Diagnose Therapie Und Prophylaxe Eines Gichtanfalls

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Diagnose Therapie Und Prophylaxe Eines Gichtanfalls
KLINIK UND POLIKLINIK FÜR INNERE MEDIZIN I
Diagnose, Therapie und
Prophylaxe eines Gichtanfalls
Gebiet: Rheumatologie
Ausrichtung: diagnostisch
therapeutisch
Version:
Gültig ab:
Revision:
Verfasser:
Geprüft:
Genehmigt:
3.0 (3 Seiten)
01.11.2010
01.11.2012
BEH/HB
HB
BS (2.0)
Ein Gichtanfall entsteht, wenn das Löslichkeitsmaximum von Harnsäure (6,4 mg/dl) in der
extrazellulären Flüssigkeit (Gelenk oder Weichteile) überschritten wird. Eine verminderte renale
Ausscheidung ist der wohl wichtigste Pathomechanismus für die Entstehung eines akuten
Gichtanfalls (98% aller Gichtkranken):
(a) genetisch verminderte Ausscheidungskapazität durch die Nieren
(b) Medikamente (Diuretika, Acetylsalicylsäure, Cyclosporin A, Methotrexat etc.)
(c) exzessiver Alkoholkonsum
Diagnostik
Die Klinik ist häufig hinreichend für die Diagnose eines akuten Gichtanfalls:
plötzlicher Beginn, meist nachts (Nachtdienst!)
stärkste Schmerzen („Bettdecke wird nicht mehr vertragen“)
Rubor, Calor, Tumor, Functio laesa
Fieber, Schüttelfrost
Befall: etwa 90% der ersten Gichtanfälle sind monoartikulär, (in >50%
Podagra, gefolgt von Mittelfuß, Knöchel, Knie, aber auch jedes andere
Gelenk)
Cave: Bei älteren Menschen, bzw. langjähriger Gicht, simultane polyartikuläre Anfälle
möglich, welche an eine rheumatoide Arthritis erinnern können!
- Gelenksonographie: (optional)
- Gelenkpunktion mit Mikroskopie auf Kristalle: (Nota bene:
Genereller
diagnostischer Goldstandard bei
jeder Arthritis unklarer Ätiologie zum
differenzialdiagnostischen
Ausschluss einer infektiösen
Arthritis, bzw.
Differenzierung einer Kristallarthropathie. Konsequenz: bei geringstem Zweifel an
Diagnose Gicht [z.B. Gonarthrose] sofortige Rücksprache mit Rheumatologen bzw.
diensthabenden Oberarzt wegen Gelenkpunktion! )
- Labor: (wenig hilfreich, ein normaler Serum-Harnsäurewert schließt
nämlich einen Gichtanfall nicht aus, bei sehr hohen Harnsäure-Werten (>14
mg/dl)
auch
an
seltenen
genetischen
Enzymdefekt
denken,
Entzündungszeichen beachten!)
Therapie
nd
1
line:
NSAR /Coxibe (Beispiele anhand der im Hause verfügbaren Präparate)
rd
2 line:
st
1 x 120 mg Etoricoxib (weniger Ulcera im unteren GI-Trakt i. Vgl. zu
NSAR)
100 mg Diclofenac p.o. oder als Supp. (Tageshöchstdosis 150 mg)
Steroide (nur wenn NSAR versagen, oder bei KI NSAR)
-
3 line:
Ruhigstellung, ggf. Bein hochlagern
Kälte (mind. 30 min., bei kürzeren Zeitintervallen dominiert eine reaktive
Hyperämie!)
Steigerung der Diurese durch Flüssigkeitszufuhr
Harnalkalisierung, pH 7 (z.B. Natriumhydrogenkarbonat 3 bis 6g tgl.,
z.B. Uralyt U®)
Prednisolon 30-50 mg (1.Tag) dann für weitere 2 Tage 20 mg (Steroide
max. über 5 Tage)
(Triamcinolon intraarticulär ultima ratio in Rücksprache mit Rheumatologie)
Colchicin p.o. (Diagnose ex iuvantibus nicht möglich, da Colchicin auch bei anderen
Kristallarthropathien wirkt )
-
Beginn mit 1 mg initial (2 Tbl. à 0,5 mg Colchicum dispert)
weiter mit 3 Tab à 0,5 mg Colchicum dispert/Tag
BB-Kontrolle notwendig, Nierenfunktion berücksichtigen
Nota bene: Die teure rekombinante Urat-Oxidase (Rasburicase ®, 0,2 mg/kgKG) ist kein RoutineTherapeutikum sondern kommt nur in Ausnahmefällen (z.B. exorbitant hohe Harnsäure-Werte bei
Tumorlyse) zum Einsatz.
