MAi 2014 - Knorr

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MAi 2014 - Knorr
Informer
Das Kundenmagazin von Knorr-Bremse
Systeme für Schienenfahrzeuge
Ausgabe 37 | Mai 2014
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014
Inhalt
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Editorial
Dr. Ansgar Brockmeyer
Mitglied der Geschäftsführung
Knorr-Bremse Asia Pacific (Holding) Ltd. 03
News
Produkte
Aktuelle Meldungen
Titelthema
Engineering
Verstärkte Entwicklungskompetenz 20
Effektive Entwicklungsunterstützung 22
04
Weltweite Wachstumsmärkte
08
China I Ein Fest für die Schiene 10
Indien I Solider Subkontinent
12
Brasilien I Fußball, Samba &
Big Business14
Türkei I Dynamisches Wachstum
in der Türkei 16
Südafrika I Blick in den Süden 18
Steuerungen für den intelligenten
Güterverkehr
Herausfordernde Fahrzeug-Vielfalt Erhöhte Fahrzeugsicherheit
Services
Straßenbahn und Bus zugleich
In neuem Glanz
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E-NEWS-0037-DE
Alle Angaben erfolgen unter Vorbehalt der Änderung. Eine gedruckte Fassung dieses Dokuments entspricht daher möglicherweise nicht dem aktuellen Stand. Um die jeweils aktuelle Fassung zu erhalten, kontaktieren Sie bitte eine KnorrBremse Vertretung in Ihrer Nähe oder besuchen Sie unsere Website www.knorr-bremse.com. Die Bildmarke „K” und die Marken KNORR und KNORR-BREMSE sind eingetragene Rechte der Knorr-Bremse AG. Copyright 2014 © Knorr-Bremse
AG – alle Rechte vorbehalten einschließlich angemeldeter gewerblicher Schutzrechte. Knorr-Bremse AG behält sich jegliche Verfügungsgewalt über Vervielfältigungen und Übertragungen vor.
Dr. Ansgar Brockmeyer
Mitglied der Geschäftsführung
Knorr-Bremse Asia Pacific (Holding) Ltd.
Editorial
Millionenstädte bauen neue Metronetze, weitere Hochgeschwindigkeitsstrecken sind in Planung, effiziente Schwerlastlokomotiven und moderne Wagen verbinden Wirtschaftszentren
untereinander. Lassen Sie uns mit dieser Ausgabe des Informers einen Blick auf ausgewählte
Wachstumsmärkte der Branche werfen. China, Indien, Brasilien, die Türkei, aber auch Südafrika gehören jeweils auf ihre ganz eigene Art zu den sogenannten Emerging Markets des
weltweiten Schienenverkehrs.
Das spiegelt sich auch bei Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge wider, deren Umsatz in den Regionen stetig steigt. Zufall ist das nicht. Unser Wachstum ist dort deshalb so
groß, weil wir unseren Kunden ganz wesentliche Dinge vor Ort bieten können: Innovationskraft, herausragende Systemkompetenz und exzellenten Service.
Eine Information für Kunden
und Partner von Knorr-Bremse
Impressum:
Herausgeber:
Knorr-Bremse
Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH
Marketing: Katharina Bachem
Moosacher Straße 80
80809 München
Deutschland
Tel. +49 89 3547-0
Fax +49 89 3547-2767
www.knorr-bremse.com
Umsetzung: KB Media GmbH, Heidrun Moll
Layout, Grafik: Cathrin Huber
Text: Thorsten Rienth
Druck: Pera Druck GmbH
In China beispielsweise bauen wir gerade die Engineering-Kapazitäten aus, um auch unter
engen zeitlichen Rahmenbedingungen lieferfähig zu sein. In Indien und Brasilien eröffnete
Knorr-Bremse unlängst neue Werke. Die in der Türkei von uns neu gegründete Knorr-Bremse
Gesellschaft Knorr-Bremse Türkei fügt sich in die langfristige Strategie des Konzerns perfekt
ein und ermöglicht uns in allen wesentlichen Schienenverkehrsmärkten vor Ort präsent zu
sein. Allen voran durch Investitionen in Hochgeschwindigkeitsstrecken, Nahverkehrsnetze
und den Güterverkehr ist der Markt in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Im Interview erklären zwei unserer Türkei-Experten, warum sich dieses Wachstum fortsetzen wird.
Jenseits von China, Indien, Brasilien, der Türkei und Südafrika stellt Ihnen diese Ausgabe des
Informers aber noch zahlreiche weitere interessante Themen vor. Lesen Sie beispielsweise,
wie Knorr-Bremse Modernisierungsprojekte jetzt mit einer eigenen Engineering-Abteilung
unterstützt. Oder wie unsere Ingenieure aufwendige Versuchsreihen an Prototypen inzwischen mit computersimulierten Prüfverfahren ersetzen. Sehr lesenswert ist auch der Artikel
über ein System, das unsere nordamerikanischen Kollegen von New York Air Brake (NYAB)
entwickelt haben: Sie erweiterten das bewährte EP-60-Bremssystem um eine ausgeklügelte Smart-Car-Applikation, die Ladeluken und Endladeöffnungen von Güterwagen steuern
kann.
Und nun hoffe ich, dass Sie wieder viel Freude beim Entdecken und Lesen der spannenden
Themen dieser Ausgabe haben.
Dr. Ansgar Brockmeyer
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News
Wechsel in der Knorr-Bremse Geschäftsführung
Dr. Peter Radina wird zum 1. Juni als weiteres Mitglied der Geschäftsführung von Knorr-Bremse Systeme
für Schienenfahrzeuge bestellt. Er folgt auf Dr. Albrecht Köhler, der sich beruflich neuen Herausforderungen und Aufgaben widmet. Dr. Radina ist seit Februar 2000 innerhalb des Konzerns tätig. Zunächst
führte er den Bereich Vertrieb & Systeme für verschiedene Fahrzeugkategorien und war in dieser Funktion
maßgeblich am erfolgreichen Markteintritt in China für Lokomotiven und Hochgeschwindigkeitszüge beteiligt. Zuletzt war er Vorsitzender der Geschäftsführung bei der Knorr-Bremse GmbH in Österreich. Dort
leistete er einen maßgeblichen Beitrag zur profitablen Ausrichtung des Türengeschäfts der Knorr-Bremse
Rail Group.
▲ Dr. Peter Radina
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Neue gesellschaft:
Knorr-Bremse Türkei
Seit Ende April ist die neue Knorr-Bremse Gesellschaft
Knorr-Bremse Türkei voll betriebsfähig. Der Konzern
hat damit erfolgreich die Weichen für einen weiteren
Wachstumsimpuls gesetzt. Die Gründung der neuen
Gesellschaft fügt sich in die langfristige Strategie des
Konzerns ein, in allen wesentlichen Schienenverkehrsmärkten vor Ort präsent zu sein.
Der türkische Markt ist in den vergangenen Jahren besonders durch die Investitionen in Hochgeschwindigkeitsstrecken, Nahverkehrsnetze und den Güterverkehr
rasant gewachsen. Dieses Wachstum wird sich fortsetzen. Die staatliche Eisenbahngesellschaft der Türkei,
TCDD, plant bis zum Jahr 2023 weitere 24 Milliarden USDollar zu investieren. Bis ins Jahr 2035 sollen die Investitionen nahezu 45 Milliarden US-Dollar betragen. Die
neue Gesellschaft bündelt die Tätigkeiten in den Bereichen Brems-, Tür- und Klimasysteme unter einem Dach.
Des Weiteren erleichtert Knorr-Bremse Türkei eine rasche Umsetzung zukünftiger Lokalisierungen sowie den
effektiven Einsatz von Field Service Teams vor Ort. Durch
die Implementierung einer strategischen Einkaufsfunktion kann zukünftig das Potential der türkischen Supplier
Base für die Knorr Gruppe genützt werden. Darüber
hinaus plant das Unternehmen im Bereich RailServcies
den Betreibern eine Vielzahl von unterschiedlichen Servicemodellen anzubieten sowie eine umfangreiche türkische Zuliefererbasis aufzubauen.
VV1000T-Feldversuche
erfolgreich beendet
Die Knorr-Bremse Tochter New York Air Brake (NYAB) hat die
ersten umfangreichen Feldversuche mit dem neuen ölfreien
Kompressor VV1000T erfolgreich abgeschlossen. Die Tests hatten Anfang des Jahres 2010 beim Betreiber Norfolk Southern
Railway begonnen, um die Leistung sowie den Einfluss auf die
Lebenszykluskosten und die Umwelt unter realen Einsatzbedingungen zu überprüfen. Die Zuverlässigkeit ölgeschmierter
Kompressoren und deren aufwendige Überholung stellte für
Eisenbahnen lange Zeit ein Problem dar. Mit dem VV1000T
entwickelte Knorr-Bremse den ersten Hochleistungskompressor für schwere Güterzüge, der gänzlich ohne Öl auskommt.
NYAB erhielt für das neue Produkt bereits zahlreiche Aufträge.
▲ VV1000T – der erste Hochleistungskompressor für schwere Güterzüge.
RusslanD-Kompetenz zahlt sich aus
An den neuen vierachsigen Doppellokomotiven mit Zweisystemtechnik, die Bombardier Transportation im Rahmen des neu gegründeten Joint Ventures „First Locomotive Company“ mit dem russischen Metallbauunternehmen ZMK herstellt, ist Knorr-Bremse umfangreich beteiligt. Das Unternehmen zeichnet für das komplette GOST-Bremssystem der TRAXX RUSSIA-Lokomotiven verantwortlich.
Es besteht aus bewährten Komponenten für den russischen Markt, beispielsweise der Bremssteuerung BP compact, dem Steuerventil KAB60 und der Klotzbremseinheit PEC7. Sämtliche Systembestandteile sind auf Tieftemperaturen bis -50 Grad Celsius ausgelegt.
