Hausarbeit Grundkurs II Strafrecht Übung für Anfänger Prof. Dr
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Hausarbeit Grundkurs II Strafrecht Übung für Anfänger Prof. Dr
Johannes Pogoda Große Scharrnstr. 27 15230 Frankfurt (Oder) +49(0)179 4686868 [email protected] 11. Oktober 2010 Matrikelnr.: 33097 2. Semester Hausarbeit Grundkurs II Strafrecht Übung für Anfänger Prof. Dr. Gerhard Wolf Sommersemester 2010 Sachverhalt „Der Gang ins Stahlwerk“ Graf Günther von Savern (G) ist Inhaber eines großen Stahlkonzerns. Seine junge Frau Seraphine (S) engagiert sich karitativ und arbeitet gelegentlich in der Geschäftsführung mit. Der neue Praktikant der Geschäftsführung, Fridolin (F), ist sehr diensteifrig und hat ein einnehmendes Wesen, weshalb er von S oft gelobt wird. Prokurist Robert (R) schwärmt seit langem heimlich für S und hat nun eine schwere Eifersucht auf den „Emporkömmling“ F entwickelt. Er erzählt dem als gewalttätig und hitzköpfig bekannten G wahrheitswidrig, dass F sich das Vertrauen der S erschlichen und ein Verhältnis mit ihr begonnen habe. Als R dem zunächst ungläubigen G noch einen angeblich auf dem Schreibtisch des F gefundenen, von R gefälschten Liebesbrief des F vorlegt, bekommt G wie von R erwartet einen cholerischen Anfall und entschließt sich, F umbringen zu lassen. Dazu möchte er zunächst den R gewinnen und bittet diesen, den F mit seiner Jagdflinte zu erschießen. R lehnt dies jedoch ab, da seine Waffe registriert sei. Stattdessen verweist er auf die Arbeiter A und B, die zwar nicht besonders intelligent, aber skrupellos und wegen einiger Gewaltdelikte vorbestraft seien. Daher begibt sich G zu den beiden, die am Koksschacht des Hochofens im Stahlwerk arbeiten. Er instruiert A und B, dass sie die Person, die zu ihnen an die Anlage kommt und fragt „Habt ihr den Auftrag des Chefs erledigt?“, in den Hochofen werfen. Sodann lässt er den F zu sich kommen und bittet ihn, schnell bei A und B nachzufragen, ob sie seinen Auftrag erledigt hätten. F macht sich gerade auf zum Hochofen, als er auf dem Weg die S trifft, die ihn überredet, vor dem Gang ins Stahlwerk für sie eine Geldspende zum diakonischen Werk zu bringen. Inzwischen hat G seinen Vertrauten R zur „Erfolgskontrolle“ zum Hochofen geschickt. R fragt A und B zwar wörtlich nur „Habt ihr F in den Ofen geworfen?“, doch interpretiert A diese Frage sinngemäß als die Frage nach dem Auftrag des G, da dieser lautete, den Ersten, der nach der Erledigung des Auftrags fragt, zu töten, und R doch gerade fragte, ob sie jemanden – F – getötet hätten. B meldet zwar gegen diese Theorie Bedenken an, da der Satz nicht wie angekündigt gesprochen wurde. A kann den einfältigen und ihm intellektuell unterlegenen B aber schließlich ebenfalls überzeugen, dass R das richtige Opfer sei. Gemeinsam halten sie den sich heftig wehrenden und auf die Verwechslung hinweisenden R fest und wollen ihn trotzdem in das über tausend Grad heiße Feuer werfen. Während das Handgemenge am Schachteingang noch in vollem Gange ist, kommt der verspätete F ebenfalls an den Hochofen und fährt A und B an, sofort aufzuhören, er würde sonst die Polizei rufen. Nur B ist von dieser Drohung beeindruckt, lässt R los und flüchtet vom Betriebsgelände. Alleine kann A den R nicht länger halten, so dass diesem die Flucht gelingt. Bei dem Kampf haben A und B ihm allerdings einen Arm ausgekugelt. Nach der Festnahme des A wird bei ihm eine schwere schizophrene Psychose diagnostiziert, die ihn bereits bei seinem Entschluss zur Tat in einen Zustand versetzte, der ihm diesbezüglich weder logisches Schließen noch normale Hemmungsmuster erlaubte. Bearbeitervermerk: Prüfen Sie die Strafbarkeit von A, B, G und R in einem Rechtsgutachten! §§ 211, 224 sind nicht zu prüfen. Erforderliche Strafanträge sind gestellt. II Literaturverzeichnis Ahrens, Claus: Vermeintliche Mittäterschaft und Versuchsstrafbarkeit, JA 1996, 664-670 Alwart, Heiner: Der praktische Fall. Strafrecht: Die Geschichte von dem Zimmermann Schieble, dem Gymnasiasten Ernst Harnisch, dem Holzhänder Rosahl und von dem Arbeiter namens Rose, JuS 1979, 351-357 Baumann, Jürgen / Weber, Ulrich / Mitsch, Strafrecht. Allgemeiner Teil, 10. Auflage, Wolfgang: 1995 (11. Auflage in der UB nicht verfügbar) (Zitiert: B/W/M) von Heintschel-Heinegg, Bernd: Beck’scher Online-Kommentar. StGB, 11. 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Auflage, 2010 (Zitiert: NK – Bearbeiter) Kratzsch, Dietrich: Die Bemühungen um Präzisierungen der Ansatzformel (§ 22 StGB) – ein absolut untauglicher Versuch? (Teil 2), JA 1983, 578-587 Krey, Volker: Deutsches Strafrecht. Band Täterschaft 2. Allgemeiner und Teil. Teilnahme, Unterlassungsdelikte, Versuch und Rücktritt, Fahrlässigkeitsdelikte, 2. Auflage, 2005 (Zitiert: Krey, AT2) Krüger, Matthias: Zum „Bestimmen“ i. S. von §§ 26, 30 StGB, JA 2008, 492-498 Kudlich, Hans: Zur Übung – Strafrecht: Schwieger-(Groß)Mutterliebe, JuS 2002, 27-30 Kühl, Kristian: Strafgesetzbuch. Kommentar, 26. Auflage, 2007 (Zitiert: Kühl) VI Küpper, Georg / Mosbacher, Andreas: Untauglicher Versuch bei nur vermeintlicher Mittäterschaft. 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Sonderformen des Verbrechens, 1. Auflage, 2005 (Zitiert: Puppe) VII Wie wird man Mittäter durch konkludentes Verhalten?, NStZ 1991, 571-574 Roxin, Claus: Über den Rücktritt vom unbeendeten Versuch, Festschrift für Ernst Heinitz zum 70. Geburtstag, 1972, 251-276 (Zitiert: Roxin, FS Heinitz) Täterschaft und Tatherrschaft, 8. Auflage, 2006 (Zitiert: Roxin, TuT) Rudolphi, Hans-Joachim / Horn, Eckard: Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 1. Allgemeiner Teil (§§ 1 bis 79b), 8. Auflage – 112. Lieferung, 2008 Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch. Band 4. Besonderer Teil (§§ 201 bis 266b), 8. Auflage – 112. Lieferung, 2008 (Zitiert: SK – Bearbeiter) Schilling, Georg: Der Verbrechensversuch des mittelbaren Täters und des Mittäters, 1975 (Zitiert: Schilling) Schönke, Adolf / Schröder, Horst: Strafgesetzbuch. Kommentar, 27. 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Vorprüfung ........................................................................................................................1 a. Strafbarkeit des versuchten Totschlags ........................................................................1 b. Keine Vollendung.........................................................................................................1 2. Tatbestand .........................................................................................................................1 a. Gemeinsamer Tatentschluss .........................................................................................1 b. Unmittelbares Ansetzen zur gemeinschaftlichen Tatbegehung ...................................2 3. Rechtswidrigkeit................................................................................................................3 4. Schuld................................................................................................................................4 5. Persönlicher Strafaufhebungsgrund für B: § 24 II 1 .........................................................4 a. Verhinderung der Tatvollendung .................................................................................4 (1) Möglichkeit des Weiterhandelns.....................................................................4 (2) Nicht weitergehandelt .....................................................................................5 (3) Kausalität des Nichtweiterhandelns für die Tatverhinderung .........................5 b. Freiwilligkeit ................................................................................................................6 II. §§ 223 I, 25 II: VOLLENDETE KÖRPERVERLETZUNG IN MITTÄTERSCHAFT ..........................7 1. Tatbestand .........................................................................................................................7 a. Erfolg............................................................................................................................7 b. Gemeinschaftliche Handlungen....................................................................................7 c. Gemeinsamer Tatentschluss .........................................................................................8 2. Rechtswidrigkeit und Schuld ............................................................................................8 III. §§ 239 I ALT. 2, 25 II: FREIHEITSBERAUBUNG IN MITTÄTERSCHAFT .................................8 1. Tatbestand .........................................................................................................................9 a. Erfolg: Freiheitsberaubung...........................................................................................9 b. Handlung ......................................................................................................................9 c. Gemeinsamer Tatentschluss .......................................................................................10 2. Rechtswidrigkeit und Schuld ..........................................................................................10 IV. §§ 240 I, II, 25 II: MITTÄTERSCHAFTLICH BEGANGENE, VOLLENDETE NÖTIGUNG ..........10 1. Tatbestand .......................................................................................................................11 