Ausgabe Nr. 03, März 2015 - DBB Beamtenbund und Tarifunion

Transcrição

Ausgabe Nr. 03, März 2015 - DBB Beamtenbund und Tarifunion
3
AiR Aktiv im Ruhestand
März 2015 – 66. Jahrgang
Partnerschaft im Alter:
Späte Heirat nicht
ausgeschlossen
Seite 8 <
BSV-Seminar für
Landesseniorenvertretungen:
Austausch von
Erfahrungen
Seite 18 <
Soziale Netzwerke
für Senioren:
Initiative schafft
Freunde
mit
dbb Seiten
Aktiv im Ruhestand
„Liebe und Partnerschaft im
Herbst des Lebens hat für Menschen eine andere Bedeutung als
in jungen Jahren. Ältere Menschen
sehnen sich nach Teilen, nach Anteilnahmen und auch danach, die
Richtung der Gedanken auf einen
Partner zu lenken. Etwas ,für jemanden zu tun‘, auf jemanden
stolz sein, sind wichtige Beweggründe im Alter, nach einer Partnerschaft Ausschau zu halten.
Diese Gründe sind auch in jun­gen Jahren vorhanden, werden
jedoch von an­deren Interessen
überdeckt und stehen nicht so
im Vordergrund des Strebens
nach Zweisamkeit.“
<< Schwerpunkt: Partnerschaft im Alter
Editorial
<<
Nachgefragt
<<
5
Prof. Dr. Volkmar Sigusch
5
Standpunkt
<<
Entscheidungen in jüngern Jahren –
Folgen im Alter
6
Kompakt
6
<<
Seminar für Mitglieder der
Landesseniorenvertretungen8
<<
3. Forum Behindertenpolitik
9
Blickpunkt
<<
Lebensmodelle der Senioren:
In Eh(r)en alt werden
10
Kompakt
10
<<
Einkommensrunde 2015
12
<<
Gespräch mit der
BBB-Senioren­kommission
12
Brennpunkt
<<
Partnervermittlung für Senioren:
Späte Heirat nicht ausgeschlossen
3
14
Vorgestellt
<<
Dr. Maria Bullermann-Benend
16
Medien
<<
14
Soziale Netzwerke für Senioren:
Initiative schafft Freunde
18
Aus den Ländern
Quelle:
www.herbstliebe.info > Partnerschaft
<<
<<
Impressum:
AiR – Aktiv im Ruhestand. Magazin des dbb für Ruhestandsbeamte, Rentner und
Hinterbliebene. Herausgeber: Bundesleitung des dbb beamtenbund und tarifunion,
Friedrichstraße 169/170, 10117 Berlin. Telefon: 030.4081-40. Telefax: 030.4081-5599.
Internet: www.dbb.de. Chefredakteur: Dr. Walter Schmitz (sm). Redak­tion: Christine
Bonath (cri), Jan Brenner (br) sowie Carl-Walter Bauer (cwb) und Cornelia Krüger (cok).
­Redaktionsschluss: 10. jeden Monats. Beiträge, die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichnet sind, geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder. „AiR – Aktiv im R
­ uhestand“ ­erscheint zehnmal im Jahr. Titelbild: © Gennadiy Poznyakov – Fotolia.com
Einsendungen zur Veröffent­lichung: Manuskripte und Leserzuschriften müssen an die
Redaktion geschickt werden mit dem Hinweis auf Veröffentlichung, andernfalls können die Beiträge nicht veröffentlicht werden. B
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Euro inkl. Porto und Versand. Für Mitglieder der BRH-Landesorganisationen ist der
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bitte schriftlich an den dbb verlag. Die Kündigungen des Jahresabonnements müssen bis zum 10. Dezember beim dbb verlag eingegangen sein, andernfalls muss der
Bezugspreis für das nächste Jahr bezahlt werden. Layout: Patrick Boetselaars, FDS,
Geldern. Verlag: dbb verlag gmbh. Internet: www.dbbverlag.de. E-Mail: kontakt@
dbbverlag.de. Verlagsort und Bestell­anschrift: Friedrichstraße 165, 10117 Berlin.
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02102.74023-99. E-Mail: ­[email protected]. Anzeigenleitung: Petra OpitzHannen, Telefon: 02102.74023-715. Anzeigenverkauf: Panagiotis Chrissovergis, Telefon:
02102.74023-714. Anzeigendisposition: Britta Urbanski, Telefon: 02102.74023-712. Anzeigentarif Nr. 56 (dbb magazin) und Aktiv im Ruhestand Nr. 43, gültig ab 1.10.2014. Druckauflage: dbb magazin 611.770 Exemplare (IVW 4/2014). Druckauf­lage AiR – Aktiv im
Ruhestand 35.500 Exemplare (IVW 4/2014), ­inkl. Auflagenanteil Seniorenmagazin.
Anzeigenschluss: 6 Wochen vor Erscheinen. Herstellung: L.N. Schaffrath GmbH & Co.
KG DruckMedien, Marktweg 42–50, 47608 Geldern. Gedruckt auf Papier aus elementar-chlorfrei gebleichtem Zellstoff. ISSN 1438-4841
Notstand in der Altenpflege:
Angemessene Löhne tariflich absichern 4
<<
16
NBB:
Landesseniorenvertetung gewählt
20
BRH NRW:
Senioren entdecken das Internet
20
BRH Sachsen:
Kontakte kennen kein Alter
21
Satire
Gewinnspiel
22
24
dbb
<
<
<
<
<
Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn:
dbb begrüßt Durchbruch
25
Gesetz zur Zwangstarifeinheit:
Überflüssig und verfassungswidrig
26
Einkommensrunde 2015:
Anschluss halten
30
Sozial- und Erziehungsdienst:
Ein starkes soziales Netz braucht Pflege
40
Interview:
Heike Werner, Vorsitzende der Arbeitsund Sozialministerkonferenz
46
> AiR | März
2015| > brh Inhalt
Anteil nehmen ...
Aktiv im Ruhestand
Notstand in der Altenpflege:
© Miriam Dörr – Fotolia.com
Angemessene Löhne tariflich absichern
Editorial
4
Pflegenotstand: Auch dieser Begriff hätte zum Unwort des Jahres getaugt,
denn er bezeichnet einen
seit Langem bekannten
Missstand, der beschworen, bedauert, bemängelt
aber nicht abgestellt, sondern zerredet wird. Doch
der Pflegenotstand, bedingt durch die demogra­
fische Entwicklung, zwingt
bereits jetzt und nicht erst
in einigen Jahren zum Handeln, wenn die Politik es
nicht auf eine Spaltung der
Gesellschaft ankommen
lassen will. Die schrumpfende Zahl der Jungen
will die wachsenden Kosten, die Pflege mit sich
bringt, nicht aufbringen,
die wachsende Zahl der
Alten, die mehr und län­ger
auf Pflege angewiesen
sind, haben ihrerseits kein
Verständnis dafür, wenn
der gesellschaftlichen Bedeutung der Pflegeberufe
in keiner Weise Rechnung
getragen wird und sich die
> AiR | März 2015
dringend benötigten Fachkräfte aufgrund schlechter
Arbeits- und Einkommensbedingungen nicht finden
lassen.
Der Pflegebevollmächtig­te der Bundesregierung,
Staatssekretär Karl-Josef
Laumann, hat diese „gefühlten“ Diskrepanzen
und Ungerechtigkeiten
jetzt in einer wissenschaftliche Studie durch das Institut für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB)
„Was man in den Pflegeberufen in Deutschland verdient“ aufarbeiten lassen.
Das Ergebnis ist erschreckend und unterstreicht
den dringenden Handlungsbedarf: 1 750 Euro
brutto verdient eine gelernte Altenpflegefachkraft in Sachsen-Anhalt –
auf einer Vollzeitstelle,
versteht sich; in BadenWürttemberg sind es
knapp 1 000 Euro mehr.
Im Bundesdurchschnitt
verdienen Altenpflegerinnen und -pfleger bis zu
19 Prozent weniger als
andere Fachkräfte, etwa in
der Krankenpflege. Zudem
hat nur rund jede zweite
beschäftigte Pflegefachkraft eine Vollzeitstelle.
Bei den Helferberufen in
der Pflege liegt die Teilzeitquote teilweise sogar deutlich über 70 Prozent.
Laumann fordert angesichts dieser Zahlen, dass
alle Beteiligten die richtigen Konsequenzen ziehen:
„Wenn in allen Bundesländern die Fachkräfte der Altenpflege gegenüber vergleichbaren anderen Fachkräften bis zu 19 Prozent
weniger verdienen, läuft
etwas falsch. Wir brauchen in der Altenpflege
endlich flächendeckend
faire und angemessene
Löhne, die von den Sozialpartnern in Tarifverträgen
vereinbart werden. Sonst
wird es immer schwieriger,
junge Menschen für diesen
wichtigen und anspruchsvollen Beruf zu begeistern.
Und die brauchen wir für
eine menschenwürdige
Pflege in unserem Land.
Ich schlage daher vor, dass
künftig die Pflegekassen
von allen Trägern der Pflegeeinrichtungen den Nachweis verlangen können,
ob ein angemessener Lohn
auch tatsächlich bezahlt
wird. Die hierfür nötige
Gesetzesänderung sollten
wir im Pflegestärkungsgesetz II verankern. Vor allem
aber brauchen wir starke
Gewerkschaften, die für
die Pflegekräfte eintreten
und die für einen anstän­
digen Tarifvertrag und für
einen fairen Lohn kämpfen. Das ist nicht Sache
der Politik.“
Beim dbb und der dbb
bundesseniorenvertretung
rennt der Pflegebevollmächtigte mit diesen Vorschlägen und Forderungen of­
fene Türen ein. Der Kommentar des Präsidenten
des Arbeitgeberverbands
Pflege, Thomas Greiner, zu
den Studiengergebnissen
grenzt indes an Rosinenpickerei: „Pflegefachkräfte
verdienen nach einer aktuellen Erhebung der Bundesregierung bundesdurchschnittlich 2 824 Euro. In
der deutschen Pflegewirtschaft werden Pflegefachund Pflegehilfskräfte anständig bezahlt. (...) Es gibt
keinen Nachholbedarf
mehr.“ Na, dann kann ja
nichts mehr schiefgehen.
