Pera-Blätter Orient-Institut Istanbul Heft 17 2000

Transcrição

Pera-Blätter Orient-Institut Istanbul Heft 17 2000
Pera-Blätter
Orient-Institut Istanbul
Heft 17
2000
Copyright
Das Digitalisat wird Ihnen von perspectivia.net, der Online-Publikationsplattform der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche
Institute im Ausland (DGIA), zur Verfügung gestellt. Bitte beachten
Sie, dass das Digitalisat urheberrechtlich geschützt ist. Erlaubt ist
aber das Lesen, das Ausdrucken des Textes, das Herunterladen,
das Speichern der Daten auf einem eigenen Datenträger soweit die
vorgenannten Handlungen ausschließlich zu privaten und nichtkommerziellen Zwecken erfolgen. Eine darüber hinausgehende
unerlaubte Verwendung, Reproduktion oder Weitergabe einzelner
Inhalte oder Bilder können sowohl zivil- als auch strafrechtlich verfolgt werden.
Mb* • •
••
Zeynep Aygen
Mi |
*
Vom Stadtrand
zum
innerstädtischen
Verfall
A
D D D D G D
Zeynep Aygen
Vom Stadtrand
zum
innerstädtischen
Verfall
A
•
D G G D D
ORIENT-INSTITUT
DER DEUTSCHEN MORGENLÄNDISCHEN GESELLSCHAFT
Vortrag vom 05. März 1997
Herausgeber: Orient-Institut der DMG/Istanbul
© Zeynep Aygen, 2000
Gedruckt 2000 in Istanbul
Orient-Iristitut der DMG, Abteilung Istanbul
Susam Sokak 16-18 D. 8
TR-80060 Cihangir - Istanbul
Telefon+90-212-2936067 oder 2521983 • Fax 2496359
e-mail: [email protected]
homepage: http://www.oidmg.org
Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
Kreuzberg in Berlin-Zeyrek in Istanbul
ZEYNEP AYGEN
Im Zeitalter der viel diskutierten Globalisierung wird zunehmend klarer, daß es heute unmöglich geworden ist, Städte mit herkömmlichen
Modellen zu definieren. Sjobergs Gegensatzpaar vorindustriell/industriell schließt den Begriff postindustriell nicht ein, die hierarchisch abgestuften zentralen Orte Christallers gibt es nicht mehr. 1
Während sich einerseits multipolare, mehrkernige Städte entwickeln,
werden andererseits die innerstädtischen Hierarchien regional und
global verlagert, so daß neue geographische Rangordnungen entstehen. Auch das alte Modell von Zentrum/Vorort ist in diesem neuen
Rahmen nicht mehr gültig; Sassen definiert die neue Peripherie wie
folgt:
"Was unter peripher zu verstehen ist, hängt dabei von der wirtschaftlichen Dynamik ab, die auf den jeweiligen geographischen Terrains vorherrscht. Neue Formen der Peripherisierung sind im Zentrum großer
Städte der entwickelten Länder nicht weit von den weltweit teuersten
Gewerbeflächen zu beobachten."2
Dies bedeutet, daß sich Einwanderer und ethnische Bevölkerungsgruppen, die oft die niedriger bezahlten Lohngruppen für die in der
Nähe liegenden Finanz-und Dienstleistungszentren bilden, in der
zentralen Peripherie konzentrieren. Während in den Großstädten der
Industrieländer die innerstädtischen Randgebiete hohe Konzentrationen von Immigranten aufweisen, 3 ändert sich diese Konzentration in
den anderen Ländern zugunsten der Siedlungen an der äußeren Peripherie, die für die weitere Ausübung der herkömmlichen, ländlichen
3
Pera-Blätter 17
Funktionen geeigneter ist.4
Ein Vergleich zwischen der Entwicklung des Stadtviertels Zeyrek
in Istanbul und dem Berliner Kiez Kreuzberg reflektiert die Tatsache,
daß die innerstädtische Peripherie unabhängig vom geographischen
Ort dort entsteht, wo bestimmte Voraussetzungen wie die plötzliche
Veränderung der sozialen Bedingungen und Arbeitsverhältnisse in
einem innerstädtischen Wohngebiet erfüllt werden, wo dadurch die
städtebauliche Entwicklung einem unerwarteten Wandel unterliegt
und wo im Gegensatz zu der äußeren Peripherie eine ständige Fluktuation der Bevölkerungsstruktur deutlich wird. Die räumliche Nähe
des Arbeitsnehmers zum Arbeitsplatz, die in der ersten Hälfte des
zwanzigsten Jahrhunderts von großer Bedeutung war, ist nicht mehr
der entscheidende Faktor für die Wahl des Wohnorts. Stattdessen sind
mit der steigenden Arbeitslosigkeit und dem Anstieg der Heimarbeit
in bestimmten Industriezweigen neue Motivationen entstanden.
Innerhalb der Immigrantengesellschaften der innerstädtischen Peripherie ist das wichtigste Kriterium bei der Wohnungswahl neben dem
Preis die räumliche Nähe zu den weiteren Immigranten aus dem eigenen Land oder der eigenen Herkunftsregion. Verwandschaftliche Beziehungen bilden sowohl einen sozialen Schutz in der fremden Metropole als auch Hilfe für die Heimarbeit.
Obwohl Zeyrek und Kreuzberg auf den ersten Blick geschichtlich
und im Erscheinungsbild sehr unterschiedlich aussehen, treffen die
oben beschriebenen Paradigmen auf beide genau zu. Hinzu kommt,
daß sie trotz der zeitlichen Verschiebung in ihrer Entstehung ähnliche
städtische Eigenschaften aufweisen. Sowohl Zeyrek als auch Kreuzberg wurden am Anfang als Semirandgebiete nicht weit vom Stadtzentrum gegründet. Bei beiden hat ein Monument ihre Entwicklung
beeinflußt, beide wuchsen mit der Zeit zu Mittelstandsgebieten nicht
weit vom Stadtzentrum, ohne mit großen repräsentativen Bauten ausgestattet zu sein. In der ersten Phase der Industrialisierung, in der die
räumliche Nähe zum Arbeitsplatz wichtig war, wuchsen sie zu Arbeiterwohngebieten, bis bei ihnen der Bezug zum Stadtzentrum durch
4
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
eine städtebauliche Maßnahme abgebrochen wurde, was zu ihrem
Verfall führte. Nach diesem ersten Verfall entstand sowohl in Zeyrek
als auch Kreuzberg eine sehr ähnliche Sozialstruktur. Diese Ähnlichkeit zeichnet sich nicht nur durch die Immigranten aus, sondern
auch durch die Tatsache, daß diese Immigraten jeweils aus bestimmten ländlichen Gebieten der Türkei stammten, nämlich der Schwarzmeerregion und Ostanatolien. Bei beiden kam die zweite Phase des
Verfalls mit dem Umzug der Industrie oder durch Arbeitsplatzverluste infolge der Schließung in der Nähe liegender Industriebetriebe.
Schließlich wurden sie beide mit dem Konzept der behutsamen Erneuerung vertraut, zuerst Kreuzberg und dann Zeyrek durch deutsche
Architekten, von denen einer der Leiter des Kreuzberg-Projekts gewesen ist.
Es steht fest, daß die Ansätze der urbanen Entwicklung in dem
nach der osmanischen Eroberung "Zeyrek" genannten Stadtviertel
schon auf das vierte Jahrhundert zurückzuführen sind, weil das Gebiet sich schon damals innerhalb der konstantinischen Stadtmauer befand. Die Stadt Konstantins bestand nach dem Augustus-Modell des
römischen Verwaltungssystems aus vierzehn Verwaltungseinheiten,
genannt Regio. Die Gebietsgrenzen ergaben sich hauptsächlich nach
dem ehemaligen Mauerverlauf der hellenistischen Stadt sowie der
Stadt des römischen Kaisers Septimius Severus, der um 196 n. Chr.
die Stadt eroberte und nach Südosten erweiterte. Daß der ehemalige
Mauerverlauf die Stadtachsen bestimmt, kommt in der Geschichte
häufig vor, wie es auch später für Berlin der Fall gewesen ist. Mit der
Entstehung des Forum Bovis entstanden neue Gebiete zwischen dem
Goldenen Hörn und dem Marmara-Meer. Möglicherweise kam das
später Zeyrek genannte Stadtviertel im X. Regio sowohl durch diese
Entwicklung als auch durch die Errichtung des Apostoleions auf dem
vierten Hügel in seiner Nähe langsam zur Geltung. Der im Jahre 378
fertiggestellte Valens-Aquädukt bildete nach der Mehrheit der zum
Thema arbeitenden Wissenschaftler ungefähr die Gebietsgrenze,5 die
weiteren Grenzen wurden durch eine zweitrangige Erschließungs-
5
Pera-Blätter 17
Straße zwischen dem dritten und vierten Hügel und dem Goldenen
Hörn bestimmt.
Es wird angenommen, daß die nicht mehr existierende Mauer
Konstantins des Großen an der Grenze der Regionen X und XI paralell zur späteren Theodosios-Mauer verlief. Nach einer These begann
die alte Stadtmauer am Goldenen Hörn entweder an dem heutigen
Unkapam oder am Cibali- ( bzw. Petrion-) Tor, verlief, laut einer
Beschreibung in der Osterchronik (593 Bonn),6 weiter bei der AsparZisterne in der Nähe der Sultan Selim-Moschee; zwischen der heutigen Fatih-Moschee und der Sultan-Selim Moschee befand sich ein
Tor und gleich im Westen der Fatih-Moschee ein weiteres Tor.7 Es ist
wahrscheinlich, daß das X. Regio damals am Stadtrand lag und im
fünften Jahrhundert wohl ganz ländlich aussah, wie Kreuzberg 1400
Jahre später aussehen würde, als es noch Götz'scher Weinberg hieß.
Der Bau des großen Pantokrator-Komplexes im ersten Viertel des 12.
Jahrhunderts weist darauf hin, daß dieses Gelände so lange ziemlich
unbebaut gewesen sein muß und hauptsächlich aus Gärten und
kleinen Hütten bestand. Die Nähe zur damaligen Stadtmauer macht
das Nichtvorhandensein einer dichten Bebauung logisch, was durch
die Angaben in Notitia bestätigt wird: das X. Regio enthielt 20 vici
(Quartiere), 636 domus und 12 gradus (Brotverteilungsstellen); wenn
man diese Angaben mit den anderen, flächenmäßig viel kleineren
Wohngebieten um Arkadius-Forum und Forum Bovis vergleicht,
wird klar, daß sie in der Mitte des 5. Jahrhunderts viel dichter bebaut
waren, als das X. Regio.8
Die Stadt, die zuerst Hauptstadt des römischen Reiches vor der
Reichsteilung und später Hauptstadt des Ostreiches war, wuchs sehr
schnell. Schon für die Zeit des Kaisers Justinian werden mit Getreidelieferungen für 600 000 Einwohner gerechnet;9 Schneider schätzt
die Bevölkerung zur Zeit der intensivsten Besiedelung um eine halbe
Million.10
Mietskasernen sind nicht die Vorreiter ihres Bautyps, zum ersten
Mal geschaffen für Berliner Arbeitergebiete wie Kreuzberg, Wedding
6
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
und Neukölln; in vielen Quartieren Roms und Konstantinopels tauchten sie bereits in der Antike auf. Die Bevölkerung der Justinianzeit
nahm durch Pestepidemien ab und bis zur Regierungsperiode der
komnenischen Dynastie ab dem 11. Jahrhundert, die vielleicht die
letzte Prunkphase der byzantinischen Stadt darstellt, wieder zu. Wie
viele Gebiete kam auch das X. Regio zu dieser Zeit zur Geltung, zuerst durch den Bau des Pantepoptes-Klosters im letzten Viertel des
11. Jahrhunderts und dann durch den Bau des großen Klosterkomplexes Pantokrator im ersten Viertel des 12. Jahrhunderts. Somit stellt
die Komnenenperiode die erste Bebauungsphase des Untersuchungsgebiets dar, die dazu führte, daß das Zentrum um das Apostoleion
sich hierher verschob, weil die neugebaute Grabkirche des Pantokrator-Komplexes die Rolle der kaiserlichen Grabkirche übernahm.
Das Pantepoptes-Kloster ist vermutlich um das Jahr 1085 von der
Mutter des Kaisers Alexios I. Komnenos, Anna Dassalena, als Frauenkloster gegründet worden, in das sie sich um das Jahr 1100 zurückzog.11 Vor der paläologischen Zeit verfügte die Kreuzkuppelkirche
des Klosters über äußere Hallen auf der Nord- und Südseite. Die
Subkonstruktionen auf dem Hang sind durch spätere Bebauung stark
beschädigt.
Die ersten genauen Daten über das Untersuchungsgebiet kommen
mit der Errichtung des Pantokrator-Klosters. Auf einem ungefähr 250
x 250 m großen Gebiet entstanden mehrere, dem Kloster zugehörige
Bauten. Nach der Stiftungsurkunde von 1136 bestand der Komplex
zusätzlich zu den zwei Kirchen und einer Grabkapelle aus einem
Krankenhaus für 50 Betten mit angeschlossener Medizinschule und
Apotheke, einem Altersheim, Badeanlagen, einem Xenodocheion
und zahlreichen Nebengebäuden wie Zellen für 80 Mönche sowie zugehörige Wirtschaftsanlagen.12 Wasser für das Krankenhaus, Waschgelegenheiten und Grünanlagen wurde in einer großen, dem Kloster
eigenen Zisterne gespeichert, die dem Klosterkomplex auf der Terasse zugleich als Subkonstruktion diente. Die erste, dem Pantokrator
geweihte Kirche des Klosterkomplexes wurde von Kaiserin Irene,
7
Pera-Blätter 17
Gattin des Kaisers Ioannes IL Komnenos zwischen 1118 und 1124
gestiftet. Nach ihrem Tod13 baute ihr Gatte nördlich der PantokratorKirche eine zweite Kirche im gleichen Stil. Im Jahre 1336 wurden die
zwei Kirchen durch eine zwischen ihnen liegenden Grabkapelle
miteinander verbunden.
Das Gebäude ist aus zwei Kirchen und einer Grablege zusammengesetzt, daher rührt auch sein türkischer Name Kilise Camii "Kirchen-Moschee". Das Akzent liegt auf der Südkirche, die höher ragt
als die andere. Die dem Erzengel Michael geweihte Grablege, in der
mehrere Mitglieder der byzantinischen Kaiserdynastie bestattet sind
und die in der Stiftungsurkunde als Heroon bezeichnet wird, liegt
niedriger als die beiden Kirchen. Ursprünglich beruhten die Kuppeln
der beiden Kirchen auf vier Porphyrsäulen, die gegen Ende des 18.
Jahrhunderts wohl infolge eines Feuers durch Pfeiler ersetzt worden
sind.
Am Anfang der Phase, in der sich das Untersuchungsgebiet in Istanbul nach und nach entwickelte, existierte die Stadt Berlin noch
nicht. Während Konstantinopel als die Hauptstadt des oströmischen
Reiches aufblühte, war das Westreich untergegangen, mit ihm auch
all die städtischen Strukturen, die einst unter dem Schutz des großen
römischen Reiches standen. Während die meisten römischen Städte
in Europa an Bedeutung verloren und kleiner wurden, wuchsen langsam neue Städte, die den Erfordernissen des neuen Lebens entgegenkommen sollten. Eines dieser Erfordernisse war der Handel, aber besonders der Norden bot bis zum 10. Jahrhundert kein zuverlässiges
Milieu für Handelsstädte, so daß sich die Anzahl der Städte im norddeutschen Raum relativ langsam vermehrte.
Die Doppelsiedlung von Berlin und Colin wurde in der zweiten
Hälfte des 12. Jahrhunderts gegründet. Berlin lag auf dem rechten
Spree-Ufer und Colin auf der Spree-Insel. Beide Städte an diesem
handelsgünstigen Kreuzungspunkt begannen sich mit der Verleihung
des Stadtrechts ab dem frühen 13. Jahrhundert zu entwickeln. Colin
war der Umschlagsplatz, Berlin die Kaufmannsstadt.