a. Nötigung .....................................................................................................................11 aa. Nötigungsmittel: Gemeinschaftliche Gewaltanwendung...................................11 bb. Nötigungserfolg (Duldung) und Kausalität .......................................................11 b. Gemeinsamer Tatentschluss .......................................................................................11 2. Rechtswidrigkeit..............................................................................................................11 3. Schuld..............................................................................................................................12 V. ERGEBNIS...........................................................................................................................12 B. STRAFBARKEIT VON G UND R................................................................................12 I. AUFHETZEN DES G DURCH R...............................................................................................12 X 1. R: § 25 I Alt. 2 iVm § 212 I: Versuchte mittelbare Täterschaft beim Totschlag am F durch G.................................................................................................................................12 2. R: § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I: Anstiftungsversuch zum Totschlag ..................................12 a. Vorprüfung .................................................................................................................13 b. Tatbestand...................................................................................................................13 aa. Tatentschluss......................................................................................................13 (1) Vorsatz bzgl der Hervorrufung des Tatentschlusses beim G ........................13 (2) Vorsatz bzgl vorsätzlich begangener, rechtswidriger Haupttat.....................13 bb. Unmittelbares Ansetzen zum Bestimmen..........................................................14 c. Rechtswidrigkeit und Schuld......................................................................................14 3. R: § 267 I Alt. 1: Urkundenfälschung .............................................................................14 a. Tatbestand...................................................................................................................15 II. BITTE DES G ZUM ERSCHIEßEN DES F.................................................................................15 1. G: § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I: Anstiftungsversuch zum Totschlag ..................................15 a. Vorprüfung .................................................................................................................15 b. Tatbestand...................................................................................................................15 aa. Tatentschluss......................................................................................................15 (1) Vorsatz bzgl der Hervorrufung des Tatentschlusses beim R ........................16 (2) Vorsatz bzgl vorsätzlich begangener, rechtswidriger Haupttat.....................16 bb. Unmittelbares Ansetzen zum Bestimmen..........................................................16 c. Rechtswidrigkeit.........................................................................................................17 d. Schuld .........................................................................................................................17 2. R: § 138 I Nr. 5 Alt. 2: Nichtanzeige geplanter Straftaten..............................................18 a. Tatbestand...................................................................................................................18 b. Rechtswidrigkeit und Schuld......................................................................................18 III. VERWEIS DES R AUF A UND B SOWIE DIE INSTRUKTIONEN DES G ....................................18 1. G: § 25 I Alt. 2 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II: Von G in mittelbarer Täterschaft begangener versuchter Totschlag am R ...............................................................................18 a. Tatbestand...................................................................................................................18 aa. Straftat................................................................................................................18 bb. Tatbestand der mittelbaren Täterschaft .............................................................18 (1) Zurechnung des versuchten Totschlags aufgrund Tatherrschaft...................19 (a) Tatherrschaft kraft überlegenen Willens ..................................................19 (b) Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens .................................................19 (c) Tatherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate ...............................19 2. G: § 25 II iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II: In Mittäterschaft von A, B und G begangener, versuchter Totschlag am R ..............................................................................20 a. Vorprüfung .................................................................................................................20 b. Tatbestand...................................................................................................................20 3. G: § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II : Anstiftung zum versuchten Totschlag von A und B am R ..........................................................................................................................20 a. Tatbestand...................................................................................................................20 aa. Vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat durch A und B ........................................21 bb. Anstiftung: Hervorrufen des Tatentschlusses bei A und B ...............................21 cc. Kausalität der Anstiftung für die Tat .................................................................21 dd. Vorsatz bzgl Tat und Anstiftung .......................................................................21 b. Rechtswidrigkeit und Schuld......................................................................................22 4. R: § 26 iVm § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II: Anstiftung des G zur Anstiftung von A und B zum Tötungsversuch.......................................................................................23 a. Strafbarkeit .................................................................................................................23 XI b. Tatbestand...................................................................................................................23 aa. Vorsätzlich, rechtswidrig begangene Haupttat ..................................................23 bb. Anstiftung ..........................................................................................................23 cc. Kausalität der Anstiftung für die Haupttat.........................................................23 dd. Vorsatz bzgl der Haupttat und der Anstiftung...................................................24 5. § 27 I iVm § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II: Beihilfe zur Anstiftung von A und B zum Tötungsversuch ............................................................................................................24 6. G: § 26 iVm §§ 223 I, 25 II: Anstiftung zur vollendeten Körperverletzung in Mittäterschaft am R..............................................................................................................25 a. Tatbestand...................................................................................................................25 aa. Vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat durch A und B ........................................25 bb. Anstiftungshandlung: Hervorrufen des Tatentschlusses ...................................25 cc. Kausalität der Anstiftungshandlung für die Tat.................................................25 dd. Vorsatz bzgl Tat und Anstiftung .......................................................................26 b. Rechtswidrigkeit und Schuld......................................................................................26 7. R: § 26 bzw § 27 I iVm § 26 iVm §§ 223 I, 25 II: Anstiftung des G bzw Beihilfe zur Anstiftung von A und B zur vollendeten Körperverletzung in Mittäterschaft am R ...........26 IV. ERFOLGSKONTROLLE DURCH R: § 27 I IVM §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II BZW §§ 223 I, 25 II: BEIHILFE ZUM VERSUCHTEN TOTSCHLAG BZW ZUR VOLLENDETEN KÖRPERVERLETZUNG VON A UND B AM R ...................................................................................................................26 V. ERGEBNIS...........................................................................................................................26 XII Gutachten A. STRAFBARKEIT VON A UND B I. §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II1: In Mittäterschaft begangener versuchter Totschlag am R A und B haben sich je nach §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II des in Mittäterschaft versuchten Totschlags durch das versuchte Werfen des R in den Hochofen strafbar gemacht, wenn der Versuch eines Totschlags strafbar ist, keine Vollendung vorliegt und sie ferner tatbestandsmäßig, rechtswidrig und schuldhaft handelten. 