Wie heißt es frei nach Norbert Blüm so schön? „Und
eines ist so sicher wie die
Rente: die Pflege.“
sm
?
Aktiv im Ruhestand
Eine Frage an
Prof. Dr. Volkmar Sigusch
Silver Sex oder Sexualität im Alter?
Doch Liberalisierungen haben oft auch eine Schattenseite. War noch zur Zeit der
sexuellen Revolution um
1968 für die Heranwachsenden die Sexualität ihrer Eltern ein Tabu, wird seit der
neosexuellen Revolution der
letzten Jahrzehnte so getan, als könnten und sollten alle Omas und Opas ein
üppiges Sexualleben haben,
als ginge das Altwerden nicht
mit Einschränkungen, Krankheiten und Verlusten einher.
Doch die Scheide ist nicht
mehr so geschmeidig und
der Penis nicht mehr so steif
wie in jungen Jahren. In einer Talkshow aber berichtet eine 79-Jährige, sie habe
gerade ihr sexuelles Begehren entdeckt und ihren ersten Orgasmus erlebt.
<
< Prof. Dr. Volkmar Sigusch
Wegen des mageren em­
pirischen Forschungsstandes kann allgemein nur gesagt werden: Es gibt nicht
die Alterssexualität wie es
auch nicht die Jugendsexualität gibt. Es gibt aber bei
Männern wie Frauen einen
erheblichen Prozentsatz, der
sich mit 70 Jahren oder älter sexuell betätigt. Alles
ist möglich und findet statt:
Abnahme, Gleichbleiben
und Zunahme der Häufigkeit sexueller Aktivitäten,
Zunahme und Abnahme
der sexuellen Zufriedenheit, Aufnahme neuer Praktiken und Vorlieben wie Ho­
mosexualität, Aufgeben jeder sexuellen Betätigung
und so weiter.
Empirisch ist belegt, dass
die Beziehungsdauer die
Koitusfrequenz stärker be-
einflusst als das Alter. In allen Altersgruppen sinkt die
Koitusfrequenz mit der Dauer der Beziehung. So sind alte Partner in neuen Beziehungen nicht selten sexuell
aktiver als junge Partner in
alten Beziehungen. Da Frauen gegenwärtig um etwa
sieben Jahre älter werden
als Männer, gibt es im hohen Alter einen Männermangel. Bei denen, die 70
bis 79 Jahre alt sind, kommen drei Frauen auf zwei
Männer, bei denen, die 80
bis 89 Jahre alt sind, drei
Frauen auf eineinhalb Männer. Als Arzt liegt mir daran
zu sagen, es gibt im Alter
keine Sexualpause wie es
bei der Frau eine Menopause gibt. Das bedeutet, physiologisch werden bei Mann
wie Frau weder das sexuelle Verlangen noch die sexuellen Reaktionen durch den
Alterungsprozess beendet.
Ausführlich habe ich auch
andernorts begründet, warum eine sexuelle Betätigung ohne Stress für Körper
und Seele ein Gewinn ist.
Abträglich für das Liebesund Sexualleben der Alten
sind die kulturellen Ungerechtigkeiten. Männer seien bei uns als Knaben und
als graumelierte Herren
schön, Frauen dagegen nur,
wenn sie jung sind. Ungerecht ist auch die kulturelle
Norm, nach der Frauen in
Beziehungen jünger sind
als Männer. Doch die Anzahl der „Cougar“ genannten Frauen nimmt endlich
zu, Frauen, die sich einen
mindestens zehn Jahre jüngeren Partner suchen.
<< Info
Prof. Dr. med. habil. Volkmar Sigusch, Jahrgang 1940,
war von 1973 bis 2006 Direktor des Instituts für Sexualwissenschaft der Goethe-Universität Frankfurt/Main.
Seit seiner Emeritierung berät und behandelt er in einer Praxisklinik. Der Arzt und Soziologe gilt als Begründer der deutschen Sexualmedizin und ist weltweit einer der renommiertesten Sexualforscher. Zuletzt veröffentlichte er unter anderem die Bücher „Personenlexikon der Sexualforschung“ (2009) und „Sexualitäten.
Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten“ (2014).
> AiR | März 2015
5
Nachgefragt
Fragen über Fragen. Passen
denn Sexualität und Senioren überhaupt zusammen?
Oder ist Sexualität im Alter
sogar besser als in der Jugend? Stimmt es, dass Sexualität im Alter einen Gesundheitsgewinn hat? Doch
wann beginnt denn heute
sexuell das Alter? Ich denke, nicht mit dem Rentenoder Pensionsalter, sondern
im Durchschnitt etwa zehn
Jahre später. Tatsächlich gilt
heute die Großelterngeneration nicht mehr als asexuell, das heißt, sie wird, jedenfalls von der Elterngeneration, nicht mehr ihrer
Erotik beraubt. Sexualität
und Senioren, das passt
heute zusammen. Ein
recht schönes Wort da­für ist Silver Sex.
AiR:
Senioren und Sex passen nicht zusammen. Nie
war Sex besser als im Alter. – Was stimmt denn
nun, Herr Prof. Sigusch, oder liegt die Wahrheit
wie so oft in der Mitte?
Gaby Gerster
Volkmar Sigusch:
Aktiv im Ruhestand
Standpunkt:
größten Teil ihrer Rente als
Beitrag an die GKV zahlen.
Es gab mehrere Momente
in ihrem Leben, in denen
sie die Weichen hätten anders stellen können, wenn
sie ausreichend über die
späteren Folgen informiert
worden wären.
Sehr deutlich wird dies an
der in der letzten Ausgabe
von „Aktiv im Ruhestand“
dargestellten Situation von
zwei Beamtenehefrauen,
die nicht Mitglied in der
Krankenversicherung der
Rentner (KVdR) werden
können und stattdessen
als freiwillige Mitglieder in
der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) den
Klar ist damit aber auch,
dass Probleme, die sich im
Alter auswirken, nicht unbedingt seniorenspezifisch
sein müssen, sondern bereits in jüngeren Jahren
verursacht werden. Hier
haben wir eine der nicht
seltenen Schnittstellen
zwischen Aktiven und Senioren, bei denen es gilt,
gerade für die Alters- und
<
< Wolfgang Speck
Gesundheitsversorgung
die richtigen Zukunftsentscheidungen zu treffen.
Wohl dem und der, die
­beziehungsweise der in
diesen Mo­menten Menschen an der Seite hat, die
qualifiziert beraten und
helfen können. Für die dbb
bundes­seniorenvertretung
heißt dies: Das Kümmern
um ­Seniorinnen und Senioren beginnt nicht erst im
Rentenalter, sondern bereits zu dem Zeitpunkt, in
dem die Entscheidungen
für das Alter getroffen
werden. Die hierfür erfor­
der­liche Zusammenarbeit
mit den Landesbünden
und Fachgewerkschaften
bieten wir hiermit ausdrücklich an.
Wolfgang Speck,
Vorsitzender der dbb
­bundesseniorenvertrtetung
Solidarität leben – Mitglieder werben
dbb
Werbeaktion
Werben Sie für Ihre
Fachgewerkschaft ...
Robert Kneschke – Fotolia
Standpunkt
6
Auch wenn es eine Binsenweisheit ist, offenbar kann
nicht oft genug darauf hingewiesen werden: Entscheidungen, die in relativ
jungen Jahren getroffen
werden, können im Alter
fatale Auswirkungen haben.
Jan Brenner
Entscheidungen in jüngeren
Jahren – Folgen im Alter
... und der dbb belohnt
Sie mit einem Wertscheck
und verlost am Ende
der Aktion unter allen
Werbern zusätzlich einen
attraktiven Sonderpreis.
(Aktionsschluss: 29. Februar 2016)
2015
Infos:
www.dbb.de/mitgliederwerbung
Telefon: 030.4081-40
Fax: 030.4081-5599
E-Mail: [email protected]
Friedrichstraße 169/170
10117 Berlin
Aktiv im Ruhestand
Seminar für Mitglieder der Landesseniorenvertetungen:
Kontaktaufnahme und Erfahrungsaustausch
Vom 10. bis 12. Februar 2014 fand ein Seminar für Mitglieder der Landesseniorenvertretungen im dbb
forum siebengebirge in Königswinter statt. Neben Mitgliedern der Geschäftsführung der dbb bundesseniorenvertretung (BSV) nahmen Seniorenvertreterinnen und -vertreter der dbb Landesbünde teil.
Ziel des Seminars waren die Kontaktaufnahme zwischen Landes- und Bundesseniorenvertretungen
sowie der Erfahrungsaustausch untereinander.
Kompakt
aller gefordert. So sei es
wünschenswert, dass die
Aktivitäten der dbb bundesseniorenvertretung von
solchen der Seniorenvertretungen der Landesbünde und Mitgliedsgewerkschaften flankiert würden.
Auch die Übertragung der
Rente mit 63 nach einer
ruhegehaltfähigen Dienstzeit von 45 Jahren werde
weiterhin von der BSV
gefordert.
schaft in der Krankenver­
sicherung der Rentner.
Wolfgang Speck berichtete
von den wesentlichen Themen, mit denen sich die
BSV in ihrem ersten Jahr
beschäftigt habe. Hier sei
als erstes die sogenannte
Mütterrente zu erwähnen,
die lediglich in Bayern, ansonsten bedauerlicherweise jedoch nicht systemgerecht auf das Versorgungsrecht übertragen worden
sei. Auch sei eine Absicht
hierzu nicht erkennbar.