8
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
Währendessen litt Konstantinopel unter den Folgen des IV. Kreuzzugs von 1204. Das X. Regio spielte schon während der Belagerung
der Stadt eine strategische Rolle, das Pantepoptes Kloster diente dem
Kaiser Alexios Murtzuphlos als Hauptquartier und Beobachtungsplatz.14 Kurz nach der Eroberung der Stadt durch die Franken stürzten die Kreuzritter die byzantinische Dynastie und erklärten ihre eigene Herrschaft. Runciman bezeichnet diese Kreuzfahrt als "Kreuzzug
gegen die Christen",15 da die Stadt während des Kreuzzugs geplündert und zerstört wurde. Augenzeugen und Geschichtsschreiber wie
Nicetas Choniates und Nicolas Mesarites beschreiben das Ausmaß
dieser Zerstörung, in der nicht nur viele Gebäude großen Schaden erlitten, sondern auch Kunstschätze wie Ikonen und Statuen geraubt,
oder auch zertrampelt und zerschlagen wurden.16 Das PantokratorKloster blieb dabei nicht verschont; es wurde geplündert und noch
dazu zur zentralen Sammelstelle für den organisierten Kunstraub;
hier wurden Reliquien aus den anderen Kirchen der Stadt aufbewahrt,
außerdem diente das Kloster den Venezianern als Waffenarsenal.17
Auch die Reliquien im Pantepoptes-Kloster, das in den Besitz des venezianischen Benediktinerkonvents St. Giorgio Maggiore kam, wurden auf Befehl des Abtes Paul in sein Kloster nach Venedig überführt.
Man kann sich vorstellen, wie das Gebiet dabei von einem heiligen
Zentrum zu einem unheimlichen Randquartier degradiert wurde.
Wie die ganze Stadt, erreichte auch das X. Regio nach der byzantinischen Rückeroberung nie wieder seine Prunkzeit. Es fehlte an Geld
und Menschen, um eine durchgehende Rekonstruktion durchzuführen. Auch wenn der Kaiser Michael VIII. Palaiologos versucht hatte,
nach der Rückeroberung der Stadt die wichtigsten Kirchen und Klöster instandzusetzen, wurde sogar die Reparatur der 1346 eingestürzten Kuppel der Hagia Sophia nur mit teilweise fremdem Geld und
durch jahrelange Arbeit möglich.18 Somit ist wohl auch nicht zu erwarten, daß die anderen Klöster in besserem Zustand waren. Zwar
kam das Pantokrator-Kloster nach der Rückeroberung der byzantinischen Krone durch die palaiologische Dynastie wieder in griechische
9
Pera-Blätter 17
Hände und diente nach wie vor als Grablege, aber die Reiseberichte
aus dem 14. Jahrhundert legen nahe, daß die soziale Funktion der
Stiftungsgebäude unter der Zerstörung der vorigen Phase gelitten
haben muß. Es liegt nahe, daß der Pantokrator- Klosterkomplex nicht
mehr alle kostspieligen Funktionen erfüllen konnte, wie zum Beispiel
die des Krankenhauses, so daß das Gebiet viel ruhiger und ländlicher wurde. Der berühmte Geograph Abu '1-Fidä berichtet, daß am
Anfang des 14. Jahrhundert die Stadt aus Feldern, Gärten und überwiegend zertrümmerten Häusern bestand.19 Ruy Gonzales de
Clavijo, der 1403 mit der spanischen Gesandschaft des kastilianischen Königs Heinrich III. zum Palast Timurlenks reiste, schreibt, daß
"die Stadt Konstantinopolis viele große Kirchen und Klöster
beherbergt, die meisten von diesen aber in Trümmern liegen"20; er
fügt hinzu, daß "eine Brücke in der Nähe der heiligen Apostelkirche
sich über Häuser und Gärten erstreckt, für deren Bewässerung sie
Wasser lieferte"2l. Mit der Brücke in der Nähe der Apostelkirche ist
wohl der Valens-Aquädukt gemeint, die Verwendung der
Vergangenheitsform bei der Beschreibung der Bewässerungsfunktion
dieser Brücke deutet darauf hin, daß der Aquädukt zu dieser Zeit
vielleicht nicht mehr intakt war. Wahrscheinlich funktionierte nach
1261 lediglich das Kloster als religiöses Zentrum und Pilgerstätte und
war von Gärten und zertrümmerten Anlagen umgeben. Schon
während der Rückeroberung waren Teile des Klosters von den in der
Stadt lebenden Genuesen aus Rache an den Venezianern zerstört worden.22
Das Pantokrator-Kloster wurde noch kurz vor der türkischen Eroberung zum Symbol einer politisch-religiösen Debatte, die zum Teil
auch das Schicksal der Stadt bestimmte. Georgios Kurthesios, der zur
Zeit der türkischen Eroberung unter Sultan Mehmet IL unter dem
Namen Gennadios IL zum ersten Patriarchen der türkischen Periode
ernannt wurde, zog sich um 1450 infolge eines Streits mit dem Kaiser
ins Pantokrator-Kloster zurück. Kaiser Konstantinos XL erhoffte Hilfe gegen die Muslime von der katholischen Kirche, so daß er die Ver10
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
einigung der griechisch-orthodoxen mit der katholischen Kirche unterstützte. Georgios Kurthesios war zunächst auch dafür, änderte jedoch seine Meinung, als er die Reaktion des Volkes und der Kleriker
gegen die lateinische Herrschaft sah und führte seine Opposition vom
X. Regio aus, in dessen Mittelpunkt das Pantokrator-Kloster stand.23
Zum Zeitpunkt dieser Auseinandersetzungen in Konstantinopel
und der türkischen Vorbereitungen zur Eroberung der Stadt, verlor
die Doppelstadt Berlin-Cölln ihre Selbständigkeit und wurde schließlich 1447/48 durch die Machtübernahme des Kurfürsten Friedrich Eisenzahn von den Hohenzollern zur Residenzstadt der Marktgrafschaft
von Brandenburg, was durch die Errichtung eines Schlosses auf der
Spree-Insel der Stadt ein neues Orientierungsschema verlieh: Auf der
einen Seite stand nunmehr die Fürstenstadt, auf der anderen Seite die
Bürgerstadt. Von Kreuzberg ist immer noch nichts zu sehen.
Ein ähnliches Bild galt damals auch für Konstantinopel. Während
die genuesische Siedlung Galata auf der einen Seite des Goldenen
Horns durch die Handelskonzessionen, die die Genuesen infolge der
Kreuzfahrten erhielten, zu einem Handelszentrum wuchs, war Konstantinopel auf der anderen Seite das von Gärten umringte Regierungszentrum, wo sich der byzantinische Adel aufhielt. Dieser Doppelstadtcharakter ist auf der Buondelmonti-Karte24 aus der ersten
Hälfte des 15. Jahrhunderts sehr deutlich, auf der auch die verwahrlosten Großflächen zwischen den Bauten, die vom Niedergang der
Prunkstadt zeugen, zu sehen sind.
Nach der türkischen Eroberung im Jahre 1453 wurde die Uferzone
des Marmara-Meeres vorwiegend von Christen und weiteren Minoritäten wie Juden, Karamaniten und Zigeunern besiedelt. Eine Statistik
aus dem Jahre 1477 weist 3000 von Griechen, 1500 von Juden, 267
von Krim-Christen, 750 von Karamaniten und 31 von Zigeunern bewohnte Häuser auf, während die 9000 Häuser der Türken hauptsächlich auf den Hügeln am Goldenen Hörn im Nordwesten der Stadt gebaut wurden, unter denen sich auch der vierte Hügel mit dem Pantokrator-Komplex befand.25 Laut einem Eintrag in den kaiserlichen
11
Pera-Blätter 17
Stiftungsurkunden der Stiftung Mehmeds IL wurden die PantokratorKirche und deren Annexräume nach der Eroberung als Medrese und
Bibliothek genutzt: hier unterrichteten berühmte Wissenschaftler der
Zeit wie Ali Tusi, Hocazade und Molla Zeyrek, der dem Komplex
und dem ihn umgebenden Wohnquartier seinen Namen gab. Die Medrese-Anlage wird in der Stiftungsurkunde der Fatih-Stiftungen als
Zeyrek-Medreseleri, in Miret-ül Kainat als Sekiz Kilise Medreseleri
"Acht Kirchen-Medrese" erwähnt.26 Die Stiftungsurkunde Mehmeds
II. informiert uns weiter über den Zustand von Zeyrek im dritten
Viertel des 15. Jahrhunderts. Demnach seien "im Wohnviertel Mevlana Zeyrek 50 Zellen gestiftet, die aneinandergereiht sind und zu der
Moschee keine Verbindung haben"27. Damit könnten die byzantinischen Zellen für 80 Mönche gemeint sein, die schon in der Stiftungsurkunde des Pantokrator-Klosters erwähnt worden waren. Nach dieser erstreckte sich zwischen den Zellen ein Hof, in dessen Zentrum
drei aneinandergereihte Kirchen standen. Die Ostseite des Hofes wurde durch ein Grundstück begrenzt, das als Privatbesitz des Sultans
bezeichnet wird. Im Süden lag eine Straße, die heute noch existiert.
Nach der Errichtung des Fatih-Stiftungskomplexes auf dem Grundstück, wo einst die Apostel-Kirche Konstantins stand, zog die Medrese in Zeyrek nach 1470 in ihre Bauten in dem neuen repräsentativen
Zentrum um. Nach dem Umzug wurden die Kirchen des ZeyrekKomplexes in eine Moschee umgewandelt und von nun an als Zeyrek-Moschee erwähnt.28 Auch die Kirche des zeitweilig als Armenküche benutzten Pantepoptes-Klosters wurde später in eine Moschee
umgewandelt, daher rührt auch der Name Eski Imaret Camii "Moschee der ehemaligen Armenküche".
Dei Stiftungskomplex wurde bald nach türkisch-islamischer Tradition der Stadtviertelentwicklung von Häusern umringt, die zu einem diachronisch-organischen Gebilde wuchsen.Während die Stadt
sich gegen Ende des 15. Jahrhundert ausdehnte, entstanden aus den
bestehenden Wohngebieten neue Verwaltungseinheiten. Ein osmanisches Wohngebiet mahalle durfte in der Regel eine aus 50 Häusern
12
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
bestehende Grenze nicht überschreiten,29 dies war eine Maßnahme
gegen die städische Dichte. Dadurch wurde der Kern des Wohngebiets Zeyrek um die genannte Zeit nördlich durch Eski Imaret beim
ehemaligen Pantepoptes-Kloster, östlich durch Seyh Vefa, südlich
von Kirkcesme und westlich von Camii Kebir-Cedid begrenzt. Die
Stadt wuchs so schnell, daß schon in der Mitte des 16. Jahrhunderts
die neuen benachbarten Gebiete wie Bicakci Üstad Acem Ali, Kasap
Demirhun, Hoca Teberrük, Sekbanbasi Ibrahim, Manisavi Celebi entstanden,30 die allerdings heute noch sozio-kulturell zum Zentrum
Zeyrek gehören. Andererseits begann das Gebiet mit der Vollendung
des Fatih-Komplexes seine repräsentative Bedeutung zu verlieren,
weil das Hauptkulturzentrum der Stadt sich zum neuen Sultansgut
verschob. Die Studentenzellen wurden mit der Zeit nicht mehr bewohnt und verschwanden nach und nach, neue Monumentalbauten
wurden nicht hinzugefügt, die Gelehrten bauten ihre vornehmen Häuser entweder in der Nähe der Fatih-Moschee oder ab der zweiten
Hälfte des 16. Jahrhunderts rund um den neugebauten Stiftungskomplex Suleimans des Prächtigen. Während Süleymaniye sich überwiegend zum repräsentativen geistigen Verwaltungszentrum des Reiches
entwickelte, blieb Zeyrek mehr Wohnviertel der Händler und Werkmeister, die sich um die kleinen Sufi-Ordenshäusern gruppierten.
Trotzdem entstanden in Zeyrek noch weitere Stiftungskomplexe, wie
der Zaviye von Piri Mehmed Pasa, einem Großwesir Suleimans des
Prächtigen. Der Zaviye auf der ersten Terasse des Pantokrator-Komplexes wurde später in eine Medrese und Mescid umgewandelt.31
Man muß in Betracht ziehen, daß die Einteilung der osmanischen
Stadtviertel nicht nach Einkommensklassen, sondern nach Glaubensrichtungen erfolgte, damit das Mosaik der verschiedenen Kulturen
sich jeweils im eigenen Kulturraum frei ausdrücken konnte, im Gegensatz zum europäischen Ghetto, dessen Charakter eher durch verschiedenartige Zwangsmaßnahmen bestimmt wurde. Jede Straße
zeigte gemischte Fassaden, die aus einem Zusammenspiel der nacheinanderfolgenden bescheidenen und repräsentativen Häusern be-
13
Pera-Blätter 17
standen. Die Häuser der Reichen unterschieden sich nur in ihrer
Größe und nicht in ihrer Pracht. Der Reisende Lubenau, der zur Zeit
Suleimans des Prächtigen das osmanische Reich besuchte, schreibt:
"Die Gestalt vornehmer Herrenhäuser ist allerorten gleich und zu Konstantinopel nicht ansehnlicher als zu Adrianopel oder sonstwo, außer,
daß sie an innerer Pracht der Teppiche und anderen Schmucks etwas unterschiedlich sind. Die meisten sind aus einfachem Holz erbaut. Die
Mauern aus Steinen auszuführen oder Schwilbbogengewölbe zu bauen
ist nicht gebräuchlich."3^
Tatsächlich war die Tradition so, daß sich Reichtum nicht nach außen
spiegeln sollte. Tahrir-Dokumente aus dem 16. Jahrhundert, angefertigt für die Kontrolle der Stiftungsurkunden in Istanbul, werfen ein
Licht auf die damalige Baustruktur des Gebiets. So wird zum Beispiel
klar, daß die von Schahdane Binti Abdüddeyan und Üstad Bali b. Abdullah '1-Bakkal gestifteten Häuser in Zeyrek im Vergleich zu der von
Mustafa b. Abdullah gestifteten Häuserreihe im gleichen Quartier
sehr bescheiden sind. Die Häuser der letzteren verfügten über mehrere Zimmer, Stall, Küchentrakt mit Ofen, wobei die beiden anderen lediglich aus mit einer Toilette versehenen einfachen Häusern mit einem Stockwerk bestehen.33 Zugleich weisen diese Stiftungsurkunden
auf die Tatsache hin, daß viele Dienstfunktionen in der Stadt nicht
durch den Zentralstaat und auch nicht nur durch kaiserliche Stiftungen wie es in der byzantinischen Tradition der Fall war, sondern
durch die Bewohner der jeweiligen Stadtquartiere erfüllt wurden, was
eine Form der Bürgerbeteiligung im Islam darstellt. Während größere
Unternehmungen wie Krankenhäuser und Schulen von Sultansstiftungen übernommen wurden, wurden städtische Aufgaben von kleinerem Format, wie Reparatur der Straßen,34 Bau von Brunnen und
Bädern oder auch Naturschutzaufgaben wie zum Beispiel das Füttern
der Vögel im Winter, je nach Bedarf von den Bürgern verwirklicht.
Manchmal wurden einzelne Stadtquartiere oder Straßen auch nach
diesen wohltätigen Bürgern genannt. Die schon oben erwähnten, heute zu Zeyrek gehörigen Nachbarquartiere des Metzgers Kasap Demir-
14
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
hun und des Messerherstellers Bicakci Acem Ali sowie die nach dem
letzteren genannte Bicakci Cesme Sokak in Haydar sind solche Beispiele.
Es gibt einige Stadtansichten aus dieser Zeit, die die damalige Gebietsstruktur erkennen lassen. Eine Gruppe unter diesen bilden die
sogenannten Vavassore-Holzschnitte, als deren Verfasser lange der
griechische Gelehrte Amoirutzes vermutet wurde, was aber kürzlich
von Albrecht Berger widerlegt worden ist. Leider geben uns diese ursprünglich von einem in Galata ansässigen Italiener gezeichneten
Karten ein verzerrtes Bild, da auf ihnen das ehemalige PantokratorKloster wie auch weitere, vor der Zeit des Zeichners in Moscheen
umgewandelten byzantinischen Bauten nicht dargestellt werden. Wie
Berger schreibt, ist auf ihnen "das zeitgenössische Istanbul, so gut es
geht, auf seine christlichen Elemente reduziert"35. Trotzdem kann
man das Untersuchungsgebiet zwischen dem Theaterbau36 am Hang
der später gebauten Süleymaniye-Moschee zum Aquädukt hin und
den Pferdeställen südöstlich der Fatih-Moschee erkennen. Allerdings
fehlen hier, wie schon angedeutet, die meisten Monumente. Eine andere Möglichkeit bietet die Istanbul-Ansicht des Matrakci Nasuh in
seinem berühmten Werk Mecmua-i Menazil aus dem Jahre 153737,
auf dem die Bauten im Umfeld des Valens-Aquädukts die wichtigsten
Bauten des Gebiets andeuten. Auf dieser Karte sind die beiden Moscheen Zeyrek und Eski Imaret und deren Stiftungsanlagen dargestellt, umringt von den größeren Häusern der Wohlhabenden und
wichtigen Persönlichkeiten, zu denen wohl der im Jahre 1525 verstorbene Scheich-ul-Islam Zembilli Ali Efendi gehörte, der dem Viertel eine Schule gestiftet hat. Einfachere Häuser sind auf der Karte
nicht vermerkt. Die Mischstruktur des Gebietes mit den verschiedenen Einkommensklassen blieb auch im 17. Jahrhundert bewahrt, wie
uns die Beschreibung des Cibali-Brandes im Jahre 1633 zeigt. Viele
osmanische Geschichtsschreiber, vor allem Naima, sowie manche
Augenzeugen, die aus Anlaß der Brände, die die Holzhäuser von
Istanbul durch die ganze osmanische Zeit hindurch immer wieder
15
Pera-Blätter 17
zerstörten, Branddokumente (yangin risaleleri) angefertigt haben,
geben uns wichtige Hinweise über den Baubestand und die soziale
Struktur des jeweiligen Brandgebiets. So erfahren wir, daß Zeyrek im
Jahre 1633 neben vielen einfachen Häusern auch über zwei Paläste
verfügte: Der eine Palast gehörte dem Kursuncubasi Mustafa Pasa,
der andere Pirinccizade, dem Oberhaupt der Janitscharen.38 Die
gleichzeitige Existenz der Gewerbetätigkeiten in Zeyrek wird wiederum durch die Branddokumente bestätigt, in denen immer wieder Getreidemühlen erwähnt werden. Schon zur Zeit Mehmets II. begannen
die für die Qualität der in Istanbul produzierten Nahrungsmittel zuständigen Inspektoren ihre Runde am Unkapam, wo das Getreide ankam und beendeten sie in Zeyrekbasi.39 Die Konzentration der Getreidemühlen in und um Zeyrek ist möglicherweise durch die Nähe zu
Unkapam entstanden.