1. Vorprüfung a. Strafbarkeit des versuchten Totschlags Nach § 23 I ist nur der Versuch eines Verbrechens strafbar. Verbrechen sind gemäß § 12 I rechtswidrige Taten, die eine Mindestfreiheitsstrafe von einem Jahr vorsehen. § 212 I sieht für den Totschlag eine Mindestfreiheitsstrafe von 5 Jahren vor, somit handelt es sich um ein Verbrechen iSv2 § 12 I. Der Versuch eines Totschlags ist mithin strafbar. b. Keine Vollendung Ferner dürfte auch keine Vollendung vorliegen. Dazu müsste der tatbestandliche Erfolg ausgeblieben sein. Aus dem Sachverhalt geht hervor, dass R noch lebt und folglich der Taterfolg von § 212 I, der Tod eines Menschen, ausgeblieben ist. 2. Tatbestand A und B müssten auch tatbestandsmäßig gehandelt haben. Beim versuchten Totschlag in Mittäterschaft bedarf es eines gemeinsamen Tatentschluss aller Mittäter sowie eines unmittelbaren Ansetzens zur gemeinschaftlichen Tatbegehung. a. Gemeinsamer Tatentschluss Es müsste also einen gemeinsamen Tatentschluss von A und B bzgl. des versuchten Totschlags gegeben haben. Dieser liegt zumindest dann vor, wenn ein gegenseitiges, auf einem gemeinsamen Willen basierendes Einverständnis bzgl der Begehung einer Tat mittels gemeinsamen, 1 Normen sind vorbehaltlich anderweitiger Angaben solche des StGB. Es werden die üblichen Abkürzungen verwendet (vgl Kirchner, Hildebert / Butz, Cornelie: Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 6. Aufl., 2006). 2 1 arbeitsteiligen Handelns hergestellt wurde.3 Im vorliegenden Fall haben A und B die Instruktionen des G beide vernommen und durch ihr gemeinsames Handeln konkludent gezeigt, dass sie diesen Instruktionen Folge leisten wollen. Fraglich ist jedoch, ob ein konkludenter Tatentschluss reicht. Dabei wird teilweise in Frage gestellt, ob die Rechtsfigur des konkludenten Handelns hier Anwendung finden kann,4 gleichzeitig wird jedoch eingeräumt, dass es bei eindeutigen Verhaltensweisen und Handlungen auch konkludent geschehen kann.5 In dem A und B beide mit der Tatausführung beginnen, zeigen beide dem jeweils anderen ihre eindeutige Bereitschaft, weshalb also ein gemeinsamer Tatentschluss vorlag und darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, dass A oder B sich bis zum Eintritt in das Versuchsstadium wieder von diesem distanzierten. Den Instruktionen des G zufolge sollten sie die Person, welche sich zuerst nach der Beendigung des Auftrags des Chefs erkundigt, in den Hochofen werfen und so töten. Für den G stand dabei fest, dass dies der F sein wird. A und B konkretisierten diese Vorstellung jedoch nicht auf den F sondern nur auf den potenziellen Fragesteller. A und B hatten also den gemeinsamen Tatentschluss, den vermeintlichen Erfolgskontrolleur – nicht aber konkret F – durch das Werfen in den Hochofen zu töten.6 b. Unmittelbares Ansetzen zur gemeinschaftlichen Tatbegehung A und B müssten auch unmittelbar zur gemeinschaftlichen Tatbegehung angesetzt haben. A und B setzten jedenfalls unmittelbar nach der in §§ 22, 23 gesetzlich normierten subjektiv-objektiven Theorie7 zur Tat an, wenn sie Handlungen ausführten, die nach ihrer Vorstellung von der Tat bei ungestörtem Fortgang ohne weitere wesentliche Zwischenakte oder zeitliche Zäsuren direkt in die Tatausführung einmünden sollten8, sodass die räumlich-zeitliche Sphäre des Opfers9 bereits betreten wurde sowie 3 Kühl, § 25, Rn 10 mwN. NStZ 1991, 571 (573). 5 NStZ 1991, 571 (574). 6 Irrtümer beim Tatentschluss sind unbeachtlich, da diese sich ausschließlich an Tätervorstellungen orientieren und Irrtümer immer die Abweichung von Realität und Vorstellung bedeuten. Vorstellung und Vorstellung können nicht divergieren. 7 B-OK – Beckemper, § 22, Rn 31; S/S – Eser, § 22, Rn 32; Fischer, § 22, Rn 7; Kühl, § 22, Rn 4; SK – Rudolphi, § 22, Rn 8. 8 S/S – Eser, § 22, Rn 39; BGHSt 26, 201. 9 BGH NStZ 1989, 473. 4 2 das gefährdete Rechtsgut bereits bedroht10 schien und sie ferner die Schwelle zum „Jetzt geht es los“ überschritten hatten, wobei es keiner weiteren Willensimpulse mehr bedurfte11. Fraglich ist jedoch, ob alle Mittäter unmittelbar angesetzt haben müssen oder ob über § 25 II das unmittelbare Ansetzen eines Mittäters auch allen anderen Mittätern zuzurechnen ist. Nach der strengen Einzellösung12 setzt jeder Mittäter einzeln an, indem er unmittelbar zu dem Tatbeitrag ansetzt, welcher auch seine Mittäterschaft begründet, da er nur so Tatherrschaft erlangt, welche ihn überhaupt erst zum Täter macht. § 25 II schafft jedoch gerade die Möglichkeit der Zurechnung der anderen Tatbeiträge, sodass durch die strenge Einzellösung diese ausgehöhlt würde, denn durch den gemeinsamen Tatplan wissen alle Mittäter um die Handlungen des anderen, welche ihnen dann auch zugerechnet werden können. Daher setzen nach der weiten Gesamtlösung13 alle Mittäter unmittelbar an, wenn ein Mittäter aus objektiver Sicht mit dem Vollzug des gemeinsamen Tatplans beginnt. Die rein objektive Betrachtung und das Einbeziehen nicht-tatbestandlicher Handlungen erfordern jedoch eine Begrenzung der Gesamtlösung: Der engen Gesamtlösung14 zufolge setzen alle Mittäter dann unmittelbar zur Tat an, wenn ein Mittäter tatbestandliche Handlungen entsprechend dem gemeinsamen Tatplan ausführt und willentlich als Mittäter agiert. Vorliegend kann dieser Streit jedoch dahingestellt bleiben, da sowohl A als auch B bereits Handlungen ausführten, welche nach ihrer Vorstellung von der Tat notwendig und ausreichend für den Taterfolg sein sollten. Die Mittäter A und B haben also beide unmittelbar zur gemeinsamen Tatbegehung angesetzt. Der Tatbestand wurde somit erfüllt. 3. Rechtswidrigkeit In Ermangelung von Hinweisen im Sachverhalt bzgl etwaiger 10 BGHSt 30, 363; BGHSt 43, 177 (182). BGH NJW 2008, 1460. 12 ZStW 1986, 839 (872); JA 1983, 578 (587); Puppe, § 37, Rn 7; § 39, Rn 13; § 44, Rn 1; Schilling, 104 ff. 13 BGHSt 40, 209 (302 ff.); Fischer, § 22, Rn 21 ff.; NStZ 1994, 265 f.; GA 1997, 76; MK – Herzberg, § 22, Rn 151 f.; JA 2003, 857 (861). 14 BGHSt 39, 236; BGH wistra 1987, 27; NStZ 1995, 427; JZ 1995, 713; wistra 1995, 59; JuS 1995, 492; JA 1996, 664 (668 ff.); Jura 1996, 23; Jura 1999, 482; JuS 2002, 29; Jura 2003, 282; Krey, AT2, Rn 440; Wessels/Beulke, Rn 612. 11 3 Rechtfertigungsgründe wird die Rechtswidrigkeit der Tat hier unterstellt. 4. Schuld Wohingegen bei B keine Gründe ersichtlich sind, welche seine Schuldfähigkeit ausschlössen; so ist fraglich, ob die beim A diagnostizierte, Schizophrenie bereits dessen bei Tatbegehung Schuldfähigkeit existente, wegen einer schwere krankhaften seelischen Störung iSv § 20 Alt. 1 ausgeschlossen ist. Krankhafte seelische Störungen sind dabei sämtliche psychischen Anomalien, die als Krankheit angesehen werden können und für welche es einen organischen Ursprung gibt.15 A hat eine schwere Schizophrenie, welche zu den endogenen Psychosen zählt – also eine krankhafte seelische Störung, bei der eine Nachweisbarkeit des organischen Ursprungs nicht möglich ist, diese jedoch postuliert wird.16 Seine Psychose war zum Zeitpunkt des Tatentschlusses auch derartig akut, dass in diesem Zusammenhang auch nicht von einem „lichten Moment“17 gesprochen werden kann und seine Schizophrenie zum Zeitpunkt der Tat seine Schuldunfähigkeit begründete und ihm die Fähigkeit nahm, das Unrecht der Tat einzusehen. A war also mithin schuldunfähig nach § 20 Alt. 1 bei Begehung der Tat, B jedoch schuldfähig. 5. Persönlicher Strafaufhebungsgrund für B: § 24 II 1 B könnte jedoch nach § 24 II 1 strafbefreiend von der Tat zurückgetreten sein. Dazu müsste B freiwillig die Vollendung der Tat verhindert haben. a. Verhinderung der Tatvollendung B hat die Tat nicht vollendet18 und müsste darüber hinaus den Erfolgseintritt verhindert haben. Dabei kann nach § 13 I die Verhinderung bei der Mittäterschaft nicht nur durch Verhinderungshandlungen sondern auch durch das Nichtweiterhandeln trotz Möglichkeit erreicht werden19. (1) Möglichkeit des Weiterhandelns Es müsste also aus der Sicht des B möglich gewesen sein, weitere 15 MK – Streng, § 20, Rn 31. MK – Streng, § 20, Rn 34. 17 B-OK – Eschelbach, § 20, Rn 18. 18 Die fehlende Tatvollendung wurde bereits in A.I.1.b ausgeführt. 19 BGH StraFo 2003, 207; MK – Herzberg, § 24, Rn 188; S/S – Eser, § 24, Rn 89; BOK – Beckemper, § 24, Rn 62. 