© PESA
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▲ Die Link-Fahrzeuge von PESA setzen neue Standards.
IFE rüstet PESA DB-Link mit Türen und
Schiebetritten aus
Alle Fahrzeuge sind klimatisiert, haben Mehrzweckabteile sowie Rollstuhlplätze. An zahlreichen
Plätzen stehen den Passagieren Steckdosen zur Verfügung und Bildschirme informieren in Echtzeit
über die nächsten Haltestellen und die dortigen Anschlüsse. Mit den bis zu 470 Link-Fahrzeugen
des polnischen Herstellers PESA möchte die Deutsche Bahn neue Standards im Regionalverkehr
setzen. Für die DB-Homologierung fertigt PESA einen 1-Teiler und einen 3-Teiler als Prototypzüge,
die im Laufe des Jahres 2014 in den Testbetrieb gehen. Die Knorr-Bremse Tochter IFE rüstet diese
Züge mit Türsystemen, Fahrerstandtüren und Schiebetritten aus.
Der Lieferumfang für den deutschen Markt besteht aus einem mit Sandwichtürflügeln ausgestatteten E3L-e2 Türsystem mit den Spezifika Lichtgitter und Blindenleiste am Türflügel. Die Schiebetritte
sind mit einer elektrischen Schaltleiste und Gewichtsdetektion versehen. Die Deutsche Bahn hat
den ersten Serienabruf aus dieser Plattform mit 36 Zügen für das Sauerland an PESA bereits erteilt.
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News
LEADER-Langzeitversuche zeigen deutliche
Einsparpotentiale
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Knorr-Bremse testet gerade mit mehreren europäischen
Kunden in Langzeitversuchen das jeweilige Energie-Einsparpotential durch das Fahrerassistenzsystem LEADER. Einer dieser Kunden ist die österreichische Bahngesellschaft
WESTbahn, die auf der Strecke zwischen Wien und Salzburg verkehrt. Für den Einsatz im Personenverkehr greift
das System auf eine Datenbank mit Informationen über
Zug, Strecke, Geschwindigkeit sowie Fahrplan zurück. Auf
einem Display im Führerstand empfiehlt es dem Fahrer unter der Prämisse der Fahrplaneinhaltung die jeweils aktuell
effizienteste Fahrweise. Neben Energieeinsparung und verbesserter Pünktlichkeit reduziert diese vorausschauende
Fahrweise auch den Verschleiß der Bremsen. Parallel zu den
Personenverkehren testet Knorr-Bremse auch in der Praxis
eine speziell auf den europäischen Markt ausgerichtete
LEADER-Variante für Schienengüterverkehrsunternehmen.
▲ Die österreichische Bahngesellschaft WESTbahn testet das
Fahrerassistenzsystem LEADER.
BPLE holt
CNA-Innovationspreis
Brake Pipe Length Estimation (BPLE) von Knorr-Bremse ist
der Träger des CNA Innovationspreises 2014 „Intelligenz
für Verkehr und Logistik“. Hinter dem System verbirgt sich
eine Möglichkeit, Bremsproben mit technischen Mitteln
zu unterstützen und so einen Beitrag zu leisten, Unfälle im
Bahnverkehr zu vermeiden. BPLE stellt eine bisher nicht da
gewesene Verbindung aus messtechnisch erfassten Parametern und spezifischen Zuständen des Bremssystems dar,
welche eine Verifikation der Durchgängigkeit der Hauptluftleitung in vergleichbarer Genauigkeit erlaubt. Das Nürnberger Center für Transportation & Logistics Neuer Adler
zeichnet mit dem Innovationspreis einmal jährlich Firmen
aus, die durch innovative Dienstleistungen oder Produkte
einen außerordentlichen Beitrag zum nachhaltigen Wachstum, zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zum Erhalt der
Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft in Bayern leisten.
Knorr-Bremse
unterstützt
Shift2Rail-Initiative
Shift2Rail ist eine gemeinsame Technologieinitiative der
Europäischen Kommission sowie der europäischen Bahnindustrie und ein erster Schritt, um durch Forschung und
Innovationen den verkehrs- und umweltpolitischen Zielen
der Zukunft in Europa zu entsprechen. Das sechsjährige Arbeitsprogramm ist Bestandteil des Forschungsprogramms
„Horizon 2020“. Sein Gesamtbudget soll 900 Millionen Euro
betragen und paritätisch von der Bahnindustrie und der EU
getragen werden. Auch Knorr-Bremse wird sich umfangreich an der Initiative beteiligen und seine spezifischen
Kompetenzen einbringen. Erwartet werden von Shift2Rail
Innovationsschübe für die Bahnindustrie, eine erhebliche
Reduzierung der Systemkosten des Schienenverkehrs
sowie eine Erhöhung der Kapazität und Attraktivität des
Bahnsystems. Weitere wesentliche Erfolgsparameter betreffen soziale und ökologische Aspekte wie Lärm und
Energieverbrauch.
Technischer
Innovationskreis
Schienengüterverkehr
▲ Hochschule für Angewandte Wissenschaften München.
Knorr-Bremse in
HochschulBeirat
berufen
Beiräte von Masterstudiengängen sollen den Wissenstransfer zwischen Hochschulen und Unternehmen fördern, den
Bekanntheitsgrad der Firmen bei den Studierenden erhöhen oder die Studiengangkommission in fachlichen Fragen
beraten. Dies sind u.a. auch Aufgabenbereiche des Beirats
des Masterstudiengangs „Mechatronik/Feinwerktechnik“
an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften München. Im Gegenzug erhalten Unternehmen die Möglichkeit, talentierte Nachwuchskräfte bereits direkt an der
Universität zu gewinnen. Seit Anfang des Jahres verstärkt
Knorr-Bremse den Beirat dieses Münchner Masterstudiengangs. Berufen wurde Dr. Gert Fregien, der bei Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge GmbH sowohl den Bereich „Innovation & Technologie“ leitet als auch die Aufgabe
„Betreuung Bahnbetreiber“ wahrnimmt.
Knorr-Bremse und acht weitere Unternehmen aus dem
Schienengütersektor – Wagenhalter, Eisenbahnverkehrsunternehmen, Bahnindustrie, Verlader – sowie Eisenbahnlehrstühle der Technischen Universitäten in Dresden und Berlin
haben sich zum „Technischen Innovationskreis Schienengüterverkehr“ zusammengeschlossen. Ziel ist es, zukünftige Wachstumschancen für den Schienengüterverkehr
und den Eisenbahngüterwagen frühzeitig zu erkennen,
zu analysieren und erstmals mit allen beteiligten Akteuren
zukunftsweisende Lösungen zu erarbeiten. Beispielsweise
ist ein wesentlicher Aspekt die Einführung eines Telematikbasierten Standards, der nicht nur die Ladungsüberwachung bereitstellt, sondern auch die Überwachung und
Ermittlung der notwendigen Instandhaltungsbedarfe und
-intervalle der Güterwagen in Echtzeit ermöglicht sowie
dem Betreiber Informationen zum nächstgelegenen Instandhalter vermittelt.
Durch die europaweit einsetzbare Technik kann der Betreiber Betriebskosten reduzieren sowie die Verfügbarkeit der
Güterwagen erhöhen. Auch wird erwartet, dass der benötigte Wagenbestand durch optimierte Logistikprozesse um
20 Prozent reduziert werden kann.
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Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Titelthema
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aimy27feb / Shutterstock.com
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Weltweite Wachstumsmärkte
Energieeffizienz, Sicherheit, Urbanisierung und
Globalisierung sind die Megatrends der weltweiten
Schienenfahrzeugindustrie. Insbesondere in den aufstrebenden Märkten steht die
Branche vor entscheidenden Herausforderungen. Mit unternehmerischem Weitblick baut Knorr-Bremse seine
globale Präsenz vor allem in diesen Wachstumsmärkten aus. Neue Produktionsstätten in Brasilien, Indien sowie
die neue Knorr-Bremse Gesellschaft Knorr-Bremse Türkei erfüllen stets die höchsten Ansprüche an moderne
Logistik und Ökologie. Um seinen Kunden auch in Zukunft State-of-the-Art-Lösungen anbieten zu können,
verstärkt Knorr-Bremse auch seine Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten vor Ort.
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Titelthema
Ein Fest für die Schiene
Hochgeschwindigkeitsstrecken, Metrosysteme, tausende
neuer Lokomotiven. Wer vor 20 Jahren in China war und heute wiederkommt, wird das Land
von einer anderen Seite kennenlernen. Auf diesem zurzeit mit am schnellsten wachsenden Schienenverkehrsmarkt der Welt ist Knorr-Bremse eine feste Größe.
Schienenverkehrsinfrastruktur und in den
Schienenverkehr des Landes aus. Für das
Jahr 2014 wird eine Rekordproduktionsleistung der chinesischen Bahnindustrie erwartet.
Lieferfähigkeit gefragt
10
Weihnachten 2012 waren stolze Tage für
China. Damals eröffnete das Land feierlich
die längste Hochgeschwindigkeitsstrecke
der Welt. Sie verbindet die Hauptstadt Peking mit der südchinesischen Metropole
Guangzhou, ist 2.298 Kilometer lang und
verkürzt die Reisezeit von über 20 Stunden um die Hälfte. Seither gibt es zwischen
Peking und Guangzhou eine ernsthafte
Konkurrenz zum Flugzeug. Dies wird bald
auch auf zahlreichen anderen Strecken des
Landes der Fall sein. Von heute rund 10.000
Streckenkilometern will die Regierung das
Hochgeschwindigkeitsnetz in den kommenden Jahren auf 19.000 Kilometer ausbauen. In ferner Zukunft könnten daraus
geradezu astronomische 50.000 Kilometer
werden.