Zu dieser Zeit waren die Städte Berlin und Colin verwaltungsmäßig noch geteilt, aber sie wuchsen langsam zu einem gemeinsamen räumlichen Gebilde. Kreuzberg als Bezirk kommt in diesem Stadium immer noch nicht in Frage, allerdings ist bekannt, daß der im
Süden liegende "Runde Berg" dem Weinbau diente.40 Im 16. Jahrhundert blühte der Handel auf, und das städtische Wachstum war im
Gange, als im Jahre 1618 der 30-jährige Krieg ausbrach. Berlin
kämpfte bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts gegen Epidemien, Belagerungen, Hungersnot und Zerstörungen; die städtische Entwicklung
stand nicht nur still, sie ging zurück, als die Vorstädte aus Verteidigungsgründen niedergebrannt wurden. 1642 begann unter dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm eine große Wiederaufbautätigkeit in der
Stadt, in der die Einwohnerzahl von 14 000 im Jahre 1590 auf weniger als 7500 abgesunken war.41 Ein Vergleich zu Istanbul zeigt, daß
hier die Einwohnerzahl schon am Anfang des 16. Jahrhunderts um
200 000 lag.42 1647 legte der Große Kurfürst eine mit Linden und
Nußbäumen eingefasste Reitallee in das ehemalige Jagdrevier Tiergarten, die später zur Ost-West-Achse "Unter den Linden" wurde.
Die Erinnerung an den Krieg führte zur Errichtung einer sternförmi-
16
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
gen Festung, die sich aber schon bei ihrer Vollendung im Jahre 1683
als nutzlos erwies, da die Stadt bereits aus den Mauern herausgewachsen war.43 So wurde sie im Verlauf des nächsten Jahrhunderts
geschliffen.
Am Ende des 17. Jahrhunderts wuchsen im Westen der ab jetzt
völlig unter dem Namen Berlin vereinigten Stadt beiderseits zu Unter
den Linden die nach barockem Stil geplanten fürstlichen Gründungen
Dorotheenstadt und Friedrichsstadt, wobei im Osten und Norden die
informellen neuen Vorstädte wie Spandauer Vorstadt, Königsstadt,
Stralauer und Köpenicker Vorstadt sich ringförmig um den alten
Stadtkern ausbreiteten. Die neuen Stadtteile bildeten für die Einwanderer, besonders für die französischen Refugies eine Unterkunft. Mit
dem Potsdamer Toleranzedikt von 1685 waren Hugenotten,
Orangeois, Welsch-Schweizer und Wallonen in die Stadt geströmt, so
daß ihre Anzahl am Anfang des 18. Jahrhunderts ungefähr 30 000
zählte.44 Zu dieser Zeit ist Kreuzberg immer noch unbebaut, wie man
auf dem Lavigne-Plan von 1685 deutlich sieht. Im Süden, auf der
Landstraße nach Halle-Leipzig, liegt ein kurfürstlicher Weinberg, der
später zu Kreuzberg wird.45
Am Anfang des 18. Jahrhunderts wurde die Residenzstadt Berlin
zur Hauptstadt des Königsreiches Preußen, was zu Bevölkerungswachstum und zu neuen Arbeitersiedlungen führte. Die erweiterte
Friedrichsstadt bildete somit zusammen mit dem Halleschen Tor, das
nach der Errrichtung der ab 1735 errichteten Akzisemauer entstanden
war, den Ausgangspunkt des späteren Wohnbezirks Kreuzberg auf
dem ehemaligen kurfürstlichen Weinberg, der ab 1718 zum "Götz'
sehen Weinberg" geworden war.46 Die Akzisemauer diente als Zollund Steuergrenze, die auch die sturukturelle Stadtgrenze bestimmte.
In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts reichte die Bebauung in
der Friedrichsstadt bis ans Hallesche Tor, was auf den zeitgenössischen Plänen sichtbar ist, wo die Bebauung sich langsam zum Torplatz "Rondel" hin ausdehnt und damit einen Hinweis auf die zukünftige Ausdehnung zum Kreuzberg hin gibt. Nicht nur die Friedrichs-
17
Pera-Blätter 17
Stadt, sondern auch die Vorstadt der ehemaligen Doppelstadt Colin,
die auch als Köpenicker Vorstadt bekannt ist und ab 1802 Luisenstadt
genannt sein wird, wird für die spätere Entwicklung des Gebietes
ausschlaggebend sein. Noch ist sie ziemlich dünn besiedelt und hat
einen ländlichen Charakter:
"Jetzt nimmt zwar die köllnische Vorstadt unter den übrigen Vorstädten
und selbst unter den Städten, bey weitem den größten Raum ein. Aber sie
ist auch nicht halb (nicht einmal mit Gärten) bebaut; sondern nach der
Mauer ist lauter freyes Feld, das im Hypotekenbuche das Sommerfeld
genannt wird..."'*'
Diese ländliche Vorstadt wies damals, ähnlich wie Zeyrek, eine soziale Mischung auf, in der Amtsadel, Kleinbürgertum, Handwerker und
Kleinproduzenten nebeneinander lebten. Eine Zeitlang existierten die
Landgüter und Lustgärten des Amtsadels neben den Fachwerkhütten
der Straßenhändler. Im Vergleich zu Zeyrek war diese Phase in
Kreuzberg kürzer und änderte sich am Anfang des 19. Jahrhunderts
zugunsten der Handwerker, so daß nach und nach die sogenannte
"Kreuzberger Mischung" entstand. Damit ist nicht eine Mischung sozialer Klassen wie im vorigen Jahrhundert gemeint, sondern eine
Mischung von Wohnen, Produktion und Handel, aus der eine bestimmte Kultur hervorgegangen ist. Zwar wohnten in dieser
Mischung noch eine Weile Arme und Reiche, Beamte und Arbeiter
zusammen, aber auch dies änderte sich gegen das Ende des 19. Jahrhunderts.
Im Gegensatz zu Kreuzberg, das im Entstehen war und nach und
nach bebaut wurde, litt Zeyrek durch das 18. Jahrhundert hindurch,
bedingt durch die großen Brände, unter großem Bauverlust. Die
Brände von 1699, 1718 und 1736 zeigen, daß die wiedererbauten
Holzhäuser gleich wieder niederbrannten. Es ist uns bekannt, daß
beim Brand von 1718 neben vielen großen Häusern wie die des
Hüseyin Pasazade Mehmet Bey und des Scheich ul-Islam Ebezade
Abdullah Efendi auch der Palast des Numan Pasa zerstört wurde, was
die Anwesenheit von religiösen Gelehrten und höheren Beamten im
18
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
Gebiet belegt.48 Am schlimmsten wirkte sich der große Brand von
1782 aus, der sogenannte Harik-i Ekber, der das Quartier aus zwei
Richtungen angriff. Zeyrek verlor nicht nur mehrere Häuser, sondern
auch Monumente wie die Holzteile der Zeyrek-Moschee selbst; viele
Ordenshäuser und Läden gingen dabei ebenfalls verloren. Dervis
Efendizade Dervis Mustafa Efendi, der diesen Brand selbst erlebte,
hat in seinem Harik Risalesi (Branddokument) vermerkt, daß nur das
Haus des Kazancibasi und ein paar weitere Häuser am Rand von Zeyrek verschont blieben. Er fügt hinzu, daß der Brand durch die zu dicht
aneinander gebaute und hölzerne Häuserstruktur bedingt sei,49 was
darauf hinweist, daß dieses jetzt völlig zum Innenstadtgebiet gewordene Viertel sich trotz der Brände schnell erholte und weiter entwikkelte. Da aber im Gegensatz zu Berlin die Innenstadtquartiere Istanbuls im 18. Jahrhundert keine Ausdehnungsmöglichkeit hatten, nahm
anscheinend nur noch die Dichte zu. Die Angaben in den Branddokumenten deuten daraufhin, daß in Zeyrek zu dieser Zeit neben den Angehörigen niederer Einkommensklassen noch immer höhere Beamte
und Gelehrte wohnten. Der Anfang des 19. Jahrhunderts zeichnet sich in Berlin durch
eine rasch aufsteigende städtische Entwicklung aus. Dies führte nach
und nach zur Bebauung der noch nicht besiedelten Randgebiete und
wandelte sich in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zum Bauboom.
Den Start dazu hatten die von v. Hardenberg erlassenen Edikte von
1811 und 1816 gegeben, durch den der Grundherr das Obereigentum
am Boden verlor und die Bauern sich gegen eine Entschädigung loskaufen konnten, indem sie ein Drittel oder die Hälfte ihres Landes abtraten.50 Dabei waren kleinere Wirtschaften von dieser Regulierung
ausgeschlossen. Dies führte einerseits zur Vergrößerung der Gutswirtschaften und zur Entstehung einer Großgrundbesitzerschicht, auf
der anderen Seite zur Abwanderung der landlos gewordenen kleinen
Bauern in die Stadt, die mit den großen Wirtschaften nicht mehr konkurrieren konnten. Dies überschnitt sich mit der Industrialisierung
und insbesondere in Berlin mit dem Bau der Eisenbahnanlagen, der
19
Pera-Blätter 17
die Raumstruktur total veränderte und die Randgebiete erschliessungsfähig machte.
Zu dieser Zeit sah das später Kreuzberg genannte Gebiet in der Luisenstadt noch ziemlich ländlich aus, wie man auf Abbildungl erkennen kann. Abbildung 1 zeigt das noch völlig unbebaute Köpeniker
Abb.l: Bodenschatz 1987, S. 18
Es gibt auch Darstellungen vom Garten des Prinz-Albrecht Palais aus
mit Blick auf die Stadtmauer und Kreuzberg, auf dem die Gebiete
außerhalb der Mauer noch ziemlich unbebaut erscheinen. Zwar hatte
der Bau des von Karl Friedrich Schinkel entworfenen Nationaldenkmals auf dem damaligen Götz'schen Berg zur Erinnerung an die Freiheitskriege von 1813-15 im Jahre 1821 den Berg ins Rampenlicht ge-
20
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischer) Verfall
rückt, der dabei den Namen Kreuzberg erhielt. Die Nutzung jedoch
war noch teilweise von Weingarten- und Vergnügungsparkcharakter,
wie durch die Errichtung des Tivoli nach Pariser Vorbild deutlich
wird. Die Brüder Genicke bauten dieses Lokal im Jahre 1829, um die
Besucher des Denkmals zu bewirtschaften.51 Mit der Zeit verlor die
Anlage den Reiz und wurde in eine Brauerei umgewandelt, wohl
auch bedingt durch die Tatsache, daß die Umgebung sich mehr und
mehr gewerblichen Funktionen zuwand. Schon im frühen 19. Jahrhundert siedelten sich auf dem Köpenicker Feld Handwerker aus der
Friedrichsstadt und Neucölln an; mit dem Kupfer- und Messingwalzwerk von Heckmann schloß sich 1836 auch die Metallindustrie an.52
Dies deutet daraufhin, daß es auf der anderen Seite des Berges nicht
mehr so idyllisch aussah, wie auf dieser Seite. Es herrschte eine
Mischstruktur, in der auch vornehme Häuser von Fabrikbesitzern und
Kaufleuten Platz hatten, doch wurden die Wohnverhältnisse schon
ziemlich eng. Die 24 495 Einwohner wohnten in 4437 Wohnungen,
die sich in 720 Häusern befanden, auf ein Haus entfallen mehr als 6
Wohnungen in zweigeschossiger Bebauungsweise.53 Johann Friedrich Bachmann, der von 1829 bis 1845 als zweiter Prediger in der
Luisenkirche tätig war, schreibt:
"Wollte man nun aber von diesem mannigfachen und regen Geschäftsbetriebe einen günstigen Schluß auf den Wohlstand der Bewohner unseres
Stadttheils machen, so würde man ein sehr falsches Ergebniß erhalten.
Fehlt es auch nicht an Familien, die unter glücklichen äußeren Verhältnissen leben, bei weitem die Mehrzahl gewinnt eben nur das Unentbehrliche und der Armen sind unter uns so viele, daß die Luisenstadt auf jeden Fall mit zu den ärmsten Theilen Berlins gehört."54
Hoffmann-Axthelm ist der Meinung, daß das Bevölkerungswachstum in der Luisenstadt kaum auf die Industrialisierung Berlins zurückzuführen ist.55 Die Ursache liegt eigentlich in dem Bevölkerungsüberschuß auf dem Lande, der sich dort nicht mehr ernähren
konnte und in die Stadt abwanderte, in der Hoffnung, dort eher ein
Auskommen zu finden. Freigesetzte Bauern und ruinierte Handwer-
21
Pera-Blätter 17
ker ließen sich in der Vorstadt nieder, hinzu kamen die aus der südlichen Friedrichsstadt vertriebenen Handwerker, so daß sich die Bevölkerung der Luisenstadt zwischen 1849 und 1864 vervierfachte, bei einer Verdoppelung der Bebauungsfläche. So entstanden hier Kleinbetriebe, Werkstätten und Stockwerkfabriken, die sowohl für die Industrie Montageteile als auch für die mittel-und großbürgerlichen Haushalte Konsumgüter und Luxusartikel herstellten; Einzelteile wurden
auch in Heimarbeit produziert. Nach Hoffmann-Axthelm ist "die
Kreuzberger Mischung der Versuch eines hochspezialisierten Handwerkermilieus, eine eigene Antwort auf die Industrialisierungswelle
zu finden"56.
Ab dem frühen 19. Jahrhundert erfolgten verschiedene Planungsversuche für Berlin, um diese neu auftretende Entwicklung zu kontrollieren. Die berühmtesten Berlin-Pläne aus dieser Zeit wurden von
Karl Friedrich Schinkel und Joseph Lenne entworfen. Lenne hat zur
Erläuterung seines Planes "Projektierte Schmuck- und Grenzzüge
von Berlin mit nächster Umgebung" (1840) eine Denkschrift angefertigt, in dem er für die Luisenstadt einen schiffbaren Kanal vorsieht,
damit sich "der Gewerbefleiß auf dem Köpenicker Feld" stärker ausdehnt.57 Somit wurde der gewerbliche Charakter des Gebiets offiziell
bestätigt.
Zur gleichen Zeit gab es auch die ersten Planungsversuche für
Istanbul. Der erste Flächennutzungsplan von 1839 wurde von dem
zukünftigen preußischen Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke
bearbeitet, der im Jahre 1835 von Friedrich Wilhelm III. als Militärexperte nach Istanbul entsandt wurde, um dann neben seiner Tätigkeit
als Armeeinstrukteur mit topographischen Aufnahmen und der Reorganisation der Stadt beauftragt zu werden.
Nach Moltkes Plan sollten die Hauptarterien der Stadt Istanbul eine Breite von 15,20 m haben, alle anderen Straßen sollten entweder
11,50 m oder 9,20 m breit sein.58 Mit der Verordnung von 1848 wurde die Mindestbreite von 9,20 m auf 7,60 m reduziert, entsprach aber
immer noch kaum der Realität, da die Breite der wichtigsten Haupt22
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
achse Divanyolu zu dieser Zeit höchstens 6 m betrug.59 Dem Staat
fehlten sowohl das Geld als auch die gesetzliche Grundlage, da nach
der islamischen Gesetzgebung Enteignungen in sogenannten "Privatstraßen", d.h. Straßen der Wohngebiete mit Ausnahme öffentlicher
Plätze, ohne die Zustimmung aller ihrer Bewohner nicht möglich war.