16 4 Ausführungshandlungen vorzunehmen. Fraglich ist dabei, ob die Beurteilung vom Tatplan oder vom Rücktrittshorizont her erfolgt. Nach dem Tatplan hatten A als auch B bereits Handlungen vorgenommen, welche für den Tod des R ausreichen sollten; folglich wäre demnach ein Rücktritt nach § 24 I 1 Alt. 1 nicht mehr möglich. Zum Zeitpunkt des Rücktritts bedurfte es jedoch noch weiterer Handlungen von A und B um den Tod herbeizuführen, diese waren ihnen auch möglich. Ausgehend vom Rücktrittshorizont wäre also ein Rücktritt vom unbeendeten Versuch möglich. Sowohl die Lehre von der goldenen Brücke20 als auch die Gnadentheorie21 als auch die Strafzwecktheorie22 gewähren dabei dem Täter möglichst lange die Möglichkeit zum Rücktritt um der Teleologie von § 24 gerecht zu werden, folglich ist bei der Beurteilung der Rücktrittshorizont maßgeblich. Somit war für B die weitere Tatausführung möglich, außerdem war sie auch notwendig aus seiner Sicht. (2) Nicht weitergehandelt Gleichwohl B die Möglichkeit als auch die Notwendigkeit weiterer Ausführungshandlungen sah, hat er keine weiteren Handlungen vorgenommen, um den Tatbestand zu verwirklichen, sodass er insgesamt trotz Möglichkeit nicht weitergehandelt hat. (3) Kausalität des Nichtweiterhandelns für die Tatverhinderung Das Nichtweiterhandeln müsste aber auch kausal gewesen sein für die Verhinderung der Tatvollendung. Der Kausalzusammenhang kann in diesem Fall bejaht werden, wenn die unterlassene Handlung nicht hinzugedacht werden kann, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten würde. Innerhalb der gemeinsamen Tatbegehung kann A die Tat nicht vollenden, da er alleine nicht fähig ist, den R weiter festzuhalten und ihn in den Hochofen zu werfen. Nach lebensnaher Auslegung ist andererseits davon auszugehen, dass skrupellose, mehrfach verurteilte Straftäter, die an einem Hochofen arbeiten, gemeinsam einen Prokuristen in selbigen werfen könnten, sodass die Handlungen des B nicht hinzugedacht werden 20 MK – Herzberg, § 24, Rn 21 ff. MK – Herzberg, § 24, Rn 30 ff. 22 MK – Herzberg, § 24, Rn 33 ff. 21 5 können, ohne dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eintreten würde. Dementsprechend ist auch der Kausalzusammenhang zu bejahen. B hat also die objektiven Voraussetzungen von § 24 II 1 erfüllt. b. Freiwilligkeit Nach § 24 II 1 müsste er diese auch freiwillig aufgegeben haben. Strittig ist dabei, ob ein freiwilliger Rücktritt überhaupt noch möglich ist, nachdem A und B von F entdeckt wurden und dieser ihnen mit dem Rufen der Polizei drohte. Grds schließt die Entdeckung der Tat und die damit verbundene nachträgliche Risikoerhöhung die Möglichkeit zum freiwilligen Rücktritt nicht aus, gleichwohl es ein Indiz für die Unfreiwilligkeit darstellt.23 Einerseits wird darauf abgestellt, ob der Täter sich entdeckt glaubt, und mit der Bejahung dessen automatisch die Möglichkeit zum freiwilligen Rücktritt verwehrt.24 Andererseits wird in Anlehnung an die Franksche Formel die Unfreiwilligkeit nur dann bejaht, wenn die Furcht des Täters vor der Entdeckung so immens war, dass er psychisch nicht mehr zu einer freien Willensbildung und -entscheidung fähig war.25 Bei einem derartigen Kontrastieren wird jedoch die Vorstellung des Täters über die mit der Entdeckung verknüpften Folgen vollkommen unterschlagen, welche jedoch bei der Beurteilung der Freiwilligkeit ausschlaggebend sind.26 Strittig ist also auch, welche Motive B der Tataufgabe zugrunde legte, nachdem sie vom F entdeckt wurden. Nach dem psychologisierenden Ansatz27 dürfte B lediglich aus Motiven28 autonomen 29 Entschlüsse zurückgetreten und müsste Herr seiner gewesen sein. Dabei orientiert sich die Autonomie seines Entschlusses an der freien Selbstbestimmung und die Herrschaft über seinen Entschluss ergibt sich aus der Abwesenheit von etwaigen zwingenden Rücktrittsgründen. Vorliegend sah sich B mit einer wesentlichen Verschlechterung der Lage infolge der Entdeckung durch F 23 BGH StV 1982, 219; BGH NStZ 1999, 300 (301); S/S – Eser, § 24, Rn 49; Kühl, § 24, Rn 21. 24 BGH StV 1982, 467. 25 Bottke, 504 (505). 26 Ulsenheimer, 333 (333 f.). 27 B-OK – Beckemper; § 24, Rn 30. 28 S/S – Eser, § 24, Rn 43. 29 B-OK – Beckemper, § 24, Rn 31 mwN; MK – Herzberg, § 24, Rn 142. 6 konfrontiert, sodass die äußeren Umstände ihn zu einer Flucht forcierten, weshalb kein freiwilliger Rücktritt angenommen werden kann.30 Die normative Auslegung31 stellt hingegen bei der Beurteilung des jeweiligen Einzelfalls auf die ratio legis, also die mit dem Rücktritt vom Gesetzgeber verfolgten Ziele, ab. Danach sei der Rücktritt freiwillig, wenn er „nach den Maßstäben seines Gewerbes unvernünftig“ agierte.32 B zeigte sich von der Androhung der Polizei beeindruckt und flüchtete vom Tatort; ein solches Verhalten kann für einen Verbrecher in Anbetracht der Sachlage nicht als unvernünftig eingestuft werden, womit er nach der normativen Auslegung nicht freiwillig zurückgetreten wäre. Beide Ansätze kommen zum selben Ergebnis, sodass eine Streitentscheidung hier dahingestellt bleiben kann: B ist nicht freiwillig iSv § 24 II vom versuchten Totschlag zurückgetreten. Folglich ist er nicht strafbefreiend nach § 24 II 1 vom Versuch zurückgetreten. A ist infolge seiner Schuldunfähigkeit gemäß § 20 Alt. 1 nicht strafbar; B hat sich jedoch nach §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II des versuchten Totschlags in Mittäterschaft strafbar gemacht. II. §§ 223 I, 25 II: Vollendete Körperverletzung in Mittäterschaft A und B haben sich nach §§ 223 I, 25 II der in Mittäterschaft begangenen, vollendeten Körperverletzung strafbar gemacht, wenn sie mit den Versuchen den R in den Hochofen zu werfen den Tatbestand der Körperverletzung rechtswidrig und schuldhaft verwirklichten. 1. Tatbestand Sie müssten R körperlich misshandelt, die Tat gemeinschaftlich begangen und sich auch zu dieser gemeinsam entschlossen haben. a. Erfolg R wurde durch Auskugeln seines Armes körperlich misshandelt, weil dies einer üblen, angemessenen, nicht nur unerheblichen Beeinträchtigung seiner körperlichen Unversehrtheit entspricht. Der von § 223 I geforderte Erfolg ist also eingetreten. b. Gemeinschaftliche Handlungen A und B müssten auch gemeinschaftlich Handlungen ausgeführt haben, 30 vgl auch BGH NStZ 2007, 265 (266). MK – Herzberg, § 24, Rn 144. 32 So der Versuch Roxins dies greifbarer zu machen: Roxin, FS Heinitz, 256. 31 7 welche für den Erfolg kausal und diesem objektiv zurechenbar waren. Durch den arbeitsteiligen Versuch der beiden den R in den Hochofen zu werfen, schufen sie Bedingungen, welche nicht hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg entfiele. Darüber hinaus schufen sie auch unzulässiger Weise eine von ihnen steuerbare Gefahr, welche sich in dem ausgekugelten Arm realisierte. Die beiden haben also gemeinschaftlich kausale und objektiv zurechenbare Handlungen ausgeführt. c. Gemeinsamer Tatentschluss A und B hatten wie bereits in A.I.2.a dargestellt einen gemeinsamen Tatentschluss zum Totschlag, welcher auch einen gemeinsamen Tatentschluss zur Körperverletzung nach § 223 I impliziert. Der Tatbestand der Körperverletzung in Mittäterschaft wurde vollführt. 2. Rechtswidrigkeit und Schuld Sie handelten rechtswidrig; A ist schuldunfähig, B jedoch schuldfähig.33 Wohingegen A infolge seiner Schuldunfähigkeit nicht nach §§ 223 I, 25 II strafbar ist, hat B sich wegen vollendeter Körperverletzung in Mittäterschaft nach §§ 223 I, 25 II strafbar gemacht. Fraglich ist dabei, in welchem Konkurrenzverhältnis die vollendete Körperverletzung zum Tötungsversuch steht. Vorliegend tritt aufgrund fehlender Vollendung des Totschlags34 § 223 I nicht zurück, gleichwohl die Tötungsabsicht den Willen zur Körperverletzung impliziert35. Die objektive Klarstellungsfunktion eines Richterspruchs36 sowie die diesem zugrunde gelegten Rechtsgutsverletzungen verlangen eine umfassende Berücksichtigung der vollendeten Körperverletzung37, sodass der versuchte Totschlag in Tateinheit mit der vollendeten Körperverletzung38 begangen wurde. So wird ua gewährleistet, dass es zur keiner doppelten Bestrafung der Tat und des mit ihr verbundenem Unrechts kommt39. III. §§ 239 I Alt. 2, 25 II: Freiheitsberaubung in Mittäterschaft A und B haben sich auch nach §§ 239 I Alt. 2, 25 II der in Mittäterschaft 33 Aufgrund keinerlei ersichtlicher Rechtfertigungsgründe wird die Rechtswidrigkeit an dieser Stelle unterstellt. Siehe auch A.I.4. 34 BGHSt 16, 122 (123). 35 BGHSt 22, 248 ff. 36 LK – Jähnke, § 212, Rn 43; MK – Schneider, § 212, Rn 71. 37 NStZ 1995, 211; S/S – Eser, § 212, Rn 23. 38 SK – Horn, § 212, Rn 32; BGHSt 44, 196 (198 f.); LK – Jähnke, § 212, Rn 43; MK – Schneider, § 212, Rn 71; S/S – Eser, § 212, Rn 23. 39 BGHSt 39, 100 (109); LK – Lilie, vor § 223, Rn 18. 8 begangenen, vollendeten Freiheitsberaubung strafbar gemacht, wenn sie durch das Festhalten des R den Tatbestand des § 239 I Alt. 2 rechtswidrig und schuldhaft verwirklichten. 1. Tatbestand Sie müssten R gemeinschaftlich in seiner Freiheit auf andere Weise beraubt haben und sich dazu auch gemeinsam entschlossen haben. a. Erfolg: Freiheitsberaubung R wurde in seiner Freiheit iSv § 239 I beraubt, wenn ihm für einen nicht völlig unerheblichen Zeitraum die Fähigkeit entzogen wurde, seinen Aufenthaltsort entsprechend seinen Vorstellungen zu ändern40. Fraglich ist, ob das Handgemenge im vorliegenden Fall die temporäre Erheblichkeitsschwelle überschritten hat. Dabei kann bereits der Entzug der Bewegungsfreiheit für eine Minute41 oder über mehrere Sekunden42 eine Freiheitsberaubung iSv § 239 I darstellen, sofern dieser Freiheitsentzug besonders intensiv war43. Im gegenwärtigen Fall entzogen A und B dem R seine Bewegungsfreiheit über einen vermutlich relativ kurzen Zeitraum (unter einer Minute), wobei die genaue Dauer nicht aus dem Sachverhalt hervorgeht. Fest steht jedoch, dass sie ihm seine komplette Bewegungsfreiheit entzogen haben und somit in besonders intensiver Weise in die Bewegungsfreiheit des R eingriffen. Folglich wurde die Erheblichkeitsschwelle überschritten und A sowie B haben R seiner Freiheit iSv § 239 I beraubt. b. Handlung A und B müssten auch gemeinschaftlich Handlungen ausgeführt haben, welche die Freiheitsberaubung auf andere Weise begründen sowie kausal und dieser objektiv zurechenbar waren. Damit sie R auf andere Weise der Freiheit beraubt haben, müssten sie gemeinsam Mittel angewandt haben, die geeignet waren, dem R seine Fortbewegungsmöglichkeit zu nehmen44. Bei einem Festhalten durch 2 körperlich hart arbeitende Männer kann bei lebensnaher Auslegung davon ausgegangen werden, dass diese im Stande sind eine durchschnittlich gebaute Person wie den R 40 SK – Horn/Wolters, § 239, Rn 3. BGH NJW 1967, 941. 