Knorr-Bremse war eines der ersten westlichen Unternehmen auf dem chinesischen
Schienenverkehrsmarkt; die ersten Kontakte
gab es bereits Ende der 1970er Jahre. Im
Jahr 1985 gründete Knorr-Bremse in Hongkong seine Asienzentrale. Seit dem ersten
Auftrag im Jahr 1990 – die Ausstattung der
U-Bahn in Shanghai mit Bremssystemen –
baute das Unternehmen seine führende
Position auf dem chinesischen Markt kontinuierlich aus. Inklusive Joint Ventures
unterhält Knorr-Bremse in China heute 13
Produktionsstandorte, die die hohen Lokalisierungsanforderungen des Landes erfüllen
und gleichzeitig die gewohnt hohen KnorrBremse Qualitätsstandards sicherstellen.
Für 2014 wird ein
Rekordjahr erwartet
Bis heute wurden im Nahverkehrssektor an
20 Städte mehr als 13.000 Metros mit KnorrBremse Bremssystemen ausgeliefert oder
liegen als Bestellung vor. Bei den Lokomotiven wurden über etwa 7.500 Fahrzeuge
ausgerüstet, im Hochgeschwindigkeitsbereich sogar über etwa 14.000 Wagen. 7.500
davon betreffen die Ausstattung mit Türsystemen und 3.000 mit Klimasystemen von
Knorr-Bremse. Alleine im vergangenen Jahr
bestellten die chinesischen Fahrzeughersteller bei Knorr-Bremse Bremssysteme für
mehr als 480 Hochgeschwindigkeitszüge.
Im Frühling 2013 lösten die Reformpläne
des chinesischen Eisenbahnministeriums
eine neue Welle von Investitionen in die
Die Lieferfähigkeit des Unternehmens trägt
im Wesentlichen dazu bei, dass Knorr-Bremse an vielen dieser Aufträge umfangreich
partizipieren kann. Die Herausforderung
in der Abwicklung besteht darin, innerhalb kürzester Zeit extrem hohe Liefervolumina abzuarbeiten – ein großer Teil der
Hochgeschwindigkeitsbestellungen
aus
dem Herbst 2013 soll bereits im Zeitraum
November 2013 bis Ende 2014 geliefert
werden. Das führt vereinzelt zu einem Kapazitätsanstieg von mehr als 150 Prozent,
der innerhalb weniger Monate umgesetzt
werden muss. Eine enge Abstimmung mit
den zahlreichen regionalen Lieferanten
ist dazu essenziell. Schon frühzeitig hatte
Knorr-Bremse Kapazitäten bei Lieferanten
und Spediteuren reserviert und diese in die
Abläufe des Produktionshochlaufs eingebunden.
2.800 Mitarbeiter beschäftigt Knorr-Bremse
in China derzeit. Die aktuellen Großaufträge steigern den Personalbedarf um etwa
30 Prozent. Über 400 Mitarbeiter stellen
spezifische Produktanpassungen über ein
lokales Engineering bereit. Und um den
reibungslosen Betrieb der gesamten Fahrzeugflotten sicherzustellen, stehen 400 Mitarbeiter in Field Service Teams und lokalen
Service Centern sieben Tage die Woche 24
Stunden rund um die Uhr den Kunden zur
Verfügung.
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Solider Subkontinent
Mehr als eine Milliarde Einwohner, etwa die Hälfte ist
durchschnittlich 25 Jahre alt, dazu ein kräftiges Wirtschaftswachstum und eine
stetig größer werdende Mittelschicht, die reisen möchte und deren Konsum den Warenverkehr weiter ankurbelt. Indien ist einer der weltweit am schnellsten wachsenden Schienenverkehrsmärkte.
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Die guten Auftragszahlen von Knorr-Bremse
India der vergangenen Jahre spiegeln das
relativ konstante Wirtschaftswachstum auf
dem Subkontinent wider. Obwohl die steigende Verschuldung und die Abwertung
der nationalen Währung nicht ohne Auswirkungen blieb, weisen viele Indikatoren auf
langfristige und solide Wachstumsraten hin.
Ein wesentlicher Faktor ist der geplante
Ausbau der indischen Infrastruktur. Ein modernes Schienenverkehrsnetz stellt eine
zentrale Säule dar und geht einher mit
der Modernisierung bereits im Einsatz befindender und der Bestellung neuer Fahrzeuge. In beiden Geschäftsbereichen ist
Knorr-Bremse India seit Jahren erfolgreich
tätig.
Neues Werk soll gestiegene Nachfrage decken
Um der in den letzten Jahren gestiegenen
Nachfrage zu entsprechen, hat Knorr-Bremse
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die Kapazitäten in der Nähe des bisherigen
Werks im nordindischen Faridabad erweitert. Ende vergangenen Jahres wurde im
etwa 30 Kilometer entfernten Palwal ein
neuer hochmoderner Standort eingeweiht.
Er umfasst etwa 26.000 Quadratmeter Fabrik- und Bürofläche. Rund 500 Mitarbeiter produzieren dort Bremssteuerungen,
Drehgestellausrüstungen und Lufttrockner.
Entsprechend der internationalen KnorrBremse Strategie werden die Komponenten
vorwiegend für den indischen Markt und in
enger Zusammenarbeit mit zertifizierten regionalen Zulieferern produziert.
Eine weitere Produktgruppe sind Kompressoren. Im Auftrag von Chittaranjan Locomotive Works, einer Tochtergesellschaft des
staatlichen Eisenbahnbetreibers Indian Railways, startete Knorr-Bremse India erst kürzlich mit der Serienproduktion eines ölfreien
Kompressors für Elektrolokomotiven. In
einem ersten Lieferabruf fertigt der Standort neben der laufenden Produktion für den
weltweiten Markt derzeit 140 Einheiten des
ölfreien Kompressors für Indian Railways.
Knorr-Bremse an
indischen Prestigeprojekten beteiligt
Durch die Kapazitätssteigerungen auf dem
Subkontinent kann Knorr-Bremse den Kundenanforderungen noch besser nachkommen – und ist dabei sehr erfolgreich. So
zertifizierte Indian Railways Knorr-Bremse
gerade zum bevorzugten Zulieferer der
neuesten Generation des CCB Bremssystems (Computer Controlled Brake System)
für Elektrolokomotiven. Hinzu kamen zwei
prestigeträchtige Markterfolge: die Entwicklung der kompletten Bremssysteme für die
Metros in Delhi und Hyderabad.
Für den Fahrzeugbauer Hyundai Rotem produziert Knorr-Bremse Bremssysteme für 57
Dreiteiler, die auf den drei Linien der Metro
Hyderabad eingesetzt werden. In Spitzen-
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zeiten werden die einzelnen Linien bis zu
50.000 Passagiere in der Stunde transportieren können. Mit der Konstruktion der Strecke tragen Betreiber und Stadt den engen
Platzverhältnissen der Großstadt Rechnung:
Die Gleise verlaufen überirdisch auf einem
Gleiskörper, der sich auf Stelzen befindet.
Die Eröffnung der Linien ist sukzessive für
den Zeitraum von Ende 2014 bis 2017 geplant.
Der Auftrag für die Metro Delhi verdeutlicht das Markt- und Wachstumspotential
Indiens – der Betreiber bestellte nicht weniger als 636 Wagen. Das neue Werk von
Knorr-Bremse – nach „Green Building Standards“ geplant und mit modernen Produktionstechnologien sowie einer optimierten
Standortlogistik ausgestattet – ist auf die
mit diesem Auftragsvolumen verbundene
Auslastung bestens vorbereitet.
Gemeinsames Technology Center mit
Knorr-Bremse Systeme für Nutzfahrzeuge
Im Technology Center India (TCI) am Standort in Pune bündelt der Schienen- und
der Nutzfahrzeugbereich von Knorr-Bremse unter einem Dach Ingenieurs- und
Entwicklungsdienstleistungen, um der stark wachsenden Bedeutung der asiatischpazifischen Region Rechnung zu tragen und das Produktportfolio entsprechend
den spezifischen Kundenanforderungen weiterzuentwickeln. Ein großer Schwerpunkt liegt hierbei auf der Softwareentwicklung, die Entwicklungsleistungen für
den Knorr-Bremse Konzern weltweit erbringen wird. Bis Ende 2014 sollen im TCI
insgesamt etwa 200 Mitarbeiter beschäftigt werden.
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Titelthema
Höchste Standards
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Mit dem Bau des modernen Werks in Itupeva setzt Knorr-Bremse die
höchsten Standards hinsichtlich Prozessorganisation, Arbeitseffizienz, Logistik und Qualität um. So wurden beispielweise in einem sogenannten
Lean-Conversion-Projekt die Produktionslinien hinsichtlich Effizienzsteigerungen am Arbeitsplatz optimiert. Das weiterentwickelte Logistikkonzept
zur Materialversorgung sowie die Optimierung der Fertigung und Montage führten zu einer deutlichen Verkürzung der Durchlaufzeiten innerhalb
des Werks. Auch auf ökologische Aspekte wurde beim Konzept der neuen
Fabrik ein besonderes Augenmerk gelegt, um den Energiebedarf sowie
die Betriebskosten zu reduzieren und Umweltressourcen zu schonen.
© Bombardier Transportation
▲ Bombardier Transportation liefert moderne Monorail-Systeme für die „Linie 15“ der brasilianischen Metropole São Paulo.
FuSSball, Samba & Big Business
Sommer, Sonne, Palmenstrand das ganze Jahr –
dieses Bild vermittelt Brasilien auf der einen Seite.
Anderseits stehen die Großstädte kurz vor dem Verkehrsinfarkt. Aufgrund dessen setzte vor etwa zehn
Jahren ein Umdenken ein und die Investitionen in öffentliche Nahverkehrssysteme nahmen rasant zu.
▲ Der hochmoderne Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsstandort von Knorr-Bremse in Itupeva.
Brasilien stand sprichwörtlich kopf an diesem Dienstag im Oktober des Jahres 2007.