Dieses traditionelle Konzept bildete für die städtischen Belange ein
Paradox zu den neuen, westlich orientierten Gesetzen der Reformperiode Tanzimat, so daß für die meisten Stadtviertel wie auch für Zeyrek die Durchführung der Flächennutzungspläne gar nicht möglich
war. Auf einer um 1882 angefertigten Karte wird deutlich, daß die
Quartiere Zeyrek, Demirhun und Bicakci ihre traditionelle Stadtstruktur zu dieser Zeit noch bewahrt haben.60 Dagegen weist das benachbarte Viertel Haci Kadm eine rechtwinklige Neuplanung mit
breiteren Straßen auf, was auf den Wiederaufbau der Brandflächen
zurückzuführen ist.
Die Brände gaben dem im Jahre 1855 nach dem französischem
Modell "Prefecture de Ville" gegründeten §ehremaneü eine Möglichkeit, städtische Planungsmaßnahmen durchzuführen. So wurde ein
Jahr nach der Gründung des $ehremaneti der italienische Ingenieur
Luigi Storiari damit beauftragt, auf dem Brandfeld von dem im Feuer
von 1854 zerstörten Stadtviertel Aksaray neue, geradlinige Straßen
und Parzellen anzulegen. Diese Tätigkeit wurde nach dem Großbrand
von 1865 auch in anderen betroffenen Stadtvierteln fortgesetzt.61
Allerdings wurden diese Pläne nicht mehr von Storiari, sondern von
nun an von osmanischen Beamten durchgeführt.62 Nach Ergin erarbeitete Storiari auch für Zeyrek einen Plan,63 der aber nicht durchgeführt werden konnte. Bei der Neuordnung der Brandflächen unternahmen die Behörden Versuche, anhand mancher neu interpretierter
islamischer Prinzipien eine Rechtfertigung für Enteignungen zu finden und ihre Vörgehensweise somit durch die Gewohnheitsrechte der
Scharia zu begründen. So stand in der Einleitung des Feuerbekämpfungsediktes vom Jahre 1826, daß zwar das von Gott bestimmte
Schicksal keineswegs verhindert werden kann, es den Menschen
23
Pera-Blätter 17
trotzdem zustünde, die äußerlichen Ursachen der durch Gottes Wille
geschehenen Brände zu beheben, weil es eine Gewohnheit der Menschen sei, auf dieser Welt der Zwänge nach Lösungen zu suchen.64
Trotzdem gab es oft Konflikte zwischen Betroffenen und Behörden
und die Regulierung des Grundrisses scheiterte oft am Widerstand
der Grundstückbesitzer.65
Da beginnend mit Moltkes Plan in keinem der nachfolgenden
Pläne im Verlauf des 19. Jahrhunderts infolge der Aufbewahrung und
Erweiterung der traditionellen byzantinischen Achsen eine NordSüd-Verbindung zwischen dem Goldenen Hörn und dem MarmaraMeer vorgesehen war, wurden die meisten Quartiere in diesem Gebiet nicht zum Gegenstand der verkehrsmäßigen Neuplanungen. Nur
eine verwalterische Umwandlung fand statt, so daß Zeyrek während
der Aufteilung der Stadt Istanbul in neue, nach dem Pariser Modell
bestimmte, Verwaltungseinheiten, in die Grenzen des ersten Bezirks
eingeschlossen wurde.66 Andererseits führte die oben beschriebene
Neuplanung der Brandflächen zu Teilplänen wie etwa der Nachbargebiete Haci Kadm und Circir. Auch für Zeyrek selbst gab es nach
den Bränden Neustrukturierungsversuche. Ziegelbauweise wurde gefördert, allerdings wird selbst in den Berichten der Planungskommissionen zu verschiedenen Zeiten vermerkt, daß die finanzielle Lage
der Bewohner bestimmer Gebiete, zu denen auch Zeyrek gehörte, es
nicht ermögliche, nach den neuen Baurichtlinien zu bauen. Diese Bewohner wurden lediglich dazu verpflichtet, beim Bau neuer Holzhäuser zwischen dem eigenen Haus und den Nachbarhäusern Brandwände aus Ziegel einzuziehen.67 Diese Ausnahmeregelung wurde später
von Ergin in seinem Werk Mecelle-i Umur-i Belediyye als "schädliche Barmherzigkeit" kritisiert.68 Yusuf Ziya Bey, der als Zeitgenosse
Ergins Direktor der städtischen Planungsabteilung in der Kommission für die Neuplanung der Brandgebiete war, kritisiert in seinem
Bericht vom Jahre 1923 die Planrevidierungen seiner Nachfolger sowie die dadurch bedingten Verzögerungen bei der Verteilung der neuen Parzellen an die Betroffenen. In diesem Rahmen erwähnt er auch
24
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
den Fall Zeyrek, wo er die falsche Vorgehensweise bei manchen Stiftungsgütern kritisiert.69 Der Vergleich eines zeitgenössichen Gebietsplans mit der Karte von 1882 zeigt, daß sich in Zeyrek trotz all dieser
Entwicklungen die Straßenstruktur und die großen Parzellen nicht änderten und nur innerhalb der Parzellen neue geometrische Formen
entstanden. Der Gegensatz des angrenzenden Gebiets ist auf der alten
Karte deutlich sichtbar (Abb. 2).
Abb. 2: Karte von Zeyrek
Als Istanbul gegen die Brände und die Neuplanungen kämpfte, befand sich Berlin in einer raschen Entwicklungsphase. Das Wachstum
Berlins in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde sowohl
durch seine Hauptstadtfunktion als auch durch die Industrialisierung
beeinflußt. Mit der Gründung des Kaiserreiches entstanden Banken
und Aktiengesellschaften, was zur Privatisierung des Bodens führte.
Die Spekulation bildete eine neue Sozialgruppe heraus, die gegen ihr
Geld eine Architektur mit neugotischen und "altdeutschen" Elementen bekam. Auf der anderen Seite wuchsen auf den neu parzellierten
25
Pera-Blätter 17
Grundstücken in den noch unbebauten Randgebieten der Innenstadt
rasch Bauten, um den Massen, die in die Stadt strömten, eine Unterkunft zu bieten. Sigmar Gude sagt dazu, daß die Wohnungsnot nicht
durch den plötzlichen Überfall der Landbevölkerung und Handwerker entstanden ist; nach Gude wurde "die Wohnungsnot gebaut, planmäßig in jedes der vielen Wohnhäuser integriert und auf den Markt
geworfen"70. Bis ins letzten Viertel des 19. Jahrhunderts wurden die
Arbeiterwohnungen in dieselben Häuser gebaut wie die bürgerlichen
und großbürgerlichen. Während die bürgerlichen Wohnungen im Vorderflügel lagen, lagen die Wohnungen der niederen Einkommensklassen in Seitenflügel, Hinterhaus, Keller und Mansarde, wobei die proletarischen Wohnungen im Gebäude sogar die Miete der Reichen verminderten.71 Dagegen meinen Bodenschatz, Heise und Korfmacher
in ihrer Fallstudie im Bezug auf Kottbusser Tor in Kreuzberg, daß die
Wohngebiete um das Kottbusser Tor und den östlich angrenzenden
Görlitzer Bahnhof schon von ihren Bauherren als Arbeiterwohnbezirke gedacht waren, was sie auf Lennes Bebauungsplan zurückführen.72 Wie schon erwähnt, wird der gewerbliche Charakter von
Kreuzberg in Lennes Plan unterstrichen, andererseits gibt es viele
Beispiele für von Offizieren und Beamten bewohnte Vorderhäuser;
sie konzentrieren sich um den Görlitzer Bahnhof wegen der Nähe zur
Wrangelkaserne.73 Auch die Häuser in der nach der österreichischpreußischen Schlacht von Skalitz benannten Skalitzer Straße sind
nicht als Arbeiterwohnungen geplant:
"...Denn als Arbeiterwohnhäuser waren die Neubauten am vaterländisch
hurrahpatriotisch auf das neureiche Kaiserreich getauften Boulevard
nicht gedacht. An Bürger waren sie aber bei diesem Zustand der Straße
nicht zu vermieten, und die Hausbesitzer gerieten in Gefahr, den Anschluß an die bürgerliche Mietkundschaft zu verlieren..."74
Mit dem "Zustand der Straße" wird angedeutet, daß sie lange nach
ihrer Anlegung ungepflastert blieb und die Bewohner der anliegenden
Häuser unter Abwasserproblemen litten. Die Adreßbuchangaben von
1877 zeigen, daß diese Häuser von Kleinbürgern, Handwerkern,
26
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
Kleinproduzenten und Händlern bewohnt wurden, aber eben nicht
von Arbeitern.75 Dort wohnten diejenigen Leute, die später der
Kreuzberger Mischung ihren Charakter verleihen würden. Wohnen
und Arbeiten waren oft im gleichen Haus vereint, in vielen Fällen
diente der Seitenflügel als Werkstatt. Dadurch entstand der Begriff
des Gewerbehofs.
Während der Gründerjahre verstärkte sich der Zustrom der Massen, so daß Berlin noch 1861 550 000 Einwohner hatte, 1870 wurden
830 000 und 1890 bereits anderthalb Millionen gezählt.76 Für diese
Bevölkerung baute man jährlich etwa 20 000 Wohnungen. Allerdings
nahm bald auch die städtische Dichte zu, da das meiste Ackerland bebaut worden war. So entstanden in Berlin Mietskasernenviertel, in deren Hinterhöfen und Kellern Menschen lebten. Ein solches Mietskasernengebiet bildete sich auch in der Luisenstadt und auf dem Köpenicker Feld um Kreuzberg herum. Der Punkt, an dem an eine Mischung aller sozialer Klassen nicht mehr gedacht ist, beginnt in
Kreuzberg mit den Arbeiterwohnungen des Spekulanten Haberkern
auf seinem von dem Stadtältesten de Cuvry erworbenen Gelände.77
Der Begriff der Mietskaserne ist um die Mitte der 60er Jahre des
19. Jahrhunderts aufgekommen. Nach Bodenschatz enthält dieser Begriff die Aufhebung des Einzelwesens und des Einzelwillens und die
Unterwerfung unter einen übergeordneten Zweck.78 Diese Massenwohnbauten, die als billiger Bauvorrat angeboten wurden, wurden
zum Charakteristikum des Berliner Mietshauses, das aus Hofgebäuden mit Seitenflügeln und Querhäusern bestand. Die durchschnittliche Parzellentiefe der mit Hofgebäuden bebauten Grundstücke betrug
40-50 m, es gab aber auch Beispiele mit einer Tiefe von 70-80 m, auf
denen mehrere Hinterhöfe entstanden, wie der Meyers-Hof im Wedding mit sechs Hinterhöfen. Beim Bau der Mietskasernen wurde kein
Rücksicht auf die ehemalige Gebietsstruktur genommen. Ähnlich wie
das Konzept in Istanbul gab es auch in Berlin für die ärmeren Gebiete
nur Schranken im Hinblick auf Feuersicherheit zur Ausnutzung der
zu bebauenden Grundstücke. Trotzdem wurden diese ohnehin nicht
27
Pera-Blätter 17
ausreichenden Hinterhöfe ab der Gründerzeit durch Anbauten noch
mehr eingeengt.
In der Luisenstadt herrschte in den siebziger Jahren die geschlossene Blockrandbebauung mit vier- bis fünfgeschoßigen Häusern. Die
Vorderhäuser wurden mit modischen Ornamenten versehen, dahinter
herrschte Armut. Oft wurden im Erdgeschoß Schaufenster konstruiert, nicht nur um des Gewinns willen, sondern auch um den Häusern
"den ausschließlichen Charakter einer Arbeitskaserne zu nehmen"79.
Die Bauherren waren Einzelunternehmer, oft Baumeister oder Kaufleute, die für die in die Stadt stömenden Massen bauten, welche hofften, sich hier ein Existenzminimum zu schaffen. Man kann diese Entwicklung sehr gut mit der heutigen Bebauung der Randgebiete von
Istanbul, wie Esenler und Bagcilar vergleichen, in denen ebenfalls
Baumeister oder Supermarktbesitzer für einen anonymen Bedarf spekulative Wohnungen anbieten. Lennes Plan für das Köpenickerfeld
wurde beibehalten, allerdings wurden Art und Maße der Bebauung
der Privatinitiative überlassen, so daß die Parzellenstruktur in der
Luisenstadt unregelmäßig ist. Auf diesen Parzellen entstanden Bauten, deren Seitenflügel oft nur von der Hofseite beleuchtet wurden
und auf die Brandwände der Nachbargebäude schauten. Zu dem gewöhnlichen Haus von 12,5-15 m Breite kam jetzt ein 18-22 m breites
Doppelhaus mit 7 bis 9 Fenstern an der Front. Am häufigsten waren
Küchen/Stuben-Wohnungen mit oder ohne Flur. So bestanden zum
Beispiel im Jahre 1893 auf der Sorauer Straße 81.5% aller
' Wohnungen aus diesen zwei Räumen, die durchschnittliche Belegung
aller Wohnungen mit 4.3 Personen weist auf katastrophale Enge.80
Um ihr Einkommen ein wenig aufzubessern, nahmen viele Familien
zusätzlich Schlafgänger. Es herrschten sehr schlechte Sanitärzustände, oftmals gab es nur eine Toilette für 10-20 Wohnungen, wie
ein Zeitgenosse berichtet:
"Die Wohnverhältnisse waren furchtbar. Die Hinterhäuser, wie Sie sie in
der Oranienstraße 186, 189 und weitere erleben, so war es ständig überall. Ich erinnere mich, daß in der Matthieustraße noch Kellerwohnungen
28
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
waren. Die Leute, die da wohnten, hatten auf dem Hof drei Toiletten. Wir
hatten nachher in der Hochparterre-Wohnung, vom Laden aus hoch, da
war so eine Ecke, das war das nachträglich eingebaute Klo. Da waren
keine Bäder."*'
Herr S., Vertreter, Jahrg. 1913
Die Bebauung im Viertel war so dicht, daß das Denkmal im Jahre
1878 um 8 m gehoben, um 21 Grad gedreht und auf einen Unterbau
gesetzt werden mußte.82
Das Kreuz auf der Spitze des Monuments, wie auch der Berg, verliehen 1920 dem neuen Bezirk Kreuzberg offiziell seinen Namen.
Die Mietskaserne und das Problem der dichten Bebauung in Berlin wurden schon im späten 19. Jahrhunderts kritisiert, aber die Fachwelt interessierte sich erst später dafür. Die Kritik an der Mietskaserne, die sich um 1910 institutionalisiert und bis zum Ersten Weltkrieg
zu einem Programmpunkt der Sozialdemokraten wird,83 wurde als
Konzept vom stadtplanerischen Standpunkt her gestellt: Das Problem
wurde hauptsächlich als das Scheitern des von James Hobrecht bearbeiteten Bebauungsplans für Berlin und Charlottenburg von 1862
dargestellt und auf die ungeeigneten und die Spekulation fördernden
Bauparzellen zurückgeführt.84
Währenddessen kritiserten in Istanbul manche Intellektuelle die
städtebaulichen Reformen und die Neuparzellierungen durch Enteignungen für die Eröffnung neuer Arterien als ein durch die Europäisierung eingeführtes Übel.85
Die politischen Entwicklungen der Jahrhundertwende, besonders
die sozialen Veränderungen in der Stadtstruktur nach dem Ersten
Weltkrieg, haben sowohl für Kreuzberg als auch für Zeyrek Folgen,
die im Falle Zeyreks auf das 19. Jahrhundert zurückgehen. Der Umzug des Palastes von der Altstadt in die Nähe des florierenden Handelszentrums Pera hatte nach und nach auch den Umzug der in der
Altstadt lebenden Gelehrten und Beamten bewirkt, so daß auf der Erweiterung der Pera-Achse um Taksim, Harbiye und Macka nach Norden hin neue Luxusviertel entstanden. Die Verlagerung des Verwaltungszentrums auf die andere Seite des Goldenen Horns und die
29
Pera-Blätter 17
Entstehung neuer Kaufhäuser in Pera mit einem Angebot an importierten Luxuswaren, führte zu Prestigeverlust der Wohnquartiere der
Altstadt. Zwar wurde das Mittelstandsviertel Zeyrek von dieser Entwicklung nicht in dem Maße betroffen, wie die benachbarten Viertel
Süleymaniye und Fatih, in denen die großen, herrschaftlichen Häuser
die Mehrheit bildeten. Hinzu kam aber die Industrialisierung der
Uferzone des Goldenen Horns, wo eine der ersten Fabrikanlagen, die
Zigarettenfabrik in Cibali, gleich in der Nähe von Zeyrek errichtet
wurde.
