Bergmann Bier Spiegel online

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03. Januar 2011, 07:43 Uhr
Dortmunder Bergmann Bier
Hopfen und Malz, der Pott erhalt's
Von Jens Witte, Dortmund
Kohle, Stahl und Bier - dieser Dreiklang bestimmte jahrzehntelang das Leben in der Ruhrmetropole Dortmund. Zechen und
Hochöfen haben schon lange dichtgemacht, die Traditionsbrauereien ihre Eigenständigkeit verloren. Mit einer Ausnahme:
Ein Mikrobiologe hat eine alte Marke neu belebt.
Langsam füllt sich der Raum hinter den meterhohen Kolonnaden mit Bier. Goldgelb leuchtet es in der Dämmerung. Dann bildet sich am
Dach des "Dortmunder U" eine gigantische Schaumkrone.
Thomas Raphael hat von seinem Büro aus einen perfekten Blick auf dieses Schauspiel: eine Kunstinstallation des Regisseurs Adolf
Winkelmann, ein Beitrag zur Kulturhauptstadt 2010. Es sind riesige LED-Bildflächen, auf denen Videofilme laufen. Sechs Meter große Tauben
sind zu sehen, ein virtuelles Aquarium - und eben Bier.
Nichts könnte besser zu diesem Gebäude passen. Das "Dortmunder U" ist das denkmalgeschützte frühere Gär- und Lagerhochhaus der
Union-Brauerei. Jetzt soll es sich zum Zentrum für Kreativwirtschaft entwickeln. Auf dem Dach prangt weithin sichtbar ein neun Meter
hohes, goldenes U - seit mehr als vier Jahrzehnten ist es ein Wahrzeichen der Stadt im östlichen Ruhrgebiet.
"Die ganze Stadt roch nach Bier"
Es ist kein Zufall, dass sich Thomas Raphaels Büro auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet. Er ist in Dortmund geboren, kletterte
als Jugendlicher gerne auf dem Turm herum. Das war Anfang der siebziger Jahre. Mit Dortmund verband man damals vor allem drei Dinge:
Kohle, Stahl und Bier.
"Die ganze Stadt roch nach Bier", erinnert sich Thomas Raphael. Rund siebeneinhalb Millionen Hektoliter füllten die Brauereien dort jährlich
ab - so viel wie nirgendwo sonst in Europa. Es gab protestantisches Bier (Union), katholisches Bier (Thier), Arbeiterbier (Hansa) und sogar
Sonntagsbier (Kronen). Doch dann schlossen erst die Zechen, dann kam es zum Brauereisterben. Sicher, man kann auch heute noch die
Traditionsmarken wie Brinkhoffs trinken. Doch sie kommen mittlerweile alle aus der DAB-Brauerei im Norden Dortmunds - und gehören zur
Radeberger Gruppe, einer Tochter des Oetker-Konzerns.
Thomas Raphael ist für die einzige Ausnahme verantwortlich: das Dortmunder Bergmann Bier (DBB). Der 52-Jährige sitzt an seinem
Schreibtisch und erzählt die Geschichte von der Wiederbelebung der fast vergessenen Marke. Er benutzt dabei häufig Wörter wie Bierkultur
oder Lokalpatriotismus - und man merkt ihm an, wie sehr es ihn wurmt, dass all die großen Dortmunder Brauereien schrumpften,
verschwanden und zusammengelegt wurden.
Ein alter Krug und neue Erfahrungen
Die Geschichte beginnt mit einem alten Bierkrug vom Flohmarkt. Jahrelang steht der Kelch mit DBB-Logo bei Thomas Raphael im Regal.
Die Brauerei, 1796 von der Familie Bergmann gegründet und im Stadtteil Rahm beheimatet, gibt es schon seit 1972 nicht mehr. Aus
Langeweile stöbert der gelernte Mikrobiologe Raphael im Sommer 2005 in einer Online-Datenbank - und kauft für ein paar hundert Euro
den mittlerweile verfallenen Markennamen. "Das war ein Jux", sagt er heute. Eine Bierlaune sozusagen. Aber wo die Urkunde mit den
Namensrechten schon mal über seinem Schreibtisch hängt, will er sie auch nutzen.
