Aufwachsen in Actionwelten

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Aufwachsen in Actionwelten
Ratgeber
- Search&Play
Datenbank zur Beurteilung von Computerspielen
www.bpb.de/snp/
- Spiel- und Lernsoftware pädagogisch beurteilt
1x jährlich bei: Stadt Köln, Amt für Kinder, Jugend und Familie
Tel.: 0221/57 43-140, E-Mail: [email protected]
- Internetseiten für Kinder
Websiteempfehlungen für Kinder bei: Deutsches Jugendinstitut e.V. (DJI)
www.dji.de/www-kinderseiten
- Internet abc
Ein Internetportal für Kinder und Eltern
www.internet-abc.de
- Kinder und Internet. Informationen und Tipps für Eltern
Broschüre mit vielen Adressen zum Thema Internet
Tel.: 089/12 15 73-0, E-Mail: [email protected]
- FLIMMO - fernsehen mit kinderaugen
FLIMMO betrachtet das Fernsehen aus der Sicht der Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren und
versteht sich als Ratgeber für Eltern.
14-tägig unter www.flimmo.de, 3x jährlich als Broschüre, Tel.: 089/6 38 08-280
- Kinder und Konsum (Reihe ajs-Kompaktwissen)
Broschüre mit Ratschlägen für Erziehende zum Thema Konsum
Tel.: 0711/2 37 37-0, E-Mail: [email protected]
Aufwachsen in Actionwelten
Ein Materialpaket zu gewalthaltigen Spielwelten und Medienverbünden
Elternbroschüre
ISBN 3-935686-59-5 • Schutzgebühr EUR 0,50
Elternbroschüre des Materialpakets zu gewalthaltigen Spielwelten und Medienverbünden
Weitere Elternbroschüren können beim kopaed Verlag, Pfälzer-Wald-Str. 64, 81539 München
www.kopaed.de, [email protected], 089-688 900 98 angefordert werden.
kopaed
kopaed
Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen
2
Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen
„Ich sehe was, was du nicht
siehst ...”
„Ich will so sein, wie ich
(nicht) bin ...”
Kinder und Jugendliche sind keine Erwachsenen. Deshalb sehen sie auch
nicht wie Erwachsene, hören nicht wie
Erwachsene und verstehen Dinge anders
als Erwachsene. Folglich nehmen Kinder
und Jugendliche auch die Inhalte von
Medien anders wahr als Erwachsene. Was
bei ihnen ankommt, was sie in den Medien „sehen”, was für sie verständlich ist
oder was sie verkraften können, hängt
von ihrer geistigen und sozial-moralischen Entwicklung ab. Beeinflusst wird
davon auch, welche Vorlieben sie haben,
wie sie Inhalte interpretieren und wie
sie mit Medien und ihren Angeboten umgehen können. Als Grundregel gilt: Was
Heranwachsende in der Wirklichkeit
nicht verstehen, werden sie auch in den
Medien nicht begreifen.
Großwerden ist nicht leicht. Von allen
Seiten bekommen Kinder und Jugendliche zu hören, wie sie sein oder werden
sollen, was von ihnen erwartet wird und
welche Regeln sie beachten müssen. Auf
dem steinigen Weg zum Erwachsensein
ist die Unsicherheit oft groß, was „richtig” und „falsch” ist. Mit zunehmendem
Alter beginnen die Heranwachsenden eigene Wertmaßstäbe zu entwickeln, sich
von den Eltern abzugrenzen, sich sprichwörtlich ihren eigenen Kopf zu machen.
Die Medien kommen ihnen da gerade
recht: Sie bieten eine Fundgrube für Vorbilder, sie zeigen Verhaltens- und Lebensstile, sie eröffnen Einblicke in Erfahrungen und Lebensbereiche, die Kindern und Jugendlichen in der Realität
noch verschlossen sind. Sie zeigen, wie
die Welt der Erwachsenen funktioniert,
wie Konflikte gelöst werden können, wie
man als Mann oder Frau zu sein hat usw.
Allerdings übernehmen Kinder und Jugendliche das, was sie in den Medien
sehen und hören, nicht einfach eins zu
eins. Sie wählen aus, was zu ihrer Persönlichkeit und Lebenssituation passt,
und was für sie bedeutsam und „brauchbar” ist. Sie biegen die Medienvorgaben
für ihre Bedürfnisse zurecht.