Hier sei die Hartnäckigkeit
Besondere Bedeutung habe die Geschäftsführung
im ersten Jahr ihrer Amtszeit der Zeitschrift „Aktiv
im Ruhestand“ beigemessen. Deren Inhalte seien
von größter Wichtigkeit
für die Arbeit an und mit
der Basis. Die Zeitschrift
sei besonders gut geeignet, Probleme an den
Schnittstellen zwischen
Aktiven und Passiven aufzugreifen, wie zuletzt der
Artikel über die Mitglied-
Zum Abschluss seines
Berichts ging Wolfgang
Speck auf die anstehende
Tarifrunde ein. Nicht nur,
weil das Tarifergebnis auch
Auswirkungen auf die Landes- und Kommunalbeamtinnen und -beamten haben werde, sei die Solida­
rität aller gefordert.
> AiR | März 2015
Alexandra Hagen-Freusberg
8
Der BSV-Vorsitzende Wolfgang Speck referierte einleitend über seine Erfahrungen aus einem Jahr dbb
bundesseniorenvertretung.
Berichte aus den Landesseniorenvertretungen und
ein Referat der stellvertretenden BSV-Vorsitzenden
Anne Schauer zum Thema
„Organisation und Arbeit
der Landesseniorenvertretungen“ schlossen sich
an. In zwei Arbeitskreisen
wurden die Fragen, welche
Unterstützung erfahren
die Landesseniorenvertretungen in ihrem Landesbund, welchen Stellenwert
haben sie sowie welche
Unterstützung erwarten
die Landesseniorenvertretungen von der dbb bundesseniorenvertretung,
erörtert. Weitere Themen
waren der Rechtsschutz
und das Thema „Senioren
als Mitglieder halten oder
gewinnen, betreuen und
beraten“.
<
< Gute Kontakte sind wichtig. Beim ersten BSV-Seniorenseminar haben sich die Teilnehmerinnen und
Teilnehmer kennen- und schätzen gelernt.
Auch der Ratgeber „Erbrecht“, den die dbb bundesseniorenvertretung he­
rausgegeben habe, werde
hervorragend angenommen. Die BSV beabsichtige,
regelmäßig Ratgeber herauszugeben. Entsprechendes gelte für die Durchführung der Seniorenpolitischen Fachtagung.
In den Berichten der Landesseniorenvertreterinnen
und -vertreter wurde deutlich, dass diese auf einem
guten Weg sind, obgleich
manche Landesseniorenvertretungen erst wenige
Monate existieren und
die Ausgangspositionen
durchaus unterschiedlich
waren und der Informations- und Erfahrungsaustausch sowie eine möglichst intensive Zusammenarbeit von großer
Wichtigkeit sind. Hieran
knüpfte Anne Schauer in
ihrem Referat an. Sie betonte die Bedeutung der
Gewerkschaftsarbeit vor
Ort, beispielsweise durch
Beratung in Versorgungs-,
Renten- oder Beihilfefragen. Dazu komme aktuell
die Unterstützung der Landesbünde bei der Durchsetzung ihrer Forderung
nach Übertragung des Tarifergebnisses auf Besoldung und Versorgung.
Zweckmäßig seien außerdem Seminare, aber auch
gesellschaftliche Veranstaltungen wie Tagesaus-
Aktiv im Ruhestand
Im Arbeitskreis I, der von
Wolfgang Speck geleitet
wurde, berichteten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über eine insgesamt
erfreuliche, dennoch verbesserungsfähige Zusammenarbeit der Landesse­
niorenvertretungen mit
den Landesbünden. Die satzungsmäßige Verankerung
der Landesseniorenvertretungen ist aber noch nicht
in allen Landesbünden erreicht.
Ganz oben auf der Wunschliste der Teilnehmerinnen
und Teilnehmer des Arbeitskreises II, der vom stellvertretenden BSV-Vorsitzenden Klaus-Dieter Schulze
geleitet wurde, stand der
Wunsch, dass alle Senio­
rinnen und Senioren im
dbb die Zeitschrift „Aktiv
im Ruhestand“ erhalten
sollten, und zwar möglichst
kostenlos. Die Seniorenpo-
litische Fachtagung solle
möglichst einmal pro Jahr
stattfinden. Wünschenswert seien außerdem Seminare zur Vorbereitung
auf Ruhestand beziehungsweise Rente. Bei diesen sowie weiteren Seminaren
auf Landesebene sei die
Teilnahme eines Mitglieds
der Geschäftsführung der
BSV anzustreben. Der Zusammenarbeit und dem
Informationsfluss zwischen
der BSV und den Landesseniorenvertretungen komme
ein hoher Stellenwert zu.
Über den Rechtsschutz des
dbb informierte Alexandra
Hagen-Freusberg, Referentin für Seniorenpolitik in
der dbb Bundesgeschäftsstelle. Sie wies darauf hin,
dass es sich hierbei um eine freiwillige, satzungsgemäße Aufgabe des dbb
handele. Beantragt werden
müsse der Rechtsschutz jedoch über die jeweilige
Fachgewerkschaft. Neben
der Mitgliedschaft in der
Fachgewerkschaft zum
Zeitpunkt des Entstehens
des Rechtsschutzfalls, dem
unmittelbaren Berufsbezug des Rechtsschutzan­
liegens, des vorherigen
schriftlichen Rechtsschutzantrags sei auch eine hinreichende Erfolgsaussicht
bei Verfahrensrechtsschutz
Voraussetzung. Bei Vorliegen dieser Voraussetzungen werde der Rechtsschutz
kostenlos durch die Kolleginnen und Kollegen in
den Dienstleistungszen­
tren Berlin, Bonn, Hamburg, Mannheim und
Nürnberg durchgeführt.
Das letzte Thema des Seminars „Senioren als Mitglieder halten oder gewinnen, betreuen und beraten“ wurde von Carola
Cramer moderiert. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren sich einig, dass
die Aufgabe der Seniorenvertretungen nicht mit
der der Landesbünde oder
Fachgewerkschaften ver-
gleichbar sei. Wichtig sei
in jedem Fall, für die Mitglieder ansprechbar zu sein,
wenn Probleme auftreten.
Hierbei müssten die Berater nicht alle Fragen beantworten können, aber möglichst die Personen kennen,
die hierzu in der Lage sind.
Es sollte die Waage gehalten werden zwischen Informationsvermittlung und
Hilfestellung einerseits sowie freizeitgestaltenden
Aktivitäten andererseits.
Den Mitgliedern müsse
vermittelt werden, dass
die Landesseniorenvertretungen und die bundesseniorenvertretung für alle
Seniorinnen und Senioren
da seien. Als besonders
wichtiger Zeitpunkt, Mitglieder zu halten, wurde
der Übergang vom akti­ven Dienst in die Rente
beziehungsweise den
Ruhestand erkannt.
Klaus-Dieter Schulze,
Alexandra Hagen-Freusberg
3. Forum Behindertenpolitik:
Teilhabe in der Kommune – Nichts liegt näher?
Aufgrund der positiven Resonanz des ersten Forums Behindertenpolitik im Jahr 2011 hat der dbb
sich entschlossen, die Veranstaltung künftig alle
zwei Jahre durchzuführen. Das 3. Forum Behindertenpolitik wird am 28. und 29. April 2015 im
barrierefreien dbb forum berlin stattfinden.
Das diesjährige Thema
lautet „Teilhabe in der
Kommune – Nichts liegt
näher?“ Dabei wird unter
anderem die seit Jahren
überfällige Einführung eines Bundesleistungsgesetzes zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen
diskutiert. Weil dabei der
individuelle Lebensraum
von Menschen mit Behin-
derung und deren Familien eine wesentliche Rolle
spielt, werden verstärkt
die kommunalen Akzente
beleuchtet. Grußworte
werden Gabriele LösekrugMöller MdB, Parlamen­
tarische Staatssekretärin
im Bundesministerium
für Arbeit und Soziales,
­sowie Verena Bentele,
­Beauftragte der Bundes­
regierung für die Belange
behinderter Menschen,
sprechen.
Zu den besonders für Seniorinnen und Senioren inte­
ressanten Themen gehört
eine Diskussion am zweiten Tagungstag, die dem
Thema „Alter und Behinderung/Pflegebedürftigkeit im Alter“ gewidmet
ist. Stellung beziehen werden unter anderem der
stellvertretende Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung, Klaus-Dieter Schulze, und Heinz Pütz,
Vorsitzender der AG Behindertenpolitik des dbb.
Die behindertenpolitische
Arbeit des dbb beschränkt
sich nicht nur auf das Forum
Behindertenpolitik. Der dbb
betreibt im Rahmen seiner
AG Behindertenpolitik seit
Jahren einen intensiven Diskurs mit Politik und Wissenschaft.
<< Information:
Brigitte Schneider,
dbb akademie,
Dreizehnmorgenweg 36,
53175 Bonn,
Telefon: 0228.8193-187,
Fax: 0228.8193-106,
E-Mail: b.schneider@
dbbakademie.de
> AiR | März 2015
9
Kompakt
flüge, Theater oder Museumsbesuche.
Aktiv im Ruhestand
Lebensmodelle der Senioren:
In Eh(r)en alt werden
Blickpunkt
10
Die Zeiten ändern sich offenbar langsamer als Soziologen und Demoskopen
erwartet haben. Obwohl
die Generation der „68er“(Studenten-)Bewegung, die
Schluss machen wollte mit
der hergebrachten Lebensführung ihrer Eltern und
Großeltern, heute selbst Senioren sind, blieb in Sachen
Partnerschaft sehr vieles
beim Alten. Dazu zählt auch
das Fortbestehen des von
den „Kommunarden“ und
ihren Zeitgenossen gern geschmähten Instituts der
Ehe. Deren uneingeschränkte Vorherrschaft als partnerschaftliche Lebensform
überhaupt hat sich durch
die sinkende Zahl von Eheschließungen und die Zunahme von Scheidungen
bei den unter 50-Jährigen
zwar abgeschwächt: Für
Frauen und Männer, die 60
Jahre und älter sind, bleibt
die Ehe aber Lebensmodell
Nummer eins.