Doch wie bloß? Eine kleine Brauerei in Hagen bietet zwar Hilfe an, will aber mindestens ein paar tausend Liter herstellen, damit es sich für
sie lohnt. "Und die Menge kann man ja nicht mal eben so am Wochenende wegtrinken", sagt Raphael. Freunde und Bekannte helfen ihm
schließlich beim Trinken - und beim Vermarkten. Vor allem jedoch wird das Bergmann Bier auf einer großen Party verteilt. Eine
Lokalzeitung berichtet über die Aktion.
Was dann passiert, überrascht Raphael. Hunderte E-Mails und Anrufe seien eingegangen, sogar Anfragen von Händlern. "So einen Zuspruch
kannte ich aus meinem Beruf nicht", sagt er. Raphael arbeitet als Umweltberater für Betriebe aus der Lebensmittelindustrie und hat eher
mit Abwasser zu tun, nicht mit Brauwasser. Es ist "diese alte Bierkultur in Dortmund", die ihn den Schritt wagen lässt, sich mit der
Bergmann Brauerei ein zweites Standbein zu schaffen. Gemeinsam mit einem befreundeten Unternehmensberater gründet er 2007 eine
GmbH. Zur Finanzierung des Projekts geben sie Genussscheine aus. Ein Gehalt leisten sich die beiden bis heute nicht.
Einen Makel hat die Geschichte aber noch: Das Bier wird zunächst in zwei kleinen Brauereien in der Umgebung gebraut, kommt also nicht
aus Dortmund. Das ändert sich erst 2010.
Bergmann Pils aus der Hafenbrauerei
Dortmunder Hafengebiet: Dort, einige Kilometer von der City entfernt, schlägt das neue Herz der Bergmann Brauerei. Von der Straße aus
ist das Gebäude nicht zu erkennen. Der rote Backsteinbau liegt versteckt zwischen einem Heavy-Metal-Label und einem ContainerStellplatz. Gegenüber befindet sich eine Schrebergartenkolonie. Früher gehörte die 140 Quadratmeter große Halle zu einer Gießerei. Tritt
man jetzt durch das Tor des renovierten Gebäudes, steht man direkt vor einer kleinen Brauanlage.
Einmal in der Woche steht Thomas Raphael vor der Anlage. Er trägt dann weiße Gummistiefel, einen schwarzen Pullover mit DBB-Logo und braut Bier. Die Grundlagen hat er in einem Drei-Tage-Crashkurs gelernt. In München. "Brauen", sagt Raphael, "ist harte Arbeit - und
eine Kunst." Eine Kunst, die ihm nicht immer gleichgut gelingt: "Es schmeckt halt immer ein bisschen anders." Weil die Brauanlage relativ
klein ist, wird Bergmann zusätzlich auch weiterhin in zwei kleinen Brauereien in der Umgebung hergestellt - nach den Rezepten von
Raphael. An ihnen hat er solange herumprobiert, bis das Bier ehemaligen Mitarbeitern der alten Bergmann Brauerei schmeckte.
Vier verschiedene Sorten gibt es: Pils, Spezialbier, Schwarzbier und selbstverständlich Export. Diese Sorte hat Dortmund als Biermetropole
weltberühmt gemacht. Heute macht sie selbst bei der Bergmann Brauerei nur noch fünf bis zehn Prozent des Umsatzes aus. Der Geschmack
der Bundesbürger hat sich in den vergangenen vier Jahrzehnten verändert. Ende der sechziger Jahre war Exportbier das meistgetrunkene
Bier in Deutschland, mittlerweile ist es längst Pils.
Neues Logo mit altem Symbol
03.01.2011 10:40
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Es ist kalt in der ehemaligen Gießerei, knapp über null Grad. Es gibt weder Heizung noch Wärmedämmung. Aber das hat sogar einen
Vorteil. Im Winter können die Tanks mit dem fertigen Bier in der Halle lagern. Im Sommer geht das nicht. Dafür fehlt eine Kühlanlage.
Dann müssen die 1000 Liter fassenden Kessel schnellstmöglich abtransportiert werden - zum Abfüllen in Flaschen. Denn die Mini-Brauerei
verfügt nicht über eine eigene Abfüllanlage. Dafür wäre eine siebenstellige Investitionssumme nötig. Die kann das junge Unternehmen
derzeit und auch in naher Zukunft nicht stemmen.
Gegenüber der Brauanlage steht eine kleine Theke. Darüber hängt eine Leuchtreklame aus der Zeit der alten Bergmann Brauerei. Mit dem
alten Logo. Das neue Logo sieht ein wenig anders aus. Die Schrift ist moderner. Im Hintergrund wurden Schlägel und Eisen hinzugefügt das Symbol für den Bergbau. Es ist eine Reminiszenz an die Vergangenheit der Stadt.
