Visuelle Darstellung der Eifersucht
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Visuelle Darstellung der Eifersucht
1 Visuelle Darstellung von Eifersucht: Pablo Picassos eigene Erfahrungen mit Ehefrau Olga und der Geliebten Marie-Thérèse Walter. 15.12.2011 Wenn auch Eifersucht eine allgemeine menschlich-emotionale Erfahrung darstellt, sind bildnerische Darstellungen dieses Phänomens extrem selten (z.B. Rembrandt: David spielt die Harfe vor Saul, 1630). Picasso konnte dieses Phänomen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts bei seiner Ehefrau Olga beobachten, da er sich in eine andere Frau, Marie Thérèse Walter, verliebt hatte. Er selber litt offenbar sehr unter den Szenen, die ihm Olga machte, und zeichnete das Drama seiner Gefühle. In der Zeit von 1927 bis 1937, standen Probleme die mit dem Thema Eifersucht im weitesten Sinne zusammenhingen, immer wieder im Vordergrund, weshalb die damit verbundenen zwischenmenschlichen Beziehungen und inneren Auseinandersetzungen in zahlreichen bildnerischen Darstellungen ihren Ausdruck hatten finden können. Bei aller gebotenen Vorsicht, Bilder als autobiographischen Bericht zu verstehen, muss man jedoch, speziell bei Picasso, laut eigener Einlassungen Picassos dieses Risiko auf sich nehmen, auch wenn die Gefahr einer biographischen Überinterpretation besteht. Zweifelsohne lässt sich an Hand vieler Beispiele bei Picasso beweisen, dass eine direkte – oder auch dialektische – Verzahnung von Biographie und künstlerischem Schaffen als sog. „secret exhibitionism“ besteht (Müller 2004, S. 9). Bekenntnisse Picassos: Das Werk das man malt, ist eine Art, Tagebuch zu führen (Picasso, 1932); Bilder, ob fertig oder nicht, sind Seiten meines Tagebuchs (Picasso, 1971). Einschränkend muss jedoch zusätzlich darauf hingewiesen werden, dass die bildnerischen Darstellungen ausschließlich den subjektiven Aspekt Picassos wiedergeben, der seinerseits unvermeidbar u.a. auch seinen Ärger, Wut, Verbitterung, Freude und Liebe in seine Bilder einfließen lässt. Außerdem muss man berücksichtigen, dass Picasso ständig experimentierte und neue Motive und Ausdrucksweisen suchte, die eher spielerisch zu verstehen waren, und die ebenso zu Fehlinterpretationen führen können. Die im Folgenden aufgeführten biographischen Daten beziehen sich überwiegend auf die Angaben von Müller (2004), Warncke und Walther (1991), und Richardson (2007, 2011). Die Kennzeichnung der Abbildungen erfolgt entsprechend dem Gesamtverzeichnis im „Das Picasso Project“ sowie dem Gesamtverzeichnis der Grafiken von „Bloch“. Biographischer Hintergrund 1917 kam der 36 jährige Pablo Picasso mit dem Ballett Russes unter dem Impressario Serge Diaghilev zusammen, in dessen Auftrag er Vorhang, Kostüme und Bühnenbild für die Produktion 2 des Balletts „Parade“ entwarf. In dem Ballett tanzte u.a. die 26 jährige Olga Khokhlova, die er bei Aufführungen in Paris und Rom kennen und lieben lernte. Sie heirateten am 12.06.1918, und Olga gebar ihm am 04.02.1921 einen Sohn, Paulo. Spätestens ab 1925 ging die Ehe zunehmend auseinander, wobei viele Probleme ursächlich waren, u.a. gynäkologische Schwierigkeiten Olgas (Richardson 2007, S. 339, 361, 169), aber auch unterschiedliche Lebenseinstellungen: Olgas Lebensphilosophie war gut-bürgerlich orientiert während