Kappenprothesen

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Kappenprothesen
der Orthopädischen und Unfallchirurgischen Klinik
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Häufig gestellte Fragen zum Thema Oberflächenersatz
der Hüfte (Kappenprothesen)
Was ist ein Oberflächenersatz am Hüftgelenk?
Eigentlich ist die Arthrose eine Knorpelkrankheit und bei Verlust des Knorpels mit entsprechenden
Krankheitsbild wäre der Ersatz nur des Knorpels die Behandlung der Wahl. Wenn auch die neuen
Verfahren zur Knorpelzüchtung erfolgversprechend erscheinen, reichen die bisherigen Möglichkeiten
nicht aus, die gesamte lastübertragende Fläche eines Gelenkes zu sanieren. Schon in den Anfängen
des Gelenkersatzes des Hüftgelenkes versuchte man, den Knochen mit künstlichen Materialien zu
überziehen. Bisher scheiterten die Verfahren an den unzulänglichen Eigenschaften der künstlichen
Oberflächen, die entweder für die hohen Belastungen nicht stabil genug waren oder aber zu hohen
Verschleiß mit entsprechenden Folgen führten. Erst die Einführung der Metall-Metall-Paarung in den
Oberflächenersatz der Hüfte durch Derek McMinn konnten zuverlässige mittelfristige Erfolge nachgewiesen werden. Die auch in der herkömmlichen Endoprothetik der Hüfte erprobten Materialien aus
Kobalt-Chrom-Legierungen halten bisher den natürlichen Belastungen ausreichend Stand.
Warum wird von einigen Ärzten der Oberflächenersatz der Hüfte empfohlen?
Die langfristige Verbindung lebenden Knochens mit künstlichen Materialien ist aus verschiedenen
Gründen zeitlich begrenzt. Materialverschleiß und/oder Umbauvorgänge in der lebenden Substanz
führen langfristig zur Lockerung der eingesetzten Kunstgelenke. Wenn dann ein Wechsel des Kunstgelenkes erfolgen muß, sind die knöchernen Lager der Prothesenteile oft so stark geschädigt oder
verändert, daß das folgende Kunstgelenk schlechtere Langzeitaussichten besitzt. Oberflächenersatzprothesen führen meist nicht zu den ausgedehnten Veränderungen mit Verschlechterung der Knochenstruktur, so daß bei der Wechseloperation noch bessere Verhältnisse der knöchernen Strukturen
vorliegen als nach Scheitern von Prothesen mit Stielen. Dies gilt sowohl für die Oberflächenprothesen
von Hüfte und Knie wie auch für die sog. Kurzschaftprothesen oder "metaphysären" Prothesen des
Hüftgelenkes, wie z. B. der Druckscheibenprothese nach Huggler und Jacob.
Herausgeber: Prof. Dr. Johannes Stöve
Chefarzt Orthopädischen und
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Welche Vorteile bietet der Oberflächenersatz?
Wird bei der ersten Operation nur die Oberfläche ersetzt, bleiben die angrenzenden Strukturen des
Knochens funktionell und anatomisch intakt. Dies gilt auch für die sensiblen Strukturen des Gelenksystems, so daß die vergleichsweise schnelle Erholung der Funktionsfähigkeit des Gelenkes schon
allein dadurch verständlich wird. Auch für die schon in früheren Lebensaltern erforderlichen Operationen ergibt sich aus der Erhaltung der natürlichen Nachbarstrukturen der Vorteil, bei einem evtl. notwendig werdenen Wechsel des Oberflächengelenkes intakte Abschnitte der gelenktragenden Knochen für eine Standardprothese zu erhalten.
Welche Nachteile hat der Oberflächenersatz der Hüfte?
Zunächst sind die Langzeitergebnisse noch nicht bekannt. Derek McMinn hat die ersten Implantationen 1991 durchgeführt, in größeren Stückzahlen wird der Oberflächenersatz der Hüfte erst seit etwa
1996 verwendet. Aussagefähige 10-Jahres-Ergebnisse von unabhängigen Anwendern sind daher
noch nicht verfügbar. Vom Abrieb her wäre eine mechanisch Haltbarkeit über 30 Jahre dagegen
denkbar.
Allerdings bestehen gegen den Oberflächenersatz der Hüfte berechtigte Bedenken:
Neben den "üblichen" Risiken (Thrombose, Embolie, Blutung, Nervenschaden, Entzündung, Lockerung, Ausrenkung etc.) weisen die Oberflächenprothesen einige Nachteile auf, die gegen eine kritiklose allgemeine Verwendung sprechen:
1. Häufigste spezielle Komplikation ist der in den ersten 10 Wochen nach der Operation ein möglicher Schenkelhalsbruch (Häufigkeit zwischen 0,5 und 1,5% der Fälle). Eine entsprechende Entlastung für diese Zeit und eine vorsichtige Rehabilitation erscheint daher notwendig (Gehstöcke,
kein Krafttraining, keine Übungen gegen Widerstand oder am langen Hebel).
