Bericht - Deutscher Forstverein e.V.

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Bericht - Deutscher Forstverein e.V.
Forstliche Studienreise
von vierzehn Forstvereinsmitgliedern
nach Polen
in den Bereich der Regionaldirektion Danzig
(RDLP Gdansk)
vom 23. bis 29. August 2009
Exkursionsgruppe am 27. August 2009 vor der Oberförsterei Gdansk
mit Jan Szramka sowie Tomasz und Ewa Kaliszewski.
auf Einladung der Polnischen Forstgesellschaft (PTL)
durchgeführt von
Brandenburgischer Forstverein
Forstverein für Nordrhein-Westfalen
Nordwestdeutscher Forstverein
im Rahmen des Kooperationsvertrages von 1988
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Besuchplan fuer den Deutscher Forstverein
Sonntag, 23. August 2009
Nach Zugreise – Bahnhof Lebork (warten 2 Bussen fuer 14 Personen). Übernachtung in Lebork.
Montag, 24. August 2009
Nach Frühstück eine Exkursion zu National Naturpark Slowinski (Strand Wanderdünen).
Führung: Marian Hauza, Tomasz Kaliszewski. Nach Mittagessen Ankunft zu JaqdfoerstrevierCzarne, Obf. Lubichowo.
Dienstag, 25. August 2009
Besuch des Försterfriedhofs Bukowa Góra in Sierzno und Rückkehr zu Obf. Kaliska (Arboretum
Wirty). Führung: Maciej Kostka, Krzysztof Frydel, Tomasz Kaliszewski. Rückkehr nach Czarne.
Mittwoch, 26. August 2009
Obf. Elblag – Kadiner Wald (Las Kadynski), Naturschutzgebiet, Besuch der Kreutzritter Schloss
Malbork (Marienburg). Führung: Witold Chamier-Cieminski, Wieslaw Kosecki, T.Kaliszewski.
Rückkehr nach Czarne.
Donnerstag, 27. August 2009
Obf. Gdansk – Forstwirtschaft bei Grossen Stadtaglomeration, Besuch in Regional Forstdirektion
Gdansk, Ausflug durch Hansestadt Gdansk. Führung: Jan Szramka – Oberförster der Obf. Gdansk
mit Sitzung in Stadt Gdynia und Tomasz Kaliszewski. Rückkehr nach Czarne.
Freitag, 28. August 2009
Obf. Wejherowo – Förstlich Promotionkompleks, Baumschulewirtschaft, Nehrung Hel-Halbinsel an
der Baltisch Meer (Schutz und Forstwirtschaft). Führung: Janusz Mikos, T. Kaliszewski. Rückkehr
nach Czarne.
Samstag, 29. August 2009
Jagdforstrevier Czarne Obf. Lubichowo – Abschied der Deutschen Forstverein und Ausreise (Rückkehr) nach Deutschland.
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Die Teilnehmer
Christoph Binnewies
Heinz-Hermann Bruns
Ulrich Heine
Dieter Hiller
Klaus Jänich
Ralf Krüger
Christian Müller
Hanno Müller-Bothen
Peggy Noack
Dr. Ralf-R. Paeschke
Barbara Piesker
Heiner Rupsch
Peter Tunecke
Prof. Dr. Wolf-H. v. d. Wense
Tomasz Kaliszewski
Prof. Dr. J. Modzynski
Die Niederschriften der Teilnehmer wurden zusammengestellt von Hans-Otto Müller-Bothen und Barbara Piesker.
Verteiler: Teilnehmer der Exkursion; Deutscher Forstverein; PTL-Abteilung Gdansk; PTL-Präsidium, Warschau; Gastgeber in Polen; Koordinator für den Austausch
Norddt. Forstvereine mit PTL sowie entsprechender poln. Koordinator-Partner Prof. Modrzynski, Poznan.
Teilnehmerliste
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Sonntag, 23. August 2008
Christoph BINNEWIES
Bahnreise von Hannover nach Lebork (Lauenburg)
Es ist ein wunderschöner, sonniger Spätsommertag. Die Exkursionsteilnehmer reisten aus verschiedenen Richtungen an und trafen sich zunächst am Hauptbahnhof in Hannover. Da sich nicht alle kannten, galt es zunächst,
auf dem Gleis 9 den geeigneten Treffpunkt auszumachen, damit jeder wusste, in welchem Waggon welche
Plätze für uns reserviert waren. Hannos Versuch das per Handy zu organisieren, schlug allerdings fehl, da die
noch ausstehenden Teilnehmer ihre Handys ausgestellt hatten.
Doch alle waren rechtzeitig beisammen und bestiegen um 12.31 Uhr den ICE nach Berlin. Erstaunlich, wie schwierig es sein kann, das umfangreiche Reisegepäck einer solchen Gruppe im vollbesetzten ICE unterzubringen.
Es war keine alte Kofferschreibmaschine, die Heiner Rupsch mitbrachte, sondern ein Akkordeon. Es blieb spannend, was wir von diesem Instrument und seinem Meister auf unserer Reise wohl erwarten würden.
Nachdem in Wolfsburg noch Klaus Jänich zugestiegen war und Hauke Bruns uns für die bevorstehende lange
Reise mit leckerem Kuchen gestärkt hatte, erreichten wir nach 1 Stunde 40 Minuten den Hauptbahnhof unserer Bundeshauptstadt Berlin. Wir mussten uns sputen, um in dem imposanten Gewirr von zahllosen Bahnsteigen
in 3 verschiedenen Ebenen und vielen Rolltreppen und Fahrstühlen mit unserem teilweise recht schweren Gepäck in 20 Minuten den nächsten Zug zu erreichen. Aber der RE nach Angermünde wartete bereits, es war auch
reichlich Platz. In Eberswalde steigt noch W. H. v. d. Wense zu.
In Angermünde erneuter Zugwechsel mit der RB nach Stettin. Der Schienenbus ist fast leer und fährt uns durch
dünn besiedelte, waldfreie Landschaften. Die Grenze nach Polen wird unmerklich ohne Halt und Kontrolle überschritten. Das einzige, was sich ändert, sind die polnischen Schriftzüge. Um 16.32 Uhr Eintreffen in Stettin. Die
Ausstattung des Bahnhofs ist spartanisch. Keine Rolltreppen oder Fahrstühle, den anderen Bahnsteig – in Polen
Peron genannt wie auch früher in Ostdeutschland – erreicht man über Treppen und Brücken.
Nach einer halben Stunde Aufenthalt in Stettin besteigen wir um 17.03 Uhr den D-Zug in Richtung Danzig. Der
Zug ist gut besetzt, so dass wir uns auf zahlreiche Abteile verteilen müssen. Wir fahren durch das weitläufige,
überwiegend landwirtschaftlich geprägte, ehemalige Hinterpommern. Ehemalige Feuchtwiesen haben sich in
großflächige Röhrichte und Hochstaudenfluren gewandelt. Die Ökologen hätten vermutlich ihre große Freude
daran; diejenigen, die das Land früher kultivierten und besiedelten, würden diese Entwicklung kaum verstehen.
Wir konnten reichlich Rehwild sehen und auch Kraniche, aber keine Störche. Die sind, wie wir später erfahren,
allesamt bereits verhältnismäßig sehr früh nach Süden gezogen.
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Um 20.51 Uhr treffen wir pünktlich in Lebork (Lauenburg) ein, es ist bereits dunkel, bei 40 Minuten Zeitunterschied auch nicht verwunderlich. Wir und das Gepäck werden mühsam in den bereitstehenden Bus und in 2 PKW
verstaut und zunächst zu einem ausgiebigen Abendessen gefahren, das uns nach der langen 8(?)-stündigen
Bahnreise auch gut tat. Wir wurden überaus freundlich vom Leiter des Forstamtes Lebork, Marian Hauza, in
überwiegend deutscher Sprache begrüßt. Die Nacht verbrachten wir in Ferienhäusern in Stadtnähe.