Der 2013 erschienene „Report Altersdaten“, in dem
das Deutsche Zentrum für
Altersfragen (DZA) auf der
Basis statistischer Erhebungen „Familie und Partnerschaft im Alter“ untersucht hat, informiert, dass
60 Prozent der 60- bis unter
80-jährigen Männer und
Frauen verheiratet sind.
In der Gruppe der über
80-Jährigen sind noch 61
Prozent der Männer, aber
nur 22 Prozent der Frauen
verheiratet, was allerdings
auf deren höhere Lebenserwartung zurückzuführen
ist.
MEV (2)
In den Medien ist viel die Rede davon, welche
Lebensmodelle für das Alter taugen und welche
stimulierenden Impulse von neuen Gemeinschaftsformen wie Mehrgenerationenhäusern oder
selbst gemanagten Senioren-WGs mit impliziertem Anspruch auf gegenseitige Unterstützung im
Not- und Pflegefall ausgehen. Die Entscheidung,
sich einer dieser eher alternativen Lebensformen
zuzuwenden, treffen allerdings nur wenige Ver­
treter der 60- bis weit über 80-Jährigen. Sie bevorzugen ein Leben in – mehrheitlich ehelicher –
Zweisamkeit.
Die höhere Lebenserwartung der Frauen ist auch
verantwortlich dafür, dass
die Zahl der Witwen überwiegt.
<<
Der Tod scheidet häufig, der Anwalt selten
Allerdings verzeichnen die
Statistiken eine deutliche
Trendwende, die sie auf
die überdurchschnittlich
gestiegene Lebenserwartung bei den Männern und
die – im Gegensatz zu den
Kriegsgenerationen – relativ ausgeglichenen Jahrgangsstärken beider Geschlechter zurückführen:
Während 1991 bei den
Frauen zwischen 60 und
70 Jahren noch 27 Prozent
verwitwet waren, sank ihre
Zahl 2011 auf 15 Prozent.
Ähnlich sieht es in den höheren Altersgruppen aus:
Bei den 70- bis unter
80-jährigen Frauen sank
der Witwenanteil im gleichen Zeitraum von 56 auf
35 Prozent, bei den 80-jährigen und älteren Frauen
von 78 auf 64 Prozent.
Die in der Gesamtgesellschaft steigende Zahl der
Ehescheidungen wirkt sich
> AiR | März 2015
in der Gruppe der Senioren
nur langsam aus. Etwa
zwölf Prozent der „jungen“
Alten zwischen 60 bis unter 70 Jahren sind geschieden, bei den 70- bis unter
80-Jährigen sind es acht
Prozent und bei den Hochaltrigen über 80 Jahre etwa fünf Prozent. Zum Vergleich: 1991 waren lediglich fünf Prozent der jungen Alten, vier Prozent der
70- bis unter 80-Jährigen
und drei Prozent der Hochaltrigen geschieden.
Trotz der Beliebtheit der
Ehe als Lebensform sind
Eheschließungen im vor­
gerückten Alter nicht sehr
häufig. Laut DZA-Altersreport waren 2010 von allen
Eheschließenden nur zwei
Prozent der Frauen und
vier Prozent der Männer
60 Jahre alt oder älter.
Zwei Drittel der älteren
Eheschließenden ab 60
Jahren sind Männer, nur
ein Drittel Frauen. Diese
größere Heiratsbereitschaft der Männer führen
die Statistiker auf die besseren Chancen zurück, die
den in höheren Altersgruppen zahlenmäßig unterlegenen Männern angesichts
Aktiv im Ruhestand
der größeren Zahl nicht
(mehr) verheirateter Frauen geboten werden. Dass
zwei Drittel der älteren
Männer und drei Viertel
der älteren Frauen als Geschiedene noch einmal
zum Standesamt gehen,
während Verwitwete, zumeist betagte, sich nur
noch selten binden, lassen
die Autoren der Studie unkommentiert: Vielleicht,
weil das Quäntchen Romantik und die Hoffnung
auf eine neue, harmonische Partnerschaft, die eine Entscheidung für die
späte Ehe sicher ebenso
begleiten wie die Altersvorsorge, statistisch nur
schwer fassbar sind.
<<
Jüngere bei später
Heirat bevorzugt
Präziser werden die Angaben dann wieder, wenn es
um das Alter der späten
Brautleute geht: 88 Prozent der Männer über 60
vermählen sich mit einer
jüngeren Partnerin, die bei
41 Prozent sogar zehn und
mehr Jahre jünger ist.
Doch auch ältere Frauen
heiraten jüngere Ehepartner, wenn auch nicht im
gleichen Ausmaß: 39 Pro-
zent heiraten jüngere, 54
Prozent ältere Männer.
Die höhere Lebenserwartung und die längere Zeitspanne, die heutige Senioren ihr Leben gesund und
selbstbestimmt gestalten
können, hat auch für einen
Anstieg der nicht ehelichen Lebensgemeinschaften gesorgt. Während von
den 1924/28 Geborenen
im Alter von 50 Jahren nur
knapp sieben Prozent wiederverheiratet sind oder
eine nacheheliche Paar­
beziehung führen, waren
es von den Jahrgängen
1954/58 im selben Alter
knapp 18 Prozent. Bei den
jungen Alten lässt sich zugleich ein deutlicher Anstieg nicht ehelicher Folgebeziehungen ausmachen.
Von einer spürbaren „Pluralisierung der Lebensformen“, wie sie von den Verfechtern des gesellschaft­
lichen Umbruchs in den
1968er-Jahren so vehement gefordert wurde,
könne jedoch noch keine
Rede sein, meinen die Autoren der Studie. Die Zeiten ändern sich wohl wirklich langsamer, als manch
einer denkt.
cri
<< Deutsches Zentrum Für Altersfragen (DZA):
Report Altersdaten
Das Deutsche Zentrum für Altersfragen (DZA) ist ein
Forschungsinstitut, das sich zum Ziel gesetzt hat, die Lebensbedingungen älterer Menschen unter Berücksichtigung gesellschafts- und sozialpolitischer Zusammenhänge zu untersuchen. Zweck des Instituts ist laut Satzung, „Erkenntnisse über die Lebenslage alternder und
alter Menschen zu erweitern, zu sammeln, auszuwerten, aufzubereiten und zu verbreiten, damit dieses Wissen mit Blick auf die mit dem Altern der Bevölkerung
einhergehenden gesellschaftlichen und sozialpolitischen Herausforderungen im Sinne einer wissenschaftlich unabhängigen Politikberatung nutzbar gemacht
werden kann“. Die 2013 vorgelegte Studie „Familie und
Partnerschaft im Alter“ zum Download im Internet:
http://goo.gl/RznjH1
> AiR | März 2015
Aktiv im Ruhestand
Jan Brenner
Einkommensrunde 2015:
Tarifergebnis auf Beamte
und Versorgungsempfänger
übertragen
Die zeit- und inhaltsgleiche Übertragung des Tarifabschlusses auf die Landesbeamten im Zuge der
laufenden Einkommensrunde ist unverzichtbar.
<
< Bereits an den Auftakt-Demos zur Einkommensrunde 2015 am
Bayern und Hamburg hätten dies bereits zuge19. Februar in Berlin und Nürnberg haben zahlreiche Seniorinnen
sagt, „das setzt die anderen unter Zugzwang“,
und Senioren teilgenommen.
sagte der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderderung (5,5 Prozent plus,
wert. Die Politik muss Priostädt der „Wirtschaftswoche“ (Onlinesusgabe
mindestens
aber
175
Euro
ritäten setzen: Wie wichtig
vom 13. Februar 2015).
Kompakt
12
„Taktische Spielchen bei
der Beamtenbesoldung
sollte sich gerade Nordrhein-Westfalen verkneifen. Den letzten Versuch
der dortigen Landesregierung, bestimmte Besoldungsgruppen von einer
Erhöhung auszunehmen,
hat 2014 bekanntlich das
Landesverfassungsgericht
kassiert. Wir verkennen
nicht die finanziellen Verhältnisse“, betonte Dauderstädt mit Blick auf die
ablehnenden Reaktionen
der Arbeit­geber. Diese haben die Arbeitnehmerfor-
mehr) bereits als zu hoch
zurückgewiesen. „Ein Prozent Gehaltszuwachs hat
bei den Ländern eine völlig
andere Dimension als beim
Bund, soviel ist klar. Fakt
ist aber auch, dass die
Steuerquellen derzeit kräftig sprudeln. Wir wissen,
dass wir den Haushalt belasten. Wir sind es aber
ist ihr motiviertes Personal? Und wie kann sie angesichts des immer dramatischeren Fachkräftemangels im öffentlichen Dienst
mehr Interessenten anlocken? Und da sagen wir:
Bestimmt nicht mit mick­
rigen Lohnabschlüssen“,
machte der dbb Bundesvorsitzende deutlich. dbb bundesseniorenvertretung:
Gespräch mit der BBB-Seniorenkommission
Am 4. und 5. Februar 2015 hat eine Sitzung der Geschäftsführung der dbb
bundesseniorenvertretung (BSV) in München stattgefunden, um mit dem
Vorstand der Seniorenkommission des Bayerischen Beamtenbundes (BBB)
ins Gespräch zu kommen.