Die Industrialisierung des Osmanischen Reiches war am Anfang
des 20. Jahrhunderts noch in der Entstehungsphase; die Mehrheit der
Industrieprodukte wurde infolge der im 19. Jahrhundert abgeschlossenen Handelskonzessionen zollfrei aus dem europäischen Ausland
importiert, was zum Zusammenbruch der einheimischen, handwerklichen Güterproduktion führte. So sank z.B. die Anzahl der 2750 Gewebewerkstätten in Istanbul und Üsküdar am Anfang des 19. Jahrhunderts, 40 Jahre nach der Erteilung der ersten Handelskonzession
im Jahre 1838 auf 25. 86 Andererseits wurden die ersten Versuche zur
Gründung einheimischer Serienproduktion größeren Formats unternommen, die sich, mit der Ausnahme der Gerberviertel, in Istanbul
hauptsächlich auf beiden Seiten des Goldenen Horns konzentrierte.
Dies geschah zusammen mit einem Bevölkerungszuwachs, der ähnlich dem Bevölkerungszuwachs in Kreuzberg nicht durch die
Attraktivität der freien Arbeitsplätze erfolgte; die ersten Ansätze der
Industrie waren gar nicht imstande, diesen Massen genug Arbeitsplätze zu bieten. Die Zunahme der Stadtbevölkerung von rund 400 000
im Jahr 1844 auf annähernd 1 Millionen im Ersten Weltkrieg87 ist auf
die muslimischen Flüchtlinge aus den verlorenen Gebieten des Osmanischen Reiches aus dem Balkan, Südrußland und dem Kaukasus
zurückzuführen. Zwischen 1878 und 1886 nahm die Zahl der Muslime in Istanbul um 90% zu.88 Auch die nicht-muslimische Bevölkerung wuchs um diese Zeit bedeutend.89 Während die meisten NichtMuslime im kaufmännischen Bereich als Vertreter europäischer Fir-
30
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
men agierten und sich in den neuen Wohnvierteln im Norden der
Stadt niederließen, fanden die muslimischen Migranten in den verwahrlosten, unter Prestigeverlust leidenden, muslimischen Quartieren der Altstadt, zu denen auch Zeyrek gehörte, Unterkunft.
Da der Bazar im Mittelpunkt der Altstadt seit jeher die traditionellen Handwerks-und Kleinbetriebe beherbergt hatte, wohnten die Arbeitnehmer immer möglichst in seiner Nähe, vor allem wegen der begrenzten Transportmöglichkeiten. Die jungen, männlichen Arbeiter,
die aus einer anderen Stadt hierher kamen, um einen Beruf zu erlernen, wurden in sogenannten bekar odalan "Junggesellenzimmern"
der Stiftungen untergebracht, ab 1826 durften nur bestimmte, für diesen Zweck gebaute Herbergen zur Unterbringung der Arbeiter benutzt werden. Diese Herbergen, zu denen abends kein Eintritt mehr
gewährt wurde, waren einer Kaserne viel ähnlicher, als die Berliner
Mietskasernen. Sie lagen hauptsächlich in Hafengebieten wie Sirkeci
und Unkapam oder in der Nähe des Bazars wie die Herberge Vefa
Hani in Vefa. Am Anfang des 20. Jahrhunderts waren die Kleinbetriebe, in denen besonders Metall-und Textilwaren hergestellt wurden,
noch immer um den Bazar versammelt, allerdings standen die
größeren Häuser der Elite in den benachbarten Wohngebieten wie
Süleymaniye und Fatih jetzt zum Teil leer und wurden Zimmer für
Zimmer an die Flüchtlinge aus den verschiedenen Territorien des zusammenschrumpfenden Reichs vermietet. Zeyrek dagegen bot etwas
anderes an: Zum einen mehrere einfachere Einfamilienhäuser, die
nicht Zimmer für Zimmer, sondern als Ganzes vermietet werden
konnten und zum anderen die Nähe zu neu entstehender Industrie und
Gewerbe am Goldenen Hörn. Zusätzlich zu der oben erwähnten Zigarettenfabrik boten im benachbarten Cibali die im Jahre 1858 errichtete Mühle des Korpi Demosten90 und die Werkstätten des anderen
Nachbargebiets Vefa Arbeitsplätze. Vefa war zu dieser Zeit durch die
Atatürk-Boulevarde noch nicht abgeschnitten, es war als angrenzendes Arbeitsgebiet vom Wohngebiet Zeyrek direkt erreichbar. Hinzu
kam die Nähe der Werftanlage Tersane-i Amire am gegenüberliegen-
31
Pera-Blätter 17
den Ufer des Goldenen Horns, erreichbar durch eine kurze Bootsfahrt, die die einzige Massenverkehrsmöglichkeit für die Verbindung
der Wohngebiete der Altstadt zu den Werkstätten am Goldenen Hörn
bildete.91
Aber wie Kxeuzberg wurde Zeyrek nicht zum reinen Arbeiterquartier. Kleinere Beamten, die nicht in neue Luxusgebiete umziehen
konnten oder wollten und Gelehrte, die entweder Süleymaniye und
Fatih verlassen mußten oder aus den verlorenen Territorien des Reiches nach Istanbul flüchteten, ließen sich in Zeyrek nieder. Dafür ist
die Geschichte der Familie Özögüt ein gutes Beispiel. Die erste Generation der Familie kam aus Van nach Zeyrek, wo das Familienoberhaupt als Mufti tätig war und infolge der Unruhen in der Stadt sein
Amt aufgeben mußte. Die Familie ließ sich in einem der größeren
Häuser nieder, im Jahre 1939 zog sie in ein kleineres Haus um. Das
Familienoberhaupt der dritten Generation agierte lange als Ortsvorsteher und wohnte in den 80er Jahren immer noch in Zeyrek.92 Einen
weiteren Bestandteil der neuen Sozialstruktur in Zeyrek bildeten die
Kriegswitwen, die sich in Kreuzberg nach dem ersten Weltkrieg konzentrieren würden. Die Existenz der Witwen in Zeyrek wird nach wie
vor durch die Brände deutlich, allerdings mit einem Unterschied im
Vergleich zur Vergangenheit. Anstelle von Geschichtsschreibern oder
Augenzeugen berichten jetzt die Zeitungen über die Folgen der Brände. Die in der Altstadt aufgetauchte, soziale Armut wird zwischen den
Zeilen angedeutet, wie etwa in der englischsprachigen Zeitung The
Levant Herald, die am 21. Juli 1906 darüber berichtet, daß ein einer
türkischen Frau gehörendes einfaches Holzhaus in Zeyrek oder Vefa
abgebrannt sei.93 Ein in Zeyrek aufgenommens Photo aus dem Jahr
191994 bestätigt die in der Zeitung angedeuteten Verhältnisse: verkommene Holzhäuser, Mauerruinen und ein vollbeladenes Maultier;
die Szene hat nichts gemeinsam mit den Neubaugebieten auf der anderen Seite des Goldenen Horns, die Stadt ist wieder geteilt.
Im Gegensatz zu Kreuzberg wurde Zeyrek nicht zum Ziel spekulativen Wohnungsbaus. Da die anfänglichen Kristallisationssegmente
32
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
der Industrie und mit Maschinen betriebenen Werkstätten in Istanbul
im Gegensatz zu Berlin nicht am Stadtrand, sondern an der Uferzone
dichtbebauter Wohngebiete mit leerem Wohnbaubestand entstanden
sind, bildeten sie in diesem Fall eine Frühform der innerstädtischen
Peripherie: Was Sassen heute für die Grenzgebiete der Dienstleistungszentren beschreibt, in denen die billigen Arbeitskräfte dieser
Zentren wohnen, galt damals für die Grenzgebiete zur innerstädtischen Industrie; sie wurden von den oberen Einkommensklassen gemieden. Diese Entwicklung und die in den 30er Jahren noch bestehende Wohnquartier/Arbeitsquartierbeziehung zwischen Zeyrek und
den benachbarten Arbeitsquartieren Vefa und Cibali wird auf den von
dem Topographen Jacques Pervititch für die nationale Versicherungsgesellschaft in den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts aufgenommenen
Katasterplänen deutlich. Während die im Jahre 1933 bearbeitete Tafel
19 mit Zeyrek-Circir ausschließlich Wohnhäuser und leere Brandstellen aufweist,95 gibt es auf der 1934 aufgenommenen Tafel 42 mit
Vefa mehrere Fabriken und Werkstätten wie die Fabrik Karamürsel
Mensucat an der Müskülü-Straße, die Sauerstofffabrik an der Kovacilar-Straße und die Essighersteller an der Kreuzung Kovacilar- und
Katip Celebi-Straße.96 Wenn man bedenkt, daß in der Armenküche
des Scheich Vefa-Komplexes, den Hammer vor einem Jahrhundert
als "einen Platz, der seiner einsamen Lage willen, und durch die auf
demselben gepflanzten Bäume etwas romantisches und elegisches an
sich hat" 97 beschreibt, jetzt Seife hergestellt wird, wird das Ausmaß
der städtischen Umwandlung in diesem Teil der Stadt deutlich.98
Vor dem ersten Weltkrieg verbesserten sich die Lebensbedingungen in Kreuzberg bis zu einem bestimmten Grad. Die Bevölkerung
der Luisenstadt nahm von 1896 bis 1910 bei gleichbleibender Wohnungszahl um etwa 5000 ab, 99 so daß auch die Wohndichte abnahm.
Mit der Industrialisierung Berlins entstanden am Rande Kreuzbergs
größere Fabrikanlagen wie die Heckman'sche und die Dannenberger'sche Fabrik; Kreuzberg verwandelte sich mehr und mehr zum Arbeiterwohngebiet. Nach der Beendung der Erweiterungsarbeiten zum
33
Pera-Blätter 17
Schlesischen Tor im Jahre 1901, wurden die Quartiere Kreuzbergs
mit der Hochbahn ausgestattet. Dadurch bekam Kreuzberg eine direkte Verkehrsverbindung zu den Zentralgebieten der Stadt. Allerdings wurde bei der Gestaltung der Ost-Weststrecke im "vornehmen"
Westen ein größerer baulicher Aufwand getrieben als in den Arbeitervierteln der Luisenstadt.100 Zugleich widmeten sich die Behörden infolge der sich liberalisierenden politischen Szene jetzt in verstärktem
Maße den Sozialproblemen, so daß an die Wohnungen qualitätserhöhende Forderungen gestellt wurden. Das neue, soziale Konzept
machte sich durch die hohe Anzahl der Mieterbeschwerden und Behördenreaktionen gegen die Vermieter in den Bauakten der damaligen Zeit bemerkbar.101 Zwar waren manche Vorderhäuser noch immer von Beamten und Offizieren bewohnt, aber die Mehrheit des
Bürgertums flüchtete in die neuen Wohnungen, die der berühmte
Grundstücksspekulant Georg Haberland ihnen im grünen Wilmersdorf anbot. Die in Kreuzberg gebliebenen, bürgerlichen Familien
konzentrierten sich hauptsächlich in einem, ebenfalls von Haberland
gebauten Baublock an der Görlitzer Straße. Ansonsten war die Szene
neben Arbeiterwohnungen von Kneipen, kleinen Geschäften und
Handwerksbetrieben beherrscht und Kreuzberg, die ehemalige Luisenstadt, entwickelte sich zum Kiez mit diesem neuen Gebietsbewußtsein, was durch den I. Weltkrieg beschleunigt wurde. Nach dem
Krieg verschwanden die Offiziere und mit ihnen das Bürgertum.
Berlin wurde im Jahre 1920 in seine Verwaltungsbezirke eingeteilt
und 1927 wurde das Heimatbuch "die Luisenstadt" veröffentlicht.102
Knödler-Bunte erklärt dieses Phänomen dadurch, daß der städtische
Blick sich um die Jahrhundertwende zu regionalisieren beginnt:
"Es entsteht ein neuer Typus von Berlin-Geschichte, die auf Lokalerfahrung aus ist. Ihr geht es nicht mehr darum, sich ein Gesamtbild von Berlin zu erschließen, sondern um die Gewinnung eines Nahbereiches von
Stadt, die identizifierbare Besonderheiten und Eigenschaften auszumachen bestrebt ist."10^
Diese Besonderheit wurde in Kreuzberg nicht nur durch das Gewer-
34
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
be, sondern auch durch die Offfiziere repräsentiert, auch lange, nachdem sie weggezogen waren. Sogar in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts waren viele Kreuzberg-Ansässige noch davon überzeugt,
daß Hindenburg in den Haberland-Häusern gewohnt habe. In Wirklichkeit wohnten in der Skalitzer-Straße höhere Offiziere des
Garderegiments, wenn auch nicht Hindenburg selbst.104 Das Gerücht
über Hindenburg aber repräsentiert eine Überregionalität, eine Zugehörigkeit zu der Reichsgeschichte über den Kiez und vervollständigt
somit das Ideal des Heimatbuchs. Die Folgen der Wirtschaftskrise
und die sich wieder verschlechternde Wohnsituation in Kreuzberg
nach dem I. Weltkrieg machten eine solche Identitätssuche in der Vergangenheit nötig. In den folgenden Jahren änderte sich wenig, die
Antwort des 3. Reiches auf das Wohnungsproblem war die Aufteilung der großen bürgerlichen Wohnungen in jenen Vierteln, aus denen die Großbürger ausgezogen waren. Die neue Regierung interessierte sich mit wenigen Ausnahmen mehr für Paradestraßen und repräsentative Bauten.105 Zugleich wurden viele Wohnungen "freigemacht" und neubelegt, wie es auch mit manchen Wohnungen in
Kreuzberg SO 36 der Fall war:
"Hier in diesem Haus selbst soll das gewesen sein, daß hier auch zum
Teil Juden drin gewohnt haben und die dann nachher in der Kristallnacht
und später..."106
Die Zerstörung der gesellschaftlichen Verhältnisse in Kreuzberg wurde durch den Bombenkrieg beschleunigt, der nicht nur die Bauten im
Kiez, sondern auch die Beziehung der Großindustrie zu den kleinen
Werkstätten zerstört hatte. Der Höhepunkt des Zerstörungsprozesses
war mit der Aufteilung Berlins im August 1961 erreicht; durch den
Mauerbau rückte Kreuzberg von einer zentralen Wohn-und Gewerbezu einer Randlage an der Mauer, seine Beziehung zum Verwaltungszentrum im Osten starb ab und vom Westen aus repräsentierte es etwas, was die anderen Bewohner Berlins eigentlich nicht sehen wollten und somit mieden. Was in Zeyrek zum Teil durch die Europäisierung und durch den Balkankrieg am Ende des 19. Jahrhunderts ge-
35
Pera-Blätter 17
schah, fand in Kreuzberg nach dem IL Weltkrieg statt: Es wurde zur
innerstädtischen Peripherie.
Auch Zeyrek bekam in den 40er Jahren eine unsichtbare Mauer.
Der Bau des Atatürk-Boulevards im Rahmen des von dem französischen Stadtplaner Prost bearbeiteten Generalplans von 1938 zerstörte
die traditionelle Beziehung des Viertels zu den Nachbargebieten wie
Vefa und Unkapani, und förderte eine abgeschnittene Wohnsituation
und die Erhaltung des historischen Baubestandes. Während in Süleymaniye, Vefa und Unkapani das Gewerbe expandierte, ist Zeyrek bis
heute ausschließlich Wohngebiet geblieben. Zwischen den Wohnungen entstanden kleine Läden und Ateliers, hauptsächlich für den Eigenbedarf des Quartiers, was seine Abgeschloßenheit unterstützte.
Die an dem neuen Boulevard infolge der Suche nach einer modernen
Fassade entstandenen Behördenbauten und das umringende Gewerbe
sowie die Nähe zu den Gemüsehallen machten Zeyrek anziehend für
die neuen Migranten, die sich ab den 50er Jahren neben den Randgebieten auch in den Gebieten der innerstädtischen Peripherie niederzulassen begannen. Zugleich entstand die Suche nach einer Gebietsidentität, was sich in einer emotionellen Wertsteigerung mit Hilfe der
Geschichte spiegelte. Ähnlich wie in Kreuzberg waren die Anhaltspunkte dieser geschichtlichen Identititässuche auch in Zeyrek die Nationalhelden, die hier gelebt haben. So gibt es für das Haus Nr. 8 an
der Ibadethane Arkasi Sokak noch heute das Gerücht, daß es Kazim
Karabekir Pasa gehört habe, einem berühmten General des türkischen
Unabhängigkeitkrieges. Eine frühere Version der historifizierenden
Wertsteigerung sind die am Ende des 19. Jahrhunderts aufgestellten
symbolischen Gräber der Gefallenen im Gebiet, die die Bewohner
des Quartiers daran erinnern sollen, daß die während der Eroberung
Konstatinopels durch das Cibali-Tor gedrungenen Soldaten bis hierher gelangt waren (s. S. 55, Abb. 3).
