BUNDESPOLIZEI kompakt, Ausgabe 5/2012
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BUNDESPOLIZEI kompakt, Ausgabe 5/2012
Zeitschrift der Bundespolizei ISSN 2190-6718 39. Jahrgang 5-2012 25 Jahre Frauen in der Bundespolizei In- & Ausland 40 Jahre GSG 9 der Bundespolizei Seite 12 Personal & Haushalt Plötzlich Ruhestand – Ein Ratgeber Seite 35 Sport & Gesundheit Richtig helfen – nur wie? Seite 46 | 5-2012 Inhalt Das Grenzüberschreitende Polizeiteam – GPT Kriminalitätsbekämpfung über Grenzen hinweg. Ein deutsch-niederländisches Erfolgsmodell mit Vorbildcharakter. Die Bundespolizei – immer noch ein attraktiver Arbeitgeber? kompakt im Gespräch mit dem Leiter des Dezernats 4, bei der Bundespolizeiakademie für Nachwuchsgewinnung und Einstellungsberatung. Bundespolizei See: Schiffstyp P 66 Fast zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass die Schiffsflotte der Bundespolizei „verjüngt“ worden ist – und der Erfolg kann sich sehen lassen. Seite 21 Seite 26 Seite 49 Interview Dr. Dieter Romann, Präsident des Bundespolizeipräsidiums . . . . . . 4 Personal & Haushalt Die Bundespolizei – immer noch ein attraktiver Arbeitgeber? . . . . 26 5 Fragen an ... . . . . . . . . . . . . 29 LOB – Was ist das und was bringt es? . . . . . . . . . . 30 Damals: Wie die Frauen zum Grenzschutz kamen . . . . . . . . . 32 „Zeitzeugen“ gesucht! . . . . . . . 34 Ratgeber zum Ruhestand . . . . . 35 Recht & Wissen Interview mit der Gleichstellungsbeauftragten der Bundespolizeiakademie . . . . . . 42 50 Years in Oerlenbach . . . . . . 44 Titelthema Wo genau liegt Heimerzheim? . . 6 Kommentar: Frauenpower in der Bundespolizei . . . . . . . . 11 In- & Ausland 40 Jahre GSG 9 . . . . . . . . . . . 2 Generationen – 4 Fragen . . . Außenansicht . . . . . . . . . . . . . Das Grenzüberschreitende Polizeiteam – GPT . . . . . . . . . . Identifikation von Attentätern . . . 12 18 20 21 23 Portrait Katja Remmel, Einsatztrainerin . . . . . . . . . . . . 40 Sport & Gesundheit Richtig helfen – nur wie? . . . . . 46 Technik & Logistik Schiffstyp P 66 . . . . . . . . . . . . 49 Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Zu guter Letzt Happy Birthday Munich International Airport . . . 54 | 5-2012 Impressum 3 Herausgeber Bundespolizeipräsidium Redaktion Ivo Priebe (V.i.S.d.P.) Anja Voss, Frank Borchert, Daniel Nedwed, Marcus Bindermann, Torsten Tiedemann, Thomas Borowik, Christian Altenhofen, Rudolf Höser, Kurt Lachnit, Ulrike Wulf, Nathalie Lumpé, Ines Rabe, Daniela Scholz, Kati Frost Anschrift Heinrich-Mann-Allee 103 14473 Potsdam Telefon 0331/97 997-9405, -9407 Telefax 0331/97 997-9411 E-Mail [email protected] Layout & Satz Fachinformations- und Medienstelle der Bundespolizei Druck Bonifatius GmbH Paderborn Auflage 11 600 Erscheinung: 6-mal jährlich Wir danken allen Autoren für die in dieser Ausgabe veröffentlichten Beiträge. Für den Inhalt der Beiträge sind grundsätzlich die Autoren verantwortlich. Die Redaktion behält sich das Recht der Kürzung und Änderung von Beiträgen vor. In den Artikeln der wird aus Formulierungsgründen grundsätzlich nur die männliche Form verwendet, alle Ausführungen beziehen sich jedoch gleichermaßen auch auf Frauen. kompakt Redaktionsschluss für die Ausgabe 6-2012 17. Oktober 2012 Titelbild: Fachinformations- und Medienstelle der Bundespolizei Liebe Leserinnen und Leser, bezeichnet man die Ereignisse rund um die Bundespolizei in den letzten Wochen und Monaten lediglich als dynamisch, so ist das wahrscheinlich untertrieben. Gerüchte, Spekulationen und sowohl negative als auch positive Berichterstattungen wechselten einander ab. Und dabei stand die Bundespolizei nicht nur medial im Fokus. Für mich kam dabei oft zu kurz, dass getreu dem Grundsatz „Richtschnur ist der Auftrag!“ die Bundespolizei dennoch zu jeder Zeit und vollumfänglich ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkam. Die Spekulationen sind nun, zumindest was die personelle Änderung der Führungsspitze im Bundespolizeipräsidium betrifft, Vergangenheit. Es besteht demnach kein Grund mehr, nicht optimistisch in die Zukunft zu schauen. Deshalb freue ich mich besonders, dass sich der neue Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dr. Dieter Romann, auf Anfrage der Redaktion sofort zu einem Interview bereit erklärt hat. Doch nun möchte ich mich Ihnen widmen, meine sehr verehrten Leserinnen. Das Titelthema ist allein Ihnen gewidmet. Schließlich feiern wir in diesen Tagen das 25-jährige Jubilä- um von Vollzugsbeamtinnen in der Bundespolizei. Die Lebensälteren unter Ihnen werden in dieser Ausgabe sicherlich die eine oder andere Anekdote wiederfinden. Die Lebensjüngeren können bestimmt hier und da über Erzählungen vom Beginn der Ära uniformierter Mitarbeiterinnen schmunzeln. Zum Glück ist nach nunmehr über zwei Jahrzehnten gemeinsamer Aufgabenwahrnehmung von Frauen und Männern der weibliche Beitrag zur Sicherheit unseres Landes eine Selbstverständlichkeit. Jedoch wird in diesem Zusammenhang zukünftig beispielsweise noch über den Anteil weiblicher Führungskräfte zu diskutieren sein. Noch „älter“ als unsere Frauen wurde in diesen Tagen die GSG 9. Ihr Gründungsdatum jährt sich zum 40. Mal! Auch hier freuen wir uns über ein Interview mit dem ersten und dem jetzigen Kommandeur der Gruppe. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen. Sie werden feststellen, dass wir mit dieser Ausgabe – im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung – eine weitere Papiervariante testen, da uns die letzte noch nicht überzeugt hat. Ihr Ivo Priebe Redaktion Bundespolizei kompakt | 5-2012 Dr. Dieter Romann im Interview 4 kompakt-Chefredakteur Ivo Priebe sprach mit dem neuen Präsidenten des Bundespolizeipräsidiums über wichtige Stationen in seinem Leben, die ersten Tage im Amt, über Wahrhaftigkeit und die Zukunft der Bundespolizei. kompakt : Herr Dr. Romann, seit einigen Wochen sind Sie nun Präsident des Bundespolizeipräsidiums. Auf welche wichtigen Stationen Ihres Lebens blicken Sie heute zurück? Dr. Romann: Mit Bezug zur Polizei: Ich war etwa acht oder neun Jahre alt, als ich mein erstes Zusammentreffen mit dem Bundesgrenzschutz hatte. Mein Vater war damals Leiter der Grenzschutzdirektion. An seiner Hand durfte ich damals einen für mich riesigen und lauten Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes anfassen. Seit diesem Tag habe ich so eine Art „platonische Liebesbeziehung“ zum Bundesgrenzschutz bzw. zur heutigen Bundespolizei entwickelt. Dass sich der Kreis nach fast 20 Jahren im Bundesministerium des Innern schließt, ist reiner Zufall. Daneben waren meine Leidenschaft zum Sport, die Zeit bei der Bundeswehr, mein Studium und meine 20-jährige Amtszeit im Ministerium, wovon ich zwölf Jahre lang in der Abteilung „Bundesgrenzschutz/Bundespolizei“ tätig war, weitere wichtige Stationen. Mit Bezug zu meinem Privatleben: Die jahrzehntelange „Konfliktforschung“ mit meiner Frau! kompakt : Wie haben Sie die ersten Tage in Ihrem neuen Amt erlebt? Dr. Romann: Kennen Sie das Buch „In Stahlgewittern“ von Ernst Jünger? Der Begriff „Stahlgewitter“ ist zwar militärisch geprägt, trifft es aber ganz gut. Deshalb: „Stahlgewitter“ – schon vor Amtsantritt. Und dann folgte mit dem Tod von Randolf Virnich unmittelbar der schwierigste dienstliche Gang meines Lebens … Dennoch gab es aber auch schöne Momente. Ich traf auf viele mir sehr gut und sehr lange bekannte Gesichter hier in Potsdam und in den Direktionen, die mich respektvoll und freundlich aufgenommen haben. Dennoch spüre ich die schwere Bürde des Amtes. Natürlich hätte ich dieses Amt nicht annehmen müssen, aber meine Frau trägt diese Entscheidung mit, auch weil sie weiß, wie sehr ich an der Bundespolizei hänge. kompakt : In der Rede anlässlich Ihrer Amteinsführung baten Sie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darum, mit „[ihrer] Meinung nicht hinter dem Berg zu halten“ und eine gesunde Fehlerkultur zu leben. Sind das für Sie ganz persönlich wichtige Werte? Dr. Romann: Ich hatte vor meinem Amtsantritt eine Woche Zeit, mir zu überlegen, was ich sagen werde. Offenheit, Ehrlichkeit und eine positive Beratungs- und Fehlerkultur sind für mich, vor allem in der Arbeitswelt, die Persönlichkeitswerte. Wer mich kennt, weiß, dass ich genau zu diesem Thema, dem Remonstrationsrecht und der Remonstrationspflicht im Beamtenrecht, promoviert habe. Die Wahrhaftigkeit und der Umgang damit ist im Leben eines jeden Menschen einer der wichtigsten Punkte, wenn | 5-2012 nicht sogar der wichtigste Punkt. Und da ich voraussichtlich drei Viertel meines Lebens im Dienst verbringen werde, erhoffe ich von jedem Mitarbeiter, dass er wahrhaftig ist und, soweit erforderlich, mich auch gegenteilig berät. Unsere gemeinsame Kommunikation erfolgt dabei auf dem Dienstweg und nicht durch Flucht in die Medien. kompakt: Ein Wort zu Ihrem Vor- gänger! Woran möchten Sie anknüpfen, was möchten Sie ändern? Dr. Romann: Ich kenne Matthias Seeger seit über 15 Jahren. Wir haben uns vor dem Amtswechsel gut verstanden und wir verstehen uns nach dem Amtswechsel genauso gut. Eventuelle Veränderungsprozesse ergeben sich nur aus der Sache. kompakt: Wie sehen Sie die Bun- despolizei in der Zukunft? Dr. Romann: Die Bundesspolizei ist der stabilste Faktor der inneren Sicherheit in der Bundesrepublik Deutschland. Das muss sie auch weiterhin bleiben, und zwar im kooperativen Konzert mit allen anderen Sicherheitsbehörden der Länder und des Bundes! Die großen Zukunftsthemen im Bereich der inneren Sicherheit sind im Zweifel nicht ohne, sondern nur mit der Bundespolizei zu lösen. Die Geschichte der Bundespolizei ist seit eh und je eng mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verbunden. Demnach wird die Zukunft der Bundespolizei entscheidend von der Sicherheitslage und der Entwicklung unseres Landes abhängen. Hierbei wird die Sicherheitslage meiner Auffassung nach entscheidend von der weiteren Entwicklung im Zusammenhang mit der Bedrohung durch den internationalen islamistischen Terrorismus und der illegalen Migration beeinflusst. Hierauf sollten wir uns langfristig einstellen. kompakt : Abschließend noch eine private Frage: Wie laden Sie nach einem langen Arbeitstag Ihre Akkus wieder auf? Dr. Romann: Der Dienstherr leert meinen Akku. Meine Dienstherrin lädt ihn wieder auf. kompakt: Herr Dr. Romann, vielen Dank für das Gespräch. 5 Titelthema Wo genau liegt Heimerzheim? Diese Frage stellten sich vor 25 Jahren 31 Frauen, die am 1. Oktober 1987 bei der damaligen Grenzschutzabteilung für Ausbildung und Einsatz West in Swisttal-Heimerzheim in den mittleren Polizeivollzugsdienst eingestellt wurden. Die Besonderheit: Es waren die ersten Frauen im Vollzugsdienst des Bundesgrenzschutzes. Eine Anstellung war bisher ausschließlich männlichen Bewerbern vorbehalten gewesen. Doch aufgrund der durchweg positiven Erfahrungen der Bundesländer mit Frauen im polizeilichen Vollzugsdienst hatte sich eine Erkenntnis durchgesetzt: In Bezug auf die Punkte berufliches Engagement, Leistungsvermögen und Durchsetzungswillen standen die Frauen den Männern in nichts nach. Nahezu ausnahmslos hatten sie sogar eine bessere Qualifikation, wie ein Bericht des Arbeitskreises II „Öffentliche Sicherheit und Ordnung“ der bundesdeutschen Innenminister belegte. Zudem brachten der Rückgang der Geburten durch den sog. „Pillenknick“ und die damit verbundenen reduzierten Bewerberzahlen die Polizeien der Länder und des Bundes in Bedrängnis. Es standen nicht mehr genügend geeignete männliche Bewerber für den Polizeidienst zur Verfügung. Zudem setzte der außerhalb der Polizeien stattfindende gesellschaftliche Wandel neue Maßstäbe. Eine selbstbewusste Frau- enbewegung forderte mit Nachdruck die vollständige Gleichberechtigung von Frauen in allen Lebensbereichen. So entschied sich der damalige Bundesinnenminister Dr. Friedrich Zimmermann im Jahr 1987 für weibliche Verstärkung beim Bundesgrenzschutz. Insgesamt reichten ca. 330 Frauen ihre Bewerbung für die Ausbildung beim Bundesgrenzschutz ein. Letztendlich wurden am 1. Oktober 1987 31 Frauen zusammen mit 167 Männern in Swisttal-Heimerzheim als „Polizeihauptwachtmeisteranwärter/ -innen“ eingestellt. | 5-2012 Unter ihnen waren Maike Paulsen, Sigrid Tjaden und Nadja Schubert. erobern. Das mache ich nun schon seit 25 Jahren“, sagt sie und lacht. „Da ich aus einer Polizistenfamilie stamme – mein Großvater, Vater, Onkel und Cousin waren beziehungsweise sind bei der Polizei –, habe ich schon früh Interesse an diesem Beruf gehabt. Die Ersteinstellung von Frauen in den damaligen Bundesgrenzschutz war somit für mich besonders reizvoll“, erzählt Maike Paulsen. Dass sie mit dem Pioniergedanken nicht allein war, bestätigt auch Sigrid Tjaden: „Nach dem Abitur war ich neugierig auf das, was mich nun im Leben erwarten würde. Im Radio habe ich damals eine Presseinformation des Bundesministeriums des Innern zu den geplanten Einstellungen von Frauen gehört. Da ich gerne zur Polizei wollte und die Landespolizei Niedersachsen im Jahr 1987 keine Einstellungen vorgenommen hat, habe ich mich beworben. Mich hat der Gedanke gereizt, ,Neuland’ zu Die erste Zeit während der Ausbildung war für viele eher gewöhnungs- Im Dienst an der ehemaligen innerdeutschen Grenze. bedürftig. Maike Paulsen erinnert sich: „Ich war das erste Mal richtig von zu Hause fort – und dann gleich 600 Kilometer. Die vielen praktischen Inhalte, vor allem die Geländeausbildung, wie das Bauen von Stellungen oder das Tarnen, waren für mich sehr ungewohnt und anstrengend. Auch das Einsatztraining fiel mir anfangs schwer, ebenso wie Orientierungmärsche im Gelände und bei Nacht.“ Nadja Schubert fügt hinzu: „Im Vergleich zu heute wurden wir damals noch an Karabinern, Handgranaten und Gewehren ausgebildet. Unsere männlichen Kollegen in der Ausbildung hatten keinerlei Probleme mit uns Frauen, denn sie kannten es ja auch nicht anders. Sie mussten sich ganz schön zusammenreißen, um nicht als Schwächlinge dazustehen. Wir waren ja auch nicht schlecht. Der Umgangston der Ausbilder war aber sehr rau – daran musste man sich erst gewöhnen.“ Und das galt nicht nur für Nadja Schubert. Auch viele der anderen Frauen hatten den Eindruck, dass die Ausbilder noch nicht genau wussten, wie sie mit der weiblichen Verstärkung umgehen sollten. Da war unter anderem von „Überforderung“ und „Distanziertheit“ die Rede. Mit der Zeit aber legten sich die Probleme. Dabei half unter anderem die folgende Maßnahme, die Maike Paulsen noch gut in Erinnerung hat: „Für das erste und zweite Jahr unserer Ausbildung wurde eine Polizistin der Landespolizei Nordrhein-Westfalen als Gruppenführerin nach Heimerzheim geholt, um uns in der Zeit zu begleiten und bei ,fraulichen’ Fragen zu beraten. Dies hat, so denke ich, auch den Ausbildern, die ja sonst ausschließlich männlich waren, geholfen, das eine oder andere Problem zu lösen. Auch die Erstausstattung mit Frauenbekleidung war anfangs zum Teil unzureichend, da die Ausstattungsgegenstände neu entworfen und meist gar nicht zweckmäßig waren. Diese Unstimmigkeit hat sich noch lange hingezogen … Aber – auch wenn es ungewohnt war – es war alles ein großes Abenteuer, und manchmal brachten uns einige Ideen 7 | 5-2012 8 auch richtig zum Lachen. In den WC-Räumen der Frauen waren ja nach wie vor Pissoirs, in die man jetzt kurzerhand Blumen gepflanzt hatte.“ Sigrid Tjaden ergänzt einen Punkt, den die meisten Frauen des damaligen Lehrganges mit ihrer Ausbildung verbinden: „Der ständige Medienrummel war sehr belastend und störte zum Teil doch erheblich den täglichen Ablauf.“ Denn natürlich war auch die Presse interessiert an den ersten Frauen im Bundesgrenzschutz. Daher waren die ersten Monate von ständigen Presseterminen mit Interviewplänen und demonstrativen Übungslagen für die Fotografen geprägt. Aber auch so war der Alltag schon von Beginn an von einigen kuriosen Regeln begleitet. Die Frauen waren insgesamt auf drei Züge aufgeteilt, gemischt mit den Männern. Allerdings waren sie nicht – wie es heutzutage durchaus üblich ist – zügeweise untergebracht. Es gab einen separaten Frauenflur und ab 20:00 Uhr galt ein Verbot für weiteren Männerbesuch. Dass diese Sonderbehandlung durch die Frauen nicht unbedingt geschätzt wurde, weiß Michael Jäger, einer der damaligen Ausbilder, zu berichten: „Wir stellten ziemlich schnell fest, dass die Frauen eigentlich ganz normal behandelt werden wollten.“ „Für uns Ausbilder war es natürlich auch eine andere Situation als die Jahre vorher mit ausschließlich männlichen Anwärtern. Durch vorherige Besuche der Landespolizeischule Vereidigung: 31 Frauen sowie 167 Männer legten am 3. November 1987 bei der Grenzschutzabteilung für Ausbildung und Einsatz West in Swisttal-Heimerzheim ihren Eid auf die Verfassung ab. in Hannoversch Münden bzw. durch Kontakte zu der Landespolizei Nordrhein-Westfalen wussten wir, dass die Frauen keine Sonderstellung wollten. Für den Lehrgang wurden die Ausbilder gewissermaßen handverlesen, da wir ahnten, dass sich die Presse sehr stark dafür interessieren würde. Als die Frauen dann da waren, merkte man anfangs schon eine gewisse Unsicherheit der Ausbilder im Umgang mit den Frauen. Auch an mir habe ich festgestellt, dass man ganz unbewusst den Sprachgebrauch etwas anpasst und sich selber im Auftreten diszipliniert. Die Medienpräsenz war auch aus Sicht der Ausbilder sehr intensiv und hat die Ausbildung zum Teil behindert. Wir hatten das ganze erste Jahr ein Kamerateam vom WDR und zusätzlich noch fast wöchentlich jemanden von der Presse da. Darüber hinaus bekamen wir regelmäßig Besuch von Vertretern der vorgesetzten Dienststellen, die sich über unsere Erfahrungen und den Verlauf der Ausbildung informieren wollten. Grundsätzlich war das Leistungsniveau der Frauen sehr hoch, ihr Auftreten war reifer. Es waren ja auch die Besten von etwa 1 000 Interessierten. Der Großteil von ihnen hatte Abitur, das heißt, sie waren meist zwei bis drei Jahre älter als die männlichen Anwärter, die überwiegend die mittlere Reife hatten. Schließlich war es ja die Ausbildung zum mittleren Polizeivollzugsdienst. Auch in den Abschlussprüfungen hat sich das hohe Niveau der Frauen widergespiegelt. Sie haben im Durchschnitt im Bereich Einsatzrecht mit 1,91 Rangpunkten, bei der Einsatzlehre mit 0,56 und in der politischen Bildung mit 1,10 Rangpunkten besser abgeschnitten als ihre männlichen Mitstreiter. Auch wenn wir Ausbilder vielleicht anfangs etwas Bedenken hatten, ob die Frauen den Anforderungen gerecht werden, so haben sie uns doch auf voller Linie überzeugt.