Das Exekutivkomitee des Weltfußballverbands FIFA hatte gerade formell beschlossen, das Land zum zweiten Mal nach 1950
zum Gastgeber der Fußball-Weltmeisterschaft 2014 zu ernennen. In den Städten
wurde auf der Straße gefeiert, und hupende
Autocorsos fuhren um die Blocks. Die Freude war groß, das Ziel klar: Die brasilianische
Fußball-Nationalmannschaft, ehrfürchtig
Seleção – die Auswahl – genannt, soll den
Pokal holen.
Mit der Entscheidung für Brasilien als
Austragungsland starteten nicht nur die
Planungen für die teilweise neu zu errichtenden Fußballstadien. „Bereits Mitte der
2000er Jahre, als die Situation in den Großstädten immer unerträglicher wurde, begann die Politik, Gelder für öffentliche Nahverkehrssysteme bereitzustellen“, erklärt
Everton Pereira, Sales Director bei KnorrBremse Sistemas para Veículos Ferroviários
in Brasilien. Nach der Fußball-Weltmeisterschaft wird Brasilien 2016 die Olympischen
Sommerspiele in Rio de Janeiro ausrichten.
Für Investitionen in den Schienenverkehr
an den Austragungsorten sprachen also
verschiedene gute Gründe.
Neue Metrolinien in den
Metropolen, neue EMUund LRV-Projekte in den
GroSSstädten
Die Bevölkerung nahm die Angebote dankbar an. Inzwischen gehört das Vorortliniennetz des Betreibers Companhia Paulista de
Trens Metropolitanos (CPTM) in São Paulo zu
den passagierstärksten Schienennetzwerken der Welt. Deutlich mehr als zwei Millionen Passagiere nutzen die Züge täglich.
Mit 672 Einheiten sind weit mehr als die
Hälfte der Fahrzeuge mit Brems- und Türsystemen sowie 384 mit Klimasystemen von
Knorr-Bremse ausgestattet. Aktuell beteiligt
sich das Unternehmen an Ausschreibungen
für weitere 520 Wagen. Das CPTM-Netzwerk
wird weiter ausgebaut – die neue „Linie 13“
wird die Innenstadt mit dem internationalen Flughafen von São Paulo in Guarulhos
verbinden.
Ähnlich schnell wurden die Metrosysteme,
allen voran in den Metropolen Rio de Janei-
ro und São Paulo, ausgebaut und neue Linien eingeführt. Knorr-Bremse wurde mit der
Lieferung von Brems- und Türsystemen für
die neuen Fahrzeuge der „Linie 4“ sowie mit
Brems- und Klimasystemen für die neuen
„Linie 5“-Züge in São Paulo beauftragt. Für
die neuen Züge der „Linie 17“ liefert das Unternehmen erstmals das moderne EP2002Bremssystem nach Südamerika aus. Die
„Linie 15“ eines neuen Monorail-Netzwerkes
wird zudem mit Knorr-Bremse Bremssystemen unterwegs sein. „Auch an zahlreichen
EMU- und LRV-Projekten ist Knorr-Bremse
in verschiedenen Großstädten des Landes
umfangreich beteiligt“, berichtet Sales Director Pereira.
Neuer Standort setzt
neue MaSSstäbe
Knorr-Bremse ist seit 1977 in Brasilien aktiv.
Seitdem wurde das Geschäft mit Bremssystemen und Komponenten kontinuierlich
ausgebaut. Gerade im Zusammenhang
mit Infrastrukturprojekten ist die Nachfrage
nach Produkten und Systemen für Schienenfahrzeuge in Brasilien in den vergangenen Jahren gestiegen.
Dies führte beim Knorr-Bremse Werk in São
Paulo zu Kapazitätsengpässen, jedoch waren Erweiterungen vor Ort aus Platzmangel
nicht mehr möglich. Auf einer Fläche von
31.500 Quadratmetern entstand im 85 Kilometer entfernten Itupeva daher ein neuer
und hochmoderner Entwicklungs-, Produktions- und Vertriebsstandort. Seit Anfang Februar 2013 läuft der Betrieb auf Hochtouren.
Itupeva ist das größte Produktionswerk für
beide Geschäftsbereiche des Konzerns.
Für den Schienenfahrzeugbereich werden
Bremssteuerungen für Personen- und Güterzüge, Drehgestellausrüstungen und OnBoard-Systeme produziert und vertrieben.
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Dynamisches
Wachstum in der Türkei
Über den türkischen Schienenverkehrsmarkt und die
dortigen Aktivitäten von Knorr-Bremse sprach die Redaktion des
Informers mit Peter Karius, Director International Sales, und der für die Türkei zuständigen Area Managerin
Iris Gavarini.
Informer: Mit über 800.000 Quadratkilometern ist die Türkei mehr als doppelt
so groß wie Deutschland, die Bevölkerung zählt rund 77 Millionen Menschen.
Warum wird das Land trotzdem nicht als
Eisenbahn-Kernmarkt wahrgenommen?
Karius: In der Vergangenheit zogen andere
große europäische Märkte, nicht zuletzt wegen deren Hochgeschwindigkeitsnetzen,
einfach größere Aufmerksamkeit auf sich.
Der türkische Schienenverkehrsmarkt war
dagegen lange Zeit geprägt von traditionellen Eisenbahnfahrzeugen. Vor etwa zehn
Jahren begann sich das allerdings rasant zu
ändern: Die öffentlichen Investitionspläne
hatten zunehmend städtische Nahverkehrsprojekte und neue Regionalverbindungen
im Fokus. Zudem begannen die Planungen
für Hochgeschwindigkeitsstrecken.
Informer: Welche Kriterien kennzeichnen
den türkischen Schienenverkehrsmarkt?
Karius: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung ist vergleichsweise jung und Mobilität nimmt in der Gesellschaft einen immer
höheren Stellenwert ein. Aufgrund der
Landesgröße ist auch die Nachfrage nach
Transportleistungen auf der Schiene enorm
angestiegen.
Informer: Welche Auswirkungen hat das auf
die Fahrzeug-Investitionen der Betreiber?
Gavarini: Eine steigende Nachfrage nach
Schienentransportleistungen spiegelt sich
in steigenden Auftragszahlen wider. Den
Betreibern sind hochmoderne Fahrzeuge
extrem wichtig. Diese Einstellung setzt sich
fort bis zu den Subsystemen: Die Betreiber achten zum Beispiel sehr stark auf die
Stefan Holm / Shutterstock.com
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▲ Mit Bremssystemen von Knorr-Bremse und
Merak Klimaanlagen ausgestattet: die Hochgeschwindigkeitszüge in der Türkei.
Bremssysteme und Klimaanlagen, die in
ihren neuen Zügen verbaut werden sollen.
Informer: Ist das ein Grund, warum KnorrBremse gerade in der Türkei expandiert?
Karius: Wir wollen den zunehmenden Anforderungen und Bedarfen in der Türkei
vor Ort entsprechen und auch an diesem
Wachstum partizipieren. Die Türkei ist für
uns kein Neuland. Das Unternehmen hat
sich in der Vergangenheit als Systempartner
bei vielen verschiedenen Anwendungen
erfolgreich etablieren können. Vor dem Hintergrund der Wachstumsprognosen war es
ein logischer Schritt, unsere lokale Präsenz
durch die Gründung eines Tochterunternehmens in Ankara zu stärken.
Informer: In den vergangenen Jahren
weist die Türkei ein hohes Außenhandelsdefizit aus. Ist es in der Folge für ausländi-
sche Unternehmen schwieriger, in diesem
Markt Fuß zu fassen?
Gavarini: Die Situation ist vielschichtiger. Die
Türkei ist im Schienenverkehrsbereich sehr
an Know-how interessiert, das häufig aus
dem Ausland kommt. Im Gegenzug bietet
das Land Unternehmen wie Knorr-Bremse
gute Geschäftsperspektiven. Die Lokalisierungsanforderungen sind so gestaltet, dass
von einer Zusammenarbeit beide Seiten
profitieren.
Es geht bei der neuen Gesellschaft um mehr
als nur den Vertrieb von Bremssystemen.
Neben den steigenden Lokalisierungsanforderungen für OE-Lieferungen erfordern
die verwendeten hochkomplexen Systeme
mittel- und langfristig Serviceleistungen.
Mit unserem Bereich RailServices sind wir in
der Lage, den Betreibern eine Vielzahl von
unterschiedlichen Servicemodellen anzubieten.
Informer: Welche großen Projekte stehen
in dem Land bevor?
Karius: Knorr-Bremse hat bereits die ersten
beiden türkischen Hochgeschwindigkeitsprojekte mit Bremssystemen ausgestattet.
Kürzlich haben wir von Siemens eine Order
für die Systeme von sechs Velaro-Hochgeschwindigkeitszügen für die türkische
Staatsbahn erhalten. In den nächsten Jahren erwarten wir viele weitere Ausschreibungen und sehen bis zum Jahr 2023 den
Bedarf für über 100 zusätzliche Hochgeschwindigkeitszüge. Parallel werden die Metros in Istanbul und Ankara weiter wachsen.
Auch Straßenbahnen spielen im türkischen
Verkehrsmarkt eine immer wichtigere Rolle.
Zahlreiche mittelgroße Städte wie Kayseri,
Izmir oder Bursa bauen ihren Nahverkehr
aus oder planen gänzlich neue Netze.
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Titelthema
Blick in den Süden
Afrika ist ein Kontinent, in dem viele Länder kein Schienenverkehrsnetz unterhalten, das bestehende Fernverkehrsnetz teilweise wenig leistungs-
fähig ist und sich auf die Küstenregionen konzentriert. Anders ist es in Südafrika: Vor allem der Schienengüterverkehr spielt bei der Entwicklung des Landes eine große Rolle. Knorr-Bremse ist vor Ort stark vertreten.
18
▲ Die Service Center können alle kritischen Komponenten innerhalb von nur drei Tagen wieder ausliefern.