Der Vorsitzende der dbb
bundesseniorenvertretung, Wolfgang Speck, begrüßte am 5. Februar 2015
den Vorsitzenden der BBBSeniorenkommission, Wilhelm Renner, sowie seinen
Stellvertreter Willi Wolff zu
einem Gedankenaustausch
über die Zusammenarbeit
zwischen Landes- und Bundesseniorenvertretung. Die
Gesprächsteilnehmer, zu
denen auf Seiten der BSV
auch Anne Schauer, Max
Schindlbeck und Klaus-Dieter Schulze gehörten, wa> AiR | März 2015
ren sich einig, dass die
sogenannte Mütterrente
und deren systemgerechte
Übertragung auf die Beamtenversorgung wei­terhin
auf der Agenda stehe.
Aufgabe der dbb bundesseniorenvertretung sei
auch, die Probleme an den
Schnittstellen von Bundesund Landesrecht aufzugreifen. Bei der Frage der
Pflichtmitgliedschaft in
der Krankenversicherung
der Rentner (KVdR) sehe
sich die BSV gefordert.
Die Behandlung der Ehefrauen von Beamten, die
infolge der Kindererziehung nur freiwillig und damit zu sehr hohen Beiträgen Mitglied in der gesetz­
lichen Krankenversicherung werden könnten,
sei nicht hinnehmbar.
Großen Raum nahm die
von Mitgliedern häufig gestellte Frage ein, aus welchen Gründen sie als Rentnerinnen oder Rentner beziehungsweise Versorgungsempfängerinnen
oder -empfänger noch
in der Gewerkschaft bleiben sollten und was die
Gewerkschaft konkret für
sie tun könne. Hierbei wurde deutlich, dass gewerkschaftlicher Rechtsschutz,
etwa in Verfahren wegen
Feststellung der Pflegestufe, ein sehr hilfreiches Argument wäre.
Die Gesprächspartner betonten, dass sich weder die
dbb bundesseniorenvertretung noch die BBB-Seniorenkommission in die erfolgreiche Arbeit der Seniorenvertretungen vor Ort einmischen, sondern An­gebote
zur Unterstützung und zum
Informationsaustausch unterbreiten wollten. Aktiv im Ruhestand
Partnervermittlung für Senioren:
Späte Heirat nicht ausgeschlossen
Brennpunkt
14
Die Menschen in Deutschland werden immer älter,
und im Alter zunehmend
einsamer. 13,4 Millionen
Menschen sind den Ergebnissen des Zensus 2011
zufolge alleinstehend, der
verschwindend geringe Teil
davon aus freier Entscheidung. Über ein Drittel der
Singles ist heute bereits
älter als 65 Jahre – Ten­denz
steigend. Die Gründe für
das Alleinleben sind vielschichtig: fehlende inte­
grierende Familien- und
Sozialstrukturen, ho­he Ansprüche an die Mo­bilität
in der Arbeitswelt, Verstädterung, Individualisierung,
Kinderlosigkeit. Dabei würden einer aktuellen Um­
frage zufolge 83 Prozent
aller weiblichen Singles
in Deutsch­land gerne hei­
raten beziehungsweise eine feste Partnerschaft eingehen. Partnersuche hat
denn auch Hochkonjunktur. Knapp sieben Millionen
Deutsche aller Altersstufen
haben im Jahr 2014 Kontaktanzeigen aufgegeben oder
waren im Internet bei Partnervermittlungen aktiv.
Die Betonung liegt auf
dem Wort „aktiv“. Denn
nur wer aktiv daran arbeitet, einen Partner zu finden, kann Erfolg haben.
Dazu bieten sich zuerst
die Treffen mit Gleichge> AiR | März 2015
© Piero Gentili – Fotolia.com
Was der bayerische Milchbauer Josef Unterhuber (52) vor laufenden Kameras geschafft hat, scheint so
schwierig nicht zu sein: Er hat eine Frau (48) gefunden, die beiden haben geheiratet und inzwischen
eine zweijährige Tochter. Doch so einfach, wie sich das Anbandeln in mehreren Folgen „Bauer sucht
Frau“ im Fernsehen anschauen ließ, ist es „im richtigen Leben“ leider nicht. Immer mehr Menschen
leben allein, und auch immer mehr Senioren sind infolge der demografischen Entwicklung vom
(unfreiwilligen) Single-Dasein betroffen. Doch neue Lebenspartner finden sich im Alter noch
schwieriger als in jungen Jahren, und es gilt, einige Hürden zu überwinden, bevor es heißt:
Späte Heirat nicht ausgeschlossen ...
<
< Einer aktuellen Umfrage zufolge geben 64 Prozent der älteren Paare zwar „Liebe“ als Hauptgrund
für eine Heirat an, doch für 40 Prozent spielt es auch eine große Rolle, im Unglücksfall finanziell
besser abgesichert zu sein. 30 Prozent der Heiratswilligen wollen schlicht Steuern sparen.
sinnten bei sportlichen
Aktivitäten und Hobbys
ebenso an wie beim so­
zialen Engagement bei
der Freiwilligen Feuerwehr
oder im Seniorenverband
BRH. Kontakte ergeben
sich über die gemeinsamen Interessen relativ pro­
blemlos, und wer weiß,
vielleicht ist ein Partner
fürs Leben dabei. Aber
bleiben Sie in jedem Fall
locker. Je unverkrampfter
man/frau Chancen er­kennt
und annimmt, desto besser für das Ego. Ein Nein
ist keine Niederlage und
schon gar nicht der Beweis
für die eigene Unzulänglichkeit und Unattraktivität. Der Topf passt halt
nicht zum Deckel, das ist
alles. Und wenn aus dem
Kontakt eine Freundschaft
entsteht, ist bereits viel
gewonnen.
Fast alle, die im sozialen
Umfeld nach einem mög­
lichen Partner Ausschau
halten, sind überdies eif­
rige Leser der Kontaktanzeigen in den Werbe- und
Tageszeitungen: Sie sucht
ihn; er sucht sie; sie sucht
sie; er sucht ihn. Der NR
(Nichtraucher) sucht die
NT (Nichttrinkerin) und
umgekehrt. Häuslich, mollig, sportlich, mit erotischer
Ausstrahlung, vorzeigenswert in Jeans oder Abendkleid, handwerklich begabt, mit Haus und Hof,
Aktiv im Ruhestand
Dass die angegebene Handynummer tatsächlich Alexandra gehört, ist in über
90 Prozent aller Fälle Irrtum Nummer eins. Irrtum
Nummer zwei ist die Annahme, die nette Dame,
die sich gemeldet hat, verbindet mit Alexandra. Wortgewandt erklärt sie, dass
es jede Menge Spinner und
Spanner gebe, und Alexandra geschützt sein wolle.
Deshalb habe sie eine Partnervermittlung eingeschaltet, die alle seriösen Angebote überprüfen solle. Warum nicht? Sie sind ja seriös, und schwupps, haben
Sie eine Verabredung mit
der netten Dame von der
Partnervermittlung bei
ihnen zu Hause getroffen,
um alles zu klären.
Das Gespräch verläuft
angenehm, Sie füllen
ei­nen Bewerbungsbo­gen aus, lassen Fotos von
sich machen und erfahren
schließlich, dass Alexandra
für Sie zwar nicht infrage
komme, aber mehrere genau passende Damen in
der näheren Umgebung
sich freuen würden, Ihre
Bekanntschaft zu machen.
Ein Flatrate-Abo für ein
Jahr koste 2 000 Euro, bis
zu zehn Dates 1 000 Euro
und ein Schnupperabo –
vier Vermittlungen innerhalb von sechs Monaten –
sei für nur 600 Euro zu haben. Je nach Agentur vari­
ieren diese Leistungen im
Preis stark nach oben oder
unten, aber im Wesent­
lichen läuft es auf eine
solche Vereinbarung
hinaus. Übrigens zahlt
Alexandra, oder wie die
Dame auch heißen mag,
für ihre Vermittlung den
selben Betrag, den Sie
zahlen.
Überlegen Sie sehr genau,
ob Sie einen solchen Vertrag tatsächlich abschließen wollen, und prüfen Sie
eventuelle Zusatzangebote, zum Beispiel die Herstellung eines Videofilms
über Sie zur Verbesserung
der Vermittlungschancen,
auf (versteckte) Zusatzkosten. Lassen Sie den Vertrag
im Zweifel von einem Anwalt oder der Verbraucherzentrale überprüfen, führen Sie das Vermittlungsgespräch mit der Agentur
möglichst nicht allein,
sondern im Beisein einer
Freundin oder eines
Freundes.
ten Angaben im Partnerbogen entsprechen der Wahrheit. Wer sich als Nichtraucherin ausgibt und beim
ersten Rendezvous nach
Nikotin stinkt, darf sich
nicht wundern, wenn
nichts draus wird. Es liegt
zumeist an einem selber ...
Nicht nur die Inanspruchnahme der klassischen
Partnervermittlungen
durch Senioren ist in den
vergangenen Jahren deutlich gewachsen, sondern
auch die Nachfrage bei
Onlinepartnerdiensten –
auch durch die Generation
60 plus. Mit wenigen Klicks
können kontaktsuchende
Senioren – teils kostenlos,
teils gegen Gebühr – sich
bei einer (Senioren-)Partnervermittlung anmelden
und nach dem Registrieren
nach potenziellen Partnern
stöbern. Zunächst werden
via Internet Kontakte geknüpft, Chats eröffnet,
Fotos ausgetauscht und
schließlich Verabredungen
zum Essen, zum Kinobesuch oder zum Bowling getroffen. Doch alles das gibt
keine Garantie für einen
tatsächlichen Erfolg. Viele
kennen die Gepflogenheiten
des Internets nicht, sodass
ihr Postfach trotz aller Bemühungen leer bleibt. Für
solche Fälle bieten gute
Onlinepartnerschaftsbörsen sogenannte Coachingdienste oder Singleberatungen rund um das Thema Partnersuche an.
