Sozialgeschichte – Ein Arbeitsheft für die Schule, Band II
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Sozialgeschichte – Ein Arbeitsheft für die Schule, Band II
Sozialgeschichte Ein ArbEitshEft für diE schulE Band II: 1945 bis heute Besatzungszeit und Gründung zweier Staaten – DDR: Sozialpolitik im Sozialismus – BRD: Wirtschaftswunder und Sozialstaat Grenzen des Sozialstaats – Wiedervereinigtes Deutschland Reformen sichern die Zukunft – Sozialpolitik im Zeichen der Globalisierung Situation der Frau 1945 bis heute – Zu- und Auswanderung www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte Inhalt Einführung Sozialgeschichte im Unterricht Seite 3 Kapitel1:1945bis1949 Besatzungszeit und Gründung zweier deutscher Staaten 4 bis 9 Kapitel2:1949bis1990 DDR: Sozialpolitik im Sozialismus 10 bis 13 Kapitel3:1949bis1973 BRD: Wirtschaftswunder und Sozialstaat 14 bis 17 Kapitel4:1974bis1989 Grenzen des Sozialstaats 18 bis 21 Kapitel5:1990bis1998 Wiedervereinigtes Deutschland 22 bis 25 Kapitel6:1998bis2005 Reformen sichern die Zukunft 26 bis 30 Kapitel7:2005bisheute Sozialpolitik im Zeichen der Globalisierung 31 bis 37 Kapitel8:SituationderFrau1945bisheute Auf dem Weg zur Gleichberechtigung 38 bis 41 Kapitel9:Zu-undAuswanderung Deutschland – ein Land der Zu- und Auswanderer 42 bis 45 Arbeitsblätter Aufgaben zu den Kapiteln 1 bis 9 46 bis 54 Lösungen Antworten zu den Arbeitsblättern 55 bis 58 Das vorliegende Schülerheft „Sozialgeschichte Band II“ ist ein Begleitheft zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in der Wilhelmstraße 49 in Berlin. Unter www.in-die-zukunft-gedacht.de gibt es weitere Informationen. Bei www.bmas.de können auch die kostenlosen Publikationen zur Ausstellung bestellt werden (Rubrik „Service > Publikationen“, Suchwort: Sozialgeschichte). Grundlagentexte und Arbeitsblätter der Reihe „Sozialgeschichte“ sind kostenlos abrufbar auf den Internetseiten des Medienpakets „Sozialpolitik“ unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte. Weitere Hintergrundinformationen zu aktuellen sozialpolitischen Themen und Arbeitsmaterialien für den Unterricht sind in den Bereichen „Wissen“ und „Materialien“ zu finden. Zur leichteren Lesbarkeit wurde meist die männliche Schreibweise gewählt. Angesprochen sind natürlich immer Leserinnen und Leser! Impressum Herausgeber: Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales Verlag: Universum Kommunikation und Medien AG, Wiesbaden Redaktion: Florian Faderl, Frauke Hagemann (verantwortlich), Katja Rieger Bearbeitung der Texte: Christian Becker, Hildesheim, Stefanie Pietzsch, Wiesbaden Die für diese Ausgabe bearbeiteten Texte, Statistiken und Quellen zur Sozialgeschichte stammen vorwiegend aus dem Ausstellungskatalog „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, Bonn 2008 – Umsetzung: Hansen Kommunikation Collier GmbH, Köln. Fotos: AKG-Images (Titel, Seite 4, 14, 22, 42), Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz (Seite 38, 40), getty images (Seite 31), Keystone (Seite 44), Reuters (Seite 24), SV-Bilderdienst (Seite 8), Ullstein-Bild (Seite 6, 10, 16, 18, 20, 26, 39) Gestaltung: FREIsign GmbH, Eppstein Druck: Bonifatius Druck, Paderborn Barrierefreie PDF-Datei: Verlagsgesellschaft W. E. Weinmann, Filderstadt Stand: März 2014 Einführung Sozialgeschichte im Unterricht Das deutsche Sozialversicherungssystem, wie wir es heute kennen, hat sich über einen langen Zeitraum entwickelt. Das vorliegende Arbeitsheft vermittelt anhand historischer Ereignisse die stete Bedeutung der Sozialpolitik für die Gesellschaft und liefert einen Überblick über die sozialpolitischen Veränderungen in Deutschland und die globalen Einflüsse. Aufbauend auf dem bereits veröffentlichten Arbeitsheft Band I „Sozialgeschichte – Vom späten Mittelalter bis zum Zweiten Weltkrieg“ setzt diese Ausgabe in der deutschen Besatzungszeit ab 1945 ein. Von der Gründung der der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), über die deutsche Wiedervereinigung in den Jahren 1989/90 bis hin zur Gegenwart bietet das Arbeitsheft sozialgeschichtliche Informationen für den Schulunterricht. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 ist das System der sozialen Sicherung zerschlagen. Pläne über eine Wiedereinführung in ganz Deutschland scheitern aufgrund unterschiedlicher Auffassungen der Siegermächte. Einzig in Berlin gelingt es, eine einheitliche Versicherung für alle vier Besatzungszonen zu etablieren. Der Ost-West-Konflikt spiegelt sich auch in der unterschiedlichen Ausgestaltung der Sozialpolitik in den einzelnen Zonen des Landes wider. Die sowjetische Militärregierung setzt eine zentral gelenkte Einheitsversicherung für die Kranken-, Renten- und Unfallversicherung durch. Der Westen stützt sich hingegen auf das traditionelle gegliederte System mit den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung aus dem 19. Jahrhundert. Rund vier Jahre nach Kriegsende entstehen die Bundesrepublik Deutschland (BRD) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR). In der DDR übernimmt die Sozialistische Einheitspartei (SED) die sozialpolitische Entscheidungsgewalt. Erst mit der deutschen Wiedervereinigung entsteht ein gesamtdeutscher Sozialstaat, der bis zur heutigen Zeit Bestand hat, sich jedoch auch den globalen Herausforderungen vor allem in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt stellen muss. Über dieses Arbeitsheft Das Arbeitsheft „Sozialgeschichte“ eignet sich vor allem für den Einsatz in den Klassen 7 bis 10 an allgemeinbildenden Schulen und ergänzt die Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales in der Wilhelmstraße 49 in Berlin. Besonders Schulklassen sind in der kostenlosen Ausstellung willkommen (weitere Informationen zur Ausstellung siehe Rückumschlag). Wenn ein Ausstellungsbesuch geplant ist, kann das Arbeitsheft im Unterricht zur Vor- oder Nachbereitung eingesetzt werden. Die Schülerinnen und Schüler können das Arbeitsheft mit in die Ausstellung nehmen und vor Ort die Arbeitsblätter ausfüllen. Die Ausstellung selbst beziehungsweise der Ausstellungskatalog enthält alle weiterführenden Hinweise und Informationen zur Vertiefung der sozialgeschichtlichen Themen. Durch die umfangreichen Text- und Bildmaterialien kann das Arbeitsheft auch unabhängig von einem Ausstellungsbesuch im Unterricht eingesetzt werden. Es eignet sich vor allem für den Einsatz in den Fächern Geschichte, Wirtschaft und Politik. Es kann aber auch – beispielsweise im Hinblick auf das der Sozialpolitik zu Grunde liegende Menschenbild – im Religions- und Philosophieunterricht verwendet werden. Die verschiedenen Ansatzpunkte ermöglichen somit einen fachübergreifenden Einsatz des Angebots. Die Kapitel des Arbeitsheftes orientieren sich an den Zeiträumen der politischen Geschichte von 1945 bis in die Gegenwart. Zwei Themen werden in diesem Heft besonders in den Fokus gerückt: die Situation der Frauen ab 1945 sowie die Aus- und Zuwanderungsbewegungen von und nach Deutschland vom 19. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Zu jedem Kapitel gibt es ein Arbeitsblatt, mit dem die Schülerinnen und Schüler die Inhalte der Ausstellung und die Kapiteltexte selbstständig erarbeiten können. Aktuelle Arbeitsmaterialien bei „Sozialpolitik“ Die Grundlagentexte und Arbeitsblätter der Reihe „Sozialgeschichte“ können kostenlos auf der Internetseite www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte abgerufen werden. Weitere Hintergrundinformationen zu aktuellen sozialpolitischen Themen und Arbeitsmaterialien für den Unterricht sind in den Bereichen „Wissen“ und „Materialien“ zu finden. Das Medienpaket „Sozialpolitik“, bestehend aus Schülerheft, Arbeitsheften, Lehrerinformation, Foliensatz und Internetplattform, wird von der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erstellt. Schulen können die Schülerhefte in Klassensätzen kostenlos beziehen (Bestelladresse und weitere Informationen siehe Rückumschlag). 3 Kapitel1:1945bis1949 Besatzungszeit und Gründung zweier deutscher Staaten Das Jahr 1945 – die „Stunde null“ Deutschland ist militärisch, politisch und wirtschaftlich am Ende, woraufhin die deutsche Wehrmacht am 8. Mai 1945 den Kampf aufgibt und bedingungslos kapituliert. Einen funktionierenden deutschen Staat gibt es nicht mehr. Die verbündeten Großmächte (Alliierten) USA, Großbritannien, Sowjetunion und Frankreich übernehmen am 5. Juni 1945 die oberste Regierungsgewalt. Sie teilen Deutschland und die Hauptstadt Berlin in vier Besatzungszonen auf, die jeweils von amerikanischen, britischen, sowjetischen und französischen Truppen besetzt werden. In mehreren Konferenzen treffen die Alliierten Entscheidungen über eine Nachkriegsordnung für Europa und Deutschland, über Reparationsleistungen (Kriegsentschädigungen) und den Abbau wichtiger Industrieanlagen, zum Beispiel im Ruhrgebiet. Im August 1945 übernimmt der Alliierte Kontrollrat die gemeinsame Zonenverwaltung. Die Situation der deutschen Bevölkerung ist katastrophal. Viele deutsche Städte liegen in Schutt und Asche. Erwachsene und Kinder leiden unter den Folgen des Nationalsozialismus und des Krieges. Hunger, materielle Not, Energieknappheit und Wohnungsnot prägen das Bild der Zeit. Für die Sozialpolitik sind die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Wohnraum und Energie sowie die Eingliederung der Flüchtlinge, Kriegsheimkehrer und Kriegsinvaliden die bedeutendsten Aufgaben. Konferenz der „großen Drei“ in Potsdam Am 17. Juli 1945 treffen sich der amerikanische Präsident Harry S. Truman, der sowjetische Regierungschef Josef Stalin und der britische Regierungschef Winston Churchill zu einer Konferenz in Potsdam. Am 2. August 1945 vereinbaren die Alliierten im „Potsdamer Protokoll“, dass die deutsche Bevölkerung in allen Besatzungszonen gleich behandelt und Deutschland als wirtschaftliche Einheit angesehen werden soll. die „großen drei“ – churchill, truman und stalin auf der Potsdamer Konferenz im Jahr 1945. bild: fotografie, 1945. 4 Als wichtige Ziele der gemeinsamen Besatzungspolitik formulieren sie die vier „D“: • Demilitarisierung und Abrüstung – das heißt die Auflösung aller bewaffneten Verbände und militärischen Kriegervereine sowie die Schließung der Industriebetriebe für Kriegsproduktionen, Im März 1946 beschwört Winston Churchill in einer Rede das Bild vom „Eisernen Vorhang“, der von Stettin bis Triest über Europa niedergegangen sei.1 Mehr als vier Jahrzehnte wird der Kalte Krieg die Politik beherrschen. Kurz gefasst: politische begriffe • Denazifizierung – das heißt die Auflösung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP), die Aufhebung nationalsozialistischer Gesetze, die Verurteilung der Kriegsverbrecher und die Entfernung von Nationalsozialisten aus öffentlichen Ämtern beziehungsweise verantwortlichen Posten der Privatwirtschaft, • demokratie(Volksherrschaft):Staatsform,beiderdas VolkseineRegierungwählt • Demokratisierung – das heißt die Umgestaltung des politischen Lebens auf demokratischer Grundlage, die Zulassung aller demokratischen Parteien sowie die demokratische Erneuerung des Bildungs- und des Gerichtswesens, • Kapitalismus:Wirtschafts-undGesellschaftsordnung, inderdasKapital(Vermögen)privatenUnternehmern gehört, deren Ziel es ist, ein Maximum an Gewinn zu erzielen • Dezentralisierung – das heißt, die Verantwortung und Aufgaben der deutschen Wirtschaft und der Verwaltung werden auf verschiedene Stellen übertragen (keine zentrale Steuerung mehr). Beginn des Ost-West-Konflikts Die Gemeinsamkeiten der vier Siegermächte beruhen auf ihrem Kampf gegen das nationalsozialistische Deutschland. Nach Kriegsende brechen die unterschwelligen Gegensätze in der Anti-Hitler-Koalition (Zusammenschluss der Alliierten) auf. Die amerikanische Vorstellung einer Neuordnung Europas betont das Selbstbestimmungsrecht der Völker und schließt auch die Forderung nach einem freien Weltmarkt mit ein. Für die Sowjetunion dagegen ist Demokratie nicht ohne Überwindung des Kapitalismus vorstellbar; der Nationalsozialismus gilt als dessen typische Ausprägung. Umfangreiche Reparationen aus Deutschland sollen die schweren Kriegsschäden in Russland ausgleichen. Außerdem hat die Sowjetunion ein großes Sicherheitsbedürfnis und nimmt massiven Einfluss auf die Entwicklung der Staaten in Osteuropa. Dieser kommunistischen Politik mit polizeistaatlichen Mitteln wiederum trauen die Westmächte nicht. Die Verhandlungen zwischen den Alliierten in der Deutschlandfrage bleiben ergebnislos und münden schließlich in einen offenen Ost-West-Konflikt, der auch als „Kalter Krieg“ bezeichnet wird. 1 • faschismus: politische Bewegung, die demokratie-, fremdenfeindliche und rassistische Ideen vertritt und beiderdasVolksicheinemFührervollkommenunterwerfen soll, zum Beispiel der Nationalsozialismus in Deutschland • sozialismus: politische Lehre, die sich gegen den Kapitalismus richtet und durch Güterverteilung ein sozialesGleichgewichtherstellenmöchte • Kommunismus:aufdenSozialismusaufbauendeWeltanschauung, bei der alle Produktionsmittel und ErzeugnissederGesellschaftgemeinsamgehören • liberalismus: Weltanschauung, bei der die Freiheit desIndividuumsimMittelpunktsteht Zum Weiterlesen: Duden–DasHerkunftswörterbuch, www.hanisauland.de/lexikon, www.bpb.de/wissen/h75VXG.html Sozialversicherung: Kontinuität oder Neubeginn? Nach Kriegsende ist das System der sozialen Sicherung in Deutschland zerstört. Bereits im Herbst 1945 beraten die Alliierten über die Wiedereinführung der Sozialversicherungen. Ein gemeinsamer Entwurf der Besatzungsmächte, die Kranken-, Unfall- und Invalidenversicherung zu einer allgemeinen Versicherung zusammenzulegen, scheitert jedoch. Nur in Berlin gelingt es, für alle vier Zonen eine einheitliche Versicherung einzuführen. itiertnach:CinePlusLeipzigGmbH,BundeszentralefürpolitischeBildung(Herausgeber),in:DeutscheGeschichten1945–1949„KalterKrieg“ Z undTeilungDeutschlands,www.deutschegeschichten.de(Stand:November2009). 5 Das „Berliner Modell“ Am 1. Juli 1945 nimmt die Versicherungsanstalt Berlin ihre Arbeit auf. Die neue Berliner Sozialversicherung finanziert sich ausschließlich aus den Beiträgen ihrer Versicherten. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen jeweils zehn Prozent des Bruttoarbeitslohnes (Arbeitslohn vor Abzug der Steuern und Sozialversicherungsbeiträge) für die vereinigte Kranken-, Unfall-, Invaliden- und Altersversicherung. Der monatliche Höchstbetrag beträgt 50 Mark für eine Einzelperson und 200 Mark für eine Familie. Ab dem 1. November 1945 werden wieder Renten ausgezahlt. Im Jahr 1946 werden die Studentenversicherung, die Ausstellung von Versichertenausweisen und die Abrechnung der Kassenärzte nach Einzelleistungen statt Pauschalbeträgen eingeführt. Der Weg zur Teilung Bereits im Jahr 1945 beginnt die Sowjetunion mit einer umfassenden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umgestaltung ihrer Zone: Im Herbst 1945 werden Großgrundbesitzer mit Gütern über 100 Hektar entschädigungslos enteignet. Das Land geht an Bauern, Landarbeiter, Vertriebene und den Staat (Bodenreform). Im Juni 1945 werden im sowjetischen Sinne antifaschistisch-demokratische Parteien zugelassen. Die neu gegründeten Parteien Kommunistische Partei Deutschlands (KPD), Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), Christlich-Demokratische Union Deutschlands (CDU) und Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDP) schließen sich im Juli 1945 zur Einheitsfront der antifaschistisch-demokratischen Parteien (Block) zusammen. Im April 1946 werden KPD und SPD unter Druck der sowjetischen Militärverwaltung zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) vereinigt. Bis zum Frühjahr 1948 gehen in der sowjetisch besetzten Zone fast 10.000 Unternehmen aus dem Besitz aktiver Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher sowie Betriebe, die Wehrmachtsaufträge übernommen haben, in Volkseigentum über. Diese Volkseigenen Betriebe (VEB) bilden die Grundlage für eine staatlich gesteuerte Planwirtschaft, in der Wirtschaftsprozesse zentral gelenkt werden. Es gibt also keinen freien Wettbewerb wie in der Marktwirtschaft, in dem alle Unternehmen die gleichen Chancen haben, ihre Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Der Staat plant, was wann mit welchen Arbeitskräften, Materialien und Rohstoffen zu welchem Preis produziert werden soll. Auch die Löhne werden vom Staat festgelegt. 6 der amerikanische Außenminister Marshall ruft 1948 ein Wiederaufbauprogramm ins leben – den Marshallplan. bild: Plakat, 1949. In den Westzonen beginnen im Juni 1945 die Parteigründungen. Die Amerikaner und Briten stimmen der Gründung aller demokratischen Parteien ausdrücklich zu. Die Bizone im Westen Das wachsende Misstrauen zwischen Westalliierten und Sowjetunion, aber auch die sich ständig verschlechternde Wirtschaftslage Deutschlands beschleunigen die Teilung. Die USA und Großbritannien schließen am 1. Januar 1947 ihre beiden Zonen zu einer wirtschaftlichen Einheit, der Bizone, zusammen, der sich Frankreich wenig später anschließt (Trizone). Der amerikanische Außenminister George C. Marshall entwirft ein umfangreiches Wiederaufbauprogramm, das ab 1948 die Wirtschaft in Europa mit Krediten, Lebensmitteln, Rohstoffen und Waren wieder ankurbeln soll. Am 3. April 1948 tritt der nach seinem Erfinder benannte „Marshallplan“ in Kraft. Die Sowjetunion lehnt eine Teilnahme der sowjetischen Besatzungszone an diesem Programm ab. Auch die osteuropäischen Staaten nehmen nicht teil. Die Währungsreform und ihre Folgen Eine Währungsunion soll die wirtschaftliche Entwicklung in ganz Deutschland vorantreiben. Wegen des Zerwürfnisses zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion scheitert diese jedoch. Eine Währungsunion für alle Besatzungszonen ist nicht mehr möglich. Am 20. Juni 1948 verkünden die Westalliierten eine Währungsreform für ihre drei Zonen. Am 23. Juni 1948 folgt sie in der sowjetischen Besatzungszone. Die Sowjetunion sperrt daraufhin vom 24. Juni 1948 bis zum 12. Mai 1949 die Zonengrenze nach Westberlin. Während der Berlin-Blockade versorgen die Westalliierten die Stadt über eine Luftbrücke mit lebensnotwendigen Gütern. Ein echter „heißer Krieg“ wird zwar vermieden, jedoch ist Deutschland damit zu einem Hauptkampffeld des Kalten Krieges geworden. Die Weichen für die Gründung zweier deutscher Staaten, der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), sind gestellt. jetischen Besatzungszone. Eine Arbeitslosenversicherung wird bis zum Ende der DDR nicht eingeführt. Arbeitsrecht: Mit dem Tarifvertragsgesetz vom 9. April 1949 wird in den westlichen Besatzungszonen die Tarifautonomie eingeführt. Die Tarifautonomie sichert Arbeitgebern und Arbeitnehmern das Recht, die Arbeitsbedingungen und die Entlohnung ohne staatlichen Eingriff selbst zu regeln. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung einer sozialen Marktwirtschaft (siehe Kapitel 3), die den Bürgern durch Gesetze hilft, ihre Freiheitsrechte zu sichern, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und einen angemessenen Lebensstandard zu erreichen. In der sowjetischen Besatzungszone schreibt das neue Tarifgesetz von 1947 dagegen die Ausrichtung der Löhne und Arbeitsbedingungen an den staatlichen Planvorgaben der neu eingeführten Planwirtschaft fest. Betriebliche Mitbestimmung: Im Westen wird die entwertete Reichsmark durch die Deutsche Mark ersetzt. Mit der Einführung der D-Mark sind alle privaten Schulden erloschen. 60 Reichsmark können gegen 40 Deutsche Mark (DM) getauscht werden. Einen Monat später bekommt man noch einmal 20 DM. Im Osten werden zunächst alte Reichsmarkscheine mangels neuer Banknoten mit Coupons beklebt. Jeder Bürger bekommt 70 Ostmark sofort ausbezahlt. Aufgrund der Zwangsbewirtschaftung verbessert sich der Lebensstandard in den sowjetisch besetzten Zonen im Gegensatz zu Westdeutschland nicht merklich. In den westlichen Besatzungszonen werden die Gewerkschaften als Interessenvertretung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wieder zugelassen. Als Klassenorganisation der Arbeiterklasse wird in der sowjetischen Besatzungszone im Februar 1946 der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) gegründet. Er übernimmt unter anderem die Organisation der betrieblichen Sozialpolitik. Sozialversicherung: Die Teilung Deutschlands in der Sozialpolitik Der beginnende Ost-West-Konflikt führt auch zu getrennten Wegen der Besatzungsmächte in der Sozialpolitik. Während man zumindest in der amerikanischen und britischen Zone versucht, grundsätzliche Entscheidungen zu verschieben, setzt die sowjetische Militärverwaltung von Anfang an tief greifende Veränderungen in ihrer Besatzungszone durch. Im Januar 1947 führt die sowjetische Besatzungsmacht eine zentral gelenkte Einheitsversicherung für die Kranken-, Renten- und Unfallversicherung ein. Auch im Westen gibt es eine breite Diskussion um eine Einheitsversicherung. Befürworter und Gegner hoffen, nach dem Ende der Besatzungszeit gesetzgeberische Mehrheiten für ihre Position zu finden. Schließlich wird das traditionelle gegliederte System mit den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung aus dem 19. Jahrhundert fortgeführt. Arbeitsmarktpolitik: Krankenversicherung: Die Westalliierten knüpfen in ihren Besatzungszonen an die Arbeitsmarktpolitik der Weimarer Republik (1919 bis 1933) an. Das Recht auf Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenversicherung werden wieder eingeführt. Nach dem Krieg versucht zunächst jede Besatzungsmacht, den Krankenversicherungsschutz für die Menschen in ihrer Zone selbst zu regeln. In der britischen Zone werden einheitliche Leistungen und Beiträge eingeführt. In der amerikanischen Zone bleibt das bestehende System ebenfalls erhalten. Während in der französischen Zone nur allgemeine Ortskrankenkassen zugelassen und alle übrigen Kassen aufgelöst werden, entstehen in der britischen und der amerikanischen Zone auch private Krankenversicherungen. In der sowjetischen Besatzungszone steuert die sowjetische Militärverwaltung den Einsatz von Arbeitskräften. Diese Arbeitskräftelenkung bildet eine wichtige Grundlage für die Einführung einer Planwirtschaft in der sow- 7 Mit dem Zusammenschluss zur Bizone arbeiten die britischen und amerikanischen Zonenverwaltungen auch auf sozialpolitischer Ebene stärker zusammen. Gemeinsame rechtliche Regelungen sollen wieder zu mehr Einheitlichkeit im sozialen Sicherungssystem führen. Ein besonders wichtiger Schritt ist das Sozialversicherungsanpassungsgesetz, das am 17. Juni 1949 in Kraft tritt. Es legt fest, dass Beiträge zur Krankenversicherung je zur Hälfte von Arbeitnehmer und Arbeitgeber gezahlt werden. Ursprünglich (seit 1884) mussten Arbeitnehmer zwei Drittel und Arbeitgeber ein Drittel aufbringen. Die französische Militärregierung schließt sich dem Vorgehen der Amerikaner und Briten an. In der sowjetischen Besatzungszone gehört auch die Krankenversicherung zur sozialen Einheitsversicherung. Die freiberuflichen Ärzte und die private Krankenversicherung werden abgeschafft. Ein Netz von so genannten Polikliniken entsteht, in denen praktische Ärzte und Spezialisten gemeinsam die ambulante Versorgung übernehmen, für die im Westen die niedergelassenen Ärzte (Hausärzte) zuständig sind. BRD und DDR: zwei deutsche Staaten Am 8. Mai 1949 – vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges – wird das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (BRD) verabschiedet. Für dessen Ausarbeitung war der Parlamentarische Rat zuständig, der auf Anweisung der westlichen Siegermächte im Jahr zuvor gegründet worden war. Rund zwei Wochen später, am 23. Mai 1949, verkündet Konrad Adenauer als Präsident des Parlamentarischen Rates das Grundgesetz der BRD. Die Bundesrepublik Deutschland ist nun „ein demokratischer und sozialer Bundesstaat“ (Grundgesetz Artikel 20,1). Am 14. August 1949 wählen die Deutschen den ersten Bundestag in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl. Erster Bundespräsident wird Theodor Heuss (FDP), erster deutscher Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU). Adenauers politisches Ziel ist von Beginn an die Wiedervereinigung Deutschlands. Doch hauptsächlich will er gegenüber den Weststaaten die volle Integration und Souveränität Deutschlands erreichen, das heißt die staatliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Bundesrepublik. 