Picasso das Bohemien-Dasein seiner vorehelichen Zeit vermisste und sich in seiner Freiheit eingeschränkt fühlte. Olga war offenbar krankhaft eifersüchtig. In dieser Zeit entstanden Bilder, die u.a. auf Olga gezielt gewesen sein dürften, und die die Not Picassos in dieser Ehe aus seiner Sicht zu charakterisieren geeignet waren: Der Tanz (PP25-052), Der Kuss (PP 25-104), Der Kopf eines Widders(PP 25-095). Insofern war das Zusammentreffen mit Marie-Thérèse Walter speziell zu diesem Zeitpunkt für Picasso eine existentielle Erlösung. Am 18.01.1927 begegnete Picasso als 45 Jähriger der 17,5 Jahre alten Marie-Thérèse Walter auf der Straße, sprach sie an und bat sie, sich von ihm portraitieren zu lassen. Sie erklärte sich bereit, und ab diesem Zeitpunkt bildeten sie eine verschworene, geheime Liason, die insgesamt länger als 9 Jahre aufrechterhalten blieb, und die vor allem vor Olga – aber auch vor der übrigen Welt versteckt blieb und bleiben sollte. Diese Zeit zusammen mit Marie-Thérèse wurde zur kreativsten Periode Picasso. Marie-Thérèse Walter war Picassos „stille Muse“ und Modell sowie Ausgangspunkt für seine bildhauerische Phantasien. Dies führte in der Anfangszeit dazu, dass Picasso Marie-Thérèse in Chiffren bzw. Symbolen malte, wie Gitarre an der Wand hängend (PP 27-024) oder in Metaphern wie Blumen, Früchten, Krügen usw., d.h. mittels anthropomorphen Metaphern darstellte. Wie Richardson (2007, S. 323) beschreibt, stellte Marie-Thérèse Walter körperlich die Antithese von Olga dar, die dünn, schmalbrüstig und androgyn wirkte, während Marie-Thérèse Walter jung, vollbusig, fraulich und sportlich war. Picasso hat beide Frauen nebeneinander gezeichnet (Badende an einer Umkleidekabine, PP 29-040), wobei Olga an der typischen Fußhaltung der Ballerina und den bogenförmig erhobenen Armen, leeren Augen und durchsichtigen Rippen außerhalb der Badekabine erkennbar wurde, während Marie-Thérèse sportlich und gepflegt in der Kabinenöffnung steht, deren Tür sie offenbar umgehend zu schließen beabsichtigt. Seine Liebe zu Marie-Thérèse aber zeichnete er ebenso anthropomorphsymbolisch in der Darstellung von Figuren aus Frau und Penis, die ineinander übergehen (s.g. „femmes phallus“ – s. Weibliche Figur, PP27-058) und somit die Einheit von Mann und Frau darstellten, wie er in den folgenden Jahren Büsten von Marie-Thérèse Walter erfand, in denen die Nase als Phallus imponiert, sog. Phallus-Nasen-Büsten. Demgegenüber stellte er Olga als kranke und traurige Frau dar (Frau im Lehnstuhl, PP27-028) 1928/29 erkrankte Olga schwer, verlor offenbar viel Blut, wurde mehrfach operiert und mehrere Monate stationär behandelt. Nach ihrer Entlassung musste sie bemerken, dass eine andere Frau ins Leben von Picasso getreten war; die Gemälde mit Darstellung von MarieThérèse aus den letzten Monaten waren nicht zu übersehen. Es folgten offenbar hysterische 3 Szenen und Drohungen gegen Picasso, unter anderem auch aus Angst, als Ehefrau verdrängt zu werden. 