„Das kann auch ins Auge
gehen...”
Medien muten Kindern und Jugendlichen auch Angebote zu, mit denen sie nicht zurechtkommen oder die für ihre Entwicklung nicht wünschenswert sind. Überforderung, Verunsicherung oder falsche Vorstellungen sind die Folgen. Bei Kindern ist das
naturgemäß häufiger der Fall als bei Jugendlichen: Vieles, was in den Medien zu
sehen und zu hören ist, verstehen Kinder nicht richtig, ordnen es falsch ein oder
verkraften es nicht. Belastende Gefühle wie Erschrecken, Ängste, Traurigkeit ... sind
bei Kindern häufige Reaktionen. Aber auch problematische Vorbilder und Handlungsmuster (z.B. Helden, die primär auf Gewalt setzen), fragwürdige Rollenbilder (z.B.
das traditionelle „Weibchen”) und verzerrte Weltsichten (z.B. die Vorstellung allgegenwärtiger Bedrohung) werden zu „Stolpersteinen”, und zwar für Kinder genauso
wie für Jugendliche. Gewicht gewinnen zweifelhafte Medienvorgaben vor allem
dann, wenn in der Realität keine besseren Alternativen zur Verfügung stehen.
Impressum:
Herausgeber: JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, München;
Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V. (AJ).
Gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (StMAS)
Layout: Frische Medien, Hamburg
Auflage: 20.000
© kopaed, muenchen 2003, www.kopaed.de
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... gibt es zuhauf
Im Fernsehen, im Kino, in Computerspielen oder im Internet - in nahezu allen
Medien treffen Kinder und Jugendliche
auf Gewalt, und zwar nicht zu knapp, allerdings in sehr unterschiedlicher Form.
Ob eine Gewaltdarstellung ängstigt oder
falschen Vorstellungen Vorschub leistet
und wie sehr das der Fall ist, hängt von
mehreren Faktoren ab. Ein Faktor ist der
Medienträger (Film, Computerspiel, Foto
...), auf dem Gewalt präsentiert wird. So
hat zum Beispiel ein Foto eine andere
Wirkung als eine erzählte Geschichte
oder ein Film, der Gewalt mit Musik und
Bildeffekten unterstreicht. Ein zweiter Faktor ist, ob die Gewalt realitätsnah - „wie
echt” - dargestellt ist oder als reine Erfindung. Je näher die Darstellung an die Realität heran kommt, desto mehr geht sie Kindern und Jugendlichen unter die Haut
und desto schwerer fällt ihnen Distanzierung. Die Botschaften, die in Verbindung
mit Gewaltdarstellungen vermittelt werden, sind ein dritter wichtiger Faktor. Es ist
ein Unterschied, ob in einem Computerspiel in einer Fantasy-Welt oder vor realistischer Kulisse (z.B. im zweiten Weltkrieg) für „das Gute” gekämpft wird. Sind diejenigen, die spielen, zuhören oder zuschauen, zudem so richtig mit dem Herzen dabei
oder gar beim Computerspielen selbst aktiv, kann leicht die Grenze zwischen Realität
und Fiktion verschwimmen. Dann vor allem kann die Botschaft, z.B. von der „gerechtfertigten Gewalt”, auch in der Wirklichkeit stärkeres Gewicht bekommen.
... kommt sehr unterschiedlich an
Heranwachsende sind sehr unterschiedlich und deshalb sind auch ihre Reaktionen
auf Gewalt im Fernsehen, in Computerspielen oder im Internet unterschiedlich. Ob
sie mediale Gewaltdarstellungen tolerieren oder gar Gefallen an ihnen finden, ob sie
sie ablehnen oder davon geängstigt und verunsichert werden, hängt davon ab, ob
die Gewaltdarstellungen ihre individuelle „Gewaltschwelle” überschreiten oder nicht.
