gesamtlösung zu gelangen«, so Waldemar
Hermann,
Technischer
Entwicklungsleiter des Antriebsstrangprojekts für den LaCrosse bei
Woco. »Auf diese Weise benötigten
wir nur wenige Arbeitsstunden, um
mit Simulationen einen Bereich von
Alternativkonfigurationen zu be-
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werten, was andernfalls nach der
Methode von Versuch und Irrtum
mit Einbau und Test in realen Prototypen mehrere Wochen gedauert
hätte.«
Laut Eder waren solche Simulationen besonders hilfreich beim Lösen eines bestimmten Problems mit
einem Dröhngeräusch. Dieses Geräusch entstand im Drehzahlpunkt
3.700 1/min bei den Tests der optimierten Antriebsstranglagerung. Eine nähere Untersuchung des Frequenzgangs des Fahrzeugs mit einer
Beitragsanalyse in LMS Virtual.Lab
ergab, dass die Motorlagerung nicht
die Ursache für das Dröhnen bei
3.700 1/min war. Mit diesem Befund
konfrontiert, unternahm der Kunde
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Weise können wir schnell feststellen,
welche Teile des Fahrzeugs für den
größten strukturellen Beitrag in einer bestimmten Problemzone verantwortlich sind. Ohne diese Fähigkeit wäre erheblich mehr Prüfaufwand nötig, um die Ursache von
Problemen zu finden.«
Zusammenarbeit mit GM
Nach Ansicht von Eder hilft die Effizienz der LMS-Systeme bei engen
Kooperationen mit Kunden wie
GM China bzw. Patac durch
schnelle Rückmeldungen beim Lösen von Problemen und beim Einhalten knapper Termine im gesamten Projekt. Darüber hinaus haben
Woco und Patac die Möglichkeit,
dem Automobilhersteller die Testdatensätze zur
weiteren Analysen und
Simulation am Gesamtfahrzeug zu überlassen.
Eder fand die von
LMS
bereitgestellten
Funktionen zur Berichtsgenerierung besonders vorteilhaft für
das LaCrosse-Projekt.
Bald wird auch die Möglichkeit geboten werden,
Echtzeitprüfdaten und
Simulationsergebnisse
problemlos in interaktive Berichte zu übernehDank des Einsatzes der effizienten Datenanalyse- und men. So könnten PatacVisualisierungsfähigkeiten von LMS Test.Lab konnten
Ingenieure im Dialog
die Ingenieure von Woco die Vierpunkt-Motorlagedurch die Daten navigierung für den neuen LaCrosse termingerecht
ren, um bestimmte Bepräsentieren.
reiche ausführlicher zu
betrachten oder um Graeinige weitere Untersuchungen an
fiken und animierte Bilder in ihre
der Abgasanlage und identifizierte
eigenen Dokumente und Berichte
deren Mündungsgeräusch als Ursaeinzubinden. Auf diese Weise
che dieses Geräuschproblems. Der
konnte Woco seine Kompetenz deKunde war damit in der Lage, gezielt
monstrieren, einschließlich der Fädieses Geräusch zu beseitigen, und
higkeit und Bereitschaft, ein bedeuverbesserte die Fahrzeugkonstruktendes Fahrzeugentwicklungsprotion, ohne dass es zu unnötigen Vergramm global mit einem Kunden
zögerungen bei der Lagerkonstrukzu begleiten.
tion kam.
»Die Beitragsanalyse ist ein leisRob Snoeijs, technischer Autor,
tungsfähiges Instrument, das Quelle
LMS International
und Intensität von Vibrationen sofort in grafischen Darstellungen und
farbigen Diagrammen visualisiert«,
@ www.lmsintl.com
stellt Hermann fest. »Auf diese
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