“ Die Pilotprojekte in den Jahren 1987 und 1988 | 5-2012 mit jeweils 31 bzw. 30 eingestellten Frauen in Swisttal-Heimerzheim hatten zur Folge, dass der Beruf der Bundesgrenzschützerin nun weitaus mehr Frauen zugänglich gemacht wurde. 1989 durfte jedes Grenzschutzkommando 30 Frauen einstellen, seit 1990 wurde die Quotierung ganz aufgehoben. Allerdings erfolgte die Einstellung der Frauen zunächst nur für den mittleren Polizeivollzugsdienst. Und das, obwohl der damalige Bundesinnenminister Dr. Friedrich Zimmermann in seiner Rede anlässlich der Vereidigung am 3. November 1987 betonte, dass Frauen innerhalb des Bundesgrenzschutz dieselben Aufstiegschancen haben würden wie die Männer. Aber auch dieses Ziel musste erst erreicht werden. Noch während der Ausbildung haben mehrere von ihnen im Rahmen einer Sammelklage mit gewerkschaftlicher Unterstützung gegen diese Einschränkung geklagt. Innerhalb der nächsten zwei Jahre kam es zu einem Vergleich, sodass ab 1990 der erste Polizeikommissarlehrgang mit weiblicher Beteiligung durchgeführt wurde; übrigens auch der erste mit Angehörigen aus den neuen Bundesländern, was dem 47. Polizeikommissarlehrgang auch gleich seinen Namen einbrachte: „Ossis – Wessis – Tussis“. Leider wurde den Frauen der ersten Stunde zur damaligen Zeit der Aufstieg noch erschwert, da sie, wie auch die Männer, aufgrund der Aufstiegsvoraussetzungen zunächst noch eine bestimmte „Bewährungszeit“ im mittleren Polizeivollzugsdienst ableisten mussten. Für die Abiturientinnen unter ihnen bestand allerdings die Möglichkeit, zu kündigen und als Polizeikommissaranwärterin wieder eingestellt zu werden – selbstverständlich mit den entsprechenden Risiken und natürlich nur mit Anwärterbezügen. Ungeachtet dessen ließen sich einige auf dieses Wagnis ein. Seit 1997 werden Frauen auch für den höheren Polizeivollzugsdienst eingestellt: zunächst als Seiteneinsteigerinnen und ab dem Jahr 2000 auch im Rahmen des Aufstiegs. Und wie sieht es heute aus? Wirft man einen Blick auf die Statistiken kann man unschwer erkennen, dass Frauen im Vollzugsdienst der Bundespolizei mittlerweile durchaus Normalität sind. Laut eines Berichts 100 90 Männeranteil in % 91,35 80 70 Männeranteil in % 94,23 Männeranteil in % 86,51 Männeranteil in % 83,78 60 50 40 30 20 Frauenanteil in % 16,22 Frauenanteil in % 8,65 10 0 mittlerer Dienst gehobener Dienst Frauenanteil in % 5,77 höherer Dienst Frauen- und Männeranteil im Vollzugsdienst der Bundespolizei, Stand: 1. Juni 2012 Frauenanteil in % 13,49 Gesamt 9 | 5-2012 10 des Arbeitskreises II konnten die Frauen gerade durch die sogenannten weiblichen Eigenschaften punkten: Sie reagieren in schwierigen Situationen mit mehr Einfühlungsvermögen und Geduld und zeigen ein größeres Gesprächsgeschick als die Männer. Aber auch im Dienstalltag ist vieles einfacher geworden: Für Durchsuchungen von Frauen brauchen nun nicht mehr Bedienstete anderer Behörden einspringen. Darum verwundert es umso mehr, dass gerade im gehobenen und insbesondere im höheren Polizeivollzugsdienst Frauen noch deutlich unterrepräsentiert sind. Das derzeit in allen Bereichen diskutierte Thema von Frauen in Führungsfunktionen scheint auch für die Bundespolizei noch eine Herausforderung zu sein. Woran liegt es? Es ist nicht davon auszugehen, dass die Frauen nicht engagiert oder selbstbewusst genug sind. Gibt es also möglicherweise behördliche oder gesellschaftliche Hemmnisse, die den Frauen derzeit noch, im Gegensatz zu den Männern, im Wege stehen? Das Bundespolizeipräsidium hat sich dieser Fragen bereits im vergangenen Jahr angenommen. Der ehemalige Vizepräsident Dr. Michael Frehse hatte im März 2011 zu der Tagung „Gewinnung von Frauen für Führungspositionen“ eingeladen, an der unter anderen 30 Polizeivollzugsbeamtinnen aus allen drei Laufbahngruppen und allen Bundespolizeibe- hörden teilnahmen. Diskutiert wurden damals themenorientiert Hindernisse, Chancen und Förderungsmöglichkeiten sowie Lösungsmöglichkeiten für den Bereich Personalentwicklung und Aufstiegsförderung. Die Teilnehmerinnen sahen die Hindernisse insbesondere in der geringen Planungssicherheit nach einem Aufstieg sowie bei der Doppelbelastung Karriere und Familie. Dass diese Faktoren aber nicht „frauenspezifisch“ sind, sondern auch die männlichen Kollegen betreffen können, darin waren sich alle einig. Diese Tagung stellte allerdings nur den Beginn einer Reihe von vielfältigen Initiativen dar, an deren Ende konkrete Ansatzpunkte und Maßnahmen stehen sollen, um mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen. Neben der Feststellung des Status quo zählt dazu unter anderem auch die Teilnahme an der umfassenden Karrierestudie „Frauen in Spitzenpositionen“, von der wichtige Erkenntnisse hinsichtlich Karrieremotivation, -barrieren und -hemmnisse erwartet werden. Welche Schritte und Maßnahmen anschließend in der Bundespolizei aufgegriffen werden, steht noch nicht endgültig fest. Von den erstmalig eingestellten 31 Polizeivollzugsbeamtinnen sind heute noch etwa 20 aktiv im Dienst der Bundespolizei. Diese Frauen der ersten Stunde sind Teil des Organisationsgefüges der Bundespolizei geworden: Ob als Verbindungsbeamtin der Bundespolizei beim Bundeskriminalamt, Sachbearbeiterin bei der Forschungs- und Erprobungsstelle Bundespolizei, Bearbeiterin in der Zentralstelle für die Bearbeitung von Fahrgelddelikten oder auch als Sachgebietsleiterin Lage/Öffentlichkeitsarbeit in einer Bundespolizeiabteilung, Leiterin der Zentralen Bearbeitungsstelle für Massendelikte/ Servicestelle Fahrgelddelikte und als Verhaltenstrainerin im Sozialwissenschaftlichen Dienst leisten sie ihren Dienst und stehen ihren „Mann“. Sie waren und sind Wegbereiterinnen für nachfolgende weibliche Generationen in der Bundespolizei. Kati Frost | 5-2012 Kommentar: Frauenpower in der Bundespolizei Ein Vierteljahrhundert mit halber Kraft voraus Ach, wie tapfer, wie stark sind die Frauen, die eine Polizeiuniform tragen und in dem harten Vollzugsdienst ihren Mann stehen. Wie sehr muss man sie dafür bewundern, wie sie mit den Herausforderungen des Polizeiberufs fertig werden – Ganoven dingfest machen, handfeste Streite schlichten ... Und wie sie nebenbei auch zu Hause alles in den Griff bekommen, den Familienalltag meistern, so als Ehefrauen und Mütter … Ganze 25 Jahre, nachdem die ersten Frauen als Polizeibeamtinnen in den damaligen Bundesgrenzschutz eintraten, scheinen derartige Lobpreisungen nicht nur von Respekt zu zeugen. Sie sind wohl auch ein Zeichen dafür, dass heute immer noch nicht ganz klar ist, was Gleichstellung und Gleichberechtigung heißen. Die erst auf den zweiten Blick sichtbare Zweideutigkeit solcher Huldigungen stimmt nachdenklich: Heutzutage müsste es doch selbstverständlich sein und kein Staunen hervorrufen, wenn Frauen Karriere bei der Polizei machen. Handelt es sich also um blanke Heucheleien oder ehrliche Anerkennung? Die Widrigkeiten, denen Frauen im polizeilichen Berufsleben immer noch begegnen, lassen leider keine klare Antwort zu – implizieren aber Fragen, die seit zweieinhalb Jahrzehnten unbeantwortet geblieben sind. Echte Gleichstellung und Gleichberechtigung haben nämlich nichts gemein mit einem Rundumschlag vom männlichen zum weiblichen Chauvinismus, nichts mit genderideologischen Parolen derjenigen, die lieber nach Feindbildern statt nach fairen und gerechten Lösungen suchen. Und ebenso wenig mit Lippenbe- kenntnissen, denen keine Taten folgen. Die einzig sinnvolle Interpretation der Begriffe kann nur Chancengleichheit heißen! Der Polizeiberuf ist eine Aufgabe und diese muss erfüllt werden. Die Frage, wer dies übernimmt, darf nicht vom Geschlecht abhängen. Sondern von der objektiven Eignung und Befähigung, die geforderte Leistung zu erbringen. Diese Chancengleichheit hat ihren Preis – den aber zu zahlen unsere Gesellschaft offenbar (noch?) nicht bereit ist. Es liegt in der Natur der Sache, dass Frauen schwanger werden und Kinder bekommen – niemand hat jedoch die Kompensation der dadurch verursachten personellen Lücken geregelt. Die zwangsläufig entstehende Mehrbelastung sollte kompensiert werden, doch – Fehlanzeige: Der Organisations- und Dienstpostenplan der Bundespolizei sieht weder Schwangerschaften noch Kinderkriegen vor. Familiär bedingte Ausfälle, die – Mutterschutz, Elternzeit und Teilzeit zusammengenommen – mindestens in Monaten, oft aber in Jahren gerechnet werden müssen, stellen zwar eine feste und kalkulierbare Größe dar. Für einen fairen Ausgleich zu sorgen, dafür war aber bisher niemand bereit. Wie ernst werden also heute, ein Vierteljahrhundert nachdem die erste Frau eine Bundesgrenzschutz-Uniform anziehen durfte, die Interessen der werdenden Mütter bei der Bundespolizei genommen? Und die Belange der übrigen Beamten, welche die sich in ihren Reihen regelmäßig auftuenden Lücken aus eigener Kraft schließen müssen? Wie fällt die Reaktion auf das Konfliktpotenzial aus, das dieser Zustand in sich birgt? Wie gehen wir damit um, dass das Dreiergespann Mutterschutz-Elternzeit-Teilzeit regelmäßig einen Knick in der Karriere bedeutet? Und schließlich: Wie viel ist angesichts dieser offenen Fragen das Lob an die ach so tapferen Polizistinnen wert? Mit der bloßen Öffnung der Dienststellenpforten für Frauen ist vor 25 Jahren der erste Schritt in die richtige Richtung getan worden. Auf den zweiten warten die Bundespolizisten immer noch – Frauen wie Männer. Thomas Borowik 11 In- & Ausland Stets einsatzbereit… 40 Jahre GSG 9 der Bundespolizei Am 26. September 1972 schlug die Geburtsstunde der GSG 9 der Bundespolizei – bis heute eine der bekanntesten Spezialeinheiten der Welt. Seither hat sie mehr als 1 700 Einsätze im In- und Ausland absolviert. Die GSG 9 der Bundespolizei (GSG 9) ist eine polizeiliche Spezialeinheit zur operativen Bekämpfung von Schwerst-, Gewaltkriminalität und Terrorismus – so die offizielle Definition. Das Aufgabenspektrum umfasst neben der Rettung von Menschenleben oder der Bewältigung besonderer polizeilicher Lagen auch Auslandseinsätze zur Unterstützung des Auswärtigen Amtes oder bei Geiselnahme- und Entführungslagen. Die Einsätze erfolgen immer auf Anforderung eines Bedarfsträgers – etwa der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes (BKA), der Landespolizeien, des Auswärtigen Amtes oder der Bundeszollverwaltung. Die Entscheidung für einen Einsatz trifft das Bundesinnenministerium, bisweilen der Bundesinnenminister persönlich. Die GSG 9 heute Der Verband – seit 2005 von Olaf Lindner geführt – hat heute eine dreistellige Mitarbeiterzahl und gliedert sich neben Stab, Unterstützungs- und Ausbildungseinheit in drei operative Einsatzeinheiten, die wiederum aus einem Führungstrupp und Spezialeinsatztrupps (SET) als kleinstem takti- Spezialeinsatztrupp im taktischen Vorgehen schem Element bestehen. Grundsätzlich verfügen alle „Operators“ über die gleichen Qualifikationen, allerdings | 5-2012 Einsatztaucher der zweiten Einheit der GSG 9 der Bundespolizei sind die Einsatzeinheiten wiederum spezialisiert: die 1. auf Präzisionsschützen-, die 2. auf Tauch- und Boots-, die 3. auf Fallschirmsprungeinsätze. Der Tradition als erste polizeiliche Spezialeinheit in Europa sieht man sich bis heute verpflichtet. „Spezialeinheiten sind die Speerspitze im Kampf gegen den Terrorismus“, bringt Lindner das Selbstverständnis seines Verbandes auf den Punkt. Büro von Innenminister Hans-Dietrich Genscher vor Ort: „Es fehlte an allem: Aufklärung, klaren Beurteilungen der Lage, stringenten Führungsprozessen und geeigneten Kräften.“ „Ich schlug Minister Genscher daher die Gründung einer Spezialeinheit für solche Einsätze vor.“ Genscher war zwar offen, doch die Einheit sollte zunächst beim Bundeskriminalamt unter Horst Herold entstehen. Wegener konnte Genscher aber schnell davon überzeugen, „dass eine solche Einheit nicht ins Amt, sondern zur Truppe“ gehören musste. Und so erging am 26. September 1972 der Aufstellungsbefehl für eine Bundesgrenzschutz-Spe- zialeinheit mit dem damals 43-jährigen Wegener als Gründungskommandeur. Der Bundesgrenzschutz gliederte sich 1972 noch in vier Grenzschutzkommandos mit acht Grenzschutzgruppen (GSG): GSG 1 bis GSG 8. Organisatorisch bildete der bis heute in Hangelar bei Bonn angesiedelte neue Verband die Grenzschutzgruppe 9, kurz GSG 9. Im Zuge des Wandels und der Umbenennung des Bundesgrenzschutz zur Bundespolizei (1. Juli 2005) gelang es, die traditionsreiche Bezeichnung zu erhalten. Seither firmiert „die Gruppe“ (Spitzname: „die Neuner“) offiziell als „GSG 9 der Bundespolizei“. Von damals stammen auch die etablierten Erkennungszeichen: Jeder Mitarbeiter trägt auf der rechten Brust das Tätigkeitsabzeichen, einen Bundesadler mit zwei Eichenlaubschwingen; das jägergrüne Barett mit dem Bundesadler dient sei 1973 als Kopfbedeckung. Einsatzvorbereitung in den 70er Jahren Gründung Die Gründung der GSG 9 lässt sich auf das Olympia-Attentat von München zurückführen. Am 5. September 1972 überfiel ein palästinensisches Terrorkommando das Quartier der israelischen Mannschaft. Hierbei und bei dem gescheiterten Befreiungsversuch auf dem Fliegerhorst Fürstenfeldbruck kamen elf Geiseln, fünf der acht Terroristen und ein bayerischer Polizist ums Leben. Ulrich K. Wegener, damals Oberstleutnant im Bundesgrenzschutz, war seinerzeit als Verbindungsoffizier im Einsatzausstattung Anfang der 80er Jahre 13 | 5-2012 Pionierarbeit 14 Wegener und seine Männer mussten „von null“ beginnen, Pionierarbeit leisten. „Wir werteten zunächst die Kampfweise ‚der Gegenseite‘ aus“, so Wegener, der sich zuvor im Bundesgrenzschutz unter anderem als Stabsoffizier für Nachrichtengewinnung und Aufklärung Meriten erworben hatte. „Weiterhin nahmen wir zu Einheiten befreundeter Staaten Verbindung auf, die im Kampf gegen Terrororganisationen erfahren waren. Hierzu gehörte zum Beispiel der Special Air Service der Briten.“ Eine der ersten Auslandsreisen führte den tatkräftigen Troupier zudem nach Israel zur Sayeret Matkal, den Spezialkräften des Generalstabes. „Die Israelis zeigten sich sehr offen und berieten uns ausgezeichnet.“ Kontakte, Training und Tatkraft verliehen der Truppe schnell Schlagkraft. Und diese zeigte sich mitten im „Deutschen Herbst“. Am 17./18. Oktober 1977 stürmte die GSG 9 in Mogadischu (Somalia) die von Palästinensern entführte Lufthansa-Maschine „Landshut“. Bei der „Operation Feuerzauber“ wurden drei der vier Terroristen getötet und alle 86 Geiseln befreit. Aufgabenspektrum im Wandel der Zeit Zählte in der Aufstellungsphase vor allem der Kampf gegen die Rote Armee Fraktion (RAF) sowie gegen in Deutschland aktive ausländische Terrororganisationen (etwa die Irish Republican Army) zum Hauptauftrag, kamen ab den 1980er-Jahren vermehrt Einsätze gegen Gewalttäter und die organisierte Kriminalität dazu. Diese bildeten nach der Selbstauflösung der RAF Anfang der 1990erJahre dann auch den Schwerpunkt. Die Terroranschläge des 11. September 2001 ließen mit dem islamistischen Terror nicht nur einen weiteren Gegner offenbar werden, sie wirkten zudem als Katalysator für eine verstärkte internationale Kooperation der Antiterror-Einheiten. In den letzten Jahren erfolgten zudem vermehrt Einsätze gegen rechtsextremistische Gewalttäter und Rockerbanden. „In allen Bereichen haben wir heute viele Einsätze zu bewältigen“, so Lindner. Die „Operation Feuerzauber“ war nicht die einzige Aktion im Ausland. Bekannte Beispiele aus jüngerer Zeit sind die Einsätze „Wüste“ und HANSASTAVANGER. Im September 2008 hielt sich die GSG 9 im Grenzgebiet Ägypten/Sudan bereit, um entführte deutsche und europäische Touristen zu befreien. Nach einem zufälligen Zusammenstoß mit sudanesischen Sicherheitskräften ließen die Geiselnehmer die Urlauber allerdings vor Beginn einer Befreiungsaktion frei. Ende April/Anfang Mai 2009 Übung auf einer Hochseefähre im ATLAS-Verbund taktischen Vorgehen Abseilen früher | 5-2012 verlegte die GSG 9 – wiederum unterstützt vor allem von der Bundespolizei-Fliegergruppe – nach Kenia und später auf den amerikanischen Hubschrauberträger USS BOXER, um das von somalischen Piraten gekaperte Frachtschiff HANSA STAVANGER und seine Besatzung zu befreien. Letztlich wurde der Einsatzplan jedoch nicht in die Tat umgesetzt, da die Reederei Lösegeld zahlte. Nach derzeitigen Überlegungen sollen demnächst die operativen Kräfte des Referats 44 des Bundespolizeipräsidiums, „Schutzaufgaben in Krisengebieten (SiK)“, organisatorisch an die GSG 9 angebunden werden. Nationale und internationale Kooperation Insbesondere bei größeren Einsatzlagen bittet die GSG 9 um die Unterstützung anderer Dienststellen, so auch der Bundespolizei-Fliegergruppe. Das Technische Hilfswerk stellt bei Auslandseinsätzen Personal und Gerät zur Wasseraufbereitung oder Kraftstoffbetankung ab. Zur Verdichtung von Lagebildern tragen u.a. das Bundeskriminalamt sowie weitere Sicherheitsbehörden bei. Fast-Roping heute Im nationalen Rahmen kooperiert die GSG 9 vor allem mit den Spezialeinsatzkommandos (SEKs) der Landespolizeien. Während die GSG 9 für polizeiliche Spezialeinsätze bereitsteht, übernimmt das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr militärische Aufträge. Beide Verbände stehen, unter Berücksichtigung des Trennungsgebotes, in enger Verbindung. Zu den Merkmalen der ersten polizeilichen Spezialeinheit in Europa gehört seit jeher die internationale Kooperation. Spätestens seit der „Feuerzauber“ berät sie befreundete Einheiten oder leistet Aufbauarbeit bei vergleichbaren Verbänden, etwa der 1977 aufgestellten Delta Force der USA. „Bis heute erreichen uns fast wöchentlich Anfragen zur Ausbildungsunterstützung. Leider können wir nicht alle erfüllen“, sagt Olaf Lindner. Die 1983 erstmals veranstaltete „Combat Team Conference (CTC)“, die „Olympiade der Spezialeinheiten“, zählt zu den prestigeträchtigsten Veranstaltungen ihrer Art. Erst kürzlich trainierte die GSG 9 mit der Yamam, den Spezialkräften der israelischen Grenzpolizei, unterschiedliche Einsatzverfahren. „Dass die israelischen Behörden uns zum Training in ihre Heimat einladen, unterstreicht die vertrauensvolle Zusammenarbeit“, so Lindner. Die GSG 9 gehört darüber hinaus zu den Gründungsmitgliedern des ATLAS-Kooperationsverbundes. In dieser informellen Struktur haben sich bis heute 36 Spezialeinheiten aus allen 27 EU-Mitgliedstaaten zusammengeschlossen, um ihre Einsatzverfahren abzustimmen und weiterzuentwickeln. 