Für die „Gewaltschwelle” ist entscheidend, welche Erfahrungen Kinder und Jugendliche in der Realität mit Gewalt gemacht haben bzw. machen. Finden sie bestimmte
Muster in den Medien wieder, die sie schon in der Realität kennen gelernt haben,
zum Beispiel das Motto: „Der Stärkere setzt sich durch”, kann sich das bei ihnen einprägen. Zum Problemfall werden solche Vorstellungen vom „Wert der Gewalt” besonders dann, wenn sie den Kindern und Jugendliche in der Wirklichkeit und in verschiedenen Medienangeboten immer wieder begegnen. Sowohl Kinder als auch Jugendliche tolerieren in den Medien Gewaltszenarien, die sie im „echten” Leben ohne
Wenn und Aber ablehnen. Jugendlichen zeigen gegenüber medialen Gewaltdarstellungen insgesamt mehr Toleranz als Kinder. Das hängt damit zusammen, dass sie sowohl in der Realität als auch in den Medien mehr Erfahrung mit Gewalt gemacht
haben und dass sowohl ihre Erklärungs- als auch ihre Distanzierungsfähigkeiten stärker ausgeprägt sind.
Gewalt in den Medien
Gewalt in den Medien
Gewalt im Spiel = (k)ein Kinderspiel
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Gewalt im Spiel = (k)ein Kinderspiel
Spielen macht Spaß - Computerspielen erst recht!
Egal ob Cowboy-Indianer-Spiele mit Freunden, Brettspiele mit der Familie oder Computerspiele alleine oder mit anderen, das Spielen mit und ohne Technik ist reizvoll.
Kinder messen sich gerne mit anderen, lieben es Neues auszuprobieren, lernen nebenbei Regeln und Verhaltensweisen oder haben einfach nur Spaß. Auch Jugendliche
sind begeistert, wenn sie beim Spielen abschalten können oder Aufregendes erleben.
Computerspiele haben ihre eigene Faszinationskraft: Im Gegensatz zu einem Film,
kann man selbst eingreifen und das Geschehen bestimmen. Über Erfolg und Misserfolg entscheidet also das eigene Handeln. Die Herausforderung, noch diesen Level zu
schaffen oder jene Mission zu erfüllen, sorgt für Spannung. Besonders an- und aufregend wird es für die Spielenden, wenn sie sich mit anderen zusammentun, und
dann in einem sogenannten Netzwerk (mehrere miteinander verbundene Computer)
oder im Internet menschliche Gegenüber vor sich haben, die mit oder gegen sie
spielen.
Hüpfen, Denken, Kämpfen der Spielemarkt im Überlick
Der Spielemarkt ist ziemlich unübersichtlich. Es gibt
Spiele für den PC, für Konsolen, die an den Fernseher
angeschlossen werden, verschiedene Gameboy-Spiele
usw. Die „Spielarten” sind nicht weniger mannigfaltig: Von Denk- und Geschicklichkeitsspielen über
Sportspiele, Strategiespiele, Wirtschaftssimulationen,
bis hin zu Actionspielen und „Ego-Shootern”. In sehr
vielen Spielen kommt Gewalt vor, in unterschiedlichen Zusammenhängen, Härtegraden und Darstellungsformen. Sei es, dass die Spielenden als Militärstrategen Armeen befehligen, mit Fäusten und Tritten gegen einen Kämpfer im Ring antreten oder als
Elitesoldat aus der Ich-Perspektive Gegner mit einem
großen Waffenarsenal „ausschalten” (wie z.B. in vielen „Ego-Shootern”). Klar, dass Kindern und Jugendlichen nicht alles, was auf dem Markt ist, zugemutet
werden kann. Die unterschiedlichen Beschaffungswege machen es jedoch schwer, die Spielenutzung des
Nachwuchses zu kontrollieren. Neben der üblichen
Methode, Spiele käuflich zu erwerben, existiert eine
Grauzone: Spiele können illegal im Internet heruntergeladen werden, der Austausch mit Raubkopien floriert auf den Schulhöfen. Wer einfallsreich ist und
sich mit Computertechnik etwas auskennt, findet
immer einen Weg, sogar verbotene Spiele zu beschaffen. Selbst weniger drastische Spiele können mit sogenannten „Blood-Patches”, die man im Internet findet, manipuliert und zu blutrünstigen Spektakeln umfunktioniert werden.