Doch eines hat sich trotz
aller Geschlechtergleichheit und Gendergerechtigkeit nie wirklich geändert:
Die Frau fürs Leben will
nicht nur gefunden, sondern (immer noch) erobert
werden. Und der Mann
sollte bedenken, dass er
den Hof, den er einer
Frau macht, später
auch kehren muss ...
sm
Das Kontaktieren über
Lockangebote kann, muss
aber nicht unseriös sein.
Ist ein Vermittlungsvertrag
geschlossen, erhält man/
frau binnen Kurzem Kontaktdaten, um ein persönliches Kennenlernen zu
verabreden. Über Erfolg
oder Misserfolg der Treffen muss die Agentur unterrichtet werden. Gute
Agenturen verzichten in
der Regel auf Vorkasse,
sie sind vielmehr mit einer
Anzahlung und mehreren
Ratenzahlungen einverstanden. Und die vermittelten Damen – oder Herren – passen tatsächlich,
vorausgesetzt, die gemach> AiR | März 2015
15
Brennpunkt
Auto oder Segelyacht. Es
gibt offenbar nichts, was
es nicht gibt. Und die Telefonnummern sind meistens auch angegeben. Also
nichts scheint leichter als
Kontakt zu knüpfen und
sich mit „Alexandra (64),
1,69 cm, 63 kg, sportlich
elegant, ohne Anhang mit
eigenem Pkw und Freude
an der Natur“ zu verabreden, denn sie sucht einen
alleinstehenden, gut situierten Pensionär bis 70, der
auch Freude an der Natur
hat, aber auch Kunst, Kino
und Kochen liebt.
Dr. Maria Bullermann-Benend:
Auf Ernährungsmission
Vorgestellt
16
„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen“, sagt ein Sprichwort.
Aber was bedeutet das, wenn sich Leib und Seele trennen wollen? Das ist eine Frage, die Dr. Maria Bullermann-Benend umtreibt. Die erfahrene Ernährungswissenschaftlerin unterhält eine Praxis für Ernährungstherapie im niedersächsischen Cappeln, ihre Arbeitsschwerpunkte sind Onkologie und Palliative Care. Bei ihrer Beratung geht es um eine Ernährung, die möglichst bis
zuletzt dem Anspruch „Genuss statt Muss“ gerecht wird.
Die Palliativmedizin unterstützt Menschen in ihrer
letzten Lebensphase, um
größtmögliche Lebensqualität zu erhalten. Wenn
Heilung nicht mehr möglich ist, soll es doch Linderung geben – schützend
(pallium ist das lateinische
Wort für Mantel) soll der
Patient umhüllt, mit ge­
eigneter multidisziplinärer
Versorgung einfühlsam
begleitet und betreut werden. Dazu gehört auch die
passende Ernährung, sagt
Frau Bullermann-Benend.
Deshalb sollten die Teams,
die sich um Menschen in
ihren letzten Monaten,
Wochen, Tagen und Stunden kümmern, interdiszi­
plinär besetzt sein. Neben
Ärzten und Pflegenden
sollten auch Seelsorger,
Psychologen, Physiothera> AiR | März 2015
peuten, Mitarbeiter psychosozialer Dienste, ehrenamtlich Tätige und eben
Ernährungsberater dazu­
gehören, betont Bullermann-Benend.
Sowohl bei Pflegenden in
Krankenhäusern und Heimen als auch bei Angehörigen ist die Unsicherheit
groß, was in diesem Bereich richtig und was falsch
ist. „Hier setzt spezielle Ernährungsberatung an. Im
Rahmen von Palliative Care
ist sie aktive Lebenshilfe,
denn Essen und Trinken
hat ganz viel mit einem
positiven Lebensgefühl
und mit Lebensqualität zu
tun.“ Deshalb spricht Dr.
Bullermann-Benend von
„meinem Auftrag, meiner
Mission“: Sie will für ihre
Berufsgruppe das Thema
Ernährungsberatung und
das dazugehörige Berufsbild des Oecotrophologen
in die Palliativmedizin „implantieren“.
Dafür engagiert sich die
62-Jährige weit über ihre
eigene Praxis hinaus. Ihre
Seminare über „Ernährung
am Lebensende“ bietet sie
deutschlandweit für Altenpflegeteams, Sozialstationen, Palliative-Care-Teams
und insbesondere für Oecotrophologen an. Lehraufträge über viele Jahre
an der FH Osnabrück und
zuletzt an der Fachhochschule Gera im Studiengang Bachelor of Science
Pflege waren eine gute
Vorbereitung.
Das Erstaunen über ihr
ungewöhnliches und an-
spruchsvolles Arbeitsfeld
kann Frau Bullermann-Benend nur bedingt nachvollziehen. Sie erinnert sich an
ihre Kindheit, die sie – unter anderem vermittelt
von ihrer Tante Johanna
auf dem elterlichen Bauernhof – mit einem völlig
natürlichen Verhältnis
zu Lebensmitteln verbindet. „Das prägt“, sagt sie.
Ihre damaligen Lieblings­
essen wie Hühnerfrikassee
und Königsberger Klopse
(„schon ein bisschen exotisch wegen der Kapern“),
also eher traditionelle Gerichte, seien ja heute lei­der ziemlich aus der Mode
gekommen, weil die Zubereitung etwas Zeitaufwand und gewisse Kochkenntnisse voraussetze.
„Aber gesunde und sehr
aromatische Mahlzeiten
lassen sich auch in Kurzzeit
zubereiten, zum Beispiel
köstliche Wok-Gerichte.“
Ihre Freude an gutem,
schmackhaften Essen ist
geblieben: „Lust am Genuss war immer schon ein
Thema in meinem Leben.
Und Familie Bullermann hat
für ihr Leben gern Gäste.“
Nach ihrem Abitur 1970 in
Aachen entschied sich die
18-Jährige für den damals
noch jungen Studiengang
Ernährungswissenschaften
an der Universität Gießen.
„Der war angesiedelt irgendwo zwischen Medizin,
Landwirtschaft und Tiermedizin.“ 1974 machte sie
ihr Examen. In ihrer Doktorarbeit ging sie einem
Thema aus der Inneren
Medizin auf den Grund.
Dabei ging es unter anderem darum, mit welcher
Infusionsbehandlung Patienten auf der Intensivstation am besten unterstützt
werden können. 1975 heiratete sie, vier Kinder gehörten bald zur Familie. Ihr
© mallinka1 – Fotolia.com
Aktiv im Ruhestand
Aktiv im Ruhestand
nicht mehr ausreichend.
„Patentlösungen“ gibt es
nicht, so Bullermann-Benend. Auch wenn es für die
oft gegen eine lebens- und
möglicherweise leidens­
verlängernde Infusions­
therapie. Dazu kommt:
Mit dem Infusionsständer und all den
Schläuchen kann man
den Menschen auch
gar nicht mehr in den
Arm nehmen …“
privat
Es gilt: So lange wie
möglich soll der Patient selbst bestimmen,
ob, wann und wie viel
Flüssigkeit und Nahrung er zu sich neh<< Patienten­
men möchte. Das gilt
wille zählt
im Grundsatz auch
für demente MenStationen ihrer
schen. Eine vorab
Arbeit waren
­verfasste Patientenvon Schwan­ge­
verfügung kann helrenbe­ratung bis
fen. Liegt keine vor,
Geriatrie alle Lemuss der „mutmaßlibensalter analog <
che Wille“ des Kran< Maria Bullermann-Benend ist promovierte Ernährungswissenschaftlerin. Sie hat sich darauf
zum eigenen
ken herausgefunden
spezialisiert, Menschen in der letzten Lebens­Lebenslauf. Als
werden – etwa aus
phase mit der richtigen Ernährung zu begleiten.
Do­zentin für Erfrüheren Äußerungen,
nährungslehre
Wertvorstellungen
beschäftigte sie sich zuBetreuenden schwer wird:
und der Einstellung zu
nehmend mit Fragen von
„Die sich ändernden Be­verschiedenen therapeu­
Essen und Trinken im Alter. dürfnisse und Essgewohn- tischen Maßnahmen.
„Von da kam ich zur Onko- heiten können ein erstes,
<< Wunschessen
logie und schließlich, sehr
zu respektierendes Zeiauch nachts
spezialisiert, zu Palliative
chen des beginnenden
Care.“ Seit 2006 hat sie am Abschiednehmens bezieEin paar praktische RatZentrum für Palliativmedi- hungsweise Sterbepro­
schläge gibt Bullermannzin am Malteser Krankenzesses sein. Angehörige
Benend: „Auf den Speisehaus Bonn/Rhein-Sieg zuhaben oft Angst, dass der
plan gehört das Wunschnächst einen zweijährigen zu Betreuende verhungert
essen – und das auch zu
Grundkurs und dann imoder verdurstet. Dabei
ungewöhnlicher Tagesmer wieder Fortbildungen
wirkt sich Ernährung, auch
oder Nachtzeit“, sagt sie.
und Aufbaukurse absolkünstliche Ernährung, so
viert. „Das macht mir Freuhilfreich sie auch zuvor ist, „Aber Angehörige und
Pflegende sollten nicht
de und bereichert mein
zu diesem Zeitpunkt häu­
Leben“, sagt die Oecotrofiger belastend als erleich- enttäuscht sein, wenn der
Patient die mit Aufwand
phologin.
ternd aus. Das muss man
und Liebe zubereitete Speiakzeptieren.“ Durch FlüsKreativität sei gefragt,
sigkeits- und Nahrungsga- se dann doch ablehnt.“ Essen in Gesellschaft könne
wenn das Ziel heißt: bestbe können sich Probleme
manche Patienten motimögliches Wohlbefinden
sogar verstärken – etwa
vieren, meint die Expertin.
für die verbleibende Zeit
Husten, Atemnot, ErbreFür hilfreich hält sie auch
zu ermöglichen. Das ist
chen. „Wenn wir zum Beisehr kleine Portionen – etnatürlich nicht leicht. Men- spiel für die Angehörigen
wa zwei Bissen pro Mahlschen im Endstadium ihres nachvollziehbar machen,
zeit auf einem größeren
Lebens verlieren oft stark
dass Durst und MundtroTeller. „Das empfinden die
an Gewicht, leiden an Apckenheit nicht das Gleiche
Patienten als weniger ‚bepetitlosigkeit und trinken
sind, entscheiden sie sich
drohlich‘.“ Zudem zeige
die Erfahrung, dass feuchte, weiche und fruchtigfrische Nahrung wie Eis,
Obst- oder Gemüsevaria­
tionen und auch warme
Suppen gut geeignet seien.