15 | 5-2012 Ab Oktober 2012 übernimmt Olaf Lindner für vier Jahre die ATLAS-Präsidentschaft – wiederum ein Zeichen 16 Ausblick Der Kampf gegen den internationalen Terrorismus stellt nicht nur eine Herausforderung vernetzter Sicherheit auf nationaler Ebene, sondern mehr und mehr eine globale Gemeinschaftsleistung dar. Die GSG 9 steht hierfür weiterhin bereit – getreu ihres Selbstverständnisses als „Speerspitze im Kampf gegen den Terrorismus“ mit dem Ziel, die Sicherheit unserer Bürger im In- und Ausland zu schützen. nungsauswahlverfahren. Bei psychischer und physischer Eignung sowie bestandener Schießprüfung beginnt Der Weg zur GSG 9 Schütze der ersten Einheit der GSG 9 der Bundespolizei mit Tarnausrüstung für das ausgezeichnete Ansehen der GSG 9. Seit ihrer Gründung hat die GSG 9 mehr als 1 700 Einsätze absolviert – fast alle ohne Schusswaffengebrauch, aber teilweise unter hohem Risiko. Sechs Einsatzbeamte ließen im Dienst ihr Leben. Einsatzboot der GSG 9 der Bundespolizei Wer eine Ausbildung des mittleren oder gehobenen Polizeivollzugsdienstes – entweder bei der Bundespolizei, Landespolizei oder dem Bundeskriminalamt – erfolgreich absolviert hat, das 32. Lebensjahr bis zum möglichen Beginn der Basis- und Spezialausbildung noch nicht vollendet hat, keine Sehhilfe benötigt und gesundheitlich geeignet ist, kann sich bei der GSG 9 bewerben. Es folgt ein viertägiges Eig- Fallschirmspringer der dritten Einheit der GSG 9 mit GSG 9 Flagge zeitnah die Basis- und Spezialausbildung. Nach erfolgreichem Abschluss dieser zehnmonatigen dritten Phase erhält der Aspirant das Tätigkeitsabzeichen. In einer der Einsatzeinheiten erfolgt dann die Qualifizierung zum Präzisionsschützen, Taucher oder Fallschirmspringer. Dr. Jan-Phillipp Weisswange Fotos: GSG 9 der Bundespolizei Foto: dpa, Oliver Berg | 5-2012 18 Vier Fragen an zwei GSG 9-Generationen kompakt-Redakteurin Daniela Scholz im Kurzinterview mit Kommandeur a. D. Wegener und Kommandeur Lindner über den Beginn und die Zukunft „ihrer“ Spezialeinheit. Wegener im Gespräch kompakt : Herr Wegener, Sie erhielten 1972 den Auftrag zum Aufbau einer Spezialeinheit! Wie haben Sie diese Aufgabe verstanden? Als Chance oder als Risiko? Wegener: Ich habe das von Beginn an auch als große persönliche Chance begriffen. Die GSG 9 war und ist – im Rahmen meiner Möglichkeiten – auch heute noch die Aufgabe meines Lebens. kompakt: Was war damals Ihr größter Wunsch im Hinblick auf „Ihre“ Einheit? Wegener: Zunächst Erfolg im Kampf gegen den Terrorismus zu erzielen und den stetigen Willen zur Weiterentwicklung aufrechtzuhalten. kompakt kompakt : Was wünschen Sie der GSG 9 für die Zukunft? Wegener: Ich wünsche der GSG 9 weiterhin viel Erfolg bei ihren schwierigen Aufgaben. Wichtig ist mir persönlich, dass die seinerzeit festgelegten Prinzipien wie Disziplin, Professionalität, Leistungsorientierung und Verantwortungsbewusstsein auch weiterhin von der GSG 9 gelebt werden. Zudem muss der unbedingte Wille vorhanden sein, die operativen Möglichkeiten beständig weiterzuentwickeln und unkonventionell zu handeln, damit die diffizilen Lagen, mit denen die GSG 9 konfrontiert wird, erfolgreich bewältigt werden können. Lindner im Gespräch kompakt : Herr Wegener, hätten Sie je gedacht, dass die GSG 9 ihren 40. Geburtstag feiern würde? Wird die GSG 9 auch künftig benötigt? : Herr Lindner, was haben Sie empfunden, als Sie im Jahre 2005 die GSG 9 als Kommandeur übernommen haben? Wegener: Dass die GSG 9 ein solches Jubiläum begeht, habe ich damals nicht voraussehen können. Ich war jedoch immer überzeugt, dass sie im Kampf gegen den Terrorismus gebraucht wird – und das gilt heute mehr als je zuvor. Lindner: Im Jahr 1990 habe ich mit der Basis- und Spezialausbildung bei der GSG 9 angefangen. Bis zum Jahr 2005 hatte ich in der GSG 9 Funktionen vom stellvertretenden Einheitsführer der maritimen Einheit bis zum Stellvertretenden Komman- Kommandeur Lindner, Kommandeur a .D. Wegener deur wahrgenommen. Der Dienst für die GSG 9 war und ist für mich eine Berufung, mit der ich mich sehr stark identifiziere. Diesem Verband als Kommandeur dienen zu dürfen, erfüllte mich schon 2005 mit Freude und einem hohen Maß an Verantwortungsgefühl. kompakt: Hatten Sie Ideen, wie Sie die GSG 9 weiterentwickeln wollten? Lindner: Mein Wunsch war und ist es bis zum heutigen Tag, die von meinen Vorgängern konsequent begonnene Entwicklung stetig voranzutreiben. Sicher hat dabei jeder seinen ganz persönlichen Stil. Die Grundidee ist jedoch, die GSG 9 den Erfordernissen ihres Auftrages kontinuierlich anzupassen. Bei dieser Aufgabe unterstützt mich ein einzigartiger und hoch motivierter Mitarbeiterstab. kompakt: Nun ist es so weit, die GSG 9 begeht dieses Jahr den 40. Geburtstag. Was denken Sie heute, nach sieben Jahren als Kommandeur dieser Spezialeinheit, über diesen feierlichen Anlass? Lindner: Zunächst freue ich mich über 40 erfolgreiche Jahre, in denen die GSG 9 in über 1 700 Einsätzen zum Schutz der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes ihren Auftrag erfüllt hat. Mir ist jedoch wichtig zu sagen, dass die Organisation GSG 9 von Menschen getragen wird, die über Generationen ihre Energie, ihre Tatkraft, ja mitunter ihr Leben für diese Aufgabe einsetzten. Ihnen gebührt die Dankbarkeit und Anerkennung, die mit der feierlichen Begehung eines solchen Jubiläums auch verbunden ist. kompakt : Welche Rolle wird die GSG 9 in der Zukunft haben und was wünschen Sie der GSG 9? Lindner: Durch hoch entwickelte Kommunikationsmittel und die zunehmende Mobilität hält sich Kriminalität heutzutage weniger denn je an die nationalen und internationalen Grenzen. Das verlangt eine kooperative und kompatible Sicherheitsarchitektur. Die GSG 9 muss daher mit ihren deutschen, europäischen und anderen internationalen Partnern diesen Prozess vorantreiben. Wichtige Meilensteine wurden schon erreicht. So wird die GSG 9 ab Oktober den Vorsitz der Vereinigung europäischer Spezialeinheiten, genannt ATLAS, übernehmen. National werden Übungen aller Spezialeinheiten der Länder und des Bundes durchgeführt. Diese Entwicklung muss fortgeführt werden. Die GSG 9 ist und bleibt eine Servicedienststelle für besondere Lagen. Ausgefallene und einzigartige technische wie taktische Fähigkeiten sind erforderlich, um professionell gegen Schwerstkriminalität innerhalb und außerhalb Deutschlands operieren zu können. In diesem Zusammenhang bedeutet Stillstand Rückschritt. Insofern gehe ich davon aus, dass die GSG 9 auch in der Zukunft im tatsächlichen und im übertragenen Sinne weiterhin in Bewegung sein wird. Der GSG 9 wünsche ich auch künftig ein hohes Maß an Ambition, Mut sowie eine professionelle und erfolgreiche Einsatzbewältigung. Vor allem jedoch, dass alle Kräfte wohlbehalten von den Einsätzen zurückkehren. kompakt: Herr Wegener, Herr Lindner, vielen Dank für das Gespräch. Fotos: GSG 9 der Bundespolizei | 5-2012 Kolumne: Die Außenansicht Mein 20 erster Kontakt zur GSG 9 kam mit einem leisen Klicken in mein Leben. Obwohl ich auch schon mit meinen 23 Jahren ein politischer Mensch war, hatte ich noch das desaströse Eingreifen bei den Olympischen Spielen im Hinterkopf. DAS würde der deutsche Staat nicht noch einmal riskieren – nicht mit so vielen Frauen und Kindern an Bord einer Lufthansamaschine. Also erwartete ich maximal einen Austausch – oder dass die somalische Regierung die Muskeln spielen ließ, um den terroristischen Akt schnell und schmerzvoll zu beenden. Nie wäre mir der Gedanke gekommen, dass es eine Spezialeinheit gäbe, die auch noch wirklich in der Lage ist, uns zu befreien. Nach dem leisen Klicken, das ich hörte, wusste ich sofort, dass irgendjemand versuchte, ins Flugzeug zu kommen. Sicher die Somalis! Mein Gott, das wird eine Katastrophe! KÖPFE RUNTER – WO SIND DIE SCHWEINE? – Bei diesen Worten fiel mir ein ganzes Felsmassiv vom Herzen. Deutsche. Der Gedanke an München und das Olympiamassaker verschwand aus meinem Kopf. Hauptsache, wir wehren uns! Nicht mehr die Lämmer, die zur Schlachtbank geführt werden – wenn ich sterben muss, dann so. Der sogenannte „hübsche“ Terrorist, der in der ersten Klasse geschlafen hatte, schaffte es noch, eine Handgranate zu entsichern. Ich sah, wie sie unter den Sitz vor mir rollte und fragte mich: einatmen oder ausatmen? Wie kann man verhindern, dass die Lunge kaputtgeht, wenn eine Granate explodiert? Ich entschloss mich zum Ausatmen. Nach der Detonation bewegte ich mich – stellte fest, was kaputt war und was nicht – und wie ein Mantra kreiste ein Gedanke in meinem Kopf: DIE EINZIG RICHTIGE LÖSUNG! SICH WEHREN – selbst wenn ich schwer verletzt oder tot wäre – sich wehren! Ich hörte unsere Befreier nach einem längeren Schusswechsel rufen: RAUS HIER! Und ehe ich mich versah, wurde ich von militärisch aussehenden Gestalten den Flugzeugflügel hinuntergescheucht, dann versteckten wir uns in einer Sandkuhle. Kaktusstacheln piekten mich. Gut. Ich war am LEBEN. Irgendwann wurde ich mit meinen diversen Verletzungen in ein Rotkreuzfahrzeug geschafft und traf dort auf einen jungen Mann der GSG 9 mit einem Halsdurchschuss. Ich erkundigte mich später immer wieder, wie es ihm ging, und man versicherte mir, er hätte unglaubliches Glück gehabt und wäre wieder komplett genesen. Als Späthippie stand ich martialischen Gesten immer mit tiefem Misstrauen gegenüber, aber als nach einigen Jahren plötzlich die Heldenverehrung der Presse für die GSG 9 umschlug und die Männer als schießwütige Rambos dargestellt wurden, da sagte ich jedem Reporter, der mich fragte – und es waren einige: Wenn Sie jemals in die schreckliche Lage kommen sollten, von Terroristen oder anderen Gewaltverbrechern bedroht zu sein, dann werden Sie froh sein, dass es diese Jungs gibt. Ich bin ihnen mein ganzes Leben lang dankbar. Das sind Polizisten – und sie sind die GUTEN – und sie sind auf UNSERER SEITE! Danke Jungs. Danke für unser Leben. Eure Gabriele von Lutzau (geborene Dillmann) Gabriele von Lutzau, geborene Dillmann, wurde 1954 in Wolfsburg geboren. 1977 wurde sie bekannt als „Engel von Mogadischu“. Sie arbeitete damals als Stewardess bei der Lufthansa und war an Bord der Maschine „Landshut“, die durch ein palästinensisches Terrorkommando entführt wurde. Gabriele Dillmann stellte eine wichtige Stütze für die Passagiere dar und bekam, nachdem die GSG 9 die Geiseln befreit hatte, das Bundesverdienstkreuz. Später heiratete sie ihren Lebensgefährten, den Piloten Rüdiger von Lutzau. Mittlerweile ist Gabriele von Lutzau zu einer angesehenen Künstlerin herangewachsen, die ins Zentrum ihres künstlerischen Schaffens hölzerne Wächterfiguren stellt. Sie ist stark im Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler (BBK) engagiert. Von Lutzau lebt mit ihrer Familie in Michelstadt im Odenwald. Foto: Felicitas von Lutzau | 5-2012 Das Grenzüberschreitende Polizeiteam – GPT Ein Modell für Europa Maurice Broek und Christian Thies fahren zusammen auf Streife. Maurice Broek ist Polizeibeamter bei der Koninklijken Marechaussee (KMAR), Christian Thies ist Bundespolizist. Beide sind Mitglieder des Grenzüberschreitenden Polizeiteams Bad Bentheim (GPT) an der niederländisch-deutschen Grenze. Zum Team gehören insgesamt 20 Polizeibeamte aus fünf Polizeibehörden auf beiden Seiten der Grenze. Im GPT verschwindet die Grenze Im Grenzüberschreitenden Polizeiteam verschwindet die Grenze auch aus polizeilicher Sicht. Die EUREGIO bildet den territorialen und der deutsch-niederländische Polizei- und Justizvertrag1 den rechtlichen Rahmen. „Durch die bilaterale Zusammensetzung der Streifen ist die hoheitliche Zuständigkeit immer gewährleistet“, berichtet Christian Thies. Er nennt damit einen der herausragenden Vorteile Grenzüberschreitende Polizeiteams Gründung des Grenzüberschreitenden Polizeiteams Bad Bentheim am 26. November 2008. fünf Behörden beteiligt: Koninklijke Marechaussee, Regiopolitie Nie- derlande, Polizeidirektion Osnabrück (Niedersachsen), Kreispolizeibe- hörde Borken (Nordrhein-Westfalen), Bundespolizeidirektion Hannover 20 Polizeibeamte, 1 Verwaltungsangestellter Sitz am ehemaligen Grenzübergang an der BAB 30 in den Räumlich- keiten der BPOLI Bad Bentheim Gründung eines weiteren GPT in Bad Nieuweschans mit Sitz im Bundespolizeirevier Bunde (Bundespolizeiinspektion Bad Bentheim). drei Behörden beteiligt: Bundespolizeidirektion Hannover, Koninklijke Marechaussee, Polizeidirektion Osnabrück (Niedersachsen) Gefördert durch Mittel der EU (INTERREG IVa-Programm). 21 des Teams. Die Zuständigkeit endet nicht an der Grenze, sie wechselt nur von einem Streifenpartner zum anderen. Über hoheitliche Befugnisse nach dem jeweiligen nationalen Recht verfügt auf Weisung und im Beisein des zuständigen Beamten (Gebietsstaatlers) auch der jeweilige Gastbeamte. Die Kollegen Broek und Thies berichten anhand zweier Ereignisse über ihre Arbeit im Team. Das erste Ereignis geschah in Gronau. Die westfälische Kleinstadt liegt unmittelbar an der Grenze zu den Niederlanden. Eine Grenze ist hier kaum noch wahrnehmbar. Die Menschen leben und arbeiten hüben wie drüben. Die vor Jahren üblichen Grenzanlagen sind längst abgebaut. Wo früher Abfertigungsboxen standen, schmücken jetzt Blumentöpfe das Pflaster. Hier lebt der europäische 1 Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit und Zusammenarbeit in strafrechtlichen Angelegenheiten. | 5-2012 22 Gedanke. In der Dienstbesprechung zu Beginn der Schicht erhielten wir Informationen über das Lagebild im Grenzgebiet. Dieses beinhaltet Beiträge aus sämtlichen Informationssystemen aller am Grenzüberschreitenden Polizeiteam beteiligten Behörden. Es gab Hinweise auf eine osteuropäische Diebesbande im Grenzgebiet. In der Nähe von Gronau bemerkten wir ein bulgarisches Fahrzeug mit vier Insassen. Wir entschieden uns, das Auto zu stoppen. Im Pkw entdeckten wir zahlreiche hochwertige Kosmetikartikel. Zusätzlich fanden wir den Bon einer Drogeriemarktkette aus der niederländischen Stadt Enschede, mit dem jedoch der legale Einkauf der Produkte nicht belegt werden konnte. Maurice Broek schaltete sofort die Kollegen in seinem Heimatland ein. Schnell wurde klar, dass das Quartett in dem Markt für mehrere Tausend Euro gestohlen hat. Der Diebstahl war noch nicht einmal bemerkt worden. Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass es sich bei den Bulgaren um eine international agierende Bande handelt, die gewerbsmäßig stiehlt. Die mittlerweile von uns eingeschaltete niederländische Staatsanwaltschaft erwirkte beim zuständigen niederländischen Gericht einen internationalen Haftbefehl. Daraufhin wurden die Osteuropäer drei Wochen später an die niederländischen Behörden überstellt. „Ohne sprachliche Barrieren, mit Kenntnis der Behördenstruktur und unter Anwendung spezifischer Rechtskenntnisse kann schnell und effektiv reagiert werden. So entsteht ein entscheidender Vorteil“, erklärt Michael Fickers, stellvertretender Inspektionsleiter in Bad Bentheim. „Verbrechensbekämpfung gelingt dort, wo staatliche Grenzen nahezu verschwinden, nur durch eine enge Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden. Diese Kooperation ist im Grenzüberschreitenden Polizeiteam organisiert. Dessen Struktur ermöglicht eine abgestimmte Vorgehensweise der Partner“, so Michael Fickers weiter. Beim zweiten Ereignis blieb ein per Haftbefehl gesuchter Straftäter (Restfreiheitsstrafe von fast 1 000 Tagen) bei der fahndungsmäßigen Überprüfung im Rahmen einer Kontrolle in Deutschland zunächst unentdeckt. Im nationalen deutschen Abfragesystem lag zu der Person kein Datenbestand vor. Die Abfrage durch den Kollegen der niederländischen Regiopolitie brachte jedoch einen nationalen niederländischen Haftbefehl zum Vorschein. Nach einer Umwandlung des nationalen in einen internationalen Haftbefehl konnte der Straftäter festgenommen und wenige Tage später an die niederländischen Behörden ausgeliefert werden. In der Bevölkerung akzeptiert Die Bevölkerung in der Grenzregion erlebt das Grenzüberschreitende Polizeiteam als normalen Bestandteil der Sicherheitsarchitektur. „Wir werden überhaupt nicht gefragt, warum wir hier gemeinsam im Streifenwagen sitzen“, sagen Maurice Broek und Christian Thies unisono. Sie sind sich sicher, dass in dieser Form der Zusammenarbeit die Zukunft der polizeilichen Arbeit in den Grenzregionen liegt. Europaweites Interesse Beachtung findet das Grenzüberschreitende Polizeiteam inzwischen in vielen Staaten der Europäischen Union. Die Deutsche Hochschule der Polizei in Münster-Hiltrup ist regelmäßig mit ihren CEPOL-Seminaren (Collège Européen de Police, Europäische Polizeiakademie) zu Gast in Bad Bentheim. Auch im politischen Raum ist das Grenzüberschreitende Polizeiteam bekannt. Vom Europaabgeordneten bis zum Bürgermeister aus der Region reicht das Spektrum der Besucher. Sogar der ehemalige Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, machte seine Aufwartung. Alle Besucher waren stets beeindruckt – sowohl von der guten und unbürokratischen Zusammenarbeit im Team als auch von der Akzeptanz des Grenzüberschreitenden Polizeiteam bei den Bürgern in der gesamten Region. Heiner Pahlmann Die EUREGIO (gegründet 1958) ist ein grenzüberschreitender Kommunalverband von 129 deutschen und niederländischen Städten, Gemeinden und Landkreisen. Sie umfasst ein Gebiet von rund 13 000 km², in der fast 3,4 Millionen Einwohner leben und setzt sich für Bürger, Unternehmen, Organisationen und angeschlossene Kommunen in der Grenzregion ein. Aktuelle Praxis und Implikationen zur Identifikation von Attentätern Polizeiliche Verhaltenserkennung mittels Behavioral Observation Analysis „BOA“ Die Bedrohung durch ideologisch und politisch motivierte Attentate und terroristische Anschläge ist weltweit präsent. „Das Attentat“ wird zur Waffe des 21. Jahrhunderts. Während Deutschland bisweilen einen islamistischen Anschlag, wie beispielsweise den auf amerikanische Soldaten am 2. März 2011 zu verzeichnen hat, wächst deren Zahl in Europa und weltweit mit jedem Tag. Ausmaß und Reichweite der täglich verübten Attentate mögen variieren und gezielt von den Ausführenden beeinflusst werden, sie verfehlen jedoch nicht ihre Wirkung. Dies wurde auf tragische Weise sowohl beim Einsatz der in Afghanistan stationierten deutschen Soldaten als auch im Alltag der Zivilisten in Israel und jüngst – am 24. Januar 2011 – am Moskauer Flughafen Domododewo deutlich: 36 Menschen wurden bei dem Selbstmordanschlag getötet, weitere 152 zum Teil schwer verletzt. Neben der Arbeit von Sicherheitsund Geheimdiensten zur Früherkennung und Vereitelung von Anschlägen in der Planungsphase benötigen wir also „Handwerkszeug“ für die Einsatzkräfte vor Ort. Die Phase, in der der Attentäter am Zielort aktiv ist, ist jene der letzten Eingriffsmöglichkeit! Leider hat die Vergangenheit gezeigt, dass technische Sicherheits- und Überwachungsmethoden überwindbare Hindernisse darstellen, weshalb die Bedeutung von speziell geschulten Einsatzkräften wächst. Aber auch die grundlegende Schulung all jener, die in sensiblen Sicherheitsbereichen arbeiten, stellt einen wesentlichen Teil des Personen- und Objektschutzes dar. Weltweit beschäftigen sich Sicherheitsdienste mit der Frage der Erkennung von Attentätern in der sogenannten Vortatphase. So arbeiten israelische Sicherheitsdienste beispielsweise nach der Methode des „Racial Profiling“. Hier führt allein die | 5-2012 24 ethnische Zugehörigkeit zum „islamischen Kulturkreis“ zur näheren Überprüfung. Reisende müssen sich vor dem üblichen Check-in einer Durchsuchung sowie einem Fragenkatalog stellen. Die ethnische Herkunft stellt mittlerweile weltweit eine explizite oder implizite Kontrollmethode dar. Verhalten Beobachtung Analyse Darauf basierend wurden unter anderem Täterprofile und Modi Operandi herausgegeben, die den Einsatzkräften als Grundlage für die Erkennung und Eingrenzung möglicher Attentäter dienen sollten. Doch die Überprüfung und Analyse vergangener Anschläge, wie zum Beispiel dem am 11. März 2004 in Madrid, zeigten, dass die herausgegebenen Täterprofile nicht mehr zutreffen. Die Attentäter aus Madrid hatten sich nie in Ausbildungslagern aufgehalten, es konnten keine Reisebewegungen verzeichnet werden und sie waren gut in die Gesellschaft integriert. Da auch die Anzahl von Konvertiten, also von Menschen aus anderen Kulturen, die dem (radikalen) Islam beitreten, steigt, ist die Eingrenzung auf ein bestimmtes Täterprofil nicht mehr möglich. „…nennt man die Summe der Handlungen und Haltungen eines Menschen, die von anderen unmittelbar beobachtet werden können.“ „…ein Verfahren, das auf eine zielorientierte Erfassung sinnlichwahrnehmbarer Tatbestände gerichtet ist, wobei der Beobachter (…) versucht, seine Beobachtung zu systematisieren und die einzelnen Beobachtungsakte zu kontrollieren.“ „…Untersuchung, bei der etwas zergliedert, ein Ganzes in seine Bestandteile zerlegt wird.“ (http://www.psychology48. com/deu/d/verhalten/ verhalten.htm) (http://www.soziologie.unihalle.de/langer/pdf/meth1/ beobach2.pdf) (http://www.duden. de/rechtschreibung/ Analyse#Bedeutung1) In den USA bedienen sich manche Flughäfen des Programms „SPOT“ (Screening Passengers by Observation Techniques), das mit dem Wissenschaftler Paul Ekman entwickelt wurde. Im Rahmen der „LügenForschung“ von Paul Ekman wurden Sicherheitsbeamte geschult, um Personen anhand bestimmter Verhaltensmerkmale als Verdächtige zu erkennen. Mittlerweile wird geplant, diese speziell geschulten Sicherheitsbeamten durch technische Systeme zu ersetzen. Einen ähnlichen Ansatz verfolge ich in der Kooperation mit der Bundespolizei in dem Verfahren „Behavioral Observation Analysis“, zu Deutsch: die Beobachtung und Analyse von Verhalten. Verdeutlichen wir uns zunächst die genauen Definitionen dieser in unserem Sprachgebrauch häufig benutzten Begriffe: Begriffsdefinitionen Die polizeiliche Verhaltenserkennung – das Verfahren „BOA“ Bei dem Verfahren „BOA“ handelt es sich also um die Beobachtung und Analyse von gezeigtem Verhalten. Im Anschluss erfolgt eine Bewertung des beobachteten Verhaltens. Diese wird anhand von in Schulungen und Fortbildungen erworbenem Wissen über spezifische wahrnehmungs-, kommunikations- und emotionspsychologische Grundlagen und in wissenschaftlichen Experimenten erarbeiteten Parametern vorgenommen. In der Zusammenarbeit von Perso- nenschützern und Wissenschaftlern fiel auf, dass Personenschützer scheinbar eine besondere „Intuition“ bei der Erkennung von Menschen mit kriminellen Absichten haben, ohne die Gründe hierfür genau benennen zu können. Dieser „feinen Nase“ wurde in verschiedenen Experimenten nachgegangen. So wurde festgestellt, dass Personenschützer und Polizisten unbewusst auf bestimmte Merkmale im Verhalten „krimineller Personen“ achteten und diese als auffällig bewerteten. Durch weiterführende Experimente wurden diese Parameter und Verhaltensweisen genauer untersucht. Zusammenfassung der Theorie Nonverbale Kommunikation ist zu einem wesentlichen Teil ungefiltert - Emotionen werden hier unbewusst nach außen getragen. Es gibt zwar unterschiede in der Kommunikation von Menschen mit verschiedenen Kulturhindergründen, ABER die Grundemotionen sind genetisch verankert und demnach einheitlich. Es lassen sich sieben Grundemotionen unterscheiden. Lernt man „Ge- sichter zu lesen“ mittels der unter anderem von Ekman beschriebenen „Action Units“, lassen sich anhand von Beobachtungen Verhaltensten denzen interpretieren. | 5-2012 Kategorisierung von Gesten Illustratoren begleiten und verdeutlichen, eine verbale Äußerung Zeigegesten Regulatoren regeln die Interaktion zwischen den Gesprächspartnern Kopfnicken, Blickkontakt, Berührung, Distanz meist unbewusste Verhaltensweisen, die der Erregungsabfuhr dienen „Nesteln“, Hand- Hals-Gesten, Händekneten Adaptoren/ Manipulatoren So wurde herausgefunden, dass sogenannte Adaptoren (unbewusste Verhaltensweisen, die der Abfuhr von Erregung dienen und Emotionen ausdrücken) ein wesentliches Element zur Erkennung von Verhaltenstendenzen und emotionalen Zuständen sind. Ein weiteres Element stellen die beobachteten Verhaltensweisen an sich dar. Häufiges Sich-Umschauen, Auf-die-Uhr-Schauen und ständiges oder sich wiederholendes Befühlen der verborgenen Waffen sind hier unter anderem zu nennen. Auch seine Bewegung im Raum kann einen Attentäter oder einen Straftäter entlarven. Es konnte festgestellt werden, dass sich ein solcher Mensch völlig atypisch im Vergleich zu den anderen Personen bewegt. Beispielsweise läuft er Geschäfte mehrfach an, zieht Kreise im Raum, sieht sich zum Schein Schaufenster wiederholt an oder ist auf große Distanz zu anderen Personen bedacht. Aus der Wahrnehmungs- und Kognitionspsychologie wissen wir, dass unser Gehirn trainierbar ist, das heist, dass wir die Wahrnehmung von bestimmten „Reizmustern“ (hier: die auffälligen Verhaltensweisen) lernen können. Diesen Prozess kennt im Grunde jeder im Kleinen: Ihr Nachbar 25 hat sich ein neues Auto gekauft und nun scheint es, als würde Ihre halbe Stadt dieses Auto fahren. Was hier passiert: Ein bestimmtes Objekt (im Beispiel: das Auto) gerät in den Fokus unserer Aufmerksamkeit und das Gehirn „meldet“ sich nun jedes Mal, wenn es dieses Objekt wahrnimmt. erhält. Außerdem ist die Konzeption von Schulungs- und Trainingsmethoden unter anderem mittels Computertechnik vorgesehen. Umgesetzt werden diese Forschungsergebnisse in Schulungen von Bundespolizeibeamten, im letzten Jahr in Form zweier dreitägiger Fortbildungen in Lübeck und Hamburg sowie in diesem Jahr in Form einer eintägigen Schulung am Frankfurter Flughafen. Im Rahmen dieser Schulungen wird zunächst interaktiv das theoretische Grundlagenwissen erarbeitet und vorgestellt. Im Anschluss erfolgt eine praktische Übung im Flughafen, bei der die Schulungsteilnehmer das Erlernte praktisch anwenden und erproben. Bei diesen Übungen zeigt sich eine überdurchschnittliche Erfolgsquote bei der Aufdeckung von „Tätern“. Heubrock, D., Blunk, J., Füll, K., Hanada, Diplom-Psychologin Maike Grochwski Literaturangaben: N., Grochowski, M. & Reimann, A. (2010): Nonverbale Verhaltensmerkmale von Attentätern mit muslimischem Kulturhintergrund. Polizei & Wissenschaft, 4/2010, S. 2-11. Heubrock, D., Kindermann, S., Palkies, P. & Röhrs, A. (2009b): Die Fähigkeit zur Identifikation von Attentätern im öffentlichen Raum: Ein experimenteller Vergleich zwischen professionellen und ungeübten Beobachtern. Polizei & Wissenschaft, 2/2009, S. 2-11. Ekman, P. & O’Sullivan, M. (1991). Who can catch a lier? American Psychologist, 46, S. 913-920. Goldstein, E. B. (2008). Wahrnehmungspsychologie. Springer Verlag: Berlin, Heidelberg S. 101-119. Weitere Schulungen und Fortbildungen sind geplant; ebenso wie die weiterführende Forschung, die durch die Kooperation zwischen wissenschaftlicher Arbeit und Bundespolizei und somit den Austausch von Praxis und Theorie eine besondere Qualität http://www.psychology48.com/deu/d/ verhalten/verhalten.htm http://www.soziologie.uni-halle.de/ langer/pdf/meth1/beobach2.pdf http://www.duden.de/rechtschreibung/ Analyse#Bedeutung1 Personal & Haushalt Die Bundespolizei – immer noch ein attraktiver Arbeitgeber? kompakt Die Bundespolizei sprach mit Peter Heinrich, dem Leiter des Dezernats 4 bei der Bundespolizeiakademie für Nachwuchsgewinnung und Einstellungsberatung, über verschiedene Aspekte der Nachwuchswerbung und die Attraktivität der Bundespolizei. kompakt: Herr Heinrich, Deutsch- land klagt über zu wenig Schulabgänger. Viele Betriebe können ihre Ausbildungsstellen nicht besetzen. Hat auch die Bundespolizei Probleme, Nachwuchs zu finden? Peter Heinrich: Dieses Problem hat die Kultusministerkonferenz schon 2007 erkannt und prognostiziert, dass wir bis 2020 etwa 10 Prozent weniger Schulabgänger haben werden. Das hat natürlich auch Auswirkungen auf die Bundespolizei, denn alle Betriebe und auch der öffentliche Dienst buhlen jetzt um immer weniger Schulabgänger. Wir wollen aber aus diesem immer kleineren Feld nach den Besten Ausschau halten und die- se auch für die Bundespolizei gewinnen. Wir sind glücklicherweise immer noch in der komfortablen Situation, dass wir genügend Bewerber haben, um daraus die Besten auswählen und einstellen zu können. kompakt : Wie haben sich die Bewerbungszahlen in den letzten Jahren entwickelt? Peter Heinrich: Die Bewerbungszahlen für den mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst sind in den letzten Jahren gesunken. Während sich 2009 noch insgesamt 11 300 junge Menschen für die Bundespolizei bewarben, waren es 2011 nur noch etwa 8 400. Erfreulicherweise Peter Heinrich, Leiter des Dezernats 4 bei der Bundespolizeiakademie | 5-2012 Letzte Hürde Eignungsauswahlverfahren. Dem Traumjob ganz nah. ist in diesem Jahr mit 9 400 Bewerbern wieder eine steigende Tendenz erkennbar. Allerdings war dies verbunden mit intensiven Bemühungen der Einstellungsberater und einer Verlängerung der Bewerbungsfristen. kompakt: Sehen Sie von Bewerbern gibt, die gerne in diese Regionen wollen – auch aus Norddeutschland. Für viele ist der Wunsch, Bundespolizist zu werden, größer als das Bedürfnis nach einer heimatnahen Verwendung. Selbstverständlich gibt es auch Bewerber, die sich mit dieser Perspektive nicht anfreunden können und sich deshalb nicht für die Bundespolizei entscheiden. kompakt es nicht als Nachteil an, dass es bei der Bundespolizei – im Gegensatz zu einigen Länderpolizeien – keine Übernahmegarantie nach Beendigung der Ausbildung gibt? Peter Heinrich: Natürlich gibt es einige Länder, die eine ausdrückliche Übernahmegarantie aussprechen. Wir tun das nicht, aber wir übernehmen! Wir stellen junge Menschen in die Bundespolizei ein, um später ausgebildete Polizeivollzugsbeamte in den Einsatz zu bringen. Ich weiß, dass diese Einschränkung, keine Übernahmegarantie nach der Ausbildung, die wir 2011 machen mussten, hemmend gewirkt hat. Aber diese Aussage galt nur für Einstellungen in 2011. Den Fall, dass wir Personal ausbilden und dann nicht übernehmen, gibt es höchstens in Einzelfällen bei Nichteignung. kompakt: Der größte Personalbe- darf der Bundespolizei besteht weiterhin im südlichen Teil Deutschlands. Ist die bundesweite Verwendung momentan beispielsweise für unsere norddeutschen Bewerber nicht eher hinderlich? Peter Heinrich: In der Tat liegen momentan die Schwerpunktbereiche für die Einstellungen 2012 und 2013 in Frankfurt am Main, München und Stuttgart. Daher können wir auch norddeutschen Bewerbern derzeit keine heimatnahe Verwendung in Aussicht stellen. Wir haben aber auch festgestellt, dass es eine ganze Reihe Peter Heinrich: Das ist ein ganz interessanter Aspekt, denn unsere Auswertungen haben ergeben, dass 30 Prozent der Bewerber durch unsere Homepage auf uns aufmerksam werden, 30 Prozent werben wir über Berufsmessen und ebenfalls 30 Prozent finden durch Werbung aus dem eigenen Haus, sprich durch Bundespolizisten selbst, den Weg zu uns. : Die Bundespolizei geht bei der Nachwuchswerbung auch neue Wege mit der sogenannten regionenorientierten Nachwuchswerbung. Was ist darunter zu verstehen? Kompetenter Ansprechpartner: Einstellungsberater der Bundespolizeiakademie kompakt : Die Bundespolizei wird immer älter. In den kommenden Jahren steht uns eine enorme Pensionswelle bevor. Sehen sie darin ein Problem und gibt es dahingehend Überlegungen, die Einstellungszahlen zu erhöhen? Peter Heinrich: An den jetzigen Einstellungszahlen sieht man, dass bereits reagiert wurde. 