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Action- und Gewaltspiele reine Männersache!
Beim Thema Action und Gewalt scheiden
sich nicht nur die Geister, sondern auch
- und vor allem - die Geschlechter.
Während sich viele männliche Heranwachsende für alle Arten von gewalthaltigen Actionspielen begeistern können,
machen diese Spiele bei den Mädchen
wenig Eindruck. Egal ob Prügelspiele
oder Militärsimulationen, Ego-Shooter
oder Action-Rollenspiele, alles, was mit
kämpferischen Auseinandersetzungen zu
tun hat, ist ein Fall für die Jungs. Das
Gefühl, das Spiel bzw. die Gegner im
Griff zu haben und zu beherrschen, hat
dabei große Bedeutung. Der Wunsch, Ereignisse und Situationen zu kontrollieren
und Macht auszuüben, ist anscheinend
den männlichen Heranwachsenden in
unserer Gesellschaft auf den Leib geschrieben. Die zum überwiegenden Teil
vor „Männlichkeit” strotzenden Hauptfiguren in gewalthaltigen Spielen tun ein
Übriges. Für einige Jungs ist es außerdem ein Anreiz, die Erwachsenen mit
den eigenen „krassen” Medienvorlieben
zu schockieren. „Männlichkeit” demonstriert derjenige, der etwas aushalten
kann und ohne mit der Wimper zu
zucken, eklige Monster abknallt und als
unbesiegbarer Held die blutigsten Kämpfe übersteht.
Echtes Risiko Wenn Bildschirmkrieger
die Kontrolle verlieren
Wenn Gewalt im Spiel ist, sind die Befürchtungen von Eltern und anderen Erwachsenen besonders groß. Machen
diese Spiele die Kinder und Jugendlichen
aggressiv, verhaltensgestört oder gar zu
Amokläufern? Angesichts von spritzendem Pixelblut und düsteren Endzeitszenarien eine verständliche Frage. Trotzdem:
Das schnelle (Vor-)Urteil ist auch hier
nicht angebracht. Gewalt in Spielen ist
etwas anderes als zum Beispiel in einem
Film. Die Spieler werden nicht - wie in
einer Filmgeschichte - emotional mit
hineingezogen, fühlen nicht mit den
Helden, aber auch nicht mit den Opfern.
Mitgefühl würde den erfolgreichen
Spielablauf einfach nur stören. Das heißt
aber nicht, dass die Spielenden automatisch abstumpfen oder gar Mitleidsfähigkeit in der Realität verlieren. Spiel und
Realität sind zwei unterschiedliche Welten und das ist den allermeisten Spielenden bewusst. Verschwimmen jedoch
diese Grenzen, kann ein problematisches
Gewaltverständnis gefördert werden. Risiken sind vor allem dann zu befürchten,
wenn die Spielenden ständigem Druck
ausgesetzt sind, weil sie wie bei den
„Ego-Shootern” im Sekundentakt drastische Gewalt ausführen müssen, um sich
das Bleiberecht im Spiel zu erkämpfen.
Läuft das Spiel vor einem realitätsnahen
Szenario (z.B. Terrorbekämpfung oder Vietnamkrieg) ab und ist die Darstellung
von filmähnlicher Qualität und realistisch, sind solche Effekte umso wahrscheinlicher. Dann kann es auch vorkommen, dass die Begeisterung für Spielelemente, wie zum Beispiel für Waffen,
Kriegsgerät, militaristische Strategien in
der Realität ihre Früchte trägt.
Gewalt im Spiel = (k)ein Kinderspiel
Gewalt im Spiel = (k)ein Kinderspiel
Medienmacht und Märkte
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Medienmacht und Märkte
Bildschirm, Leinwand,
Fernseher - Actionfiguren
kommen überall hin
Kommt eine Medienfigur einmal gut
an, darf sie bald im Dauerbetrieb und
auf allen Kanälen für Action sorgen:
Die kämpferische Computerspiele-Heldin Lara Croft zum Beispiel hat mittlerweile schon fünf Tomb Raider-Spiele auf dem Buckel, ein sechstes Spiel
steht kurz vor der Vollendung. Damit
nicht genug, feiert die smarte Amazone mittlerweile als Leinwandheldin
Triumphe, Fortsetzungen inbegriffen.
