DIN VDE 0100-400: Schutzmaßnahmen

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DIN VDE 0100-400: Schutzmaßnahmen
DIN VDE 0100-400: Schutzmaßnahmen
Für Elektroinstallateure ist die DIN VDE 0100 eine der zentralen Normen im Berufsalltag.
Sie regelt das „Errichten von Niederspannungsanlagen“ mit AC 100 V Wechselspannung
oder 1500 V Gleichspannung. DIN VDE 0100 kann für verschiedenste Arten von Gebäuden
angewendet werden. Darunter fallen Wohnhäuser, öffentliche Gebäude, landwirtschaftliche
Flächen und Baustellen sowie Messen oder Jahrmärkte. Ebenfalls anzuwenden ist die Norm
für Camping, Marinas und Photovoltaikanlagen. Der Geltungsbereich ist festgelegt auf die
Versorgung mit 50 Hz, 60 Hz oder 400 Hz. Auch Kabel und Leitungsanlagen für Information
und Kommunikationstechniken werden in DIN VDE 0100 mit einbezogen (vgl.
Krefter/Schmolke 2012: 16-19). Kiefer/Schmolke (2014: 27-142) geben einen detaillierten
Einblick über die Entstehung der Normen, einen Überblick zu Mensch und Elektrizität sowie
die Klärung wichtiger Begriffe, der vor allem für Anfänger gut empfohlen wird.
Im Folgenden soll die Normengruppe DIN VDE 0100-400 beschrieben werden, die
verschiedene Schutzmaßnahmen festlegt:
DIN VDE 0100-410
DIN VDE 0100-420
DIN VDE 0100-430
DIN VDE 0100-442
DIN VDE 0100-443
DIN VDE 0100-444
DIN VDE 0100-450
DIN VDE 0100-460
DIN VDE 0100-482
Schutz gegen elektrischen Schlag
Schutz gegen thermische Einflüsse
Schutz von Kabeln und Leitungen bei Überstrom
Schutz von Niederspannungsanlagen gegen vorübergehende Überspannung
und bei Erdschlüssen in Netzen mit höherer Spannung
Schutz gegen Überspannungen infolge atmosphärischer Einflüsse oder von
Schaltvorgängen
Schutz gegen Überspannungen, Schutz gegen elektromagnetische Einflüsse
Schutz gegen Unterspannung
Trennen und Schalten
Brandschutz bei besonderen Risiken und Gefahren
Die wichtigsten Informationen werden untenstehend aus der führenden Literatur
zusammengefasst. Vor allem DIN VDE 0100-410, DIN VDE 0100-420, DIN VDE 0100-460
finden in der Fachliteratur viel Beachtung. Diese Normen sind für den Schutz von Mensch
und Tier besonders hervorzuheben.
DIN VDE 0100-410 Schutz gegen den elektrischen Schlag
Norm DIN VDE 0100-410 „Schutz gegen den elektrischen Schlag“ kann durch 2 Varianten
erreicht werden: Entweder einer Kombination aus Basis- und Fehlerschutzvorkehrung oder
einer Maßnahme, die beide Vorkehrungen gleichermaßen mit einschließt.
Schutzvorkehrung beschreibt dabei eine konkrete Maßnahme, die gegen die Gefahr
„elektrischen Schlag“ eingesetzt werden sol. Basisschutz ist definiert als Schutz vor direkter
Berührung von Personen und Nutztieren. Fehlerschutz hingegen soll vor indirekter Berührung
und elektrischem Schlag schützen. Es gibt vier zulässige Schutzmaßnahmen, die nach DIN
VDE 0100-410 zugelassen sind.
a)
b)
c)
d)
Schutz durch automatische Abschaltung der Stromversorgung
Schutz durch Isolierung
Schutz durch Schutztrennung für die Versorgung eines Verbrauchsmittels
Schutz durch Kleinspannung (SELV oder PELV)
Die in Deutschland häufigste Schutzvorkehrung ist „Schutz durch automatische Abschaltung
der Stromversorgung“.
Automatische Abschaltung der Stromversorgung
Im Basisschutz sind mehrere Aspekte zu beachten. „Aktive Teile müssen vollständig mit
einer Isolierung umgeben sein, die nur durch Zerstörung entfernt werden kann“
(Krefter/Schmolke 2012: 42). Abdeckungen und Umhüllungen sind nur in bestimmten Fällen
(Durchgriffsöffnung nicht größer als 12,5mm) zulässig (siehe dazu IPXXB/IP2X).
Unbeabsichtigtes Berühren muss verhindert werden. Schutz durch Abstand kann als teilweiser
Schutz gegen direkte Berührung gelten. Diese Maßnahmen sind jedoch nur einzuführen, wenn
die Anlage(n) von Elektrofachkräften betrieben werden.