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Montag, 24. August 2009
Ralf KRÜGER
Besuch des Slowinski Nationalparks am 24. 8. 2009
Nach einer erholsamen Übernachtung im gemütlichen Hüttendorf in Lebork (Lauenburg) führte uns der erste
Exkursionstag in den bekannten Slowinski Nationalpark. Doch zunächst standen ein kräftigendes Frühstück im
„Hochzeitspalast“ und eine informative Anreise im Komfortreisebus auf dem Programm. Oberförster Marian
Hauza führte fachkundig in das Exkursionsgebiet ein:
Die Kreisstadt Lȩbork (deutsch Lauenburg i. Pom., kaschubisch Lãbòrg) liegt im Norden der Woiwodschaft
Pommern im Tal der Leba, die hier einen Grundmoränenhöhenzug durchschneidet. Die Umgebung wird geprägt
vom Lebabruch westlich der Stadt und dem Schlüsselberg (175 m) im Nordwesten und dem östlich gelegenen
210 m hohen Dombrowaberg. In 30 Kilometer Entfernung wird per Straße oder Bahn bei der Stadt L/ eba die Ostseeküste erreicht. Danzig liegt rund 65 Kilometer entfernt.
Die Wälder der Oberförsterei Lȩbork erstrecken sich
von
der
kaschubischen
Hochebene bis zur Küste
der Ostsee. Relief und Böden sind weichseleiszeitlich
geprägt. Hauptbaumart ist
mit 68 % die Kiefer, daneben sind Buche, Eiche, Birke
und Lärche vertreten. Die
Fichte (3 %) ist aufgrund
von Forstschutzproblemen
weiter rückläufig. Borkenkäfer, Pilze und Ackersterbe
bereiten große Probleme.
Bei einem Bewaldungsprozent von 52 % haben die
Forst- und Landwirtschaft in
der Region einen hohen
wirtschaftlichen
Stellenwert.
Unsere Exkursion zu den
berühmten Wanderdünen
des Slowinski Nationalparks
begann in der kleinen Küstenstadt L/ eba (deutsch Leba). Die Stadt liegt an der Mündung des Flusses Leba in die
Ostsee und ist ein beliebter Badeort und das Tor zum Slowinzischen Nationalpark.
Zunächst begrüßte uns unsere Nationalparkführerin Frau
Katharina am Nationalparkhaus. Fachkundig gab es hier
zunächst eine theoretische Einführung in die naturkundlichen Grundlagen und Besonderheiten des Parks:
Der 18.247 Hektar große Park (593 Hektar streng geschützt) wurde 1966 gegründet. Wichtigste Aufgabe ist
der Schutz der in Europa ungewöhnlichen Wanderdünen
(über 50 Meter hoch), die sich zwischen der Küste und dem
Leba-See erstrecken. Die größten Dünen überdecken rund
500 Hektar. Aber auch die spezialisierte Pflanzenwelt, die
zwischen den Dünen liegenden Kiefernwälder, Hochmoore und Erlenbruchwälder sowie die großen Seen sind
äußerst schützenswert. Innerhalb des Parks liegt das Dorf
Kluki, das letzte rein slawische in diesem Gebiet.
Lage, Fläche, Geschichte: Der Slowinski Nationalpark liegt im zentralen Küstenbereich zwischen Leba und Rowy,
in der Wojewodschaft Pomorskie. Die Nordgrenze des Parks bildet auf 32,5 km Länge die Ostseeküste. Im Jahre
1977 wurde der Park von der UNESCO zum Biosphärenreservat erklärt und in das Programm Mensch und Biosphäre aufgenommen. Symbol des Nationalparks ist die Silbermöwe.
Geologie und Geomorphologie: Das Parkgebiet war in der Vergangenheit eine Meeresbucht. Die Parkformation
resultiert aus der Einwirkung eines skandinavischen Gletschers und der späteren Einwirkung der Ostsee. Der
Gletscher hinterließ einen Streifen von Moränenhügeln, die den Park im Süden und Westen eingrenzen. Die
höchste Moränenerhebung, der Rowokol (115 m ü. d. M.) bietet einen Aussichtspunkt über den ganzen Park.
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Durch die Aktivität der Ostsee und andere geomorphologische Prozesse haben sich Nehrungen gebildet, die den
See vom Meer trennen.
Die Gardno-Leba-Nehrung besteht aus von Meereswellen
angespültem Sand. Der angespülte und von Sonne und
Wind getrocknete Sand wird weiter ins Land geweht.
Durch diesen Prozess sind die Wanderdünen entstanden.
Das größte Wanderdünengebiet befindet sich auf der
Leba-Nehrung und umfasst eine Fläche von ca. 500 ha. Die
Dünen erreichen eine Höhe von über 30 m ü. d. M. und
wandern unter dem Einfluss des Windes mit einer Geschwindigkeit von 3–10 m pro Jahr.
Gewässer: Die Wanderdünen mit
den 4 flachen Küstenseen sind eine
Besonderheit in Europa. Die größten sind der Lebsko-See (7.140 ha,
maximale Tiefe 6,3 m), der
Gardno-See (2.468 ha, maximale
Tiefe 2,6 m) und der Dolgie Wielkie (146 ha, maximale Tiefe 2,9 m).
Die Seen Lebsko und Gardno
verdanken ihre Entstehung den
Nehrungen, die die ehemaligen
Buchten nach und nach vom Meer
abschnitten. Die Seen Dolgie Wielkie und Dolgie Male bildeten
Buchten an der Ostseite des
Gardno-Sees. Erst die Wanderdünen schnitten diese Buchten ab
und schufen so diese beiden kleinen Wasserbecken. Durch den Park
fließen 7 Flüsse, die größten davon
sind die Leba und die Lupawa.
Pflanzenwelt: Die Flora der Gefäßpflanzen umfasst ca. 850 Arten, von denen 50 dem Artenschutz unterstehen.
Am sandigen Meeresufer kann man verschiedene Algenarten finden. Am Strand zeigen sich Pionierpflanzen,
wie der Meersenf und der Strandportulak. Auf den Weißdünen wächst die schönste der Küstenpflanzen – die
Stranddistel. Weiter im Landinneren findet man mit sandbindenden Gräsern bedeckte Graudünen, wo Silbergras und Sandsegge dominieren.
Tierwelt: Die im Park vorwiegende Wirbeltiergruppe sind die Vögel, von denen in diesem Gebiet 257 Arten nachgewiesen wurden, darunter 150 brütende Arten. Dieser Reichtum ist zurückzuführen auf die Vielfältigkeit des
natürlichen Milieus und die Lage des Parks an der Frühlings- und Herbstflugroute vieler Vögel. Die Unzugänglichkeit des Geländes hat zur Folge, dass die Vogelwelt hier fast während des ganzen Jahres Platz zum Brüten
und zum Ausruhen auf dem Durchflug findet. Zu den wertvollsten Vogelarten gehören Arten wie der Seeadler,
der Schreiadler, der Steinadler, der Uhu, Schwäne sowie zahlreiche Entenarten. Zu den zahlreich vertretenen
Säugetieren zählen u. a. Rot- und Rehwild, Wildschweine, Marderhunde und Hasen.
Kultur und Tourismus: Der Park verdankt seinen Namen einer Volksgruppe von Kaschuben und Slowinzen, die
einst dieses sumpfige, unzugängliche, wirtschaftlich unattraktive Gelände bewohnten. In der Ortschaft Kluki
befindet sich ein Freilichtmuseum, welches die reiche Kultur dieser ethnischen Gruppe präsentiert. Im Parkgebiet
gibt es markierte Wanderwege von insgesamt 140 km Länge, die durch die naturgeschichtlich und landschaftlich charakteristischsten Bereiche führen.
Nach kurzer Fahrt mit einer Elektrobahn begann unsere Wanderung in das ausgedehnte Dünengebiet des
Nationalparks. Mit den aufmunternden Worten „wenn Ihr ordentlich geht, dann werdet Ihr viel sehen, sonst
wenig . . .“ stimmte uns Frau Katharina freudig in die mehrstündige Wanderung ein. Zunächst ging es entspannt
entlang des Ostseestrandes, dann folgte die Querung des Dünengürtels mit seinen verschiedenen Dünen- und
Vegetationsformen.
Selten hat man Förster in den kommenden Stunden so häufig und schnell das Schuhwerk wechseln sehen! Teilweise ging es zu wie beim Boxenstop in der Formel 1: Bergschuhe an, Sandalen aus, barfuss Düne rauf, beschuht
die nächste Düne runter, usw. . . . Bei gleißender Sonne kam da manch einer ganz schön ins Schwitzen und bei
der Wanderung über die zentrale Hochdüne konnte man nachempfinden, wie sich Sven Hendin bei der Durchquerung der Wüste Taklamakan gefühlt hat. Statt gebleichter Kamelschädel fanden sich jedoch auch in dieser
unwirtlichen Dünenwelt die Fährten eines Rotwildrudels.