„Selbst Gewohnheiten wie
ein Glas Wein zum Essen
sollten, wenn der Patient
es wünscht, nach Möglichkeit beibehalten werden.“
Aber ganz wichtig sei noch
ein anderer Aspekt: „Angehörige und Pflegende sollten sich darauf einlassen,
bei der Begegnung mit
dem Patienten nicht nur
auf das Essen zu setzen.
Zuneigung lässt sich auch
durch sanfte Körperpflege,
Gespräche über schöne
Erlebnisse aus der Vergangenheit, Vorlesen, Berührung zeigen. Natürlich darf
der Patient dabei nicht
überfordert werden.“
Ihr stabil positives und
frohes Wesen, sagt Bullermann-Benend, gebe Kraft
für ihre Tätigkeit, bei der
Leiden, Sterben, Tod als
Themen immer mitschwingen. „Ich fühle mich auch
sehr gehalten durch meinen Glauben“, fügt die bekennende Katholikin und
Ökumene-Fürsprecherin
hinzu. So habe sie zu ihrem
60. Geburtstag ihre inzwischen 15-köpfige Familie
samt Freundeskreis zu einem „Sonntag mit Maria“
eingeladen: „Zuerst waren
wir zur geistlichen Erbauung in der Kirche und hinterher haben wir alles genossen, was sonst noch
zu einem frohen, erholsamen Sonntagsverlauf gehört: köstliches Essen, Spaziergang, gute Gespräche,
Musik und Theater.“ Fragt
man die leidenschaftliche
„Omamia“, wo sie auftankt, kommt prompt:
„In der Kirche und in
der Sauna.“
cok
> AiR | März 2015
17
Vorgestellt
Mann, selbst Tierarzt und
Zahnmediziner, und sie
führten für den Nachwuchs das „gelenkte
­Naschen“ ein:
„Es gab eine
Schublade mit
Süßigkeiten in
­einem alten
Schrank. Jeden
Tag nach dem
ausgiebigen Mittagessen samt
Nachtisch durfte
etwas ausgewählt werden …“
Aktiv im Ruhestand
Soziale Netzwerke für Senioren:
Initiative schafft Freunde
Medien
18
Ebenso wie „Tempo“ für
Papiertaschentücher und
„Jeep“ für „Geländewagen“ steht, ist „Facebook“
das Synonym für soziale
Netzwerke im Internet. Zu
Recht, denn mit weltweit
1,35 Milliarden Nutzern ist
Facebook der Platzhirsch
unter den Angeboten. Dabei haben sich die Nutzerzahlen in den vergangenen
Jahren deutlich verschoben – zugunsten der Seni­
orinnen und Senioren, die
Facebook immer mehr
nutzen, während die Jüngeren dem Dienst zunehmend den Rücken kehren.
In den USA waren unter
den Facebook-Mitgliedern
im Januar 2014 weniger
Teenager von 13 bis 17
Jahren als 2011 vertreten.
Ihre Anzahl sank um gut
25 Prozent, während der
größte Anteil der US-Mitglieder von Facebook zwischen 35 und 54 Jahre alt
(31 Prozent aller Mitglieder) war. In Deutschland
stieg die Zahl der älteren
Facebook-Nutzer über 55
Jahre kontinuierlich von
0,57 Millionen im Jahr
2011 auf 1,98 Millionen
im Jahr 2014. Der Anteil
der Mitglieder von 45 bis
55 Jahren stieg in diesem
Zeitraum sogar von 1,08
auf 4,4 Millionen.
Diese Zahlen belegen, dass
Facebook bei der älteren
Generation sehr beliebt ist,
denn die Wahrscheinlichkeit, dort auf Altersgenos> AiR | März 2015
sen zu treffen, ist besonders hoch. Gegen Facebook
spricht allerdings die teilweise komplexe Bedienung und die immer undurchsichtiger werdenden
allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie
die komplizierten Privatsphäreeinstellungen. Beides wird immer wieder
von Datenschützern kritisiert, und mit jeder Novelle
der AGB versucht Facebook,
seine Nutzer ein wenig gläserner zu machen. Mit dem
jüngsten Versuch dieser
Art beschäftigte sich im
Januar 2015 sogar das
Bundesjustizministerium.
Wer sich hier nicht systematisch abschottet, wird
schnell zum Werbe-Spielball der Industrie. Aber es
gibt Alternativen, die speziell für Senioren gemacht
sind.
<<
Platinnetz.de
Eine dieser Plattformen,
„feierabend.de“, hat AiR
bereits im Oktoberheft
2014 vorgestellt. Die Betreiber des Netzwerks unterhalten quasi als Tochterangebot „platinnetz.de
– das Portal für Junggebliebene“, das sich auf die
Generation 50plus spezialisiert hat. Dort gibt es neben zahlreichen Beiträgen
unter anderem zu Themen
wie Reise, Gesundheit,
Wohnen und Wellness
eine rege Onlinecommu­ni­ty mit rund 150 000
© photopitu – Fotolia.com
Partnerschaft im Alter bezieht sich nicht nur auf die oder den Liebsten. Ebenso wichtig ist es, Kontakt
zu Familie und Freunden zu halten. Sind die Kinder nämlich erst einmal aus dem Haus, schlagen die neu
gewonnenen Freiheiten für manche leicht in Einsamkeit um. Soziale Netzwerke können helfen, den Kontakt nicht abreißen zu lassen und neue Freunde zu gewinnen. AiR stellt die wichtigsten Plattformen vor.
angemeldeten Mitgliedern,
eine Chat-Funktion und
einem angegliederten
Onlineshop. Die Seite
macht auch ohne Anmeldung Spaß, denn Themenvielfalt und Qualität der
redaktionell erstellten Beiträge müssen sich vor den
Angeboten so manchen
großen Publikumsmagazins nicht verstecken.
<<
Herbstzeit.de
Zu den kleineren Portalen
zählt mit rund 9 000 Mitgliedern „herbstzeit.de“.
Das kostenlose Informations- und Kommunikationsangebot für Menschen
im besten Alter, das sich
von bestehenden Angeboten unterscheiden will, orientiert sich an einem mo-
dernen Bild des Alterns
und möchte das traditionelle Seniorenbild durch
ein realistisches und attraktives ersetzen. Die Mitglieder sollen ganz unkompliziert mit anderen in Verbindung treten und Bekannte und Freunde im
Chat oder im Forum treffen. Weiter können Nut­zer zum Beispiel selbst
Texte oder Biografien veröffentlichen und sich über
aktuelle Themen, Produkte
und Dienstleistungen informieren, die den Alltag
erleichtern. Darüber hinaus können Mitglieder
„Herbstzeit-Reporter“
werden, um andere über
ihre Region zu informieren.
Kostenlose Stellen- und
Kleinanzeigen runden
das Angebot ab.
Aktiv im Ruhestand
<<
50plus-treff.de
Einen stärkeren Fokus
auf Partner- und Freundschaftssuche legt das Portal „50plus-treff.de“. Nach
Angaben der Betreiber
tummeln sich dort „über
280 000 niveauvolle und
kultivierte Mitglieder“, denen nach der Anmeldung
Tausende Kontaktanzeigen
von Menschen ab 50 zur
Verfügung stehen. Mit der
erweiterten Suche kann
dort gezielt nach Singles
oder nach Menschen mit
ähnlich gelagerten Interessen gefahndet werden. Als
Besonderheit gibt es dort
zahlreiche Regionalgruppen, sodass die Kontaktaufnahme nicht auf das
Netz beschränkt bleiben
muss. Die Mitglieder der
Regional- und Themengruppen organisieren regelmäßige Treffen, um den
gemeinsamen Meinungsaustausch auch außerhalb
des Internets zu fördern.
<<
Planetsenior.de
Das mit rund 1 500 aktiven
Nutzern kleine Seniorenportal „planetsenior.de“
führt Best-Ager zu nützlichen Informationen rund
um den Alltag. In diversen
Rubriken des Onlinemagazins gibt es in Ratgeberform Tipps, Erklärungen
und Checklisten zu Themen wie Ernährung, Fitness, Gesundheit, Wellness, Freizeitgestaltung,
Reisen und etliches mehr.
Ein zentrales Thema auf
planetsenior.de ist die Gesundheit: Es finden sich
viele Informationen über
Gesundheitsvorsorge,
Krankheiten und Behandlungsmethoden. Planetsenior bemüht sich nach eigenen Aussagen, die besten Spezialisten und die
besten Informationen für
den Erhalt der Gesundheit
aufzutreiben, damit Seniorinnen und Senioren möglichst lange und sorgenfrei
leben können.