2 8 der Präsident des Parlamentarischen rates, Konrad Adenauer, unterzeichnet 1949 das Grundgesetz der bundesrepublik deutschland. bild: fotografie, 1949. Als erster Bundesarbeitsminister bezieht Anton Storch (CDU) im Oktober 1949 in Bonn das neue Bundesministerium für Arbeit und ist in den nächsten acht Jahren für die Arbeits- und Sozialpolitik in der Bundesrepublik zuständig. Zu den Aufgabenbereichen des Arbeitsministeriums gehören die internationale Sozialpolitik, die Arbeits- und Sozialmedizin, die Arbeitsvermittlung, die Berufsberatung, die Arbeitslosenversicherung, das Arbeitsrecht, der Arbeitsschutz, die Gewerbeaufsicht sowie die Sozialversicherung und Kriegsopferversorgung. Im Jahr 1957 werden dem Ministerium zusätzlich Aufgaben der Sozialordnung2 übertragen. Das Ministerium wird in Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung umbenannt. Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) wird am 7. Oktober 1949 ohne Wahl und damit ohne demokratische Legitimation (Auftrag des Volkes) gegründet. Auch danach bestimmt die sowjetische Besatzungsmacht Tempo und Fortschritt der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung. Die Sozialistische Einheitspartei (SED) hat zu diesem Zeitpunkt bereits die Macht übernommen und die Sozialpolitik zur Sicherung ihrer Herrschaft gestaltet. DieSozialordnungeinesLandesbeschreibt,obundwieMenscheninNotlagenundbesonderenLebenslagengeholfenwird. die sozialsysteme der brd und ddr im Vergleich bundesrepublik deutschland (brd) Grundprinzip:FörderungdesFöderalismus(ZusammenschlussdereinzelnenZonen,diejedochweitgehendihre Eigenständigkeitbehalten) deutsche demokratische republik (ddr) Grundprinzip:übergeordneteZentralverwaltung • gegliedertesSozialversicherungssystem(Kranken-,Unfall-,Renten-,Arbeitslosen-undab1995Pflegeversicherung) • „StaatlicheVersicherungderDDR“alsEinheitsversicherung (Kranken-, Unfall-, Rentenversicherung zusammengefasst),einzigerVersicherungsträger • einzelne gesetzliche Versicherungsträger für Kranken-, Unfall-,Renten-undArbeitslosenversicherung • Sozialversicherungspflicht für alle Arbeitnehmer unabhängigvomEinkommen • S ozialversicherungspflicht für alle Arbeitnehmer bis zu einerPflichtgrenze • Finanzierung der Sozialversicherung hauptsächlich aus Beiträgen der Betriebe und aus dem Staatshaushalt, geringerProzentsatzvomBruttogehalt • FinanzierungdurchBeitragszahlungenderArbeitnehmer undderArbeitgeber(AusnahmeUnfallversicherung),an derenHöheundDauersichdieLeistungendesVersicherungsträgersorientieren • privateAbsicherungnichtmöglich • keineKrankenkassenwahl • zusätzliche private Absicherung für das Alter jederzeit möglich • „Intelligenzrente“ für Personen mit Hochschulqualifi- kation • freieKrankenkassenwahl • freiwilligeZusatzrentenversicherung,umüberfreiwillige BeiträgespäterhöhereRentenansprüchezuerwerben • W ahlmöglichkeitfürSelbstständigeundVersicherte,die überderSozialversicherungspflichtgrenzeliegen,obsie freiwilligindergesetzlichenoderineinerprivatenKrankenversicherungversichertseinwollen • Rentenvergünstigungen für „staatsnahe Angehörige“ wie Bergleute, Polizisten, Nationale Volksarmee, Zollbedienstete,LehreroderPolitiker • besonderesozialeAbsicherungfürBeamte ! Weiterführende informationen bei sozialpolitik.com: Rubrik„Politik“ Rubrik„Zeitleiste“:GesetzeundNeuerungen linktipps: DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(LebendigesvirtuellesMuseumOnline):www.dhm.de/lemo DeutscheGeschichten:www.deutschegeschichten.de Quellenhinweis: FürdiesesKapitelwurdennebendemAusstellungskatalog„IndieZukunftgedacht–BilderundDokumentezurDeutschenSozialgeschichte“des BundesministeriumsfürArbeitundSoziales,Bonn2008,auchfolgendeQuellenherangezogen:DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(Lebendiges virtuellesMuseumOnline):„Nachkriegsjahre“,www.dhm.de/lemo;DeutscheGeschichtenOnlinederCinePlusLeipzigGmbHinKoproduktionmit derBundeszentralefürpolitischeBildung,www.deutschegeschichten.de(Stand:November2009). 9 Kapitel2:1949bis1990 DDR: Sozialpolitik im Sozialismus Gründung eines zweiten deutschen Staates Im Mai 1949 tritt das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. In der sowjetischen Besatzungszone wird am 7. Oktober die Deutsche Demokratische Republik (DDR) als zweiter deutscher Staat gegründet. Von Anfang an übernimmt die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) die Macht. Die Verfassung der DDR wird nach ihren Vorgaben erarbeitet und am 7. Oktober 1949 zu geltendem Recht erklärt. An der Spitze stehen die SED-Vorsitzenden Wilhelm Pieck als Staatspräsident und Otto Grotewohl als Ministerpräsident. Doch der mächtigste Mann in der DDR ist Walter Ulbricht, der Generalsekretär des Zentralko- mitees der SED. Sie sichert ihre Parteidiktatur (Alleinherrschaft) durch die Gründung eines Ministeriums für Staatssicherheit im Januar 1950. Der Staatssicherheitsdienst („Stasi“) baut ein Netz aus Spitzeln auf, das aus der DDR einen Überwachungsstaat macht. Im Herbst 1950 finden die ersten Wahlen zur Volkskammer, der Volksvertretung in der DDR, statt. Die Wahlvorschläge der Parteien und Organisationen werden in einer Einheitsliste zusammengefasst. Die Bürgerinnen und Bürger können nur noch zustimmen oder ablehnen. Es werden 99,7 Prozent Ja-Stimmen abgegeben. Erklärtes Staatsziel der DDR ist der „Aufbau des Sozialismus“ nach sowjetischem Vorbild. Fortan werden die landwirtschaftliche und die industrielle Produktion Kindergartenkinder mit Mützen von soldaten der nationalen Volksarmee beim militärischen Gruß. bild: fotografie, 1970er-Jahre. 10 vom Staat geplant und gelenkt. In dieser Planwirtschaft der DDR gibt es keinen freien Wettbewerb. Was wann und wie mit welchen Arbeitskräften, Materialien und Rohstoffen produziert werden soll und darf, entscheidet ausschließlich der Staat. Auch die Löhne und Arbeitszeiten werden nach diesem Plan bestimmt. Private Unternehmen, kleine und mittlere Betriebe aller Wirtschaftsbereiche werden zentral verwaltet und nach und nach, auch mit Zwangsmitteln, verstaatlicht. Sozialpolitik als „Überbleibsel“ – Recht auf Arbeit Die SED-Führung geht davon aus, dass die sozialistische Planwirtschaft die Vollbeschäftigung garantiert und einen Lebensstandard sicherstellt, der die materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Menschen erfüllen kann. Sozialpolitik erscheint aus dieser Sicht nicht notwendig beziehungsweise ein Überbleibsel des Kapitalismus. Folgerichtig gibt es anders als in der BRD kein eigenständiges, staatliches Ministerium für Arbeit und Soziales und auch keine Arbeitslosenversicherung. Dennoch kommt auch die SED nicht ohne sozialpolitisches Handeln aus. Die bereits 1946 von der SED-Parteiführung verabschiedeten „Sozialpolitischen Richtlinien“ finden sogar Eingang in die erste Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1949. Im Mittelpunkt des sozialpolitischen Handelns der SED steht die DDR als Arbeitsgesellschaft: Erwerbstätigkeit soll das Leben des Staatsbürgers bestimmen. Am 1. Mai 1950 tritt das „Gesetz der Arbeit zur Förderung und Pflege der Arbeitskräfte, zur Steigerung der Arbeitsproduktivität und zur weiteren Verbesserung der materiellen und kulturellen Lage der Arbeiter und Angestellten“ in Kraft. Es garantiert das Recht auf Arbeit und leistungsgerechte Entlohnung. Es verankert die „führende Rolle der Arbeiterklasse in Staat und Wirtschaft“ und fixiert die Rechte der Gewerkschaften als die gesetzlichen Vertreter der Arbeiter und Angestellten. Hauptziel der SED-Sozialpolitik ist es, die Arbeitsfähigkeit der Staatsbürger zu erhalten und zu steigern. Arbeitsschutz- und Gesundheitspolitik spielen eine wichtige Rolle. Die Sozialleistungen im Betrieb werden ausgebaut. Volksaufstand und Mauerbau Die Ostwirtschaft steht Anfang der 1950er-Jahre am Rande des Ruins. Allein für die Reparationen (Kriegsentschädigungen) an die Sowjetunion waren 1.200 Industriebetriebe komplett demontiert worden. Fast alle staatlichen Mittel fließen deshalb in den Ausbau von Schwerindustrie, Polizei und Staatsapparat zulasten von Konsumgüterproduktion, Versorgungs- und Dienstleistungsbranchen. Statt der versprochenen Verbesserung der Lebensverhältnisse herrscht Mangelwirtschaft. Viele qualifizierte Arbeitskräfte fliehen in den Westen. Im Jahr 1953 beschließt das Zentralkomitee der SED eine Erhöhung der Arbeitsnormen: Für den gleichen Lohn soll mehr gearbeitet werden. Dieser Beschluss soll die Wirtschaft stärken, steigert aber die Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Am 17. Juni gehen die Berliner Bauarbeiter auf die Barrikaden. Die DDR-Führung reagiert hilflos. Als aus dem Arbeiteraufstand ein Volksaufstand wird, schlagen sowjetische Truppen den Aufstand nieder. 1961 greift die SED-Führung zu einer radikalen Maßnahme, um die Massenflucht aus der DDR zu beenden: Am 13. August 1961 lässt sie die innerdeutsche Grenze abriegeln. Der Bau der Berliner Mauer beginnt. Die Grenzanlagen teilen Deutschland bis 1989. Beim Versuch zu fliehen, werden mindestens 136 Menschen getötet und tausende inhaftiert. Die politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse festigen sich Der Bau der Mauer und die Abriegelung der Grenzen stabilisieren zunächst die politische und wirtschaftliche Lage der DDR. Im Jahr 1964 erneuert die SED die Planwirtschaft: Die Volkseigenen Betriebe (VEB) erhalten mehr Selbstverantwortung, und Arbeitern werden Prämien für mehr Leistung angeboten. Durch dieses „Neue Ökonomische System der Planung und Leitung“ (NÖSPL) steigt die Produktivität der Wirtschaft, der Lebensstandard der Menschen verbessert sich. Ulbrichts Politik setzt auf Neuerung und Investitionen, um die Arbeitsproduktivität zu erhöhen. Diesen wirtschaftspolitischen Zielen wird die Sozialpolitik untergeordnet. Ende der 1960er-Jahre werden die Neuerungen wieder zurückgenommen, weil die SED-Führung um ihre Machtstellung fürchtet. In der neuen Verfassung von 1968 werden der Führungsanspruch der SED und das Selbstverständnis der DDR als „Sozialistischer Staat deutscher Nation“ festgeschrieben. Das Recht des Bürgers „auf Schutz seiner Gesundheit und Arbeitskraft“ wird als Ziel sozialistischer Sozialpolitik mit aufgenommen. Die Sozialversicherung als Einheitsversicherung Die Sowjetische Militäradministration (SMAD) hatte bereits 1947 die fünf Sozialversicherungen in eine zentral gelenkte Einheitsversicherung umgewandelt. 1951 wird die Führung und Kontrolle dieser Einheitsversicherung dem Freien Deutschen Gewerkschaftsbund (FDGB) übergeben. Er betreut ausschließlich die Arbeiter und Angestellten. Bauern, Handwerker, selbstständig Erwerbstätige und Unternehmer sowie freiberuflich Tätige werden in der Deutschen Versicherungsanstalt zusammengefasst, die später in „Staatliche Versicherung der DDR“ umbenannt wird. 11 In der Sozialversicherung sind alle Arbeitnehmer pflichtversichert. Sie wird hauptsächlich aus Beiträgen der Betriebe und aus dem Staatshaushalt finanziert und nur zu einem geringen Prozentsatz vom Bruttogehalt der Arbeitnehmer. Die Leistungen umfassen freie Behandlung, Krankengeld, Schwangerschaftshilfe, Wochenhilfe und Sterbegeld. Es werden Renten im Alter, bei Invalidität (Berufsunfähigkeit), für die Folgen von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten und für die Hinterbliebenen gezahlt sowie Kuren, Vorsorgemaßnahmen und Rehabilitation. Es gibt keine freie Krankenkassenwahl. Eine private Absicherung ist nicht möglich. Betreuung der Kinder ist kostenlos. Die Kostenanteile an der Kinderspeisung werden vom Staat beigesteuert. Der Schwangerschaftsurlaub wird bis 1976 von 18 auf 26 Wochen bei voller Zahlung des Nettodurchschnittsverdienstes ausgedehnt. Eine Geburtenbeihilfe von 1.000 Mark wird pro Kind gezahlt. Das staatliche Kindergeld, 1958 eingeführt, beträgt 1987 für das erste Kind 50, für das zweite Kind 100 Mark und 150 Mark im Monat für jedes weitere Kind. Für vollbeschäftigte Mütter mit drei und mehr Kindern bis zu 16 Jahren wird die 40-Stunden-Woche und ein Mindesturlaub von 21 Tagen eingeführt. Es besteht grundsätzlich Kündigungsschutz. Machtwechsel und Aufwertung der Sozialpolitik Rentner sind die Verlierer Erich Honecker verdrängt 1971 Walter Ulbricht aus seiner Führungsrolle in der SED und wird Erster Sekretär des Zentralkomitees der Partei. Bis zur Wende 1989 bleibt er der mächtigste Mann in der DDR. Auf ihrem achten Parteitag verkündet die SED die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“. Honecker setzt auf höhere Sozial- und Konsumausgaben. Er hofft, auf diese Weise die Arbeitsmotivation der Menschen und damit die Produktivität der Betriebe steigern zu können. Die wachsende Wirtschaft soll die höheren Staatsausgaben (re)finanzieren. Die Steigerung der Sozialleistungen wird zum „Markenzeichen des Sozialismus in der DDR“. Das Einkommen aller Beschäftigten erhöht sich im Verlauf der 1960er-Jahre beträchtlich, doch stehen dieser Steigerung nicht gleichermaßen mehr Waren und Dienstleistungen gegenüber. In vielen Bereichen bestehen Versorgungslücken. Arbeitskräfte gesucht – Frauen und Familien profitieren In der Planwirtschaft der DDR gibt es statistisch so gut wie keine Arbeitslosigkeit – im Gegenteil: Es fehlen Arbeitskräfte. Das liegt einerseits an der „Republikflucht“ bis zum Bau der Mauer, andererseits bekommen die Menschen in der DDR wie in der BRD seit den 1960er-Jahren weniger Kinder, und der Anteil der Rentner in der Gesellschaft wächst. Um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken, richtet sich die Sozialpolitik mit vielen Leistungen an Frauen und Mütter und fördert deren Berufstätigkeit. Im Jahr 1989 hat die DDR eine Frauenerwerbsquote von 82,4 Prozent. Bei Eheschließung gewährt der Staat einen Ehekredit von 5.000 Mark mit einem Rückzahlungserlass bei Geburt von Kindern. Kinderkrippen und Kindergärten sowie Einrichtungen für Mütter und Kinder werden ausgebaut. Alle Eltern können für ein Kind bis zum dritten Lebensjahr einen Platz in einer Kinderkrippe oder für ein Kind vom vierten bis sechsten Lebensjahr einen Platz in einem Kindergarten erhalten. Die Kinder werden dort vom frühen Morgen bis zum Abend betreut. Die 12 Verglichen mit den Erwerbseinkommen sind die Renten sehr niedrig. Es gibt keine jährliche Anpassung an die allgemeine Einkommensentwicklung wie in der BRD mit der dynamischen Rente seit 1957. Die Mindestrenten werden aufgrund von besonderen Parteibeschlüssen von Zeit zu Zeit angehoben. Für „staatsnahe Angehörige“ gibt es Rentenvergünstigungen. In den 1960er-Jahren beträgt die Höhe der durchschnittlichen Altersrente nur 36 Prozent der Nettolöhne. Sie verbessert sich in den 1970er-Jahren durch mehrere Rentenerhöhungen auf 45 Prozent, sinkt in den 1980er-Jahren aber wieder auf 41 Prozent ab. 1989 beträgt die durchschnittliche monatliche Altersrente 555,42 Mark. Die Menschen der Generation, die nach Kriegsende den Staat DDR „aus Ruinen aufgebaut“ hatten, sind im Alter nicht selten arm. Viele nutzen deshalb die Möglichkeit, als Rentner die DDR zu verlassen. Sie erhalten aus dem westdeutschen Rentensystem ihre Rente, was den Staatshaushalt der DDR entlastet. Verbraucherpreise und Kaufkraft in der ddr, stand: 1985 Verbraucher- zum Kauf erforderpreis liche Arbeitszeit Ost-Mark Stunde Minute 1FahrtmitderStraßenbahn 0,20 2 1kgMischbrot 0,70 7 75kWhStrom 7,50 1 20 1kgButter 9,20 1 40 57,00 13 30 100,00 18 1Kühlschrank 1.525,00 272 1Farbfernseher 5.650,00 1.001 24.500,00 4.375 Mietefür2-Zimmer-Neubau mitK,D,B,Zentralheizung 1kgKaffee 1Pkw Quelle:ZahlenspiegelBRD/DDR,herausgegebenvomBundesministeriumfürinnerdeutscheBeziehungen,3.Auflage,Bonn1988. Das politische System der DDR zerbricht Trotz der „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ verbessern sich die Lebensbedingungen der DDR-Bevölkerung nicht nachhaltig. Auch die Einnahmen und Ausgaben der Sozialversicherung klaffen im Laufe der Jahre immer weiter auseinander. Die DDR nimmt im westlichen Ausland Kredite auf und verschuldet sich permanent. In der Sowjetunion leitet der neue Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU), Michail Gorbatschow, ab 1985 Reformen ein. Nach dem Grundsatz „Glasnost“ (Transparenz) gewährt die neue politische Führung Meinungs- und Pressefreiheit. Unter dem Namen „Perestroika“ (Umbau) setzt Gorbatschow eine politische und wirtschaftliche Öffnung durch. Die SED will diesen Weg nicht mitgehen und hält an ihrer Linie fest. Die Fälschung der Kommunalwahlen im Mai 1989 und die darauf einsetzenden Proteste leiten schließlich die Endphase des Niedergangs der DDR ein. Im Sommer 1989 öffnet Ungarn seine Grenze zu Österreich. Viele DDR-Bürger fliehen in den Westen. Allein am 19. August 1989 überqueren 800 Menschen beim „Paneuropäischen Picknick“ nahe der ungarischen Stadt Sopron die offene Grenze. Vor der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland (BRD) in Prag suchen mehrere tausend DDR-Bürger Zuflucht. Am 30. September 1989 verkündet der Bundesaußenminister der BRD, Hans-Dietrich Genscher, den Wartenden, dass ihre Ausreise genehmigt wird. ! „Wir sind das Volk!“ Am 7. Oktober 1989 feiert die DDR ihr 40-jähriges Bestehen. Die Festlichkeiten können allerdings nicht vom offensichtlichen Unmut der Bevölkerung ablenken. Auf Demonstrationen in Ostberlin, Leipzig, Dresden, Potsdam und vielen anderen Städten werden von den Bürgern Reformen, Reisefreiheit und freie Wahlen gefordert. Am 16. Oktober 1989 demonstrieren in Leipzig über 100.000 Menschen, eine Woche später mehr als 300.000. Mit den Rufen „Wir sind das Volk!“ und „Wir bleiben hier!“ fordern die Demonstranten Reformen. Honecker wird innerhalb der SED entmachtet und tritt am 18. Oktober zurück. Nachfolger wird Egon Krenz. Hunderttausende demonstrieren weiter und fordern freie Wahlen, die Abschaffung des Machtmonopols der SED und des Ministeriums für Staatssicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Presse-, Meinungs- und Reisefreiheit. Am 9. November 1989 wird überraschend die Grenze zur Bundesrepublik und nach Westberlin geöffnet. Erste freie Wahlen und Wiedervereinigung Die ersten demokratischen freien Wahlen in Ostdeutschland finden am 18. März 1990 statt. Bereits am 1. Juli 1990 tritt die Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion beider deutscher Staaten in Kraft. Die Zwei-plus-Vier-Verhandlungen zwischen den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und den beiden deutschen Regierungen machen den Weg frei für den Einigungsvertrag. Am 3. Oktober 1990 ist Deutschland wieder vereint. Weiterführende informationen bei sozialpolitik.com: Rubrik„Politik“ Rubrik„Zeitleiste“:GesetzeundNeuerungen L DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(LebendigesvirtuellesMuseumOnline):www.dhm.de/lemo DeutscheGeschichten:www.deutschegeschichten.de Special„DamalsimOsten“:www.mdr.de/damals Special„DamalsnachderDDR“:www.mdr.de/damals-nach-der-ddr/zeitreise Dossier„DeutscheTeilung–DeutscheEinheit“:www.bpb.de Online-Kurs„Deutschlandgestern–heute–morgen“:www.wir-in-ost-und-west.de Quellenhinweis: FürdiesesKapitelwurdennebendemAusstellungskatalog„IndieZukunftgedacht–BilderundDokumentezurDeutschenSozialgeschichte“des BundesministeriumsfürArbeit und Soziales, Bonn 2008, und der ergänzenden Websitewww.in-die-zukunft-gedacht.deauch folgendeQuellen herangezogen:BundeszentralefürpolitischeBildung:Dossier„DeutscheTeilung–DeutscheEinheit“:www.bpb.de;SpecialdesMDR:„Damalsim Osten“,www.mdr.de/damals(Stand:Oktober2010). 13 Kapitel3:1949bis1973 BRD: Wirtschaftswunder und Sozialstaat 1950er-Jahre: soziale Marktwirtschaft und Wirtschaftswunder Bereits vor Gründung der BRD wird die Idee der sozialen Marktwirtschaft im westlichen Nachkriegsdeutschland realisiert. Verantwortlich dafür ist der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft in der amerikanisch-britischen Besatzungszone, Ludwig Erhard, später erster Bundeswirtschaftsminister der BRD (1949 bis 1963, CDU). Trotz Bedenken bei den Besatzungsmächten, den Gewerkschaften und vielen Politikern lässt er sich nicht von seinem Ziel „Wohlstand für alle!“ abbringen. Gemeinsam mit dem Ökonom Alfred Müller-Armack entwickelt er das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft, die auf freiem Wettbewerb, Konsumentenfreiheit und sozialem Ausgleich basiert. Das heißt, der Staat gestaltet den Rahmen für einen freien, fairen Markt, in dem jeder Einzelne nicht nur auf seine individuelle Leistungsfähigkeit angewiesen ist, sondern in Notsituationen mit der Unterstützung der Allgemeinheit rechnen kann. Auf diesem Prinzip beruht unser Wirtschaftssystem noch heute. träge auf ein persönliches Rentenkonto eingezahlt und so Kapital für das Alter angespart (Kapitaldeckungsverfahren). Doch der Zweite Weltkrieg hatte die Beitragsreserven der Gesetzlichen Rentenversicherung vernichtet. Im so genannten Generationenvertrag finanzieren künftig die aktiven Arbeitnehmer mit ihren Beiträgen die Renten der Ruheständler und erwerben dadurch ihrerseits einen Rechtsanspruch, im Alter selbst Rente zu beziehen (Umlageverfahren). Die Währungsreform, die Einführung der sozialen Marktwirtschaft, der Marshallplan, der immense Arbeitskräftebedarf für den Wiederaufbau und die Reformierung der sozialpolitischen Gesetze bereiten der Bundesrepublik Deutschland in den 1950er-Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung. Das Wirtschaftswunder beginnt. Parallel zur Währungsreform führt Erhard im Juni 1948 das „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“ ein. Preiskontrollen werden gelockert, die staatlich kontrollierte Bewirtschaftung wird aufgehoben. Für Güter wie Kohle, Stahl und Treibstoff gelten jedoch weiterhin Preisbindungen, ebenso für Grundnahrungsmittel und Mieten. Das traditionelle soziale System des 19. Jahrhunderts wird wieder eingeführt und damit der Grundstein des heutigen Sozialstaates gelegt. Bis zum Jahr 1950 sind die einzelnen Zweige – die Kranken-, Unfall-, Alters- und Arbeitslosenversicherung – bundesweit wieder gesetzlich verankert. 