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Unsere Wanderung führte uns
vorbei am südwestlichen Fuß
der Lontzkedüne. Hier wurde
1930 die pommersche Segelflugschule errichtet, von der
wir nur noch die Reste einiger
Ziegelsteine im Gelände besichtigen konnten.
Angeführt wurde das Försterrudel von der nimmermüden
Frau Katharina, die gleich einer Wüstengazelle die Dünenberge rauf und runter hüpfte.
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Beeindruckt von den einmaligen Naturschönheiten des
Slowinski Nationalparks trat
unsere Reisegruppe nach einem kurzem Zwischenstopp
am Rastplatz Pletka/Wyrzutnia Rakiet die Rückreise an.
Hier befindet sich der Eingang zu einer der ehemaligen
Raketenstartanlagen
von Rheinmetall-Borsig Berlin.
Zu besichtigen sind ein
Fundament und Bruchstücke eines Raketenabschussrohres aus der Zeit vor
1945. Alle anderen Exponate sind neueren Datums.
An zahlreichen Informationstafeln, auch in deutscher Sprache, wird über die
Entstehung und Nutzung
der Anlage berichtet.
Unser Bus brachte uns zum Mittagessen wieder in den bereits vertrauten „Hochzeitspalast“ in Lebork. Wir verabschiedeten uns von unserem Gastgeber und Kollegen Marian Hauza, zu dem wir sicher auch wegen seiner
hervorragenden Deutsch-Kenntnisse – sehr schnell besten Kontakt gefunden hatten. Da er an der früheren
deutschen Forstgeschichte sehr interessiert war, lag es nahe, dass wir ihm zum Abschied das „Forstliche Adressbuch sämtlicher preußischer Oberförstereien von 1929“ von Otto Müller (Großvater von Hanno Müller-Bothen)
überreichten.
Anschließend hatten wir eine recht lange Busreise zu unserem Standquartier in Czarne vor uns. Die traumhafte
Lage und die komfortable Betreuung in dem Quartier für diese Exkursion entschädigten uns jedoch für die lange
An- und Abreise auch in den nächsten Tagen.
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Dienstag, 25. August 2009
(Vormittag)
Klaus JÄNICH
Besuch des Försterfriedhofs am Buchberg (Bukowa Gora)
in der Oberförsterei Osusnica im Kreis Bütow (Bytow)
Schon der Blick aus dem geräumigen
Drei-Mann-Zimmer verriet mit seinen
Nebelschwaden, dass es ein sehr schöner
Tag werden würde.
Der erste Start von unserem neuen,
traumhaft gelegenen Quartier im Jagdhaus Czarne begann mit der herrlichen
Erfrischung im hauseigenen See (hat
eigentlich jeder Förster in Polen bis auf
Dolmetscher Tomasz K. vor der Tür). Nur
die erfahrensten Seebären starten auch
um 6 Uhr morgens mit einem akkuraten
Kopfsprung in unbekannte Gewässer,
was wir richtigerweise unseren Kindern
streng verbieten.
Auf die vielleicht unhöfliche Frage, warum die Reisegruppe auch in
diesem Jahr den Friedhof besuchte, bekam der Berichterstatter die
klare und unmissverständliche Antwort des Reiseleiters: „Das ist
mein Wunsch!“
An der alten preußischen Oberförsterei Zerrin treffen wir auf den
dortigen Kollegen Tscharnetzki, der uns wie alte Freunde begrüßt.
Der sehr schön gelegene Försterfriedhof ist in einem bestens gepflegten Zustand. Tscharnetzki bringt uns mit sehr viel Wärme und
Herzblut die Geschichte des Friedhofes nahe und arbeitet besonders
die Verdienste von Frau Joanna Gil-Sleboda (seine Vorgängerin)
heraus. Besonders stolz ist T. darauf, dass der Friedhof mittlerweile
in zahlreichen polnischen Reiseführern aufgenommen wurde.
(Unsere Kollegin Dr. Ingrid Beitzen-Heineke hat in einer kleinen, lesenswerten Abhandlung die Geschichte des Friedhofes zusammen
gefasst, deshalb wird an dieser Stelle auf eine Wiederholung verzichtet.)
Mit der Niederlegung eines Blumenstraußes am Grab Olbergs verlassen wir diesen Ort der Stille und Erinnerung.
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Förster Tscharnetzki führt uns mit einem kleinen
Fußmarsch durch das den Försterfriedhof umgebende, 6 ha große Naturschutzgebiet „Buchberg“
(seit 1983), vorbei an zwei großen und fünf kleinen
Hügelgräbern, die neben der nahe gelegenen
Wüstung auf die besondere geschichtliche Bedeutung des Buchberges hinweisen. Der rund 200jährige Buchen-Eichen-Mischbestand mit schönen
Buchennaturverjüngungsfemeln sollte in der Vergangenheit planmäßig im Kahlschlagverfahren endgenutzt werden, aber die klugen Vorgänger des
Försters haben „den Plan verloren“ (besser als den
Wald verloren)“ Zitat Ende.
Zum Abschluss reicht der Förster auf der kleinen
Landzunge des hauseigenen Sees Gebäck, Kaffee
und Tee. Wir genießen einmal mehr die Stille und
Weite der polnischen Natur.
Auf den Hinweis, dass man die
angebotenen Süßspeisen am
Ende der Reise auf den Hüften
spüren wird (deshalb auch
Hüftgold genannt), fasst der
Kollege mit Hilfe von Übersetzer Tomasz wunderbar die
Situation mit den Worten zusammen: „Damals war ich
auch noch 20 Kilo jünger“.
Den Abschluss des Vormittags bildet der an die Revierförsterei angrenzende Erstaufforstungsbestand. Nachdem
1970 die Fläche mit Pappel im Verband 4 x 4 m begründet wurde, wurde einige Jahre später mit reihenweiser
Mischung von Weißtanne und Buche unter dem Pappelschirm ergänzt.
1997 bot sich ein offensichtlich
fürchterliches Bild mit kleinen
nur 30 cm großen Tannen und
1 m hohen Buchen. Der Revierleiter Tschanetzki entschied
den Pappelvorwald in zwei
Schritten zu entfernen, was
sowohl Tanne als auch Buche
mit einem tollen Wachstumsschub dankten. Bei 800 mm
Jahresniederschlag,
200 m
über NN und einem frischen,
gut mit Nährstoffen versorgten Standort ein zielgerichtetes Vorgehen.
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Dienstag, 25. August 2009
(Nachmittag)
Dieter HILLER
Arboretum Wirty
Nach dem Besuch des Försterfriedhofes setzten wir unsere Fahrt zum
Arboretum Wirty fort.
Nördlich durch das Kaschubische
Oberland und südlich durch die
Tucheler Heide begrenzt, liegt das
landschaftlich reizvolle Gebiet der
Kocievie. Es ist ein hügeliges Gebiet,
von Flussbetten durchschnitten und
mit vielen großen nacheiszeitlichen
Seen. Der größte von ihnen, der Borzechowo See mit ca. 250 ha Wasserfläche, umgibt das Arboretum Wirty
von Süden und Osten. Hier ist die
Kocievie zu sechzig Prozent bewaldet
und die Wälder grenzen meist bis an
die Ufer der schönen und sauberen
Seen.
Die Forsten und Wälder stehen unter
der Verwaltung der Oberförsterei
Kaliska. Vom Leiter, Krzysztof Frydel,
wurden wir in Empfang genommen
und zunächst in einem wunderschön
an einem See gelegenen Restaurant
zum Mittagessen eingeladen. Während wir die polnische Gastfreundschaft genossen, erklärte uns Frydel
seine Oberförsterei. Die Obf. Kaliska
betreut 23.700 ha Wald, der Schwerpunkt liegt beim Nadelholz (87 % zu
13 % Laubholzanteil). Die Erhöhung
des Laubwaldanteiles wird seit einigen Jahren angestrebt. Ein Schwerpunkt ist seit Anfang 1990 die
Wasserretention, die Wiederherstellung von Seen, Teichen und Mooren.
Das Projekt wurde von Frydel mitinitiiert, ist allgemein fachlich anerkannt und wird in ganz Polen umgesetzt.
In der Obf. Kaliska hat sich der Grundwasserspiegel
teilweise um 2,5 m erhöht und entsprechend liegt der
Zuwachs um 12 % höher. Über dieses Thema hätten wir
alle gerne etwas mehr erfahren, aber dazu reichte die
Zeit nicht. Das Exkursionsthema „Arboretum Wirty“
füllte den ganzen Nachmittag und erstreckte sich bis in
die Abendstunden. Frydel leitet dieses Arboretum mit
Herz und Seele, sein Wissen um die Pflanzen, um das
Arboretum und seine Historie war sehr beeindruckend.