42 OLG Hamm JMB1 NRW 1964, 131. 43 LK – Träger/Schluckebier, § 239, Rn 18; MK – Wieck-Noodt, § 239, Rn 15. 44 S/S – Eser, § 239, Rn 6. 41 9 seiner Freiheit zu berauben. Das gemeinschaftliche Festhalten stellt also eine Freiheitsberaubung auf andere Weise (§ 239 I Alt. 2) dar. Ferner können die von ihnen geschaffenen Bedingungen nicht hinweggedacht werden, ohne dass der Erfolg entfiele. Sie schufen auch in unzulässiger Weise eine für sie steuerbare Gefahr, welche sich in der Freiheitsberaubung realisierte. A und B haben also mithin gemeinschaftlich Handlungen ausgeführt, welche kausal für die Freiheitsberaubung auf andere Weise und dieser ebenfalls objektiv zurechenbar waren. c. Gemeinsamer Tatentschluss Wie bereits in A.I.2.a dargestellt, hatten A und B einen gemeinsamen Tatentschluss zum Totschlag; dabei sah es ihr Tatplan vor, den R so in seiner Bewegungsfreiheit zu behindern, dass sie ihn in den Hochofen werfen konnten. Der gemeinsame Tatentschluss zum Totschlag impliziert also auch hier den gemeinsamen Vorsatz zur Freiheitsberaubung, sodass der gemeinsame Tatentschluss bejaht werden kann. A und B erfüllten sämtliche erforderlichen Tatbestandsmerkmale. 2. Rechtswidrigkeit und Schuld Beide agierten rechtswidrig; B ist schuldfähig, A schuldunfähig.45 Wohingegen A aufgrund seiner Schuldunfähigkeit nicht nach §§ 239 I, 25 II strafbar ist, hat B sich wegen Freiheitsberaubung in Mittäterschaft nach §§ 239 I Alt. 2, 25 II strafbar gemacht. Die Strafbarkeit nach § 239 I ist jedoch subsidiär zur Strafbarkeit nach § 223 I, da die begangene Freiheitsberaubung zeitgleich mit dieser ist und diese auch nur begangen wurde, um das Opfer während der Tat zum Dableiben zu forcieren46. IV. §§ 240 I, II, 25 II: Mittäterschaftlich begangene, vollendete Nötigung A und B haben sich auch nach §§ 240 I Alt. 1 Alt. 2, II, 25 II der in Mittäterschaft begangenen, vollendeten Nötigung strafbar gemacht, wenn sie durch das Festhalten des R den Tatbestand des § 240 I Alt. 1, Alt. 2, rechtswidrig und schuldhaft verwirklichten. 45 Aufgrund keinerlei ersichtlicher Rechtfertigungsgründe wird die Rechtswidrigkeit an dieser Stelle unterstellt. A ist schuldunfähig; B hingegen schuldfähig. Siehe auch A.I.4. 46 SK – Horn/Wolters, § 239, Rn 13; LK – Träger/Schluckebier, § 239, Rn 40. 10 1. Tatbestand Dazu müssten sie R mit Gewalt zu einer Duldung genötigt haben, die Tat gemeinschaftlich begangen und sich gemeinsam entschlossen haben. a. Nötigung aa. Nötigungsmittel: Gemeinschaftliche Gewaltanwendung A und B setzten dem R eine willensbrechende Kraft (vis absoluta)47 durch das Hinzufügen eines gegenwärtigen, empfindlichen Übels zum Zwecke der Überwindung seines bestehenden Widerstands unter Einsetzung von Kraft ihrerseits48, indem sie den sich heftig wehrenden R gemeinsam festhielten und ihn in den Hochofen werfen wollten. Somit können die in Rspr und Literatur vorhandenen Dispute bzgl der Auslegung des Gewaltbegriffs49 dahingestellt bleiben, da A und B in jedem Falle Gewalt anwendeten und somit gemeinschaftlich Tathandlungen ausführten. bb. Nötigungserfolg (Duldung) und Kausalität Durch die Gewalteinwirkung war der R gezwungen, die Versuche von A und B ihn in den Hochofen zu werfen, zu dulden, wobei diese Duldung auch als unmittelbare, Nötigungsmittels spezifische anzusehen ist50, Folge sodass des auch angewendeten ein auf dem Nötigungsmittel beruhender Nötigungserfolg eingetreten ist. b. Gemeinsamer Tatentschluss A und B hatten wie schon in A.I.2.a dargestellt einen gemeinsamen Tatentschluss zum Totschlag, zu dessen Verwirklichung mussten sie R gewaltsam festhalten, um ihn in den Hochofen zu werfen. Sie handelten willentlich und zielgerichtet bzgl des abgenötigten Verhaltens51. A und B erfüllten mithin den Tatbestand der Nötigung. 2. Rechtswidrigkeit Einerseits sind keine Rechtfertigungsgründe im Sachverhalt ersichtlich und andererseits ist die Tat auch verwerflich und somit rechtswidrig nach § 240 II, da die Nötigung im Kontexte eines Totschlagsversuch einen 47 StGB-SK, vor § 232, Rn 13. StGB-SK, § 240, Rn 28. 49 Zusammenfassung des Disputs: StGB-SK, vor § 232, Rn 12 ff. 50 vgl BGHSt 37, 350 (353 f.). 51 S/S – Eser, § 240, Rn 34. 48 11 sehr hohen Grad an sittlicher und sozialer Missbilligung52 aufweist. 3. Schuld A ist schuldunfähig nach § 20 Alt. 1. B ist hingegen voll schuldfähig.53 A ist aufgrund seiner Schuldunfähigkeit nicht nach §§ 240 I, 25 II strafbar; B hat sich jedoch wegen Nötigung in Mittäterschaft nach §§ 240 I Alt. 1 Alt. 2, II, 25 II strafbar gemacht. Jedoch ist § 239 spezieller im Hinblick auf das Nötigungsmittel54 und jede Freiheitsberaubung impliziert auch immer eine Nötigung in Form einer durch Gewalt erzwungenen Duldung des freiheitsberaubenden Zustands55, sodass § 240 hier hinter § 239 zurücktritt. V. Ergebnis Infolge seiner Schuldunfähigkeit gem § 20 Alt. 1 hat sich Arbeiter A keiner Straftaten schuldig gemacht. Arbeiter B hat sich nach §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II dem in Mittäterschaft begangenen, versuchten Totschlags sowie in Tateinheit der in Mittäterschaft begangenen, vollendeten Körperverletzung nach §§ 223 I, 25 II strafbar gemacht. Dabei erfüllte er zwar jeweils in Mittäterschaft auch die Tatbestände der Freiheitsberaubung (§§ 239 I Alt. 2, 25 II) und der Nötigung (§§ 240 I Alt. 1 Alt. 2, II, 25 II); diese stehen jedoch innerhalb der Gesetzeskonkurrenz in einem Subsidiaritätsverhältnis zur vollendeten Körperverletzung. B. STRAFBARKEIT VON G UND R I. Aufhetzen des G durch R 1. R: § 25 I Alt. 2 iVm § 212 I: Versuchte mittelbare Täterschaft beim Totschlag am F durch G R ist nicht nach § 25 I Alt. 2 iVm § 212 I strafbar, da kein Totschlag am F vorliegt und zu keinem Zeitpunkt eine konkrete Gefährdung bestand; damit wiederum keine Tat dessen mittelbarer Täter R sein könnte. 2. R: § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I: Anstiftungsversuch zum Totschlag R hat sich durch die wahrheitswidrigen Aussagen sowie den von ihm gefälschten Liebesbrief nach § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I dem Versuch der 52 StGB-SK, § 240, Rn 31 mwN. Dies wurde bereits in A.I.4 dargestellt. 54 SK – Wolters/Horn, § 239, Rn 13; ders, § 240, Rn 55; LK – Träger/Schluckebier, § 239, Rn 41; LK – Träger/Altvater, § 240, Rn 124; S/S – Eser, § 240, Rn 40. 55 MK – Gropp/Sinn, § 240, Rn 163; Jura 2006, 31 (41). 53 12 Anstiftung des G zum Totschlag strafbar gemacht, wenn die Anstiftung nicht vollendet werden konnte und er ferner rechtswidrig und schuldhaft den Tatbestand erfüllte. a. Vorprüfung G bekommt zwar wie erwartet einen cholerischen Anfall, dieser ist jedoch kein so hochgradiger Affekt, dass er unmittelbar zur Tötung des F ansetzt, sodass die Anstiftung nicht vollendet wurde. b. Tatbestand R erfüllte den Tatbestand, wenn er einen Tatentschluss gefasst hatte und entsprechend diesem auch unmittelbar dazu ansetzte, den G zum Totschlag zu bestimmen. aa. Tatentschluss R fasste einen Tatentschluss, wenn er einerseits den Vorsatz zur Hervorrufung des Tatentschlusses beim G bzgl des Totschlages hatte56 und andererseits er selbst Vorsatz bzgl des vom G vorsätzlich zu begehenden, rechtswidrigen Totschlags am F hatte57. (1) Vorsatz bzgl der Hervorrufung des Tatentschlusses beim G Damit R vorsätzlich den Tatentschluss des G hervorrief, müsste er mit Wissen und Wollen bzgl der Tatbestandsverwirklichung gehandelt haben58. R wusste um den zu Gewalt neigenden Hitzkopf G und erwartete auch einen cholerischen Anfall bei diesem. Er wusste folglich auch um die Gefahr, dass G sich entschließen würde, den F zu töten, nahm diese jedoch billigend in Kauf. R handelte also zumindest mit Eventualvorsatz bzgl der Hervorrufung des Tatentschlusses. (2) Vorsatz bzgl vorsätzlich begangener, rechtswidriger Haupttat Der vorhandene Streit um die zu wählende Perspektive bei der Beurteilung, ob es sich um ein Verbrechen oder ein Vergehen handelt,59 kann hier dahin gestellt bleiben, da sowohl R als auch G den Totschlag zutreffenderweise als Verbrechen einordneten. Fraglich ist jedoch, ob er seine Vorstellungen von der Tat auch hinreichend konkretisiert hat.60 Dazu muss geklärt werden, welche 56 StGB- SK, § 30, Rn 7. NK – Zaczyk, § 30, Rn 18 ff. 58 Kühl, § 15, Rn 3; Jura 2001, 55 (56). 59 Zusammenfassung des Streits: StGB-SK, § 30, Rn 8. 60 LPK-StGB, § 30, Rn 2. 