Dortmunds letzte Zeche hat vor mehr als 20 Jahren dichtgemacht, doch die Spuren des Bergbaus prägen das Stadtbild weiterhin. So wie im
Stadtteil Huckarde. Dort steht die 1992 stillgelegte Kokerei Hansa. Sie ist heute ein Industriedenkmal, das langsam von der Natur
zurückerobert wird. Bäume und Sträucher wachsen aus den riesigen Anlagen und Koksöfen. Ein paar hundert Meter entfernt, im ehemaligen
Pförtnerhaus der Zeche Hansa, gibt es das Café Sorgenlos. Es führt Bergmann Bier auf der Karte.
Genauso wie das Hicc Up, eine Kneipe im Stadtteil Dorstfeld. Von dort sind es nur ein paar Gehminuten bis zur Technischen Universität und
zum angegliederten Technologiepark, in dem sich mehr als 200 IT-Unternehmen angesiedelt haben. Das soll das neue Dortmund sein. Die
Stadt will sich als IT- und Logistikstandort profilieren.
Deutlich teurer als Industriebier
Das Bergmann Bier hat sich auch sonst auf den Karten einiger Dortmunder Gastronomiebetriebe etabliert. Der Kampf gegen die
Großbrauereien ist aber nur schwer zu führen. Deshalb konzentriert sich Raphael in erster Linie auf den Handel. Rund 80 Getränke- und
Supermärkte in Dortmund und Umgebung haben DBB im Sortiment.
Am Wall in der Innenstadt steht eine alte Trinkhalle aus den fünfziger Jahren. Jahrelang stand der Kiosk leer. Jetzt bessern die Söhne der
Geschäftsführer dort ihr Taschengeld auf, indem sie Bier verkaufen. Die 0,33-Liter-Bergmann-Flasche kostet 1,10 Euro. Der Zehner-Kasten
9,90 Euro. "Wir sind viel teurer als die großen Brauereien - und darauf sind wir auch ein bisschen stolz", sagt Thomas Raphael. Er will kein
Bier für jeden Tag brauen, eher ein Sonntags- oder Geburtstagsbier.
Für billiges Bier wären die produzierten Mengen auch zu gering. "Was wir in einem Jahr herstellen, schaffen die Großen an einem Tag - bis
zur Mittagspause", sagt einer von Raphaels Mitarbeitern. Mehr als 1000 Hektoliter hat die Bergmann Brauerei 2010 gebraut, mehrere
hunderttausend Flaschen. In Zukunft sollen es noch mehr werden.
Ein Prozent des lokalen Biermarktes
Sein Ziel für die Zukunft formuliert der Bergmann-Boss so: Er will mit seinen Sorten ein Prozent des Dortmunder Biermarktes erobern. Das
wären etwa 7000 Hektoliter jährlich. Dafür, hat jemand ausgerechnet, müsste jeder Dortmunder Biertrinker zum Geburtstag einen Kasten
Bergmann bekommen.
Bis dahin werden aber wohl noch ein paar Jahre vergehen - und die Brauerei mit typischen Problemen von Kleinbetrieben in der
Getränkebranche kämpfen. Etwa mit Leergut-Engpässen wie bei der Fußball-Weltmeisterschaft im vergangenen Sommer oder aktuell zum
Jahreswechsel. "Pils werden wir wohl weiter vorrätig haben, bei den anderen Sorten kann es zu Jahresanfang und im ganzen Monat Januar
knapp werden", heißt es auf der Web-Seite der Firma. "Und das, obwohl wir das meiste Geld in Kästen investiert haben", sagt Raphael.
Der Brauereibesitzer steht wieder in der Halle am Hafen. Aus einem der silberfarbenen Kessel zapft er ein dunkles Bier ab, eine neue alte
Sorte. Raphael möchte das Adambier wiederbeleben - ein starkes, obergäriges Bier, das vom Mittelalter bis in die sechziger Jahre in
mehreren Dortmunder Brauereien gebraut wurde. Im Moment experimentiert er noch mit dem Rezept. "Wir greifen etwas Altes auf und
entwickeln es in die Gegenwart weiter", sagt Raphael. Der Satz passt auch auf die gesamte Marke.
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Fotostrecke: Bergmann Pils aus der Hafenbrauerei
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03.01.2011 10:40

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