Etwas mehr als 1,2 Millionen Quadratkilometer misst die Fläche Südafrikas. Das Land
ist damit größer als Deutschland, Frankreich, die Benelux-Länder, Dänemark und
Österreich zusammen. Die Wirtschaftszentren des Landes sind jedoch weit voneinander entfernt und liegen nahezu alle an
den Tiefwasserhäfen an der Küste. Von Johannesburg im Nordosten, wo sich mit dem
City Deep Container Terminal das größte
Güterverkehrszentrum Afrikas befindet,
sind es etwa 600 Kilometer nach Durban
an der Nordostküste. Rund 1.000 Kilometer
misst die Strecke von Johannesburg nach
Port Elizabeth an der Ostküste und etwa
1.200 Kilometer nach Kapstadt an der Südwestküste. Was bei diesen geographischen
Gegebenheiten aus Zeitgründen nicht mit
dem Flugzeug transportiert wird, legt den
Weg meist über Schiene oder Straße zurück.
Das Verhältnis zwischen Straßengüter- und
Schienengüterverkehr beträgt derzeit 2:1
und soll, der Strategie des Betreibers Transnet zufolge, umgekehrt werden. Dies ist
auch der Grund, warum Transnet gerade
1.064 Lokomotiven ausschreibt und kürzlich die bevorzugten Anbieter mitteilte: CSR
Zelc mit 359 sowie Bombardier Transporta-
tion mit 240 Elektrolokomotiven; GE mit 233
und CNR D Loco mit 232 dieselelektrischen
Lokomotiven.
Etwas über 20.000 Kilometer beträgt das
südafrikanische Schienennetz derzeit. Auf
der schmalen Spurweite von 1.067 Millimetern gilt der AAR-Standard. Mehr als
die Hälfte der Strecken sind noch nicht
elektrifiziert und können nur mit Diesellokomotiven befahren werden. Etwa 74.000
Güterwagen sind dort aktuell unterwegs.
Alleine in diesem Jahr sollen 4.000 weitere
hinzukommen.
Schnelle Instandsetzung von DB60Steuerventilen
Knorr-Bremse ist auf dem Markt seit Ende
der 1960er Jahre vertreten. Heute beschäftigt Knorr-Bremse Südafrika in Gauteng
nahe Johannesburg, Durban, Richards Bay,
Ermelo, Kapstadt und Saldanha mehr als
200 Mitarbeiter. Seit jeher gehört KnorrBremse im südafrikanischen Schienen-
zu ferner Zukunft steht die nächste Premiere an. Der VV180T ist schon fast drei Jahre
ohne Überholung unterwegs.
Ein Großteil der Güterverkehrsstrecken in
Südafrika führt durch extrem staubige und
sandige Regionen. Wo eine große Anzahl
von Fahrzeugen unterwegs ist, sind effektive Servicestrukturen nötig. Den regionalen
Anforderungen entsprechend betreibt
Knorr-Bremse an zentralen Verkehrsknoten-
2010 änderte sich das – zwischen dem
internationalen Flughafen von Johannesburg, Johannesburg selbst und dem Vorort
Pretoria eröffnete das Land ein regionales
Eisenbahnnetz. An den Bahnhöfen wurden
zahlreiche Park-&-Ride-Anlagen errichtet,
ein Busnetz fungiert als regionaler Zubringer für die drei Streckenabschnitte.
Die eingesetzten „Gautrains“ sind aus mehreren Einheiten zusammengesetzt und
fahren mit einer Höchstgeschwindigkeit
von 160 km/h. Damit gehören sie zu den
schnellsten Elektrostars überhaupt. KnorrBremse stattete die Fahrzeuge umfangreich
mit dem elektropneumatischen Bremssystem inklusive ölfreiem Kompressor sowie
der Sandungsanlage aus. Darüber hinaus
rüstete die Knorr-Bremse Tochter IFE die
Züge mit Türen und Fahrerstandtüren
aus. Dank der erfolgreichen Entwicklung
des Angebots will es der Betreiber PRASA
(Passenger Rail Agency of South Africa) in
den nächsten Jahren erweitern. Auf Basis
eines 3,5-Milliarden-Euro-Auftrags liefert
Alstom in den nächsten zehn Jahren 600
neue EMUs mit der Option auf 600 weitere
© PRASA
verkehrsmarkt zu den technologischen
Schrittmachern. Zusammen mit General
Electric führte das Unternehmen „GE locotrol“ ein. Dieses System steht für einen
möglichst effizienten Eisenerztransport.
Knorr-Bremse lancierte das Bremssystem
S4200-ECP im Markt, das auf der „Kohle-Linie“ zwischen Ermelo und Richards Bay im
Osten betrieben wird. Außerdem brachte
Knorr-Bremse das computergesteuerte Lokomotivbremssystem CCBII nach Südafrika.
Derzeit sind etwa 80 Prozent der südafrikanischen Schienenfahrzeuge mit Systemen
von Knorr-Bremse ausgestattet. In nicht all-
punkten ein „Electronic Service Center“ sowie
ein „Mechanical Service Center“. Hier werden
sämtliche Serviceleistungen aller in Südafrika
betriebenen Bremssysteme durchgeführt.
Die Service Center können alle kritischen
Komponenten innerhalb von nur drei Tagen
wieder ausliefern.
Der südafrikanische
Passagierverkehr
Der südafrikanische Passagierverkehr ist im
Vergleich zum Güterverkehr weniger bedeutend. Mit der Fußball-Weltmeisterschaft
Fahrzeuge in den darauf folgenden zehn
Jahren.
Das erste Mal in etwa 40 Jahren investiert
Südafrika in seine Schieneninfrastruktur. Verbunden mit zu berücksichtigenden Lokalisierungsanforderungen stehen spannende
und herausfordernde Entwicklungen an.
Knorr-Bremse Südafrika ist gut aufgestellt,
diese Vorgaben zu erfüllen, und wird hoffentlich in der Lage sein, an dem Geschäft
umfangreich zu partizipieren.
19
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Engineering
▲ In den neuen Fahrzeugen der Metro Ankara werden Bremssysteme von
Knorr-Bremse verbaut.
20
Verstärkte Entwicklungskompetenz
Hochgeschwindigkeitszüge, Metros, StraSSenbahnen
oder Lokomotiven. Der chinesische Schienenverkehrsmarkt wächst rasant. Wer bei Projekten
den Zuschlag bekommen möchte, muss schnell liefern können. Knorr-Bremse reagiert darauf mit der Vergrößerung und Aufstockung seiner Entwicklerteams vor Ort.
Dr. Yangpei Xie, Konstruktionsleiter am
Standort Suzhou von Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge, kennt den
chinesischen Markt sehr gut. „Die Herausforderung liegt in seiner starken Volatilität.“
Entscheidungen für neue Schienenverkehrsprojekte fallen bisweilen in kürzester
Zeit. „Passiert das, ist es extrem wichtig, den
meist sehr straffen Zeitplan für die Lieferung
der Subsysteme auch umgehend verbindlich bestätigen zu können.“
Erhielt Knorr-Bremse in der Vergangenheit
Bestellungen von chinesischen Herstellern, wurden allen voran Entwicklungskapazitäten in Deutschland genutzt. Bei
komplexen Entwicklungen wie der eines
Bremssystems ist ein intensiver Abstimmungsprozess unvermeidbar. In der Folge
konnte das Fehlen einer schnellen, zuverlässigen Reaktionsfähigkeit in technischen An-
gelegenheiten Projekte in der Volksrepublik
ernsthaft gefährden.
Entwicklungsleistungen in Eigenregie
Knorr-Bremse pflegt bereits seit Ende der
1970er Jahren enge Kontakte nach China
und konnte seine führende Position dank
vieler erfolgreich umgesetzter Projekte kontinuierlich ausbauen. Weil sich aber insbesondere im Bereich Metros, Straßenbahnen
und Lokomotiven zusehends auch lokale
Hersteller von Bremssystemen etablieren,
nehmen kurze Reaktions- und Lieferzeiten
auf Basis einer starken technischen Kompetenz vor Ort bei Ausschreibungen einen
immer größeren Stellenwert ein.
Knorr-Bremse hat diese Entwicklung rechtzeitig vorhergesehen und darauf reagiert.
Waren am Standort in Suzhou im Jahr 2008
noch 35 System- und zwei Designentwickler beschäftigt, stieg die Zahl im Jahr 2013
auf 86 System- und 46 Designentwickler an.
Im Jahr 2017 soll der Standort in der Lage
sein – abgesehen von einigen wenigen
hochkomplizierten Projekten –, sämtliche
für lokale Projekte nötigen Entwicklungsleistungen in Eigenregie abzuwickeln. Um
dies sicherzustellen, wurden vor Ort parallel
zum Aufbau des Personals bereits Prüfstände für Funktions-, Dauerbelastungs- und
Niedertemperaturtests zwecks einer Designvalidierung in Betrieb genommen. Um
den hohen Anforderungen chinesischer
Kunden gerecht zu werden, soll zudem im
Jahr 2015 ein hochmoderner Rollenprüfstand am Standort Suzhou installiert werden.
▲ Entwicklerteams vor Ort entsprechen den
hohen Anforderungen chinesischer Kunden.
Deutlich reduzierte
Projektlaufzeit
Die Zwischenbilanz des bisher Erreichten ist
positiv.„Bei Metro- und Lokomotiv-Projekten
ist es durch den Ausbau der Kapazitäten
gelungen, die Projektlaufzeit innerhalb von
zwei Jahren um 60 Prozent zu reduzieren“,
erklärt Xie. Betrug die Projektdauer 2011 im
Durchschnitt rund 12 Monate, waren es im
Jahr 2013 nur noch fünf Monate.
Das erste Entwicklungsprojekt, das KnorrBremse Suzhou von den ersten technischen
Absprachen bis zum Beginn der Serienproduktion komplett selbst betreute, zeigt das
Potential hinter der Umstellung: Im September 2012 erfolgten die ersten Abstimmungsprozesse für Bremssysteme, die der
chinesische Hersteller ZELC seit vergangenem Jahr in neuen Fahrzeugen der Metro
Ankara verbaut. Am 26. Februar 2013 lieferte Knorr-Bremse die erste Einheit aus.