Fehlerschutz wird jeweils als Einzelfehler betrachtet, da ein indirektes Berühren von Körpern
elektrischer Betriebsmittel stattfindet, die infolge eines Fehlers unter Spannung entstehen
(vgl. Krefter/Schmolke 2012: 25).In jedem Gebäude muss ein „Schutzpotentialausgleich über
die Haupterdungsschiene“ gewährleistet werden. Ziel ist es dabei, die Spannung bis zur
Maßnahme 2, dem automatischen Abschalten, die Spannung möglichst zu reduzieren. Dies
soll durch die Zusammenführung aller leitfähigen Teile wie Erdungsleiter,
Haupterdungsschiene, metallene Rohrleitungen und Verstärkungen, andere leitfähige Teile
innerhalb und außerhalb des Gebäudes sowie Metallmäntel passieren. Für den Fehlerfall muss
für jeden Stromkreis ein Schutzleiter angebracht werden. Je nach eingesetztem System (TNTT oder IT) gelten verschiedene Abschaltzeiten in der Spanne von 0,04-5 Sekunden.
Bei der automatischen Abschaltung im Fehlerfall sind folgende Bedingungen zu erfüllen:





Die je nach Versorgungssystem festgelegte zulässige Abschaltzeit darf nicht
überschritten werden. Ausnahme ist, wenn die Ausgangsspannung der Stromquelle
AC 50 V oder DC 120 V hat.
Alle Körper der Betriebsmittel müssen an einen Schutzleiter angeschlossen sein, der
mit dem örtlichen Erdungssystem in Verbindung steht.
Gleichzeitig berührbare Körper müssen mit demselben Erdungssystem in Verbindung
stehen.
Ggf. ist ein zusätzlicher örtlicher Potentialausgleich notwendig, z.B. bei besonderer
Gefährdung wie in Bade- und Duschräumen.
Eines der verschiedenen Erdverbindungssysteme muss vorhanden sein (TN, TT oder
IT)
TN-Systeme haben einen direkten Verbindungspunkt zur Erde sowie eine direkte
elektrische Verbindung mit dem geerdeten Punkt des Versorgungssystems. Im TN-System
entsteht ein einpoliger Kurzschluss (Fehlerstrom). Die Überstrom-Schutzeinrichtung muss
ebenfalls rechtzeitig nach den vorgeschriebenen Abschaltzeiten abschalten. TT-Systeme
unterscheiden sich von TN-Systemen dadurch, dass der Schutzleiter mit einem
Anlagenerder im Gebäude verbunden ist. Die Schutzmaßnahme bei IT-Systemen
funktioniert durch hochohmige Impedanz, die den Fehlerstrom so weit begrenzt, dass eine
Abschaltung nicht erforderlich ist. Erst bei einem zweiten Fehler wird eine Abschaltung
hervorgerufen. Eine Kombination der TN-TT- oder IT-Systemen ist möglich.
(Kiefer/Schmolke 2014: 177-189).
Übrige Schutzmaßnahmen
Unter Umständen kann es nötig sein, eine andere Form der Schutzmaßnahme durch
automatisches Abschalten zu wählen. Eine verstärkte oder doppelte Isolierung kann
verhindern, dass gefährliche Spannung an berührbaren Teilen auftritt. Dies wäre eine
Zusammenführung von Basis- und Fehlerschutzvorkehrung. Bei der Schutztrennung darf
das Netzsystem nicht geerdet werden sowie keine Verbindung zu anderen Stromkreisen
haben. Es wird empfohlen, nur ein Verbrauchsmittel anzuschließen. Die Trennung erfolgt
mittels eines Trenntransformators oder Motorgenerators. Eine weitere Möglichkeit ist der
Schutz durch Kleinspannung (SELV oder PELV) mit Spannungen die höchstens AC 50
V oder DC 120 V haben. Diese Maßnahme kann gegen direktes und indirektes Berühren
eingesetzt werden. Der SELV Stromkreis ist dabei nicht geerdet, wohingegen PELV eine
Erdung haben kann. Bei niedrigeren Spannungen (unter AV 25 V bzw DC 60 V) kann
auch der Basisschutz wegfallen. Jedoch sollten die Stromkreise einschließlich aller
Leitungen von anderen stets getrennt sein.
Eine detaillierte Übersicht zu Schutzmaßnahmen gegen elektrischen Schlag mit
automatischer Abschaltung der Stromversorgung bietet Kiefer/Schmolke 2014 Seite 167264.