Nach einer kurzen Busfahrt begann die Wanderung im
Arboretum Wirty unter Frydels Führung. Ein 15 km
langes Wegenetz lässt die Größe dieses Arboretums nur
erahnen.
Über 700 Arten befinden sich hier und seit 2005 wird
Wirty als botanischer Garten geführt. Es ist mittlerweile
eine touristische Sehenswürdigkeit. Zusätzlich wird die
Heranführung der Jugend an die Natur und an den Wald
intensiv gefördert.
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15.000–18.000 Schüler werden jährlich geschult. Hierzu gibt es ein dafür speziell eingerichtetes Holzhaus (für
80 Pers.).
Weiterhin ist das Arboretum immer noch Untersuchungsobjekt für Bäume
und Wälder. Es ist das älteste Waldarboretum Polens.
Ursprünglich war es eine
Obstplantage auf Förster
Dienstland. 1867 wurden
die ersten exotischen Baumarten aus Asien und Amerika gepflanzt. Bereits 1875
wurde es zum Arboretum
unter dem damaligen Oberförster Adam Putrich erklärt.
In den folgenden Jahren
erhöhte sich die Anzahl der
Baumarten und die forstliche
Lehranstalt
legte
Versuchsflächen an. Drei
von Adam Schwappach angelegte Flächen werden heute noch betreut, u. a. ein Ta/Fi-Mischbestand und eine 1 ha große Douglasien-Untersuchungsfläche. Eine der ältesten Flächen besteht aus Thuja Plicata und wurde 1896/97 begründet. Die Polen
pflegen diese Flächen, sind sie sich doch ihres Wertes bewusst und sammeln weiter Erfahrungen, die für die Nutzung von Bäumen fremder
Herkunft benötigt werden.
Im Verlauf der Lehrwanderung konnten immer wieder
Gedenksteine für verdiente
Persönlichkeiten besichtigt
werden, u. a. auch für deutsche Forstwissenschaftler.
Bemerkenswert war ein
Stein für Dr. G. Volquardts
aus Schleswig-Holstein, den
einige Reiseteilnehmer persönlich kennen.
Den Abschluss bildete die
Besichtigung der Anlagen
zur
Forstsaatgutgewinnung. Viele Bäume im Arboretum sind entsprechend
gekennzeichnet und dienen
der Sicherung der zukünftigen Bestände.
Bei unserer Rückkehr zur
Unterkunft erwartete uns
bereits, wie übrigens während der ganzen Reise, ein
üppiges und schmackhaftes
Essen.
Viva Polonia!
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Mittwoch, 26. August 2009
(Vormittag)
Christian MÜLLER
Exkursion in der Oberförsterei Elblag (Elbing)
An diesem Tage sollte es in unser östlichstes Ziel dieser Reise gehen. Nach längerer Fahrt über die neu gebaute
Autobahn A1 und dann über die frühere „Reichsstraße 1“ (Aachen–Königsberg) machten wir einen kurzen
Zwischenstopp an dem Flussbett der Weichsel. Unsere Fahrt ging weiter durch die Landschaft von Żul/awy
(Werder). Die weiten Wiesenflächen werden von zahlreichen Entwässerungskanälen durchschnitten. Sie sind
nach Erklärungen von Tomasz Kaliszewski durch Ansiedlung der Mennoniten aus den Niederlanden urbar
gemacht worden. Diese bauten Deiche und Entwässerungskanäle und konnten auf diese Weise das Land für eine
erfolgreiche Landwirtschaft nutzen. Zur damaligen Bewirtschaftung war es besonders wichtig, die Gebiete in
ausreichendem Maß zu drainieren. Auch heute unterliegen diese Flächen einer intensiven landwirtschaftlichen
Nutzung.
Nach der Fahrt durch die Kreisstadt Elbing wurden wir von Oberförster Cieminski als Leiter der Ofö. Elblag, den
Förstern Mytych und Pamfil sowie Herrn Lech als Dolmetscher und Touristenführer, in der Baumschule Kadyny
mit einem Frühstücksbüfett empfangen. Am gleichen Ort befindet sich auch die Umweltbildungsstätte, welche
von Herrn Mytych geleitet wird. Die Oberförsterei Elbing besteht in ihrem heutigen Zuschnitt seit 2001. Sie
unterteilt sich in die Regionen Frische Nehrung, Weichselniederung und die Elbinger Hochebene.
Der Naturschutz hat in der Oberförsterei einen hohen Stellenwert; so stehen 85 % der Fläche unter Boden- und
Wasserschutz. Weiterhin sind große Gebiete im Bereich der Weichsel und des Frischen Haffs Natura 2000-Gebiete. Die Frische Nehrung ist ein Totalreservat. Das touristisch attraktive Umland bringt der Oberförsterei hohe
Einnahmen durch Parkplatzgebühren. Es bestehen aber auch Probleme mit wilden Müllhalden. Die Oberförsterei versucht auch weiterhin das unerlaubte Bernsteinsuchen wegen der damit verbundenen riesigen Waldzerstörung einzudämmen. Durch den illegalen Bernsteinabbau sind derzeit schon 450 ha Wald zerstört.
Im Vortrag berichtete Herr Pamfil über ein Dam- und Sikawild Auswilderungsprojekt. Eine wichtige Einnahmequelle ist die Jagd. Dabei wurde das Schwarzwild als Problemwild dargestellt. Im Foto wurden Boxen mit freigelassenen Überläufern präsentiert. Der Grund für die scheinbar widersprüchliche Handlung ist die lukrative
Vermarktung von Abschüssen bei Verkaufsjagden.
Nach dem ausgiebigen Vortrag fuhren wir unter Führung von Herrn Cieminski und mit Erklärungen von Herrn
Lech entlang des Frischen Haffs. Wir erreichten das kleine Dorf Kadyny (Kadinen), gelegen am Rande des
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Naturparks Elbinger Höhen, südöstlich der Stadt Elblag. Der Name geht auf Cadina, die Tochter eines altpreußischen Häuptlings zurück. Wir hielten an einem besonderen Naturdenkmal, der Baysen-Eiche (Dab Bazynskiego). Sie zählt zu den ältesten Bäumen Polens und trägt den Namen des preußischen Gubernators (Gouverneur) Hans von Baysen (etwa 1390–1459), um ihn für seine Taten zu ehren. Die Eiche wird auf etwa 700 Jahre
geschätzt. Sie erreicht eine Höhe von 25 m und hat einen Umfang von 10,15 m.
Von dort führte uns ein Holzweg mit 219 Treppenstufen auf eine Anhöhe im Wald. Das Kadynski Forest Nature
Reservat ist ein Teil der Elbinger Hochebene. Es wurde 1972 gegründet und hat eine Fläche von 8 ha mit über
200-jährigen Buchen- und Eichenwäldern. Vor uns befand sich ein altes Franziskanerkloster mit Kirche. Lange
Zeit war es eine Ruine. In den letzten Jahren wird es mit Hilfe von Spendengeldern von den Franziskanern wieder
aufgebaut. Wir besichtigten kurz das Kloster. Die Mönche scheinen in der Vergangenheit fleißige Sammler gewesen zu sein. An einer Seitenwand prangte ein großes Kreuz aus Abwurfstangen. Nach dem Abstieg fuhren
wir weiter durch den Ort Kadyny und parkten unseren Bus vor einem ehemaligen Gutshaus von 1920. Es gehörte
der Familie von Schlieben. Der Ort ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts beliebtes Ausflugs- und Ferienziel. Das
von Kaiser Wilhelm II als Sommerresidenz auf seinem 1899 erworbenen Gut Kadinen errichtete Schloss ist heute
ein Hotel. Daneben ist das Pferdegestüt mit der eigenen Pferdezucht, vordergründig der Zucht von Pferden der
„großpolnischen Rasse“. Ursprung für die Rasse waren die im 2. Weltkrieg zurückgelassenen deutschen
Trakehner sowie das Masurenpferd, das Posener und das arabische Vollblut.