Erfolgversprechendes
„Simultaneous
Engineering“
Zeitgleich zum ersten Entwicklungsprojekt
adaptierten die Ingenieure die Konstruktionszeichnungen, und die mit der Lieferantenentwicklung betrauten Ingenieure
klärten die technischen Vorgaben mit einer örtlichen Gießerei. Gewissermaßen der
Schlüssel zu diesem Erfolg war „Simultaneous Engineering“: die frühzeitige und enge
Zusammenarbeit zwischen Systementwicklung, Design und Produktion bei zeitlich überlappenden Prozessen. „So etwas
ist allerdings nur dann möglich, wenn sich
alle beteiligten Projektmitglieder und Abteilungen an einem Ort befinden und eine
schnelle, unkomplizierte Zusammenarbeit
sichergestellt ist“, erklärt Xie.
Durch die Bündelung dieser Tätigkeiten vor
Ort entsteht aber auch ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Dank der wegfallenden
Sprachbarriere können sich chinesische
Knorr-Bremse Entwickler mit den Vertretern
örtlicher Waggonhersteller und -betreiber
ganz direkt austauschen. Zuvor waren die
meisten dieser Abstimmungen nur mit Unterstützung eines Dolmetschers möglich.
21
Informer | Ausgabe 37 | May 2014 | Engineering
Effektive
Entwicklungsunterstützung
Waren für sicherheitsrelevante Produkt- und Systemtests früher aufwendige Versuchsreihen an Prototypen
nötig, können Ingenieure heute eine Vielzahl von Tests mit computersimulierten Prüfverfahren durchfüh-
ren – zum Vorteil der Kunden.
Versuche mussten die Entwickler früher
wiederholt und aufwendig Veränderungen
und Adaptionen am Prüfstand vornehmen.
Dank den Computersimulationen können
Tests an den Prüfständen inzwischen immer
zielgerichteter ablaufen.
Simulationen
gewähren Qualität,
Leistungsfähigkeit und
Sicherheit
22
▲ Simulation eines Bremsvorgangs.
Wenn der Kompressor läuft, strömen an
ihm grüne, rote und orange Pfeile vorbei.
Je nach Länge und Intensität stehen sie
für einen bestimmten Druck und eine bestimmte Temperatur. Eine Bremszange zeigt
durch ihre Verfärbung an, welchen Verlauf
die Bremskraft nimmt und wo die Materialfestigkeit beim Bremsen ausgenutzt wird.
Beides ist möglich, weil der Kompressorlauf
und die Bremsung nicht auf einem Prüfstand erfolgen, sondern simuliert und an
einem Computer angezeigt werden. „So
können wir in einem sehr frühen Entwicklungsstadium sehen, wenn zum Beispiel ein
Teil des Kompressors noch stärker mit Kühlluft versorgt werden kann“, erklärt Dr. Frank
Günther, Leiter des Bereichs Technische
Analyse/Simulation bei Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge.
Am Computer könnte der Ingenieur beispielsweise am Lufteinlass ein zusätzliches
kleines Luftleitblech anfügen. „Ein weiterer
▲ Eine Vielzahl von Tests werden am Computer
simuliert.
Simulationslauf würde uns zeigen, ob die
gewünschte Verbesserung eingetreten
ist – oder ob das neue Leitblech vielleicht
unerwünschte Auswirkungen an einer anderen Stelle des Produkts hätte.“ Für diese
Das Beispiel vom Strömungsverlauf der
Kühlluft und der damit verbundene Effekt
auf die einzelnen Komponenten steht stellvertretend für das, was bei computersimulierten Prüfverfahren heutzutage möglich
ist. Kompressorenprüfstände werden jedoch auch weiterhin eingesetzt. Aber vor
allem erst dann, wenn es um die konkrete
Absicherung eines Produkts hinsichtlich seiner Qualität, Leistungsfähigkeit und Sicherheit geht.
Aufgrund des vorhandenen Bedarfs an
Simulationsleistungen und der Möglichkeiten, die immer komplexere Simulationen
bieten, baut Knorr-Bremse den Bereich
international kontinuierlich aus. „Die Computersimulation hat bei Knorr-Bremse SfS
bereits eine lange Tradition. In den vergangenen zehn Jahren haben sich die Simulationsleistungen bei uns zusätzlich annähernd
verdreifacht“, sagt Günther. Die Knorr-Bremse Teams in München, Budapest und im
indischen Faridabad verfolgen das Ziel, mit
rechnergestützten Methoden schon früh
für ausgereifte Produkte zu sorgen, und sind
in der Lage, die Simulationen für einen beachtlichen Teil des Weltmarkts anzubieten.
Davon profitieren in erster Linie die Kunden. Ihnen garantieren die computersimulierten Prüfverfahren ein Plus an Sicherheit
bei gleichzeitig komplexeren und technisch
immer ausgereifteren Systemen. Zudem
kann Knorr-Bremse deutlich schneller auf
spezifische Kundenanforderungen reagieren.
Die nächste Dimension:
Simulation eines ganzen
Bremssystems
Ermöglicht wird der immer umfassendere
Einsatz von Computersimulationen durch
die rasant steigende Rechenleistung. Bei
komplizierten Rechenmodellen, wie sie
heute an der Tagesordnung sind, hätten
die Computer in nicht allzu ferner Vergangenheit Wochen oder gar Monate benötigt
– heute sind Stunden oder Tage die Zeiteinheiten von Günther und seinen Kollegen. So
beschleunigt der technologische Fortschritt
die Abwicklung von Entwicklungsprojekten
enorm und ermöglicht die Simulation
selbst extrem komplexer Rechenmodelle
innerhalb kurzer Zeiträume.
Bei einem aktuellen Großprojekt von
Knorr-Bremse, dem Steuerventil KAB60
für russische Güterwagen, waren die Simulationen für den rechtzeitigen Projektabschluss wesentlicher Bestandteil. Dort
setzte sie das Unternehmen nicht nur bei
der Validierung der einzelnen Komponenten umfangreich ein. Sondern die Ingenieure simulierten schon zu einem sehr
frühen Zeitpunkt das Zusammenspiel der
einzelnen Ventile im gesamten Zugverband. Diese System- und Zugsimulation
wurde von Knorr-Bremse seit Jahren stetig
weiterentwickelt, spart Zeit, Aufwand und
sichert die Funktion schon in frühen Entwicklungsstadien ab.
Visualisierte Daten
lassen Bildsequenzen
entstehen
„Die Aufgabe war, die Ventile in einem Güterzug mit 100 Wagen zu simulieren, dabei
einen sehr hohen Detaillierungsgrad für
jedes einzelne Ventil abzubilden und dessen Auswirkung auf das Bremsverhalten
des gesamten Zuges zu simulieren“, erklärt
Günther. „Gerade durch die Informationen
über die Interaktion der Ventile waren wir
in der Lage, das Gesamtsystem deutlich
zu verbessern – für uns als Systemlieferant
ist das immens wichtig.“ Eine enge Zusammenarbeit und Rückkopplung mit den Entwicklungs- und Versuchsabteilungen ver-
▲ Simulation der Luftumströmung eines Kompressors.
steht sich von selbst. Sie sichert ab, dass die
Simulationsmethoden stimmen.
So verschieden die konkreten Fragestellungen bei der Entwicklung von sicherheitsrelevanten Systemen auch sind: Das Grundprinzip der Simulationen ist stets ähnlich.
„Wir zerlegen am Rechner ein komplexes
Gebilde in unzählige kleine, handhabbare
und berechenbare Einheiten“, so Günther.
„Auf der Basis der Kriterien, die wir für den
Rechner definiert haben, berechnet er die
Einheiten und setzt die Ergebnisse dann zu
einem Gesamtbild zusammen.“ Dabei erhalten die Ingenieure große Datenmengen, die
die Grundlage einer jeden Entwicklungstätigkeit sind. Durch Bilder visualisiert und
schnell hintereinander abgespielt entsteht
auch eine Filmsequenz der Kühlluftströme
am Kompressor.
23
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Produkte
Steuerungen für den intelligenten
Güterverkehr
Die nordamerikanische Knorr-Bremse Tochter New York
Air Brake (NYAB) hat das EP-60-Bremssystem um eine ausgeklügelte Smart-Car-Applikation
erweitert: Das System kann jetzt Ladeluken von Güterwagen steuern und die Endladeöffnungen überwachen.
Zusätzlich informiert es den Fahrer über den Temperaturzustand und das Auftreten übermäßiger Vibrationen an
den Radlagern.
Neue Funktion nutzt
vorhandenes EP-60-Kommunikationsnetzwerk
24
▲ Vom Führerstand aus können Ladeluken und Entladeöffnungen gesteuert und die Temperatur
überwacht werden.
Das Anfang 2014 bei Etihad Rail, der staatlichen Bahngesellschaft der Vereinigten
Arabischen Emirate, in Betrieb genommene
System ist der nächste Schritt zu einem automatisierten Güterzugverkehr: Mussten
die Ladeluken und Entladeöffnungen bei
gedeckten Schüttgutwagen in der Vergangenheit manuell geöffnet und geschlossen
werden, kann dies der Lokführer nun zeitsparend und bequem von seinem Führerstand aus steuern.
Als Basiseinheit fungiert das elektropneumatische Bremssystem EP-60, mit dem insgesamt 240 Schwefelgranulatwagen des
chinesischen Herstellers CSR Yangtze Rolling
Stock sowie sieben Lokomotiven des Herstellers EMD ausgestattet wurden. Es überträgt das elektrische Bremssignal über das
bordinterne Kommunikationsnetzwerk von
der Lokomotive zu den Waggons und sorgt
für ein zeitgleiches Anlegen der Bremsen in
allen Wagen.