Auch Comics sind zu haben, in denen
Lara nach verborgenen Schätzen
sucht und brutale Bösewichter zur
Strecke bringt.
Eine Erfolgsgeschichte wie diese ist
auf dem Medienmarkt kein Einzelfall:
Dass tapfere Streiter für die „gute
Sache” an vielen Fronten in verschiedenen Medien kämpfen, ist für die
Unterhaltungsbranche ein bewährtes
und vor allem lukratives Geschäft.
Dragon Ball und Co. Die Helden sind auch bei uns
zu Hause
Von den Star Wars-Postern über die Bettwäsche mit Dragon Ball Z-Motiven bis hin
zum Pokémon-Füller: Bestimmte Medienfiguren und -inhalte sind einfach überall „zu
Hause”, prangen auf Konsumartikeln und Gebrauchsgegenständen. Die Welten der
Actionhelden, der Luke Skywalkers und Son-Gokus enden nicht am Bildschirm. Durch
die Merchandisingprodukte setzen sich die Geschichten um den Kampf zwischen den
Guten und den Bösen im Alltag fort. Und da kommen auch die Kleinen bereits mit
ihnen in Berührung, z.B. wenn sie die Protagonisten der blutigen Herr der RingeSaga in den Überraschungseiern finden und so neugierig auf die Filmfassungen gemacht werden. Die Konsumindustrie macht sich geschickt die Bedürfnisse der Kinder
und Jugendlichen zunutze. Denn echte Fans sammeln alle möglichen Utensilien, Poster, Spielfiguren ... und sie demonstrieren ihre Zugehörigkeit zur Fangemeinde
gerne sichtbar nach außen. Für Kinder erfüllen z.B. die Sammelkarten zu den Pokémon oder zu Dragon Ball diesen Zweck. Sie werden gekauft, getauscht und gehandelt, bis die Mädchen und Jungen sich alle „geschnappt” haben. Jugendliche Star
Trek Fans umgeben sich nicht nur mit Postern und Accessoires, die ganz eingefleischten veranstalten sogar Treffen, bei denen die „volle Ausrüstung” der Trekkies
ein Muss ist.
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Kaufen, um dabei zu sein - Heranwachsende unter Konsumdruck
Angesagte Marken, die „korrekten” Interessen und die „richtigen” Medienvorlieben
gehören einfach dazu. Wer nicht als Außenseiter gelten will, sollte Bescheid wissen,
über das neue Computerspiel mit Lara Croft, sollte sämtliche Herr der Ringe-Figuren
besitzen und die vier Bände von Harry Potter im Bücherregal stehen haben. Das
„Haben-Wollen” und das „Dazu-Gehören” um jeden Preis setzt Kinder und Jugendliche unter Druck. Der Konsumzwang geht nicht nur an den Geldbeutel, er kann auch
zum Entstehen von Wertmaßstäben beitragen, die ausschließlich an Besitz und Konsum orientiert sind. Dass es sich bei der Mehrfachvermarktung der Actionfiguren auf
dem Medien- und Konsummarkt um geschickte Werbestrategien handelt, ist vielen
jungen Fans nicht bewusst.
Die Masse macht's Einseitige Actionwelten
als Gefahrenquelle
Wenn die Universen von Star Wars oder
Dragon Ball Z von Heranwachsenden
immer wieder aufgesucht werden und sie
sich die Kämpfer, die sich dort durchsetzen, als Vorbilder nehmen, wird es riskant. Dann nämlich steigen die Chancen, dass zum Beispiel das Prinzip des
Stärkeren oder die Idee der gerechtfertigten Gewalt Überzeugungskraft und
Gewicht in der Realität gewinnen. Die
äußeren Symbole der Zugehörigkeit (TShirts, Figuren usw.) zu einer Fangruppe
erhöhen die Identifikation mit den Medienwelten, deren Helden und Handlungsvorgaben. Kinder und Jugendliche,
die in diese Welten eintauchen, sich
ihnen in den verschiedenen Medien
(Film, Computerspiel, Comic, Fernsehen
...) zuwenden, laufen Gefahr, sich von
den Mustern, die dort Handeln und Verhalten bestimmen, nicht mehr ausreichend distanzieren zu können. Das kann
dazu führen, dass sie diese Welten zunehmend für „normal” und „alltagstauglich” ansehen.