Prophylaxe:
-
Purin-arme Diät (Diätberatung), reduzierter Alkoholkonsum
Medikamentöse Prophylaxe
Körpergewichtsreduktion
Komedikation überdenken (z.B. Thiazide wirklich notwendig?)
ausreichende Flüssigkeitszufuhr
Nota bene: Bei asymptomatischer Hyperurikämie ist die Effektivität (und Effizienz) einer
medikamentösen Prophylaxe umstritten. Nur Patienten mit asymptomatischen SerumHarnsäurewerten > 10 mg/dl (Frauen) bzw. > 12 mg/dl (Männer) sollten eine Prophylaxe erhalten,
bzw. bei 2 Gichtattacken pro Jahr oder Tophibildung oder typischen radiologischen
Veränderungen.
Allopurinol
-
Nie Allopurinol im akuten Anfall! Bei bestehender Allo.-medikation sollte
diese nicht abgesetzt werden.
Beginn mit niedriger Dosierung (100 mg/d)
In den ersten 3-6 Monaten ist eine Kombination von Allopurinol mit
Colchicum disp. 2x 0,5 mg oder NSAR zur Anfallprophylaxe oft sinnvoll
Dosissteigerung in zweiwöchigem Abstand bis Serumharnsäure 6 mg/dl.
Typische Erhaltungsdosis 300 mg/d (selten bis max 800 mg/die notwendig
[Cave: Niereninsuffizienz!]
Allopurinol hemmt den Abbau von z.B. Azathioprin, 6-Mercaptopurin,
Phenprocoumon, ACE-Hemmern
Keine Comedikation mit Azathioprin
Febuxostat (Adenuric, neu zugelassen 2010):
-
Einsatz bislang nur wenn Allopurinol nicht wirksam war oder NW
aufgetreten sind
Zulassung nur für Patienten mit Uratablagerungen (Arthritis urica oder
Gichtknoten)
Nie Febuxostat im akuten Anfall! Bei bestehender Febuxostat-Medikation
sollte diese aber nicht abgesetzt werden
Gleichzeitige Anfallprophylaxe für 6 Monate mit Colchicum dispert 2x0,5
mg oder NSAR oft sinnvoll
Cave Leberwerte, siehe Fachinfo
Keine Dosisanpassung bei leichter Niereninsuffizienz
Dosis 80 mg /Tag, falls Leberwerte ok nach 4 Wochen ggf. Steigerung auf
120 mg/Tag möglich
Febuxostat ist bei KHK und dekompensierter Herzinsuffizienz
kontraindiziert
Febuxostat hemmt den Abbau von z.B. Azathioprin, daher keine CoMedikation mit Azathioprin.
Tipp:
AT II -Rezeptorantagonisten (z.B. Losartan) haben urikosurische Wirkung, daher bei zusätzlicher
art. Hypertonie gute Wahl
© Klinik und Poliklinik für Innere Medizin I des Universitätsklinikums Regensburg, 25.11.2010
Verfasser (Überarbeitet)
email:
[email protected]
Hausfunk:
1540
Literatur
AWMF Leitlinien:
(keine)
Internationale Leitlinien:
EULAR-Empfehlungen, Zhang et al. Ann Rheum Dis 2006
Aktuelle Übersichtsartikel:
Sutaria S, Katbamna R, Underwood M. Effectiveness of interventions for the
treatment of acute and prevention of recurrent gout--a systematic review.
Rheumatology. 2006; Apr 21; Epub ahead of print.
Tausche AK, Unger S, Richter K, Wunderlich C, Grassler J, Roch B,
Schroder HE. Hyperuricämie und Gicht, Diagnose und Therapie. Der
Internist 2006; 47: 509-522.
Tim L et al. International position paper on febuxostat. Clin Rheumatol 2010,
29:835-840
Empfehlungen ohne Gewähr, Verantwortung liegt bei behandelnder Ärztin/Arzt!

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