Das elektropneumatische Bremssystem
EP-60 stellt ein sofortiges Ansprechen der
Bremsen sicher und reduziert die während
des Verzögerungsvorgangs auftretenden
Zuglängskräfte. Je länger und schwerer Züge
sind, umso größer sind die positiven Auswirkungen auf den Verschleiß und die Optimierung der Lebenszykluskosten des Betreibers.
Eine Herausforderung stellte für NYAB nicht
nur die technologische Entwicklung der
Smart-Car-Applikation dar, sondern auch
der straffe Zeitplan: Im Dezember 2011
hatte das Unternehmen den Auftrag für die
EP-60-Weiterentwicklung erhalten. Schon
im November 2013 wurde der Zug mit allen Systemen in Betrieb genommen.
Die erweiterte Funktion für das Etihad-RailProjekt trägt die Bezeichnung Wagon Diagnostic & Hatch Operating Feature (WDHO).
Das System nutzt das bereits im Zug vorhandene EP-60-Kommunikationsnetzwerk
zur Überwachung der Lade- und Entladeluken der Wagen sowie der Achslagertemperatur und zum Öffnen und Schließen der Ladeluken. Jeder Wagen ist mit 13 drahtlosen
Sensoren ausgestattet, die eine kontinuierliche Anzeige von Zustandsinformationen
ermöglichen.
„NYAB sind die Ersten, die dies an einem
Güterwagen umgesetzt haben“, erklärt
Dr. Gert Fregien, Leiter des Bereichs Innovation & Technologie bei Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge.
Die Smart-Car-Applikation kann nicht nur
Funktionen steuern, sondern auch überwachen. Beispielsweise melden Heißlaufsensoren ins Führerhaus, wenn sich Achslagertemperaturen an einzelnen Wagen
gefährlich erhöhen. Des Weiteren verfügt
die Anwendung über einen Entgleisungsdetektor.
Sämtliche Komponenten des Systems
wurden für die Anwendung unter Wüstenbedingungen – wie sie in den Vereinigten
Arabischen Emiraten größtenteils herrschen
– adaptiert. Doch der Einsatz der Smart-CarApplikation ist auch in anderen Ländern
und Märkten denkbar: „Sie ist überall dort
interessant, wo Betreiber große Mengen
Schüttladung zuverlässig und zügig beund entladen wollen“, erklärt Fregien.
25
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Produkte
Herausfordernde Fahrzeug-Vielfalt
Noch machen Hydraulikbremssysteme nur einen kleinen
Teil des Knorr-Bremse Umsatzes aus. Mit der wachsenden Beliebtheit von
Straßenbahnen im chinesischen Nahverkehr beginnt sich dies zu ändern. Seit kurzem fertigt Knorr-Bremse in
Suzhou hydraulische Steuereinheiten und Krafterzeuger.
26
Der Eindruck, der chinesische Personenverkehr bestehe auf der Schiene vor allem
aus Hochgeschwindigkeits- und Metroprojekten, kommt nicht von ungefähr. Zwischen Peking und Guangzhou verläuft die
längste Hochgeschwindigkeitsstrecke der
Welt. Die großen Metropolen eröffnen eine
den Metrosystem erweitern möchte, sind
Straßenbahnen eine effiziente Option.“ Gebremst werden sie aufgrund des bei Niederflur-Straßenbahnen sehr eng bemessenen
Einbauraums mit hydraulischen Bremssystemen. Pneumatische Systeme wären für
diesen zu groß.
Kommunale Designrichtlinien erweitern
Fahrzeugvielfalt
Die Abwicklung der Aufträge ist dennoch
herausfordernd. „Bei der Logistik ist es erforderlich, die Lieferkette aus Europa auf ein
höheres Volumen vorzubereiten“, erklärt Dr.
© Bombardier Transportation
▲ In Kürze wurden Engineering-Kompetenz
und Kapazitäten für die Hydraulik im etablierten Werk in Suzhou aufgebaut.
▲ CSR Nanjing Puzhen Rolling Stock Co. Ltd. (CSR Puzhen), Partner von Bombardier Transportation,
lieferte im April die erste in Lizenz produzierte Straßenbahn in China aus.
Metro-Linie nach der anderen. Im Schatten
dieser bisweilen spektakulären Projekte etabliert sich gerade ein weiteres Personentransportmittel: Light Rail Vehicles (LRV),
also Straßenbahnen.
In 43 chinesischen Städten sind derzeit
131 Straßenbahnlinien mit rund 3.000 Streckenkilometern in der Ausschreibung bzw.
in der Realisierung. Und es wird weiter expandiert: 33 Städte planen aktuell neue Linien. Pingdingshan, Tangshan, Taizhou oder
Foshan – eine eigene Straßenbahn gehört
inzwischen zum Selbstverständnis einer
chinesischen Millionenstadt.
Ein weiteres Kriterium ist für die Fahrzeughersteller wichtig: „Die Qualitätsanforderungen sind bei hydraulischen Bremssystemen sehr hoch.“ Beträgt der Druck bei
einem pneumatischen System bis etwa
zehn bar, sind es bei hydraulischen Systemen meist zwischen 100 und 150 bar. Das
bewährte und weltweit einheitliche KnorrBremse Produktionssystem KPS sichert die
dazu nötige Qualität ab.
Im Jahr 2012 hatte Knorr-Bremse mit dem
Vertrieb von hydraulischen Bremssystemen
in China begonnen. Mit LRV-Bremssystemen für Linien in Liupanshui, Suzhou, Nanjing und Zhuhai erhielt das Unternehmen
im vergangenen Jahr die ersten Aufträge
aus dem Segment. „Die Fahrzeugbauer
schätzen sehr, dass wir vor Ort in unserem
etablierten Werk in Suzhou EngineeringKompetenz und Kapazitäten für die Hydraulik in kurzer Zeit aufgebaut haben, sie
in chinesischer Sprache kompetent beraten
sowie unsere hydraulischen Bremssysteme
lokal zuverlässig fertigen können“, weiß
Heitland.
StraSSenbahnen sind
im Vergleich zu Metros
günstig
„Straßenbahnnetzte sind vergleichsweise
günstig und schnell realisierbar“, erklärt
Andreas Heitland, verantwortlich für den
Vertrieb im LRV-Segment bei Knorr-Bremse
Systeme für Schienenfahrzeuge. „Für eine
Stadt, die noch kein starkes Nahverkehrsnetz hat oder es schnell zum bestehen-
Paul Ross, Produktionsleiter der Knorr-Bremse
für hydraulische Bremssysteme. „Andererseits werden wir Komponenten lokalisieren
– dem Anstieg der Nachfrage könnte zu
einem vertretbaren Aufwand aus Europa alleine gar nicht entsprochen werden.“
Gleichzeitig sind die Engineering-Teams
vor Ort extrem gefordert: 17 Fahrzeughersteller, die bisher Hochgeschwindigkeitszüge, Lokomotiven oder auch Güterwagen
hergestellt haben, drängen nun mit ihren
verschiedenen Anforderungen und Plattformen in den chinesischen LRV-Sektor.
Um ins Stadtbild zu passen, finden bei Straßenbahnen oft kommunale Designrichtlinien Anwendung. Damit nimmt nicht nur
die Vielfalt der Fahrzeugtypen zu, sondern
auch die der Bremssysteme. Bei allen Bemühungen, eine Standardisierung zu realisieren – das „eine“ LRV-Bremssystem „von
der Stange“, das sich schnell für alle Städte
produzieren ließe, gibt es daher nicht. „Sie
sind praktisch jedes Mal maßgeschneiderte
Einzelanfertigungen“, erklärt Heitland.
27
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Produkte
Erhöhte Verkehrssicherheit
Die Knorr-Bremse Gesellschaft Dr. techn. Josef Zelisko
GmbH rüstet seit über 50 Jahren Eisenbahnkreuzungen
mit Sicherungstechnik aus. Mit einer neuen Rotlichtüberwachung kann das Unter-
nehmen die Verkehrssicherheit nochmals erhöhen. Der Probebetrieb wurde Anfang 2014 erfolgreich abgeschlossen.
28
▲ Die neue Rotlichtüberwachung leistet wertvolle Unterstützung.
An Eisenbahnkreuzungen, die lediglich mit
Halbschranken oder Lichtzeichen gesichert
sind, kommt es immer wieder zu schweren
Unfällen. Die jährliche Anzahl an Unfällen
mit Personenschäden an reinen Lichtzei-
chenanlagen hat sich in Österreich seit dem
Jahr 2008 mit zuletzt 34 Unfällen mehr als
verdoppelt. Studien zur Verkehrssicherheit
zufolge ist ein wesentlicher Grund dafür
die stetig sinkende Aufmerksamkeit der
Autofahrer. Infolgedessen verstärken die
Behörden ihre Aktivitäten bei der Rotlichtüberwachung. Ein neues System von Zelisko leistet dabei wertvolle Unterstützung.
Erste Installationen an
österreichischen Eisenbahnkreuzungen
Durch den Einsatz von zwei mit Infrarot-Beleuchtung ausgestatteten Kameras funktioniert die Überwachung auch bei Dunkelheit
und schlechten Witterungsverhältnissen.
Eine Übersichtskamera fokussiert das Licht▲ Dank Infrarot-Kameras auch bei Dunkelheit
einsetzbar.
zeichen, die zweite Kamera erfasst das
Kennzeichen des Fahrzeugs. Überfährt ein
Verkehrsteilnehmer die Haltelinie, lösen
beide Kameras gleichzeitig aus und zeichnen somit den gesamten Straßenabschnitt
inklusive Signalgeber auf.
Das System ist patentiert und benötigt keine Verbindung zur Eisenbahnkreuzungssicherungsanlage. Ob das Rotlicht am Bahnübergang aktiviert ist, erkennt es von selbst.
Die Bilddaten werden schließlich über ein
LAN-Netzwerk auf einem Zentralrechner
gespeichert.