Die höchste Geschwindigkeit errreichte die Migration aus Anatolien nach Istanbul zwischen 1950 und 1955; während die Rate der
Bevölkerungszunahme 1950 um 18% lag, stieg sie bis 1955 auf
36
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
54%. 107 Nach einer Statistik aus dem Jahre 1959 bestand die Population Istanbuls zu dieser Zeit zu 48% aus Migranten, als Herkunftsstadt an erster Stelle wurde mit 31 000 Personen Kastamonu angegeben, an zweiter Stelle lag mit 24 183 Personen Rize. 108 Diese
Angaben stimmen mit denjenigen für Zeyrek überein; die Migranten,
die in dieser Zeit aus Anatolien nach Istanbul kamen und sich in
Zeyrek niederliessen, stammen aus den Provinzen des Schwarzmeers,
hauptsächlich aus Kastamonu.109 Zu ihnen gesellten sich in den 60er
Jahren zunehmend Migranten südostanatolischer und ostanatolischer
Herkunft, hauptsächlich aus den Provinzstädten Malatya und Siirt,
die später in Zeyrek die stärkste Migrantengruppe bildeten.110 Resad
Ekrem Kocu, der 1961 die Straßen Zeyrek Mehmet Pasa und Haydar
beschrieb, meinte, daß deren Einwohner überwiegend aus Siirt
stammten.1'1 Im Sommer vermehrte sich die Einwohnerzahl Zeyreks
durch die Saisonarbeiter, die aus den ostanatolischen Provinzen nach
Istanbul kamen, um als fahrende Obst-und Gemüsehändler zu arbeiten. Sie bevorzugten Zeyrek besonders wegen der Nähe zu den Gemüsehallen und wohnten bei Verwandten oder Bekannten ihrem Dorf,
was man mit der Schlafgängerstruktur in Kreuzberg im 19. Jahrhundert vergleichen kann. Der Unterschied in Zeyrek ist das Kriterium
der gleichen geographischen Herkunft. Die Konzentration von Bewohnern gleicher Herkunft deutet auf einen typischen Aspekt der Migration, nämlich die Suche der Nähe zu Verwandten und Bekannten,
was sich in Zeyrek nicht nur in der Gebietsdimension, sondern auch
durch die Ballung an bestimmten Orten zugleich in der Straßendimension bemerkbar macht.
Auch in Kreuzberg zeichnen sich Strukturveränderungen ab dem
Ende der 60er Jahre durch die Migration aus den anatolischen Provinzen aus. Als mit dem Bau der Mauer im Jahre 1961 die billigen Arbeiter aus dem Osten daran gehindert wurden, in der Bundesrepublik
und West-Berlin zu arbeiten, wurde zu den bereits existierenden Anwerbeabkommen mit Italien und Spanien am 31. Oktober 1961 auch
ein Abkommen mit der Türkei "zur Anwerbung türkischer Arbeits37
Pera-Blätter 17
kräfte für den deutschen Arbeitsmarkt" abgeschlossen.112 Zu dieser
Zeit war für Berlin ein Autobahnnetz geplant, dessen Tangenten sich
in Kreuzberg kreuzten, die alten Blöcke in Kreuzberg sollten abgerissen und durch große Wohnsilos ersetzt werden. So wurden die Häuser
von Grundstücksgesellschaften für den Abriß aufgekauft und alteingesessene Kreuzberger aus ihren Wohnungen verdrängt. Aber hier
ging es nicht nur um die Erreichung besserer Wohnbedingungen, sondern auch um eine Sanierung der "fragwürdigen Gesellschaftsstruktur" wie der West-Berliner Vertreter Friedrich Fürlinger auf der
Hauptversammlung des Deutschen Städtetages von 1960 forderte.113
Aber die Stadttheoretiker der 60er Jahre haben wohl nicht mit einem
Zustrom ausländischer Arbeitsimmigranten nach Berlin gerechnet.
Die Zuwanderung von Ausländern begann in Berlin später als im
restlichen Bundesgebiet, so daß sich die Anzahl der türkischen Gastarbeiter in Berlin erst am Ende der sechziger Jahre stark vermehrte
und trotz des Anwerbestops im Jahre 1973 auch in den 70er Jahren,
hauptsächlich durch die Familienzusammenführung, weiterstieg. Im
Jahre 1977 hatte Kreuzberg 142 000 Einwohner, davon waren 23.2%
Ausländer und unter diesen bildeten die Türken mit 65,9% die Mehrheit.114 Neben den klassischen Arbeitergebieten wie Wedding und
Neukölln, ließen sich die türkischen Immigranten konzentriert in
Kreuzberg nieder, weil Kreuzberg in den 70er Jahren weiter als Sanierungsgebiet galt und die Wohnungen deutschen Wohnungssuchenden nicht angeboten werden konnten. So wurden sie von den auf einen Zwischengewinn vor dem Abriß hoffenden Sanierungsträgern an
Gastarbeiter vermietet. Obwohl ich über die türkischen Herkunftsregionen dieser ersten Immigrantengeneration in Kreuzberg keine
statistischen Daten finden konnte, geben die Einzelfälle, die für eine
noch nicht veröffentlichte Studie interviewt wurden, den Eindruck,
daß sie mit den Herkunftsorten in Zeyrek, aber auch mit den
Migrationsstatistiken über die Binnenmigration für die ganze Türkei
übereinstimmen. So wurde die in Zeyrek in den 70er Jahren an zweiter Stelle liegende Herkunftsstadt Kastamonu von sechs der von mir
38
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
in Kreuzberg interviewten fünfzehn Familien als Herkunftsort genannt. Kastamonu ist zugleich mit 22.1% externer Migrationsrate im
Jahre 1965 eine der führenden Städte in der Türkei.115 Ähnlich verhält es sich mit der Stadt Malatya. Andererseits muß untersucht werden, ob einzelne Dörfer oder Ortschaften aus diesen Städten oder
auch aus anderen Städten der Türkei stärker vertreten sind als andere.
So verhielt es sich zum Beispiel in Zeyrek mit Kastamonu; am Ende
der 70er Jahre entstammten mindestens 40% der aus Kastamonu
kommenden Migranten in Zeyrek aus dem Küstenbezirk Inebolu.116
Durch die Konzentration der durch Familienanschluß gewachsenen Haushalte in den stark heruntergekommenen und bereits zum Abriß bestimmten Mietskasernen, die ohnehin nie von guter Bauqualität
waren, entstanden in Kreuzberg in den 70er Jahren wieder Zustände
ähnlich denen am Ende des 19. Jahrhunderts, wie Überbelegung und
das Fehlen von Sanitäreinrichtungen. Die Hälfte der türkischen Haushalte hatte keine Innentoilette, zwei Drittel hatten kein Bad.l J 7 Andererseits gingen in dem offiziell zur Sanierung vorgesehenen Gebiet
Spekulationsprojekte fort, wie die Wohnanlage "Graue Laus" und das
1974 fertiggestellte Neue Kreuzberger Zentrum, das kurz nach seiner
Eröffnung Konkurs anmelden mußte. Die Kreuzberger Mischung von
Wohnen und Gewerbe wurde von Behörden nach wie vor als "störend" empfunden, sie wollten das Kahlsanierungskonzept der 60er
Jahre fortsetzen und die für die Luisenstadt typische Blockbebbauung
durch zehn-bis zwölfgeschoßige "Wohnbänder" ersetzen.118 In vielen Blöcken wurden die Seitenflügel und Hinterhäuser abgerissen
und nur die Fassade renoviert, so daß die traditionelle Struktur des
Gebiets zerstört wurde, aber auch nicht durch eine alternative Nutzung ersetzt werden konnte. Andererseits fehlte es an städtischen Einrichtungen wie Grünanlagen und Sportplätzen; dem Bezirk Kreuzberg fehlten gemessen am Berliner Durchschnitt mehr als 1 600 Kindertagesstättenplätze. ' 1 9
Spekulationsprojekte im kleinerem Umfang, also nicht durch
große, staatliche Bauaufträge oder Firmeninvestitionen wie in Kreuz39
Pera-Blätter 17
berg, sondern durch Versuche einzelner Grundstückbesitzer, die ihre
Grundstücke oder historische Häuser aufwerten wollten, führten in
Zeyrek besonders zwischen 1965-75 zum Verlust historischer Bausubstanz. Cramer meint dazu, daß diese Entwicklung zwischen 197375 einen deutlichen Höhepunkt erreichte, und zwar nicht nur für Zeyrek, sondern für das ganze Altsstadtgebiet, als Folge des in dieser Zeit
besonders regen Kapitaleinsatzes von in Europa tätigen Gastarbeitern.120 Ein typisches Merkmal der 70er Jahre war tatsächlich, daß
die in Europa arbeitenden Gastarbeiter sich dort in heruntergekommenen Großstadtvierteln wie Kreuzberg aufhielten, um in der Türkei
in heruntergekommenen Großstadtvierteln wie Zeyrek investieren zu
können. So entstanden in Zeyrek anstelle der traditionellen Holzhäuser 4-6 geschossige Betonbauten, oft durch die Zusammenlegung
mehrerer Grundstücke, was zum Verlust von Grünflächen führte.
Trotzdem waren sowohl die städtische Qualität als auch die Qualität
der Häuser hier im Vergleich zu Kreuzberg erheblich besser, besonders im Bezug auf die Sanitäreinrichtungen. Im Jahre 1977 wurden
für Zeyrek spezielle Verordnungen erlassen.121 1979 wurde ein Teil
des Quartiers zum Denkmalschutzgebiet erklärt und im Jahre 1980
wurde von der Denkmalschutzkommission eine Veränderungssperre
verfügt. Trotzdem gingen Abriß und Errichtung mehrgeschoßiger
Neubauten weiter.122
Ein andere Entwicklung in den 70er Jahren in Zeyrek ist die Zunahme der saisonellen Untermieter und das Vermieten einzelner Zimmer in heruntergekommenen Holzhäusern, was auf eine Veränderung
der sozio-räumlichen Verhältnisse deutet. Wie Offen damals festgestellt hat, fanden sich zu dieser Zeit in 24.6% der 751 Haushalte im
Zeyrek-Sinanaga-Quartier Mitbewohner, die nicht zur Familie gehörten. 123 Ein Vergleich mit Kreuzberg im 19. Jahrhundert zeigt, daß
z.B. im Jahre 1893 in 30% der 805 Wohnungen an der Sorauer Straße
Schlafgänger vorhanden waren,124 was auf sehr ähnliche, soziale
Verhältnisse hindeutet.
Mit dem Regierungswechsel im Jahre 1983 und dem Beginn der
40
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
Deregulierung der staatlichen Betriebe wurde auch Istanbul eine neue
Rolle zugeteilt. In der Folge der neo-liberalen Wirtschaftspolitik wurde die Stadt zum Finanzzentrum der neuen, globalisierten Wirtschaft.
Zur gleichen Zeit wurden größere Sanierungsprojekte in Pera, im traditionellen Gewerbeviertel Kazhcesme und am Goldenen Hörn
durchgeführt, um den wertvollen Grundstücken der Innenstadt und
ihrer Peripherie gemäß der neuen Funktion der Stadt neue Nutzungen
zu geben. In der Bauwelt vom 21. Oktober 1988 wurde diese Entwicklung mit den folgenden Zeilen dargestellt:
"Verkehrs-und Baupläne, Baumaschinen und Werkzeug sind made in
Germany. Der Westen beschafft das- Kapital, er besitzt die Macht, um
Wolkenkratzer in Beyoglu hochzuziehen, die längst alle historischen
Kuppeln auf den Hügeln von Istanbul überragen. Istanbul soll anstelle
des zerstörten Beirut treten."'25
Die Flächensanierungen führten in Zeyrek zu großer Arbeitslosigkeit,
weil die meisten Bewohner des Quartiers ihre Arbeitsstellen am Goldenen Hörn verloren. Hinzu kam die Verlagerung der Gemüsehallen,
wovon die in Zeyrek wohnenden Straßenhändler am stärksten betroffen wurden. Eine andere betroffene Gruppe bildeten die Saisonarbeiter, die im Sommer wegen der Nähe zu den Hallen als Untermieter
bei ihren Verwandten wohnten, so daß viele Hausbesitzer in Zeyrek
ihrer Untermieter entbehrten und damit auch eine Einkommensquelle.
In diesen Jahren litt auch Kreuzberg unter dem Verlust von Industriebetrieben, Handwerkswerkstätten und Dienstleistungsbetrieben.
Im Jahre 1970 ist eine Abnahme der Handelsbetriebe um 50% gegenüber 1960 festzustellen, die Zahl der Betriebe halbierte sich zwischen
1970 und 1980 und der Arbeitsplatzverlust bzw. der Beschäftigungsrückgang von 1980 bis 1976 betrug mehr als 50 Prozent.' 26 Von 513
Einzelhandelbetrieben im Jahre 1970 in Kreuzberg SO 36 waren
1983 nur noch 314 vorhanden, was 57% ausmacht.127 Der Verlust an
Industriebetrieben und Werkstätten zeigt Ähnlichkeit zu Zeyrek. Obwohl in Zeyrek diese nicht im Wohnviertel selbst lagen, ist die Nähe
41
Pera-Blätter 17
zum Arbeitsplatz ausschlaggebend, deren Verlust sowohl für Zeyrek
als auch für Kreuzberg drastische Folgen hatte und zum größten Teil
von politischen Entscheidungen und Entwicklungen außerhalb des
Gebiets bestimmt wurde. Im Fall Kreuzbergs war es die Sondersituation Berlins und die Mauer, im Fall Zeyreks war es die neue Rolle
Istanbuls innerhalb der Region.
Andererseits wurden ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre für beide Stadtviertel Entwürfe entwickelt und wissenschaftliche Arbeiten
durchgeführt, um sie vor dem Verfall zu retten. Für Kreuzberg kam
die Wende mit zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Ereignissen: Im
Jahre 1971 trat das Städtebauförderungsgesetz in Kraft, welches vorschrieb, die Betroffenen in die Entscheidungsmechanismen für städtebauliche Maßnahmen einzubeziehen, und im Jahre 1972 wurde das
Viermächteabkommen geschlossen, was den Senat von Berlin von
Wiederaufbauprojekten für die potentielle Hauptstadt Deutschlands
abhielt und seine Planungsziele modifizieren ließ, so daß die Erhaltung von Altbausubstanz durch Renovierungen in den Vordergrund
trat. Zur gleichen Zeit begannen manche Gruppen studentischer Neukreuzberger die Betroffenen auf ihre gesetzlichen Rechte aufmerksam zu machen, so daß ab 1975 die ersten Widerstandsaktionen Betroffener gegen die Abrisse entstanden; eine Begleiterscheinung hiervon war die Hausbesetzerbewegung. Im Mai 1977 wurde durch die
Initiative des Pfarrers K. Dunze an der Martha-Gemeinde in Kreuzberg von der Senatsbauverwaltung ein Wettbewerb zur Erarbeitung
eines Pilotprojektes in Kreuzberg ausgeschrieben, dessen Ergebnisse
die Betroffenenvertreter vor der Preisentscheidung sahen und ihre
Meinung dazu äußerten.128 Mit der Gründung der zunächst für das
Jahr 1984 geplanten Internationalen Bauausstellung IBA wurden die
IBA-Grundsätze für Bürgerbeteiligung erarbeitet und ein Pilotprojekt
für die im Osten von Berlin-Kreuzberg um den ehemaligen Görlitzer
Bahnhof liegenden Arbeiterquartiere unter dem Namen "Strategien
für Kreuzberg" ausgeschrieben, das "die Verbesserung der Wohn-und
Lebenssituation der innenstädtischen Bezirke unter Verstärker Be-
42
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtisehen Verfall
rücksichtigung der vorhandenen sozialen und gewachsenen stadthistorischen Strukturen" vorsah.129 Trotz dieser Grundsätze sah die
Wirklichkeit anders aus: Die Träger der Kahlsanierungen, die die
meisten Häuser bereits in ihren Händen hatten, zwangen ihre Mieter,
die das neue Projekt vom Übergangsmieter zum etablierten Kiezbewohner befördern wollte, zum Auszug. Dazu gehörten verschiedene
Methoden wie Unterlassung der Instandsetzungsarbeiten und gezielte
Freigabe der Wohnungen an Wohnsitzlose; oft wurden Brände ausgelöst und das Gebiet wurde für Straßenkampfübungen der Berliner
US-Truppen freigegeben.130 In den 80er Jahren setzten sich die für
IBA arbeitenden "behutsamen" Planer durch, so daß langsam gute
Voraussetzungen für Bürgerbeteiligung bei der Instandsetzung der
Wohnungen entstanden. Die Beteiligung der türkischen Immigranten
blieb gering, was nicht nur auf sprachlichen Problemen, sondern auch
auf der kulturelle Differenz beruhte: die schriftlichen Fragebögen
wurden mit Skepsis betrachtet, auch nach der Entwicklung des Mieterversammlungverfahrens dauerte es eine Weile, bis man die richtigen Betroffenen traf:
"Die zweite Hausversammlung für Frauen fand erst statt, als die Wohnungen fertig zu sein schienen. Auf die Frage, warum auf den anderen
Hausversammlungen nichts von den Schwierigkeiten gesagt wurde, war
eine Antwort: Mein Mann ist immer dort gewesen, aber er sagt zu allem
ja. Er kennt die Schwierigkeiten der Hausarbeit gar nicht."131
Nach und nach gelang es der für die Stadterneuerung zuständigen Abteilung der IBA unter der Leitung von Prof. Dr. Hardt-Waltherr
Hämer einen beträchtlichen Teil ihrer Prinzipien in die Praxis umzusetzen. Neben der Renovierung der Häuser wurde auch für die Vermehrung der Grünflächen und Sportplätze im Gebiet gesorgt, von
denen viele im Rahmen von Selbsthilfeprojekten und vom Senat geförderten Bürgerinitiativen durchgeführt wurden. Durch Hofbegrünnung wurden bis zum Jahr 1987 etwa 100 Grundstücke zu Rekreationsflächen umgewandelt, zugleich wurde die aus der Jahrhundertwende bekannte Dachbegrünung wieder aktiviert.132 Es wurden 1650
43
Pera-Blätter 17
neue Plätze für Kindertagesstätten geschaffen, unter besonderer Berücksichtigung der wohnungsnahen Kinderkrippen, wobei die Nutzung der leerstehenenden Gewerbegebäude in den Hinterhöfen eine
wichtige Rolle gespielt hat.133 Auch die Hausbesetzergruppen wurden legalisiert und dadurch in das Projekt integriert, in dem sie sich
als Vereine organisierten, so daß diese Vereine zu Eigentümern ihrer
Häuser wurden und von öffentlichen Fördermitteln profitieren konnten. Ein solches Beispiel bildet der Fall des Vereins "Kain Leerstant
e.V.", ausgegangen von einer Besetzergruppe, die 3 Gebäude auf dem
Grundstück Görlitzer Straße 39 am 16 Mai 1981 besetzt hatte. Gleich
nach der Besetzung gründete sie den Verein und arbeiteten zwei Jahre
lang an der Instandsetzung des ganzen Komplexes. 1983 wurde sie
legalisiert und konnte somit die weiteren Arbeiten durch Mittel des
Landes Berlin für Selbsthilfegruppen finanzieren.134 Die Legalisierung der Besetzergruppen ist sicher einer der interessantesten Aspekte der behutsamen Sanierung in Kreuzberg.