1950 übernimmt auch Westberlin, das sich zunächst für eine Einheitsversicherung entschieden hatte, dieses System. Das heute noch existierende Rentensystem gibt es seit dem Jahr 1957: Adenauer führt eine einkommensbezogene Altersrente in Höhe von 60 Prozent der durchschnittlichen Bruttolöhne aller versicherungspflichtigen Beschäftigten ein. Gleichzeitig wird eine Dynamisierung der Renten beschlossen, also eine regelmäßige Anpassung an die Bruttolöhne der Arbeitnehmer. Er trifft außerdem eine folgenreiche Entscheidung für die Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung: Vorher hatte jeder Arbeitnehmer seine Versicherungsbei14 der deutsche Gewerkschaftsbund startet im Jahr 1956 eine Kampagne zur Einführung der fünftagewoche. bild: Plakat, 1956. sozialpolitische Errungenschaften der jungen brd • Am 9. April 1949 tritt das tarifvertragsgesetz in Kraft. Es regelt das Recht, nach dem Arbeitgeber und ArbeitnehmerArbeitsbedingungenundEntlohnungohnestaatlichen Eingriff selbst aushandeln (Tarifautonomie). Im Jahr1949liegendieStundenlöhnezwischen59Pfennig und1,77DeutschenMark(DM),Monatsgehälterzwischen 175DMund531DM.Frauenverdienenprinzipiellweniger,meistwerdensienacheinem„Frauenlohn“bezahlt. • Am 13. Oktober 1949 gründen 16 Einzelgewerkschaften in München den deutschen Gewerkschaftsbund (dGb) alsihrenDachverband.ErsterVorsitzenderdesDGBwird HansBöckler. • Am 21. Mai 1951 tritt das Montan-Mitbestimmungsgesetz in Kraft. Es regelt die paritätische Mitbestimmung derArbeitnehmerinKapitalgesellschaftendesBergbaus und der Eisen- und Stahlindustrie nach dem Grundsatz „GleichberechtigungvonKapitalundArbeit“.Mitparitätischistgemeint,dassderAufsichtsratderUnternehmen jezurHälftemitArbeitnehmervertreternundAnteilseignern/Aktionärenbesetztwird.DerAufsichtsratsvorsitzendewirdvonbeidenSeitengewähltundmussneutralsein. • Abdem10.August1951giltfürArbeitnehmereingesetzlicher Kündigungsschutz,dendasKündigungsschutzgesetz vorschreibt. Kündigungsfristen müssen nun eingehaltenwerden,Kündigungsgründegerechtfertigtsein. • Am24.Januar1952trittdasMutterschutzgesetzinKraft. EsschütztwerdendeMüttervorKündigungundführtGeldleistungenfürdieZeitvorundnachderEntbindungein. • Abdem11.Oktober1952giltdasbetriebsverfassungsgesetz (betrVG), das eine bundesweite einheitliche RegelungfürBetriebsrätevorsiehtunddieMitbestimmung für alle Unternehmen außerhalb der Bergbau-, Eisen- undStahlindustrie(Montanindustrie)einheitlichregelt. • Am 15. Januar 1955 entscheidet das Bundesarbeitsgericht: gleicher tariflohn für frauen. Bis „Frauenlohngruppen“ ganz aus den Tarifverträgen verschwinden, dauertesjedochnochJahrzehnte. • IneinemfeierlichenAkterklärendieVertreterderAlliierten(USA,GroßbritannienundFrankreich)dieBundesrepublikam5.Mai1955offiziellfürsouveränundbeenden denBesatzungszustand.DieBRDhatdamitihresouveränität – die staatliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit–erreicht. • 1.Mai1956:„SamstagsgehörtVatimir“–mitdieserKampagnefordertderDGBindiesemJahrdieEinführungder fünftagewoche mit acht Stunden täglicher Arbeitszeit. Schrittweise wird diese Forderung in den Folgejahren nachetlichenStreiksumgesetzt. • Am 23. Februar 1957 tritt ein neues rentengesetz in Kraft. Es ist die erste große Rentenreform in der GeschichtederRentenversicherung. • MitderUnterzeichnungderRömischenVerträgegründen Belgien,Frankreich,Italien,Luxemburg,dieNiederlande und die Bundesrepublik Deutschland am 25. März 1957 die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die EWGistderVorläuferderheutigenEuropäischenUnion (EU). • Am 1. Juli 1958 tritt das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft, das die Gleichberechtigung von Frau und Mann inEheundFamiliegesetzlichverankert.FrauengewinnenRechtedazu,MännermüssenEinschränkungenhin- nehmen. 15 1960er- bis 1970er-Jahre: Wohlstand und „Sozialinvestitionen“ Wirtschaftswachstum und Wohlstand sind in den 1950er-Jahren die Eckpfeiler der Sozialpolitik. Bis zum Jahr 1961 sinkt die Arbeitslosenquote auf unter ein Prozent, die Vollbeschäftigung ist damit erreicht. Produktion und Export steigen weiter. Der fortsetzende wirtschaftliche Aufschwung ermöglicht den weiteren Ausbau zahlreicher sozialer Sicherungsleistungen. In den 1960er-Jahren werden jedoch zunehmend die Grenzen des Sozialstaats hinterfragt und Warnungen vor einem „Versorgungsstaat“ laut. Der Ausbau geht dennoch weiter. „Sozialinvestitionen“ ist ein Schlagwort dieser Zeit. Zunächst werden die Leistungen, beispielsweise in der gesetzlichen Krankenversicherung, noch erweitert: Sie finanzieren nun auch Vorsorge- und Früherkennungsmaßnahmen. Außerdem wird die Ausstattung der Kliniken verbessert. Ein neues Gesetz zur gesetzlichen Unfallversicherung garantiert, dass auch Schüler und Studierende unfallversichert sind. Die Versicherung greift bei Unfällen, die sich in der Schule oder am Arbeitsplatz beziehungsweise auf dem Weg dorthin und zurück ereignen, sowie bei Berufskrankheiten. Außerdem verbessert das Rehabilitationsangleichungsgesetz die Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation (Wiederherstellung, Eingliederung) von Menschen mit Behinderungen. Anfang der 1960er-Jahre reformiert der Bundestag das Armen- und Fürsorgerecht, das noch aus der Weimarer Republik stammt, und führt 1961 die Sozialhilfe ein. Sie soll Menschen in Not existenziell absichern. Ihre Leistungen können aus Geld-, Sach- und Dienstleistungen (zum Beispiel Beratung) bestehen. Bevor Sozialhilfe bewilligt wird, müssen jedoch alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sein, und es darf kein eigenes Einkommen beziehungsweise Vermögen mehr zur Verfügung stehen. die zunehmende Motorisierung unterstreicht den wachsenden Wohlstand in den 1950er-Jahren: Am 5. August 1955 läuft der einmillionste VW-Käfer vom band. bild: fotografie, 1955. 16 Im Jahr 1975 erreicht der Sozialstaat seine Grenzen: Ölpreisschock und Strukturwandel verringern das Wirtschaftswachstum und lösen eine Rezession (wirtschaftlicher Abschwung) aus. Die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Auch die Zahl der Rentner wächst, ihre rechtlichen Ansprüche sind durch die Rentenreform gestiegen. Infolgedessen steigen die Sozialausgaben, während die Einnahmen sinken. S • D erMindesturlaubfüralleArbeitnehmergiltab1.Januar 1963undistimBundesurlaubsgesetzfestgeschrieben. • Ab dem 27. Juli 1969 sichert das lohnfortzahlungsgesetz den Arbeitnehmern bei Krankheit den vollen Lohn fürsechsWochen. • Schüler und Studenten können seit dem 1.Juli 1970 finanzielle Förderung beantragen. Grundlage ist das ersteAusbildungsförderungsgesetz. • Am15.Januar1972wirddasbetriebsverfassungsgesetz reformiert. Die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften erhaltenmehrRechteimBetrieb. • Mit der zweiten rentenreform vom 16.Oktober 1972 öffnet sich die Rentenversicherung für Selbstständige undHausfrauen.SieschafftzudemeineRentenachMin- desteinkommen und führt die flexible Altersgrenze mit 63Jahrenein. • Am18.März1971werdenSchüler,StudentenundKinder in Kindergärten in die gesetzliche unfallversicherung aufgenommen. ! Weiterführende informationen bei sozialpolitik.com: Rubrik„Politik“ Rubrik„Berufswelt“ Rubrik„Zeitleiste“:GesetzeundNeuerungen L BundeszentralefürpolitischeBildung/Themen/Geschichte/BundesrepublikDeutschland:www.bpb.de DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(LebendigesvirtuellesMuseumOnline):www.dhm.de/lemo DeutscheGeschichten:www.deutschegeschichten.de ZeitOnline„ChronikderEreignisse“:www.zeit.de/2006/08/i_Zeitleiste_1946-1966 DeutscherGewerkschaftsbund„GeschichtedesDGB“:www.60-jahre-dgb.de Hans-Böckler-Stiftung„60JahreTarifvertragsgesetz“:www.boeckler.de Goethe-Institut„DeutscheStars–InnovationenmadeinGermany“:www.goethe.de/ges/mol/typ/de10148255.htm Quellenhinweis: FürdiesesKapitelwurdennebendemAusstellungskatalog„IndieZukunftgedacht–BilderundDokumentezurDeutschenSozialgeschichte“des BundesministeriumsfürArbeitundSoziales,Bonn2008,auchfolgendeQuellenherangezogen:DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(Lebendiges virtuellesMuseumOnline):„1949–1989“,www.dhm.de/lemo;DeutscheGeschichten,CinePlusLeipzigGmbHinKoproduktionmitderBundeszentralefürpolitischeBildung,www.deutschegeschichten.de;BundeszentralefürpolitischeBildung:Dossier„GrundgesetzundParlamentarischer Rat“undPocket„Zeitgeschichte1945–2000“,Bonn2008,www.bpb.de;Hans-Böckler-Stiftung:„60JahreTarifvertragsgesetz“,Düsseldorf2009, www.boeckler.de;DeutscherGewerkschaftsbund:„60JahreDeutscherGewerkschaftsbund“,Berlin2009,www.dgb.de;DeutscheBundesbank: „Währungsreform1948“,Frankfurt2007,www.bundesbank.de(Stand:Januar2010). 17 Kapitel4:1974bis1989 Grenzen des Sozialstaats 1970er-Jahre Strukturwandel und steigende Arbeitslosigkeit In den 1950er-Jahren ist Arbeitslosigkeit nahezu unbekannt. 20 Jahre später nimmt sie jedoch aufgrund des Wandels in der Wirtschaft und der Gesellschaft stetig zu. Im Jahr 1970 gibt es noch nicht einmal 150.000 Arbeitslose, im Jahr 1975 wird schon die siebenfache Menge gezählt: Mehr als eine Million Menschen haben keine Arbeit. Bis Mitte der 1980er-Jahre verdoppelt sich die Zahl noch einmal auf über zwei Millionen. Zusammen mit anderen Industrienationen erlebt Deutschland einen massiven Strukturwandel von der Industriegesellschaft hin zur Dienstleistungsgesellschaft. Zudem setzt auch ein technologischer Wandel ein. Roboter und erste Computer ersetzen zunehmend die menschliche Arbeitskraft. Arbeitsplätze fallen in dieser Zeit in allen Bereichen weg, vor allem aber in der Industrie und der Landwirtschaft. Mitte der 1970er-Jahre gibt es mehr Angestellte und Beamte als Arbeiter. Zugleich steigen die Ansprüche an den Bildungsstand und die berufliche Qualifikation. Ungelernte haben immer weniger Chancen auf einen Arbeitsplatz. Sozialpolitische Sparmaßnahmen Sozialstaatliche Errungenschaften wie die Rentenreform müssen schon wenige Jahre nach ihrer Umsetzung nachgebessert werden. Durch die Einführung der „flexiblen Altersgrenze“ (1972) ist die Zahl der Rentner gestiegen. Gleichzeitig haben sie größere rechtliche Ansprüche, was ebenfalls die Sozialausgaben belastet. in den 1970er-Jahren werden Arbeitsabläufe vermehrt technisiert. bild: rechenzentrum der bundespost, fotografie, 1974. 18 Hinzu kommt, dass die Einnahmen der Arbeitslosenversicherung wegen der zunehmenden Arbeitslosigkeit sinken, denn Sozialversicherungsbeiträge zahlen nur diejenigen, die Arbeit haben. Erste Sparmaßnahmen werden schließlich im Jahr 1976 durchgesetzt: Die Rentenanpassung an die Löhne wird verzögert, das heißt, die Renten steigen nicht mehr, so wie es festgelegt war, parallel zu den Löhnen. Außerdem werden Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gesenkt. Eine Beteiligung der Versicherten an den Kosten der Krankenversicherung wird eingeführt (Eigenbeteiligung). um ihre Belange kümmert. In der Sozialpolitik entsteht aus dieser Debatte der Begriff „Neue Soziale Frage“, in Anlehnung an die „Soziale Frage“ des 19. Jahrhunderts, welche durch die Industrielle Revolution ausgelöst worden war. Ab dem Jahr 1975 wird erstmals auch für jedes erste Kind ein Kindergeld eingeführt und in den folgenden Jahren erhöht. Bis 1982 verzehnfachen sich die Kindergeldzahlungen. Mit dem Mutterschaftsurlaubsgesetz von 1979 bekommen Mütter sechs Monate lang ein Mutterschaftsgeld von 750 DM pro Monat. Zudem erhalten Mütter einen besonderen Kündigungsschutz. Ziel ist die rechtliche Besserstellung von (berufstätigen) Müttern. Die „Neue Soziale Frage“ Neben dem Aus- und Umbau der Sozialversicherungen auf der einen Seite löst die Forderung nach mehr Unterstützung für Familien und Kinder auf der anderen Seite laute Diskussionen aus. Gefördert und abgesichert werden vorwiegend diejenigen, die im Berufsleben stehen. Mütter, die nicht arbeiten, und kinderreiche Familien sind im Nachteil. Sie haben keine Organisation (wie die Gewerkschaften für die Arbeitnehmer), die sich Wichtige Ereignisse und politische Aktionen in den 1970er-Jahren • umweltschutz:WährendderUmweltschutzAnfangder 1970er-JahreeheralsregionaleFragegesehenwird, fordern neue weltweite Bewegungen für den Schutz vonLuft,Wasser,Boden,Pflanzen-undTierweltinternationaleMaßnahmen.DerSchutzderUmweltwirdein wichtigesThemainderPolitik. • frauenbewegung:Das1975vonderUNOausgerufene „JahrderFrau“verschafftdenautonomenFrauenbewegungen mehr Anerkennung. Sie organisieren sich ineinemNetzwerkvonpersönlichenKontakten,ohne festeStrukturoderDachverband.IhrepolitischenZiele versuchensiezusammenmitanderensozialenBewegungendurchzusetzen. • s chwangerschaftsabbruch:NachlangenAuseinandersetzungenwird1976eineIndikationslösungbeschlossen. Danach ist straffreier Schwangerschaftsabbruch innerhalbeinerbestimmtenZeitspanneundunterbestimmtenVoraussetzungenmöglich. • terror: Im Jahr 1977 erschüttern mehrere terroristische Gewaltaktionen der Rote Armee Fraktion (RAF) die Bundesrepublik. Der damalige ArbeitgeberpräsidentHannsMartinSchleyerwirdentführtundermordet. 19 1980er-Jahre Regierungs- und Kurswechsel Auch Anfang der 1980er-Jahre sind wirtschafts- und sozialpolitische Sparmaßnahmen nötig: Die Staatsverschuldung und die staatlichen Sozialausgaben müssen weiter reduziert werden. Die Unternehmen sollen steuerlich entlastet werden, um wieder mehr investieren zu können. Leider bringen die Bemühungen nicht den erhofften Erfolg. 1982 muss Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) nach einem konstruktiven Misstrauensvotum sein Amt aufgeben. Dieser parlamentarische Akt, bei dem das Parlament sein Misstrauen gegenüber dem Bundeskanzler und der Regierung ausspricht, ist Basis für die Wahl eines Nachfolgers zum Bundeskanzler. Neuer Regierungschef wird Helmut Kohl (CDU), der am 1. Oktober 1982 mit seinem Regierungsstab aus CDU, CSU und FDP das neue Amt antritt. Sein neuer (sozial-)politischer Kurs lautet: „weniger Staat, mehr Markt“, „weg von kollektiven Lasten, hin zur persönlichen Leistung“, „Abbau verkrusteter Strukturen zugunsten größerer Beweglichkeit, mehr Eigeninitiative und mehr Wettbewerb“. cherung, das Gesundheitssystem und die Einkünfte für Erwerbslose. Schrittweise werden in den Jahren 1977, 1982 und 1983 die Renten nicht mehr nach dem Brutto-, sondern nach dem Nettoeinkommen der Arbeitnehmer berechnet. Die Leistungen der Arbeitslosenversicherung werden reduziert, und in der gesetzlichen Krankenversicherung werden Gebühren für Medikamente erhoben. Ende der 1980er-Jahre wird langsam der so genannte demografische Wandel sichtbar: Die Menschen leben immer länger, das heißt, Renten und Pflegeleistungen müssen länger gezahlt werden. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Geburten. Das hat zur Folge, dass immer weniger Menschen in die Sozialversicherungssysteme einzahlen. Gleichzeitig erhalten aber immer mehr Versicherte soziale Leistungen. Dauerproblem: Arbeitslosigkeit Vor allem Jugendliche, die den Einstieg in den Beruf nicht schaffen, sind zunehmend von Arbeitslosigkeit betroffen. Mit dem Vorruhestandsgesetz (1984) soll dieses Problem angegangen werden. Beschäftigte können bereits mit 58 Jahren vorzeitig in Rente gehen und „den Jungen Platz machen“. (ausderRegierungserklärungvom1.Oktober1982) Weitere Einschnitte bei den Sozialleistungen Die Arbeitslosigkeit kann auch in den 1980er-Jahren nicht merklich verringert werden. Die Sozialversicherungsbeiträge werden erhöht, weitere Einschnitte in das Sozialsystem sind nötig: Sie betreffen die Alterssi- Im Jahr 1985 wird das Beschäftigungsförderungsgesetz verabschiedet. Es soll ebenfalls den Arbeitsmarkt ankurbeln. Zeitarbeitsverträge und Teilzeitarbeit werden beispielsweise verstärkt gefördert. Ausländer, deren Arbeitskraft in den 1960er-Jahren noch händeringend gesucht worden war, bekommen finanzielle Unterstützung, wenn sie in ihre Heimat zurückkehren wollen. die sinkende Geburtenrate hat zur folge, dass immer weniger Menschen in die sozialversicherungssysteme einzahlen. bild: fotografie, 1987. 20 Kürzere Wochenarbeitszeiten sollen zusätzlich helfen, die Arbeitslosigkeit zu senken: Im Jahr 1985 wird die Arbeitszeit in der Metall- und Druckindustrie auf 38,5 Stunden reduziert, 1989 auf 37 Stunden. Im Jahr 1987 werden die Höchstbezugsdauer des Arbeitslosengeldes und die Bezugsfrist des Kurzarbeitergeldes für Betriebe der Stahlindustrie erhöht. Auch diese Maß- nahmen sollen die soziale Lage der Menschen, die keine Arbeit haben, verbessern. Trotz des Sparkurses und neuer Gesetze kann eine dauerhafte Stabilität der sozialen Sicherungssysteme und eine Reduzierung der Arbeitslosigkeit angesichts der wirtschaftlichen und demografischen Herausforderungen auch von der neuen Regierung nicht erreicht werden. Wichtige Ereignisse und politische Aktionen in den 1980er-Jahren ! • streik in Polen:ImJahr1980streikendieArbeiterin Polen und erreichen von der polnischen Regierung entscheidendeZugeständnisse:dieErlaubnis,Gewerkschaftenzugründen,unddasStreikrecht.Diesistder Beginnder„Solidarnosc-Bewegung“inPolenundder DemokratisierunginOsteuropa. • das Ende des „Eisernen Vorhangs“: Ungarn öffnet alserstes OstblocklandinderNachtvom10.aufden 11.September 1989 den Grenzzaun zu Österreich. Immer mehr Menschen aus der DDR kommen über UngarnindieBRD.AnderestürmendieBotschaftenin PragundWarschau,umihreAusreisezuerzwingen. • Atomkatastrophe tschernobyl: Beim Brand eines Atomreaktors am 26. April 1986 im ukrainischen Tschernobyl wird mehr Radioaktivität freigesetzt als beimAtombombenabwurf1945aufHiroschima.Inganz Europa wird erhöhte Radioaktivität gemessen. Der AusstiegausderAtomenergiewirdzueinemwichtigen politischenThema. • Mauerfall und Ende des Ost-West-Konflikts: Am 9.November 1989 fällt nach 28 Jahren die Berliner Mauer.Nach40JahrenDDRundBRDfallensichtausende Ostdeutsche und Westdeutsche am Branden- burger Tor in die Arme. Schnell wird klar, dass die Mehrheit der DDR-Bevölkerung eine zügige Wiedervereinigungmöchteundsowohlaufpolitischealsauch aufwirtschaftlicheVerbesserungenhofft. Weiterführende informationen bei sozialpolitik.com: Rubrik„Berufswelt“ Rubrik„Sicherheit“ Rubrik„Zeitleiste“:GesetzeundNeuerungen linktipps: BundeszentralefürpolitischeBildung/Themen/Geschichte/GeschichtederBundesrepublikDeutschland„Deutschlandinden 70er-/80er-Jahren“:www. bpb.de DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(LebendigesvirtuellesMuseumOnline):www.dhm.de/lemo DeutscheGeschichten:www.deutschegeschichten.de ZeitOnline„ChronikderEreignisse“:www.zeit.de/2006/08/i_Zeitleiste_1946-1966 Quellenhinweis: FürdiesesKapitelwurdennebendemAusstellungskatalog„IndieZukunftgedacht–BilderundDokumentezurDeutschenSozialgeschichte“des BundesministeriumsfürArbeitundSoziales,Bonn2008,auchfolgendeQuellenherangezogen:DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(Lebendiges virtuellesMuseumOnline):„1949–1989“,www.dhm.de/lemo;DeutscheGeschichten,CinePlusLeipzigGmbHinKoproduktionmitderBundeszentralefürpolitischeBildung,www.deutschegeschichten.de;BundeszentralefürpolitischeBildung:InformationenzurpolitischenBildung(Heft270): „Deutschlandinden70er-/80er-Jahren“,Bonn2001,www.bpb.de;MitteldeutscherRundfunk:„DamalsinderDDR“,Mai2006,www.mdr.de(Stand: März2010). 21 Kapitel5:1990bis1998 Wiedervereinigtes Deutschland Auf dem Weg zur Einheit Die im März 1990 erste frei gewählte DDR-Regierung unter CDU-Ministerpräsident Lothar de Maizière verfolgt das Ziel, den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes vorzubereiten. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur staatlichen Einheit ist der Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR, der am 1. Juli 1990 in Kraft tritt. Die Deutsche Mark (DM) wird als einziges Zahlungsmittel auch in Ostdeutschland eingeführt. Löhne und Gehälter sowie Renten werden zum Kurs 1:1 umgestellt, also eine Ostmark gegen eine Deutsche Mark. Sparguthaben können ebenfalls bis zu einem bestimmten Betrag (abhängig vom Alter des Sparers) 1:1 umgetauscht werden. Guthaben und Schulden, die darüber liegen, werden zum Kurs 2:1 umgestellt. Die einheitliche Währung und die Übernahme der bundesdeutschen Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Unfallversicherung), der Sozialhilfe und des Arbeitsrechts (Koalitionsfreiheit, Tarifautonomie, Streikrecht, Betriebsverfassung, Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) im Rahmen der Sozialunion schaffen die Voraussetzungen für die Einführung der sozialen Marktwirtschaft (Wirtschaftsunion) in den neuen Bundesländern. Am 3. Oktober 1990 können die Deutschen in Ost und West gemeinsam die deutsche Einheit feiern: An diesem Tag tritt der Einigungsvertrag vom 31. August in Kraft, und damit wird der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland vollzogen. Im „Zwei-plus-Vier-Vertrag“ vom September 1990 hatten die vier Siegermächte zuvor dem vereinigten Deutschland die volle Regierungsgewalt (Souveränität) übertragen. besucher aus Potsdam werden am 10. november 1989 freudig von den Westberlinern empfangen. bild: fotografie, 1989. 22 Neue Aufgaben für den gesamtdeutschen Sozialstaat Gleiche Lebensverhältnisse in Ost und West zu schaffen ist Anfang der 1990er-Jahre das wichtigste Ziel der Sozialpolitik. Trotz der Freude über die Wiedervereinigung wird schnell klar: Es sind große finanzielle Anstrengungen notwendig, um die Einheit zu finanzieren. Die Sozialleistungsquote steigt von 30,7 Prozent im Jahr 1989 auf 34,1 Prozent im Jahr 1994. sind zu hoch, ihre Produkte nicht marktfähig. Millionen Beschäftige verlieren ihre Arbeitsplätze, weil Unternehmen schließen müssen. Im Jahr 1993 überschreitet die Arbeitslosenzahl in der Bundesrepublik erstmals die Dreimillionengrenze, 1997 sind über vier Millionen Menschen ohne Arbeit. Eine Erhöhung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sowie Einschnitte bei den Leistungen sind die Folgen. Rentenversicherung Außerdem kann der bundesdeutsche Sozialstaat nicht einfach per Gesetz übertragen werden. In den neuen Bundesländern fehlen die entsprechenden Einrichtungen und Regelungen. Auch die sozialpolitischen Akteure wie freie Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Berufsgenossenschaften und Träger der Kranken- und Rentenversicherung müssen sich erst neu bilden. Die neuen Mitbürger müssen in das bundesdeutsche Sozialsystem integriert und in die soziale Marktwirtschaft eingeführt werden. Von heute auf morgen müssen sich die ehemaligen DDR-Bürgerinnen und -Bürger komplett umstellen und neu orientieren. Gleichzeitig muss der Umbau des Sozialstaats der „alten Bundesrepublik“ weitergehen. „Aufbau Ost“ und Arbeitsmarkt Den wirtschaftlichen Aufbau der neuen Bundesländer tragen Staat, Gesellschaft und Wirtschaft gemeinsam. 1991 und 1992 zahlen die Bürgerinnen und Bürger in Ost und West erstmals einen Solidaritätszuschlag (auch: „Soli“) zusätzlich zur Einkommensteuer. Am 13. März 1993 wird ein Solidarpakt zwischen Bund und Ländern zur Finanzierung der deutschen Einheit (auch: „Aufbau Ost“) vereinbart. Die Hauptlast trägt der Bund. Im Jahr 1995 wird der Solidaritätszuschlag wieder eingeführt. Zunächst sind es 7,5 Prozent, von 1999 bis 2010 5,5 Prozent zusätzlich zur Einkommensteuer. Dennoch geht der Aufbau Ost nur stockend voran. Probleme bereitet vor allem die Umstellung von der sozialistischen Planwirtschaft in Ostdeutschland zur sozialen Marktwirtschaft. Hinzu kommt, dass traditionelle Absatzmärkte der DDR in Osteuropa wegbrechen, weil auch hier durch die politische und wirtschaftliche Neuorganisation die Nachfrage sinkt. Etwa 8.000 volkseigene Betriebe der ehemaligen DDR mit rund vier Millionen Beschäftigten werden privatisiert. Das bedeutet, dass öffentliches Vermögen in das Eigentum privater Unternehmer übergeht. Viele der neuen Unternehmen sind der westdeutschen Konkurrenz jedoch nicht gewachsen. Ihre Produktionskosten Mit der Wiedervereinigung werden Millionen ehemaliger DDR-Bürgerinnen und -Bürger in das bundesdeutsche Rentensystem integriert. Darunter sind rund vier Millionen Menschen, die Rentenzahlungen bekommen. Ab 1. Januar 1992 gilt in den neuen Bundesländern mit dem „Rentenüberleitungsgesetz“ das Rentenrecht der Bundesrepublik. Das heißt, Rentnerinnen und Rentner aus den neuen Bundesländern haben einen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Zeiten der Erwerbstätigkeit in der DDR werden in Beitragszeiten der Rentenversicherung umgerechnet. Zusammen mit der Problematik der alternden Gesellschaft und der anhaltenden Arbeitslosigkeit nimmt der Druck auf die Rentenkassen weiter zu. Infolge eines Beschlusses vom 9. November 1989 tritt im Jahr 1992 die vom Bundestag verabschiedete Rentenreform in Kraft. Neu ist, dass die Höhe der Renten nun an die Nettolöhne (Bruttolohn minus Steuern und Sozialbeiträge ergibt den Nettolohn) angepasst wird. Das heißt, wenn die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für die Arbeitnehmer steigen und sie damit weniger Geld haben, fallen auch die Renten geringer aus. Die Altersgrenze, ab der man in Rente gehen kann, wird schrittweise von 60 und 63 auf 65 Jahre heraufgesetzt. Wer früher in Rente gehen möchte, kann dies nur mit Abzügen tun. Neu ist auch, dass für die Kinderziehung nun drei Jahre bei der Rentenberechnung anerkannt werden. Weitere Reformen mit Einschnitten bei der Rentenversicherung folgen 1996 und 1997. Die gesetzliche Rentenversicherung wird über Beiträge finanziert, die sich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen. 1990 beträgt der Rentenbeitragssatz 18,7 Prozent des Bruttolohns, 1997 und 1998 liegt er bei 20,3 Prozent. Damit der Beitragssatz nicht noch weiter steigt, leistet der Bund seit 1998 einen erheblichen Zuschuss zur Rentenversicherung. Ende der 1990er-Jahre liegt der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung bei 19,5 Prozent. 