Nach über zwei Jahren erfolgreichem
Probebetrieb an einem Bahnübergang in
der Nähe des niederösterreichischen Allentsteigs soll das System im Laufe des
Jahres 2014 an mehreren österreichischen
Eisenbahnkreuzungen installiert werden.
© Christoph Groneck
© Christoph Groneck
StraSSenbahn und Bus zugleich
In der französischen Stadt Nancy werden StraSSenbahnen eingesetzt, die auch als Bus betrieben und eingesetzt werden können. Ein RailServices Team
unterstützt die Knorr-Bremse Gesellschaft Freinrail bei der Modernisierung der Einstiegssysteme der Fahrzeuge
und verlängert deren Lebenszyklus um bis zu zehn Jahre.
Die metallischen Silber- und Grautöne, das
moderne Design sowie die großen Fensterfronten geben den Bombardier-Fahrzeugen
einen futuristischen Anstrich. Die Straßenbahnen, mit denen der Betreiber Service de
transport de l’agglomération nancéienne
(STAN) in Nancy unterwegs ist, sind wahrlich etwas Besonderes. Mehr als die Hälfte
der 11,1 Kilometer langen Strecke der „Linie
1“ fahren sie als Straßenbahnen auf Gleisen, ansonsten als Oberleitungsbusse auf
der Straße.
Aufgrund dieser Aufteilung können einige Abschnitte der Linien 3 und 4 von der
Straßenbahn-Oberleitungsbus-Linie mitgenutzt werden: So wird das gummibereifte
Fahrzeug für eine 13-Prozent-Steigung eingesetzt und erspart auch in zwei Vororten
der Stadt die Verlegung weiterer Trassen.
Freinrail richtet
RailServices Team für
Einstiegssysteme ein
Im Jahr 2000 sind die ersten der 25 Fahrzeuge in Betrieb genommen worden.
Die Maßnahmen, die im Rahmen der
Modernisierung zu einer Verlängerung
des Lebenszyklus beitragen, betreffen
verschiedene Bereiche. Für die Modernisierung der Einstiegssysteme zeichnet
die französische Knorr-Bremse Gesellschaft Freinrail verantwortlich, die von
IFE Kematen unterstützt wird. Durch den
Austausch des Motors, der Bremse und
der Spindel werden sämtliche Hauptantriebskomponenten erneuert. Gleichzeitig installieren die Mitarbeiter gemäß der
PRM-Richtlinie (persons with reduced mobility) neue Taster.
▲ Ein RailServices Team unterstützt bei der
Modernisierung der Einstiegssysteme der Fahrzeuge.
Das Projekt startete im November 2013 und
soll im Mai 2015 abgeschlossen sein. Mit
der Einführung eines eigenen RailServices
Teams für Einstiegssysteme ist Freinrail auf
den wachsenden Modernisierungsbedarf in
Frankreich gut vorbereitet.
29
Informer | Ausgabe 37 | Mai 2014 | Services
© HOCHBAHN
30
In neuem Glanz
Im Sommer 1976 kam der Mikroprozessor Z80 auf den
Markt und konnte sich schnell bewähren: In den 1980er und 1990er
Jahren wird der Z80 hunderttausendfach in Industrieanwendungen – und auch in Bremssteuerungen – verbaut und so zu einer der erfolgreichsten 8-Bit-CPUs aller Zeiten. Nach vier Jahrzehnten zuverlässigem Dienst
neigt sich die Lebensdauer des Z80 dem Ende zu. Knorr-Bremse ist darauf vorbereitet und bietet Betreibern
und Fahrzeugeigentümern mit RailServices umfangreiche Alternativen. Denn RailServices kann auf dezidierte
Engineering-Kapazitäten zurückgreifen, die sich dank langjähriger Erfahrung und Kompetenz individuell mit
den Bedürfnissen der Kunden auseinandersetzen.
Die Entwicklung, insbesondere von Elektronikbauteilen, schreitet rasant voran. „Auf
Komponentenebene haben wir in der Elektronik heute Entwicklungszyklen von drei
bis fünf Jahren“, erklärt Werner Holzgethan,
der bei Knorr-Bremse Systeme für Schienenfahrzeuge viele Jahre das Thema Obsolescence Management, also die nicht mehr
vorhandene oder nur noch eingeschränkte
Verfügbarkeit von Produkten, betreut hat.
Lohnt sich heute die Fertigung eines elek-
tronischen Bauteils für einen Hersteller
nicht mehr, kündigt er es ab. Damit beginnt der Obsoleszenz-Prozess bei KnorrBremse: Gibt es ein Ersatzprodukt oder
womöglich ein Nachfolgeprodukt, dessen
Funktionalität vergleichbar ist mit der seines Vorgängers? Wenn das Ersatzprodukt
gefunden wurde, folgen umfangreiche und
langwierige Tests, um die Funktionalität des
kompletten Systems mit den neuen Komponenten sicherzustellen.
© HOCHBAHN
▲ Die HOCHBAHN in Hamburg ist eines der
modernsten Verkehrsunternehmen Europas.
Modernisierungsprojekte enden nicht
beim Design
„Wir müssen uns Lösungen überlegen, wie
wir den Betrieb von Systemen sicherstellen,
auch wenn die Komponenten nicht mehr
produziert werden“, erklärt Holzgethan die
Herausforderung. Ein Obsolescence Analyse
Tool überwacht bei Knorr-Bremse mit „End
of Life“-Analysen die kritischen Bauteile, insbesondere Elektronikkomponenten. Ausgewählte kritische Produkte lassen sich zudem
unter ganz speziellen Lagerbedingungen
über einen bestimmten Zeitraum vorhalten.
Diese Prozesse sind jedoch nicht unendlich
lange anwendbar.
„Irgendwann ist einfach der Zeitpunkt erreicht, an dem sich Betreiber Gedanken
über die Zukunft ihrer älteren Fahrzeuge
machen müssen.“ Erfolgt dies nicht, besteht die Gefahr, dass Fahrzeuge nach und
nach aufgrund der nicht vorhandenen
Lieferfähigkeit von Ersatzteilen ausfallen
und aus dem Betrieb genommen werden
müssen. Genau vorhersagen lassen sich
diese Zeitpunkte kaum. Zwar durchlaufen
bei Knorr-Bremse Bauteile sowie Gesamtsysteme beispielsweise extreme Vibrationsund Temperaturtests, auf lange Sicht haben
aber die realen Betriebsbedingungen einen
signifikanten Einfluss auf Alterung und Ausfallverhalten von Baugruppen. „Die Vielzahl
der Produkte und die unterschiedlichen Einsatzbedingungen erschweren eine genaue
Prognose“, weiß Holzgethan.
▲ RailServices Teams unterstützen den Kunden
bei Modernisierungsprojekten.
Aus diesem Grund setzt Knorr-Bremse
RailServices verstärkt auf die Vorbeugung
und frühzeitige Sensibilisierung der Fahrzeugeigentümer und -betreiber. „Die Strategie sollte nicht sein, sich erst dann Gedanken zu machen, wenn der Hersteller
eine Komponente abgekündigt hat“, erklärt
Reinhard Rauscher, verantwortlich u.a. für
den Vertrieb von Modernisierungsprojekten
bei Knorr-Bremse. „Wer hier mit Weitsicht
agiert, kann die Lebensdauer der Systeme
durchaus um zwei Jahrzehnte verlängern.“
Wichtig ist, dass Modernisierungsprojekte
nicht beim Design einer neuen Inneneinrichtung enden dürfen. „Es macht großen
Sinn, in diesem Rahmen auch die Fahrzeugkomponenten – insbesondere die Elektroniksteuerungen – mit zu betrachten, auch
wenn der Fahrgast eine Erneuerung dieser
Komponenten gar nicht wahrnimmt.“
Moderne ESRASteuerungen ersetzen
„alte“ Z80-Bremssteuerungen
Was Rauscher meint, wird am Beispiel des
Z80-Mikroprozessors deutlich, der in Bremssteuerungen umfangreich eingesetzt wurde. „Der Prozessor hat lange Zeit hervorragende Dienste geleistet, aber wer derzeit
sein Fahrzeug modernisiert, dem muss man
deutlich sagen: Den Z80 weitere 20 Jahre
zuverlässig in Betrieb zu halten, wird immer
schwieriger und unkalkulierbarer“, erklärt
Rauscher.
Bei einem aktuellen Projekt mit der Hamburger Hochbahn AG verfolgt KnorrBremse deshalb den Ansatz, bestehende
Z80-Bremssteuerungen
durch
moderne ESRA-Steuerungen (Electronic
System for Railway Application) zu ersetzen. Dieses zukunftsorientierte Bremssteuerungskonzept ist modular aufgebaut und so
ausgelegt, dass funktionskompatible Ersatzteile langfristig geliefert werden können.
Heute hat Knorr-Bremse mehr als 500.000
ESRA-Baugruppen im Feld. Eine kundenübergreifende, systematische Pflege der
ESRA-Produktfamilie bietet Synergien und
Vorteile für alle Kunden der Knorr-Bremse.
„Bei Modernisierungsprojekten muss man
gemeinsam mit dem Kunden tief in die
Details einsteigen, da die Schnittstellen,
im Gegensatz zu Neubauprojekten, meist
unveränderbar feststehen“, stellt Rauscher
klar. Ein wesentlicher Grund, warum KnorrBremse eine eigene Engineering-Abteilung
innerhalb des RailServices Teams aufbaute,
um Modernisierungsprojekte kompetent
und effektiv zu unterstützen.
Mehr als 100 Jahre Erfahrung in der Entwicklung, Herstellung und Instandhaltung
von innovativen Bremssystemen machen
Knorr-Bremse so auch bei Modernisierungsprojekten zum Servicepartner erster Wahl.
▲ Moderne ESRA-Steuerungen ersetzen
langgediente Z80-Bremssteuerungen.
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