Natürlich darf man sich nicht vorstellen, daß diese ganze Entwicklung reibungslos verlief und alle Zielsetzungen verwirklicht wurden.
Trotzdem ist die Kreuzberger Stadterneuerungsgeschichte eine der
erfolgreichsten Fälle der städtischen Betroffenenbeteiligung, die im
begrenzten Rahmen dieses Aufsatzes nur kurz zusammengefaßt werden konnte.
Zur Zeit dieser Entwicklungen in Kreuzberg betätigte sich eine
deutsche Gruppe in Zeyrek. Wolfgang Müller-Wiener, der damalige
Leiter des Deutschen Archäologischen Instituts in Istanbul und der
Architekt Turgut Cansever, der in den 70er Jahren im Stab des Istanbuler Oberbürgermeisters tätig war, entwickelten gemeinsam mit der
Technischen Hochschule Darmstadt und der Universität Karlsruhe
ein Gemeinschaftsprojekt zur Sanierungsplanung gegen den Verfall
des historischen Baubestands in Zeyrek. Zwischen 1977 und 1981
wurden in Zeyrek unter der Leitung von Müller-Wiener und Johannes
Cramer zusammen mit türkischen und deutschen Studenten mehrere
Arbeitskampagnen durchgeführt, in denen zur Erhaltung des tradi44
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
tionellen Wohngebiets nicht nur Bauforschungsarbeiten sondern auch
soziale Studien verwirklicht wurden. Ein paar Jahre danach besuchte
Hardt-Waltherr Hämer, der Leiter des behutsamen Projekts in Kreuzberg, Istanbul und gab mir und meiner Kollegin Gülsün Tanyeli den
Auftrag, ein Gutachten mit einem Konzept für den Erhalt Zeyreks
unter den Kriterien der Betroffenenbeteiligung vorzubereiten. Das
Gutachten erschien im Jahre 1987. Da aber auf türkischer Seite kein
politischer Träger gefunden werden konnte und die städtischen Behörden sich nicht interessierten, blieb auch die zu erwartende Finanzierung des Projekts durch den Berliner Senat aus. Währenddessen
herrschten in Zeyrek ähnliche Zustände wie in Kreuzberg in den 70er
Jahren: Zwar gab es keine exerzierenden Truppen, aber oft brannten
Häuser ab und es gab, wenn auch selten, Hausbesetzungen, allerdings
nicht von studentischen Gruppen wie in Berlin, sondern vorübergehend von Kleinfamilien und nur in sehr stark zerstörten Häusern, bei
denen die Besitzerverhältnisse unklar waren.
Die Umwandlung kam in Zeyrek in den 90er Jahren. Zwischen
1992-95 erarbeitete Aykut Karaman von der Mimar-Sinan-Universität für die einzelnen Quartiere des Bezirks Fatih Denkmalschutzpläne im Maßstab 1:1000 und verwirklichte die Bauaufnahmen aller
historischen Fassaden in Zeyrek. Die nächste Phase begann mit dem
neuen Bezirksbürgermeister Saadettin Tantan, der wissenschaftliche
Institutionen im Inland und Ausland einlud, um die historischen
Quartiere in seinem Bezirk vor dem Verfall zu retten. Ab 1995 wurden in diesem Rahmen in mehreren Quartieren des Bezirks Fatih Rehabilitierungsprojekte durchgeführt, zu denen auch Zeyrek gehörte.
Wegen der sich verändernden Sozialstruktur, wo die an Selbsthilfeprojekten interessierten Hausbesitzer der ersten Migrantengeneration
weggezogen waren, war es unmöglich geworden, das Konzept des
Gutachtens vom Jahre 1987 zu benutzen. Als Alternative wurde ein
Bürgerbeteiligungsverfahren in den Quartieren Fener und Balat eingesetzt, in denen in Form von Bürgervereinen schon die hierfür erforderlichen sozialen Voraussetzungen vorhanden waren. Die Sozialstu-
45
Pera-Blätter 17
dien für diese Quartiere wurden von der UNESCO in Zusammenarbeit mit der Marmara-Universität verwirklicht. Dagegen wurde in
Zeyrek versucht, durch massiven Einsatz sozialer Einrichtungen, wie
die zum Gebietszentrum umfunktionierte Schule des Zembilli Ali
Efendi (Restaurierungsprojekt: Fikret Evci-Yildiz Universität, s. S.
55, Abb 4) und die kleine Gebietsklinik (Bauaufnahme und Restaurierungsprojekt: Zeynep Ahunbay-Technische Universität Istanbul),
den Lebensstandart der Bewohner zu erhöhen. In diesem Rahmen
wurden auch die Kuppeln der Molla Zeyrek-Moschee in Zusammenarbeit mit dem Generaldirektorat der Stiftungen und der Technischen
Universität Istanbul unter der Leitung von Metin und Zeynep Ahunbay restauriert. Eine andere Restaurierung ist die Instandsetzung der
Badruine vor der Moschee durch die Koc-Holding. Im Gebiet wurden
zwei größere Rekreationsflächen gewonnen, nämlich eine Parkanlage
mit Kinderspielplatz auf der Terasse der Piri Mehmet Pasa-Medrese
sowie ein Künstlerpark vor der Molla Zeyrek-Moschee. Es erfolgte
die Gründung des Zeyrek-Vereins, dessen Hauptfunktion es war, die
Hausbesitzer für die Instandsetzung ihrer Häuser zu organisieren. Im
Gegensatz zu Fener und Balat wohnten die Mitglieder des ZeyrekVereins aber nicht im Quartier. Nach den jüngsten Wahlen hat sich
wieder gezeigt, wie abhängig die städtischen Rehabilitierungsprojekte von der jeweiligen politischen Situation sind: Der Bezirksbürgermeister wurde neu gewählt und das Projekt kam zum Stillstand, Zeyrek ist innerstädtisches Peripheriegebiet geblieben.
Auch in Kreuzberg begann die neue Phase infolge einer Veränderung auf einer anderen Ebene: Berlin ist nicht mehr geteilt und wurde
zur Hauptstadt, Kreuzberg rückt damit von der städtebaulichen Lage
her von einer inneren Peripherie an der Mauer nach und nach zu einem Zentralgebiet in der Mitte der Stadt, was sich nach der Vervollständigung der großformatigen, es umringenden Projekte noch stärker bemerkbar machen wird. Noch dazu wurde Kreuzberg nicht nur
von nationalen, sondern auch von internationalen Entwicklungen direkt betroffen, was sich in sozialen Strukturveränderungen zeigte.
46
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
Die sich in den neunziger Jahren in Kreuzberg niederlassenden Zuwanderer kamen hauptsächlich aus Polen und Bosnien-Herzegowina.
Die Wohnverhältnisse haben sich verbessert, das hat zugleich zu
höheren Mieten geführt; dabei hat sich die ökonomische Lage der
Arbeitsimmigranten verschlechtert. Die Bürgerbeteiligung ist auf
null gefallen, weil die Hauptstadt jetzt andere Prioritäten hat. Einerseits ist zu erwarten, daß sich in absehbarer Zeit das physische und
soziale Gefüge im Gebiet völlig ändert, andererseits haben "die eingewanderten Türken in Kreuzberg eine starke Bindung zum Gebiet
und vereinnahmen es für sich. Sie haben sich im Laufe der Zeit eine
neue 'Heimat' aufgebaut".135 Tatsächlich weist die hohe Anzahl an
türkischen Geschäften, Supermärkten, Restaurants und Cafes,136
Moscheen, Vereinen,137 Sportclubs und soziale Zentren, die man mit
den im Quartier lebenden Deutschen teilt, auf ein solches Heimatgefühl hin. Dabei verdanken es die alteingessenen Kreuzberger vor
allem den Mieterberatungen und der Betroffenenbeteiligungsarbeit,
daß sie sich gegenseitig kennenlernt haben, wie Mieterprotokolle und
soziale Studien mehrfach zeigen.138 Man hat zusammen für eine bessere Wohnsituation gekämpft. Auf dem mit dem Thema Pamukkale
als Spielpark gestalteten Gelände des Görlitzer Bahnhofs (s. Abb. 6,
S. 56) spielen deutsche und türkische Kinder, von denen fast keines
Pamukkale gesehen oder von Pamukkale gehört hat. Der Blick ist
ihnen aber von dem Werbeplakat der türkischen Reiseagentur an der
nächsten Straße vertraut. Im Kiez gilt nicht die Frage ob es Deutsch
oder Türkisch ist, Kiez ist Kiez; die Frage soll anders formuliert werden: Wird der Kiez Kiez bleiben?
"Wer will, daß die Türken zusammen mit den lokalen Initiativen gegen
die zunehmende Vermarktung und Privatisierung des öffentlichen Raumes vorgehen, der muß auch gegen die zunehmenden Verbote des Grillens auf Grün-und Freiflächen sein, das sich als die aktivste Form der
Nutzung öffentlicher Räume durch türkische Immigranten erwiesen
hat"13?
In Zeyrek grillt man nicht auf öffentlichem Raum, man hat dazu noch
47
Pera-Blätter 17
den Hintergarten. In Zeyrek lautet die Frage anders: Was wird aus
dem Hintergarten?
Ich sehe Istanbul in der Zukunft als London des Orients, das sich mit
furchterregendem und traurigem Pomp auf den Ruinen der freundlichsten Stadt der Welt erheben wird. Die Hügel werden geebnet, die Wälder
werden vernichtet, die kleinen farbenfrohen Häuser abgerissen. Der Horizont, aus dem sich Tausende von Fabrikschornsteinen und pyramidenartigen Turmdächern erheben, wird durch Reihen von Palästen, Arbeitsund Werkstätten durchbrochen. 0
Anmerkungen
1
2
3
4
5
6
7
8
48
Zum Thema Stadtentwicklung im außereuropäischen Kulturkreis s. Herrle, P.:
Vom Mandala zum Flächennutzungsplan: Die Einführung moderner Stadtplanung in eine außereuropäische Stadtkultur: der Fall Kathmandu, Nepal. Diss.,
Univ. Stuttgart, Fakultät Architektur und Stadtplanung, Stuttgart 1983, S. 16ff.
Sassen, S.: Metropolen des Weltmarkts. Frankfurt/Main 19972, S. 163.
ibid, S. 141.
Z.B. hat die infolge organisierter Landbesetzungen entstandene, autonome Siedlung Villa el Salvador an der Peripherie der peruanischen Hauptstadt Lima einen
eigenen Agrarbereich.
Vgl. den Plan in der Anlage von Schneider, A. M.: Straßen und Quartiere Konstantinopels. Mitteilungen des Deutschen Archäologischen Instituts, Sonderdruck, Berlin 1950. Schneider hat nach den Angaben der Notitia Urbis Constantinopolitanä und mit Hilfe des Studiums der antiken Quellen die Regionsgrenzen nach dem Verlauf der alten Straßen bestimmt. Auch nach R. Janin,
Notes sur les Regions de Constantinople Byzantine. Etudes Byzantines III,
1945, S. 29ff. liegt das heutige Zeyrek im X. Regio. Nur in früheren Studien,
wie die von Hammer zitierten Andreassy und Chevalier wird Zeyrek dem XI.
Regio zugeordnet.
Schneider, A M.: Byzanz-Vorarbeiten zur Topographie und Archäologie der
Stadt. Istanbuler Forschungen, Archäologisches Institut des Deutschen Reiches,
Abteilung Istanbul, Berlin 1936, S. 30.
Kuban, D.: IstanbuPun tarihi yapisi, tarihi gelisme, sehrin tarihi yapisinm özellikleri, koruma yöntemleri. Istanbul 1969, S. 28.
Vgl. die Tabelle in Schneider, 1950, S. 77. Das VI. Regio, das flächenmäßig viel
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum iifnerstädtischen Verfall
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
kleiner als das X. Regio ist, verfügt über 484 domus, also nur um 152 weniger,
so daß die Bebauung hier viel dichter ist; ähnlich verhält es sich mit dem etwas
größeren Regio VII, das mit 711 domus 75 Häuser mehr hat als Regio X.
Restle, M.: Istanbul. Reclam's Kunstführer, Stuttgart 1976, S. 19.
Schneider, 1950, S. 79.
Müller-Wiener, W.: Bildlexikon zur Topographie Istanbuls. Tübingen 1977, S.
120.
ibid, S. 211 sowie Eyice, S.: Zaman icinde Istanbul ve sehrin gelismesi. In:
Atatürk Konferanslan. Ankara 1975, S. 110. Zum byzantinischen Krankenhaus
in der Stadt s. Eyice, S.: Bizans Devrinde istanbul'da tababet, hekimlerve saghk
tesisleri. In: LÜ. Tip Fakültesi Dergisi, Nr. 21, Istanbul 1958, S. 657-691.
Nach Restle 1976, S. 248 starb sie im Jahre 1124, nach Müller-Wiener 1977, S.
209 aber 1134. Boyd, H. S.; Freely, J.: Strolling through Istanbul. Istanbul,
1989, S. 235 bestätigen das Datum 1124.
Müller-Wiener 1977, S. 120.
Runciman, S.: A History of the Crusades/ III: The Kingdom of Acre. Cambridge
1971, S. 122-123.
Choniates, Mesarites und weitere Augenzeugen in: Vasiliev, A. A.: Histoire de
L'Empire Byzantine/ II. Paris 1932.
Restle 1976, S. 284.
Eyice, S.: Ayasofya/1, istanbul 1984. S. 11.
Ebersolt, J.: Constantinople Byzantine et les voyageurs du Levant. Paris 1919,
S. 41.
Gonzales de Clavijo, R.: To the court of Timur at Samarcand A. D. 1403-6, bearbeitet von C. R. Markham. New York, S. 46.
ibid, S. 46.
Müller-Wiener 1977, S. 214.
Mirmiroglu, V L.: Fatih Sultan Mehmet Han devrine ait tarihi vesikalar. istanbul 1945, S. 59.
Das Original befindet sich in der Chigi-Sammlung.
Babinger, F.: Mehmed der Eroberer und seine Zeit. München 1953, S. 109.
Ünver, A. S.: Fatih külliyesi ve zamani ilim hayati. istanbul 1946, S. 13-14.