23 ambulanten Pflege) und in stationären Einrichtungen gewährt. Als (schwer) pflegebedürftig gelten Menschen, die dauerhaft Hilfe bei alltäglichen Verrichtungen (wie Körperpflege, Ernährung oder Mobilität) brauchen. Wer gesetzlich krankenversichert ist, gehört automatisch auch der gesetzlichen Pflegeversicherung an. Dies gilt auch für mitversicherte Familienangehörige. Wer privat krankenversichert ist, muss eine private Pflegeversicherung abschließen. Wie in den anderen Zweigen der Sozialversicherung teilen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber die Beiträge je zur Hälfte (Ausnahme: Sachsen). Anfangs liegt der Beitrag bei einem Prozent, zum 1. Juli 1996 steigt er auf 1,7 Prozent. durch den medizinischen fortschritt steigen die Kosten im Gesundheitswesen kontinuierlich an. bild: fotografie, 2006. Krankenversicherung In der ehemaligen DDR war die medizinische Versorgung Aufgabe des staatlichen Gesundheitswesens. Es gab also keine privaten Leistungsanbieter. Das heißt: Niedergelassene Ärzte, Zahnärzte und Apotheker oder private und gemeinnützige Krankenhausträger müssen nach der Wiedervereinigung zügig neu zugelassen, gefördert oder aufgebaut werden. Diese großen strukturellen Veränderungen sind Voraussetzung für die Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung. Auch in der gesetzlichen Krankenversicherung in Westdeutschland gibt es lange vor der Einheit Finanzierungsprobleme, die mit Reformen und Gesetzen gelöst werden sollen. Am 1. Januar 1993 tritt das Gesundheitsstrukturgesetz mit Leistungskürzungen in Kraft. Die Versicherten müssen erstmals bei Zahnersatz, Arzneiund Heilmitteln Zuzahlungen leisten. Auch die Beiträge zur Krankenversicherung steigen. Sozialpolitik im vereinten Europa Bereits seit 1989 haben sich die Mitgliedstaaten mit der „Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ zu mehr sozialem Schutz für Arbeitnehmer verpflichtet. Weitere Pläne zur sozialen Sicherung auf europäischer Ebene werden mit dem Vertrag über die Europäische Union ausgearbeitet. Am 7. Februar 1992 unterzeichnen ihn die zwölf Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) in der niederländischen Stadt Maastricht und schließen sich damit zur Europäischen Union (EU) zusammen. Wichtigste Ziele sind eine gemeinsame Wirtschaftsund Sozialunion sowie eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Am 1. November 1993 tritt der „Maastrichter Vertrag“ in Kraft. Mit dem beigefügten „Abkommen über die Sozialpolitik“ können die EU-Mitgliedstaaten jetzt in einzelnen Bereichen gemeinsame Entscheidungen treffen. Dazu gehört neben der Beschäftigungsförderung und der Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen auch die Förderung der Chancengleichheit. Die elektronische Krankenversichertenkarte wird eingeführt und löst den Krankenschein ab. Ab dem 1. Januar 1996 können alle Versicherten der gesetzlichen Krankenkassen frei wählen, ob sie sich bei einer der Allgemeinen Ortskrankenkassen, Ersatzkrankenkassen, Betriebskrankenkassen oder Innungskrankenkassen versichern. Am 26. März 1995 werden die Grenzkontrollen zwischen den EU-Ländern Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg, Portugal und Spanien abgeschafft. Anlass ist das Inkrafttreten des „Schengener Abkommens“, das Deutschland, Frankreich und die Benelux-Staaten bereits zehn Jahre zuvor in der luxemburgischen Stadt Schengen abgeschlossen hatten. Pflegeversicherung Im Jahr 1999 werden die „Abkommen über die Sozialpolitik“ im EU-Vertrag fest verankert. Die Schwerpunkte der europäischen Sozialpolitik liegen auf Fragen der Beschäftigung, Chancengleichheit, Ausgrenzung und öffentlichen Gesundheit. Um kranke und pflegebedürftige Menschen, deren Einkommen oder Rente für eine sorgfältige Pflege nicht ausreicht, aus der Sozialhilfe herauszuholen, wird als fünfter Zweig der Sozialversicherung zum 1. Januar 1995 die gesetzliche Pflegeversicherung eingeführt. Leistungen werden Pflegebedürftigen zuhause (also in der 24 Wichtige Ereignisse der 1990er-Jahre • Am2.Dezember1990findetdieerstegesamtdeutsche bundestagswahl statt. Es ist das erste frei gewählte ParlamentinGesamtdeutschlandseit1932.DieRegierungwirdvoneinemBündnis(Koalition)ausCDU,CSU und FDP gebildet. Erster gesamtdeutscher BundeskanzleristHelmutKohl,CDU. • ImJuni1991beschließtderBundestag,vonBonnnach Berlinzuziehen.Derumzug der bundesregierungsoll biszumJahr2000abgeschlossensein. • ImSeptember1991überfallenrechtsextremeinHoyerswerda vietnamesische Gastarbeiter. Weitere Ausschreitungen gegen und Brandanschläge auf Auslän- der und Asylbewerber folgen im August 1992 in Rostock,imNovember1992inMöllnundimMai1993 inSolingen. ! • Seit1995istderschwangerschaftsabbruchindenerstenzwölfWochenderSchwangerschaftstraffrei.Eine BeratungdavoristaberPflicht. • Am 26. April 1997 fordert der deutsche Bundespräsident Roman Herzog in einer Rede, „durch deutschland muss ein ruck gehen“.ErbeklagtdenMangelan UnternehmergeistundEngagement. • Am27.September1998wirdGerhard schröder,SPD, zum neuen Bundeskanzler gewählt. Die neue RegierungskoalitionbildenSPDundGrüne.Nach16Jahren endetdamitdieÄraHelmutKohl. Weiterführende informationen bei sozialpolitik.com: Rubrik„Politik“ Rubrik„Sicherheit“ Rubrik„Zeitleiste“:GesetzeundNeuerungen L DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(LebendigesvirtuellesMuseumOnline):www.dhm.de/lemo DeutscheGeschichten:www.deutschegeschichten.de ZeitOnline„ChronikderEreignisse“:www.zeit.de/2006/08/i_Zeitleiste_1946-1966 Quellenhinweis: FürdiesesKapitelwurdennebendemAusstellungskatalog„IndieZukunftgedacht–BilderundDokumentezurDeutschenSozialgeschichte“des BundesministeriumsfürArbeitundSoziales,Bonn2008,auchfolgendeQuellenherangezogen:DeutschesHistorischesMuseum/LeMO(Lebendiges virtuellesMuseumOnline):„1989/1990DeutscheEinheit“,„1990bisheute“,www.dhm.de/lemo;DeutscheGeschichten:„1989bis2005“,CinePlus LeipzigGmbHinKoproduktionmitderBundeszentralefürpolitischeBildung,www.deutschegeschichten.de;BundesministeriumfürArbeitund Soziales:„GeschichtederGesetzlichenRentenversicherung“,online:www.bmas.de;AusstellungdesBMAS/BMGanlässlichderFeier„60Jahre Bundesrepublik Deutschland“, Online: www.bmg.bund.de; AOK-Bundesverband: Online-Lexikon, www.aok-bv.de; Friedrich-Ebert-Stiftung: „40 JahreaktiveArbeitsmarktpolitikinDeutschland–BeitragzueinerBilanz“,inWISOdirekt,Juni2009(Stand:Mai2010). 25 Kapitel6:1998bis2005 Reformen sichern die Zukunft Die Sorgen des Sozialstaats Arbeitsmarktreformen: die „Hartz-Gesetze“ Die Belastungen für das deutsche Sozialversicherungssystem nehmen bis zur Jahrtausendwende weiter zu. Seit 1997 sind über vier Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos. Der demografische Wandel hält weiter an – die Menschen werden älter, bekommen aber weniger Nachwuchs. Zentrales Problem bleibt die hohe Arbeitslosigkeit, die schon seit Anfang der 1980er-Jahre zu den größten sozialen Problemen in Deutschland gehört. Mitte der 1980er-Jahre liegt die Arbeitslosenquote bei 9,1 Prozent, sinkt bis 1990 auf 7,2 Prozent und erreicht im Jahr 1998 ihren Höhepunkt mit 12,8 Prozent. Die Kosten für die Gesundheit steigen mit zunehmender Verbesserung der medizinischen Versorgung. Das Geld wird immer knapper, die Sorge um die Finanzierung des sozialen Sicherungssystems größer. Hinzu kommen der Wandel der Arbeitswelt innerhalb der Europäischen Union und auch die wachsende weltweite Standortkonkurrenz (Globalisierung). Sie zwingen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie die Regierung zum Umdenken. Der Grundstein für eine tief greifende Reform auf dem Arbeitsmarkt wird zur Jahrtausendwende mit der Einberufung der „Kommission für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (auch: „Hartz-Kommission“) gelegt. Benannt nach ihrem Vorsitzenden, Dr. Peter Hartz, ist das Hauptziel der Expertenkommission, im Auftrag der Bundesregierung ein umfassendes Konzept zum Abbau der Arbeitslosigkeit und zur Erhöhung der Beschäftigung zu entwickeln. Einige Reformen sind bereits bis Ende des Jahrtausends auf den Weg gebracht worden. Unter dem Leitsatz „Aufbruch und Erneuerung“ kündigt die neue Bundesregierung weitere Reformen an. die regierung kündigt im neuen Jahrtausend notwendige reformen an. bild: Glaskuppel des deutschen bundestages im umgebauten reichstagsgebäude in berlin, fotografie 1999. 26 Insgesamt werden in den nächsten Jahren vier „Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ (auch: „Hartz-Gesetze“) verabschiedet. HartzIundHartzIItretenam1.Januar2003inKraft.Mit demerstenGesetz(hartz i)sollenneueBeschäftigungswege eingeschlagen und neue Arbeitsplätze geschaffen werden. So werden zum Beispiel Bildungsgutscheine eingeführt,mitdenenArbeitsloseihreWeiterbildungseinrichtung selbst aussuchen können. Eine sofortige Meldepflichtschreibtvor,sichbeiKündigungumgehendarbeitsloszumelden,ansonstenkanndasArbeitslosengeld gekürztwerden. DaszweiteGesetz(hartz ii)regeltdieBeschäftigungsarten von so genannten Mini- und Midijobs, die Gründung einer„Ich-AG“(Unternehmen,dasauseinerPersonbestehenkann)unddieEinrichtungvonJobzentren,dieaus Arbeits-undSozialämternzusammengesetztsindunddie Arbeitsvermittlungbeschleunigensollen. hartz iiitrittam1.Januar2004inKraft.DasdritteGesetz schafft die rechtlichen Grundlagen für den Umbau der Bundesanstalt für Arbeit zur Bundesagentur für Arbeit. Mit der neuen Agentur soll ein moderner und kundenorientierter Dienstleister entstehen. Außerdem wird die freiwillige Weiterversicherung zur ArbeitslosenversicherungfürExistenzgründerundPflegendevonAngehörigen eingeführt. hartz iV,dasumfassendsteundamhäufigstenkritisierte GesetzdesgesamtenPaketes,trittam1.Januar2005in Kraft. Mit dem vierten Gesetz werden Arbeitslosen- und Sozialhilfe abgeschafft und das Arbeitslosengeld II, die „Grundsicherung für Arbeitsuchende“ eingeführt (umgangssprachlich„HartzIV“genannt).Werarbeitsfähigund imAlterzwischen15und64Jahrenist,erhältdieseHilfe. AuchdiePartneroderminderjährigeKinder,diemitdem Hilfebedürftigen zusammenleben, können das Arbeits- losengeld II beantragen. Wenn die Angehörigen nicht erwerbsfähigsind,erhaltensiedasebenfallsneueingeführteSozialgeld. Bis dahin ist die Arbeitslosenhilfe wie das Arbeitslosengeld über die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung finanziert worden. Jetzt werden die Leistungen für Sozialgeld und Arbeitslosengeld II aus Steuereinnahmen bezahlt. Neben einem so genannten Regelsatz, den die Bedürftigen monatlich bekommen, werden Kosten für Miete und Heizung übernommen, ebenso die Beiträge für Kranken- und Pflegekassen. „Agenda 2010: die Zukunft gestalten“ „Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“1 Das sind die Worte, mit denen Bundeskanzler Gerhard Schröder am 14. März 2003 die Agenda 2010 unter dem Motto „Mut zum Frieden und Mut zur Erneuerung“ ankündigt. Die Agenda 2010 (agenda: lateinisch „was zu tun ist“) ist ein Maßnahmenbündel, mit dem in den kommenden Jahren die Wirtschafts- und Sozialpolitik überarbeitet werden soll. Das anfangs unbekannte Kennwort „Agenda 2010“ wird schnell zum Markenzeichen, das für viele (sozial-)politische Themen und Neuerungen stehen wird. Kernthemen sind Neuerungen in den Bereichen Konjunktur und Haushalt, Arbeit und Wirtschaft sowie soziale Sicherung. Unter die Agenda 2010 fallen in den Folgejahren neben dem Ausbau der Arbeitsmarktreform (Hartz III und IV) auch neue Rentenreformen und die umfassende Reform des Gesundheitssystems. Reformen der gesetzlichen Rentenversicherung Die älter werdende Bevölkerung (demografischer Wandel) bleibt weiterhin die große Herausforderung in der Alterssicherung. Einerseits muss die Rente für die schrumpfende arbeitende Generation bezahlbar bleiben, andererseits muss sie gleichzeitig die Ruheständler länger finanzieren, da diese immer länger leben. Mit „kleinen“ Reformen in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie mit der Einführung der Pflegeversicherung sind in den letzten drei Jahrzehnten erste Schritte unternommen worden, die nun im neuen Jahrtausend fortgeführt werden. Anspruch auf Rente hat jeder Beitragszahler, der ins Rentenalter kommt, aber auch jeder Beitragszahler, der wegen einer Krankheit oder der Folgen eines Unfalls nicht mehr arbeiten kann. Ab dem 1. Januar 2001 wird dazu eine neue Regelung eingeführt: Aus „Rente wegen Berufsunfähigkeit“ wird die „Rente wegen Erwerbsunfähigkeit“. Entscheidend ist nicht mehr, ob man noch den gelernten Beruf ausüben kann, sondern ob man überhaupt noch zwischen drei und sechs Stunden pro Tag arbeiten kann, unabhängig von der Art der Arbeit. Wer noch sechs Stunden und länger täglich arbeiten kann, hat keinen Anspruch mehr. Für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, gibt es allerdings auch künftig noch eine Rente wegen Berufsunfähigkeit. 1 Regierungserklärung„MutzumFriedenundMutzurVeränderung“vonBundeskanzlerGerhardSchröderam14.März2003vordemdeutschen Bundestag,DeutscherBundestag,Plenarprotokoll15/32,Berlin2003,S.2479.Aus:„DieAgenda2010:EinewirtschaftspolitischeBilanz“:BundeszentralefürpolitischeBildung,online.www.bpb.de(Stand:Juni2010). 27 Da erkennbar ist, dass die Rente allein künftig nicht ausreichend sein wird, um den gewohnten Lebensstandard zu sichern, schafft der Staat Anreize zur privaten Altersvorsorge. Entscheidend bleibt, dass auch für künftige Generationen die Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung die wichtigste Einnahmequelle im Alter sein werden. Im Frühjahr 2001 wird dazu ein Ergänzungsgesetz zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermögens, das so genannte Altersvermögensergänzungsgesetz, verabschiedet. Zusammen mit den letzten Rentenreformen wird nun gewährleistet, dass die Beiträge in den nächsten 30 Jahren relativ stabil bleiben werden. Die Anpassung der Rentenhöhe (Dynamisierung) orientiert sich jetzt in veränderter Form an der allgemeinen Einkommensentwicklung, das heißt am Bruttolohn aller Beschäftigten. Zudem werden ab dem 1. Januar 2002 betriebliche und private Altersvorsorgeleistungen steuerlich gefördert. Je nach der Höhe des Einkommens und je nach dem Familienstand gibt es entweder Zulagen oder Steuerfreibeträge. Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitneh- mer kann außerdem von seinem Arbeitgeber verlangen, dass ein Teil des Lohns für eine betriebliche Altersversorgung verwendet wird. Ab 2005 wird zusätzlich ein so genannter Nachhaltigkeitsfaktor in die Formel zur Rentenberechnung eingebaut, der auch die demografische Entwicklung berücksichtigt: Er setzt die Zahl der Leistungsempfänger in Bezug zur Anzahl der erwerbstätigen Beitragszahler. Werden die Beitragszahler weniger, fällt auch die Rentenanpassung geringer aus. Hinzu kommt, dass Rentner, die monatlich mehr als einen festgesetzten Betrag Rente bekommen, ihre Einkünfte versteuern müssen. Erwerbstätige erhalten hingegen Steuerbegünstigungen für ihre Vorsorgeaufwendungen. Neuerungen bei der Mitbestimmung Um die Mitbestimmung am Arbeitsplatz durch Betriebsräte zu stärken, wird im Jahr 2001 das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) reformiert. So wird zum Beispiel das Wahlverfahren für einen Betriebsrat in Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern vereinfacht. Ab einer Betriebsgröße von mindestens 200 Arbeitnehmern kann das system der Mitbestimmung Quelle:Unterrichtsbaustein„MitbestimmunginEuropa“,herausgegebenvonderHans-Böckler-Stiftung,Wiesbaden2006,Seite7. 28 ein Betriebsratsmitglied ganz oder teilweise freigestellt werden. Darüber hinaus bekommt der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht, wenn es darum geht, Mitarbeiter weiter zu qualifizieren und auf diese Weise Arbeitsplätze zu sichern. Im Jahr 2004 treten außerdem Neuregelungen über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat für Unternehmen mit mehr als 500 und bis zu 2.000 Arbeitnehmern in Kraft. Aufsichtsräte, das sind die Vertreter der Arbeitnehmer und der Anteilseigner, werden seitdem zu einem Drittel von Arbeitnehmervertretern und zu zwei Dritteln von Anteilseignern des Unternehmens besetzt. Anteilseignern gehört ein bestimmter Anteil des Unternehmens, meist in Form von Aktien. Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen Um Menschen mit Behinderungen verstärkt eigenverantwortlich am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu lassen, wird im Jahr 2001 ein neues Gesetzbuch verabschiedet: das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) „Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen“. Zusätzlich kann mit dem „Gesetz zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit Schwerbehinderter“ die Arbeitslosigkeit schwerbehinderter Menschen innerhalb von drei Jahren um etwa ein Viertel gesenkt werden. Um Diskriminierungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen, ihnen barrierefreie Lebensräume zu schaffen und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, tritt am 1. Mai 2002 das „Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen“ in Kraft. So müssen zum Beispiel künftig neue öffentliche Gebäude behindertengerecht geplant und Internetangebote möglichst barrierefrei gestaltet werden, sodass sie von allen Nutzern, auch Menschen mit Hör- oder Sehbehinderungen, uneingeschränkt genutzt werden können. Menschen mit Behinderungen wollen vor allem als Inhaber von Rechten, Qualitäten und Fähigkeiten sowie als unabhängige Bürger und Verbraucher akzeptiert werden. Die Gesundheitsreform: Fortschritt sichern, Versorgung schützen Auch in der gesetzlichen Gesundheitsversorgung sind Neuerungen notwendig. Einerseits soll der medizinische Fortschritt weiter gefördert werden, andererseits muss gleichzeitig die gesundheitliche Versorgung für die Patienten bezahlbar bleiben. Als erster Schritt wird zum 1. Januar 2003 das „Beitragssatzsicherungsgesetz“ gültig. Mit ihm sollen die Krankenkassenbeiträge stabilisiert und die Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung gestärkt werden. Das Gesetz enthält Einsparmaßnahmen bei den Arzneimitteln, Arzthonoraren, Krankenhäusern und Krankenkassen sowie die Anhebung der Versicherungspflichtgrenze, mit der vorgegeben wird, bis zu welcher Bruttoeinkommenshöhe ein Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sein muss. Liegt das Einkommen über dieser festgesetzten Höhe, kann man freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung bleiben oder sich in einer privaten Krankenversicherung versichern. Eine große Reform des Gesundheitswesens tritt zu Beginn des Jahres 2004 in Kraft: Patienten müssen künftig zwar mehr zuzahlen, können jedoch gleichzeitig von stabilen Krankenkassenbeiträgen profitieren. Durch mehr Mitspracherecht rücken die Interessen der Versicherten mehr in den Mittelpunkt. So können sie zum Beispiel eine Aufstellung über Leistungen und Ausgaben von den behandelnden Ärzten verlangen. Krankenkassen führen Bonusprogramme für die Versicherten ein. Durch das Hausarztmodell werden außerdem diejenigen finanziell belohnt, die immer zuerst zum Allgemeinmediziner gehen, bevor sie einen Facharzt aufsuchen. Zu mehr Qualität sollen auch die neuen Möglichkeiten zur „integrierten Versorgung“ durch medizinische Versorgungszentren führen. Darüber hinaus wird die Fortbildung der Ärzte besser überwacht. Insgesamt soll das Gesundheitssystem durch die Reformen leistungsstark bleiben, aber wirtschaftlicher, effizienter und vor allem qualitativ besser werden. Mit dem „Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen“ als Ergänzung zum SGB IX vom 1. Mai 2004 sollen Betriebe motiviert werden, mehr behinderte und schwerbehinderte Menschen auszubilden. 29 Wichtige Ereignisse zwischen 1998 und 2005 • DieExpo2000istdieerstevom„BureauInternationaldes Expositions“anerkannteWeltausstellung in deutschland.Siefindetvom1.Juni2000biszum31.Oktober 2000inHannoverunterdemMotto„Mensch,Naturund Technik–EineneueWeltentsteht“statt. • DerUmzugderBundesregierungvonBonnnachBerlinistweitestgehendabgeschlossen.Am19.April1999 nimmtderDeutscheBundestagseineArbeitimumgebautenreichstagsgebäude in berlinauf. • Deutschland verankert im Jahr 2001 als erstes Land der EU den tierschutz als „staatsziel“ im Grundgesetz. • Am18.März2001wirddieGewerkschaft Ver.diinBerlingegründet. • Am11.September2001fordernterroranschlägeauf dasWorldTradeCenterunddasPentagonindenUSA rund3.000Todesopfer. • DerEurowirdam1.Januar2002inzwölfStaatender Europäischen Union sowie in Andorra, Monaco, Montenegro,SanMarinounddemVatikanalsgemeinsame Währungeingeführt. • Der 19-jährige Robert Steinhäuser tötet am 26. April 2002 während eines zehnminütigen Amoklaufs am ErfurterGutenberg-Gymnasium16Menschenundanschließendsichselbst. ! • Am 1. Mai 2004 nimmt die Eu zehn neue staaten, vor allemausOsteuropa,aufundwächstdamitauf25Staatenan. • Der Vertrag über eine Verfassung für Europa wird im Jahr 2005 ausgearbeitet, aber nur von 18 der 25 Staatenratifiziert,alsobestätigt.DennerstdurchZustimmung der Parlamente und Unterzeichnung des StaatsoberhauptserlangteinvölkerrechtlicherVertrag Wirksamkeit. • „HartzIV“wirdvonderGesellschaftfürdeutscheSprachezumWort des Jahres2004gewählt. • Am1.Juli2004trittderneue deutsche bundespräsident horst KöhlerseinAmtan. • P apst Johannes Paul ii.stirbtam2.April2005,NachfolgerwirdJosephRatzingeralsBenediktXVI. • GerhardSchröderstelltam1.Juli2005imBundestag dieVertrauensfrage,diemitgroßerMehrheitverneint wird. • Mit den vorgezogenen Bundestagswahlen am 22. November2005wirdAngela Merkel erste deutsche bundeskanzlerinundführteineGroßeKoalitionausCDU undSPDan. • Seit 1. November 2005 gibt Deutschland den neuen elektronischen reisepass mit biometrischen Merkmalenaus. Weiterführende informationen bei sozialpolitik.com: Rubrik„Sicherheit“ Rubrik„Zeitleiste“:GesetzeundNeuerungen L BundeszentralefürpolitischeBildung:„DieAgenda2010:EinewirtschaftspolitischeBilanz“,www.bpb.de DeutscherGewerkschaftsbund(DGB):„HartzI–III:EineÜbersicht“,www.dgb.de Quellenhinweis: FürdiesesKapitelwurdennebendemAusstellungskatalog„IndieZukunftgedacht–BilderundDokumentezurDeutschenSozialgeschichte“des BundesministeriumsfürArbeitundSoziales,Bonn2008,auchfolgendeQuellenherangezogen:„Sozialpolitik–EinHeftfürdieSchule“,Ausgaben 2001/02bis2004/05,online:www.sozialpolitik.com/materialien;DeutscherGewerkschaftsbund(DGB):„HartzI–III:EineÜbersicht“,online:www. dgb.de;BundeszentralefürpolitischeBildung–Lexikon:„Hartz-Gesetze“,online:www.bpb.de;BundeszentralefürpolitischeBildung:„Agenda 2010–WegausderKrise?“,PraxisPolitik,April2005;„DieAgenda2010:EinewirtschaftspolitischeBilanz“,www.bpb.de(Stand:Juli2010). 30 Kapitel7:2005bisheute Sozialpolitik im Zeichen der Globalisierung Auch die Globalisierung hat in Deutschland Auswirkungen auf die Wirtschaft, das Sozialsystem und unser Privatleben. Viele Länder und Menschen haben sich auf die Öffnung der Märkte, die wachsende Mobilität von Kapital und Arbeit und die enorm gestiegene Nachfrage von Dienstleistungen eingestellt. Positive Folgen sind beispielsweise ein weiteres Wirtschaftswachstum auf Basis der gestiegenen Exporte, neue Arbeitsplätze und damit verbunden ein steigender Lebensstandard. Aber auch Wirtschaftskrisen machen nicht mehr vor den Landesgrenzen halt. Fortführung der Agenda 2010 Bei der Bundestagswahl 2005 erhalten weder CDU, CSU und FDP noch die Parteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine Mehrheit der Mandate. Die Unionsparteien und die SPD bilden nach mehrmonatigen Verhandlungen im November eine Große Koalition. Der Bundestag wählt Angela Merkel (CDU) zur ersten Bundeskanzlerin. Die Große Koalition aus CDU, CSU und SPD führt die Reformpolitik der „Agenda 2010“ weiter. Arbeitsmarktreformen Im ersten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts bleibt die wichtigste Aufgabe im Sozialstaat Deutschland, das Sozialsystem den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen anzupassen. Die „Hartz-Gesetze I bis IV“ werden zwischen 2005 und 2010 durch neue Regelungen verändert und ergänzt. Diese Änderungen betreffen die Ansprüche beim Ar- Zum 1. Januar 2007 wird das Elterngeld eingeführt. dies ist eine lohnersatzleistung, die sich am nettoeinkommen des betreuenden Elternteils orientiert. 