57 13 Merkmale G jedoch zwingend gekannt haben musste. Eine Ansicht verlangt lediglich die Konkretisierung hinsichtlich der zu begehenden Tat und des Täters61, eine 2. zusätzlich die Konkretisierung bzgl der Angriffsrichtung62 und eine 3. fordert, dass sich die Tat selbst als konkret-individualisierbares Geschehen darstellen muss63. Dabei räumen alle Ansichten ein, dass es einen gewissen Grad an Ungenauigkeit gibt, da die Anstiftung sich immer auf eine zukünftige Handlung bezieht.64 Vorliegend wusste R, wer Opfer und Täter sein sollte, hatte jedoch keine genaueren Vorstellungen, wie die Tat erfolgen sollte, konnte diese jedoch auch bzgl Tatort und -zeit weitestgehend einschränken. R hatte also nahezu alle Tatmerkmale konkretisiert, sodass er insgesamt seine Vorstellung von der Tat hinreichend konkretisiert hat und mithin Vorsatz bzgl des vom G auszuführenden Totschlags hatte. G hat den geforderten Tatentschluss gefasst. bb. Unmittelbares Ansetzen zum Bestimmen Er müsste auch unmittelbar dazu angesetzt haben, den G zu bestimmen. Dabei tat R bereits alles, was nach seiner Ansicht nötig war, um den G zur Tat zu bestimmen, indem er diesem von dem angeblichen Verhältnis von S und F berichtete und den gefälschten Liebesbrief vorlegte. Die Anstiftungshandlung wurde also bereits vollständig durchgeführt, sodass er auch unmittelbar zur Bestimmung angesetzt hat. R erfüllte den gesamten Tatbestand. c. Rechtswidrigkeit und Schuld Aufgrund der Abwesenheit von Hinweisen im Sachverhalt bzgl möglicher Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe sowie etwaiger Mängel an der Schuldfähigkeit wird hier von der Rechtswidrigkeit und der Schuld ausgegangen. R hat sich nach § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I strafbar gemacht. 3. R: § 267 I Alt. 1: Urkundenfälschung R hat sich nach § 267 I Alt. 1 durch die Fälschung des Liebesbriefes strafbar gemacht, wenn dies der Herstellung einer unechten Urkunde gleichkommt und er dies vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft tat. 61 Jescheck/Weigend, § 64, II, 2, b. Maurach/Gössel/Zipf, § 51, Rn 8. 63 BGHSt 34, 63 (67). 64 Jura 2008, 514 (519). 62 14 a. Tatbestand Der Tatbestand müsste also vollführt sein. Dazu müsste u a der gefälschte Liebesbrief eine unechte, vom R hergestellte Urkunde sein. An der Unechtheit bestehen infolge der Täuschung bzgl des Ausstellenden65 keine Zweifel bei einem gefälschten Brief. Fraglich ist jedoch, ob ein Liebesbrief eine Urkunde sein kann. Urkunden sind dabei jedenfalls alle körperlichen Erklärungen, die dem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt sind, ein Rechtsverhältnis zu beweisen, und, die Rückschlüsse auf den Ausstellenden zulassen.66 Problematisch ist dabei, dass ein Liebesbrief nicht der rechtlichen Beweisbarkeit dient und er auch nicht einem Rechtsverhältnis zugrunde gelegt wurde67, weshalb dieses Merkmal hier verneint werden muss. Infolgedessen handelt es sich bei dem Liebesbrief um keine Urkunde iSv § 267. Der Tatbestand der Urkundenfälschung wurde mithin nicht erfüllt. R hat sich nicht nach § 267 I Alt. 1 strafbar gemacht. II. Bitte des G zum Erschießen des F 1. G: § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I: Anstiftungsversuch zum Totschlag G hat sich durch die Bitte gegenüber dem R den F zu erschießen nach § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I dem Versuch der Anstiftung zum Totschlag strafbar gemacht, wenn die Anstiftung nicht vollendet werden konnte und er ferner rechtswidrig und schuldhaft den Tatbestand erfüllte. a. Vorprüfung Die Anstiftung konnte nicht vollendet werden, da R es vollkommen ablehnt, den F mit seiner registrierten Waffe zu erschießen. Dementsprechend kommt auch keine Anstiftung zum versuchten Totschlag in Betracht. b. Tatbestand G erfüllte den Tatbestand, wenn er einen Tatentschluss gefasst hatte und entsprechend diesem auch unmittelbar dazu ansetzte, den R zum Totschlag zu bestimmen. aa. Tatentschluss G fasste einen Tatentschluss, wenn er einerseits den Vorsatz zur 65 S/S – Cramer/Heine, § 267, Rn 48. S/S – Cramer/Heine, § 267, Rn 2. 67 wie zB in RGSt 67, 117. 66 15 Hervorrufung des Tatentschlusses beim R bzgl des Totschlages hatte68 und andererseits er selbst Vorsatz bzgl des vom R vorsätzlich zu begehenden, rechtswidrigen Verbrechens hatte69. (1) Vorsatz bzgl der Hervorrufung des Tatentschlusses beim R G stellte sich vor, dass R entsprechend seiner Bitte den F tötet, und hatte somit den Willen beim R einen Tatentschluss hervorzurufen. (2) Vorsatz bzgl vorsätzlich begangener, rechtswidriger Haupttat Der vorhandene Streit um die zu wählende Perspektive bei der Beurteilung, ob es sich um ein Verbrechen oder ein Vergehen handelt,70 kann auch hier dahin gestellt bleiben, da sowohl G als auch R den Totschlag zutreffenderweise als Verbrechen kategorisieren mussten. Fraglich ist jedoch, ob er seine Vorstellungen von der Tat auch hinreichend konkretisiert hat.71 G hatte seine Vorstellung im aktuellen Fall in Sachen Täter, Tatwaffe und Opfer konkretisiert, sodass von einer hinreichenden Konkretisierung ausgegangen werden kann. Er hatte also Vorsatz bzgl der vorsätzlich, rechtswidrig zu begehenden Haupttat. G agierte mit Tatentschluss. bb. Unmittelbares Ansetzen zum Bestimmen Er müsste auch unmittelbar dazu angesetzt haben, den R zu bestimmen. G hat bereits alles Erforderliche getan, um R aus seiner Sicht zur Tat zu bestimmen, und seine Bitte ist ihm auch direkt mündlich zugegangen, sodass der Streit um die Notwendigkeit des Zugangs der Bestimmung72 dahingestellt bleiben kann. Strittig in diesem Fall ist ausschließlich, ob man überhaupt von einer Bestimmung zur Tat reden kann. Eine Ansicht verlangt ein unmittelbares Einwirken auf den Täterwillen iS eines kollusiven Zusammenwirkens73, eine 2. Ansicht verlangt grds nur die Verursachung des Tatentschlusses74 und eine 3. Ansicht verlangt lediglich eine Beeinflussung des Täters iS einer Mitursächlichkeit durch Kommunikation75. Im vorliegenden Fall hat G alles getan, was nach seiner Ansicht zur Bestimmung des R nötig 68 StGB- SK, § 30, Rn 7. NK – Zaczyk, § 30, Rn 18 ff. 70 Zusammenfassung des Streits: StGB-SK, § 30, Rn 8. 71 LPK-StGB, § 30, Rn 2. 72 Diesen zusammenfassend: LPK-StGB, § 30, Rn 3-5; StGB-SK, § 30, Rn 9. 73 LK – Roxin, § 26, Rn 4; SK – Hoyer, § 26, Rn 12. 74 Kühl, § 26, Rn 2. 75 Jescheck/Weigend, § 64, II, 1; S/S – Cramer/Heine, § 26, Rn 4; Fischer, § 26, Rn 3b. 69 16 war, indem er diesen mündlich bat, den F zu erschießen. Dementsprechend hätte er nur nach der 2. und 3. Ansicht den R bestimmt. Die 1. Ansicht beruht dabei weitestgehend auf der Rspr zur Fassung vor 1953, welche eine Aufforderung verlangte und somit sehr viel restriktiver war. Durch Änderung der Begrifflichkeiten (heute Bestimmung anstatt Aufforderung) stellte der Gesetzgeber deutlich heraus, dass jedes Mittel ausreichend ist, welches auch für eine Anstiftung nach § 26 genügt.76 Insofern ist die 1. Ansicht obsolet und G hat auch zur Bestimmung des R unmittelbar angesetzt. G erfüllte mit der Bitte zum Erschießen des F den gesamten Tatbestand. c. Rechtswidrigkeit Aufgrund der Abwesenheit von Hinweisen im Sachverhalt bzgl möglicher Rechtfertigungsgründe wird hier von der Rechtswidrigkeit ausgegangen. d. Schuld G könnte jedoch nach § 20 Alt. 2 wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung anlässlich seines cholerischen Anfalls schuldunfähig gewesen sein. Dazu müsste eine solche Störung vorgelegen haben und diese müsste seine Einsichts- und Steuerungsfähigkeit aufgehoben haben. Dass das Bewusstsein des G durch den cholerischen Anfall gestört war, daran besteht kein Zweifel. Bedenklich ist nur, ob es auch tiefgreifend gestört war. Dazu müsste diese einen Grad erreicht haben, bei der ihre Intensität der Intensität einer krankhaften seelischen Störung gleichkommt77 und dementsprechend die Fähigkeit des G zu sinnvollem Handeln ungewiss werden lässt78. Dabei handelt G trotz seines cholerischen Anfalls noch recht überlegt, indem er zuerst für sich konstatiert, dass der R eine potentielle Tatwaffe besitzt und dann noch seine Bitte dem R anträgt. Dies deutet darauf hin, dass ihm keineswegs seine komplette Handlungsfähigkeit abhanden kam und keine tiefgreifende Bewusstseinsstörung vorlag. G hat sich nach § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I strafbar gemacht. 76 LK – Roxin, § 30, Rn 13; MK - Joecks, § 30, Rn 32 ff. BGH NStZ 1990, 231. 78 LK – Jähnke, § 20, Rn 26. 77 17 2. R: § 138 I Nr. 5 Alt. 2: Nichtanzeige geplanter Straftaten R hat sich nach § 138 I Nr. 5 Alt. 2 wegen der Nichtanzeige eines geplanten Totschlags strafbar gemacht, wenn er den Tatbestand rechtswidrig und schuldhaft erfüllte. a. Tatbestand R hatte glaubhaft zu einer Zeit, zu der die Ausführung und der Erfolg noch hätten abgewendet werden können, Kenntnis vom Vorhaben Gs einen Totschlag zu begehen. Er unterließ es dies rechtzeitig Behörden anzuzeigen und verhinderte diese nicht tatbestandsausschließend nach § 139 IV, sodass er den Tatbestand vollführte. b. Rechtswidrigkeit und Schuld Unter Berücksichtigung der fehlenden Hinweise im Sachverhalt bzgl möglicher vorliegender Rechtfertigungsgründe wird die Rechtswidrigkeit hier vorausgesetzt. R ist wie bereits dargestellt voll schuldfähig. R hat sich nach § 138 I Nr. 5 Alt. 2 strafbar gemacht. III. Verweis des R auf A und B sowie die Instruktionen des G 1. G: § 25 I Alt. 2 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II: Von G in mittelbarer Täterschaft begangener versuchter Totschlag am R G hat sich des in mittelbarer Täterschaft begangenem Tötungsversuch nach § 25 I Alt. 2 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II strafbar gemacht, wenn er die Tat durch A und B vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangen hat, indem er sie instruierte, den R in den Hochofen zu werfen. a. Tatbestand Es bedarf also einer Haupttat, die vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft begangen wurde, und der mittelbaren Täterschaft sowie eines diese beiden Kriterien umfassenden Vorsatzes. aa. Straftat Wie unter A.I dargestellt beging B eine Straftat, einen tatbestandsmäßigen, vorsätzlichen, rechtswidrigen und schuldhaften Totschlagsversuch am R; wohingegen A diesen nicht schuldhaft beging. bb. Tatbestand der mittelbaren Täterschaft Damit G mittelbarer Täter iSv § 25 I Alt. 2 war, müsste ihm der versuchte Totschlag aufgrund seiner Tatherrschaft zugerechnet werden können und er müsste Vorsatz bzgl Tat sowie -herrschaft gehabt haben. 