Medienmacht und Märkte
Medienmacht und Märkte
Mit der Lust auf Action umgehen
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Mit der Lust auf Action umgehen
Tipps für Eltern
Verbote, Miesmachen und Unverständnis
sind keine guten Wege, den Kindern und
Jugendlichen ihre Vorliebe für actionhaltige Medienangebote auszureden. Folgende Grundregeln helfen, einen vernünftigen Umgang zu unterstützen und
die Heranwachsenden durch den „Mediendschungel” zu begleiten:
Vorurteile sind tabu
Machen Sie sich mit den Vorlieben der
Kinder und Jugendlichen vertraut. Lassen Sie sich das Besondere an den Figuren, den Geschichten und Spielszenarien
erklären, die sie faszinieren. Erst mit
einem „Quäntchen” Insiderwissen sind
offene Gespräche über die Faszination
für diese Medienwelten, aber auch über
ihre problematischen Seiten möglich.
Schlau machen hilft
Fachinformationen über die jeweiligen Medienangebote, die für Kinder und Jugendliche von Bedeutung sind, können hilfreich sein. So bieten zum Beispiel die Alterskennzeichnungen des Jugendschutzes wichtige Orientierungshilfen, was Heranwachsenden welchen Alters zugänglich gemacht werden darf. Tiefer gehen pädagogische
Ratgeber, die Einschätzungen über die Eignung bestimmter Medienangebote enthalten oder Empfehlungen abgeben.
Heranwachsende brauchen wirkliche Orientierung
Kinder und Jugendliche brauchen in der Realität Vorbilder und vernünftige Orientierungsangebote. Vor allem dann, wenn medial dargebotene Welt- und Menschenbilder
im Leben von Heranwachsenden ein Übergewicht gewinnen, gilt es gegenzusteuern:
„Wirkliche” Vorbilder, Unterstützung bei alltäglichen Problemen und Stärkung des
Selbstwertgefühls kann Kindern und Jugendlichen helfen, die Medienvorgaben richtig einzuordnen. Dann bleibt auch Fansein ein Spaß und wird nicht zum Problem.
Gewalt zum Thema machen
Kinder und Jugendliche nehmen Gewalt in den Medien in der Regel anders wahr als
Erwachsene. Vor allem viele männliche Heranwachsende sind von gewalthaltigen
Medienangeboten begeistert. Sie vergnügen sich selbst mit drastischen Gewaltszenen
und fragwürdigen Botschaften und rechtfertigen dies damit, dass es „nur” um Medien
geht. Trotzdem oder gerade deshalb ist es wichtig, genau diese Aspekte ihrer Medienvorlieben anzusprechen, und sich mit ihnen über Gewalt und deren Legitimation in
den Medien und in der Realität auseinander zu setzen. Reflexion und Distanz sind
immer noch die besten Mittel, um gegen Faszination medialer Gewalt anzugehen.
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Der Zweck: Vor den Extremen
des Medienmarktes bewahren
Die gesetzlichen Bestimmungen des Jugendmedienschutzes zielen darauf ab,
den Medienmarkt zu regulieren und zu
kontrollieren, damit Kinder und Jugendliche vor Auswüchsen und Extremen bewahrt werden. Dazu dienen Mittel wie
das Verbot von Medienangeboten, die
Beschränkung des Zugangs für unter 18Jährige und die Alterskennzeichnungen.
Die Inhalte: Was Kinder und
Jugendliche nicht sehen sollen
Insbesondere drei inhaltliche Aspekte,
vor denen Kinder und Jugendliche in
unserer Gesellschaft besonders geschützt werden sollen:
Eine eindringliche, übersteigerte
und sogar verherrlichende Darstellung von Gewalt und Leid sowie Verstöße gegen die Menschenwürde.
Eine aufreizende, selbstzweckhafte
und geschlechtsbetonte Darstellung
von Sexualität (z.B. Pornografie).
Die Verherrlichung von Drogenkonsum, extremistischem Gedankengut
und von Krieg sowie staatsfeindliche
Agitation und Anstiftung zu Straftaten.