31 beitslosengeld wie die Bezugsdauer oder die Zeit, die man vor der Arbeitslosigkeit gearbeitet haben muss (auch Anwartschaftszeit genannt). Um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, muss man in den letzten zwei Jahren mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Wie lange Arbeitslosengeld gezahlt wird, hängt davon ab, wie alt der Antragsteller ist und wie lange er Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Die Bezugsdauer liegt zwischen sechs und 24 Monaten. Für Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II) werden strengere Regelungen in Bezug auf Pflichtverletzungen eingeführt. Beispielsweise werden Geldleistungen gekürzt, wenn Bezieher von ALG II Arbeit ablehnen. Sie sind verpflichtet, jede Arbeit anzunehmen, zu der sie geistig, seelisch und körperlich in der Lage sind. Die Bedingungen zur Altersvorsorge werden bei Arbeitslosengeld-II-Beziehern dagegen verbessert. Freiwillig versichern Bisher war es Freiberuflern und Selbstständigen nicht möglich, Beiträge in die gesetzliche Arbeitslosenversicherung einzuzahlen. Seit 2006 können sie das auf freiwilliger Basis. Sollten sie mit ihrer Selbstständigkeit scheitern, können sie so Arbeitslosengeld beziehen. Job sofort Im August 2006 tritt die Regelung der Sofortangebote in Kraft. Antragsteller, die innerhalb der letzten zwei Jahre weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosengeld II bezogen haben, können seitdem ein Sofortangebot erhalten. Dies kann zum Beispiel eine Qualifizierungsmaßnahme oder ein Jobangebot sein. Mit dieser Regelung soll Arbeitslosigkeit bereits im Ansatz vermieden werden. „Sorgenkind“ Arbeitslosengeld II Vor allem die Zusammenlegung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe zum Arbeitslosengeld II und dessen Ausgestaltung stoßen in der Bevölkerung sowohl auf Zuspruch als auch auf Ablehnung. Das Arbeitslosengeld II, umgangssprachlich meist als „Hartz IV“ bekannt, wird aus Steuern finanziert und so lange gezahlt, wie die Hilfebedürftigkeit andauert. Es soll den Lebensunterhalt sichern. Anfang 2010 entscheidet das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe jedoch, dass die Berechnung dieser Regelsätze nicht transparent genug sei und gegen das Grundgesetz Artikel 1 Absatz 1 verstoße: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Die geltenden Regelsätze gewährleisteten dem Menschen also nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts kein menschenwürdiges Existenzminimum. Zudem würden die Regelsätze auch gegen das in der Verfassung garantierte Sozialstaatsprinzip verstoßen. In der Folge müssen alle ALG-II-Regelsätze bis zum 31. Dezember 2010 neu berechnet werden – für Kinder ebenso wie für Erwachsene. Eine Härtefallregelung greift sofort: Bei außergewöhnlichen finanziellen Belastungen kann der Empfänger Zusatzleistungen beantragen. sozialversicherungspflichtige beschäftigung und Arbeitslosigkeit in deutschland Arbeitslosenquoten in deutschland seit 1948 inProzent sozialversicherungspflichtige beschäftigung und Arbeitslosigkeit inTausend Quelle:BundesagenturfürArbeit,StandDezember2013. 32 Ab Januar 2014 beträgt der Regelsatz 391 Euro im Monat für Alleinstehende. Ehepaare oder Partner erhalten jeweils 353 Euro. Davon sind die Ausgaben für das tägliche Leben zu bestreiten, zum Beispiel für Lebensmittel, Kleidung, Telefon und Strom. Für im Haushalt lebende Kinder und Jugendliche gibt es weitere Leistungen für den dadurch entstehenden Mehrbedarf. Mehr- und Sonderbedarf für Schwangere, Menschen mit Behinderungen oder Alleinerziehende werden durch Zuschläge berücksichtigt. Kosten für Miete und Heizung werden nach gesonderten Berechnungsverfahren erstattet. Rentenreformen Deutschland wird immer älter: Finanzierten 1990 noch knapp drei Berufstätige mit ihren Beiträgen die Rente eines Ruheständlers, sind es 2010 nur noch zwei. Im Jahr 2030 werden voraussichtlich nur noch rund anderthalb Beitragszahler die Rente für einen Ruheständler zahlen. Im Jahr 2006 wird die Altersgrenze für den frühesten Bezug der vorzeitigen Altersrente erhöht und stufenweise vom 60. auf das 63. Lebensjahr angehoben. Ziel ist es, Anreize zur Frühverrentung zu verringern, damit auch ältere Arbeitnehmer länger beschäftigt sind und somit auch länger Beiträge in die Rentenversicherungskassen zahlen, was gleichzeitig auch ihre eigene Rente erhöht. Rente mit 67 Als weiteren Schritt zur Entlastung der Rentenversicherung beschließt die Große Koalition im Jahr 2007, das Renteneintrittsalter ab 2012 schrittweise anzuheben. Konkret heißt das, dass nach dem Jahr 1964 Geborene dann erst mit 67 Jahren in Rente gehen können. Wer früher gehen möchte, muss mit Abzügen bei der Rente rechnen. Wer sich mit 65 Jahren zur Ruhe setzen möchte, muss entweder mindestens 45 Jahre lang in die Rentenversicherung eingezahlt haben, oder die Altersrente wird pro Monat, den man früher in Rente gehen will, um 0,3 Prozent gekürzt. Rentenschutzklausel Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Jahr 2008 Deutschland und Europa erreicht, veranlasst die Bundesregierung, Anfang Mai 2009 eine Rentenschutzklausel einzuführen. Sie verhindert, dass mit den Löhnen auch die Renten sinken. Allerdings müssen die Rentner diesen Schutz ab 2011 durch reduzierte Erhöhungen ihrer Renten selbst finanzieren. Familienpolitik: Meilensteine legen Die Große Koalition führt das Elterngeld ein: Damit erhalten Familien in den ersten zwölf beziehungsweise 14 Lebensmonaten eines Kindes seit 2007 eine Unterstützung, die sich am Nettoeinkommen des betreuenden Elternteils orientiert. Die Betreuungsangebote für Kinder in Form von Kindertagesstätten oder Ganztagsschulen werden ausgebaut. Ab dem 1. Januar 2009 können auch Großeltern eine „Elternzeit“ nehmen, um junge Eltern, die minderjährig oder in der Ausbildung sind, bei der Betreuung des Enkelkindes zu unterstützen. Mit dieser Neuerung soll vor allem sehr jungen Eltern geholfen werden, die durch eine Schwangerschaft schnell in eine Notsituation geraten können. Gute Gründe, länger zu arbeiten: rente mit 67 demografischer Wandel durchschnittliche bezugsdauer der renten in Jahren Quelle:DeutscheRentenversicherungBund,StandApril2012. 33 leistungen und Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung 2012 Quelle:BundesministeriumfürGesundheit,StandMärz2013. Mit dem Kinderförderungsgesetz (KiföG) sollen die Voraussetzungen geschaffen werden, um bis zum Jahr 2013 bundesweit für jedes Kind unter drei Jahren einen Platz in einer Kindertagesstätte oder bei einer Tagesmutter zu finden. Zudem sollen Eltern, die auf Arbeitsuche sind, einen gesicherten Betreuungsplatz für ihre noch nicht schulpflichtigen Kinder bekommen. Einen Zuschuss von 100 Euro pro Schuljahr bekommen ab 2009 Eltern, die Arbeitslosengeld II beziehen. Das Geld soll für Schulmaterialien ausgegeben werden. Das Schulbedarfspaket wird bis zum Abschluss der 10. Klasse gezahlt. Gesundheitsreformen Am 1. April 2007 tritt ein neues Reformgesetz in Kraft. Mit der Reform wird der Weg zu einer neuen Gesundheitsversicherung beschritten. Ihr Ziel ist es, die medizinische Versorgung für alle zu garantieren, die Leistungen an eine älter werdende Gesellschaft anzupassen und die steigenden Kosten durch mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen mit einem neuen Finanzierungsmodell sozial gerechter zu verteilen. schließen und damit Anspruch auf eine umfassende medizinische Versorgung. Einführung eines Gesundheitsfonds Um die gesetzliche Krankenversicherung zu stabilisieren, werden Reformen auf den Weg gebracht. Bestimmte Leistungen wie Zahnersatz und Brillen werden nicht mehr komplett von der Krankenkasse übernommen. Ab dem Jahr 2009 fließen die Versicherungsbeiträge in einen neu begründeten Gesundheitsfonds. Der Beitragssatz ist einheitlich, egal welche Krankenkasse der Versicherte gewählt hat. Aus dem Gesundheitsfonds erhalten die Kassen für jeden Versicherten einen pauschalen Betrag sowie ergänzende Zuschläge und Abschläge, die sich jeweils nach Alter, Geschlecht und Krankheit der Versicherten richten. Versicherungspflicht Das bislang geltende Prinzip der paritätischen Finanzierung durch Arbeitnehmerbeiträge und Arbeitgeberbeiträge in gleicher Höhe wird in der Krankenversicherung aufgebrochen. Der Arbeitgeberbeitrag wird auf dem Stand des Jahrs 2011 eingefroren und beträgt 7,3 Prozent. Künftige Beitragserhöhungen wirken sich also nur auf den Arbeitnehmerbeitrag aus, der zu dem Zeitpunkt bei 8,2 Prozent liegt. Damit werden die Gesundheitskosten von den Arbeitskosten entkoppelt. Ab 2009 haben alle Bürgerinnen und Bürger das Recht und die Pflicht, eine Krankenversicherung abzu- Wenn die Kassen mit diesem Geld nicht auskommen, können sie von den Versicherten Zusatzbeiträge in un- 34 Pflegebedürftige und Pflegestufen Quelle:StatistischesBundesamt:Pflegestatistik2011,Januar2013, Seite5. begrenzter Höhe erheben. Übersteigt der Zusatzbeitrag zwei Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen eines Versicherten, dann wird er gekürzt, um soziale Härten abzufedern. Die dadurch verminderten Beitragseinnahmen der Kassen werden über Steuermittel ausgeglichen. Mehr Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen Die Krankenkassen können Ausgaben für Medikamente durch Rabattverhandlungen mit Apotheken verringern. Gut wirtschaftende Kassen können Beiträge an ihre Versicherten zurückerstatten (Bonus). Krankenkassen können ihre Angebote (Tarife) individueller auf die Versicherten zuschneiden. So können sie beispielsweise Versicherten, die Vorsorgemaßnahmen wahrnehmen, Kosten zurückerstatten und diese damit gegenüber denen, die keine Eigenverantwortung für ihre Gesundheit übernehmen, besserstellen. Quelle:eigeneBerechnungundDarstellungnach: BundesministeriumfürGesundheit,ZahlenundFaktenzur Pflegeversicherung,www.bmg.bund.de>Pflege>Zahlen undFaktenzurPflegeversicherung,StandMai2013. rung, die stärker auf die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen ausgerichtet wird. Mehr Leistungen, Stärkung der häuslichen Pflege Ab dem 1. Juli 2008 werden die finanziellen Leistungen für Pflegebedürftige und Pflegende stufenweise angehoben. Ab 2015 werden sie alle drei Jahre an die Inflationsrate, also den Anstieg des Preisniveaus, angepasst (dynamisiert). Viele Menschen, die an Demenz (Altersverwirrtheit) erkrankt sind, erhalten erstmals auch dann Leistungen, wenn sie noch nicht pflegebedürftig sind, aber Betreuung brauchen. Ab dem Jahr 2009 hat jeder pflegebedürftige Patient einen Anspruch auf einen Pflegeberater, der ihm beim Organisieren von Hilfsleistungen zur Seite steht und ihn unterstützt. Öffnung der privaten Krankenversicherung Pflegezeit für Angehörige Private Krankenkassen müssen ab 2009 einen Basistarif anbieten, der den Leistungen und Beiträgen der gesetzlichen Krankenkassen entspricht. Der Basistarif unterscheidet sich nach Alter und Geschlecht, es gibt keine Risikozuschläge für Vorerkrankungen des Versicherten wie bisher. Arbeitnehmer, die Angehörige pflegen, können für bis zu sechs Monate „Pflegezeit“ beantragen. Sie bekommen kein Gehalt, sind aber weiter sozialversichert und haben ein Rückkehrrecht zu denselben Arbeitsbedingungen. Tritt plötzlich ein Pflegefall ein, können Beschäftigte kurzfristig bis zu zehn Tage unbezahlt von der Arbeit frei nehmen, um die Pflege zu organisieren. Pflegereformen Die rapide Alterung der Gesellschaft setzt auch die seit 1995 bestehende Pflegeversicherung unter Druck: Während die Kosten steigen, sinkt die Anzahl der Beschäftigten, die mit ihren Versicherungsbeiträgen die Leistungen der Pflegeversicherung bezahlen. Der Bundestag beschließt im Jahr 2008 eine Reform der Pflegeversiche- Beschäftigung sichern, Wirtschaft stärken Im Jahr 2006 sinkt die Arbeitslosenzahl erstmals auf 4,49 Millionen im Jahresdurchschnitt. Bis zum Herbst 2008 fällt die Zahl der Arbeitslosen erstmals seit 1992 wieder auf unter drei Millionen Menschen. 35 Der Aufschwung der Wirtschaft und die Erholung auf dem Arbeitsmarkt werden durch die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die alle Volkswirtschaften betrifft, unvermittelt gestoppt. Sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene ist zügiges staatliches Handeln gefordert, damit die Wirtschaft gestärkt wird und der Sozialstaat handlungsfähig bleibt. Die Bundesregierung gibt frühzeitig eine Garantie für Sparguthaben und spannt einen umfassenden „Schutzschirm“ für die Banken. Das Exportland Deutschland ist von der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 2008 in besonderem Ausmaß betroffen, denn ohne Aufträge aus dem Ausland sind heimische Arbeitsplätze in Gefahr. In der Automobilindustrie sind die Auswirkungen besonders deutlich zu spüren, deswegen setzt die Bundesregierung 2009 die „Abwrackprämie“ in Kraft, um die Automobilindustrie zu stützen. Viele Beschäftigte bangen um ihren Job. Betroffen sind neben den Herstellerbetrieben und Zulieferern aber auch weitere Branchen, von der Textilindustrie bis hin zu IT-Dienstleistern. Im November 2008 und Februar 2009 legt die Bundesregierung zwei Konjunkturpakete auf, um Bürger und Unternehmen zu entlasten sowie Arbeitsplätze zu sichern. Ziel dieser Konjunkturpakete ist es, die wirtschaftliche Entwicklung (Konjunktur) positiv zu beeinflussen, indem zeitlich befristet mehr finanzielle Mittel investiert werden, beispielsweise in Bildung, Infrastruktur und andere Bereiche. Dies soll zu einer gesteigerten Nachfrage bei privaten Haushalten und Unternehmen führen und somit die Produktion wieder ankurbeln und Arbeitsplätze erhalten. In Deutschland gelingt es beispielsweise mit dem Kurzarbeitergeld, Entlassungen zu vermeiden und mehrere 100.000 Arbeitsplätze zu erhalten. Der Nachteil ist: Konjunkturprogramme führen gleichzeitig auch zu einer drastischen Erhöhung der Staatsschulden – Lasten, welche die nächste Generation stemmen muss. Perspektiven Die deutsche Wirtschaft hat sich seit dem Beginn der Wirtschafts- und Finanzkrise, auch dank der Maßnahmen der Agenda 2010, als erstaunlich robust erwiesen. In den Jahren 2011 bis 2013 bleibt die Zahl der Arbeitslosen im Durchschnitt knapp unter der Marke von drei Millionen Menschen. Im Vergleich zu vielen anderen Staaten der Europäischen Union ist die Arbeitslosigkeit in Deutschland somit recht niedrig geblieben, während die Zahl der Erwerbstätigen einen neuen Höchststand erreicht hat. Diese Entwicklungen am Arbeitsmarkt sind für den Einzelnen erfreulich und entlasten zugleich den Sozialstaat. Wenn die Zahl der sozialversicherungspflichtigen 36 Arbeitskräfte ansteigt, fließt auch mehr Geld in die Sozialversicherungen. Eine stabile Wirtschaft ist für den Sozialstaat grundlegend, weil die sozialen Sicherungssysteme durch den demografischen Wandel stark unter Druck geraten sind. Seit Jahrzehnten ist die Geburtenrate in Deutschland niedrig. Durch Fortschritte in Wissenschaft, Medizin und Hygiene werden die Menschen gleichzeitig immer älter. Somit zahlen immer weniger Erwerbstätige Beiträge in die Renten- und Sozialsysteme ein, aus denen in Zukunft immer mehr Menschen versorgt werden müssen. Außerdem steigen die Kosten für Gesundheit und Pflege im Alter. Problematisch bleibt die Situation für Menschen ohne Schulabschluss, für Geringqualifizierte und für Langzeitarbeitslose. Sie sind nur sehr schwer in den Arbeitsmarkt zu vermitteln. Mehr Geld für Bildung, finanzielle Unterstützungen für Geringverdiener, Hilfen für Kinder aus armen und bildungsfernen Familien sowie Weiterbildungsangebote für Arbeitsuchende sollen helfen, dem sozialen Gefälle zwischen Arm und Reich entgegenzuwirken. Neben der sozialen Grundsicherung für Bedürftige geht es aber auch darum, die Eigenverantwortung jedes Einzelnen zu stärken, sodass er in der Lage ist, für sich selbst Vorsorge zu tragen. In vielen Berufszweigen, die für den Wirtschaftsstandort Deutschland bedeutend sind, gibt es zu wenige geschulte Facharbeiter, etwa im Pflegewesen oder in vielen technischen und naturwissenschaftlichen Berufen. Die Politik steht vor der Aufgabe, neue Rahmenbedingungen zur Qualifizierung zu schaffen, damit Menschen in Beschäftigung gebracht werden, die bisher am Rand des deutschen Arbeitsmarktes standen. So müssen beispielsweise Schul- und Ausbildungsabbrecher, Frauen sowie ältere Arbeitnehmer mehr unterstützt und gefördert werden. Damit künftig genügend Geld in den Sozialkassen vorhanden ist, wird es außerdem nötig sein, gut ausgebildete Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Die öffentlichen Haushalte sind seit Langem hoch verschuldet. Diese Schuldenberge abzubauen bleibt ebenfalls eine wichtige Aufgabe, die noch viele Generationen beschäftigen wird. Aufgrund der ermutigenden Situation auf dem Arbeitsmarkt plant die Bundesregierung, die Neuverschuldung des Bundes einzuschränken und in wenigen Jahren einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Wichtige Ereignisse seit 2005 • Von Januar bis Juni 2007 hat deutschland die Euratspräsidentschaft inne. rumänien und bulgarien tretenimJanuar2007derEuropäischenUnionbei. keit von Familie und Beruf, die Weiterbildung inländischer Arbeitskräfte sowie die Integration qualifizierter ArbeitskräfteausdemAuslandverbessertwerden. • DieVereinten nationen (un)bekommenam1.Januar 2007einenneuenGeneralsekretär:NachzehnJahren löst der Südkoreaner Ban Ki Moon den Ghanaer Kofi Ananab. • Die Bundesversammlung wählt Joachim Gauck im März2012zumneuenunddamit11.bundespräsidenten.SeineAmtszeitbeträgtfünfJahre. • DieMehrwertsteuer steigtam1.Januar2007von16 auf19Prozent.DerermäßigteMehrwertsteuersatzvon siebenProzent,beispielsweisefürLebensmittel,bleibt unverändert. • Am 22. Januar 2008 demonstrieren in Bochum 15.000 MitarbeiterfürdenErhalt des nokia-Werks.Trotzeines Rekordgewinns von 7,2 Milliarden Euro schließt der Konzernam30.Juni2008dasWerkinDeutschlandund setztdieProduktioninRumänienundBulgarienfort. • Jederhatabdem1.Januar2009einenrechtsanspruch auf förderung zum hauptschulabschluss. • DasJahr2010wirdzum„Europäischen Jahr zur bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“erklärt.AusschlaggebendistdieZahlderMenschen,die EU-weitvonArmutbedrohtsind.Diessindrund78MillionenMenschen.Insgesamtlebenrund500Millionen MenscheninderEU. • 2010:das Zieljahr der „Agenda 2010“ ist erreicht.Der WandelderGesellschaftundWirtschaftschreitetfort. MitweiterenReformenmussdaherauchindenkommendenJahrengerechnetwerden. • 2011:ImMaifallendieletztenSchrankenfürdieArbeitnehmerfreizügigkeitinDeutschland.ArbeitnehmerinnenundArbeitnehmerausderEUdürfensichseitdem freiaufdemdeutschenArbeitsmarktbewerben. • DieBundesregierungbeschließtimJuni2011einKonzept zur fachkräftesicherung.DadurchsollendieVereinbar- ! • Im April 2012 tritt das bildungspaket in Kraft. Dieses soll2,5MillionenKinderundJugendlicheunterstützen, derenElternentwederzuwenigGeldverdienenoderArbeitslosengeld II beziehungsweise Sozialgeld erhalten. DieElternkönnenaufAntragZuschüssefürSchulmaterialien,dasMittagessenfürihreKinderinHort,Schule oderKindertagesstätteundderenTeilnahmeanSport-, Musik-oderKulturveranstaltungenbekommen. • 2012:DieBundesregierungverabschiedeteinenNationalenAktionsplanzurUmsetzungderun-behindertenrechtskonvention.ZieldesPlansistes,dieIdeeder inklusionvorallemimArbeitslebenundindenSchulen umzusetzen. • Zum 1. Januar 2013 entfällt die so genannte Praxisgebühr. Bislang mussten Erwachsene bei ArztbesuchenzehnEuroproVierteljahrbezahlen. • Abdem1.August2013bekommenEltern,dieihrKleinkindnichtineinerKindertagesstätte,Krippeodervon einerTagesmutterbetreuenlassen,aufAntrageinmonatlichesbetreuungsgeld.DieEinführungdiesesGesetzesistgesellschaftlichumstritten. • Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland erreicht 2013einenneuenHöchststand.ImJahresdurchschnitt hattenfast42MillionenMenscheneineArbeit.Auchdie ZahldersozialversicherungspflichtigBeschäftigtenist gestiegen.GleichzeitigsindimJahr2013rund53.000 mehrMenschenarbeitslosalsimVorjahr. Weiterführende informationen bei sozialpolitik.com: Rubrik„Politik“ Rubrik„Berufswelt“ Rubrik„Sicherheit“ Rubrik„Zeitleiste“:GesetzeundNeuerungen linktipps: BundeszentralefürpolitischeBildung:„DieAgenda2010:EinewirtschaftspolitischeBilanz“,www.bpb.de DeutscherGewerkschaftsbund(DGB):„HartzI–III:EineÜbersicht“,www.dgb.de Quellenhinweis: FürdiesesKapitelwurdennebendemAusstellungskatalog„IndieZukunftgedacht–BilderundDokumentezurDeutschenSozialgeschichte“des BundesministeriumsfürArbeitundSoziales,Bonn2008,auchfolgendeQuellenherangezogen:„Sozialpolitik–EinHeftfürdieSchule“,Ausgaben 2001/02bis2004/05,online:www.sozialpolitik.com/materialien;DeutscherGewerkschaftsbund(DGB):„HartzI–III:EineÜbersicht“,online:www. dgb.de;BundeszentralefürpolitischeBildung–Lexikon:„Hartz-Gesetze“,online:www.bpb.de;BundeszentralefürpolitischeBildung:„Agenda 2010–WegausderKrise?“:PraxisPolitik,April2005;„DieAgenda2010:EinewirtschaftspolitischeBilanz“,online:www.bpb.de(Stand:Februar 2014). 37 Kapitel8:SituationderFrau1945bisheute Auf dem Weg zur Gleichberechtigung Die ersten Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg Es sind vor allem Frauen, die nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 die Last des Wiederaufbaus tragen müssen. Auf dem Land führen sie die Höfe ihrer gefallenen, verletzten oder kriegsgefangenen Männer, Väter oder Brüder fort. In den Städten räumen sie den Schutt der zerstörten Häuser weg, weshalb sie häufig „Trümmerfrauen“ genannt werden. Fast die Hälfte aller Wohnungen ist durch den Krieg zerstört oder beschädigt. Die gesamte Wirtschaft ist in den ersten Nachkriegsjahren deshalb in hohem Maß auf die Arbeit von Frauen angewiesen. Dies hat Auswirkungen auf das Selbstverständnis der Frauen und stärkt ihr Selbstbewusstsein. In vielen westdeutschen Städten organisieren sie sich in so genannten Frauenausschüssen. Deren erste Sorge gilt der Überwindung der größten Notlagen wie Hunger, Verwahrlosung, Kleidungs- und Wohnungsmangel. Daneben formulieren sie aber auch konkrete frauenpolitische Ansprüche. So fordert der Frankfurter Frauenausschuss im Januar 1946 die Gleichberechtigung der Frau, Mitwirkung in der Verwaltung, gleiches Recht auf Arbeit bei gleichem Lohn, eine stärkere Beteiligung von Frauen in Berufsvertretungen und im Rechtswesen sowie insgesamt eine höhere Wertschätzung der Frauenarbeit. Auch in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) müssen Frauen überall mit anpacken, um die Kriegsschäden zu beseitigen und die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen. Es bilden sich allerdings keine freiwilligen Frauenausschüsse. Vielmehr verordnet die sowjetische Besatzungsmacht „von oben“ die gleiche Entlohnung von Männer- und Frauenarbeit. Frauen in der BRD: das Ringen um Selbstbestimmung und Gleichstellung Mit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) 1949 wird in Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes die Gleichberechtigung von Männern und Frauen festgeschrieben. Zugleich verpflichtet sich der Staat dazu, bestehende Nachteile von Frauen gegenüber Männern zu beseitigen. Dies sind wichtige Schritte für die Besserstellung der Frauen. Dennoch sind damit Selbstbestimmung und Gleichstellung im alltäglichen Leben noch lange nicht erreicht. Vielmehr dominiert in den ersten Jahrzehnten der BRD das familienpolitische Modell der „Hausfrauenehe“, welches die Frau auf ihre Rolle als Ehefrau und Mutter reduziert und sie im Erwerbsleben benachteiligt. Gesetzliche und rechtliche Verbesserungen Viele frauen bauen die vom Krieg zerstörten dörfer und städte nach 1945 wieder mit auf. bild: „trümmerfrauen“ bergen Ziegelsteine in berlin, 1945. 