2011 wurden im mittleren und gehobenen Polizeivollzugsdienst insgesamt 450 Anwärter eingestellt. Mit der Festlegung der Einstellungszahlen bis 2014 ist eine deutliche Steigerung erkennbar. In diesem Jahr stellen wir 800 Anwärter für beide Laufbahnen ein, 2013 sollen es ebenfalls 800 und 2014 sogar 850 sein. kompakt: Können Sie uns sagen, wie Bewerber auf die Bundespolizei aufmerksam werden? Peter Heinrich: Ich habe ja bereits erwähnt, dass die personellen Schwerpunktbereiche in Frankfurt/ Main, Stuttgart und München liegen. Für diese Ballungsräume brauchen wir viel Personal und werben deshalb für den mittleren Polizeivollzugsdienst mit der regionorientierten Nachwuchswerbung gezielt für diese Bereiche. Im Klartext heißt das, dass wir Menschen aus München für die Bundespolizei in München suchen. Dieses Prinzip funktioniert im ersten Jahr schon sehr gut, da wir unsere Zielvorstellungen längst übertroffen haben. Somit können wir den Bedarf der Direktionen erfüllen, denn auch ihnen ist es wichtig, möglichst ortsansässiges Personal zu erhalten, um langfristig die Personalkontinuität zu erhöhen. kompakt : Die Bundespolizei bemüht sich auch verstärkt um junge Menschen mit Migrationshintergrund. Was hat es damit auf sich? Peter Heinrich: Aufgrund einer Initiative der Bundesregierung erhielt die Bundespolizeidirektion Flughafen Frankfurt am Main 2010 einen Projektauftrag, mehr Nachwuchs mit Migrationshintergrund für die Bundespolizei zu werben. Den gleichen Auftrag hat jetzt auch die Bundespolizeidirektion München 27 | 5-2012 28 erhalten. Im Rahmen dieses Projektes wird offensiv dargelegt, dass wir auch mehr Nachwuchskräfte mit Migrationshintergrund für unsere Organisation gewinnen wollen. Die Kampagne der Bundesregierung unterstützt auch die Bemühungen der Bundespolizei, sich als eine weltoffene und vielfältige Behörde zu präsentieren. Wir können jetzt bereits sagen, dass sich für Frankfurt am Main ein Projekterfolg abzeichnet, da wir unsere Einstellungszahlen gegenüber 2011 mehr als verdoppeln konnten. kompakt : Geben Sie uns bitte einen Einblick in die Nachwuchswerbung der Bundespolizei. Was unternehmen Ihre Einstellungsberater, um junge Menschen für die Bundespolizei zu gewinnen? Peter Heinrich: Unsere Einstellungsberater sind der Schlüssel zum Erfolg, ihnen kommt eine ganz wichtige Aufgabe zu. Sie sind der erste Kontakt unserer Bewerber zur Bundespolizei, daher müssen sie glaubwürdig und authentisch sein. Die Berater sollten großes Interesse daran haben, sich mit jungen Menschen über unser Berufsbild zu unterhalten und sie dafür zu gewinnen; nicht zu überreden – das ist ganz wichtig –, sondern sie ehrlich für die Bundespolizei zu gewinnen. Die Einstellungsberater machen die Interessenten auf Gruppenveranstaltungen, zum Beispiel in Schulen oder auf Berufsmessen, oder in Einzelberatungen mit unserem Berufsbild vertraut. Zusätzlich müssen wir alle modernen Medien nutzen. Junge Leute erreicht man heute am besten über das Internet. kompakt: Ist die Bundespolizei Peter Heinrich: Ich sage uneingeschränkt „ja“. Wir haben ein unheimlich breites Spektrum an verschiedenen Aufgaben und können so einem Berufsanfänger sehr breite Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Wir bieten keinen Schmalspurberuf an, sondern es besteht die Möglichkeit, in beiden Laufbahnen sehr viele unterschiedliche und interessante Aufgaben wahrzunehmen. Dieser Aspekt macht uns für Bewerber so interessant, denn jeder kann sich am Ende seine passende Aufgabe heraussuchen. Wir haben gute Aufstiegschancen und auch vom Gehalt her liegen wir im oberen Drittel der Polizeien. Daher brauchen wir auch den Vergleich mit den Länderpolizeien nicht scheuen. Das Interview führte Torsten Tiedemann Fotos: Bundespolizeiakademie noch ein attraktiver Arbeitgeber? Veranstaltungen und Messen sind ein wichtiges Standbein der Nachwuchsgewinnung. Persönliche Gespräche sind dabei unerlässlich. 5 . . . n a n e g a r F 29 Foto: Bundespolizeidirektion Stuttgart Isabell Sanwald Isabell Sanwald ist 29 Jahre alt, kommt aus Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg und spielt sehr gerne Saxophon. Nach der Lehre als Industriekauffrau begann sie 2005 ein dreijähriges Studium an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. Im Oktober 2009 wurde sie bei der Bundespolizeidirektion Stuttgart als Verwaltungsbeamtin – Sachbearbeiterin für Materialmanagement – eingestellt. 1. Was schätzen Sie bei der Bundespolizei am meisten? Das in mich gesetzte Vertrauen durch meine Vorgesetzten und Kollegen sowie den kollegialen, freundlichen und teilweise familiären Umgang der Kollegen durch alle Ebenen der Bundespolizei. 5. Was wäre Ihre erste Amtshandlung, wenn Sie heute zur Präsidentin der Bundespolizei ernannt würden? Meine erste Amtshandlung als Präsidentin der Bundespolizei wäre, mehr junge Menschen für die Politik und für den Beruf der Polizistin/des Polizisten und für den Beruf der Verwaltungsbeamtin/des Verwaltungsbeamten zu begeistern. Auch würde ich die Verwendungsmöglichkeiten nach der Ausbildung sowie die Erwartungen, die in einen nach der Ausbildung gesetzt werden, transparenter machen. 2. Was schätzen Sie bei der Bundespolizei am wenigsten? Den Satz: „Ich bin hierfür nicht zuständig.“ Es ist wichtig, auch über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen und die Arbeit der Kollegen wertzuschätzen. 3. Was war Ihr bisher schönstes Erlebnis im Dienst? Wenn man offen für vieles ist, kann jeder Tag im Dienst etwas Besonderes werden. Eines der schönsten Erlebnisse, das für mich nennenswert ist, war die Hospitation am Flughafen Stuttgart. Für mich als Verwaltungsbeamtin war es schön, hinter die Kulissen zu schauen. Jetzt weiß ich, wie die tägliche Arbeit an den Kontrollboxen abläuft, wie die Koffer durchleuchtet werden – unglaublich, was die Menschen alles mitnehmen – und wie die Gewahrsamsräume aussehen. All das erläutert zu bekommen und zu begreifen, war sehr hilfreich für meine Alltagsaufgaben. 4. Was war das Schlimmste, was Sie im Dienst erlebt haben? Bis jetzt habe ich noch keine „schlimmen“ Erfahrungen im Dienst gemacht. Ich hoffe, dass das auch so bleibt. Jedoch waren traurige Erfahrungen dabei. Zum Beispiel wenn Kollegen, mit denen man dienstlich zu tun hat, einfach aus dem Leben gerissen werden. Das Interview führte Ines Rabe | 5-2012 Viel Arbeit – wenig LOB Die im Januar 2007 im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) verankerte Leistungsorientierte Bezahlung (LOB) wird in der Bundespolizei seit 2011 endgültig umgesetzt. Die Ausgestaltung der LOB wurde im Tarifwerk nicht abschließend geregelt. Somit ist der tarifvertragliche Rahmen durch eine einvernehmliche Dienstvereinbarung zwischen Bundesministerium des Innern und Bundespolizeihauptpersonalrat konkretisiert worden. Nun stellt sich die Frage, inwieweit das Ziel der LOB erreicht worden ist oder noch erreicht werden kann. 30 In den letzten vier Jahren konnten sich alle Beschäftigten über eine jährliche pauschale Auszahlung freuen, zumindest über das, was netto übrig blieb – nicht viel, aber immerhin etwas. Bis September 2011 stimmten die Vorgesetzten mit allen Tarifbeschäftigten Vereinbarungen über die Festlegung der Leistungsbewertung für das laufende Jahr ab. Neben den zu bewertenden Tätigkeiten fixierte man auch den prozentualen Wert für maximal fünf Bewertungskriterien oder man einigte sich auf eine Zielvereinbarung. Die Beschäftigten erhielten auch die Möglichkeit, sich pro Bewertungszeitraum in Gruppen zusammenzuschließen. Personalgespräche mit den Beschäftigten Inzwischen müssen die Vorgesetzten mit jedem Tarifbeschäftigten Personalgespräche führen, um ein nachvollziehbares Ergebnis hinsichtlich der LOB zu erzielen. Je nach Anzahl der Tarifbeschäftigten erhöht sich der Zeitaufwand für Personalgespräche aufgrund der LOB für die Vorgesetzten, mit der Folge, dass diese versuchen, den zusätzlichen Aufwand möglichst gering zu halten. Hier haben die Instrumente der Gruppenbildung den entschiedenen Vorteil, dass man mit nur einem Gespräch mit allen Beschäftigten gleichzeitig den Zeitaufwand reduziert. Sofern sich keiner in der Gruppe falsch beurteilt fühlt und die Beurteilung der Gruppe akzeptiert, ist alles im Lot(b). Unterm Strich bleibt aufgrund der Vor- und Nachbereitung der Personalgespräche – selbst bei Gruppen – jedoch ein erheblicher Mehraufwand für alle Beteiligten. In den Monaten Januar und Februar dieses Jahres gaben die Vorgesetzten ihre Bewertungen gegenüber ihren Beschäftigten bekannt. Die Reaktionen auf die Bewertungen waren extrem unterschiedlich. Mit der höchsten Bewertungsstufe 3 hat man zunächst sein Ziel erreicht; die Mitarbeiter sind zufrieden und arbeiten motiviert weiter. Anders stellt es sich bei den Bewertungsstufen 1 und 2 dar. Erschwerend wirkt sich hier aus, dass aufgrund der prozentualen Bewertung auch Werte von 1,5 oder 2,4 erzielt werden konnten, die entweder aufoder abgerundet werden. Dieses Verfahren verursachte an dieser Stelle den ersten Diskussionsbedarf, da am Ende doch nur die Bewertungszahlen 1, 2 oder 3 an die Personalstellen zur letztendlichen Berechnung des Leistungsentgelts weitergegeben werden. Dieser Diskussionsbedarf ist vermutlich durch mangelnde Informations- weitergabe oder sogar durch falsche Interpretationen der Regelungen zur LOB entstanden. Nachdem den Personalstellen die Bewertungen vorlagen, konnten sie den Auszahlungsbetrag für jeden Einzelnen innerhalb der Entgeltgruppen ermitteln. Mit Spannung warteten die Beschäftigten darauf, dass ihnen der Wert der Bewertungspunkte in Euro mitgeteilt würde. „Für einmal essen gehen reicht’s!“ Bis Ende Mai informierte man jeden einzelnen Beschäftigten mit einem persönlichen Anschreiben über die Höhe des erreichten Leistungsentgeltes, das mit der Juniabrechnung ausgezahlt wurde. Für den einen oder anderen sicherlich etwas Erfreuliches, aber für viele eher enttäuschend. Da den einzelnen Organisationseinheiten der Bundespolizei unterschiedliche Gelder für die Ausschüttung zur Verfügung standen, konnte es passieren, dass trotz gleicher Entgeltgruppe der Auszahlungsbetrag bei Bewertung 2 größer war als bei Bewertung 3. Dieser Umstand enttäuschte die Leistungsempfänger. Die abschließende Ernüchterung folgte prompt – bei Erhalt der Lohnabrechnung. Nach Ab- | 5-2012 zug der Sozialabgaben konnten sich die Beschäftigten über einen Betrag „freuen“, der für ein schönes Abendessen mit dem Partner reichte. Leistung ohne Bezahlung? Die Leistungsbezahlung kommt unter Umständen nur einem kleinen Teil der Arbeitnehmer zugute, das Geld für diese Leistungsbezahlung wurde aber bei allen Arbeitnehmern eingespart. Hier hat der Bundespolizeihauptpersonalrat im Rahmen der Dienstvereinbarung erreicht, dass die Leistungsentgelte einem größeren Personenkreis zugutekommen und nicht als Eliteförderung zu verstehen sind. An dieser Stelle muss man sich nun fragen, in welchem Verhältnis der gesamte Organisationsaufwand zu dem Ziel, die Motivation und Leistungsbereitschaft der Beschäftigten zu erhöhen, steht. Sicherlich kann man die Tendenz erkennen, dass – unabhängig von der Leistung – an alle Beschäftigten das gleiche Leistungsentgelt gezahlt werden soll. Ursache hierfür könnte sein, dass Vorgesetzte sich oftmals scheuen, sich mit den tatsächlichen Leistungen der einzelnen Beschäftigten auseinanderzusetzen. Die mangelnde Bereitschaft der Vorgesetzten und der Beschäftigten, sich näher mit der individuellen Leistung zu befassen, ist möglicherweise auch darauf zurückzuführen, dass mit einem Prozent1 nur eine relativ geringe Zahlung erfolgt, wofür der Aufwand oftmals als nicht lohnend angesehen wird. Waren in den Jahren vor der Einführung der LOB die Mitarbeiter nicht leistungsbereit und motiviert für ihre Aufgabenerfüllung? In Anbetracht der Auszug: Dienstvereinbarung über die Einführung und Umsetzung der leistungsorientierten Bezahlung in der Bundespolizei Bei der leistungsorientierten Bezahlung wird die über einen festgelegten Zeitraum erbrachte Leistung festgestellt. Dies kann eine kollektive Leis- tung oder eine individuelle Leistung innerhalb eines Teams sein. Die Zahlung eines Leistungsentgelts soll dazu beitragen, Motivation, Ei- genverantwortung und Führungskompetenz in der Bundespolizei zu stär- ken und die Zusammenarbeit zu fördern und zu verbessern. Die Feststellung der Leistung im Team oder der individuellen Leistung er- folgt Anhand von Zielvereinbarungen, systematischer Leistungsbe wertungen oder einer Kombination beider Instrumente. Die Leistungsfeststellung erfolgt rückschauend. Sie ist bis einen Monat nach Beendigung des festgelegten Leistungsfeststellungszeitraumes, spätestens bis zum 28. Februar des folgenden Jahres vorzunehmen. In der Zielvereinbarung werden zu Beginn des Leistungszeitraums zwi- schen ein und fünf Leistungsziele und deren Gewichtung festgelegt. Die Berechnung des individuellen Leistungsentgelts erfolgt auf der Grundlage der im Rahmen der Auswertung der Zielvereinbarungen bzw. systematischen Leistungsbewertungen ermittelten Gesamtwerte der Leistungsmessung. jährlichen Reduzierung der Haushaltsstellen im öffentlichen Dienst von 1,5 Prozent und des Aufgabenzuwachses der Bundespolizei in den letzten Jahren ist bei den Mitarbeitern die Bereitschaft zu mehr Leistung ständig gestiegen. Die Funktionsfähigkeit der Bereiche während der Neuorganisation wurde unter Garantie durch die hochmotivierten Mitarbeiter sichergestellt. Nicht zuletzt durch die Neuorganisation wurde in vielen Organisationseinheiten festgestellt, dass der Tarifbereich ein wichtiger Bestandteil für die Aufgabenerfüllung war und auch in Zukunft bleiben wird. Bei der großen Zahl der Tarifbeschäftigten in der Bundespolizei kann man sich unschwer vorstellen, wie viele Formulare von Vorgesetzten und Sachbearbeitern ausgefüllt, -gedruckt und verschickt worden sind, um für die Tarifbeschäftigten unterm Strich einen geringen dreistelligen Nettoauszahlungsbetrag zu erzielen. Mit der LOB versucht man, privatwirtschaftliche Instrumente auf den öffentlichen Dienst zu übertragen, um mit finanziellen Anreizen die Motivation der Beschäftigten zu erhöhen – und das mit zweifelhaftem Erfolg. Wozu braucht man dann noch die Leistungsorientierte Bezahlung? Stefan Spölmink Fotos: Walter Sprenz 1) Der ständigen Monatsentgelte des Vorjahres aller unter den Geltungsbereich des TVöD fallenden Beschäftigten des jeweiligen Arbeitgebers. 31 Damals ... Anwärterin Perchenek, Anwärter Neuenhausen und Anwärterin Krämer beim Orientierungsmarsch 1989 Wie die Frauen zum Grenzschutz kamen. Auf der 20-jährigen Bestehensfeier der 1. Hundertschaft der jetzigen Bundespolizeiabteilung Sankt Augustin Ende August, begrüßte mich eine junge Hauptkommissarin, lachte mich freundlich an und sagte dann mit ernstem Gesichtsausdruck: „Hallo, Exchef, wie feiern wir denn nun am 1. Oktober unsere Silberhochzeit?“ Wegen meines offensichtlich verständnislosen Blicks setzte sie erklärend hinzu: „Sie haben mich doch vor 25 Jahren Abschlussübung des 1. Dienstjahres 1990 geprüft und eingestellt. Können Sie sich noch daran erinnern?“ Dies hörte eine weitere junge Kollegin und sagte sofort: „Ich habe noch genau die Toiletten vor Augen. Waren es doch reine Männerklos. Die Urinale waren zugeklebt oder mit Blumen bestückt.“, „Ja, und die Frauen brauchten ihre neuen Klamotten von der Kleiderkammer nicht zum Hundertschaftsgebäude tragen, nein sie wurden gefahren.“ Herzliches Lachen allerseits, worauf sich weitere Kollegen uns anschlossen. Ja, und dann musste ich erzählen, wie es damals wirklich mit den Frauen war. Da ich schon jahrelang die männlichen Bewerber prüfte, wurde ich vom Bundesministerium des Innern über die Absicht der Einstellung von Frauen benachrichtigt und als Prüfungsvorsitzender auch für die Frauen vorgesehen. Mit dem Personalchef des damaligen Grenzschutzkommandos West stellten wir die Prüfungskriterien zusammen, die vom Bundesministerium des Innern genehmigt wurden. Im Gegensatz zur „männlichen Prüfung“ wurde bei der Sportprüfung der Langlauf für die Frauen gestrichen. Sie mussten dafür 200 Meter schwimmen. Die ärztliche Untersuchung und das Abschlussgespräch wurden beibehalten. Bevor die ersten Einstellungsprüfungen begannen, hatte die Presse vom Vorhaben „Frauen im Bundesgrenzschutz“ irgendwie Wind bekommen. Zuerst berichtete der WDR, dass das Bundesministerium des Innern auf Nachfrage des | 5-2012 Senders die Einstellung von Frauen bestätigt habe. Nun setzte ein regelrechter Medienrummel ein. Vor dem Schlagbaum in Heimerzheim standen täglich irgendwelche Fotografen. Es ging so weit, dass eine Bewerberin aus Norddeutschland in ihrer Wohnung abgelichtet wurde, als sie angeblich schon vorab das Grüßen übte. 33 Am Tag der Einstellung kamen noch Fernsehsender und Radiostationen hinzu. In der ersten Einstellungsrate prüften wir ca. 150 Bewerberinnen. Die dreißig Besten, alle mit Abitur, wurden dann zum 1. Oktober 1987 in Swisttal-Heimerzheim bei der 2. Hundertschaft eingestellt. Aber bevor die Frauen kamen, gab es unzählige Besprechungen mit dem Abteilungsführer. Es ging ja nicht nur um die Unterbringung, sondern auch um die Bekleidung, um passende Ausrüstung (zum Beispiel musste der Pistolengriff kleiner sein) und ein Dauerthema war der Umgang der Ausbilder mit dieser neuen Situation. Deswegen und auch als „Anlaufpunkt“ für „unsere“ Frauen wurde eine Polizeiobermeisterin von der Polizei Nordrhein-Westfalen zu uns abgeordnet. Für viele unserer Probleme hatte sie kein Verständnis, da wir nach ihrer Meinung vieles überbewerteten. Im Nachhinein kann ich nur sagen – sie hatte völlig Recht. So glaubten die damaligen Vorgesetzten beispielsweise, dass die männlichen Polizeivollzugsbeamten ihren zum Teil etwas rauen Ton ändern würden … doch diese Hoffnung wurde herb enttäuscht. Im Gegenteil: Als Gegenreaktion – möglicherweise, um zu beweisen, dass sie Teil unserer Gemeinschaft sind – „überboten“ die Mädchen teilweise das Sprachniveau. Verschwitzt und trotzdem glücklich 1989 Für ihre Verwendung beim Bundesgrenzschutz hatten alle Bewerberinnen unterschreiben müssen, dass sie nur im Einzeldienst eingesetzt werden würden. Dem wurde zwar von Anfang an von allen Frauen widersprochen, aber erst in der dritten Generation, nach einem eingelegten Widerspruch im Bundesministerium des Innern, wurde diese Vorgehensweise rückwirkend für alle gestrichen. In unserem weiteren Gespräch konnte festgestellt werden, dass sich durch die Frauen einiges verändert hat, und zwar zum Vorteil. Und so zog sich unser Gespräch noch lange hin, da immer weitere nette Begebenheiten erwähnt wurden. Ich bin gespannt auf die vielen Einladungen zur „Silberhochzeit der ersten Frauengeneration beim Bundesgrenzschutz“. Manfred Schmidt „Zeitzeugen“ gesucht! Im Jahr 2016 feiert das Trainingszentrum Kührointhaus sein 60-jähriges Bestehen. Grund genug, um in einer Chronik auf mehr als ein halbes Jahrhundert ereignisreicher Geschichte des Hauses zu blicken. Waren Sie zwischen 1956 und 2000 Lehrgangsteilnehmer im Kührointhaus? Dann unterstützen Sie doch das Team vom Kührointhaus mit Fotos, Videos und Ihren ganz persönlichen Erlebnissen aus den Berchtesgadener Alpen! Auch die Erreichbarkeiten schon pensionierter Kollegen sind dafür wertvoll. Ansprechpartner: Thomas Lobensteiner ([email protected]) oder Thomas Vogt ([email protected]) Marcus Bindermann Fotos: Stefan Cella und Trainingszentrum Kührointhaus Trainingszentrum Kührointhaus Das Trainingszentrum Kührointhaus (TZK) gehört zur Bundespolizeiakademie und liegt auf 1420 m Höhe inmitten der Berchtesgadener Alpen. Der Doppelname Kühroint setzt sich zusammen aus „Küh“ (Kühen) und „Roint“ (Rodung). 