Nach dem Rundgang stiegen wir wieder in den Bus, um einen Friedhof auf der anderen Seite des Dorfes zu be-
suchen. Derzeit erinnert neben Gräbern nur noch ein großer Findling an den Ort mit der Inschrift von Ementanz
E. Wagelicki
„Pamieci Tych Ktorzy Zvli Tu Przed Nami“
„Zum Gedenken an diejenigen die hier vor uns lebten“
Der Friedhof wurde mit vereinten Kräften der Forst- und Grundschulkinder aus Tolkmicko saniert. Nach kurzer
Fahrt wurde uns nochmals ein Einblick in den naturhistorischen Kadynski Wald ermöglicht.
Wir bedankten uns bei den Förstern der Oberförsterei Elblag für die Einblicke und setzten unsere Reise fort.
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Mittwoch, 26. August 2009
(Nachmittag)
Peggy NOACK
Oberförsterei Kwidzyn (Marienwerder),
Besichtigung der Marienburg (Malbork) und offizieller Begrüßungsabend
Mit dem Bus angekommen und schnellen Schrittes
gingen wir in die Gewölbekeller der Marienburg.
Dort erwartete uns der Leiter der Oberförsterei
Kwidzyn, Herr Kosecki mit einem schmackhaften
Mittagessen. Leider konnten wir seine Oberförsterei
nicht besichtigen, aber er berichtete kurz über die
Oberförsterei Kwidzyn. Diese erstreckt sich über ca.
26.000 ha. Die durchschnittliche Reviergröße liegt
bei 1.630 ha. Die Schutzwälder nehmen rund 800 ha
ein.
Gestärkt nach dem Mittagessen gingen wir zum
Kulturprogramm über: eine Führung und Besichtigung der Marienburg.
Mit dem weit über die Basteien und Mauern
emporragenden Hochschloss und dem Palast des
Hochmeisters beeindruckt die Marienburg auch
heute noch ihren Betrachter. Die Ordensburg liegt
etwa 60 km südöstlich von Danzig
an der Nogat, einem Mündungsarm der Weichsel, nahe der Stadt
Malbork (Marienburg). Ihre Befestigungsanlagen erstrecken sich
über eine Fläche von 20 Hektar.
Die bedeutendste Burganlage der
Deutschordensritter war von 1309
bis 1457 Sitz der Hochmeister und
somit Herrschaftszentrum des
Deutschen Ordens im ostpreußischen Ordensstaat. Es handelt sich
um den größten Backsteinbau
Europas, für deren Bau etwa
10 Mio. Backsteine verwendet wurden. Die Marienburg ist eine weiträumige Burganlage, die größtenteils aus
roten Lehmziegeln an der Stelle der alten Burg Trappeinen erbaut wurde.
Die Burganlage – umgeben von einem komplizierten, ausgeklügelten Verteidigungssystem – galt im Mittelalter
als uneinnehmbar. Heinrich von Plauen ließ Mitte des 15. Jahrhunderts die Verteidigungsanlagen mit einem
Mauer-Graben-Zwinger System mit teilweise vierfachem Mauerring verstärken. Die Burg lässt sich in drei große
Baugruppen gliedern: das Hochschloss, es war er erste Teil der Burg, der im 13. Jahrhundert erbaut wurde, das
Mittelschloss mit dem Hochmeisterpalast, das anstelle der ehemaligen Vorburg errichtet worden war, und der
Vorburg, die sich am Ufer der Nogat erstreckt.
Die einzelnen Festungsteile waren von Ringmauern umgeben, die so angelegt waren, dass sich jeder einzelne
Teil selbstständig verteidigen konnte. Die Tore und Durchgänge waren mit Fallgittern, Torzwingen, Wehrgängen, Pechnasen und Schießscharten versehen.
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Das Hochschloss stellt den ältesten Teil
der Marienburg dar und beherbergte
bis zum Ausbau der Marienkirche neben der Kapelle und dem Kapitelsaal
zunächst auch den Schlafsaal der
Ritterbrüder. So finden sich im Kapitelsaal zwei unauffällige Öffnungen in
der Wand. Durch diese drang aus der
benachbarten Marienkirche Orgelmusik, so konnte niemand Gespräche
belauschen. Die Fußbodenheizung
wiederum diente dazu, andere Unterhaltungen mithören zu können. Bis
1344 wurde die Kapelle unter dem
Hochmeister Dietrich von Altenburg
zur Sankt Marien-Kirche ausgebaut.
An derer Außenwand befand sich bis
1945 in einer Nische das mit farbigem
Glasmosaik überzogene, vollplastische
Madonnenbild. Das Bild ist heute zu
Teilen in der Marienkirche zu besichtigen.
Im zu Beginn des 14. Jahrhunderts errichteten Mittelschloss befand sich die Residenz des Hochmeisters mit den
repräsentativen Sälen. Der bedeutendste Gebäudeteil des Mittelschlosses ist der Hochmeisterpalast. Der um 1400
vollendete Profanbau stellt eine architektonische Besonderheit dar.
Die Vorburg war ab 1309 in Ansätzen vorhanden. In der St. Lorenz-Kapelle, einem bescheidenen Bau mit Flachdecke, fanden Gottesdienste für die Halbbrüder des Deutschritterordens und für die dienenden Schwestern
statt. Es befanden sich u. a. auch Werkstätten und Pferdeställe in der Vorburg. Im zweiten Weltkrieg wurden
Anfang 1945 etwa 60 Prozent der Bausubstanz der Marienburg zerstört. Mit dem Wiederaufbau begannen
polnische Restauratoren 1961. Dabei erfolgte die Rekonstruktion weitgehend im ursprünglichen Stil des Mittelalters. Seit dem Jahre 1998 steht die Ordensburg Marienburg auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO. Wie
kaum ein anderer Ort spiegelt die Marienburg die deutsch-polnische Geschichte. Hier liegen die Wurzeln der
Konflikte beider Nationen, welche auch die spätere Geschichte geprägt haben.
Nach der Rückkehr von der Tagesreise in unser Quartier hieß es frisch machen und die Abendgarderobe anlegen.
Zum offiziellen Begrüßungsabend war aus Danzig der neue Forstdirektor Herr Kaczmarczyk mit seinem Mitarbeiter Skulski angereist. Auch Herr Grus als scheidender Forstdirektor ließ es sich nicht nehmen, diesen Abend
mit uns zu verbringen. Als Hausherr war natürlich der Leiter der Oberförsterei Lubichowo Herr Szneider mit von
der Partie.
Hanno Müller-Bothen betonte in seiner Dankesrede gegenüber
dem neuen Forstdirektor die Wichtigkeit des mittlerweile 25
Jahre bestehenden Austausches. Er sprach auch die fortschreitend
wohltuende Offenheit bei der Völkerverständigung von Polen
und Deutschen an, indem er unsere Gedanken vom Vormittag auf
dem kleinen Friedhof von Tolmicko schilderte, als wir bewegt vor
der schlichten, eindrucksvollen Inschrift des Gedenksteins standen:
„Zum Gedenken an diejenigen,
die hier vor uns lebten“.
Auch Herr W. Grus
und von unserer
Seite W.-H. von
der Wense und
R. Paeschke ließen
keinen Zweifel aufkommen, dass dieser Austausch bestehen bleiben muss bzw. vielleicht noch ausgebaut werden könnte.
Nach den offiziellen Reden konnten wir an diesem Abend die
vorgeprobten Lieder mit Hilfe von Heiner Rupsch’s AkkordeonBegleitung zum Besten geben. Auch die polnischen Gastgeber
trugen ihre Volkslieder mit musikalischer Unterstützung von
Herrn Szneider auf der Gitarre vor. Es war ein schöner Abend, an
dem natürlich auch das Essen nicht zu kurz kam.
Höhepunkt war die Mitternachtstorte in Form eines Eichenblattes
als Symbol des PTL sowie des Deutschen Forstvereins.
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Donnerstag, 27. August 2009
(Vormittag)
Ralf-R. PAESCHKE
Besuch des Forstamtes Gdansk (Danzig) (Nadlesnictwo Gdansk)
Leiter: Jan Szramka
Das Forstamt Danzig (Stammsitz Gdynia) ist ein typisches Stadtforstamt und wurde in dem jetzigen Zuschnitt
(siehe ausgegebenes Info-Blatt) am 1. 1. 1977 gegründet. Fast 100 Jahre zuvor (1988) lag das Amt mitten im
Wald (Dorf Killau). Der Forstmeister konnte mit der Kutsche zur Jagd fahren. Seit 1925 ist Danzig überproportional stark gewachsen. Der Grund war die Emigration Tausender nach Amerika. Der weitere Zuzug nach
Danzig führte zu einer rasanten Bautätigkeit mit der damit verbundenen Siedlungsproblematik. Die betreuten
Kiefernmischwälder (Kiefer 55 %, Buche 33 %, Fichte 9 % u. a.) haben eine Größe von ca. 20.000 ha und bilden
im Wesentlichen Schutzfunktionen für 6 Städte und 4 Gemeinden.