38 Seitdem die Gleichberechtigung von Mann und Frau im Grundgesetz verankert ist, werden alle Gesetze und Regelungen überprüft, ob sie dieser verfassungsgemäßen Vorgabe entsprechen. Daraus ergeben sich in den 1950er-Jahren wichtige Neuregelungen im Ehe-, Strafund Familienrecht, mit denen die gesellschaftliche Stellung der Frauen weiter verbessert wird. Besondere Bedeutung kommt dabei der Abschaffung des „Gehorsamsparagrafen“ im Jahr 1957 zu. Diese Bestimmung stammte noch aus dem Jahr 1900 und verwehrte verheirateten Frauen ein Mitspracherecht bei Entscheidungen über das gemeinsame Eheleben. 1958 tritt das Gleichberechtigungsgesetz des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Kraft. Nun brauchen verheiratete Frauen nicht mehr die Einwilligung ihrer Ehemänner, wenn sie eine Erwerbstätigkeit aufnehmen wollen. Allerdings muss sich diese Arbeit mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbaren lassen. Zugleich dürfen Frauen seitdem ein eigenes Bankkonto führen sowie das von ihnen in die Ehe eingebrachte Vermögen selbst verwalten. Es dauert noch bis zum Jahr 1977, bis die rechtliche Benachteiligung der Frau in der Ehe endgültig aufgegeben wird. Im BGB wird festgelegt, dass beide Ehepartner Fragen der Haushaltsführung und der Erwerbstätigkeit einvernehmlich und in gegenseitiger Rücksichtnahme regeln müssen. Auch das Problem der ungleichen Entlohnung zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte der jungen Bundesrepublik. Zwar verfügt das Bundesarbeitsgericht 1955 den Grundsatz des gleichen Lohnes von Mann und Frau bei gleicher Arbeit. Die Realität sieht allerdings häufig anders aus. So dauert es noch Jahrzehnte, bis „Frauenlohngruppen“ aus den Tarifverträgen verschwinden. Gesellschafts- und familienpolitische Meilensteine Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist für jede Gesellschaft ein Prüfstein für die soziale Situation der Frau. Seit dem Jahr 1952 schützt in der BRD ein Gesetz werdende Mütter vor einer beruflichen Kündigung während der Schwangerschaft. Das Gesetz beinhaltet auch, dass die Mütter in den Wochen vor und nach der Entbindung Geldleistungen weiter gezahlt bekommen. Seit 1979 haben berufstätige Frauen Anspruch auf einen viermonatigen Mutterschaftsurlaub rund um die Geburt ihres Kindes. In diesem Zeitraum darf ihnen ihr Arbeitsplatz nicht gekündigt werden. Zudem erhalten Mütter nun ein halbes Jahr lang ein Mutterschaftsgeld von 750 DM pro Monat. Hoch umstritten und auch heftig umkämpft ist in der BRD der Abtreibungsparagraf 218, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt. Seine Reform im Jahr 1976 stärkt nicht nur die Rechte der Frau, sondern stellt zugleich einen wichtigen Meilenstein für die zweite Welle der Frauenbewegung in der 1960er-Jahren in vielen westdeutschen städten setzten sich Menschen für die Abschaffung des Abtreibungsparagrafen 218 ein. bild: demonstration in bonn, 1975. 39 so stellte sich die politische führung der ddr die rolle der frau vor: eine wertvolle Arbeitskraft für den sozialistischen staat. bild: Junge Arbeiterinnen in einem nAGEMA-Werk, 1951. dar. Erstmals wird der Abbruch einer Schwangerschaft für straffrei erklärt, wenn festgelegte Fristen und bestimmte Voraussetzungen eingehalten werden. Auch die Einführung der Antibabypille erhöht die Selbstbestimmung von Frauen und verändert das Rollenverständnis in Ehe und Partnerschaft. Durch die Hormonpille können Frauen die Empfängnisverhütung selbst regeln. In Deutschland kommt sie erstmals im Jahr 1961 auf den Markt. Frauen in der DDR: Arbeitskräfte für den Sozialismus Die DDR beschreitet in der Frauenpolitik von Anfang an einen anderen Weg als die westdeutsche Bundesrepublik. Das Leitbild für Frauen ist die arbeitende Mutter. Die Integration der Frauen in die Arbeitswelt zum Aufund Ausbau des Sozialismus hat dabei höchste Priorität. Die Staats- und Parteiführung reagiert damit auch auf die massenhafte Abwanderung in den Westen, die in den Jahren bis zum Bau der Mauer 1961 sehr hoch ist. 40 Frauenpolitik in der DDR Bereits im September 1950 wird von der Volkskammer, dem Parlament in der DDR, das „Gesetz über den Mutter- und Kinderschutz und die Rechte der Frau“ erlassen. Es enthält einen breiten Katalog von staatlichen Hilfen für Mütter und ihre Kinder. Dazu zählen finanzielle Unterstützungen, Betreuungsmöglichkeiten für Schwangere, Hilfestellungen für frisch entbundene und alleinerziehende Mütter sowie Arbeitsschutzregelungen. 1952 erhalten erwerbstätige Frauen darüber hinaus einen monatlichen Haushaltstag. Auch in den folgenden Jahrzehnten bleibt der Ausbau der Sozialleistungen für berufstätige Frauen ein wichtiges Anliegen von Staat und Partei. Spezielle Frauenförderungspläne sollen zudem die fachliche und berufliche Qualifizierung von Frauen verbessern. „Frauenakademien“, die ab 1967 in den Städten und auf dem Land geschaffen werden, dienen jedoch in erster Linie der politischen Bildung im Sinne des Marxismus-Leninismus. Zur Frauenpolitik in der DDR gehört auch der Ausbau des Gesundheitsschutzes für Frauen. So steht Schwan- geren wohnortnah eine qualifizierte Beratung und Betreuung zu. In der Folge sinken sowohl die Mütter- als auch die Säuglingssterblichkeit in der DDR erheblich. Arbeitsschutz- und Arbeitshygienemaßnahmen zielen darauf ab, die Gesundheit der berufstätigen Frauen und Männer zu stärken. Familien- und Sozialpolitik Die Einrichtung und der Ausbau von Kinderkrippen und Kindergärten sowie Schulhorten ist ein wichtiger Bestandteil der Sozialpolitik in der DDR. Müttern soll dadurch die Erwerbstätigkeit ermöglicht werden. Alle Eltern können für ihre Kinder einen Platz in diesen Einrichtungen erhalten, die ganztags geöffnet sind. Die Betreuung der Kinder ist kostenlos. Lediglich für das Essen müssen die Eltern einen Beitrag leisten, der vom Staat bezuschusst wird. 1989 hat die DDR das dichteste Netz an Kinderbetreuungsmöglichkeiten in ganz Europa. Als Mitte der 1970er-Jahre die Geburtenzahl auch aufgrund der Zulassung der Antibabypille stark zurückgeht, gewährt der Staat bei Eheschließung einen Kredit von 5.000 Mark mit einem Rückzahlungserlass bei der Geburt von Kindern. Der Schwangerschaftsurlaub wird auf 26 Wochen ausgedehnt, der Nettodurchschnittsverdienst wird in dieser Zeit weiterhin voll ausgezahlt. Für jede Geburt wird eine Beihilfe von 1.000 Mark gezahlt. Auch das staatliche Kindergeld wird mehrmals erhöht. Beim Thema Schwangerschaftsabbruch, welches zur selben Zeit auch viele Frauen in der Bundesrepublik beschäftigt, entscheidet sich die DDR-Führung schon 1972 für eine weit gehende Liberalisierung. Das „Gesetz über die Unterbrechung der Schwangerschaft“ gestattet Frauen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums eigenständig über den Abbruch der Schwangerschaft zu entscheiden. Die genannten frauen-, familien- und sozialpolitischen Maßnahmen haben zur Folge, dass 1989 die Frauenerwerbsquote in der DDR 82,4 Prozent beträgt und damit deutlich höher ist als in der Bundesrepublik. Doch trotz aller staatlicher Hilfen bedeutet auch in der DDR die Berufstätigkeit neben dem Haushalt und der Familie für Mütter häufig eine Doppelbelastung. Gleichstellungspolitik im wiedervereinigten Deutschland Nach der Wiedervereinigung 1989/90 verpflichtet sich der bundesdeutsche Staat 1994 im Zuge einer Grundgesetzänderung dazu, die Gleichberechtigung von Mann und Frau durchzusetzen. Es werden vor allem Gesetze und Programme verabschiedet, die es Eltern und speziell Müttern erleichtern sollen, trotz Familie und Kindererziehung erwerbstätig zu sein. Dazu zählen unter anderem der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab drei Jahren (1996), die Einführung der Elternzeit (2001), der Ausbau von Betreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren (2005, 2009 und 2013), die Zahlung von Elterngeld (2007), das Programm zur betrieblich unterstützten Kinderbetreuung (2008) und der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für jedes Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr (2013). Weitere Maßnahmen zielen auf die Gleichstellung am Arbeitsplatz, den Abbau von Diskriminierungen, bessere Chancen für Bewerberinnen bei Neueinstellungen und familienfreundlichere Arbeitszeiten ab. Frauen heute Trotz dieser zahlreichen rechtlichen und politischen Aktivitäten, die Rahmenbedingungen wie Arbeitszeit, Entlohnung und Kinderbetreuung für Frauen verbessern sollen, bestehen noch immer viele soziale Ungleichheiten: Erwerbstätige Frauen verdienen in Deutschland durchschnittlich 22 Prozent weniger als Männer. Sie arbeiten häufiger in Teilzeit, sind bei den Führungspositionen unterrepräsentiert und leisten den Hauptteil der unbezahlten Arbeit in Haushalt, Kinderbetreuung und der Pflege von Angehörigen. Mädchen und junge Frauen müssen daher weiter ermutigt werden, Berufe zu wählen, die ihren guten Schulabschlüssen und Qualifikationen entsprechen. Flexiblere Arbeitszeiten und ein leichterer beruflicher Wiedereinstieg von Müttern nach einer Familienauszeit sind weitere Ansätze, um die Erwerbstätigkeit von Frauen zu steigern, was aufgrund des demografischen Wandels wichtig sein wird. Viele Defizite haben noch immer Bestand und rechtfertigen auch in Zukunft eine aktive Politik für die Frau. Doch die rechtliche wie gesellschaftliche Situation für Mädchen und Frauen im Sinne einer besseren Gleichstellung hat sich in den letzten 60 Jahren erheblich verbessert. Mussten Frauen bei der Gründung der BRD ihre Ehemänner noch um Erlaubnis fragen, wenn sie eine Berufstätigkeit aufnehmen wollten, und dominierte die Vorstellung der Hausfrauenehe das Rollenverständnis, können sie nun frei über ihre Lebens- und Familienform bestimmen. Die Rollenbilder von Frauen, aber auch von Männern sind vielfältiger und offener geworden und können von den Partnern in Beziehung und Ehe frei ausgehandelt werden. Dazu zählt auch die Lastenverteilung in der Familie und im Haushalt. Gleichstellungsund Frauenbeauftragte in öffentlichen Verwaltungen und der privaten Wirtschaft treten für die Interessen von Frauen ein. Dies sind Errungenschaften und Fortschritte für die Selbstständigkeit von Frauen, hinter die die bundesdeutsche Gesellschaft nicht mehr zurückfallen wird. 41 Kapitel9:Zu-undAuswanderung Deutschland — ein Land der Zu- und Auswanderer Seit Jahrtausenden verlassen Menschen immer wieder ihre Heimat, um ihr Glück im Ausland zu finden. Auch nach Deutschland kommen seit Jahrhunderten Menschen, die sich bessere Bedingungen zum Leben, Arbeit und Schutz versprechen. Umgekehrt verlassen auch viele Deutsche ihre Heimat, und Migranten der zweiten oder dritten Generation ziehen wieder in ihre Ursprungsländer zurück. Auch sie treibt meistens die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Fremde. Dabei sind die Gründe für Zu- und Auswanderung oft ähnlich: Krieg und Gewalt im Heimatland, religiöse und politische Verfolgung, Vertreibung und Unterdrückung von Minderheiten sowie nicht zuletzt Armut, Arbeitslosigkeit und Hunger. Auswanderung im 19. Jahrhundert Nordamerika ist ein beliebtes Ziel deutscher Auswanderer seit der Neuzeit. Die Auswanderung von Deutschen nach Übersee hat lange Zeit vor allem soziale Ur- sachen wie Überbevölkerung und Missernten, wodurch viele Nahrungsmittel teurer werden. Der Hunger vieler Menschen, die sich die Lebensmittel nicht mehr leisten können, nimmt zu. In manchen Gegenden werden Verarmte sogar zur Entlastung der Gemeindekassen mit ein wenig Verpflegungsgeld ausgestattet und „nach Amerika verschickt“. Politische Gründe haben dagegen zwei große Auswanderungswellen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Die erste Welle setzt nach dem Scheitern der Revolution von 1848 ein. Zahlreiche Anhänger der Revolution müssen vor der Obrigkeit und deren Polizei fliehen oder wollen in einem liberaleren Land leben. Viele suchen deswegen Zuflucht in Nordamerika. Angelockt werden sie häufig von Briefen bereits Ausgewanderter. Schilderungen von Agenten schüren Erwartungen, die sich jedoch häufig als falsch erweisen. Eine zweite große Auswanderungswelle löst das Inkrafttreten des „Sozialistengesetzes“ im Jahr 1878 aus, mit die Auswandererschiffe sind meist völlig überfüllt. Auf den langen und beschwerlichen reisen werden viele Auswanderer Opfer von Krankheiten und seuchen oder sterben an Entkräftung, noch bevor sie die neue heimat erreichen. bild: An deck eines Auswandererschiffes, 1905. 42 dem die Sozialdemokratie verboten wird und ihre Mitglieder und Anhänger verfolgt werden. Die Folge: Allein 1881 wandern rund 220.000 Menschen aus Deutschland aus. Das sind fast fünf Prozent der Bevölkerung. Zwischen 1880 und 1908 verlassen insgesamt über zwei Millionen Deutsche ihre Heimat. Im 19. Jahrhundert bleiben die Vereinigten Staaten von Amerika ein bevorzugtes Ziel vieler Deutscher. Dort lassen sie sich vor allem als Landwirte nieder. Später folgen Handwerker und Gewerbetreibende sowie Arbeiter, die in den großen amerikanischen Industriestädten Lohn und Brot finden. Die Auswanderer sind überwiegend Männer, aber auch Frauen und ganze Familien wagen einen Neuanfang in Amerika. Die Überseereise in überfüllten Auswandererschiffen ist lebensgefährlich, die Unterkunft auf den Schiffen karg und die Verpflegung schlecht. Aus- und Rückwanderung im frühen 20. Jahrhundert Ab dem Jahr 1890 ebbt die Auswanderungswelle wieder ab, da das Sozialistengesetz nicht verlängert wird. Durch die Industrialisierung werden nun auch im Deutschen Kaiserreich neue Arbeitsplätze geschaffen. Arbeitsuchende zieht es vom Land in die industriellen Ballungsräume, die vor allem in Mittel- und Westdeutschland entstehen. Diese so genannte Binnenwanderung innerhalb des Deutschen Reichs tritt an die Stelle der Auswanderung. 1909 verlassen nur noch rund 25.000 Menschen Deutschland. Dies entspricht einem Anteil von weniger als 0,4 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Inflation und eine hohe Arbeitslosigkeit führen in der Weimarer Republik 1923 noch einmal zu einem kurzen, aber starken Anstieg der Auswanderung. Während der Weltwirtschaftskrise ab 1930 ist jedoch zu beobachten, dass die Zahl der deutschen Heimkehrer aus Nordamerika diejenige der Auswanderer übersteigt. Dies ist auf zwei Gründe zurückzuführen: In den USA herrschen zum einen nun strengere Einwanderungsgesetze. Zum anderen sind viele deutsche Auswanderer in den USA nicht heimisch geworden und haben auch beruflich nicht Fuß fassen können. Emigration unter der nationalsozialistischen Herrschaft Nachdem die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernehmen und Terror und Gewalt verbreiten, verlassen viele Sozialdemokraten, Kommunisten, andere Oppositionelle, Intellektuelle und Künstler Deutschland, um ihrer Unterdrückung und Verfolgung zu entgehen und in Freiheit leben zu können. Man spricht bei dieser Form von Auswanderung auch von politischer Emigration. Die größte Gruppe der Auswanderer unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bilden die Bürger, die jüdischen Glaubens sind oder jüdische Vorfahren haben. Diejenigen unter ihnen, die den Vernichtungswillen der Nationalsozialisten rechtzeitig erahnen und ausreichend Geld haben, reisen aus Deutschland aus, solange sie noch können. Hierfür müssen sie nicht nur ein Land finden, das sie aufnehmen will. Sie müssen in Deutschland auch noch eine so genannte Reichsfluchtsteuer zahlen sowie ihren ganzen Besitz aufgeben. Flucht und Vertreibung als Folgen des Zweiten Weltkrieges Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges 1945 erreicht die Zahl der Auswanderer aus der Bundesrepublik Deutschland (BRD) kaum noch eine nennenswerte Größenordnung. Dennoch kommt es in den letzten Monaten des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren in Deutschland zu größeren Bevölkerungsbewegungen. Millionen Menschen fliehen aus den deutschen Gebieten östlich von Oder und Neiße vor der Roten Armee der Sowjetunion, da sie deren Racheakte fürchten. In den Jahren 1945 und 1946 werden deutschstämmige Bevölkerungsgruppen aus Gebieten wie dem Sudetenland, die nun zu Polen und der Tschechoslowakei gehören, vertrieben. Bis zum Mauerbau 1961 verlassen ebenfalls Millionen von Menschen die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) und die Deutsche Demokratische Republik (DDR) in Richtung BRD. Von einer gezielten Zuwanderung lässt sich allerdings nicht sprechen. „Gastarbeiter“ für das deutsche Wirtschaftswunder Mitte der 1950er-Jahre erlebt die Wirtschaft der BRD einen Aufschwung, der so stark ist, dass in vielen Industriezweigen Arbeitskräfte fehlen. Es ist die Zeit des „Wirtschaftswunders“, das Unternehmen investieren und wachsen lässt. Die Bundesregierung reagiert auf die Bedürfnisse der Wirtschaft und wirbt neue Arbeitskräfte überwiegend aus Südeuropa an. Sie kommen aus Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, der Türkei, Marokko oder Tunesien. Sie werden Gastarbeiter genannt, weil sie ursprünglich nur eine begrenzte Zeit in Deutschland bleiben sollen. Doch ihre Arbeit ist für die Unternehmer wie für die ausländischen Arbeiter so attraktiv, dass viele Gastarbeiter länger als geplant in Deutschland bleiben, sich dauerhaft niederlassen und schließlich ihre Familien nachholen. Schon 1964 wird der einmillionste Gastarbeiter in der Bundesrepublik begrüßt. Auch eine kleine Wirtschaftskrise 1966/67 stoppt den Zuzug der Arbeitskräfte, die nun auch aus Jugoslawien und der Türkei angeworben werden, nicht dauerhaft. 1973 sind 2,6 Millionen Ar43 staaten“ wie Polen, der CSSR (die heutige Tschechische Republik und die Slowakische Republik), Ungarn, Angola, Vietnam und Kuba. Sie werden überwiegend als Industriearbeiter eingesetzt. Da ihre Arbeitserlaubnis von vornherein vertraglich festgelegt ist, werden sie Vertragsarbeiter genannt. Sie leben zumeist von der einheimischen Bevölkerung getrennt in eigenen Wohnheimen. Staat und Partei haben keine ernsthaften Absichten, sie in die Gesellschaft zu integrieren. Aussiedler und Asylbewerber Von Ende der 1980er-Jahre bis Mitte der 1990er-Jahre erlebt die Zuwanderung nach Deutschland einen neuen Boom. Zum einen hält der Familiennachzug der Gastarbeiter, die mittlerweile in der zweiten oder dritten Generation in Deutschland leben, unvermindert an. Zum anderen kommen nun verstärkt Aussiedler und Spätaussiedler mit deutschen Wurzeln aus den Staaten des bisherigen Ostblocks und der zerfallenden Sowjetunion zurück in die Bundesrepublik. Ab Mitte der 1950er-Jahre kommen tausende Arbeitskräfte vor allem aus südeuropa nach deutschland. bild: der Portugiese Amando sá rodrigues erhält als einmillionster Gastarbeiter in der bundesrepublik ein Moped als begrüßungsgeschenk, 1964. Gleichzeitig steigt auch die Zahl derjenigen, die aus politischen, wirtschaftlichen oder humanitären Gründen dauerhafte Aufnahme (Asyl) in der BRD beantragen und Schutz vor Verfolgung, Armut und Krieg suchen. Das Grundgesetz garantiert politisch Verfolgten ein Grundrecht auf Asyl. Da aber seit 1993 die so genannte Drittstaatenregelung gilt, die eine Einreise von Asylbewerbern aus sicheren Drittstaaten ausschließt, geht die Zahl der Asylverfahren und anerkannten Asylbewerber stark zurück. beitskräfte aus dem Ausland in der BRD tätig. Zählt man deren Familienmitglieder hinzu, leben in dieser Zeit etwa vier Millionen ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger in der BRD. Vor allem in den größeren Städten wohnen sie häufig unter sich, haben ihre eigenen Geschäfte, Lokale, Kultureinrichtungen und manchmal nur wenig Kontakt mit der deutschen Bevölkerung. Man spricht in diesem Zusammenhang von der Ausbildung von Parallelgesellschaften. Anfang der 1990er-Jahre erschüttert eine Welle von offen gezeigter Ausländerfeindlichkeit bis hin zu Gewalt das wiedervereinigte Deutschland. Traurige Berühmtheit erlangen die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor einem Wohnheim für vietnamesische Vertragsarbeiter sowie die Brandanschläge von Mölln und Solingen auf Häuser mit türkischstämmigen Bewohnern, die mehrere Todesopfer fordern. Als die Ölkrise 1973 auch die deutsche Wirtschaft erreicht und schwächt, verhängt die Bundesregierung einen Anwerbestopp. Die eigens im Ausland eingerichteten Anwerbebüros werden geschlossen. Freizügigkeit in der Europäischen Union „Vertragsarbeiter“ in der DDR Auch in der DDR fehlen in den 1960er-Jahren viele Arbeiter, was nicht zuletzt auf die massenhafte Abwanderung und Flucht in die BRD bis zu Beginn des Mauerbaus 1961 zurückzuführen ist. Daraufhin wirbt die Regierung der DDR ebenfalls Arbeitskräfte aus dem Ausland an. Sie kommen vor allem aus den „sozialistischen Bruder44 Innerhalb der Europäischen Union (EU) gilt die so genannte Freizügigkeit. Dies bedeutet, dass jeder EU-Bürger nicht nur das Recht hat, in einen beliebigen Mitgliedstaat der EU zu reisen. Er kann, wenn er dies möchte, auch seinen Wohnsitz dorthin verlegen. Von dieser Möglichkeit können sowohl Deutsche im Ausland als auch EU-Bürger in Deutschland Gebrauch machen. Seit der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 und der anhaltend hohen Verschuldung vieler EU-Länder, ist Deutschland wieder sehr gefragt. Die Bundesrepublik hat die Krise vergleichweise unbeschadet überstanden und wirbt im Ausland um Fachkräfte, die in bestimmten Zu- und Abwanderung in deutschland Quelle:StatistischesBundesamt,2013. Branchen fehlen. Aktuell leben, arbeiten und studieren in Deutschland wieder vermehrt junge Menschen aus EU-Ländern wie Spanien, Italien und Portugal, wo eine besonders hohe Jugendarbeitslosigkeit herrscht. Ist Deutschland ein Einwanderungsland? Schaut man auf die Statistik, ist die Antwort auf die Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland ist, eindeutig: Mit wenigen Ausnahmen übersteigt seit Bestehen der Bundesrepublik die jährliche Zahl der Zuwanderer stets die der Auswanderer. So sind 2012 über eine Million Menschen zugezogen, während im selben Zeitraum etwa 700.000 Menschen Deutschland verlassen haben. Dennoch schrumpft die deutsche Bevölkerung aufgrund der geringen Geburtenrate kontinuierlich und wird im Schnitt älter. Dies gefährdet auf Dauer die Sozialversicherungssysteme, da diese auf die Beiträge von Erwerbstätigen angewiesen sind. Da zudem in einigen Branchen, zum Beispiel in Ingenieursberufen sowie im Bereich von Pflege und Gesundheit, bereits Fachkräfte fehlen, fordern Politik und Wirtschaft seit einigen Jahren, die Zuwanderung von gut ausgebildeten Ausländern gezielt zu fördern. Die Bundesregierung hat im Jahr 2012 eine „FachkräfteOffensive“ gestartet. Damit sollen sowohl brachliegende inländische Kompetenzen etwa durch Weiterbildungen mobilisiert werden als auch qualifizierte ausländische Arbeitskräfte gezielt angesprochen werden. Zu den geplanten Maßnahmen zählt zum Beispiel die leichtere und schnellere Anerkennung von Bildungsabschlüssen aus dem Ausland. Außerdem sollen bürokratische Hindernisse abgebaut und die Rahmenbedingungen für den Aufenthalt und die Beschäftigung von Zuwanderern verbessert werden. Auch die deutsche Wirtschaft ist aufgefordert, ausländische Fachkräfte durch gute Arbeitsbedingungen, eine angemessene Bezahlung, Aufstiegsmöglichkeiten, familienfreundliche Arbeitszeiten sowie Aus- und Weiterbildungschancen anzuwerben. Gleichzeitig gibt es in der deutschen Bevölkerung Ängste vor einer unkontrollierten Zuwanderung zum Beispiel im Rahmen der EU-Freizügigkeit aus wirtschaftlich schwächeren Ländern und Regionen. So werden weiterhin große Anstrengungen nötig sein, Zuwanderer in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. 