1938 Fertigstellung des Hauses, das zunächst als Gebirgsstützpunkt dient 1956 pachtet das damalige Grenz- schutzkommando Süd das Kühroint- haus und lässt es durch Pionierzüge umfangreich ausbauen 1989 erste Lehrgangsteilnehmerinnen werden im Haus beherbergt 2001 grundlegende Neuausrichtung und Ausweitung des Lehrgangsange- botes 35 Mach’s gut! Ohne Stress in den Ruhestand So mancher zählt ungeduldig die verbleibenden Jahre, Monate und Tage, ein anderer schreckt schon bei dem Gedanken auf, pensioniert zu werden. Irgendwann ist es aber bei jedem so weit: Die Pflicht ist erfüllt, die Uniform wird an den Haken gehängt, ein neuer – dienstfreier – Lebensabschnitt beginnt. Damit einen der bevorstehende Ruhestand nicht aus der Ruhe bringen kann, sollte man sich mit ihm beizeiten auseinandersetzen. Dazu gehört, einige Regeln zu kennen und ein paar Tipps zu beachten. Wann ist es so weit? Verwaltungsbeamte und Tarifbeschäftigte erreichen das Ruhestandsbzw. Rentenalter, wenn sie das 67. Lebensjahr vollendet haben. Nur wer vor 1947 geboren ist, darf – wie es bis vor wenigen Jahren noch für alle die Regel war – bereits mit 65 zu Hause bleiben. Für die zwischen 1947 und 1963 Geborenen gelten gestaffelte Altersgrenzen (Abbildung 1). Vollzugsbeamte in der Bundespolizei werden mit 62 pensioniert; mit 60, wenn sie vor 1952 geboren sind. Die Jahrgänge 1952 bis 1963 werden gestaffelt in den Ruhestand versetzt (Abbildung 2). Sowohl die aktive Dienstzeit eines Beamten als auch das Arbeitsverhältnis eines Tarifbeschäftigten enden beim Erreichen der Altersgrenze automatisch, ohne Kündigung. Spätestens drei Monate vor der Pensionierung muss das behördliche Schreiben zur Versetzung in den Ruhestand vorliegen. Wer ein solches Schriftstück nicht bekommen hat, sollte unbedingt bei der Personalabteilung vorsprechen. Für den Zeitpunkt des Renteneintritts ist die Zustellung des Rentenbescheids ausschlaggebend, über die der Arbeitgeber unverzüglich informiert werden muss. Gearbeitet und gedient wird über den Geburtstag hinaus, und zwar bis zum Ende des jeweiligen Monats. | 5-2012 Darf’s ein bisschen mehr sein? 36 Ein Tarifbeschäftigter, der länger arbeiten möchte, muss einen neuen Arbeitsvertrag abschließen. Scheiden tut weh, sagt man. Um in besonderen Fällen die Abschiedsschmerzen zu mildern – oder zumindest hinauszuzögern –, darf die Regelaltersgrenze eines Beamten auf seinen Antrag um höchstens drei … oder etwas weniger? Polizeibeamte scheiden generell nur dann vorzeitig aus dem aktiven Vollzugsdienst aus, wenn sie aufgrund einer Erkrankung oder wegen eines Unfalls für polizeidienstunfähig erklärt werden. Schwerbehinderte Verwaltungsbeamte können auf Antrag fünf Jahre Tarifbeschäftigte können eine Erwerbsminderungsrente bekom- Verwaltungsbeamte und Tarifbeschäftigte Polizeivollzugsbeamte Geburtsjahr Anhebung um Monate Altersgrenze Geburtsjahr/monat Anhebung um Monate Altersgrenze 1947 1948 1949 1950 1951 1952 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 14 16 18 20 22 65 Jahre und 1 Monat 65 Jahre und 2 Monate 65 Jahre und 3 Monate 65 Jahre und 4 Monate 65 Jahre und 5 Monate 65 Jahre und 6 Monate 65 Jahre und 7 Monate 65 Jahre und 8 Monate 65 Jahre und 9 Monate 65 Jahre und 10 Monate 65 Jahre und 11 Monate 66 Jahre 66 Jahre und 2 Monate 66 Jahre und 4 Monate 66 Jahre und 6 Monate 66 Jahre und 8 Monate 66 Jahre und 10 Monate Januar 1952 Februar 1952 März 1952 April 1952 Mai 1952 Juni–Dezember 52 1953 1954 1955 1956 1957 1958 1959 1960 1961 1962 1963 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 14 16 18 20 22 60 Jahre und 1 Monat 60 Jahre und 2 Monate 60 Jahre und 3 Monate 60 Jahre und 4 Monate 60 Jahre und 5 Monate 60 Jahre und 6 Monate 60 Jahre und 7 Monate 60 Jahre und 8 Monate 60 Jahre und 9 Monate 60 Jahre und 10 Monate 60 Jahre und 11 Monate 61 Jahre 61 Jahre und 2 Monate 61 Jahre und 4 Monate 61 Jahre und 6 Monate 61 Jahre und 8 Monate 61 Jahre und 10 Monate Abbildung 1: Altersgrenze für Verwaltungsbeamte und Tarifbeschäftigte Jahre hinausgeschoben werden. Voraussetzung: Die Verlängerung liegt im dienstlichen Interesse. Abbildung 2: Altersgrenze für Polizeivollzugsbeamte eher in Pension gehen. Eine vorzeitige Versetzung in den Ruhestand ist ab dem 63. Lebensjahr auch ohne Behinderung möglich – mit Abschlägen. Bis Ende 2016 erlaubt es eine Altersteilzeitregelung, nach dem 60. Geburtstag beruflich kürzerzutreten; hierfür gelten aber besondere Bedingungen und Quoten. men, bevor sie die Regelaltersgrenze erreicht haben. Die Entscheidung obliegt dem Rentenversicherungsträger. Das liebe Geld Ein Anspruch auf Ruhegehalt besteht erst nach einer fünfjährigen Dienstzeit. Wird ein Beamter entlassen, bevor diese Wartezeit erfüllt ist, erfolgt eine Nachversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV). Die Höhe der Versorgung eines Beamten hängt von den ruhegehaltfähigen Bezügen und der Dienstzeit ab. Nach 40 Dienstjahren sind es derzeit maximal 71,75 Prozent (brutto). Ausschlaggebend ist die zu- | 5-2012 letzt erreichte Gehaltsstufe – vorausgesetzt, dass die letzte Beförderung mehr als zwei Jahre zurückliegt. Die Pension wird voll versteuert. Polizeivollzugsbeamte, die mit dem Erreichen der für sie geltenden besonderen Altersgrenze und vor ihrem 67. Geburtstag in den Ruhestand treten, erhalten eine Ausgleichszahlung. Deren Höhe beträgt das Fünffache der Dienstbezüge des letzten Monats, jedoch höchstens 4.091 Euro. Diese Summe verringert sich um jeweils ein Fünftel für jedes über die besondere Altersgrenze abgeleistete Jahr. Wer vorzeitig pensioniert wird, bekommt keine Ausgleichszahlung. Die Versorgungsbezüge setzt die je nach Wohnsitz zuständige Bundesfinanzdirektion Nord (Hamburg), West (Köln), Süd-West (Neustadt an der Weinstraße), Süd-Ost (Nürnberg) oder Mitte (Potsdam) fest. Wer sich über seine Versorgungsanwartschaften informieren will, stellt auf dem Dienstweg und spätestens sechs Monate vor der Pensionierung einen Antrag. Unabhängig davon erhält ein Beamter vier Wochen vor der Pensionierung eine Mitteilung über die Höhe der Versorgungsbezüge – bitte sorgfältig prüfen! Alle Renten aus der GRV werden nur auf Antrag gezahlt. Mindestens drei Monate bevor ein Tarifbeschäftigter die Altersgrenze erreicht, muss er den Rentenantrag bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV) stellen. Nur dann kann ein nahtloser Übergang zwischen Beschäftigung und Rente gelingen. Die Rentenhöhe hängt von den in die GRV eingezahlten Beiträgen und anderen Faktoren wie etwa anrechenbaren Kindererziehungszeiten ab. Die Versicherungsträger informieren Beschäftigte ab dem 27. Lebensjahr jährlich über die voraussichtliche Höhe des Ruhegeldes. Nach dem 54. Geburtstag bekommt man alle drei Jahre eine ausführliche Rentenauskunft. Auch hier gilt: Genau prüfen! Renten werden seit 2005 abzüglich der Versorgungsfreibeträge zu 50 Prozent besteuert. Der Steuersatz steigt seitdem jährlich um zwei bzw. ab 2020 um ein Prozent, bis im Jahr 2040 die 100-Prozent-Marke erreicht ist. Wer als Beamter Rentenanwartschaften aus Vordienstzeiten vorweisen kann, darf sich unter Umständen auf ein paar Euro mehr freuen. Die Anrechenbarkeit, die Höchstgrenzen und die Fristen kann ein Laie jedoch Pensionen werden in voller Höhe versteuert. Der steuerpflichtigen Rentenanteil wird seit 2005 kontinuierlich erhöht, bis er 2040 100 Prozent beträgt. nicht ohne Weiteres überblicken. Deshalb ist es ratsam, rechtzeitig – spätestens mit 55 Jahren – eine Kontenklärung bei DRV zu beantragen. Schließlich sollten alle erforderlichen Unterlagen mit der Bitte um Pensions- bzw. Rentenberechnung auf dem Dienstweg an die zuständige Bundesfinanzdirektion gerichtet werden. Eine Überversorgung beim Zusammentreffen von Renten- und Pensionsansprüchen ist ausgeschlossen. Kleine oder große Brötchen? Ruhestandsbeamte dürfen ihre Pension aufbessern. Einen neuen Job müssen sie aber anzeigen, wenn dieser mit ihrer dienstlichen Tätigkeit in den letzten fünf Jahren vor der Pensionierung zusammenhängt und nun die dienstlichen Interessen beinträchtigen könnte. Ist der Beamte mit Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand getreten, so hat er diese Vorschrift nur in den ersten drei Jahren zu befolgen. Bei jeder anderen Beendigung des Beamtenverhältnisses ist eine Fünfjahresfrist zu beachten. Eine entsprechende Auflage gibt es im Tarifbereich nicht. Dem – selbstverständlich zu versteuernden – Hinzuverdienst sind keine Grenzen gesetzt. Nie wieder Urlaub Ein Beamter, der zum letzten Mal Urlaub nimmt, sollte wissen, dass er Anspruch auf 15 Tage Erholungsurlaub hat, wenn er in der ersten Jahreshälfte in den Ruhestand tritt. Volle 30 Urlaubstage stehen ihm zu, wenn die Pensionierung erst nach Juni stattfindet. Eine finanzielle Abgeltung der – etwa wegen Krankheit – nicht genommenen Urlaubstage ist weder vorgesehen noch gesetzlich geregelt. 37 | 5-2012 38 Tarifbeschäftigte, die in der ersten Hälfte des Jahres verrentet werden, erhalten den halben Jahresurlaub. Wer von Juli bis Dezember in Rente geht, darf sich über den vollen Jahresurlaub freuen. Die Regelung gilt auch für den Zusatzurlaub wegen Schwerbehinderung. Der gesetzliche Mindesturlaub (24 Tage bei einer Fünf-Tage-Arbeitswoche) ist abzugelten, wenn er zum Beispiel wegen Arbeitsunfähigkeit ganz oder teilweise nicht gewährt werden konnte. Achtung: Dieser Anspruch verjährt (Dreijahresfrist)! Habe fertig – Taschen leer! Waffen, dienstliche Ausrüstung, Dienstausweis, „Dienstführerschein“, Krankenversichertenkarte, Schlüssel und sonstige dienstliche Gegenstände sowie Unterlagen sind beim Ausscheiden aus dem aktiven Dienstbzw. Arbeitsverhältnis zurückzuge- Was jeder Ruhestandsbeamte behalten darf, ist seine Personalnummer. Bleiben Sie gesund! Der Anspruch eines Bundespolizisten auf Heilfürsorge erlischt mit dem Eintritt in den Ruhestand. Der Abschluss einer (privaten) Krankenversicherung ist obligatorisch. Eine Krankenhaustagegeldversicherung und Zusatzpolicen für Zahnbehandlung und Sehhilfen sind empfehlenswert. Eine frühzeitig abgeschlossene Anwartschaftsversicherung, die nun in eine aktive Versicherung umgewandelt wird, erspart unter Umständen viel Ärger und Geld. Eine Gesundheitsprüfung im Falle eines Neuvertrages kann nämlich unangenehme und teure Folgen haben, wenn etwa Vorschäden oder chronische Leiden aus der Police ausgeklammert werden. Ruhestandsbeamte haben Anspruch auf eine 70-prozentige zusammen mit dem Festsetzungsbescheid von der zuständigen Bundesfinanzdirektion. Dem ersten Antrag auf Beihilfe ist eine Kopie der Versicherungspolice beizufügen. Es empfiehlt sich, auch eine Vollmacht für weitere unterschriftsberechtigte Person(en) beizulegen. Die Beihilfeanträge sollen sich auf Rechnungsbelege in einer Gesamthöhe von mindestens 200 Euro beziehen. Von der Beihilfe werden pro Quartal zehn Euro abgezogen. Dies entspricht der Praxisgebühr, die gesetzlich Versicherte entrichten müssen. Wer Beihilfe für den Lebenspartner geltend machen möchte, muss nachweisen, dass dessen jährliche Einkünfte im zweiten Jahr vor der Antragsstellung nicht mehr als 17.000 Euro betrugen. Verrentete Tarifbeschäftigte bleiben Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung. Das Leben ist schön – wenn man dafür sorgt! Wer sich eine glückliche Pensionszeit wünscht, darf zudem eine wesentliche Frage nicht unbeantwortet lassen: Bin ich auch innerlich auf den Ruhestand vorbereitet? ben. Beamte im mittleren Polizeivollzugsdienst und Bundespolizeiliche Unterstützungskräfte geben auch ihre Uniform ab. Angehörige des gehobenen und höheren Polizeivollzugsdienstes behalten selbst erworbene Uniformteile, dürfen sie aber in der Öffentlichkeit nicht mehr tragen. Beihilfe. Die verbliebenen 30 Prozent muss eine Versicherung abdecken. Pensionäre haben die Wahl zwischen einer privaten Krankenversicherung und einer freiwilligen Mitgliedschaft in einer gesetzlichen Krankenversicherung. Alle notwendigen Informationen zum Thema Beihilfe bekommt man War der Job der wichtigste oder gar der einzige Lebensinhalt, weil man sich als „braver Beamter“ mit Hingabe jahrzehntelang ausschließlich dem Dienst gewidmet hatte, kann die Neuorientierung schwerfallen. Beste Chancen auf ein erfülltes Dasein hat, wer auch zuvor ohne Uniform, Einsatz und Dienststelle glücklich leben konnte. Eine intakte Familie, wahre Freunde, Hobbys oder Ehrenamt können helfen, die nötige Balance im Ruhestand zu finden. Wen das Gefühl beschleicht, mit der Pensionierung aus dem Gleichgewicht geraten zu | 5-2012 Ruhestandsbeamte haben keinen Anspruch auf Heilfürsorge. Sie müssen sich deshalb selbst versichern – privat oder als freiwilliges Mitglied einer Gesetzlichen Krankenkasse. Mit einer frühzeitig abgeschlossenen Anwartschaftsversicherung lassen sich hohe Kassenbeiträge im Alter reduzieren. Foto: Stefan Brandl 39 können, der sollte lieber heute als morgen etwas dagegen unternehmen. Beistand bieten unter anderem die Seelsorger in der Bundespolizei, die Mitarbeiter des ärztlichen und des sozialwissenschaftlichen Dienstes, die Personalvertretungen und – so trivial sich es auch anhören mag – alle, die einem nahestehen. Ein Hinweis zum Schluss: Auch wenn dieser Beitrag die gesamte Ausgabe der einnehmen würde, bliebe zu wenig Platz, um alle denkbaren Regelungen, Fallkonstellationen und Details zu erörtern. Seinen Zweck kompakt hat er aber erfüllt, wenn er Sie dazu angeregt hat, sich rechtzeitig und umfassend auf den Ruhestand vorzubereiten. Wenn Sie nach mehr oder eingehenderen Antworten suchen, können Ihnen folgende Texte weiterhelfen: Beamtenversorgungsgesetz, Bundesbeamtengesetz, Bundesbeihilfeverordnung, Bundesbesoldungsgesetz, Bundespolizeibeamtengesetz, Bundesurlaubsgesetz, Einkommensteuergesetz, Erholungsurlaubsver- Ein „a. D.“ zum Abschied Der Ruhestandsbeamte darf seine letzte Amtsbezeichnung bzw. deren modifizierte Form mit dem Zusatz „außer Dienst“ oder „a. D.“ führen. ordnung, Sozialgesetzbücher, Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst. Guten Rat und Unterstützung finden Sie auch in den Personalabteilungen Ihrer Dienststelle, beim Personalrat und in den Service-Centern der jeweils zuständigen Bundesfinanzdirektionen, der Krankenversicherungen und der Sozialversicherungsträger. Thomas Borowik Fotos: Walter Sprenz Portrait Sympathisch, zupackend, verbindlich Frauen in der Männerdomäne Polizeitraining: Hier steht Katja Remmel von der Bundespolizeiinspektion Trier ihren „Mann“. Mit großem Elan und Erfolg leitet die 34-Jährige das Polizeitraining ihrer Inspektion. Das Polizeitraining in der Bundespolizei ist nahezu fest in Männerhand. Aber: Ausnahmen bestätigen die Regel. Eine sympathische, zupackende und verbindliche Ausnahme verkörpert Polizeiobermeisterin Katja Remmel. Die 34-Jährige organisiert das Polizeitraining der knapp 280 Uniformierten in der Bundespolizeiinspektion Trier. In ihrem Bankpraktikum lernte sie eines ganz schnell: Bänker zu sein ist zu theoretisch, zu trocken, nicht wirklich spannend. Der Zufall bringt der damaligen Schülerin den ersten Kontakt zum einstigen Bundesgrenzschutz. Nahe ihrem Heimatort in der Gemeinde Mettlach im Saarland zwingen widrige Wetterverhältnisse die Fliegerstaffel aus Fuldatal zu einer Außenlandung. Und bumm: Faszination pur. Männer in Uniform, die zupacken, etwas bewegen. Der erste Funke springt über, das Interesse für den Polizeiberuf ist geweckt. Dass sie seit ihrem siebten Lebensjahr fantastisch Klarinette spielt, ist sicherlich nicht ausschlaggebend für den erfolgreichen Abschluss des Auswahlverfahrens und die folgende Einstellung in den Bundesgrenzschutz im Jahr 1994. Nach der Ausbildung im mittleren Dienst sammelt sie erste Berufserfahrungen in der Einsatzhundertschaft der Abteilung Bad Bergzabern. Katja Remmel kann in den ersten Berufsjahren als junge Polizistin mit herausragenden sportlichen Leistungen auf sich aufmerksam machen. Sowohl beim Bundesgrenzschutz als auch bei offenen Polizeimeisterschaften steht sie häufig auf dem Siegerpodest verschiedener Schwimmwettbewerbe. POLIZEITRAINING IN DER BUNDESPOLIZEI Von den 831 bundesweit einge- setzten Polizeitrainern der Bun- despolizei sind 48 Frauen. Bundespolizisten mit operativer Aufgabenwahrnehmung müssen 84 Stunden Polizeitraining 46,5 Stunden Situationstraining einschließlich Einsatztraining 7,5 Stunden Schießausbildung (reine Schießzeit) 30 Stunden Sportausbildung pro Jahr absolvieren. Pünktlich zur Jahrtausendwende nimmt sie ihren Dienst im Januar 2000 bei der Bundespolizeiinspek- | 5-2012 tion Trier auf. Sie gliedert sich in die Dienstgruppe ein und rundet ihre praktischen Erfahrungen in zahlreichen Alltagseinsätzen ab. „Dabei habe ich festgestellt, dass ich körperlich fit sein muss, um den Belastungen im Polizeialltag gewachsen zu sein. Wirklich wichtig war mir auch, mich in der Handhabung von Dienstwaffe, Schlagstock