Die Probleme, die dabei entstehen, sind den unsrigen sehr ähnlich, z. B. illegale Mülldeponie, Wilderei, Wildunfälle, Besucherdruck.
Herr Szramka ging im Besonderen auf die im Obergeschoß gelegenen, hervorragend ausgestalteten Räume zur
Umweltbildung und „Waldpädagogik“ ein. Sowohl die forstliche Tradition (alte Uniformen, Werkzeug) als auch
Diorama-ähnliches Anschauungsmaterial beeindruckten sehr. Insbesondere Jugendliche werden hier geschult.
Vor dem Mittagessen fuhren wir noch nach Zoppot, um wenigstens einen kleinen Eindruck von dem weltbekannten Seebad zu bekommen. Tomasz brachte die Eilbedürftigkeit wie folgt zum Ausdruck: „Wenig Zeit! Nicht
schnell laufen, aber fleißig!“
Der Gang über die Seebrücke und der Blick auf den Strand und die Kulisse der 5-Sterne-Hotels wird unvergessen
bleiben. (Nachtrag: Genau dort war das Treffen zwischen Bundeskanzlerin Merkel, dem polnischen Präsidenten,
Premier Putin u.a.m.!)
Im Namen der Forstdirektion lud uns Jan Szramka dann in ein Spezialitäten-Restaurant ein. Die vorzügliche
Schweinshaxe hat uns allen außerordentlich gut gemundet.
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Donnerstag, 27. August 2009
(Nachmittag)
Heiner RUPSCH
Danzig – eine Stadt mit Flair
Nach der Mittagspause und dem Empfang in der Forstdirektion Gdansk trifft unsere Exkursionsgruppe in freundschaftlicher Begleitung von Prof. Jerzy Modrzynski unseren Stadtführer Adam. Adam ist ein freundlicher Mann,
der uns die Highlights der Stadt mit viel Hintergrund in englischer Sprache vermittelte.
Damit wir als Gruppe die Orientierung behalten, trägt Adam ein markantes Fähnchen an seiner sehr speziellen,
transportablen Megaphonanlage.
Nicht nur San Francisco hat eine „Golden Gate“, sondern auch Danzig, wusste uns Adam humorvoll zu berichten. Gemeint war damit das sog. „Goldene Tor“ am Ende der repräsentativen Langgasse Danzigs.
Das „Goldene Tor“ wurde als „Triumphbogen“ im
italienischen Renaissancestil 1612 erbaut. Dreißig Jahre
nach dem Bau beauftragte der Rat der Stadt den Bildhauer Peter Ringering, acht vergoldete weibliche
Skulpturen (daher der Name „Goldenes Tor“) als
Krönung des Tores zu erschaffen. Bei den Skulpturen
handelt es sich um allegorische Darstellungen von Frieden, Freiheit, Reichtum, Ruhm, Weisheit, Frömmigkeit,
Eintracht und Gerechtigkeit. Unter dem Mittelbogen
des Tores ist eine Weisheit in lateinischer Sprache zu
lesen: „Concordia res publica parvae crescunt, discordia
magnae concidunt“ Deutsch: „Eintracht lässt die kleinen Staaten gedeihen, während Zwietracht die großen
Staaten zugrunde richtet“.
Weltoffen und heiter
Danzig – oder besser die Bürger und Gäste dieser Stadt
– haben unserer Reisegruppe starke Eindrücke vermittelt. Durch die Strassen weht Leichtigkeit, Offenheit
und Optimismus. Ein völliger Gegensatz zu meiner
Reise noch vor der Wende im Mai 1989.
Danzigs historischer Stadtkern wurde im zweiten Weltkrieg über 50 % zerstört.
Das kulturelle Bewusstsein, Fleiß und Optimismus bei den Bürgern, konnte offenbar die Restauratoren und
Politiker beflügeln, umfangreiche Rekonstruktionen und Renovierungen zahlreicher Gebäude und kompletter
Straßenzüge in neuen Glanz zu versetzen. Die restaurierte Altstadt legt ein markantes Zeugnis ab, wie Kultur
bewahrt und gleichzeitig mit Blick nach vorne gelebt werden kann.
Zu Beginn des 2. Weltkrieges mussten die Bürger Danzigs und Polens am 1. 9. 1939 eine besonders tragische
Opferrolle erleiden. Die Nähe zu dem makaberen 70. Jahrestages des Kriegbeginns, gepaart mit optimistischen
Menschen und den schönen Straßen, die im mehrfachen Sinne in eine europäische Zukunft führen, haben mich
demütig gemacht.
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Bernstein, gefangenes und zugleich „versteinertes
Sonnenlicht“ aus der Ostsee, wurde in zahlreichen
Straßen, oft sehr kunstvoll, angeboten. Ein Spiegelbild
für das zauberhafte und geschäftstüchtige „Innenleben“ dieser tollen Hansestadt.
Zahlreiche Cafes der Innenstadt verführen zum
Verweilen und Schauen. Würde nicht Polnisch gesprochen, könnte man meinen, in Italien zu sein.
Nach der Verabschiedung unsers Stadtführers Adam
hatten wir zwei Stunden Zeit zum individuellen
Verweilen und Stöbern.
Der Verführung einiger Cafés konnten die meisten
unserer Reisegruppe nicht widerstehen. Eine gute
Gelegenheit, die schöne alte Hansestadt noch einmal
auf uns wirken zu lassen.
Gegen 18 Uhr trafen wir uns mit schönen Eindrücken
beim Bus zur Abreise zurück in unser Quartier.
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Freitag, 28. August 2009
(Vormittag)
Ulrich HEINE
Forstliche Führung durch den Promotionskomplex
Der erste Programmpunkt führte uns in die Obf. Weyherowo (dt. Neustadt a.d. Reda), wo der Forstamtsleiter Herr J. Mikos und seine Mitarbeiterin J. Pleskot
für uns eine Führung durch den WaldpädagogikKomplex arrangiert hatten.
Herr Forstdirektor W. Grus, ehemaliger Leiter der Forstdirektion Danzig, begrüßte uns herzlich und hielt einen
Vortrag über den dortigen Forstort Muza (dt. Musa,
Landgemeinde der Stadt Puck).
Die Wälder dort werden naturnah bewirtschaftet ohne
Kahlschläge. Das Altholz soll erhalten bleiben und bewährte Waldbautechniken und Methoden werden dort
erfasst und schriftlich an nachfolgende Forstgenerationen weitergegeben.
In einem Gebäude im dortigen Waldkomplex wurde
unserer Gruppe erläutert, wie die Waldpädagogik
(Edukation) im Forstamt gefördert wird.
Ca. 8 km von der Stadt Wejherowo und nahe Gdingen
werden dort Schulklassen (4.–6. Klasse) unterrichtet. Es
wird ihnen die Waldwirtschaft sehr anschaulich nahe
gebracht. In drei Ausstellungsräumen lernen die Kinder
Baumarten und Pflanzen, Tiere (Diorama), Werkzeuge
und wichtige Zusammenhänge in der Ökologie kennen. Im Erdgeschoss ist ein Unterrichtsraum etabliert,
wo das Erlebte pädagogisch vertieft wird.
Zwei Lehrpfade
komplex.
komplettieren
den
Promotions-
In einem Waldbild wurde uns die Verjüngung der
Buche mit Anteilen von Eichenvorverjüngungshorsten (ca. 20 %) vorgestellt. In älteren Buchenflächen wird ein
Besamungshieb eingelegt und an einigen Stellen ein Lochkahlschlag durchgeführt, wobei die Kleinflächen
(0,25–0,35 ha) mit Eiche künstlich verjüngt werden (Voranbau). In unserem Bild wurde die alte Buche vollständig genutzt, wird aber auf anderen Flächen auch als Überhaltswirtschaft betrieben.
Der eingebrachte Eichenhorst war von guter Qualität und kann nun seinen Altersvorsprung gut nutzen, um nicht
von der Buche überwachsen zu werden. Die Lichtverhältnisse bei einer geplanten Horstgröße von mind. 0,3 ha
sind optimal. Restflächen ohne ausreichende Verjüngung werden mit Douglasie, Lärche und auch Kiefer komplettiert.