Der Nutzen: Was Eltern tun können
Zuallererst sollten Eltern und andere Bezugspersonen darauf achten bzw. gewährleisten, dass Kinder und Jugendliche nicht mit jugendschutzrelevanten Medienangeboten in Berührung kommen. Die Kriterien (z.B. die Alterskennzeichnungen), nach
denen der Jugendmedienschutz Medienangebote einordnet, zeigen die Grenzen auf,
die bei der herkömmlichen Medienerziehung beachtet werden sollen. Außerdem sind
Erwachsene generell aufgefordert, Verstöße gegen den Jugendmedienschutz z.B. im
Fernsehen oder im Internet bei den entsprechenden Stellen zu melden und zwar bei:
Jugendämtern
Polizei und anderen Ordnungsbehörden
Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)
Den Jugendmedienschutz nutzen
Den Jugendmedienschutz nutzen
Den Jugendmedienschutz nutzen
10
Den Jugendmedienschutz nutzen
Einrichtungen des Jugendmedienschutzes
-
Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V. (AJ)
Anlaufstelle bei Fragen des Jugendschutzes und umfangreicher Materialdienst
zu verschiedenen Bereichen des Jugendschutzes
Tel.: 089/12 15 73-0, www.bayern.jugendschutz.de, E-Mail: [email protected]
-
Bundesarbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz e.V. (BAJ)
Anlaufstelle für Jugendschutzfragen auf Bundesebene
Tel.: 030/4 00 40 30-0, www.bag-jugendschutz.de, E-Mail: [email protected]
Adressen aller Fach- und Landesstellen im Jugendschutz: www.jugendschutz.de
- Bayerisches Landesjugendamt
Informationen zu Jugendhilfethemen, gesetzliche Regelungen zum Jugendschutz
und Fragen des Jugendmedienschutzes
Tel.: 089/1 30 62-0, www.blja.bayern.de, E-Mail: [email protected]
- Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK)
Vergabe von Alterskennzeichnungen für Kino- und Videofilme
Tel.: 0611/7 78 91-0, www.fsk.de, E-Mail: [email protected]
- Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK)
Vergabe von Alterskennzeichnungen für Unterhaltungssoftware
Tel.: 0 30/2 79 62 11, www.usk.de, E-Mail: [email protected]
- Jugendschutz.net
Einrichtung zum Jugendschutz im Internet, zentrale Anlaufstelle für alle, die Jugendschutzverstöße im Internet melden wollen.
Tel.: 06131/32 85-20, www.jugendschutz.net, E-Mail: [email protected]
- Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM)
Zulassung, Kontrolle und Jugendschutzaufsicht für private Hörfunk- und Fernsehanbieter in Bayern sowie Aufsicht über Internetanbieter
Tel.: 089/6 38 08-0, www.blm.de, E-Mail: [email protected]
- Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)
Zuständig für die Überwachung der Bestimmungen des JugendmedienschutzStaatsvertrages sowie Anerkennung von und Aufsicht über Einrichtungen der freiwilligen Selbstkontrolle. c/o Bayerische Landeszentrale für Neue Medien (BLM),
Tel.: 089/6 38 08-0, www.blm.de
- Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM)
Eintrag von Medien mit jugendgefährdenden Inhalten aller Art in die "Liste
jugendgefährdender Medien" (Index) auf Antrag oder von Amts wegen.
Tel.: 0228/37 66 31, www.bundespruefstelle.de, E-Mail: [email protected]
Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen
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Medien im Alltag von Kindern und Jugendlichen
„Ich sehe was, was du nicht
siehst ...”
„Ich will so sein, wie ich
(nicht) bin ...”
Kinder und Jugendliche sind keine Erwachsenen. Deshalb sehen sie auch
nicht wie Erwachsene, hören nicht wie
Erwachsene und verstehen Dinge anders
als Erwachsene. Folglich nehmen Kinder
und Jugendliche auch die Inhalte von
Medien anders wahr als Erwachsene. Was
bei ihnen ankommt, was sie in den Medien „sehen”, was für sie verständlich ist
oder was sie verkraften können, hängt
von ihrer geistigen und sozial-moralischen Entwicklung ab. Beeinflusst wird
davon auch, welche Vorlieben sie haben,
wie sie Inhalte interpretieren und wie
sie mit Medien und ihren Angeboten umgehen können. Als Grundregel gilt: Was
Heranwachsende in der Wirklichkeit
nicht verstehen, werden sie auch in den
Medien nicht begreifen.