und anderen Einsatzmitteln sicher zu fühlen. All das geht aber nur mit gezieltem Training“, erinnert sich die Beamtin heute. Als in der Bundespolizeiinspektion Trier ein Polizeitrainer gesucht wird, steht für sie schnell fest, genau das anzustreben. Beworben, ausgewählt, qualifiziert und fertig. „Von wegen fertig. Aber nur bis dahin“, schränkt Katja ein. „Ab da durfte ich tätig werden. Um aber eine gute und anerkannte Polizeitrainerin zu werden, muss da noch deutlich mehr sein“, ergänzt sie. Und sie weiß, wovon sie redet. Es gehört eine ganze Menge Fachwissen, manuelle Fertigkeit und Geschicklichkeit dazu. Vor allem aber auch die Fähigkeit, klare Anweisungen zu geben, konsequent einzuschreiten und zu sagen, wo es lang geht. Neben der Fachkompetenz ist soziale Kompetenz gefragt. Der richtige Umgang mit den Kollegen ist wichtig. Zu kämpfen hat sie auch mit Widrigkeiten. Anders als bei der Bundesbereitschaftspolizei, wo alle Einrichtungen für das Polizeitraining mehr oder weniger kompakt zusammen in einer Liegenschaft vorhanden sind, sieht das bei einer Flächeninspektion ganz anders aus. „Hier sind es die weiten Wege, die uns eine Menge an Mehraufwand bei Planung und praktischer Durchführung der Trainingsmaßnahmen abverlangen“, resümiert Katja Remmel. Damit meint sie die Entfernungen zwischen den Revieren und der Inspektion und die Wege zu den beiden Schießständen. Eigene Anlagen stehen nicht zur Verfügung. Da liegt die eine Raumschießanlage an der belgischen Grenze in Großkampenberg und die andere in Polch vor den Toren von Koblenz. Auch stehen diese Einrichtungen nur zeitweise und in Absprache mit anderen Benutzern zur Verfügung. Daneben kann die viele Bürokratie nerven. „Dokumentation muss aber sein, sonst verlieren wir bei den vielen Leuten den Überblick“, sagt die Polizeitrainerin, die natürlich mehr Spaß an der Praxis hat. „Wenn ich am Ende des Tages deutlich erkennbare Erfolge feststelle, etwa durch das Training an der Waffe, dann passt das. Wenn die Leute ,AhaErlebnisse’ haben und abschließend sagen, dass es ihnen etwas gebracht hat, sie persönlich einen Vorteil für sich verbuchen, ein sichereres Gefühl im Polizeialltag haben, dann bin auch ich zufrieden“, sagt Katja Remmel. Sie wird nicht müde, immer wieder auf die wesentlichen Dinge aufmerksam zu machen. Die gefährliche Routine im Polizeialltag ist es, die zum Verhängnis werden kann. „Das ist eine Sache von Sekunden. Das Gegenüber greift an, es muss eine blitzschnelle Reaktion erfolgen. Da muss jeder Handgriff sitzen, das muss wie im Schlaf ablaufen“, schärft die Trainerin die Sinne. „Die körperliche Leistungsfähigkeit des Polizeibeamten ist eine wesentliche Grundlage für ein professionelles, polizeiliches Handeln. Dabei kommt es auf die verknüpfte Kombination von Theorie und Praxis an“, stellt Katja Remmel fest. Ihre Aufgabe erfüllt sie mit Herzblut. „Polizeitrainerin zu sein ist derzeit genau das, was ich machen möchte. Spaß an der Sache und persönliche Erfolgserlebnisse kommen hier zusammen“, sagt die engagierte und selbstbewusste Frau, die sich riesig über eine Beförderung zur Polizeihauptmeisterin freuen würde. „Als Lohn für die Mühe wäre das nicht schlecht“, lächelt sie sympathisch, zupackend und verbindlich. Rudolf Höser Fotos: Rudolf Höser AUSBILDUNG ZUM POLIZEITRAINER IN DER BUNDESPOLIZEI Bisher modulare Ausbildung: Methodik und Didaktik Einsatztraining (Basis- und Verwendungslehrgang) Einsatzkommunikation Schießausbildung Einsatzrecht Abschlussmodul Verwendungslehrgang: Die Ausbildung der Polizeitrainer wurde inzwischen von der modularen Ausbildung auf einen zusammenhängenden Verwendungslehrgang von zwölf Wochen Dauer umgestellt. 41 Recht & Wissen „Unsere Arbeit ist noch lange nicht getan!“ Nach 25 Jahren „Frauen im Vollzugsdienst in unserer Behörde“ stellt sich die Frage: Wie weit sind wir mit der Gleichstellung von Frauen und Männern? Sind die gesetzten Ziele erreicht oder wird uns dieses Thema noch viele Jahre beschäftigen? sprach mit der Gleichstellungsbeauftragten der Bundespolizeiakademie über den aktuellen Stand und zukünftige Ziele der Gleichstellung in der Bundespolizei. kompakt kompakt: Frau Graber, ist die Gleichstellung von Frauen und Männern in unserer Behörde eine Erfolgsgeschichte? Henrike Graber: So würde ich das nicht sagen. Als Erfolg könnte man den inzwischen selbstverständlichen kollegialen Umgang zwischen weiblichen und männlichen Polizeivollzugsbeamten bezeichnen. Dennoch gibt es aber noch keinen entscheidenden Durchbruch, was die Anzahl der weiblichen Polizeivollzugsbeamten betrifft, die nach 25 Jahren nur einen Anteil von 14 Prozent aller Polizeivollzugsbeamten ausmachen. Obwohl der Frauenanteil in der Verwaltung deutlich höher ausfällt, ist aber auch dort eine starke Unterrepräsentation von weiblichen Verwaltungsangehörigen in Führungspositionen festzustellen. kompakt: Was sind die Ursachen in unserer Behörde vertreten. Ist das Thema Gleichstellung im silbernen Jahr „Polizistinnen beim Bundesgrenzschutz/Bundespolizei“ eigentlich noch zeitgemäß? hierfür? Henrike Graber: Hier gibt es sicher eine ganze Reihe von Ursachen. Eine denkbare ist möglicherweise die Tatsache, dass sehr viel mehr Frauen Elternzeit in Anspruch nehmen oder Teilzeitmodelle nutzen als Männer. Sie sind also, einfach gesagt, nicht so präsent wie Männer. kompakt: Bundespolizistinnen fliegen Hubschrauber, steuern Schiffe und sind in nahezu allen Bereichen Henrike Graber: Leider immer noch, wenn man bedenkt, dass sich nur 6 Prozent der Polizeivollzugsbeamtinnen in Führungspositionen befinden und sich diese Zahl in den nächsten Jahren nicht wesentlich erhöhen wird, da Frauen in der Bundespolizei deutlich seltener die Spitzennoten 8 und 9 erhalten als Männer. Dies stellt eine unabdingbare Voraussetzung für eine Karriere dar. | 5-2012 kompakt: … und was passiert, wenn Frauen und Männer separat beurteilt werden? Henrike Graber: Das hielte ich für eine sehr wirkungsvolle Option, wenn alle anderen „weichen“ Maßnahmen nicht greifen sollten. kompakt: Was denken Sie, wirkt sich die Existenz einer Gleichstellungsbeauftragten negativ auf das Verhältnis zwischen Frauen und Männern aus? Henrike Graber: Ich glaube nicht. Viele aufgeschlossene und nachdenkliche Männer halten die Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten für notwendig und unterstützen sie. Außerdem profitieren auch die männlichen Kollegen von der Arbeit der Gleichstellungsbeauftragten, wenn es um die Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht. Zunehmend mehr Männer nutzen die Möglichkeiten von Elternzeit, Teilzeit und flexibler Arbeitszeitgestaltung und sind dann, genau wie Frauen, teilweise Vorurteilen und Skepsis von Kollegen und Vorgesetzten ausgesetzt. kompakt : Die Ziele des Bundesgleichstellungsgesetzes betreffen Frauen und Männer. Trotzdem sind nur weibliche Beschäftigte wahlberechtigt. Stellt das nicht ein Ungleichgewicht dar? Henrike Graber: Natürlich ist das für viele Kollegen schwer verständlich, zumal in einer Organisation, deren Arbeitsgrundlage die Beachtung des Grundgesetzes darstellt. Das Bundesgleichstellungsgesetz von 2001 trat die Nachfolge des Frauenfördergesetzes aus dem Jahr 1994 an, das das aktive und passive Wahlrecht auch für männliche Beschäftigte vorsah. Der Gesetzgeber wollte die Instrumente des Frauenfördergesetzes weiterentwickeln, um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in der öffentlichen Verwaltung tatsächlich zu erreichen. Offenbar erschien ihm das aktive und passive Wahlrecht nur für Frauen, also eine Form der positiven Diskriminierung, notwendig. Solange die Anzahl der Frauen in der Bundespolizei noch nicht die kritische Masse von ca. 30 Prozent Frauen, auch in Führungspositionen, überschritten hat, halte ich es für erforderlich, dass weibliche Beschäftigte entscheiden, wer ihre Interessen vertritt. kompakt: Ein weiteres Ziel des Bundesgleichstellungsgesetzes ist es, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern. Wie sieht das in der Praxis aus? Henrike Graber: Im sogenannten Gleichstellungsplan werden mit dem Behördenleiter dazu Maßnahmen vereinbart, die nach zwei Jahren dahingehend evaluiert werden, ob das Ziel einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf erreicht wurde. Solche Maßnahmen sind zum Beispiel flexible Arbeitszeitregelungen, der Ausbau von mobilem Arbeiten, die Einrichtung von Eltern-Kind-Büros bei Betreuungsengpässen sowie der Ausbau von Unterbringungs- und Betreuungsmöglichkeiten für Eltern mit Kind in Aus- und Fortbildung. Sehr hilfreich für Kolleginnen und Kollegen wäre eine familienfreundlichere Aufstiegsausbildung, die sich am Regionalprinzip orientiert und in Teilzeit und/oder mit Fernstudiumsanteilen durchgeführt werden kann. Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeutet in einer zunehmend älter werdenden Gesellschaft, wovon auch die Beschäftigtenstruktur in der Bundespolizei betroffen ist, auch, die Belange von Kollegen mit pflegebedürftigen Angehörigen zu berücksichtigen. kompakt : § 1 BGleiG führt als Ziel auf: „Gleichstellung von Frauen und Männern sowie der Beseitigung bestehender und der Verhinderung künftiger Diskriminierungen wegen des Geschlechts …“ – wo gibt es „bestehende Diskriminierungen wegen des Geschlechts“ in der Bundespolizei? 43 Henrike Graber: Dass es diese Diskriminierungen noch gibt, habe ich im Zusammenhang mit Beurteilungsnoten und dem Erreichen von Führungspositionen bereits angesprochen. Aufgrund der besonderen Geschichte des Bundesgrenzschutz als einer sehr männlichen Organisation ist meiner Meinung nach unbewusst in manchen Köpfen noch immer das Gefühl vorhanden, Frauen könnten Polizeiarbeit nicht ganz so gut erledigen wie Männer. An einer Veränderung dieses Bewusstseins werden die Frauen und die Gleichstellungsbeauftragten in der Bundespolizei noch arbeiten müssen. Auch was die Bezahlung angeht, gibt es noch einiges zu tun. Eine versteckte Entgeltdiskriminierung durch ungerechtfertigte Eingruppierungen, die vor allem Frauen betreffen, zieht sich durch alle Tarifbereiche bei der Bundespolizei genauso wie im gesamten öffentlichen Dienst. kompakt: Die Entgeltbestimmungen richten sich doch nach dem Alter und nicht nach dem Geschlecht. Wieso versteckte Entgeltdiskriminierung? Henrike Graber: Ich will dies an einem Beispiel verdeutlichen. Verwaltungsfachangestellte, ein Beruf, der vor allem von Frauen ausgeübt wird, werden in die Entgeltgruppe 3 eingruppiert, während typische Männerberufe wie Mechatroniker in die Entgeltgruppe 5 eingewiesen werden, obwohl beide Berufe eine Ausbildungszeit von drei Jahren erfordern. kompakt: Frau Graber, vielen Dank für das Gespräch! Das Interview führte Frank Borchert | 5-2012 50 Years in Oerlenbach 44 The small community of Oerlenbach shares a 50-year history with the German Federal Police – a cause for celebration on October 2nd and 7th, 2012. An evening gathering on October 2, kicked-off the festivities dedicated to honouring five decades of police presence in the village located in Lower Franconia. The attendance of the Minister of the Interior, Dr. Hans-Peter Friedrich, accentuated the significance of this celebration. the abandoned German Air Force fuel storage facility in Oerlenbach in June 1962. This plan was not especially welcomed by the police officers who were affected. To give you an idea of the mood, here is a quote by Rudolf Ert, a retired Federal Border Police Sergeant: The celebrations continued on Sunday, October 7th. In the morning, the public swearing-in ceremony for the new police recruits in entry- and command-level took place at the city hall. Immediately after, the staff of the German Federal Police Basic and Advanced Training Centre Oerlenbach hosted an open house. The public had the opportunity to learn about the wide range of tasks of the German Federal Police and the role that the Training Centre in Oerlenbach has within this context. Additionally, the career spectrum of police officers in the Federal Police force was presented. The German Federal Police Basic and Advanced Training Centre Oerlenbach is one of the most modern facilities of the Federal Police Academy A look back: As cliché as it sounds, a lot has happened in the past 50 years, and this is a milestone at which we should stop and reflect on the ever-changing environment and its effect on a small German community and its ties to the German Federal Police. In order to fill the security needs for more police observation at the former East German/Lower Franconian border, one of the two border guard battalions from Coburg was selected to relocate to “There was only one topic of discussion: cancelling your tenancy agreement! Then it began, applications for transfer came pouring in. There weren’t very many volunteers who wanted to trade being stationed in Coburg with being stationed in a village“. Finally, in September 1962, the Federal Border Police (BGS) moved into the newly built quarters in the Heglerstraße with the main objective of providing police observation of the former inner-German border in lower Franconia. For this occasion, the Commander of the Grenzschutzgrup- | 5-2012 45 pe 2, Federal Border Police Lieutenant Colonel Baumeister issued this statement as part of the daily address: “I welcome all staff to the new their new duty station in Oerlenbach. With this move, Lower Franconia has a border guard presence for the first time. So, it is up to every one of us - what is said about the BGS and what is thought of the BGS. Each and every border guard represents this facility. For this reason, I expect Foto: Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum Oerlenbach that everyone – especially when off-duty – to behave in a manner that one would expect of a member of a police force: to be aware of the responsibility that the BGS carries for all. My personal hope is that all of you settle in quickly in beautiful Lower Franconia.” Over the next 50 years, the Federal Border Police, renamed German Federal Police in 2005, adapted to the changing needs of the current political situation. In the 60s and 70s, the Federal Police were focused on the protection of the former East-German border. Operations at the planned atomic energy locations as well as the projected west runway at the Frankfurt Main International Airport influenced the 80s. Changes after the opening of the border at the beginning of the 90s brought new tasks like aviation and railway security. This further resulted in a shifting of the operational area of the Grenzschutzabteilung Süd 1 to the so-called “Schengen Borders”. Starting in 1988, 50 % of the operational facilities were deactivated, and the sites were closed or, as was the case in Oerlenbach, a new mission was assigned. The former Grenzschutzabteilung Süd 1 was deactivated and the current German Federal Police Basic and Advanced Training Centre Oerlenbach was established by January 1, 1998. The main tasks of the approximately 300 civilian and police staff of the training centre in Oerlenbach include: providing basic 2 1/2-year training of entry level federal police officers conducting practical training of the command level police recruits supporting the various duty stations with in-house advanced training offering advanced training and professional development courses for members of the German Federal Police Modern training requires modern facilities; in 1999 the remodelling of the Oerlenbach facility began. Todate, these measures have required an investment of approximately 20 million Euros. Accommodation for 416 people has been available since 2006, the number of classrooms has increased, and further improvements have also been undertaken in areas such as the shooting gallery, the police training centre, the reception area, and the gymnasium. Between 300 and 500 police recruits for entry and command level are trained in Oerlenbach each year. In the same timeframe, Oerlenbach is responsible for approximately 180 advanced training courses for about 2,000 participants. The Oerlenbach training staff also support the German Federal Police Sport College in Bad Endorf. But there is one thing that hasn’t changed over the years: the positive and close connection be-tween the community of Oerlenbach and the Federal Police: a friendship that will last for decades to come. Melissa Lindner Sport & Gesundheit Richtig helfen – nur wie? Deutschlandweit werden täglich rund 400 Menschen außerhalb von Krankenhäusern wiederbelebt – nur jeder Zehnte davon überlebt. Schnelles Handeln der Ersthelfer entscheidet oftmals über Leben und Tod. In einer neuen Serie möchten wir Ihnen die aktuellsten Methoden und Techniken für Ersthelfer näherbringen – von der stabilen Seitenlage bis hin zur Herzdruckmassage. Die stabile Seitenlage Ein Mensch bricht vor Ihren Augen zusammen. Für viele eine albtraumhafte Vorstellung. Viel zu lang ist die Ausbildung oder die letzte Fortbildung her. Gedanken rasen durch den Kopf. Niemand der Passanten bewegt sich, um zu helfen. Ein typisches Phänomen in einer solchen Situation. Die Wahrscheinlichkeit, dass einzelne Augenzeugen eines Unfalls Hilfe leisten, ist sehr gering. Die Ursachen dafür können sehr unterschiedlich sein. Sei es die Angst, etwas verkehrt zu machen, Unkenntnis oder das Warten, dass eine andere Person aus der Gruppe eingreift. Diese andere Person sind Sie. Sie tragen eine Uniform und von Ihnen erwartet man, dass Sie helfen. Versuchen