45 Arbeitsblatt:1945bis1949 Sozialgeschichte Besatzungszeit und Gründung zweier Staaten Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „Besatzungszeit und Gründung zweier Staaten“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). ________ . ________ . Quelle:Ullstein-Bild. 1. Welcher Tag gilt als das Ende des Zweiten Weltkrieges? ________________ 2. Nenne die Siegermächte, die am 5. Juni 1945 in Deutschland die Regierung übernahmen. Quelle:AKG-Images. 3. Vom 17. Juli bis 2. August 1945 fand in Potsdam die __ _____________________________________________ statt. Es ging darum, die __ ______________________________________________ . Die Beschlüsse wurden von _______________________________________ , _______________________________________ und _______________________________________ unterzeichnet. Plakat zum Wiederaufbauprogramm „Marshallplan“. 6. Welche sozialpolitischen Neuerungen wurden in den von den Westalliierten besetzten Zonen Deutschlands umgesetzt beziehungsweise wieder eingeführt? Potsdam, sommer 1945: churchill, truman und stalin. a) Einheitsversicherung für die Kranken-, Rentenund Unfallversicherung. b) Arbeitslosenversicherung. c) Tarifautonomie. © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 4. Zähle die wichtigsten Inhalte auf, die auf der Konferenz von Potsdam festgelegt wurden. Erkläre diese. d) Arbeitskräftelenkung. e) Gewerkschaften. (Mehrfachnennung möglich) 7. Welche sozialpolitischen Neuerungen wurden in den von der Sowjetunion besetzten Zonen Deutschlands umgesetzt beziehungsweise wieder eingeführt? (Mehrfachnennung möglich) 5. Erkläre den Begriff „Kalter Krieg“. a) Tarifautonomie. b) Arbeitslosenversicherung. c) Gewerkschaften. d) Einheitsversicherung für die Kranken-, Rentenund Unfallversicherung. e) Arbeitskräftelenkung. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Arbeitsblatt:1949bis1990 Sozialgeschichte DDR: Sozialpolitik im Sozialismus Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „DDR: Sozialpolitik im Sozialismus“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). Quelle:Ullstein-Bild. 1. Am 7. Oktober 1949 wurde die Deutsche Demokratische Republik (DDR) gegründet. Nenne die drei wichtigsten Mitglieder der Regierung in den ersten Jahren. 1. 2. 3. 2. Nenne die Partei, die von Beginn bis zum Ende der DDR die Politik bestimmte. 3. Staatsziel der DDR war der „Aufbau des Sozialismus“. Erkläre, wie die Wirtschaft in diesem System funktionierte. Kindergartenkinder mit Mützen von soldaten der nationalen Volksarmee beim militärischen Gruß. 6. Da in der DDR Arbeitskräftemangel herrschte, wurden Frauen und Mütter mit materiellen Anreizen und Dienstleistungen motiviert, arbeiten zu gehen. Welche waren das? (Mehrfachnennung möglich) a) Bei Eheschließung erhielten Paare einen Kredit vom Staat, den sie nicht zurückzahlen mussten, wenn sie ein Kind bekamen. 4. Wie war die Sozialversicherung in der DDR strukturiert? (Mehrfachnennung möglich) © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 a) Die fünf Sozialversicherungen wurden in eine zentral gelenkte „Einheitsversicherung“ umgewandelt. b) Alle Arbeitnehmer waren darin pflichtversichert, eine private Absicherung war nicht möglich. c) Sie wurde hauptsächlich aus Beiträgen der Betriebe und aus dem Staatshaushalt finanziert. d) Es gab keine freie Krankenkassenwahl. 5. Beschreibe, was im Mittelpunkt des sozialpolitischen Handelns der SED stand. b) Kinderkrippen und -gärten wurden flächendeckend zu Ganztageseinrichtungen ausgebaut. c) Jedes Kind konnte einen kostenlosen Betreuungsplatz bekommen. d) Der Staat übernahm die Betreuungskosten nur für Alleinerziehende. e) Pro Kind wurde eine Geburtenbeihilfe von 1.000 Euro gezahlt. f) Mütter hatten Anspruch auf ein halbes Jahr Schwangerschaftsurlaub. g) Für Mütter bestand grundsätzlich Kündigungsschutz. 7. Skizziere, wie es zum Zusammenbruch des politischen Systems in der DDR 1989 kam. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Arbeitsblatt:1949bis1973 Sozialgeschichte BRD: Wirtschaftswunder und Sozialstaat Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „BRD: Wirtschaftswunder und Sozialstaat“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). Quelle:Ullstein-Bild. 5. Erkläre den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“. Nenne auch ihre Erfinder. 6. Vervollständige den Text: symbol für das Wirtschaftswunder: der einmillionste VW-Käfer. 1. Wer wurde erster Bundeswirtschaftsminister der BRD? Nenne auch seine Amtszeit. 2. Skizziere das „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“ vom Juni 1948. Die 1950er-Jahre sind geprägt von Wohlstand und ________________________________________________________ . Trotz Kritik in den 1960er-Jahren wurde der _______________________________________________ in den Folgejahren weiter ausgebaut: ___________________________ und _______________________________ wurden in die gesetzliche Unfallversicherung mit aufgenommen. Außerdem verbesserte das Rehabilitationsangleichungsgesetz die Leistungen zur medizinischen und beruflichen ______________________________ von ____________________________________________________. 7. Welche weiteren sozialpolitischen Errungenschaften prägten den Sozialstaat in den 1960er- und 1970er-Jahren? (Mehrfachnennung möglich) a) Das Gleichstellungsgesetz trat in Kraft. 4. Mit der Rentenreform von 1957 gab es viele Neuerungen. Welche waren das? b) Der Mindesturlaub wurde eingeführt. c) Das Lohnfortzahlungsgesetz trat in Kraft. d) Das Ausbildungsförderungsgesetz unterstützte Schüler und Studierende mit finanziellen Leistungen. e) Das „Abtreibungsgesetz“ trat mit dem § 218 im StGB in Kraft. Quelle:AKG -Images. © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 3. Vervollständige den Text: Das traditionelle soziale System des ____________________________ wurde wieder eingeführt und damit der Grundstein des heutigen Sozialstaates gelegt. Bis zum Jahr 1950 wurden die einzelnen Zweige – die ____________________________-, Unfall-, Alters- und _____________________________________________ – bundesweit wieder gesetzlich verankert. Im Jahr ______________ übernahm auch Westberlin, das sich zunächst für eine _________________________________________________ entschieden hatte, dieses System. (Mehrfachnennung möglich) a) Die Altersrente ist einkommensbezogen. b) Für Politiker ist die Altersrente einkommensunabhängig. c) Die Rentenhöhe liegt bei etwa 60 Prozent der durchschnittlichen Bruttolöhne. d) Die Rente wird regelmäßig an die Bruttolöhne angepasst. e) Der „Generationenvertrag“, das Umlageverfahren, wird eingeführt. 1. Mai 1956, Plakat des dGb. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Arbeitsblatt:1974bis1989 Sozialgeschichte Grenzen des Sozialstaats Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „Grenzen des Sozialstaats“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). Quelle:Ullstein-Bild. 5. Da diese Ziele nicht erreicht werden konnten, kam es im Jahr 1982 zu einem politischen Wechsel. Zähle in Stichpunkten auf, was im Sommer und Herbst 1982 geschah. – – – – – der computer revolutioniert die Arbeitswelt. rechenzentrum der bundespost, hamburg 1974. 6. Auch der neu gesetzte sozialpolitische Kurs brachte in den Folgejahren nicht den gewünschten Erfolg. Welche Ziele wurden nach dem politischen Wechsel verfolgt? (Mehrfachnennung möglich) 1. Nenne die Veränderungen, die den Strukturwandel in der BRD in den 1970er-Jahren ausgelöst hatten. a) mehr Staat, mehr Markt. b) weniger Staat, mehr Markt. c) mehr Eigeninitiative und mehr Wettbewerb. d) mehr Beweglichkeit in den alten Strukturen. 2. Erläutere die Hintergründe der „Neuen Sozialen Frage“ der 1970er-Jahre und die der „Sozialen Frage“ des 19. Jahrhunderts. 3. Welche Errungenschaften wurden in der Familienpolitik in den 1970er-Jahren erreicht? e) weg von kollektiven Lasten, hin zur persönlichen Leistung/Verantwortung. 7. Ende der 1980er-Jahre wurde der so genannte demografische Wandel erstmals sichtbar. Bis heute ist er eine besondere Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Erkläre, was demografischer Wandel bedeutet und welche Folgen er hat. a) Das Kindergeld wird erstmals auch für das erste Kind eingeführt. b) Für eheliche Kinder gibt es mehr Kindergeld als für uneheliche. c) Das Elterngeld wird eingeführt. d) Sechs Monate lang erhalten Mütter ein Mutterschaftsgeld. Quelle:Ullstein-Bild. © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 (Mehrfachnennung möglich) e) Mütter genießen vor und nach der Geburt ihres Kindes einen besonderen Kündigungsschutz. 4. Nenne zwei wichtige Ziele der Wirtschafts- und Sozialpolitik der 1970er- und 1980er-Jahre. die sinkende Geburtenrate hat zur folge, dass immer weniger Menschen in die sozialversicherungssysteme einzahlen. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Arbeitsblatt:1990bis1998 Sozialgeschichte Wiedervereinigtes Deutschland Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „Wiedervereinigtes Deutschland“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). Quelle:AKG-Images. 4 . Nenne den Hauptgrund, weshalb die Arbeitslosenzahlen nach der Wiedervereinigung rapide auf über drei Millionen anstiegen. 5. In den 1990er-Jahren wurden in der gesetzlichen Rentenversicherung einige Neuerungen und Änderungen umgesetzt. Welche waren das? (Mehrfachnennung möglich) a) Millionen ehemalige DDR-Bürger wurden in das bundesdeutsche Rentensystem integriert. b) Rentenbeiträge wurden an die Veränderungen der Nettolöhne angepasst. 10. november 1989: Westberliner begrüßen besucher aus Potsdam. c) Wer wollte, konnte ab dem 55. Lebensjahr in Rente gehen. 1. Beschreibe, welche wichtigen Voraussetzungen von BRD und DDR auf dem Weg zur Wiedervereinigung geschaffen wurden. d) Rentenbeiträge wurden an die Veränderungen der Bruttolöhne angepasst. Quelle:Reuters. e) Die Beiträge sanken erst und stiegen zum Ende der 1990er-Jahre auf über 19 Prozent. 2. An welchem Tag wurde der Beitritt der DDR zur BRD vollzogen? Nenne das Datum und die Bezeichnung dieses Tages, der seither als offizieller deutscher Feiertag gilt. Medizinischer fortschritt und beste Versorgung kosten Geld. © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 6. Zähle vier Neuerungen auf, die im Gesundheitswesen eingeführt wurden. 3. Welche sozialpolitischen Herausforderungen standen nach der Wiedervereinigung im Vordergrund? (Mehrfachnennung möglich) a) Anpassung der Sozialversicherungssysteme in Ostdeutschland. b) Reformen für die gesetzliche Rentenversicherung und Altersvorsorge. c) Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in Westdeutschland. d) Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in Ostdeutschland. 1. 2. 3. 4. 7. Im Februar 1992 schlossen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) zur Europäischen Union (EU) zusammen und handelten den „Maastrichter Vertrag“ aus. Nenne das Jahr des Inkrafttretens. Fasse auch die wichtigsten Ziele des Vertrags zusammen. e) Senkung der Arbeitslosenzahlen. f) Umstrukturierung der gesetzlichen Krankenkasse. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Arbeitsblatt:1998bis2005 Sozialgeschichte Reformen sichern die Zukunft 1. Nenne Gründe für die Sorgen der Regierung und der Bürger um die Finanzierung des sozialen Sicherungssystems und der Arbeitswelt. Quelle:Ullstein-Bild. Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „Reformen sichern die Zukunft“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). 2. Nenne den Urheber der Agenda 2010. Am 19. April 1999 nimmt der deutsche bundestag seine Arbeit im umgebauten reichstagsgebäude in berlin auf. 3. In den Jahren 2003 bis 2005 traten im Bereich Arbeitsmarkt neue Gesetze in Kraft. Welche Neuerungen brachten sie mit sich? Ergänze auch das jeweilige Gesetz dazu. (Mehrfachnennung möglich) © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 a) Es besteht sofortige Meldepflicht bei drohender Arbeitslosigkeit. (Gesetz ___________________________ ) b) Selbstständige müssen sich freiwillig gegen Arbeitslosigkeit versichern. (Gesetz ___________________________ ) c) Das Arbeitslosengeld II wird eingeführt. (Gesetz ___________________________ ) d) Das Arbeitslosengeld II wird wie das Arbeitslosengeld über die Beiträge aus der Sozialversicherung finanziert. (Gesetz ___________________________ ) 4 . Übersetze den Begriff „Agenda“. Nenne außerdem die Ziele, die durch die „Agenda 2010“ erreicht werden sollten. 6. Welche Neuerungen brachte die Rentenreform? (Mehrfachnennung möglich) a) Aus „Rente wegen Berufsunfähigkeit“ wird die „Rente wegen Erwerbsunfähigkeit“. Eine private Absicherung gegen Berufsunfähigkeit wird notwendig. b) Wer möchte, kann einen Teil seines Lohnes für eine betriebliche Altersvorsorge verwenden. c) Die private Altersvorsorge wird steuerlich gefördert. d) Der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor setzt die Zahl der Leistungsempfänger in Relation zur Anzahl der erwerbstätigen Beitragszahler. 7. Erkläre, was die Regelung der Drittelbeteiligung bei der Unternehmensmitbestimmung bedeutet. 8. Gib wieder, welche Vorteile die Gesundheitsreform von 2004 für die Versicherten brachte. 5. Beschreibe den Begriff „barrierefrei“. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Arbeitsblatt:2005bisheute Sozialgeschichte Sozialpolitik im Zeichen der Globalisierung 1. Nenne die Koalition, welche die BRD von 2005 bis 2009 regierte. Wer führte sie? Quelle:gettyimages. Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „Sozialpolitik im Zeichen der Globalisierung“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). 2. Mit den Reformen zur Modernisierung des Arbeitsmarktes werden Anwartschaftszeit und Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes neu geregelt. Fasse zusammen, welche Voraussetzungen seitdem gelten. 3. Kennst du weitere aktuelle Regelungen der Arbeitsmarktpolitik? (Mehrfachnennung möglich) a) Selbstständige und Freiberufler können freiwillig Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. b) Es besteht sofortige Meldepflicht bei drohender Arbeitslosigkeit. c) Selbstständige und Freiberufler dürfen jetzt keine Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. d) Wer Arbeitslosengeld II bezieht und eine Arbeit ablehnt, muss mit Kürzungen der Leistungen rechnen. e) Wer in den letzten zwei Jahren weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosengeld II bekommen hat, kann einen Antrag stellen, um sofort ein Arbeitsangebot zu bekommen. © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 f) Für Bezieher von Arbeitslosengeld II werden die Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflegeund Rentenversicherung übernommen. Zum 1. Januar 2007 wird das Elterngeld eingeführt. 6. Das Elterngeld gehört mit zu den wichtigsten und erfolgreichsten Errungenschaften der großen Koalition. Kreuze an, was in der Familienpolitik geändert oder eingeführt wurde. (Mehrfachnennung möglich) a) Familien können in den ersten 14 Lebensmonaten ihres Kindes Elterngeld beantragen. b) Bei Erwerbstätigen orientiert sich die Höhe am Nettoeinkommen. c) Jedes Kind unter drei Jahren erhält sofort einen Platz bei einer ausgewählten Tagesmutter. d) Auch Großeltern können „Elternzeit“ nehmen. e) Arbeitslosengeld-II-Empfänger können für ihre Kinder einen Schulbedarfszuschuss beantragen. 4 . Was bedeutet die Regelung „Rente mit 67“? Erkläre diese in eigenen Worten. 7. Im Jahr 2008 erlebte Deutschland zusammen mit allen Ländern der Welt eine Finanz- und Wirtschaftskrise. Erläutere, wie die Bundesregierung darauf reagierte. 5. Im April 2007 trat eine weitere Gesundheitsreform in Kraft. Zähle die vier wichtigsten Neuerungen auf. 8. Erkläre, welches Ziel mit den Reaktionen auf die Krise verfolgt wurde. Skizziere auch, welche Konsequenzen sich daraus für den Staat und die Bürger ergaben. 1. 2. 3. 4. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Arbeitsblatt:SituationderFrau1945bisheute Sozialgeschichte Auf dem Weg zur Gleichberechtigung Quelle:bpk/HerbertHensky Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „Auf dem Weg zur Gleichberechtigung“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). 5. Die Frauenpolitik in der DDR zielte vornehmlich auf die Rolle der Frau als a) Hausfrau. b) Arbeitskraft. c) Soldatin. d) Volkskammerabgeordnete. e) Mutter. (Mehrfachnennung möglich) 6. Die Frauenerwerbsquote und die Dichte der Kinderbetreuung waren in der DDR im Vergleich zur BRD a) geringer. b) etwas gleich. c) höher. 7. Liste die nach wie vor bestehenden Defizite bei der Gleichstellung von Frauen auf. „trümmerfrauen“ bergen Ziegelsteine in berlin, 1945. 1. Nenne die Ursachen des gewandelten Selbstverständnisses von Frauen in den ersten Nachkriegsjahren. 8. Wenn du den Zeitraum von 1945 bis heute in den Blick nimmst: Fasse die Errungenschaften und Erfolge für Frauen in Deutschland zusammen. 3. Erkläre, was die Abschaffung des „Gehorsamsparagrafen“ für Frauen zur Folge hatte. Quelle:bpk/HorstE.Schulze © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 2. Beschreibe den Inhalt von Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes (1949) in eigenen Worten. 4. Vervollständige den folgenden Satz: Die Reform des Gesetzes zum Schwangerschaftsabbruch Paragraf 218 war für die bundesdeutsche Frauenbewegung ein wichtiger Meilenstein, weil … Junge Arbeiterinnen in einem nAGEMA-Werk, 1951. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Arbeitsblatt:Zu-undAuswanderung Sozialgeschichte Deutschland — ein Land der Zu- und Auswanderer Grundlagentexte zu den Fragen sind im Kapitel „Deutschland – ein Land der Zu- und Auswanderer“ zu finden (im Internet unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte). 6. Auch in der DDR lebten ausländische Arbeitskräfte. Liste einige ihrer Herkunftsländer auf. 2. Erkläre, wodurch die beiden großen Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert ausgelöst wurden. 7. Freizügigkeit innerhalb der EU bedeutet das Recht, a) Fernzüge innerhalb der EU kostenlos nutzen zu dürfen. b) in jedes Land der EU einreisen zu können. c) auf einen gut bezahlten Job innerhalb der EU. d) den Wohnort innerhalb der EU frei wählen und dort arbeiten zu dürfen. Quelle:AKG-Images 1. Nenne Gründe, die Menschen dazu veranlassen, ihre Heimat zu verlassen. (Mehrfachnennung möglich) Quelle:Keystone 8. Deutschland ist auch in Zukunft auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, weil … An deck eines Auswandererschiffes, 1905. © Stiftung Jugend und Bildung; Stand: 3/2014 3. „Die Binnenwanderung ersetzt die Auswanderung.“ Ordne diesen Satz in den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang ein. 4. Zähle die Gruppen auf, die nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen mussten. 5. Ab Mitte der 1950er-Jahre wirbt die Bundesregierung gezielt a) Vertragsarbeiter. b) Frühaussiedler. c) Gastarbeiter. d) qualifizierte EU-Bürger. der Portugiese Amando sá rodrigues bekommt als einmillionster Gastarbeiter ein Moped geschenkt, 1964. „Sozialgeschichte“ ist ein Projekt der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Dauerausstellung „In die Zukunft gedacht – Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte“ des BMAS. Unter www.sozialpolitik.com/sozialgeschichte werden die Texte aus dem Ausstellungskatalog für die Schule aufbereitet und durch Arbeitsblätter ergänzt. Lösungen Antworten zu den Arbeitsblättern Arbeitsblatt: 1945 bis 1949 – Besatzungszeit und Gründung zweier Staaten 1. Welcher Tag gilt als das Ende des Zweiten Weltkrieges? 8. Mai 1945 2. Nenne die Siegermächte, die am 5. Juni 1945 in Deutschland die Regierung übernahmen. USA, Großbritannien, Frankreich und die Sowjetunion 3. Vom 17. Juli bis 2. August 1945 fand in Potsdam die Konferenz der „großen Drei“ statt. Es ging darum, die Ziele der gemeinsamen Besatzungspolitik festzulegen. Die Beschlüsse wurden von Harry S. Truman (USA), Josef Stalin (UdSSR) und Winston Churchill (Großbritannien) unterzeichnet. 4. Zähle die wichtigsten Inhalte auf, die auf der Konferenz von Potsdam festgelegt wurden. Erkläre diese. Demilitarisierung: Auflösung aller bewaffneten Verbände und militärischen Kriegervereine sowie die Schließung der Industriebetriebe für Kriegsproduktionen Denazifizierung: Auflösung der NSDAP, Aufhebung nationalsozialistischer Gesetze, Verurteilung der Kriegsverbrecher, Entfernung von Nationalsozialisten aus öffentlichen Ämtern und verantwortlichen Posten der Privatwirtschaft Demokratisierung: Umgestaltung des politischen Lebens auf demokratischer Grundlage, Zulassung demokratischer Parteien, demokratische Erneuerung des Bildungs- und Gerichtswesens Dezentralisierung: Verantwortung und Aufgaben der Wirtschaft und Verwaltung werden (dezentral) auf verschiedene Stellen übertragen. 5. Erkläre den Begriff „Kalter Krieg“. Politische Gegensätze zwischen den Siegermächten zeichneten sich ab: kapitalistisch-liberal-demokratische Politik im Westen gegen die kommunistische, polizeistaatliche Politik der UdSSR. Verhandlungen blieben ergebnislos und mündeten in einen offenen Ost-West-Konflikt, der auch als „Kalter Krieg“ bezeichnet wird (statt eines echten „heißen“ Kriegs) und dessen Hauptgebiet Deutschland war. 6. Welche sozialpolitischen Neuerungen wurden in den von den Westalliierten besetzten Zonen Deutschlands umgesetzt beziehungsweise wieder eingeführt? b) Arbeitslosenversicherung c) Tarifautonomie e) Gewerkschaften 7. Welche sozialpolitischen Neuerungen wurden in den von der Sowjetunion besetzten Zonen Deutschlands umgesetzt beziehungsweise wieder eingeführt? d) Einheitsversicherung für die Kranken-, Renten- und Unfallversicherung e) Arbeitskräftelenkung Arbeitsblatt: 1949 bis 1990 – DDR: Sozialpolitik im Sozialismus 1. Am 7. Oktober 1949 wurde die Deutsche Demokratische Republik (DDR) gegründet. Nenne die drei wichtigsten Mitglieder der Regierung in den ersten Jahren. Wilhelm Pieck, Otto Grotewohl, Walter Ulbricht 2. Nenne die Partei, die von Beginn bis zum Ende der DDR die Politik bestimmt. Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) 3. Staatsziel der DDR war der „Aufbau des Sozialismus“. Erkläre, wie die Wirtschaft in diesem System funktionierte. Die landwirtschaftliche und die industrielle Produktion wurde vom Staat geplant und gelenkt (Planwirtschaft). Private Unternehmen, kleine und mittlere Betriebe aller Wirtschaftsbereiche wurden zentral verwaltet und nach und nach ver- staatlicht. Es gab keinen freien Wettbewerb. Was wann und wie mit welchen Arbeitskräften, Materialien und Rohstoffen produziert werden sollte und wie hoch die Löhne und Preise waren, wurde vom Staat entschieden. 4. Wie war die Sozialversicherung in der DDR strukturiert? a) Die fünf Sozialversicherungen wurden in eine zentral gelenkte „Einheitsversicherung“ umgewandelt. b) Alle Arbeitnehmer waren darin pflichtversichert, eine private Absicherung war nicht möglich. c) Sie wurde hauptsächlich aus Beiträgen der Betriebe und aus dem Staatshaushalt finanziert. d) Es gab keine freie Krankenkassenwahl. 5. Beschreibe, was im Mittelpunkt des sozialpolitischen Handelns der SED stand. Im Mittelpunkt stand die DDR als Arbeitsgesellschaft: Erwerbstätigkeit sollte das Leben des Staatsbürgers bestimmen. Das Recht auf Arbeit und eine leistungsgerechte Entlohnung waren garantiert, sodass eine Arbeitslosenversicherung nicht aufgebaut wurde. Hauptziel der SED-Sozialpolitik war es, die Arbeitsfähigkeit der Staatsbürger zu erhalten und zu steigern. Arbeitsschutz- und Gesundheitspolitik spielten eine wichtige Rolle. Die Sozialleistungen im Betrieb wurden ausgebaut. 