Die vorgeführte Waldbautechnik wird so als eine Maxime an die nächste Waldbaugeneration weitergegeben!
Kommentar von Klaus Jänich: „Da kommen wir nun endlich – nach 5 Tagen – waldbaulich völlig ausgehungert
zu diesem höchst beeindruckenden Waldbild, und schon geht’s husch husch weiter, weil die Zeit für sicher
interessante Diskussionen zu kurz ist!“ (Anm. d. Red.: Recht hat er!)
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Freitag, 28. August 2009
(später Vormittag und Nachmittag)
Peter TUNECKE
Der nächste Exkursionspunkt am heutigen Tage führte uns zur Baumschule in Domatowo der Oberförsterei
Wejherowo (Neustadt a. d. Rheda), wo uns der Geschäfts- und Betriebsleiter Herr Rode herzlich empfing und
uns den Betrieb gemeinsam mit dem Leiter der Oberförsterei Herrn Janosz Mikos vorstellte.
Die Größe der Baumschule beträgt 7,2 ha. Gegründet wurde sie 1977, bereits 1978 wurde erstmalig produziert.
Sie ist aufgeteilt in zwei Betriebsteile , die sich jeweils durch ihre Böden unterscheiden, der besichtigte Teil
befindet sich in Domatowo, der zweite Standort liegt unweit entfernt in Piasnica.
Ausgehend vom Leitbild „rationelle Forstwirtschaft nur durch Anzucht des Pflanzmaterials in eigenen
Baumschulen“, werden hier die Pflanzen für die beiden Oberförstereien Neustadt und Danzig der staatlichen
Forstverwaltung sowie für das Amt für Seeküste und für den Privatverkauf produziert. Betrug noch vor 10 Jahren die Jahresproduktion 1 Million Pflanzen, hat sich diese heute auf die Hälfte reduziert. Ziel der staatlichen
Forstverwaltung ist es nun, den Anteil der Naturverjüngung bei der Wiederbewaldung auf 60 % zu steigern.
Eine angekündigte Reform der Baumschulwirtschaft mit Konzentration der Produktionsstätten auf optimale
Standorte ist folgerichtig und steht somit bevor. Künftig sollen je Baumschulbetrieb 4 bis 5 Oberförstereien mit
gesicherter Forstware versorgt werden. Eine Privatisierung der Baumschulbetriebe wird nicht angestrebt. Mit
Ausnahme eines Stammarbeiters werden alle Arbeiten durch Personal von Fremdfirmen durchgeführt, sämtliche
Maschinen und Gerätschaften befinden sich jedoch im Eigentum der Forstverwaltung und werden von dieser
gestellt.
Besichtigen konnten wir einen sehr
gut gepflegten Betrieb. Die Anzuchtquartiere sind etwa 0,8 ha groß, eingerahmt
von Hecken. Die Saatbeetvorbereitung
erfolgt durch verschiedene Grün- und
Kompostdüngungen, um einer Bodenverschlechterung vorzubeugen. Zum
Schutz gegen Spätfrost ist ein unterirdisches Beregnungssystem installiert
worden. Für die Saatgutbewirtschaftung
stehen 150 ha Saatgutbestände zur Verfügung, vornehmlich Buche, Eiche, Erle
und Kiefer.
Auf den Sandböden in Piasnica werden
Kiefer, Birke und andere leichtsamige
Bäume, auf den besseren Standorten in
Domatowo die anderen produziert. Angezogen werden sie als 1–3-jährige Pflanzen, wobei die Kiefer in der Regel als
1-jähriger Sämling und nur die Weißtanne 4-jährig abgegeben werden. Großpflanzen als Folge etwaiger Überproduktion werden ausschließlich
privat nachgefragt, ca. 20.000 Landschaftsgehölze und Obstbäume werden pro Jahr an Dritte vermarktet.
Die Versuche mit Wildlingswerbung bei der Buche (100.000 Stück, ca. 5-jährig und 20 cm groß) werden nicht
weiter verfolgt, die Erfahrungen waren nicht befriedigend. Dies wird begründet mit Wurzelschädigungen
infolge der Gewinnungsart, Standortabhängigkeit, Krankheiten und der ungewissen Qualität. Hingegen sei ein
Verbiss an gepflanzten Buchen in den Oberförstereien nicht festzustellen.
In der Gewissheit, die neue Waldgeneration in der Verantwortung eines engagierten Forstkollegen zu wissen,
drängte uns die fortgeschrittene Zeit dazu, die Fahrt in Richtung Hel aufzunehmen, vorbei an dem nördlichsten
Zipfel Polens, Hastrezebia Gora (Habichtsberg).
Forstwirtschaft im Spannungsfeld zwischen Tourismus und Ökologie
auf der Halbinsel Hel (Hela) unter Führung des Leiters der Oberförsterei Herrn Janosz Mikos und des Revierförsters Herrn Jacek Konieczny:
Im Badeort Hel angekommen, haben wir die Gastlichkeit der Oberförsterei Wejherowo durch seine Mitarbeiter
in einem sehr schönen Fischrestaurant genießen und uns kräftig stärken können. Die einkehrende Ruhe
nutzend, gab es hier eine Einführung von Herrn Mikos:
Die Halbinsel Hel (Hela), deutsch auch Putziger Nehrung, ist eine 34 km lange Landzunge, welche die Danziger
Bucht teilweise von der Ostsee trennt. Die zu Kaschubien gehörende Halbinsel ist 200 m bis 3 km breit und
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entstand aus einer Kette von kleinen Inseln, die sich bis zum 18. Jahrhundert hier befanden. Nach und nach
schlossen sich durch die Strömung die Lücken zwischen den Inseln mit Dünen. Damit stellt die Halbinsel Hel eine
Nehrung dar, wie sie für eine Ausgleichsküste dieses Teils der Ostsee typisch ist. Im Gegensatz zur Frischen und
zur Kurischen Nehrung war aber die dahinter liegende Danziger Bucht zu groß, als dass sie wie ein Haff fast
vollständig von der Ostsee hätte abgetrennt werden können.
Die Halbinsel besitzt zwei Strände mit jeweils eigenem Charakter und Mikroklima. Der breitere Strand liegt im
Norden, der schmalere aber häufig wärmere zur Putziger Wiek hin. Erschlossen ist die Halbinsel durch die Bahnstrecke Reda – Hel, welche alle Orte anfährt. Parallel dazu führt die einzige Hauptverkehrsstraße. Zwischen 1945
und 1990 waren Teile der Halbinsel militärisches Sperrgebiet und durften nicht betreten werden. Nach der Aufhebung der Sperrzone entwickelt sich hier der Tourismus stürmisch.
Der erste Exkursionspunkt auf der Halbinsel war das 108,48 ha große Rezervat Przyrody „Helskie Wydmy“
(Naturschutzgebiet „Dünen von Hela“) auf der Nordseite. Besonders schützenswert sind sowohl die Böden, die
Vegetationsformen auf den weißen, grauen und grünen Dünen sowie die seltenen Vogelarten dieser Küstenlandschaft. Das Gebiet ist in das NATURA 2000-Schutzgebietsnetz eingebunden. Der Tourist wird über Wanderwege und über einen Lehrpfad in diesen ökologisch sensiblen Landschaftsteil geführt. Herr Konieczny zeigte uns
eine Vielzahl seltener Arten, sodass jeder von uns seine Botanikkenntnisse hinreichend auffrischen konnte. Vom
Wellenschlag der Ostsee inspiriert, wechselten sodann einige wenige Exkursionsteilnehmer spontan in die Rolle
des Badetouristen, hielten aber zügig wieder Anschluss an die Gruppe.
Unser zweiter und auch letzter Exkursionspunkt führte in das Waldgebiet zum südlichen Ufer, wo wir Informationen zur Kiefernbewirtschaftung unter besonderem Einfluss des Tourismus im Nadmorski Park Krajobrazowy
(Landschaftspark) erhielten:
65 % der Halbinsel sind von Wald bedeckt. Dies entspricht einer Fläche von 2100 ha, davon sind 1700 ha Staatswald, der Rest teilt sich auf Kommunalwald und Wald des Amtes für Küstenschutz auf. Die Baumartenverteilung setzt sich zusammen aus 90 % Wald-Kiefer, 9 % Latsche/Bergkiefer und nur 1 % Birke, Pappel, Weide und
andere Mischbaumarten. Die Standorte sind zu 60 % frisch, 40 % trocken und zu 3 % nass.