Großwerden ist nicht leicht. Von allen
Seiten bekommen Kinder und Jugendliche zu hören, wie sie sein oder werden
sollen, was von ihnen erwartet wird und
welche Regeln sie beachten müssen. Auf
dem steinigen Weg zum Erwachsensein
ist die Unsicherheit oft groß, was „richtig” und „falsch” ist. Mit zunehmendem
Alter beginnen die Heranwachsenden eigene Wertmaßstäbe zu entwickeln, sich
von den Eltern abzugrenzen, sich sprichwörtlich ihren eigenen Kopf zu machen.
Die Medien kommen ihnen da gerade
recht: Sie bieten eine Fundgrube für Vorbilder, sie zeigen Verhaltens- und Lebensstile, sie eröffnen Einblicke in Erfahrungen und Lebensbereiche, die Kindern und Jugendlichen in der Realität
noch verschlossen sind. Sie zeigen, wie
die Welt der Erwachsenen funktioniert,
wie Konflikte gelöst werden können, wie
man als Mann oder Frau zu sein hat usw.
Allerdings übernehmen Kinder und Jugendliche das, was sie in den Medien
sehen und hören, nicht einfach eins zu
eins. Sie wählen aus, was zu ihrer Persönlichkeit und Lebenssituation passt,
und was für sie bedeutsam und „brauchbar” ist. Sie biegen die Medienvorgaben
für ihre Bedürfnisse zurecht.
„Das kann auch ins Auge
gehen...”
Medien muten Kindern und Jugendlichen auch Angebote zu, mit denen sie nicht zurechtkommen oder die für ihre Entwicklung nicht wünschenswert sind. Überforderung, Verunsicherung oder falsche Vorstellungen sind die Folgen. Bei Kindern ist das
naturgemäß häufiger der Fall als bei Jugendlichen: Vieles, was in den Medien zu
sehen und zu hören ist, verstehen Kinder nicht richtig, ordnen es falsch ein oder
verkraften es nicht. Belastende Gefühle wie Erschrecken, Ängste, Traurigkeit ... sind
bei Kindern häufige Reaktionen. Aber auch problematische Vorbilder und Handlungsmuster (z.B. Helden, die primär auf Gewalt setzen), fragwürdige Rollenbilder (z.B.
das traditionelle „Weibchen”) und verzerrte Weltsichten (z.B. die Vorstellung allgegenwärtiger Bedrohung) werden zu „Stolpersteinen”, und zwar für Kinder genauso
wie für Jugendliche. Gewicht gewinnen zweifelhafte Medienvorgaben vor allem
dann, wenn in der Realität keine besseren Alternativen zur Verfügung stehen.
Impressum:
Herausgeber: JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, München;
Aktion Jugendschutz, Landesarbeitsstelle Bayern e.V. (AJ).
Gefördert vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen (StMAS)
Layout: Frische Medien, Hamburg
Auflage: 20.000
© kopaed, muenchen 2003, www.kopaed.de
Ratgeber
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www.bpb.de/snp/
- Spiel- und Lernsoftware pädagogisch beurteilt
1x jährlich bei: Stadt Köln, Amt für Kinder, Jugend und Familie
Tel.: 0221/57 43-140, E-Mail: [email protected]
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FLIMMO betrachtet das Fernsehen aus der Sicht der Kinder im Alter von 3 bis 13 Jahren und
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Tel.: 0711/2 37 37-0, E-Mail: [email protected]
Aufwachsen in Actionwelten
Ein Materialpaket zu gewalthaltigen Spielwelten und Medienverbünden
Elternbroschüre
ISBN 3-935686-59-5 • Schutzgebühr EUR 0,50
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Weitere Elternbroschüren können beim kopaed Verlag, Pfälzer-Wald-Str. 64, 81539 München
www.kopaed.de, [email protected], 089-688 900 98 angefordert werden.
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