6. Da in der DDR Arbeitskräftemangel herrschte, wurden Frauen und Mütter mit materiellen Anreizen und Dienstleistungen motiviert, arbeiten zu gehen. Welche waren das? a) Bei Eheschließung erhielten Paare einen Kredit vom Staat, den sie nicht zurückzahlen mussten, wenn sie ein Kind bekamen. b) Kinderkrippen und -gärten wurden flächendeckend zu Ganztageseinrichtungen ausgebaut. c) Jedes Kind konnte einen kostenlosen Betreuungsplatz bekommen. e) Pro Kind wurde eine Geburtenbeihilfe von 1.000 Euro gezahlt. f) Mütter hatten Anspruch auf ein halbes Jahr Schwangerschaftsurlaub. g) Für Mütter bestand grundsätzlich Kündigungsschutz. 7. Skizziere, wie es zum Zusammenbruch des politischen Systems in der DDR 1989 kam. Die Fälschung der Kommunalwahlen im Mai 1989 wurde aufgedeckt, Proteste der Bürger folgten. Im Sommer 1989 öffnete Ungarn seine Grenze zu Österreich, und viele DDR-Bürger flohen in den Westen. Am 16. Oktober 1989 demonstrierten in Leipzig über 100.000 Menschen, eine Woche später mehr als 300.000. Mit den Rufen „Wir sind das Volk!“ und „Wir bleiben hier!“ forderten die Demonstranten Reformen. Honecker wurde innerhalb der SED entmachtet und trat am 18. Oktober zurück. Nachfolger wurde Egon Krenz. Die Demonstrationen gingen jedoch weiter. Am 9. November wurde die Grenze zur Bundesrepublik und nach Westberlin geöffnet. Arbeitsblatt: 1949 bis 1973 – BRD: Wirtschaftswunder und Sozialstaat 1. Wer wurde erster Bundeswirtschaftsminister der BRD? Nenne auch seine Amtszeit. Ludwig Erhard (CDU) trat 1949 sein Amt als erster Bundeswirtschaftsminister der BRD an. Seine Amtszeit endete 1963. 2. Skizziere das „Gesetz über Leitsätze für die Bewirtschaftung und Preispolitik nach der Geldreform“ vom Juni 1948. Neben der Lockerung von Preiskontrollen wurde die staatlich kontrollierte Bewirtschaftung aufgehoben. Für Güter wie Kohle, Stahl und Treibstoff galten jedoch weiterhin Preisbindungen, ebenso für Grundnahrungsmittel und Mieten. 3. Das traditionelle soziale System des 19. Jahrhunderts wurde wieder eingeführt und damit der Grundstein des heutigen Sozialstaates gelegt. Bis zum Jahr 1950 wurden die einzelnen Zweige – die Kranken-, Unfall-, Alters- und Arbeitslosenver- 55 sicherung – bundesweit wieder gesetzlich verankert. Im Jahr 1950 übernahm auch Westberlin, das sich zunächst für eine Einheitsversicherung entschieden hatte, dieses System. 4. Mit der Rentenreform von 1957 gab es viele Neuerungen. Welche waren das? a) Die Altersrente ist einkommensbezogen. c) Die Rentenhöhe liegt bei etwa 60 Prozent der durchschnittlichen Bruttolöhne. d) Die Rente wird regelmäßig an die Bruttolöhne angepasst. e) Der „Generationenvertrag“, das Umlageverfahren, wird eingeführt. 5. Erkläre den Begriff „Soziale Marktwirtschaft“. Nenne auch ihre Erfinder. Die Soziale Marktwirtschaft basiert auf freiem Wettbewerb, sozialem Ausgleich und Konsumentenfreiheit. Der Staat gestaltet den Rahmen für einen freien, fairen Markt, in dem jeder Einzelne nicht nur auf seine individuelle Leistungsfähigkeit angewiesen ist, sondern in Notsituationen mit der Unterstützung der Allgemeinheit rechnen kann. Erfinder: Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard 6. Vervollständige den Text: Die 1950er-Jahre sind geprägt von Wohlstand und Wirtschaftswachstum. Trotz Kritik in den 1960er-Jahren wurde der Sozialstaat in den Folgejahren weiter ausgebaut: Schüler und Studierende wurden in die gesetzliche Unfallversicherung mit aufgenommen. Außerdem verbesserte das Rehabilitationsangleichungsgesetz die Leistungen zur medizinischen und beruflichen Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen. 7. Welche weiteren sozialpolitischen Errungenschaften prägten den Sozialstaat in den 1960er- und 1970er-Jahren? b) Der Mindesturlaub wurde eingeführt. c) Das Lohnfortzahlungsgesetz trat in Kraft. d) Das Ausbildungsförderungsgesetz unterstützte Schüler und Studierende mit finanziellen Leistungen. Arbeitsblatt: 1974 bis 1989 – Grenzen des Sozialstaats 1. Nenne die Veränderungen, die den Strukturwandel in der BRD in den 1970er-Jahren ausgelöst hatten. Der technologische Wandel, der zunehmende Einsatz von Robotern und Computern (Digitalisierung) und die Entwicklung weg von der Industriegesellschaft hin zu einer Dienstleistungsgesellschaft 2. Erläutere die Hintergründe der „Neuen Sozialen Frage“ der 1970er-Jahre und die der „Sozialen Frage“ des 19. Jahrhunderts. In den 1970er-Jahren ging es – wie im 19. Jahrhundert – darum, Armut zu lindern oder zu verhindern und Lebensbedingungen zu verbessern. In den 1970er-Jahren standen Familien und Kinder im Vordergrund. Sie sollten besser gefördert werden, denn vor allem Mütter, die nicht im Berufsleben standen, und kinderreiche Familien waren im Nachteil. Im 19. Jahrhundert standen dagegen die schlechten Arbeitsbedingungen, die zu Not und Krankheit führten, im Vordergrund. 3. Welche Errungenschaften wurden in der Familienpolitik in den 1970er-Jahren erreicht? a) Das Kindergeld wird erstmals auch für das erste Kind eingeführt. d) Sechs Monate lang erhalten Mütter ein Mutterschaftsgeld. e) Mütter genießen vor und nach der Geburt ihres Kindes einen besonderen Kündigungsschutz. 4. Nenne zwei wichtige Ziele der Wirtschafts- und Sozialpolitik der 1970er- und 1980er-Jahre. Die Staatsverschuldung und die staatlichen Sozialausgaben mussten weiter reduziert werden. Die Unternehmen sollten steuerlich entlastet werden, um wieder mehr investieren zu können. 5. Da diese Ziele nicht erreicht werden konnten, kam es im Jahr 1982 zu einem politischen Wechsel. Zähle in Stichpunkten auf, was im Sommer und Herbst 1982 geschah. Auflösung der Koalition SPD/FPD durch Bundeskanzler Helmut Schmidt Misstrauensvotum folgt mit Wahl eines Nachfolgers des Bundeskanzlers Amtsantritt von Helmut Kohl am 1. Oktober als Bundeskanzler, Koalition von CDU und FDP 56 6. Auch der neu gesetzte sozialpolitische Kurs brachte in den Folgejahren nicht den gewünschten Erfolg. Welche Ziele wurden nach dem politischen Wechsel verfolgt? b) weniger Staat, mehr Markt c) mehr Eigeninitiative und mehr Wettbewerb d) mehr Beweglichkeit in den alten Strukturen e) weg von kollektiven Lasten, hin zur persönlichen Leistung/Verantwortung 7. Ende der 1980er-Jahre wurde der so genannte demografische Wandel erstmals sichtbar. Bis heute ist er eine besondere Herausforderung für Staat und Gesellschaft. Erkläre, was demografischer Wandel bedeutet und welche Folgen er hat. Die Menschen leben immer länger, somit müssen auch Renten und Pflegeleistungen länger gezahlt werden. Gleichzeitig sinkt die Zahl der Geburten. Daher zahlen immer weniger Menschen in die Sozialversicherungssysteme ein, gleichzeitig erhalten aber immer mehr Versicherte über einen immer längeren Zeitraum soziale Leistungen. Arbeitsblatt: 1990 bis 1998 – Wiedervereinigtes Deutschland 1. Beschreibe, welche wichtigen Voraussetzungen von BRD und DDR auf dem Weg zur Wiedervereinigung geschaffen wurden. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur staatlichen Einheit war der Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik und der DDR, der am 1. Juli 1990 in Kraft trat. Die Deutsche Mark (DM) wurde als einziges Zahlungsmittel auch in Ostdeutschland eingeführt. Die einheitliche Währung und die Übernahme der bundesdeutschen Sozialversicherung, der Sozialhilfe und des Arbeitsrechts im Rahmen der Sozialunion schafften die Voraussetzungen für die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft (Wirtschaftsunion) in den neuen Bundesländern. 2. An welchem Tag wurde der Beitritt der DDR zur BRD vollzogen? Nenne das Datum und die Bezeichnung dieses Tages, der seither als offizieller deutscher Feiertag gilt. 3. Oktober 1990, „Tag der Deutschen Einheit“ 3. Welche sozialpolitischen Herausforderungen standen nach der Wiedervereinigung im Vordergrund? a) Anpassung der Sozialversicherungssysteme in Ostdeutschland. b) Reformen für die gesetzliche Rentenversicherung und Altersvorsorge. d) Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in Ostdeutschland. e) Senkung der Arbeitslosenzahlen. f) Umstrukturierung der gesetzlichen Krankenkassen. 4. Nenne den Hauptgrund, weshalb die Arbeitslosenzahl kurz nach der Wiedervereinigung rapide auf über drei Millionen anstieg. Der Versuch, die Soziale Marktwirtschaft in den neuen Bundesländern einzuführen, gestaltete sich schwieriger als erwartet. Etwa 8.000 Staatsbetriebe mit rund vier Millionen Beschäftigen wurden privatisiert. Die neuen Unternehmen waren der westdeutschen Konkurrenz jedoch nicht gewachsen. Ihre Produktionskosten waren zu hoch, ihre Produkte nicht marktfähig. Viele Ost-Unternehmen mussten ihre Betriebe schließen. Millionen Beschäftige verloren ihren Arbeitsplatz. 5. In den 1990er-Jahren wurden in der gesetzlichen Rentenversicherung einige Neuerungen und Änderungen umgesetzt. Welche waren das? a) Millionen ehemalige DDR-Bürger wurden in das bundesdeutsche Rentensystem integriert. b) Rentenbeiträge wurden an die Veränderungen der Nettolöhne angepasst. c) Wer wollte, konnte ab dem 55. Lebensjahr mit Abschlägen in Rente gehen. d) Rentenbeiträge wurden an die Veränderungen der Bruttolöhne angepasst. e) Die Beiträge sanken erst und stiegen zum Ende der 1990er-Jahre auf über 19 Prozent. 6. Nenne vier Neuerungen, die im Gesundheitswesen eingeführt wurden. 1. Zuzahlung bei Zahnersatz, Arznei- und Heilmitteln 2. höhere Beitragszahlungen 3. freie Krankenkassenwahl, Krankenversichertenkarte 4. Einführung der Pflegeversicherung 7. Im Februar 1992 schlossen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (EG) zur Europäischen Union (EU) zusammen und handelten den „Maastrichter Vertrag“ aus. Nenne das Jahr des Inkrafttretens. Fasse auch die wichtigsten gemeinsamen Ziele des Vertrags zusammen. Am 1. November 1993 trat der Vertrag in Kraft. Wichtigste Ziele waren eine gemeinsame Wirtschafts- und Sozialunion sowie eine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Arbeitsblatt: 1998 bis 2005 – Reformen sichern die Zukunft 1. Nenne Gründe für die Sorgen der Regierung und der Bürger um die Finanzierung des sozialen Sicherungssystems und der Arbeitswelt. steigende Arbeitslosigkeit, steigende Kosten im Gesundheitswesen, demografischer Wandel, steigende Standortkonkurrenz (Globalisierung) 2. Nenne den Urheber der Agenda 2010? der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder 3. In den Jahren 2003 bis 2005 traten im Bereich Arbeitsmarkt neue Gesetze in Kraft. Welche Neuerungen brachten sie mit sich? Ergänze auch das jeweilige Gesetz dazu. a) Es besteht sofortige Meldepflicht bei drohender Arbeitslosigkeit. (Gesetz Hartz I) c) Das Arbeitslosengeld II wird eingeführt. (Gesetz Hartz IV) 4. Übersetze den Begriff „Agenda“. Nenne außerdem die Ziele, die durch die „Agenda 2010“ erreicht werden sollten. Agenda heißt „was zu tun ist“. Die Agenda 2010 war ein Maßnahmenbündel, mit dem in den kommenden Jahren die Wirtschafts- und Sozialpolitik überarbeitet werden sollte. Kernthemen waren Neuerungen in den Bereichen Konjunktur und Haushalt, Arbeit und Wirtschaft sowie soziale Sicherung. 5. Beschreibe den Begriff „ barrierefrei“. Räume, Gegenstände, Medien, die so gestaltet sind, dass sie uneingeschränkt von jedem Menschen – mit oder ohne Behinderungen – gleichermaßen genutzt werden können, sind barrierefrei. 6. Welche Neuerungen brachte die Rentenreform? a) Aus „Rente wegen Berufsunfähigkeit“ wird die „Rente wegen Erwerbsunfähigkeit“. Eine private Absicherung gegen Berufsunfähigkeit wird notwendig. b) Wer möchte, kann einen Teil seines Lohnes für eine betriebliche Altersvorsorge verwenden. c) Die private Altersvorsorge wird steuerlich gefördert. d) Der so genannte Nachhaltigkeitsfaktor setzt die Zahl der Leistungsempfänger in Relation zur Anzahl der erwerbstätigen Beitragszahler. 7. Erkläre, was die Regelung der Drittelbeteiligung bei der Unternehmensmitbestimmung bedeutet. Bei Unternehmen mit mehr als 500 und bis zu 2.000 Arbeitnehmern werden Aufsichtsräte zu einem Drittel von den Arbeitnehmervertretern und zu zwei Dritteln von den Anteilseignern des Unternehmens besetzt. 8. Gib wieder, welche Vorteile die Gesundheitsreform von 2004 für die Versicherten brachte. Sie können eine Aufstellung über die Leistung vom behandelnden Arzt einfordern; sie können an Bonusprogrammen der Krankenkassen teilnehmen; wenn sie immer erst zu einem allgemeinmedizinischen Arzt gehen, bevor sie einen Facharzt aufsuchen, werden sie finanziell belohnt. Arbeitsblatt: 2005 bis heute – Sozialpolitik im Zeichen der Globalisierung 1. Nenne die Koalition, welche die BRD von 2005 bis 2009 regierte. Wer führte sie? Bei der Bundestagswahl 2005 erhielten weder CDU/CSU und FDP noch SPD und Bündnis 90/Die Grünen eine Mehrheit der Mandate. Die Unionsparteien und die SPD bildeten nach mehrmonatigen Verhandlungen im November eine Große Koalition. Der Bundestag wählte Angela Merkel (CDU) zur ersten Bundeskanzlerin. 2. Mit den Reformen zur Modernisierung des Arbeitsmarktes werden Anwartschaftszeit und Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes neu geregelt. Fasse zusammen, welche Voraussetzungen seitdem gelten. Um Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, muss man in den letzten zwei Jahren mindestens zwölf Monate versicherungspflichtig beschäftigt gewesen sein. Wie lange man Arbeitslosengeld erhält, hängt davon ab, wie alt man ist und wie lange man Beiträge in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hat. Die Bezugsdauer liegt zwischen sechs und 24 Monaten. 3. Kennst du weitere aktuelle Regelungen der Arbeitsmarktpolitik? a) Selbstständige und Freiberufler können freiwillig Beiträge in die Arbeitslosenversicherung einzahlen. b) Es besteht sofortige Meldepflicht bei drohender Arbeitslosigkeit. d) Wer Arbeitslosengeld II bezieht und eine Arbeit ablehnt, muss mit Kürzungen der Leistungen rechnen. e) Wer in den letzten zwei Jahren weder Arbeitslosengeld noch Arbeitslosengeld II bekommen hat, kann einen Antrag stellen, um sofort ein Arbeitsangebot zu bekommen. 4. Was bedeutet die Regelung „Rente mit 67“? Erkläre diese in eigenen Worten. Als weiteren Schritt zur Entlastung der Rentenversicherung beschloss die Große Koalition im Jahr 2007, das Renteneintrittsalter ab 2012 schrittweise anzuheben. Konkret heißt das, dass nach dem Jahr 1964 Geborene dann erst mit 67 Jahren in Rente gehen können. Wer früher gehen möchte, muss mit Abzügen bei der Rente rechnen. Wer sich mit 65 Jahren zur Ruhe setzen möchte, muss entweder mindestens 45 Jahre lang in die in Rentenversicherung eingezahlt haben oder eine um 0,3 Prozent pro früher gegangenem Monat reduzierte Altersrente in Kauf nehmen. 5. Im April 2007 trat eine weitere Gesundheitsreform in Kraft. Zähle die vier wichtigsten Neuerungen auf. 1. Versicherungspflicht 2. Einführung eines Gesundheitsfonds 3. mehr Wettbewerb der gesetzlichen Krankenkassen 4. Öffnung der privaten Krankenversicherung 6. Das Elterngeld gehört mit zu den wichtigsten und erfolgreichsten Errungenschaften der großen Koalition. Kreuze an, was in der Familienpolitik geändert oder eingeführt wurde. a) Familien können in den ersten 14 Lebensmonaten ihres Kindes Elterngeld beantragen. b) Bei Erwerbstätigen orientiert sich die Höhe am Nettoeinkommen. d) Auch Großeltern können „Elternzeit“ nehmen. e) Arbeitslosengeld-II-Empfänger können für ihre Kinder bis zur 10. Klasse einen Schulbedarfszuschuss beantragen. 7. Im Jahr 2008 erlebte Deutschland zusammen mit allen Ländern der Welt eine Finanz- und Wirtschaftskrise. Erläutere, wie die Bundesregierung darauf reagierte. Die Bundesregierung gab frühzeitig eine Garantie für Sparguthaben und spannte einen umfassenden Schutzschirm für die Banken. In der Automobilindustrie waren besonders viele Arbeitsplätze in Gefahr, deswegen wurde sie mit der „Abwrackprämie“ gestützt. Im November 2008 und Februar 2009 wurden zwei Konjunkturpakete aufgelegt, um Bürger und Unternehmen gezielt zu entlasten sowie Arbeitsplätze zu sichern. 8. Erkläre, welches Ziel mit den Reaktionen auf die Krise verfolgt wurde. Skizziere auch, welche Konsequenzen sich daraus für den Staat und die Bürger ergaben. Ziel der Konjunkturpakete war es, die wirtschaftliche Entwicklung (Konjunktur) positiv zu beeinflussen, indem zeitlich befristet beispielsweise in Bildung, Infrastruktur und andere Bereiche investiert wurde. Dies sollte zu einer gesteigerten Nachfrage bei privaten Haushalten und Unternehmen führen. In Deutschland gelang es mit dem Kurzarbeitergeld, Entlassungen zu vermeiden und mehrere 100.000 Arbeitsplätze zu erhalten. Der Nachteil: Konjunkturprogramme führen auch zu einer Erhöhung der Staatsschulden zulasten kommender Generationen. 57 Arbeitsblatt: Situation der Frau 1945 bis heute – Auf dem Weg zur Gleichberechtigung Arbeitsblatt: Zu- und Auswanderung – Deutschland – ein Land der Zu- und Auswanderer 1. Nenne die Ursachen des gewandelten Selbstverständnisses von Frauen in den ersten Nachkriegsjahren. Frauen haben in den letzten Kriegsjahren, vor allem aber in der unmittelbaren Nachkriegszeit zahlreiche Tätigkeiten ausgeübt, die zuvor Männern vorbehalten waren. Da viele Männer gefallen, kriegsgefangen oder versehrt waren, haben Frauen zunächst die Hauptlast des Wiederaufbaus tragen müssen. 1. Nenne Gründe, die Menschen veranlassen, ihre Heimat zu verlassen. Einerseits Krieg, Gewalt, Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen, Vertreibung und Unterdrückung, Armut und Hunger in der Heimat. Andererseits Versprechungen, Erwartungen und Hoffnungen auf ein besseres, reicheres und sichereres Leben in der Fremde. 2. Beschreibe den Inhalt von Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes (1949) in eigenen Worten. Artikel 3, Absatz 2 des Grundgesetzes regelt die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Der Staat verpflichtet sich, an der Beseitigung bestehender Nachteile mitzuwirken. 2. Erkläre, wodurch die beiden großen Auswanderungswellen im 19. Jahrhundert ausgelöst wurden. 1. Auswanderungswelle nach der gescheiterten Revolution von 1848. 2. Auswanderungswelle nach Inkrafttreten des Sozialistengesetzes im Jahr 1878. Beide Wellen waren also politisch bedingt. 3. Erkläre, was die Abschaffung des „Gehorsamsparagrafen“ für Frauen zur Folge hatte. Verheiratete Frauen konnten nun ohne Einwilligung ihrer Ehemänner eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, sofern sich diese mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbaren ließ. Außerdem durften sie jetzt ein eigenes Bankkonto führen. 4. Vervollständige den folgenden Satz: Die Reform des Gesetzes zum Schwangerschaftsabbruch war für die bundesdeutsche Frauenbewegung ein wichtiger Meilenstein, weil … gegen starke gesellschaftliche Widerstände das Recht der Frau auf den Abbruch einer Schwangerschaft innerhalb von bestimmten Fristen erkämpft wurde. 5. Die Frauenpolitik in der DDR zielte vornehmlich auf die Frau als b) Arbeitskraft. e) Mutter. 6. Die Frauenerwerbsquote und die Dichte der Kinderbetreuung waren in der DDR im Vergleich zur BRD c) höher. 7. Liste die nach wie vor bestehenden Defizite bei der Gleichstellung von Frauen auf. Frauen verdienen im Durchschnitt weniger als Männer, arbeiten häufiger in Teilzeit und unter ihren Qualifikationen, sind bei Führungspositionen unterrepräsentiert und leisten den Hauptteil der unbezahlten Arbeit in Haushalt, Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen. 8. Wenn du den gesamten Zeitraum von 1945 bis heute in den Blick nimmst: Fasse die Errungenschaften und Erfolge für Frauen in Deutschland zusammen. Wegfall des Gehorsamsparagrafen, Modell der Hausfrauenehe hat keine Dominanz mehr, Lebens-, Arbeits- und Familienformen sind vielfältiger und frei wählbar geworden, Lebensentwürfe sind zwischen den Partnern frei auszuhandeln, beinahe sämtliche Berufe stehen auch Frauen offen, Gleichstellungs- und Frauenbeauftrage wahren weibliche Interessen am Arbeitsplatz. 58 3. „Die Binnenwanderung ersetzt die Auswanderung.“ Ordne diesen Satz in den zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang ein. Ab Ende des 19. Jahrhunderts bot die deutsche Wirtschaft aufgrund der Industrialisierung, vor allem in bestimmten Zentren und Ballungsräumen, der verarmten oder von Armut bedrohten Landbevölkerung ausreichend Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten, sodass diese nicht mehr nach Übersee auswandern musste. 4. Zähle die Gruppen auf, die nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten aus Deutschland fliehen mussten. Politisch Verfolgte und Andersdenkende (Kommunisten, Sozialdemokraten, Oppositionelle), Künstler und Intellektuelle sowie Bürger jüdischen Glaubens beziehungsweise mit jüdischen Vorfahren. 5. Ab Mitte der 1950er-Jahre wirbt die Bundesregierung gezielt c) Gastarbeiter. 6. Auch in der DDR lebten ausländische Arbeitskräfte. Liste einige ihrer Herkunftsländer auf. Polen, CSSR, Ungarn, Angola, Vietnam und Kuba 7. Freizügigkeit innerhalb der EU meint das Recht, b) in jedes Land der EU einreisen zu können. d) den Wohnort innerhalb der EU frei wählen und dort arbeiten zu dürfen. 8. Deutschland ist auch in Zukunft auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen, weil … bereits heute in bestimmten Branchen ein Fachkräftemangel herrscht und in Zukunft aufgrund des demografischen Wandels ohne Zuwanderung immer weniger Beitragszahlern immer mehr Beitragsempfänger in den Sozialversicherungssystemen gegenüberständen, was den Sozialstaat überlasten würde. Notizen Eigene Stichworte und Ideen Sozialgeschichte – Ein Arbeitsheft für die Schule, Band I und II kostenlos bestellen beim: Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Referat Information, Publikation, Redaktion, 53107 Bonn Bestellnummer: Telefon: Telefax: Schriftlich: E-Mail: Internet: A204 und A205 (0 30) 1 82 72 27 21 (0 30) 1 81 02 72 27 21 Publikationsversand der Bundesregierung, Postfach 48 10 09, 18132 Rostock [email protected] www.bmas.de Gehörlosen-/Hörgeschädigten-Service: E-Mail: [email protected] Fax: (0 30) 2 21 91 10 17 Gebärdentelefon: [email protected]. buergerservice-bund.de Ausstellung – In die Zukunft gedacht Bilder und Dokumente zur Deutschen Sozialgeschichte Die Dauerausstellung zeigt anhand von Bildern, Filmen und anderen Zeitdokumenten die Deutsche Sozialgeschichte vom Mittelalter bis heute. Besonders Schulklassen sind in der kostenlosen Ausstellung willkommen. Gegliedert ist die Ausstellung in die Bereiche Arbeitswelt und Soziale Entwicklung. Darüber hinaus gibt es Sonderthemen wie Mitbestimmung, Hygiene und Stellung der Frau sowie einen interaktiven Medientisch. Weitere Informationen und Materialien gibt es beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales in der Wilhelmstraße 49 in Berlin: www.in-die-zukunft-gedacht.de. Sozialpolitik – Schutz, Gerechtigkeit, Sicherheit Medienpaket für die Schule „Sozialpolitik“ ist ein kostenloses Medienpaket für den Unterricht in den Klassen 9 bis 12/13 an allgemein- und berufsbildenden Schulen und für das Selbststudium. Die Materialien führen in das Thema soziale Sicherung ein und geben einen Überblick über den Sozialstaat Deutschland sowie die wichtigsten Bereiche der Sozialpolitik. Das Medienpaket umfasst ein Schülermagazin, zwei Arbeitshefte (davon eins zusätzlich in Leichter Sprache), einen Foliensatz, eine Lehrerinformation, ein Plakat sowie die Internetplattform www.sozialpolitik.com mit interaktiven Modulen (Wissensquiz, Lexikon, Geschichte, Umfragen, Kommentare). Auf der Internetseite werden jeden Monat aktuelle sozialpolitische Themen für den Unterricht aufbereitet und Arbeitsblätter als barrierefreie PDF-Dateien zum Herunterladen angeboten. Die Materialien „Sozialpolitik“ werden von der Stiftung Jugend und Bildung in Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erstellt. Schulen können die Hefte in Klassensätzen kostenlos beim Bestellservice Jugend und Bildung per E-Mail [email protected] bestellen oder im Internet: www.sozialpolitik.com.