Die Schutz- und Erholungsfunktionen sind mehrfach überlagert. Besondere Bedeutung hat der Küstenschutz.
Hierzu werden die Waldbestände als Dauerwald gepflegt. Ziel ist der Erhalt von Wald.
Der Tourismus birgt eine latente Waldbrandgefahr, woraus ein hoher Personalaufwand für Kontrollen resultiert.
Wind, Salz und Feuchtigkeit von der Ostsee bedingen jedoch keine
Insektengefährdung der Kiefer.
Durch den enormen Touristikdruck im Sommer ist eine Nutzung der
Wälder im Sinne einer reinen Waldbildpflege nur im Winter möglich. Altbäume mit einem Alter von bis zu 300 Jahren werden belassen, das Durchschnittsalter beträgt 150 Jahre.
Der besichtigte Kiefernbestand war in der Vergangenheit auf einer
Teilfläche durch einen Vorbereitungshieb und später im Hauptschirmschlag aufgelichtet worden. Die Kiefern- Naturverjüngung
wurde durch Bodenverwundung mit einem Pflug eingeleitet. Der
letzte Eingriff lag 8 Jahre zurück. Nach Ausweisung als NATURA
2000-Gebiet findet keine aktive Bodenverwundung mehr statt, die
Bodenverwundung durch die gelegentliche Holzrückung wird als
ausreichend erachtet. Jungbestandspflege findet nur noch 1-mal
statt, schwache Durchforstungen in der 3. und 4. Altersklasse dienen
der Kosmetik und sind nicht auf bestimmte Holzsortimente
ausgerichtet. Der Wert bestimmende Faktor ist nicht der Holzertrag,
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sondern die Erholungswirkung
dieser stark differenzierten ungleichaltrigen Kiefernwälder.
Mit Blick auf die Danziger Bucht
verlassen wir dieses schöne Waldgebiet. Am Hafen von Jastarnia
(Heisternetz) nehmen wir Abschied von unseren netten Gastgebern der Oberförsterei Wejherowo.
Im Forsthotel des Jagdforstreviers
Czarne treffen wir zum letzten
Mal in dieser Woche spät im Dunkeln ein, der sonst übliche Badegang im See blieb aus. Der sog.
„Abschiedsabend“ wurde eingeläutet, noch einmal stimmt Heiner
Rupsch einige Jäger-Lieder mit
seinem Akkordeon an. Eine erlebnisreiche Woche liegt hinter uns. Wir hatten Gelegenheit, viele Eindrücke dieser wunderbaren Landschaft innerhalb der Forstdirektion Danzig gewinnen zu können. Immer haben wir aufgeschlossene und engagierte Forstkollegen auf polnischer Seite angetroffen, denen unser besonderer Dank gilt.
Uns wurde eine außerordentliche Gastfreundschaft zu teil, die nicht als selbstverständlich anzusehen ist. In besonders freundschaftlicher Weise
dankte Hanno Müller-Bothen Tomasz Kaliszewski für seinen unermüdlichen und stets hilfsbereiten
Einsatz.
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Samstag, 29. August 2009
(Vormittag)
Heinz-H. BRUNS
Rückreise, Rückschau, Ausblick
Peron, Peron . . . immer wieder auf der Suche nach Peron. Zum vierten Mal bin ich nun schon beim Austausch
norddeutscher Forstvereine mit der Polnischen Forstgesellschaft (PTL) dabei. Jedes Mal stellen wir uns dieselbe
Frage und stehen mit großen Augen vor den Infotafeln der polnischen Bahnhöfe. Aber letztendlich führten
Raten, Fragen und Vertrauen zu dem richtigen Bahnsteig und Gleisabschnitt. Vielleicht sollten wir aber auch
einmal an unserem „Polnisch“ arbeiten und hier die Schulbank drücken. Nur unseren Professor aus Eberswalde
ließ die Frage nach Peron völlig kalt. Kaum waren wir am Samstag nach der Busfahrt auf dem Bahnhof in Lebork
angekommen, fand Wolf-Henning wieder ein
„ruhiges Plätzchen“ inmitten der Koffer und
rastloser Exkursionsteilnehmer. Ein gutes Buch
kann man – wie so oft in dieser Woche auf
längeren Busfahrten – immer lesen, wieder
beiseite legen und erneut aufnehmen.
Wir waren am Samstag aber nicht die Einzigen
in Lebork auf dem Bahnsteig. Viele polnische
Mitreisende drängten nach und nach zum einlaufenden Zug Richtung Stettin. Reservierungen
sind in Polen nicht möglich und in einem vollen
Zug auch nicht durchsetzbar. Letztendlich waren
wir froh, im überaus vollen Zug vorerst einen
akzeptablen Stehplatz gefunden zu haben.
Verteilt auf verschiedene Waggons fuhren wir
fortan Richtung Stettin. Die Ersten von uns
hatten Glück und konnten sogar einen Sitzplatz
im 8-Personen-Abteil ergattern. Zusammen mit
dem Gepäck war es dort nicht gerade bequem,
aber man saß und konnte . . . zuweilen sogar
wieder zum Buch greifen und lesen. Auf den
vielen Stationen Richtung Stettin lichteten sich
die Reihen der polnischen Mitreisenden und so
fanden wir aus verschiedenen Abteilen wieder
zusammen. Zu Acht im Abteil – die Waggons
sind auch nicht breiter als bei uns – macht dann
das Reisen in charmanter Begleitung bisweilen
Spaß und manches Fußhakeln oder „Hinterndrücken“ gerät somit in Vergessenheit.
Unvergessen bleiben aber die Eindrücke der gesamten Exkursionswoche in der Forstdirektion Gdansk. Forstdirektor Grus, Forstdirektor Kaczmarczyk und alle polnischen Forstkollegen und -kolleginnen hatten diese
Woche hervorragend vorbereitet. Unvergessene Eindrücke an Ostsee, Nehrung, auf den Wanderdünen, in den
weiten Wäldern der bereisten Forstämter, von Natur und Landschaft, in den Städten und an historischen Orten
sowie eine Gastfreundschaft, die ihresgleichen sucht, machten uns um Vieles reicher. Ein Exkursionsprogramm
wird aber nicht nur einfach gemacht, sondern es wurde auch während der Exkursion von den Gastgebern immer
wieder gestaltet und mit Freude begleitet. Diese Freude konnten wir an jedem Exkursionstag bei allen polnischen Freunden erleben. Unermüdlicher Motor, Organisator, Dolmetscher und Freund war in dieser Woche
von Anfang bis zum Ende Tomasz Kaliszewski. Seine freundliche und stets hilfsbereite Art während der
gesamten Woche war unglaublich, sein unauffälliges Wirken im Hintergrund kaum zu spüren. Dafür auch dir,
lieber Tomasz nochmals unser Aller Dank.
Die polnisch-deutsche Freundschaft und der Austausch zwischen der Polnischen Forstgesellschaft (PTL) und den
norddeutschen Forstvereinen können mittlerweile auf eine 25-jährige Tradition zurückblicken. Im Jahr 1984
fand damals auf Initiative von Karl Möhring, Forstamtsleiter in Hardegsen, der erste Austausch statt. Ebenfalls
ein Mann der ersten Stunde war Dieter König, Forstamtsleiter in Stadtoldendorf. Vor dem Fall der Mauer und
des Eisernen Vorhangs waren die ersten Reisen damals keine Selbstverständlichkeit. Erzählungen der Erstreisenden lassen die „Begleitumstände“ nur erahnen. Aber von Anfang an waren alle Begegnungen auf polnischer
und deutscher Seite getragen von einem freundschaftlichen und offenen Austausch. Diese Freundschaft, aber
auch die offene Begegnung unter Forstleuten, ließen eine dauerhafte Beziehung entstehen und waren Garant
für die vergangenen 25 Jahre. Zugleich waren diese Begegnungen aber auch nur möglich, weil engagierte
Koordinatoren diese Tradition gelebt und fortgeführt haben. Hier gilt unser Dank insbesondere unserem Koordinator Hanno Müller-Bothen und (seinem „Sekretariat“) Barbara Piesker.
Damit diese Tradition auch künftig fortgesetzt wird, wollen nunmehr Polnische Forstgesellschaft und Deutscher
Forstverein über die bereits bestehenden „Ländervereinbarungen“ hinaus längerfristige Vereinbarungen auf
zentraler Ebene treffen.
Maßstab
1 : 600.000