Anon., Fatih Mehmed II. Vakfiyesi. Ankara 1938, S. 227.
Ünver, S. 1946, S. 13 nach Ayvansarayi Hüseyin, Hadikatül Cevami.
Tanyeli, U.: Anadolu Türk kentinde fiziksel yapmin evrim süreci. Istanbul 1986,
S. 163.
Ayverdi, E.H.: Fatih Devri sonlannda Istanbul mahalleleri, sehrin iskani "ve
nüfusu. Ankara 1958, S. 19 ff.
Baltaci, C: XV.-XVI. asirlarda Osmanh medreseleri. istanbul 1976, S. 336.
49
Pera-Blätter 17
32 Kaiserliche Gesandschaften ans Goldene Hörn, bearbeitet von K. Teply. Stuttgart 1968, S. 254.
33 Barkan, Ö. L.; Ayverdi, E. H.: Istanbul vakiflan tahrir defterleri. Istanbul 1970,
S. 245-247.
34 Vgl. die Stiftung in ibid S. 342.
35 Berger, A.: Zur sogenannten Stadtansicht des Vavassore. Istanbuler Mitteilungen 44, Istanbul 1994, S. 334.
36 Abb. 3, S. 332, Nr. 23 auf Bergers Karte.
37 Kopie in Özdemir, K: Ottoman nautical carts. Istanbul 1992, S. 77.
38 Ergin, O. N.: Mecelle-i Umur-i Belediyye/ III, Reprint. Istanbul 1995, S. 11861187. Außerdem Kocu, R. E.: Istanbul Tulumbacilan, Istanbul 1984, S. 450.
Über diesen Brand berichtet auch Eremya Celebi: H.D. Andreasyan, Eremya
Celebi'nin yanginlar tarihi. In: Tarih Dergisi. Istanbul 1973, S. 69.
39 Ergin 1995/1, S. 383 und II, S. 753.
40 Schmidt, M.: Berlin-Kreuzberg. Berlin 1973.
41 Wörner, M ; Mollenschot, D.: Architekturführer Berlin. Berlin 1989, S. XI.
42 Kuban 1969, S. 31.
43 Pitz, H.; Hofmann, W.; Tomisch, J.: Berlin-W. Geschichte und Schicksal einer
Stadtmitte. Berlin 1984, S. 23.
44 Schulze, H.: Berlin. Berlin 1988, S. 14.
45 Pitz; Hofmann; Tomisch 1984/1, Abb. 10, S. 31.
46 ibid 11/ S. 337.
47 Knödler-Bunte, E.: Blicke auf die Luisenstadt. In: K. H. Fiebig, D. HoffmannAxthelm, E. Knödler-Bunte (Hrsg.), Kreuzberger Mischung. Berlin 1984, S.
200.
48 Ergin 1995/ III, S. 1193 sowie Cezar, M.: Osmanli devrinde Istanbul yapilarmda
tahribat yapan yangmlar ve tabii afetler. In: Türk sanati ve tarihi incelemeleri I,
Istanbul 1963, S. 347.
49 Aksu, H. (Hrsg.): 1782 yih yanginlan-Harik risalesi 1196. Istanbul 1994, S. 62.
50 Agrarreform. In: Brockhaus Enzyklopädie/1. Wiesbaden 1966, S. 203.
51 Pitz; Hofmann;. Tomisc, 1984/ II, S. 390.
51 Hoffmann-Axthelm, D.: Geschichte und Besonderheit der Kreuzberger Mischung. In: Fiebig; Hoffmann-Axthelm; Knödler-Bunte 1984, S. 12.
53 Knödler-Bunte 1984, S. 203.
54 ibid, s. 202
55 Hoffmann-Axthelm 1984, S. 13.
56 ibid, S. 16.
57 Hinz, G.: Peter Joseph Lenne und seine bedeutendesten Schöpfungen in Berlin
und Potsdam, Berlin 1937, S. 178.
50
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
58 Celik, Z.: Degisen Istanbul. Istanbul, 1996, S. 47.
59 Yerasimos, S.: Tanzimatin kent reformlan üzerine. In: Dumont P.; Georgon, F.
(Hrsg.): Modernlesme sürecinde Osmanh kentleri, Istanbul 1996, S. 1.
60 Ayverdi, E. H.: 19. asirda Istanbul haritasi, Istanbul 1958, ca. 1: 4500, Blatt C-5.
61 Stewig, R.: Der Grundriß von Stambul. Vom orientalisch-osmanischen zum europäisch-kosmopolitischen Grundriß. In: Sander, G. (Hrsg.): Kulturraumprobleme aus Ostmitteleuropa und Asien. Kiel 1964, S. 206-208.
62 Vgl. Ergin 1995/ II, S. 964.
63 ibid, III, S. 1235.
64 Der osmanische Originaltext des Ediktes in ibid, II, S. 1086; türk. Übersetzung
mit Erläuterung in Yerasimos 1996, S. 16.
65 Schneider, A.M.: Brände in Konstantinopel. Byzantinische Zeitschrift Nr. 41,
1941, S. 402.
66 Ergin, 1995/IV, S. 162.
67 ibid, II, S. 1067-1068 und S. 1163-1164. Auch in III, S. 1254.
68 ibid, III, S. 1253-1254
69 ibid, III, S. 1252.
70 Gude, S.: Wohnen in der Sorauer Straße. Berlin 1988, S. 2.
71 ibid S. 3
72 Bodenschatz, H.; Heise, V; Korfmacher, J.: Schluß mit der Zerstörung. Berlin
1983, S. 79.
73 Erb, C. U.: Historischer Oberblick. In: Theorie und Praxis in der Görlitzer
Straße 39, S.T.E.R.N., Dokumentation, Juni 1986, S.4.
74 Hoffmann-Axfhelm, D.: Geschichte des Blocks 129 und seiner Umgebung. In:
Schulprojekt in SO 36, Bauausstellung Berlin GmbH, Berlin 1983, S. 44.
75 ibid, S. 44.
76 Schulze 1988, S. 20.
77 Schmidt, H.: Haberkern's Hof-Berliner Mierskasernenbau 1872-1875. In:
Peschken, G.; Radicke, D.; Heinisch, G. (Hrsg.): Festschrift Ernst Heinrich,
Berlin 1974 sowie Gude 1988.
78 Bodenschatz, H.: Platz Frei für das Neue Berlin! Berlin 1987, S. 55.
79 Koch, W.: Baustilkunde. München 1990, S. 378.
80 Gude 1988, S. 5.
81 Leben in der Stadt, Erinnerungen aus Berlin-Kreuzberg. In: Fiebig;. HoffmannAxthelm; Knödler-Bunte 1984, S. 226.
82 Pitz; Hofmann;. Tomisch, 1984/ II, S. 377-378.
83 Dabei wurden viele Vereine gegründet, z.B. der Verein für Sozialpolitik, der
Deutsche Verein für Wohnungsreform und die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft.
51
Pera-Blätter 17
84 Bodenschatz 1987, S. 58.
85 Mimar Mazhar, Istanbul' un iman ve eski eserlerin muhafazasi. Dergah Mecmuasi, Nr.4. S. auch Celik 1996, S. 46 sowie Ergin 1995/III, S.1245.
86 Ökcün, A.G. (Hrsg.): Osmanh Sanayii-1913, 1915 Yillan Sanayi istatistiki. T.C.
Basbakanhk Devlet istatistik Enstitüsü, Ankara 1997, S. XIX.
87 Goodsell, F. F.: Tarihsel Görünüm. In: Johnson, C. R. (Hrsg.): Istanbul 1920,
Istanbul 1995, S. 24.
88 Shaw, J.; Shaw, E. K.: History of the Ottoman Empire and Modern Turkey/ II:
Reform, Revolution and Republic, Cambridge 1977 sowie Stewig, R.: Die Entstehung der Industriegesellschaft in der Türkei I. Kieler Geographische Schriften, Kiel 1988, S. 178.
89 ibid, S. 242.
90 Ökcün 1997, S. 38-40.
91 Die Anzahl kleinerer und mittelgroßer Boote in Istanbul betrug im Jahre 1897
insgesamt 2949. Güran, T. (Hrsg.): Osmanh Devletinin ilk istatistik yilligi, T.C.
Basbakanhk Devlet istatistik Enstitüsü, Ankara 1997, S. 278.
92 Weitere Familiengeschichten aus dem Gebiet in Aygen, Z.; Tanyeli, G.: Stadterneuerungsvorschlag-Sanierungsprojekt in Zeyrek. Teil II: Die sozio-räumliche
Umwandlung des Gebietes. Gutachten für S.T.E.R.N., Istanbul 1987.
93 The Levant Herald and Eastern Express, Vol. 26., Nr. 1. Constantinople 1906, S. 342.
94 Aus dem Archiv des Romeo Martinez. In: Isgal istanbul'undan Fotograflar.
istanbul 1996, S. 42-43.
95 Pervititch, J.: C l r ? l r ; Zeyrek, Vefa. Plan d'Assurances, istanbul Mai 1983,
Planche 19, 1/1000.
96 Pervititch, J.: Vefa. T.C. Sigorta Daire-i Merkeziyesi, istanbul 1934, Planche 42,
1/500.
97 Hammer, J. v.: Constantinopolis und der Bosporos. Pesth 1882, S. 597-98.
98 Vgl. Pervitich-Karte, Planche 42. Der Name der an den Vefa-Komplex angrenzenden Straße, Imaret Sabunhanesi, deutet auf die Anwesendheit eines Seifenherstellers in der Armenküche in den 30er Jahren: In dieser Zeit wurde nämlich
O. N. Ergin, der Verfasser des Mecelle-i Umur-u Belediyye, damit beauftragt,
den Istanbuler Straßen Namen zu geben, wobei er öfter die Straßen nach dem
dort existierendem Gewerbe benannt hat.
99 Gude 1988, S. 10.
100 Klünner H.W.: S-und U-Bahnarchitektur in Berlin. Berlin 1985, S. 57 ff.
101 Gude 1988, S. 12.
102 Witmann, et. al. (Hrsg.), Die Luisenstadt - ein Heimatbuch. Berlin 1927.
103 Knödler-Bunte 1984, S. 211.
104 Hoffmann-Axthelm 1983, S. 55.
52
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
105 Nach den Erinnerungen Albert Speers war diese Ausnahme Heß, der sich im
Gegensatz zu allen anderen nur für den Wohnungsbau interessierte. Vgl. A.
Speer, Erinnerungen, 7. Auflage. Berlin 1970, S. 92-93.
106 Gude, S.: Nachbarschaft und soziale Konflikte im Block 101. Berlin 1985, S. 5.
107 Ekonomik ve sosyal göstergeler-lstanbul. T.C. Ba§bakanhk Devlet Istatistik
Enstitüsü, Ankara 1988, S. 11.
108 Hürriyet, 24 Juni 1959, Titelseite.
109 Aygen; Tanyeli, 1987, S. 89.
110 ibid, S. 89 sowie Offen, H.: Anatolische Einwanderung und ihre Auswirkung in
das Zeyrek-Quartier. In: W. Müller-Wiener und J. Cramer (Hrsg.), IstanbulZeyrek-Studien zur Erhaltung eines traditionellen Wohngebietes. Hamburg
1982, S. 103.
111 Kocu, R.E.: Istanbul Ansiklopedisi, Band 5. Istanbul Ansiklopedisi. Istanbul
1961, S. 2475.
112 Przybyla, R.: Ursachen der Zuwanderung von Muslimen nach Berlin. In: Jonker, G., Kapphan, A. (Hrsg.): Moscheen und islamisches Leben in Berlin. Die
Ausländerbeauftragte des Senats, Berlin 1999, S. 15.
113 Bodenschatz 1987, S. 159.
114 Bodenschatz; Heise; Korfmacher 1983, S. 83.
115 Akkayan, T.: Göc ve degisme. Istanbul 1979, S. 39.
116 Offen 1982, S. 103.
117 Gude, S.: Muslime in Kreuzberg. In: Z. Aygen (Hrsg.), Bürger Statt Städter Bürgerbeteiligung als Strategie der Problemlösung und der sozialen Integration.
Schriften des Arbeitkreises Moderne und Islam. Berlin 1999, S. 142.
118 Ausstellungskatalog: Schritt für Schritt - Behutsame Stadterneuerung in Kreuzberg. Berlin 1990, S. 25-27.
• :
119 Hämer, H. W.: Räume für Kinder: Kindertagestätten in Kreuzberg. Berlin 1987,
S. 7.
120 Cramer, J.: Traditionelle Wohnhausarchitektur in der Altstadt von Istanbul. In:
Müller-Wiener; Cramer, 1982 S. 18.
121 9.4. 1977, Nr. 9761 sowie 11.6. 1977, Nr. 9882.
122 Cramer 1982, S. 20.
123 Offen 1982, S. 103, S. 111.
124 Gude 1988, S. 6.
125 Frank R.; Ücer, Y.: Istanbul-Manhattan am Bosporus? In: Bauwelt Nr. 40. Berlin
1988, S. 1727.
126 Hämer, H. W.: Erneuerungsgebiet Luisenstadt. In: DB-Deutsche Bauzeitung.
5/82, Sonderdruck, Stuttgart 1982, S. 18.
127 Bremm, H.: Entwicklung der Einzelhandels-und Dienstleistungsbetriebe in den
53
Pera-Blätter 17
Jahren 1970-1983 in Kreuzberg SO 36. In.Fiebig; Hoffmann-Axthelm; KnödlerBunte 1984, S. 171.
128 Mehr zu diesem Wettbewerb in Tiedemann, V.v.; Kleimeier, U.; Kopetzki, C ;
Machtleid, H.: Bürgerbeteiligung bei der Stadterneuerung-Beispiel Kieuzberg.
Bonn-Bad Godesberg 1980, S. 21 ff.
129 Strategien für Kreuzberg, Projektbeschreibung. Der Senator für Bau- und Wohnungswesen Berlin, S. 1.
130 Bodenschatz; Heise; Korfmacher 1983, S. 104.
131 Anmerkungen der Sozialplanerin und Blockplanerin der IBA bei der Erneuerung der Häuser 80-82 in Berlin-Kreuzberg. In: Kaputte Stadt Retten. Internationale Bauausstellung, Berlin 1987, S. 17+
132 Heinze, B.; Jäger, R.: Grün Gegen Grau. Berlin 1987, S. 10 ff.
133 Hämer 1987, S. 29 sowie Wohnungsnahe Kinderkrippen in Altbauten in BerlinKreuzberg SO 36, 1. Zwischenbericht I.B.A. Arbeitsgruppe Stadterneuerung,
Berlin 1984.
134 Erb 1986, S. 4-8.
135 Bayam, Ü.: Migration als Aufgabenfeld der Stadtplanung-Orte der türkischen
Migranten in Kreuzberg. In: Amman, R.; Neumann-Cosel, B.V.: Berlin - Eine
Stadt im Zeichen der Migration. Berlin 1997, S. 48.
136 Nach dem alteingesessenen Kreuzberger Ahmet Yeter blühte der türkische Imbißsektor in Kreuzberg erst mit dem Anwerbestop und dem Abbau der Ausländerbeschäftigung auf. In: Zitty Live Magazin, 17/88, S. 10.
137 Innerhalb der Berliner Bezirke weist Kreuzberg die höchste Konzentration an
Moscheen und türkischen Kulturvereinen auf. Vgl. Karte bearbeitet von Winkler, J.; Best, U.; Gebhardt, D.: Projektseminar "Moscheen in Berlin". Berlin
1998.
138 Ann, C : Traditionslinien der Migration und Stadtentwicklung in Berlin. In:
Amman; Neumann-Cosel 1997, S. 31 sowie Gude, 1985, S. 26, Interview Jl.
Sh. auchGude, 1993, S. 64.
139 Gude 1999, S. 148.
140 Amicis, E. de: Istanbul (1874). Ankara 1981, S. 140.
54
Z. Aygen: Vom Stadtrand zum innerstädtischen Verfall
Abb. 3: Identitätssuche in der Geschichte: Ein symbolisches Gefalienengrab an der
Terassenmauer des Pantokrator-Kumnlexes (s. S. 36)
Abb. 4: Ehemalige Schule des Zembilli Ali Efendi in Zeyrek, in der heute Nachhilfeunterricht für die Kinder des Gebiets gegeben wird (s. S. 46).
55
Pera-Blätter 17
£
.!/>/). 5: Kreuzberg: Neue Heimat für Türken - "Kebab ve Lahmacun Salonu" vor
Kreuzberger Stuckfassade (s. S. 47)
Abb: 6: Das als Spielpark gestaltete Gelände des Görlitzer Bahnhofs mit dem
Thema "Pamukkale" (s. S. 47).
56
Orient-Institut der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft
Abteilung Istanbul

Documentos relacionados