2. Seltener ist das Absterben des Knochens unter der Hüftkappe (0,5%), das innerhalb von ein bis
zwei Jahren zum Abrutschen der Kappe führen kann.
3. Immer wieder wird vor dem metallischen Abrieb gewarnt, der durch die Reibung im Metall-MetallGelenk entsteht. Während die Prothesen als Festkörper wie Edelmetalle im Körper stabil sind,
werden die winzigen Partikel des Abriebes im Körper entweder in bestimmten Zellen aufgenommen und gespeichert oder aber auch chemisch angegriffen und gelöst, so daß erhöhte Blutspiegel
von Kobalt und Chrom die Folge sind. Bisher konnte der Verdacht auf eine Keimschädigung oder
ein Langzeitrisiko, z. B. hinsichtlich einer Tumorförderung, nicht sicher ausgeschlossen, aber auch
nicht nachgewiesen werden. Langzeitstudien an Metall-Metall-Gelenken aus den 60-er Jahren
sprechen eher gegen ein Tumorrisiko durch Metallabrieb durch Endoprothesen.
4. Bedenken bestehen auch wegen denkbarer allergischer Reaktionen auf Metallabrieb. Eindeutige
Daten konnten bisher nicht erarbeitet werden (Stand 2004), das Risiko dürfte aber sehr gering
sein. Hautteste auf Allergie gegen Kobalt oder Chrom lassen nicht auf mögliche Reaktionen im
Körper schließen und sind daher vor einer Operation nicht zu empfehlen. Alternative Werkstoffe
(Keramik) sind nicht verfügbar, besser verträgliche, wie Titan, nicht stabil genug.
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Der Bewegungsumfang des Gelenks nach einer Kappenprothese soll
größer sein als nach herkömmlichen Hüftprothesen - Stimmt das?
Die Hüfte ist ein Kugelgelenk, bei der sich eine Kugel in einer etwa halbkugeligen Pfanne so weit bewegen kann, bis dass der Prothesenhals an den Pfannenrand anschlägt. Daraus ergibt sich die Bedeutung des Verhältnisses zwischen Kugel- und Schenkelhalsdurchmesser: Beträgt bei einer Standardprothese und einer Kugel von 28 mm Durchmesser ein Bewegungsumfang von ca. 124°, bei
einer Kugel von 32 mm einer von ca. 135°, so erscheint sich ein Vorteil von großen Kugeln zu ergeben. Dies trifft dann zu, wenn der Hals der metallischen Standardprothese weiter so dünn bleibt wie
bei der herkömmlichen Standardprothese. Bei der Kappenprothese bleibt aber der natürliche und
relativ dicke Schenkelhals bestehen, so daß es zu einem früheren Anschlag kommen kann. Schont
man den Knochen in der alten Hüftpfanne und verwendet die kleinste mögliche Pfanne, wird man
auch den kleinstmöglichen Kugelkopf verwenden. Der Bewegungsumfang eines solchen Oberflächengelenkes beträgt dann nur etwa 90°, bei weiterem Bewegungsausschlag wird der Schenkelhals
am Pfannenrand anschlagen und evtl die Hüftkopfkappe etwas aus dem Gelenk heraushebeln, was
z.B. in einem unguten Gefühl und manchmal einem Klicken im Gelenk führen wird. Kurz - ein Oberflächenersatz hat einen kleineren Bewegungsumfang als eine Standardprothese.
Bestehen Unterschiede zwischen den verschiedenen Kappenprothesen
einzelner Hersteller für das Hüftgelenk?
Alle Oberflächenersatzprothesen bestehen aus Legierungen von Kobalt, Chrom und Molybdän mit
einem Kohlenstoffzusatz, der durch die Bildung von Karbiden erst die Stabilität des Materials bewirkt.
Weitere wichtige Merkmale hinsichtlich der Langzeitstabilität sind Rundheit (Oberflächenunregelmäßigkeiten) und Gelenkspalt (Radiusdifferenz zwischen Pfanne und Kappe, "Clearance"). Diskutiert
werden vor allem die Form und die Größe der Karbide. Bisher bestehen keine gesicherten Daten, die
die Materialien des einen oder anderen Herstellers sicher belegen. Die Wahl eines Produktes richtet
bis auf weiteres nach der Verfügbarkeit einer passenden Größe für den einzelnen Fall. Auf jeden Fall
muß das Material hart genug sein (d.h., ausreichend Karbide enthalten) und die Oberflächenfertigung
muß bestimmte Toleranzen erfüllen.