1933 diskutierte offenbar Picasso bereits mit einem Rechtsanwalt eine Scheidung, aber ernsthaft wurde eine offizielle Trennung erst mit der Schwangerschaft von Marie-Thérèse erwogen. Am 29. Juni 1935 erging schließlich eine richterliche Verfügung, die die Unversöhnlichkeit der Ehe feststellte. Sie autorisierte Pablo Picasso, eine Scheidung zu beantragen, und erkannte Olga den Sohn Paulo zu. Da nach dem damaligen französischem Recht eine Scheidung von Ausländern in Frankreich nicht möglich war, und aufgrund der Gütergemeinschaft, die Picasso gezwungen hätte, auf die Hälfte seines Vermögens (und seiner Bilder) zugunsten Olgas zu verzichten, wurde die Scheidung nie vollzogen (Widmeier-Picasso 2004, S.33). Olga verließ Picasso im Juli 1935. Am 5. September 1935 brachte Marie-Thérèse Walter ein Mädchen zur Welt, die Tochter Maya. Die ehelichen Auseinandersetzungen in dieser Zeit führten Picasso schließlich in einen Zustand der Malunfähigkeit, der im Sommer 1935 begann und bis zum Frühjahr 1936 reichte. Auch wenn Picasso im Winter 1935/36 Dora Maar kennenlernte, die dann zu seiner zweiten Geliebten wurde, gab es kein abruptes Ende der Beziehung zu Marie-Thérèse Walter, - wohl aber eine allmähliche Entfremdung beider voneinander. Die zugehörigen Bilder Es handelt sich also um eine Dreierbeziehung, in der Picasso im Mittelpunkt steht und zwei Frauen um ihn werben. Eine Dreierbeziehung hat aber neben dem Problem des eifernden Wettbewerbes der Frauen um den Mann auch immer die differenten emotionalen Beziehungen der Frauen zum Mann und des Mannes zu den Frauen zu bewältigen. Im Fall der hier zu beschreibenden Dreierbeziehung ist offenbar Marie-Thérèse der Zuwendung Picassos sicher und hat keine Probleme mit Olga. Olga jedoch hat Sorge um ihre Position als Ehefrau. Picasso hatte Olga gegenüber Schuldgefühle, die seinem drängenden Bedürfnis nach Ungebundenheit und Freiheit gegenüber standen. Die Ängste Olgas und ihre persönlichen psychischen Verletzungen stehen somit dem schlechten Gewissen Picassos und seiner Wut über die Freiheits-Einschränkungen durch seine Ehefrau gegenüber, während demgegenüber emotionale Auseinandersetzungen zwischen beiden Frauen offenbar eher gering ausgeprägt waren. Zur Interpretation von Picassos Bildern muss festgestellt werden, dass seine Darstellungen in Metaphern erfolgen, wobei der einzelnen Metapher allerdings auch eine unterschiedliche Bedeutung zuzumessen ist. Bei der ungeheuren Vielzahl an täglichen Bildern und Zeichnungen, die Picasso hinterlassen hat, zusammen mit den inzwischen detailliert bekannt gewordenen Lebensdaten, aber lässt sich unschwer auch in einzelnen Bildern ein Zusammenhang zwischen 4 der visuellen Darstellung und dem Leben erkennen. Unter allen Umständen aber muss berücksichtigt werden, dass die Bilder auch unabhängig von der Vita Picassos eine Bedeutungsebene enthalten, die über die Tagebuchfunktion hinaus führt, und dadurch eine Allgemeingültigkeit enthalten, die den künstlerischen Wert der Werke Picassos ausmachen. Schuldgefühle und Wut Picassos wurden schon frühzeitig bildnerisch festgehalten, zugleich mit der Not und der daraus resultierenden Hysterie seiner Ehefrau Olga. In Frauenkopf mit Selbstportrait (Abb. 1 - PP29-008) wird der Kopf einer schreienden Frau mit extrem weit geöffnetem Mund, spitz zulaufender Zunge und dreieckigem, aggressiv wirkendem Kopf dargestellt. Dieser Kopf aber steht vor einem schattenartig, eher im Hintergrund sichtbaren Profil von Picassos Gesicht, das seinerseits sehr fein und in klassischer Manier, als Scherenschnitt, wiedergegeben ist. Die Farbe Rot überwiegt, offenbar