DIN VDE 0100-420 „Schutz gegen thermische Einflüsse“
Die Norm ist unter der Beachtung entstanden, dass der Anteil an durch Elektroinstallation
verursachte Brände seit mehreren Jahren stabil bei 30% aller Brände liegt. 50% davon
gehen auf Fehler in der Installation zurück (Behrends/Bonhagen 2015: 303). DIN VDE
0100-420 zielt auf Maßnahmen ab, die Entzündungen und Verbrennungen von
Materialien aber ebenso die Verletzung von Menschen und Tieren verhindern.
Brandschutz: Grundsätzlich ist darauf zu achten, dass Betriebsmittel mit
Oberflächentemperaturen abgeschirmt und von anderen Materialien getrennt werden.
Besonders Lichtbogen- oder Funkenbildung gilt es zu verhindern durch Nutzung von
lichtbogenbeständigem Material. Ein weiteres Risiko stellt Wärmestau da, der durch
Häufung von Betriebsmitteln entstehen kann. Bei allen Produkten ist besonders die
Herstelleranleitung zu beachten. Um Verbrennungen vorzubeugen wurden
Temperaturobergrenzen eingeführt.
(Grafik Krefter/Schmolke 2014: S 59) Temperaturgrenzen
Für feuergefährdete Betriebsstätten (z.B. Hölzwände) gelten gesonderte, verschärfte
Regeln. Leitungssysteme können in PVC Ummantelungen geschützt werden. Klemmen
und Verbindungen dürfen in feuergefährdete Betriebsstätten nicht verwendet werden.
Funkenbildung ist gänzlich zu verhindern. Gesonderte Temperaturgrenzen gelten für
Motoren, Scheinwerfer sowie Heizungs- und Lüftungssysteme.
Zur Verhinderung durch Brände aufgrund Fehlerlichtbögen wird ein Branschutzschalter
empfohlen. Bojko stellt in der Jahresausgabe 2016 „Elektrotechnik für Handwerk und
Industrie“ in Kapitel 11 den Brandschutzschalter 5SM6 vor.
Zur Norm „Schutz gegen thermische Einflüsse“ bietet Krefter/Schmolke 61-64 eine gute
Übersicht.
DIN VDE 0100-430 „Schutz von Kabel und Leitungen bei Überstrom“
Die Norm deckt zwei Komponenten ab. Zum einen Schutz bei Überlast im ungestörten
Betrieb und andererseits Schutz bei Kurzschluss im Fehlerfall. Schutzeinrichtungen
können für beide Fälle eingebaut werden als auch getrennt jeweils einen Schutz
gewährleisten.
Überlast
Bedingung bei Überlast ist, dass der Nennstrom der Schutzeinrichtung gleich oder höher
ist als der Betriebsstrom, wobei die Kabel mindestens die Strombelastung der
Schutzeinrichtung aufweisen müssen. Bei üblichen Leitungsschutzschaltern (LS-Schalter,
Typ B und C) gilt entsprechend der Gerätenorm die Bedingung I2 <1,45 *Iz. Die
Schutzeinrichtung kann an beliebiger Stelle des Stromkreises angeordnet werden.
(Krefter/Schmolke 2012: 66-67).
Der Schutz für Überlast entfällt in bestimmten Fällen, z.B. in Fernmelde, -Steuer und
Signalanlagen und wenn nicht mit einer Überlast gerechnet werden muss. Bei parallel
geschalteten Leitern kann eine Schutzeinrichtung sinnvoll sein, wenn die gleichmäßige
Stromaufteilung nicht gewährleistet ist. Jedoch muss eine Schutzeinrichtung eingebaut
werden, wenn IT-System verwendet wird.
Kurzschluss
Die Schutzeinrichtung gegen Kurzschluss ist je nach Isolierwerkstoff und zulässiger
Temperatur zu wählen. Die Ausschaltzeit wird aufgrund des Leiterquerschnitts, dem
Materialbeiwert sowie dem Effektivwert des Stroms berechnet; maximal jedoch 5
Sekunden. Derartige Schutzeinrichtungen müssen am Anfang des Stromkreises eingebaut
werden oder an Stellen, an denen die Kurzschlussbelastbarkeit gemindert wird
(Krefter/Schmolke 2012: 71). Falls eine Gefährdung durch Überhitzung oder
feuergefährdeten Objekten vorliegt, kann ggf. eine Versetzung um bis zu 3 m erfolgen.
Wenn es sich um ein Verteilungsnetz handelt, dass durch Kabel in der Erde verlegt ist,
oder in Messstromkreisen und Verbindungsleitungen zwischen elektrischen Maschinen,
kann auf Kurzschlussschutz verzichtet werden. Bei parallel geschalteten Leitern ist der
Schutz nur mit Vorsicht anzuwenden. Es wird vorgeschlagen, die Schutzeinrichtungen für
Überlast und Kurzschluss in diesem Fall miteinander zu verkoppeln.
In der Praxis werden häufig Vollbereichs-Schutzeinrichtungen verwendet, die sowohl bei
Überlast als auch bei Kurzschluss schützen.