18 (1) Zurechnung des versuchten Totschlags aufgrund Tatherrschaft G müsste also Tatherrscher über den versuchten Totschlag gewesen sein. (a) Tatherrschaft kraft überlegenen Willens G könnte Herrscher über die Tat aufgrund seines überlegenen Willens gewesen sein, da es seitens des A Mängel bei seiner Schuldfähigkeit bestanden. Dazu müsste der Wille des G für den A so übermächtig gewesen sein, sodass dieser seinem eigenen Willen nicht nachkommen kann und er infolgedessen schuldunfähig nach § 20 wurde.79 Vorliegend wurde A jedoch infolge seiner Schizophrenie schuldunfähig und unterlag dabei nicht dem übermächtigen Druck seitens des G. Folglich hatte G auch keine Willensherrschaft über den A. (b) Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens Möglicherweise war er jedoch Tatherrscher kraft überlegenen Wissens bzgl der Schuldunfähigkeit des A. Dazu hätte der G im Gegensatz zum A positive Kenntnis von dessen Schizophrenie und dessen rechtlicher Erheblichkeit haben müssen80, was jedoch nicht aus dem Sachverhalt hervorgeht. G hatte also auch kein überlegenes Wissen gegenüber dem A und somit ebenso keine Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens. (c) Tatherrschaft kraft organisatorischer Machtapparate Eventuell liegt jedoch eine Organisationsherrschaft des G gegenüber A und B vor, da diese auch gegenüber voll verantwortlichen Vordermännern möglich sein kann81. Dafür müssten A und B als Vordermänner fungibel82 bzw sie müssten ein leicht ersetzbarer Systemteil gewesen sein83. Im aktuellen Fall instruierte zwar der Vorgesetzte von A und B, G, diese bzgl des Totschlags, gleichwohl ist die Organisationsstruktur des Stahlwerks kein Machtapparat, der auf das Begehen von Straftaten gerichtet ist. Zudem wäre die Tat in dieser Form wohl nicht geschehen, wenn A und B sich gegen die Instruktionen des G gestellt hätten, sodass sie keine beliebig austauschbaren Systemteile sind. Dementsprechend lag auch keine Organisationsherrschaft vor. G hatte keine Tatherrschaft über den versuchten Totschlag und erfüllte 79 MK – Joecks, § 25, Rn 52. MK – Joecks, § 25, Rn 71. 81 Roxin, TuT, 610; GA 1996, 424 (441). 82 Roxin, TuT, 245; LK – Roxin, § 25, Rn 128. 83 LK – Roxin, § 25, Rn 128. 80 19 somit nicht den Tatbestand eines in mittelbarer Täterschaft begangenen versuchten Totschlags. G ist nicht nach § 25 I Alt. 2 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II strafbar. 2. G: § 25 II iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II: In Mittäterschaft von A, B und G begangener, versuchter Totschlag am R G könnte jedoch wegen seiner Instruktionen nach § 25 II iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II des in Mittäterschaft mit A und B begangenen, versuchten Totschlags am R strafbar sein. Dazu müsste der Versuch eines Totschlags strafbar sein und dieser dürfte nicht vollendet worden sein. Außerdem müsste er den Tatbestand des versuchten Totschlags rechtswidrig und schuldhaft verwirklicht haben. a. Vorprüfung Der Totschlagsversuch ist strafbar und es kam zu keiner Vollendung.84 b. Tatbestand G müsste also tatbestandsmäßig gehandelt haben, dazu müsste er unmittelbar zur gemeinschaftlichen Tatbegehung angesetzt haben und gemeinsam mit den Mittätern A und B einen Tatentschluss gefasst haben. Dies scheitert jedoch an einem fehlenden Tatbeitrag des G, da er lediglich im Vorbereitungsstadium durch seine Instruktionen mitwirkte, welche jedoch nicht als Tatbeitrag von einigem Gewicht85 angesehen werden können. Sein fehlender Tatbeitrag bedingt auch seine fehlende funktionale Tatherrschaft86, sodass G nicht den Tatbestand des in Mittäterschaft begangenen versuchten Totschlags erfüllte. G ist nicht nach § 25 II iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II strafbar. 3. G: § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II : Anstiftung zum versuchten Totschlag von A und B am R G hat sich nach § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II der Anstiftung zum mittäterschaftlich begangenen, versuchten Totschlag am R durch das Instruieren von A und B strafbar gemacht, wenn diese eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat begingen und sie zu dieser durch G vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft angestiftet wurden. a. Tatbestand 84 Siehe A.I.1. B-OK – Kudlich, § 25, Rn 45. 86 B-OK – Kudlich, § 25, Rn 44. 85 20 Damit G dem Tatbestand entsprach, ist Prämisse, dass es eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat anderer gab. Darüber hinaus müsste G zu dieser angestiftet haben und die Anstiftung müsste auch kausal für die Tat gewesen sein. Ferner müsste er bzgl allem Vorsatz gehabt haben. aa. Vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat durch A und B Wie unter A.I dargestellt begingen sowohl A als auch B in Mittäterschaft einen vorsätzlichen, rechtswidrigen, versuchten Totschlag am R. Es steht der Strafbarkeit der Anstiftung nicht entgegen, dass A und B den Totschlag nicht vollendeten, solange sie in das Versuchsstadium kamen87, in dem sie sich aber in diesem Fall befanden88. bb. Anstiftung: Hervorrufen des Tatentschlusses bei A und B G rief den Tatentschluss hervor, wenn er A und B zu einer konkreten Tat bestimmt hat.89 Dabei ist umstritten, ab wann man von einer Bestimmung reden kann. Während einerseits ein Unrechtspakt90 gefordert wird, bei dem noch differenziert wird nach einem vom Anstifter beherrschten Motiv91 oder Plan92, so wird andererseits eine bloße Mitursächlichkeit für den Tatentschluss gefordert, um dieses Merkmal auszufüllen. Zwischen diesen beiden extremen Ansätzen fordert eine weitere Ansicht lediglich die kommunikative Beeinflussung durch den Anstifter. G instruierte im vorliegenden Fall A und B bzgl des genauen Tatablaufs und hatte auch das herrschende Tatmotiv, sodass er auch die vom restriktiven Ansatz geforderten Kriterien erfüllte, wodurch eine Streitentscheidung hier unnötig wird, da alle 3 Ansätze zu dem Ergebnis führen, dass G bei A und B den Tatentschluss hervorrief. cc. Kausalität der Anstiftung für die Tat A und B hatten bis zu den Instruktionen keinerlei Entschluss zu diesem Totschlag, sodass die Instruktionen als Form der Anstiftung nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Tat entfiele. Die Anstiftung war also mithin auch kausal für die Tat. dd. Vorsatz bzgl Tat und Anstiftung G müsste auch über Vorsatz bzgl der Tat und der Anstiftung verfügt 87 LK – Roxin, § 26, Rn 45; StGB-SK, § 26, Rn 28. Siehe auch A.I.2.b. 89 B-OK – Kudlich, § 26, Rn 12. 90 MK – Joecks, § 26, Rn 11. 91 SK – Hoyer, § 26, Rn 13. 92 JuS 1986, 933. 88 21 haben. Dazu müsste er jeweils mit Wissen und Wollen gehandelt haben. Unzweifelhaft ist dabei, dass G die beiden zu einem Totschlag angestiftet hat, und, dass er dies auch willentlich tat. Umstritten ist nur, inwiefern der vorliegende Irrtum beachtlich ist; denn G stellte sich vor, dass der F das Opfer sein würde – real war es jedoch der R. Dabei gibt es 2 unterschiedliche Ansichten: Nach der ersten Ansicht ist der error in persona grds wie ein aberratio ictus zu behandeln93 und somit hätte G vorsatzlos infolge seines Irrtums gehandelt. Dabei beschreibt jedoch ein aberratio ictus abstrakt das Fehlgehen des Tatmittels, jedoch liegt keine mittelbare Täterschaft seitens des G gegenüber A und B vor, sodass diese auch keine Tatmittel sind. Diese Auffassung missachtet also die Abgrenzung von Formen der Täterschaft und solchen der Teilnahme. Die zweite Ansicht stellt bei der Beachtlichkeit auf die Wahrscheinlichkeit eines Irrtums basierend auf der Konkretheit der Anweisungen des Anstifters ab. Demnach ist der Irrtum dann unbeachtlich, wenn er sich innerhalb dessen bewegt, womit nach allgemeiner Lebenserfahrung zu rechnen war94, und, wenn die Täter sich innerhalb der Vorgaben des Anstifters bewegten95. Wie bereits unter A.I.2.a dargestellt, konkretisierten A und B aufgrund Gs Anweisungen ihre Vorstellung vom Opfer nur auf einen Erfolgskontrolleur, sodass sie sich innerhalb dieser befanden, als sie den R zu töten versuchten. Es ist dabei nicht fern jeder Lebenserfahrung, dass in einer Fabrik ein Mitarbeiter andere fragt, ob sie den Auftrag ausgeführt haben. G hat also seine Weisungen bzgl des Opfers nicht hinreichend gegenüber den Tätern konkretisiert, sodass der Irrtum für ihn unbeachtlich ist und er vorsätzlich bzgl Tat und Anstiftung handelte. G handelte tatbestandsmäßig. b. Rechtswidrigkeit und Schuld Gs Tat war rechtswidrig und schuldhaft.96 G hat sich nach § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II strafbar gemacht. 93 MDR 1958, 817 (821); JuS 1966, 310 (314); Hillenkamp, 54 ff.; Letzgus, 58; JuS 1979, 351 (355); MDR 1991, 830 (830); GA 1992, 307 (307); JuS 1993, 837 (839); Jura 1994, 37 (42); LK – Roxin, § 26, Rn 90 ff. 94 JR 1992, 294 (296); JuS 1991, 913 (917); B/W/M, § 30, Rn 89; Jakobs, 22/29, 21/45. 95 MK – Joecks, § 26, Rn 73; S/S – Heine, § 26, Rn 23; B-OK – Kudlich, § 26, Rn 24. 