in Assoziation an den erheblichen Blutverlust Olgas während ihrer Krankheit. Ironischer- und bösartiger Weise aber sind Olgas Haare blond wie in Realität die von Marie-Thérèse, offenbar weil Olga in der damaligen Zeit ihre Haare gefärbt hatte (s.a. das ähnlich konzipierte Bild, jedoch ohne vergleichbare leuchtende Farbgebung, Figur und Profil - PP 28-016). Ähnlich verzweifelt wirkt das Bild Grosse Nackte im roten Lehnstuhl (PP 29-034; s.a. Ruhepause – PP 32-007) mit wiederum überwiegend rotem Hintergrund und weit geöffnetem, offenbar schreienden Mund, sowie einem gummiartigen Körper und Extremitäten ohne feste Struktur. Picasso beschreibt dieses Bild als Frau „wie ein Vogel im Käfig“, wobei er die Farbe Rot mit Alter und Tod assoziiert (Gespräch mit Malraux; 1974). Im Bild Der Kuss (PP 29-062, 063) stellt Picasso zwei Frauen dar deren Gesichter ineinander übergehen, und kennzeichnet mit schwarzen Haaren Olga (linke Person) kontrastierend mit dem hellen, blonden Haar von Marie-Thérèse (rechte Person). Während der dunkelhaarige Kopf mit zahlreichen Zähnen im klaffenden Mund und aggressiv mit extrem spitzer Nase versehen ist, geht das Gesicht der hellhaarigen Person kontinuierlich in das Gesicht der Dunkelhaarigen über, jedoch ohne vergleichbare Merkmale einer Aggression. Große Badende (Abb. 2 - PP 29-43) spiegelt eine andere Empfindung Picassos wieder: Es handelt sich offenbar um eine Konzeptstudie für eine große Skulptur, wobei die Stellung wie auch die Volumina der Beine an die Kalkfelsen von Pourville erinnern. Die Arme sind bogenförmig über dem Kopf gehalten wie bei einer genormten (5.) Stellung einer Ballerina. Himmel und Strand sind dunkel. Es wird die Verzweiflung, die Einsamkeit und das Verlorensein Olgas dargestellt. Während Olga in ihrer Einsamkeit widergegeben ist, wird Marie-Thérèse durchgehend nur positiv, eher dekorativ, mit fröhlichen, bunten Farben, geschmückt mit den von ihr geliebten Philodendronblättern, dargestellt, z.B. in Der Schlaf (PP 32-008) und Der Traum (Abb. 3 - PP 32009). Picasso führte in der Folgezeit ein regelrechtes Doppelleben: einerseits lebte er gut bürgerlich, zusammen mit Ehefrau und Sohn, und andererseits lebte er als Bohemien mit der Geliebten, die 5 er regelmäßig in der Woche aufsuchte und in einer Vielzahl an Bildern dokumentierte. Auch im Urlaub besorgte Picasso für Marie-Thérèse ein Zimmer in der Nähe der Unterkunft der Familie, so dass er sich mit ihr auch weiterhin – überwiegend am Strand – treffen konnte. 1931 erwarb Picasso ein Landhaus, Château de Boisgaloup, in dem die gleiche Zweiteilung stattfand wie in Paris. Während am Wochenende Olga die perfekte Hausfrau war und die Gäste empfing, stand das Haus bei Olgas Abwesenheit Marie-Thérèse und Picasso zur Verfügung. Hier malte Picasso eine Vielzahl an Portraits von Marie-Thérèse und entwickelte neu Formen von Kopf-Skulpturen, die am Kopf und Gesicht von Marie-Thérèse orientiert waren. In dieser Zeit entstand z.B. das Großes Stilleben (PP 31-012), eine Metamorphose der Marie-Thérèse Walter: Früchte, Blumen und Krug. Die Entfremdung zwischen den Ehepartnern nahm zu, so dass Picasso 1931 bereits erwog, sich scheiden zu lassen (Richardson 2007, S. 4). Die zu diesem Zeitpunkt stattfindenden Auseinandersetzungen wurden u.a. in einer