DIN VDE 0100-442/443/444 „Schutz bei Überspannungen“
Durch atmosphärische Einflüsse, Schaltvorgänge oder elektromagnetischer Störung kann
es zu Überspannungen in elektrischen Anlagen kommen.
Blitzschlag
Als atmosphärischer Einfluss gilt Blitzschlag. Von Herstellern wurden vier Kategorien für
die Stoßspannungsfestigkeit entwickelt. Diese reicht von reduziert (1,5 kV) bis sehr hoch
(6 kV). Ob ein Überspannungsschutz aufgrund von atmosphärischen Einflüssen eingebaut
werden muss, hängt einerseits von der erwartbaren Gewitterhäufigkeit der Region sowie
vom Versorgungsnetz ab. Bei einer zu erwartenden Gewitteranzahl von min. 25/Jahr und
einem Freileitungsnetz sollte ein Überspannungsschutz eingebaut werden. Dies muss
jedoch im Zweifelsfall auch mit dem Netzbetreiber abgesprochen werden.
Erdschlüsse
Eine Überspannung durch Erdschluss ist als gefährlich einzustufen, wenn die Fehlerdauer
> 5 s beträgt. Es wird allgemeint eine sogenannte gemeinsame Erdungsanlage empfohlen,
die ohnehin bei den meisten Systemen installiert werden kann. Bei TN-Systemen mit
PEN-Leiter, der an mehreren Stellen geerdet ist, kann immer eine gemeinsame
Erdungsanlage errichtet werden (Kiefer/Schmolke 2014: 381). Falls die Bedingungen für
eine gemeinsame Erdungsanlage nicht erfüllt werden können, ist eine getrennte Anlage zu
bevorzugen. Dabei muss ein Abstand von min. 20 m zur nächsten Erdungsanlage
bestehen.
Grafik Krefter/Schmolke 2012: 80
Elektromagnetische Einflüsse
Die meisten Produkte verfügen bereits über eine erhöhte elektromagnetische
Verträglichkeit und Schutzmaßnahmen gegenüber Störungen solcher Art, die in den
EMV-Normen geregelt sind. Dennoch sollte bei der Anlageninstallation darauf geachtet
werden, dass empfindliche Gegenstände nicht zu sehr mit elektromagnetischer Strahlung
konfrontiert werden. Motoren, Schweißmaschinen, Aufzüge, Computer, Transformatoren
oder Leuchtstofflampen sind einige Beispiele mit hoher elektromagnetischer Strahlung.
Energie- und Signalkabel sollten getrennt werden. Bei TN-, TT, .IT-.Systemen sind die
jeweiligen Besonderheiten zu beachten. Ebenfalls hängt die Strahlung von der
Netzwerkstruktur und dessen Größe ab. Besonders sensible Betriebsmittel können durch
Überspannungsschutzeinrichtungen
geschützt
werden.
Bei
vernetzten
informationstechnischen Einrichtungen ist der Schutzleiter vom Neutralleiter schon ab der
Speisestelle an zu trennen, bzw. so nah wie möglich an der Einspeisung.
Kiefer/Schmolke 2014: 377 ff bieten in Kapitel 12 eine detaillierte Übersicht der
verschiedenen Störungsfaktoren sowie geeignete Schutzeinrichtungen.
DIN VDE 0100-450 beschreibt den Schutz von Unterspannung. Dieser ist jedoch in den
meisten Fällen nicht erforderlich und wird deshalb aus Platzgründen ausgeklammert.
DIN VDE 0100-460 „Trennen und Schalten“
„Jeder Stromkreis muss von den aktiven Teilen der Stromversorgung getrennt werden
können“ (Krefter/Schmolke 2012: 90). Davon ausgenommen sind der Neutralleiter, wenn
er geerdet ist sowie der Schutzleiter und der PEN-Leiter. Trennung muss sichtbar sein und
es darf kein ungewolltes selbstständiges Einschalten vorkommen.
Jeder unabhängige Stromkreis sollte ein Schaltgerät zum betriebsmäßigen Schalten haben,
bei dem jedoch nur Steckvorrichtungen bis 16 A verwendet werden dürfen.
Quellenangaben:
Krefter/Schmolke 2012: DIN VDE 0100 Daten und Fakten für das Errichten von
Niederspannungsanlagen. 3. Auflage VDE Verlag GmbH Berlin.
Kiefer/Schmolke 2014: VDE 0100 und die Praxis. Wegweiser für Anfänger und Profis.
15. Auflage. VDE Verlag GmbH Berlin.
Behrends/Bonhagen 2015:Elektrotechnik für Handwerk und Industrie. De-Jahrbuch 2016.
Hüthig GmbH München/Heidelberg.