Sie Ruhe auszustrahlen, gewinnen Sie einen Überblick über die Gesamtsituation und schaffen Sie sich Raum zum Handeln. Leichter gesagt als getan, wenn ein Bewusstloser vor Ihnen liegt und Sie von einer Menschentraube umringt sind. Durch sicheres Auftreten und umsichtiges Handeln können Sie auf den Betroffenen und auf das Umfeld einwirken, sodass weitere Schäden verhindert werden. Um der Person zielgerichtet helfen zu können, ist es wichtig zu erkennen, was geschehen ist und wel- che weiteren Gefahren dem Bewusstlosen noch drohen können. Geben Sie unverzüglich einen Notruf ab und denken Sie auch an Ihren Schutz. Es bringt dem Betroffenen wenig, wenn Sie bei der Hilfe selbst zu Schaden kommen. Prüfung des Bewusstseins Zuerst sollten Sie sich Klarheit darüber verschaffen, ob der Betroffene noch bei Bewusstsein ist. Stellen Sie einfache Fragen nach Namen oder Geburtstag. Reagiert die Person nicht darauf, fassen Sie sie an und rütteln Sie sie leicht, zum Beispiel an den Schultern. | 5-2012 Was ist eine Bewusstlosigkeit und welche Gefahren drohen? Ob nun Bewusstlosigkeit, Ohnmacht, Kollaps oder Blackout – viele Begriffe, die jedoch alle dasselbe ausdrücken. Der Mensch kann sich auf seine räumlichen und zeitlichen Fähigkeiten nicht mehr verlassen. Die normalen körperlichen Reaktionen auf Reize, wie zum Beispiel Schmerz, sind weitestgehend ausgeschaltet. In der Rückenlage könnte die Zunge in den Rachenraum klappen und die Atemwege versperren. Es besteht Erstickungsgefahr durch die eigene Zunge. Weiterhin können auch Erbrochenes oder Blut in die Atemwege gelangen und zum Ersticken führen. Deshalb sollten bewusstlose Personen, bei denen die Atmung noch vorhanden ist, unverzüglich in die stabile Seitenlage gebracht werden. Es spielt dabei keine Rolle, welche weiteren Verletzungen der Betroffene haben könnte. Überprüfung der Atmung Um die Atmung zu überprüfen, drehen Sie die Person auf den Rücken und machen Sie dann die Atemwe- ge durch Überstrecken des Halses und Anheben des Kinns frei. Legen Sie dazu Ihre Hand auf die Stirn des Betroffenen und ziehen Sie den Kopf leicht nach hinten. Heben Sie mit Ihren Fingerspitzen das Kinn der Person an, um eine mögliche Verlegung der Atemwege zu beseitigen. Öffnen Sie den Mund des Verletzten und kontrollieren Sie den Mund- und Rachenraum. Wenn nötig, entfernen Sie Fremdkörper. Die Atemkontrolle erfolgt durch: Sehen, Hören, Fühlen. Sehen, ob sich der Oberkörper hebt oder senkt. Hören, ob Atemgeräusche erkennbar sind. Fühlen, ob ein Luftstrom fühlbar ist. Dabei ist es ratsam, die Wange über die Nase und den Mund des Bewusstlosen zu halten, um ein mögliches Atmen zu erkennen. Entscheiden Sie, ob die Atmung normal, anormal oder nicht vorhanden ist. Wenn die Atmung normal ist, und nur dann, verbringen Sie die Person in die stabile Seitenlage. Andernfalls beginnen Sie mit der Herz-LungenWiederbelebung. Nach den Leitlinien des Europäischen Rates für HerzLungen-Wiederbelebung (ERC) wurde eine vereinfachte Form der stabilen Seitenlage entwickelt, die es jedem ermöglicht, einen bewusstlosen, aber noch atmenden Betroffenen in diese Position zu verbringen. Diese überarbeitete Form der stabilen Seitenlage wird im Folgenden dargestellt und erläutert. Durch die stabile Seitenlage wird sichergestellt, dass die Atemwege freigehalten werden und beispielsweise Erbrochenes oder Blut ablaufen können – der Mund des Betroffenen wird zum tiefsten Punkt des Körpers. Der Betroffene wird so vor dem Ersticken bewahrt. 47 | 5-2012 Praktische Durchführung der stabilen Seitenlage Schritt 3: Greifen Sie an den gegenüberliegenden Oberschenkel und winkeln Sie das Bein an. Schritt 1: 48 Treten Sie von einer Seite an den Betroffenen heran und knien Sie neben dem Betroffenen nieder. Strecken Sie, wenn nicht schon geschehen, die Beine des Betroffenen und legen Sie den Ihnen zugewandten Arm nach oben ab, wobei die Handinnenfläche nach oben zeigt. Rückenlage gebracht werden. Überprüfen Sie wiederholt Bewusstsein und Atmung! Schritt 4: Rollen Sie den Betroffenen nun zu sich, bis er stabil auf der Seite zum Liegen kommt. Lassen Sie dabei die Hand des Betroffenen weiterhin nicht los. Richten Sie das oben liegende Bein so aus, dass der Oberschenkel im rechten Winkel zur Hüfte liegt. Schritt 2: Greifen Sie den gegenüberliegenden Arm des Betroffenen am Handgelenk und winkeln Sie diesen an. Kreuzen Sie den Arm vor der Brust und legen Sie die Handoberfläche des Betroffenen an dessen Wange. Lassen Sie die Hand nicht los. Schritt 5: Achten Sie darauf, dass der Kopf überstreckt ist und die Atemwege frei sind. Öffnen Sie den Mund des Betroffenen leicht und richten Sie die an der Wange liegende Hand so aus, dass die Atemwege frei bleiben. Decken Sie den Betroffenen, wenn möglich, zu. Sollte bei dem Betroffenen eine Herz-Lungen-Wiederbelebung erforderlich werden, kann er umgehend in Was wichtig ist: Liegt der Betroffene länger als 30 Minuten in dieser Position, so sollte er nach Ablauf dieser Zeit nach Möglichkeit auf die andere Seite in die stabile Seitenlage gedreht werden. Psychische Betreuung Es ist schwer, in einer solchen Situation einem wildfremden Menschen die notwendige Zuwendung zu geben. Doch genau das ist wichtig. Wenn die betroffene Person das Bewusstsein wiedererlangt, reden Sie beruhigend auf sie ein und erklären Sie die nächsten Schritte. Geben Sie ihr das Gefühl, nicht allein zu sein. Neugierige Blicke von Passanten sind für die Betroffenen unangenehm. Versuchen Sie, die Person abzuschirmen und weisen Sie Schaulustige zurück. Ein leichter Körperkontakt wird meist als beruhigend und angenehm empfunden. Menschen in Not brauchen Hilfe. Dies ist nicht allein eine Frage der Moral, sondern auch gesetzlich festgelegt. Wir sind verpflichtet zu helfen – im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir hoffen, Ihnen mit dieser Serie einen sicheren Umgang mit Verletzten zu ermöglichen und Ihr Wissen als Ersthelfer aufzufrischen. Frank Borchert Fotos: Bundespolizeiakademie Technik & Logistik Schiffstyp P 66 – ein etwas anderes Führungs- und Einsatzmittel der Bundespolizei Fast zehn Jahre ist es mittlerweile her, dass die Schiffsflotte der Bundespolizei „verjüngt“ worden ist – und der Erfolg kann sich sehen lassen: Längst werden die Grenzen bei den Einsätzen nicht mehr durch die Schiffe gesetzt, sondern nur noch durch Gesetze, Verordnungen, Vorschriften und so weiter, die nicht mehr das Schiff, sondern die Nutzer reglementieren. Den Anfang hatte 2002 die „Bad Bramstedt“ (BP 24) gemacht, beendet wurde die Verjüngungskur durch die Indienststellung der „Bayreuth“ (BP 25) im Frühjahr 2003 und der „Eschwege“ (BP 26) im Dezember 2003. Vorangegangen war eine europaweite Ausschreibung mit dem Ziel, die Flotte des damaligen Bundesgrenzschutzes See zu erneuern. In der Vergangenheit waren lediglich eintägige Streifenfahrten (bis zu zwölf Stunden auf See) mit den Patrouillenbooten vom Typ 157 an der Tagesordnung, die in unterschiedlichen Häfen begannen bzw. endeten. Mit der Einführung der drei Schiffe vom Typ P 66 und auch der beiden umgebauten Schiffe BP 22 und BP 23 war nun der Übergang zu mehrtägigen Seestreifen möglich und abgeschlossen. Das war bis dahin nur mit dem Einsatzschiff BP 21 möglich. Die Schiffe sollen in erster Linie den Besatzungen die maritime Aufgabenerfüllung der Bundespolizei ermöglichen. Dazu gehören neben den grenzpolizeilichen Aufgaben unter anderem auch umweltpolizeiliche-, schifffahrtspolizeiliche-, zoll- und fischereirechtliche Aufgaben sowie selbstverständlich die Hilfeleistung auf See. Eine Schiffsbesatzung besteht aus 14 Polizeivollzugsbeamten (Frauen und Männern), die ihren Dienst in zwei Wachen versehen. Alle Beamten sind in der Regel in Einzelkammern untergebracht. Insgesamt verfügt das Schiff über 16 Kammern, in denen maximal 24 Personen schlafen können. | 5-2012 Die zusätzlichen Kapazitäten werden für besondere Lagen vorgehalten. Dann wird auch schon mal zusammengerückt. 50 Die nautische und funktechnische Ausstattung auf der Brücke entspricht den notwendigen internationalen Anforderungen. Sie kann bei Bedarf oder aus einsatztaktischen Gründen jederzeit ergänzt werden. So finden sich hier u.a. moderne Radaranlagen mit integrierten Automatic Identification Systemen (AIS), elektronische Seekarten, verschiedene Seefunkgeräte im Grenzwellen- und UKW-Bereich, Funkpeiler und natürlich ein Echolot. Sollte der Empfang auf See mal nicht so gut sein, ist auch die Nutzung der Satellitenkommunikation kein Problem mehr. Die Rundumsicht auf der Brücke ist heute eine Selbstverständlichkeit und stellt einen bedeutenden Zugewinn an Sicherheit dar. Mittelfristig soll diese Ausstattung allerdings erneuert werden, um auf dem Stand der Technik zu bleiben. Die Bundespolizeischiffe verfügen über hochseetaugliche Kontrollboote, die bis zu einer Wel- lenhöhe von vier Metern eingesetzt werden können. Möglich macht das eine seegangsstabilisierte Seitenaussetzvorrichtung. Dadurch können die Beamten bei grenzpolizeilichen Kontrollen auf See bereits auf dem Schiff das Tochterboot besteigen. So entfällt die nicht unerhebliche Gefahrenquelle beim Bemannen der Boote über Lotsenleitern. Diese Boote können eine Geschwindigkeit von mehr als 30 Knoten (kn) erreichen und besitzen ebenfalls eine umfangreiche nautische und funktechnische Ausrüstung, wie zum Beispiel ein Seefunkgerät, ein Funkgerät für BOS sowie Kartenplotter und Echolot. Des Weiteren verfügen die Einsatzschiffe vom Typ P 66 unter anderem über zwei Feuerlöschmonitore, die im Bedarfsfall (Lösch- und Kühlmaßnahmen brennender Schiffe) 6 000 Liter Seewasser/min mit einem Druck von zwölf bar bis zu 80 Meter weit werfen können. Das Herzstück eines jeden Schiffes ist jedoch der Antrieb. Der neue Schiffstyp sollte leistungsfähiger, umweltverträglicher und vor Die Kontrollboote können bis zu einer Wellenhöhe von vier Metern eingesetzt werden. Die neue seegangsstabilisierte Seitenaussetzvorrichtung macht das möglich. | 5-2012 allem wirtschaftlicher gegenüber allen bis dahin verwendeten Schiffstypen werden. Zu diesem Zweck wurden die Schiffe mit der neusten Technik ausgestattet, aber es wurde auch auf bewährte Technik in modernisierter Form zurückgegriffen. So findet sich die bereits auf den Vorgängerschiffen erprobte Hybrid-Antriebstechnik (Dieselmotore und/oder E-Motore wirken über ein Getriebe auf den Propeller) wieder. Entsprechend der technischen Weiterentwicklung nutzt man im konkreten Fall einen 600 kW (auf 520 kW gedrosselt) Drehstrommotor, der stufenlos über einen Frequenzumformer von - 1 500 bis + 1 500 U/min geregelt werden kann und Geschwindigkeiten bis zu 12 kn erlaubt. Als Besonderheit sei erwähnt, dass für das sichere Erreichen der Höchstfahrt (21,5 kn waren gefordert) ein Boosterbetrieb möglich ist. Dieser Betriebszustand erlaubt ein paralleles Betreiben des E-Motors mit verminderter Leistung (300 kW) zum Hauptmotor. Positiver Nebeneffekt ist dabei die thermische Entlastung des Hauptmotors in allen Vorausfahrtstufen bis zum Erreichen der Höchstfahrt. Zusätzlich wird somit der bereits bei | 5-2012 52 der Planung des Schiffes auf 5 200 kW verblockte Hauptmotor zugunsten seiner Lebensdauer geschont. Nach heutigem Stand kann er, wie fast alle „Schiffsdiesel“, die Nutzungsdauer des Schiffes, die ungefähr bei 30 Jahren liegt, erreichen bzw. „überleben“. Diese Prognose ist für Hauptmotoren auf Patrouillenbooten und Schiffen auch heute noch keine Selbstverständlichkeit. Bereits im Planungsstadium wurde nicht nur an eine optimierte Antriebsanlage gedacht, sondern auch den Vorgaben entsprechend konsequent auf die Wirtschaftlichkeit des Gesamtsystems geachtet. Der Rumpf des neu zu bauenden Schiffes wurde in der Versuchsanstalt Hamburg auf Herz und Nieren geprüft. Die Hauptmaschine bringt eine Leistung von 5 200 kW. Diese wird mittels Getriebe und Kupplung auf die Welle übertragen. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass ein Bugwulst Geschwindigkeitsvorteile beziehungsweise Kraftstoffersparnis bedeutet, ergab die Prüfung, dass die möglichen Ersparnisse für den Betrieb vernachlässigbar sind. Deshalb sind die Einsatzschiffe des Typ P 66 nicht mit einem Bugwulst gebaut. Diese Maßnahmen (Boosterbetrieb und Schiffsrumpf) und die konsequente Leichtbauweise des gesamten Schiffes führten zu einem durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch von ca. 23 Liter/Seemeile (l/sm), was für ein ca. 800-Tonnen-Schiff ein guter Wert ist. In diesem Jahr wird sich der Verbrauch voraussichtlich bei ca. 18 l/sm einpegeln. Dies bedeutet eine Ersparnis von 5 l/sm oder ca. 21 Prozent gegenüber dem Indienststellungsjahr. Bei einer Gesamtlaufleistung von ca. 90 000 sm der drei Schiffe im Jahr werden 450 000 Liter Kraftstoff weniger verbraucht. Vor allem bei der gegenwärtigen Entwicklung der Kraftstoffpreise ist dies ein wirkungsvoller Beitrag für die Haushaltskonsolidierung und gleichzeitig ein positiver Aspekt in Bezug auf die Umweltverträglichkeit unserer Einsatzmittel. Uwe Hensel Ein Techniker kontrolliert im Maschinenraum das Klimagerät. Ohne Ohrschützer geht gar nichts hier unten – bei laufendem Betrieb versteht man sein eigenes Wort kaum. Leserbriefe Zum Thema Auslandsverwender Sehr geehrte Damen und Herren, nach Durchsicht des Themenheftes Bundespolizei im Ausland finde ich es persönlich sehr bedauerlich, dass die von der Auslandsabrechnungsstelle Koblenz (Bundespolizeipräsidium, Referat 73) eingereichten Vorschläge im Vorfeld abgelehnt wurden. Das Interesse bei den Auslandsverwendern sieht anders aus, und jeder, der sich ernsthaft über diese Tätigkeiten informieren möchte, kommt an dem Thema Auslandsabfindungen nicht vorbei; auch weil es für sein privates Umfeld meist von entscheidender Bedeutung ist (Stichwort Heimfahrtmöglichkeiten, Umzug, Versorgung etc.). Vielleicht wird dieser Bereich ja in einem nachfolgenden Themenheft Ausland aufgegriffen. Christiane Bertels, Koblenz | 5-2012 Zu guter Letzt Happy Birthday Munich International Airport Die Bundespolizei trägt zum Erfolg von MUC bei Der Flughafen München „Franz Josef Strauß“ feiert in diesem Jahr seinen 20. Geburtstag. Die Geschichte des Flughafens reicht aber weiter als diese zwei Jahrzehnte zurück – bis in die 60er Jahre. Bereits 1967 hatten die Planer das Raumordnungsverfahren eingeleitet; zwei Jahre später war endgültig klar, dass der Airport im rund 35 Kilometer vom Münchner Stadtkern entfernten Erdinger Moos gebaut würde. Die Bauarbeiten begannen im November 1980 und sollten innerhalb von zehn Jahren abgeschlossen sein. Sollten – denn bereits im April 1981 verfügte ein Münchner Gericht wegen verschiedener Klagen den vorläufigen Baustopp. Diese Unterbrechung dauerte ganze vier Jahre lang; erst im März 1985 durften die Bagger wieder anrollen. Der alte Flughafen MünchenRiem, der heute fast nur noch als Messestandort bekannt ist, fertigte in seinem letzten Betriebsjahr knapp elf Millionen Passagiere ab. Dies bedeutete arbeiten oberhalb des eigentlichen Leistungsvermögens. Bereits im ersten Jahr nach seiner Eröffnung zählte man auf dem neuen Münchner Airport mehr als zwölf Millionen Flugreisende. Die Zahl der Passkontrollen steigt von Jahr zu Jahr ... bisher haben die MUC-Bundespolizisten insgesamt 180 Millionen Fluggäste überprüft. Foto: Andreas Gebert, dpa MUC ist einer der wenigen europäischen Airports, die kontinuierlich wachsen. Von 1992 bis heute sind rund 500 Millionen Menschen von oder nach München geflogen, 2011 waren es knapp 38 Millionen Reisende. Dies bedeutet viel Arbeit für die Bundespolizisten, die in den vergangenen 20 Jahren insgesamt 180 Millionen Fluggäste grenzpolizeilich kontrolliert haben. Aktuell überprüfen die Beamten mehr als 13 Millionen Pässe im Jahr. Unglaublich, wie sehr sich die Welt in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert hat ... und mit ihr die Bundespolizei. Mittlerweile sind am Münchner Flughafen, der eine Fläche von 1 600 Fußballfeldern (1 618 Hektar) einnimmt, mehr als 30 000 Menschen beschäftigt. Ihnen ist es zu verdanken, dass MUC mehrfach zum besten Airport Europas gekürt worden ist und zu den Top-Flughäfen der Welt gehört. Derzeit belegt München den Platz sechs auf der weltweiten Rankingliste. Eines der von den Reisenden und unabhängigen Schiedsrichtern bewerteten Kriterien ist stets die Qualität der „Immigration“-Dienste. Dies zeigt, dass auch die Bundespolizei seit nunmehr 20 Jahren zum Erfolg des „Munich International Airport“ beiträgt. Bereits die Geburtsstunde des neuen Münchner Flughafens ist unmittelbar mit der Bundespolizei verbunden. Quasi über Nacht hatte 1992 der damalige Bundesgrenzschutz mit zunächst 280 Mann die Grenzkontrollen und zum Teil auch die Luftsicherheitsaufgaben von der Bayerischen Grenzpolizei übernommen. Die heutige Bundespolizeiinspektion Flughafen München ist mit ihren knapp 1 000 Mitarbeitern die größte Inspektion im Bundesgebiet. Thomas Borowik Fotos: Bundespolizeiinspektion München 1992 waren es 12 Millionen, mittlerweile sind es 38 Millionen Passagiere im Jahr, die sich mit der Bundespolizei auf dem Münchner Flughafen sicher fühlen. Spenden für Helfer in Not: Bundespolizei-Stiftung Sparda-Bank West eG Konto-Nr.: 683 680 BLZ: 370 605 90 Die Spenden werden ausschließlich und unmittelbar zu mildtätigen Zwecken verwendet. Die Geldzuwendungen können zweckgebunden erfolgen. Die Bundespolizei-Stiftung ist befugt, Spendenquittungen auszustellen. Mehr erfahren Sie unter: www.bundespolizei.de