grauenerregenden Zeichnung dokumentiert: Frau mit Stilett (PP 31-183). Die Zeichnung war offenbar an Davids Gemälde „Tod des Marat“ orientiert, und dieses Thema griff Picasso im Juli 1934 wieder auf, jetzt aber nicht mit einem gesichtslosen Opfer, sondern mit dem Profil von Marie-Thérèse. In allen diesen Bildern ist die Täterin durch ein extrem von Wutverzerrtem Gesicht gekennzeichnet (Abb. 4: Der Mord - PP 34087, 89). Gleichzeitig mit den Zeichnungen zum Mord summieren sich erschreckende Bilder eines Kampfes zwischen Stier und Pferd, Bilder, in denen Picasso einerseits sich selbst in der Figur des Stieres seine wütenden Gefühle gegenüber Olga wiedergibt, und andererseits aber auch die durch ihn selber bei Olga verursachten Schmerzen in der Figur des Pferdes darstellte. Auf einer Zeichnung ist zusätzlich Marie-Thérèse am Rande einer Stierkampfarena dargestellt, die ihr Gesicht hinter einer Kerze verbirgt, die ihrerseits den Kampf zwischen Stier und Pferd beleuchtet (Abb. 5: Frau mit einer Kerze; Kampf zwischen Stier und Pferd - PP 34-101). Das Motiv des tödlich verletzten Pferdes sowie eine Frau, die die Szene mit einer Lampe beleuchtet, eine Flüchtende sowie eine Frau mit totem Kind im Arm sind mit dem Profil von Marie-Thérèse versehen und sollten 2 Jahre später die Hauptfiguren des Wandgemäldes Guernica (Abb. 6 - PP 37-155) werden. Das Pferd als alte Mähre wird ebenso hässlich portraitiert (PP 35-026, -028) wie auch zwei, offenbar keifende und sich beißende Pferde als Sinnbild für die Eifersucht (Abb. 7: Zwei Pferde - PP 36-056), hier nun offenbar tatsächlich einen Kampf zwischen zwei Frauen. Daneben aber tritt das Motiv Minotaurus zunehmend in den Vordergrund, ein Motiv, das von Picasso offenbar, wie auch der Stier, als sein ego angesehen wird. Dieses Ungeheuer, halb Mensch, halb Stier, ist aggressiv und, vor allem, sexuell aktiv. Das Ungeheuer wird aber auch in Selbstmitleid trauernd dargestellt, blind und klagend, geführt von einem jungen Mädchen mit den Gesichtszügen von Marie-Thérèse Walter (Abb. 8: Blinder Minotaurus - PP 34-123). 6 Höhepunkt dieser Szene ist die große Radierung Minotauromachie (Abb. 9 - Bloch 288) in der Marie –Thérèse Walter einerseits den gewaltigen Minotaurus zu beruhigen versucht und andererseits auf dem Rücken des zu Tode verletzten Pferdes als Schwangere liegt, d.h. sie nimmt eine Doppelfunktion ein: sie beruhigt und zähmt das Ungeheuer und sie stellt ein totes oder bewußtloses Opfer dar, das mit dem tödlich verletzten Pferd (Olga) verbunden ist. Die eher beruhigende Wirkung von Marie-Thérèse wird unterstrichen durch eine kleinere Radierung, in der die junge Frau dem Minotaurus einen Spiegel vor das Gesicht hält (Das Ende des Monsters PP 37-242). Diese dramatischen Bilderserien enden relativ abrupt damit, dass einerseits der Minotaurus das tote Pferd wegträgt (Minotaurus und totes altes Pferd vor einer Höhle - PP 36-057) bzw. das tote Pferd zusammen mit dem Fohlen und dem gesamten Mobiliar auf einem zweirädrigem Karren von Minotaurus weg transportiert wird (Minotaurus zieht einen Karren - PP 36-013), andererseits aber auch der tote Minotaurus durch einen Vogelmenschen weggetragen wird – (Die Überreste des Minotaurus im Harlekinkostüme - PP 36-63). In den Monaten danach, schließlich, aber überwiegen wiederum Portraits von Marie-Thérèse Walter, die dann allerdings zeitweise abgelöst werden durch Portrait-Serien von Dora Maar, der zweiten Muse Picassos, die dieser 1936 kennengelernt hatte. Aber es wird kein Drama mehr geschildert. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die biographische Zeitschiene mit der sukzessiven Entwicklung der Darstellungsweise und Symbolik in Zeichnungen und Bildern Picassos kongruent zu sein scheint, und die bildliche Entwicklung offenbar tatsächlich auch die Biographie Picassos dokumentiert. Entsprechend lässt sich unschwer nachvollziehen, - dass Picasso zunächst seiner Wut und seinem Ärger über die Ehe-bedingten Einschränkungen freien Lauf läßt, - dass die Geheimhaltung der Beziehung von Picasso zu Marie-Thérèse Walter gegenüber seiner Ehefrau Olga danach im Mittelpunkt stand, - dass nach der schweren Krankheit Olgas eine gewisse Konsolidierung der Dreierbeziehung stattfand, und - dass schließlich mit der Schwangerschaft von Marie-Thérèse Walter die Auseinandersetzung zwischen Picasso und Olga ihren Höhepunkt erreichte, die mit der Trennung des Ehepaares endete. Dieser über Jahre ablaufende Zwist aber findet in den Bildern Picassos ihren Ausdruck: auf der einen Seite die Geliebte Marie-Thérèse Walter, die in immer neuen Variationen als wunderschön, jung, liebenswert und sexuell attraktiv dargestellt wird; auf der anderen Seite die Ehefrau Olga, die als hysterisch, aggressiv und hässlich, aber auch als einsam, isoliert und maßlos leidend ihren Ausdruck fand; und dazwischen schließlich Picasso, der sich selber als wütend, aggressiv und als Ungeheuer sieht, das aber auch hilflos, blind und schuldbewußt auf die Unterstützung durch die junge schöne Frau, Marie-Thérèse Walter angewiesen ist. 7 Zitierte Literatur Andral J-L (202) Olga Picasso. In: Mössinger I, Ritter B, Drechsel B (Hrsg) Picasso et les femmes. Kön, Dumont, S. 132-149 Bezzola T ,Hrsg (2010) Picasso. Die erste Museumsausstellung 1932. Ausstellungskatalo ZürichMünchen Berlin Lodon New York, Prestel Bernadac M-L, Michael A (1998) Picasso. Propos sur l`art. 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Zwischen Klassizismus und Surrealismus. Bielefeld, Kerber Verlag, S.27-36 Legenden zu den Abbildungen Abbildung 1: Frauenkopf mit Selbstportrait (Buste de femme à L`autoportrait; PP 29-008) – Februar 1929 - Öl auf Leinwand, 71x60,5 cm Abbildung 2: Große Badende (Grand baigneuse; PP 29-043) - 26.05.1929 - Öl auf Leinwand, 195x130 cm Abbildung 3: Der Traum (Le rêve; PP 32-009) - 24.01.1932 – Öl auf Leinwand, 130x98 cm Abbildung 4: Der Mord ( Le meurre; PP 34-089) – 10.07.1934 – Tusche, 34x51 cm Abbildung 5: Frau mit einer Kerze; Kampf zwischen Stier und Pferd (Courses de Taureaux; PP 34101) - 24.07.1934 - Bleistift und Tusche auf Holz, 31x40,5 Abbildung 6: Guernica (Guernica; PP 37-155) - May 1937 - Öl auf Leinwand, 349,3x776,6 cm Abbildung 7: Zwei Pferde (Deux cheveaux; PP 36-056) –05.05.1946 - Bleistift, Tinte , 16x25,5 cm Abbildung 8: Blinder Minotaurus geführt von einem jungen Mädchen (Minotauro aveugla conduit par une petite fille; PP 34- 123) Kohle, 51x35 cm Abbildung 9: Minotauromachie (La Minotauromachie; Bloch 288) – 23.03.1935 – Radierung, Schabeiesen und Grabstichel auf Kupferplatte; 49,8x69,3 cm (Galerie Jan Kugler co, Genf)