Was muss bei der Nachbehandlung berücksichtigt werden?
Die wichtigste Komplikation besteht in einem Schenkelhalsbruch in den ersten postoperativen Wochen. Ursache sind möglicherweise die mechanische Schwächung des Knochens durch die notwendigen operativen Maßnahmen oder die Ermüdungsbrüche der Knochenbälkchen durch die Belastung
des Schenkelhalses in den ersten Wochen, in denen die das Hüftgelenk übergreifende Muskulatur
die Biegebelastungen des Schenkelhalses noch nicht kompensieren kann. Für sechs Wochen sind
alle Kraftübungen daher zu unterlassen, auf längeren Gehstrecken sollten zwei Unterarmgehstützen
verwendet werden. Autofahren ist wegen der noch bestehenden Koordinationsschwäche für sechs
Wochen nicht erlaubt. Bitte sprechen Sie die postoperativen Einschränkungen mit Ihrem behandelnden Arzt im Einzelnen ab.
Unter welchen Voraussetzungen ist ein Oberflächenersatz des Hüftgelenkes möglich?
Der Oberflächenersatz ersetzt nur den Knorpel. Ist der Knochen unter dem Knorpel in Form oder
Struktur wesentlich geschädigt, ist ein Oberflächenersatz durch eine Kappenprothese oft nicht mehr
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möglich. In solchen Fällen, wenn z.B. eine Dysplasiecoxarthrose, eine Hüftkopfnekrose oder ein Zustand nach Epiphysenlösung vorliegt, muß im Einzelfall nach Röntgenbild entschieden werden. Bitte
legen Sie Ihre Röntgenbilder dem operierendem Arzt Ihrer Wahl vor. In Grenzfällen wird oft erst intraoperativ entschieden werden können, ob noch ein Oberflächenersatz durch eine Kappenprothese
möglich ist oder ob auf alternative Prothesenmodelle zurückgegriffen werden muss.
Bis zu welchem Alter ist ein Oberflächenersatz möglich?
Wie sich aus den oben geschilderten Sachverhalten ergibt, stellt die Kappenprothese eine Lösung für
jüngere Patienten dar, die wahrscheinlich mit einer Prothese aufgrund der noch langen Lebenserwartung nicht auskommen. Der Oberflächenersatz ist sozusagen als "Vorprothese" anzusehen. Für ältere Patienten stellen die bisherigen Hüftprothesen ausgezeichnete und sichere Implantate dar. Wer
allerdings ein "knochensparendes" Prothesenmodell wünscht, sollte wegen der genannten speziellen
Risiken über eine geeignete Knochenstruktur verfügen. Große Knochendefekte oder eine fortgeschrittene Osteoporose sprechen gegen den Oberflächenersatz. Die Entscheidung für oder gegen die
Kappenprothese sollten im Einzelfall mit dem operierendem Arzt besprochen werden.
Muss ich mit zusätzlichen Kosten für die Kappenprothese rechnen?
Die in Deutschland gültigen Vergütungssysteme für Hüftprothesen ("diagnosis related groups, DRG's)
sehen für die Sachkosten (Implantate) und die Personalkosten im Operationssaal einen definierten
Betrag vor. Kappenprothesen sind wesentlich teurer als Stielprothesen, weiterhin sind die Personalkosten wegen der längeren Operationszeit höher. Viele Krankenhäuser lehnen daher den Einsatz der
Kappenprothesen zum Regelsatz der DRG's ab und verlangen zusätzlich Entgelte im Sinne einer
"Wahlleistung Implantat" ab. Fragen Sie vorher im Krankenhaus Ihrer Wahl nach den Zusatzkosten.
Auch die privaten Krankenkassen honorieren den besonderen ärztlichen Einsatz (Operationsdauer,
technische Schwierigkeit) nicht, so daß möglicherweise, je nach Krankenkasse, Eigenanteile an der
Arztrechnung bleiben.
Ist die Kappenprothese eine "minimal invasive" Operation?
Da der Hüftkopf bei dieser Methode erhalten bleibt, ist der Zugang zur Pfanne technisch wesentlich
schwieriger und der Eingriff erfordert in der Regel einen längeren Schnitt. Auch wenn heute versucht
wird, sehr schonend einen Oberflächenersatz einzusetzen, sind der Hautschnitt und der Eingriff im
Muskelbereich ggf. aufwendiger und größer als bei den Stielprothesen.
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