96 Keine Rechtfertigungsgründe und Mängel an der Schuldfähigkeit: B.II.1.c; B.II.1.d. 22 4. R: § 26 iVm § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II: Anstiftung des G zur Anstiftung von A und B zum Tötungsversuch R hat sich möglicherweise nach § 26 iVm § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II strafbar gemacht, wenn er G zur Anstiftung zum versuchten Totschlag in Mittäterschaft angestiftet hat, indem er G auf die beiden potentiellen Täter A und B hinwies. Dazu bedarf es einerseits einer vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat, zu der er andererseits vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft anstiftete.97 a. Strafbarkeit Wenn § 30 I Alt. 2 den Versuch zur Bestimmung zur Anstiftung unter Strafe stellt, dann ist erst recht die Bestimmung zur Anstiftung strafbar. b. Tatbestand Zur Erfüllung bedarf es einer vorsätzlich, rechtswidrig begangenen Haupttat, zu der R angestiftet hat. Darüber hinaus verlangt der subjektive Tatbestand Vorsatz seitens des R bzgl der Haupttat und der Anstiftung. aa. Vorsätzlich, rechtswidrig begangene Haupttat Siehe B.III.3.a.aa bb. Anstiftung R verursachte den Tatentschluss von A und B, wenn er G dazu bestimmte, A und B anzustiften. Auch hier besteht wieder der unter B.III.3.a.bb bereits dargestellte Streit. R verursachte wie unter B.I dargestellt beim G überhaupt erst den Entschluss zur Tötung des F, woraufhin dieser sich nach möglichen Tätern umschaut. Nun gibt er auch hier den entscheidenden Hinweis, welcher G veranlasst, A und B zum Totschlag anzustiften. Das den Sachverhalt beherrschende Motiv der Eifersucht des R auf den F ist auch hier erneut vorherrschend, sodass wiederum alle Merkmale des restriktivsten Ansatzes erfüllt werden und er den G mithin zur Tat anstiftete. cc. Kausalität der Anstiftung für die Haupttat Der Hinweis des R an den G bzgl der potenziellen Täter A und B kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der versuchte Totschlag als solcher entfiele, da dieser sonst nicht auf die beiden gekommen wäre und 97 Die Kettenanstiftung steht der einfachen Anstiftung gleich, da sie auch zu der Haupttat anstiften will und sich nur in ihrer Mittelbarkeit unterscheidet, die jedoch unbeachtlich ist: Kühl, § 26, Rn 8 mwN. 23 sie nicht instruiert hätte. Die Anstiftung war also kausal für die Haupttat. dd. Vorsatz bzgl der Haupttat und der Anstiftung R müsste Vorsatz bzgl der Tat und der Anstiftung gehabt haben. Dazu bedarf es jeweils Wissen und Wollen. Zweifellos wusste R bei dem Hinweis auf A und B, dass G diese zum Totschlag anstiften würde, weil er erst kurz zuvor den R selbst zum Totschlag anstiften wollte, sodass er mithin über Vorsatz bzgl der Anstiftung verfügte. Er wollte jedoch zum Totschlag am F anstiften, in der Realität richtete sich der versuchte Totschlag jedoch dann gegen ihn, sodass seitens des R ein Irrtum vorliegt. Fraglich ist nunmehr, ob diese Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf wesentlich und somit rechtlich relevant ist. Wie bereits unter B.III.3.a.dd ausgeführt, kommt es dabei entscheidend auf die Individualisierung an. Im vorliegenden Fall bestand zwischen R und G die identische Vorstellung, dass F dem Totschlag zum Opfer fallen sollte. Anlass zum Irrtum gab dann jedoch die offensichtlich nicht ausreichende Opferbeschreibung durch den G. Dementsprechend konnte R das Entstehen des Irrtums nicht beeinflussen und muss sich diesen folglich auch nicht zurechnen lassen. Ferner besitzt er auch keine Täterqualität, da er über sein eigenes Leben frei verfügen kann und dies ihm gegenüber kein geschütztes Rechtsgut ist98. Der Irrtum ist also beachtlich, weshalb R gem § 16 I 1 vorsatzlos bzgl der Haupttat agierte. Aufgrund dessen handelte R nicht tatbestandsmäßig. R hat sich aufgrund fehlender Tatbestandsmäßigkeit nicht nach § 26 iVm § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II strafbar gemacht. 5. § 27 I iVm § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II: Beihilfe zur Anstiftung von A und B zum Tötungsversuch Der vorhandene Streit bzgl der rechtlichen Beurteilung einer Beihilfe zur Anstiftung99 kann dahingestellt bleiben, da die Beihilfe nur in Konstellationen möglich ist, in denen das angegriffene Rechtsgut auch 98 S/S – Heine, § 26, Rn 23; MK – Joecks, § 26, Rn 66. 1. Ansicht (S/S – Heine, § 27, Rn 18): Schwerpunkt liegt auf der Beihilfe zur Anstiftung und nicht auf der zur Haupttat, da diese nicht die eigentliche Tat sondern hauptsächlich die Tatinitiierung fördern will; 2. Ansicht (BGH NStZ 1996, 562): Die Förderung der Tatinitiierung impliziert auch die Förderung der eigentlichen Tat; 3. Ansicht (NStZ 2000, 421 (422)): Rechtliche Beurteilung muss darauf abstellen, ob Gehilfe hauptsächlich die Förderung der Anstiftung oder der Haupttat beabsichtigte. 99 24 gegenüber dem Gehilfen geschützt ist,100 und die Strafbarkeit des R nach § 27 I iVm § 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I letztlich erneut daran scheitert, dass das angegriffene Rechtsgut, das Leben des R, nicht vor dem R selbst geschützt ist.101 6. G: § 26 iVm §§ 223 I, 25 II: Anstiftung zur vollendeten Körperverletzung in Mittäterschaft am R G hat sich nach § 26 iVm §§ 223 I, 25 II der Anstiftung zur mittäterschaftlich begangenen Körperverletzung am R durch das Instruieren von A und B strafbar gemacht, wenn diese eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat begingen und sie zu dieser durch G vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft angestiftet wurden. a. Tatbestand Damit G dem Tatbestand entsprach, bedarf es einer von anderen begangenen, vorsätzlichen, rechtswidrigen Haupttat. Darüber hinaus müsste G zu dieser angestiftet haben und diese Anstiftung müsste auch kausal für die Tat gewesen sein. Ferner müsste er bzgl aller eben genannten Merkmale vorsätzlich gehandelt haben. aa. Vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat durch A und B Wie unter A.II dargestellt begingen sowohl A als auch B in Mittäterschaft eine vorsätzliche, rechtswidrige, vollendete Körperverletzung am R. bb. Anstiftungshandlung: Hervorrufen des Tatentschlusses Wie unter B.III.3 bereits dargelegt wurde, rief G bei den beiden Haupttätern den Tatentschluss zum Totschlag hervor, welcher den Entschluss zur Körperverletzung miteinschließt, sodass G auch zur Körperverletzung anstiftete. cc. Kausalität der Anstiftungshandlung für die Tat A und B hatten bis zu den Instruktionen keinerlei Entschluss zu einer Körperverletzung, sodass die Instruktionen nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Tat entfiele. Die Anstiftung war also mithin auch kausal für die Tat. 100 101 MK – Joecks, § 27, Rn 4. Ausführlicher zu diesem Problem bereits unter B. III. 4. b. dd. 25 dd. Vorsatz bzgl Tat und Anstiftung G verfuhr vorsätzlich bzgl der Anstiftung als auch bzgl der Tat.102 G handelte tatbestandsmäßig. b. Rechtswidrigkeit und Schuld G beging die Tat rechtswidrig und schuldhaft.103 G hat sich ebenfalls nach § 26 iVm §§ 223 I, 25 II strafbar gemacht. Wenn der versuchte Totschlag in Tateinheit mit der vollendeten Körperverletzung begangen wird104, so wird auch die durch eine einzelne Anstiftungshandlung vorgenommene Anstiftung zum Tötungsversuch und zur vollendeten Körperverletzung in Tateinheit begangen. 7. R: § 26 bzw § 27 I iVm § 26 iVm §§ 223 I, 25 II: Anstiftung des G bzw Beihilfe zur Anstiftung von A und B zur vollendeten Körperverletzung in Mittäterschaft am R Da der vorhandene Irrtum beim R zur Vorsatzlosigkeit nach § 16 I 1 führt105 und das durch die Haupttat verletzte Rechtsgut ihm gegenüber nicht geschützt ist106, hat R sich sowohl nicht nach § 26 iVm § 26 iVm §§ 223 I, 25 II der Anstiftung des zur Anstiftung von A und B als auch nicht nach § 27 I iVm § 26 iVm §§ 223 I, 25 II der Beihilfe zur Anstiftung von A und B strafbar gemacht. IV. Erfolgskontrolle durch R: § 27 I iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II bzw §§ 223 I, 25 II: Beihilfe zum versuchten Totschlag bzw zur vollendeten Körperverletzung von A und B am R Auch die durch den R ausgeführte Erfolgskontrolle begründet keine Strafbarkeit nach § 27 I iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II aufgrund der Beihilfe zum versuchten Totschlag oder nach § 27 I iVm §§ 223 I, 25 II wegen Beihilfe zur Körperverletzung, da es wiederum am Schutz des angegriffenen Rechtsguts gegenüber dem R mangelt.107 V. Ergebnis Graf Günther von Savern hat sich sowohl des Versuchs der Anstiftung zum Totschlag (§ 30 I Alt. 1 iVm § 212 I) als auch der Anstiftung zum versuchten Totschlag (§ 26 iVm §§ 212 I, 22, 23 I, 12 I, 25 II) in 102 Der vorliegende Irrtum ist unter diesen Umständen unbeachtlich (siehe B.III.3.a.dd). Wie bereits unter B.II.1.c und B.II.1.d dargestellt. 104 Bereits in A. II. 4. nachgewiesen. 105 Umfassender dazu bereits unter B. III. 4. b. dd. 106 MK – Joecks, § 27, Rn 4. 107 In B. III. 4. b. dd. bereits detailliert dargestellt. 103 26 Tateinheit mit der Anstiftung zur vollendeten Körperverletzung (§ 26 iVm §§ 223 I, 25 II) strafbar gemacht. Prokurist Robert hat sich einerseits nach § 30 I Alt. 1 iVm § 212 I der versuchten Anstiftung zum Totschlag und andererseits der Nichtanzeige von Straftaten gem § 138 I Nr. 5 Alt. 2 strafbar gemacht. 27 Persönliche Erklärung Hiermit versichere ich, Johannes Pogoda, als Verfasser dieser Arbeit, dass ich allein und nur unter Zuhilfenahme der angegebenen Literatur diese Hausarbeit angefertigt und auch keine Textpassagen aus anderen Quellen kopiert habe.