<<
Sicherheit geht vor
Allen hier aufgeführten
Portalen sind Facebookähnliche Grundfunktionen
gemeinsam, und mit wenigen grundlegenden Sicherheitstipps kann der Netzwerkspaß beginnen. An
erster Stelle sollte die Profilsicherheit stehen: Nutzer
können selbst bestimmen,
wie viel vom eigenen Anmeldeprofil für Unbekannte sichtbar ist. Am Anfang
gilt: je weniger, desto besser. Auch sollten natürlich
keine persönlichen oder
vertraulichen Daten veröffentlicht werden, mit denen Missbrauch betrieben
werden kann. Daher sollte
am besten auch nicht der
„Klarname“, sondern ein
Pseudonym verwendet
werden. Auch empfiehlt es
sich, das persönliche Profil
nicht komplett öffentlich
zu schalten, sondern nur
für „Freunde“ sichtbar zu
machen. Weiterhin ist ein
sicheres Passwort wichtig,
denn schon oft haben Hacker die Profile von Menschen mit einfach zu knackenden Passwörtern gekapert. Außerdem sollte
man vor der Registrierung
einen Blick in die Nutzungsbedingungen werfen, damit klar ist, was auf
der Plattform erlaubt ist
und was nicht, oder ob
durch die Benutzung eines
Dienstes Kosten entstehen: Grundsätzlich sind
alle hier vorgestellten Portale kostenlos. Lediglich
50plus-treff und Platinnetz
bieten gegen monatliche
Gebühren zusätzliche Premiumdienste an.
br
> AiR | März 2015
Aktiv im Ruhestand
NBB:
Landesseniorenvertretung gewählt
Als Gast berichtete die
stellvertretende Vorsit­
zende der Bundessenio­
renvertretung (BSV), Anne
Schauer, über die Arbeit der
BSV. Themen waren unter
anderem Mütterrente,
Tarifverhandlungen für
die Länder, Durchführung
von Seminaren sowie
Unterstützung der Lan­
desseniorenvertretungen.
Mit dem Landesvorsitzenden des NBB, Friedhelm
Schäfer, wurden weitere
gewerkschafts­politische
NBB
Wahl ist Jürgen Hüper
stimmberechtigtes Mitglied im Landesvorstand
des NBB.
<
< Die neue Geschäftsführung der Landesseniorenvertretung: Vor­
sitzender Jürgen Hüper (Mitte, BRH) und seine Stellvertreter Martina Pankow (DPhV), Peter Bahr (BLVN), Christian Flemming (DVG)
sowie Werner Heilgermann (BTB). Im Bild links der NBB-Vorsitzende Friedhelm Schäfer; Dritte von rechts Anne Schauer, stellvertretende Vorsitzende der dbb bundesseniorenvertretung.
Tagesthemen erörtert.
Hüper schloss die Versammlung mit der Bitte,
die Informationen, die
in ausführlicher Weise
gegeben wurden, an Kol­
leginnen und Kollegen
weiterzu­geben.
BRH NRW:
Senioren entdecken das Internet
Das Internet gibt den äl­
teren Menschen die Möglichkeit, „dabei zu sein“.
Insbesondere dann, wenn
sie weniger mobil oder gar
ans Haus gebunden sind.
Deshalb lässt der Seniorenverband BRH in NRW nicht
nach, mit Veranstaltungen
in der dbb akademie noch
Abseitsstehende zu er­
muntern, den Einstieg
zu wagen:
Der beim BRH NRW für
diese Seminare zustän­di­ge Uwe Neiss (Bad Salz­
uflen) geht dabei sehr
einfühlsam vor und versucht immer wieder, den
Einstieg zu erleichtern.
Wer aber einmal als älte­­rer Mensch die schier unbegrenzte Angebotsfülle
> AiR | März 2015
BRH NRW
Aus den Ländern
20
Auf dem Landesgewerkschaftstag des NBB im Dezember 2014 wurde die
Landesseniorenvertretung
des NBB satzungsmäßig
verankert. Die Seniorenvertreter der Mitgliedsgewerkschaften haben am
19. Januar 2015 in geheimer Wahl die neue Geschäftsführung der Landesseniorenvertretung gewählt. Vorsitzender wurde
einstimmig Jürgen Hüper
(Seniorenverband BRH).
Seine Stellvertreter sind
Martina Pankow (Philologen Verband), Peter Bahr
(BLVN), Christian Flemming
(DVG) sowie Werner Heilgermann (BTB). Mit der
<
< Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Internetprojekt des BRH NRW sind überzeugt:
Das Internet bietet älteren Menschen eine Chance zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
von Politik und Bildung
über Freizeit und Unterhaltung bis hin zu Einkauf und
Dienstleistungen erfahren
habe, finde schnell zu der
Erkenntnis, dass er ums Internet nicht mehr herumkommt. Eine Einsicht wird
beim BRH-Projekt „Senioren entdecken das Internet“ nicht verschwiegen:
Auch ein Leben ohne Internet ist weiterhin möglich,
weil Ältere auch gerne
Menschen um sich haben
und mit ihnen sprechen
möchten. Doch der BRH
meint: „Wer sich von den
Enkeln nicht abkoppeln
will, muss den Einstieg
wagen.“
Die Teilnehmer, die sich
beim BRH-Seminar trafen,
Aktiv im Ruhestand
haben den Einstieg bereits
geschafft. Es ging diesmal
darum, Wissen und Können zu vertiefen. Und doch
war auch bei ihnen die
Angst vor der neuen Technik hin und wieder noch
zu spüren. Generell wa­ren aber alle bereit, neue
Schritte zu wagen. Wie
leicht das funktioniert,
zeigt seit Jahren Akademie-Dozentin Pia Di Lauro,
die immer wieder spannend
und hilfreich zugleich vorgeht und den Senioren viel
Zeit einräumt, das Gelernte auszuprobieren.
Wir haben uns unter den
Teilnehmern umgehört.
So meinte Willi A. begeistert: „Es ging diesmal um
Möglichkeiten der Bild­
bearbeitung. Und für die
meisten Teilnehmer fängt
nach dem Seminar erst die
‚Arbeit‘ an, das Erlernte
zu Hause kräftig zu üben.
Adele I. stellte fest: „Es war
eine sehr gute Entscheidung von mir, an diesem
Kurs teilzunehmen.“ Klaus
R. schaute bereits in die
Zukunft:„Ich freue mich
heute schon auf den nächsten Kurs.“ Seminarleiter
Uwe Neiss plant unter
dem Motto „Spaß am PC“
im Oktober 2015 weitere
Unterrichtstage im dbb forum siebengebirge. Informationen gibt es dazu im
BRH-Landesbüro unter
02573.979145-0.
Hans Burggraf,
Vorsitzender des BRH NRW
Kontakte kennen kein Alter
Unsere Mitglieder sind
teils 20 Jahre und länger
im Verband. Sie schätzen
die Kontinuität, mit der
Veranstaltungen durch­
geführt und aktuelle In­
formationen aufbereitet
und weitergegeben werden. Sie wissen, dass sie
sich aufeinander verlassen
können und lassen auch
bei Erkrankungen keinen
allein. Man besucht sich
und kommuniziert miteinander. Die Grundlage einer
jeden Beziehung bildet immer das Gespräch. Nur wer
sich mitteilt, kann auch
wahrgenommen werden;
nur wer zuhört, hat die
Möglichkeit, sein Gegenüber zu verstehen. Zugleich
ist aber auch Eigeninitiative gefragt: Sind Sie mit einer Situation oder einer
Vereinbarung unzufrieden,
warten Sie nicht zu lange
auf Nachfrage des Gegenübers, sprechen Sie die
Probleme selber an.
Aber auch die positiven
Dinge müssen angesprochen statt als selbstverständlich hingenommen
werden. Anerkennung
und Wertschätzung des
Geleisteten sind wichtiger
Bestandteil einer funktionierenden Verbandsarbeit.
Ein fairer und respektvoller
Umgang miteinander ist
eine der Grundlagen da­für,
dass man sich „gut versteht“. Im Rahmen der
Interessenvertretung ist
es hilfreich, gemeinsam
Ziele und Wünsche zu er­
arbeiten und zu formulieren. Was wollen wir gemeinsam erreichen? Wo
möchte man sich selbst
mehr einbringen? Dabei
gilt es, keinen zu überfordern, sondern alle auf ihrem Stand einzubeziehen.
So geschehen zumBeispiel
bei Mitgliederversammlungen in Freiberg, Chemnitz und Schwarzenberg,
in diesen Ortsverbänden
wurde kräftig diskutiert
zu den Themen: der Koalitionsvertrag CDU/SPD im
Freistaat Sachsen, die Notwendigkeit eines Seniorenmitwirkungsgesetzes für
unser Land, Rente im Osten und zur politischen
Lage in Europa.
© Piotr Marcinski – Fotolia.com
BRH Sachsen:
Wie in allen Lebensabschnitten gilt: Kontakte,
Beziehungen, Interessenvertretung bedeuten Arbeit, Reflexion und allem
voran Kommunikation – also Arbeit, deren Erfolg Sie
dann gemeinsam mit Ihren
Mitstreiterinnen und Mitstreitern ernten können.
Längst ist die Zeit nach
dem Ausscheiden aus dem
Beruf nicht mehr mit dem
nahenden Lebensende
gleichzusetzen. Vielmehr
gilt dieses sogenannte
„dritte Lebensalter“ als
Chance der Neuorientierung oder Neuverwirklichung für eine noch lange
verbleibende Zeit. Nutzen
Sie die Zeit, um Gleichgesinnte anzusprechen und
sie für das Verbandsleben
zu gewinnen.
Rita Kiriasis-Kluxen,
Vorsitzende des
BRH Sachsen
> AiR | März 2015
Aktiv im Ruhestand
Rückspiegel
Zolloberamtsrat a. D. Harry Haffka • Medienbeauftragter des Vereins Perfekte Pensionäre e. V. • Havelufer 93, 10777 Berlin
Sehr geehrter Dr. Zauderstein, lieber Korbinian,
22
Allerfreundlichst
dein
Satire
© Cello Armstrong – Fotolia.com
„Ein süßer Duft von Havanna, verweht in ringelnder Spur. Ich fühle
an meiner Susanna erwachend neue Natur.“ Erkennst du Joachim
Ringelnatz? Aber sicher doch! Das ist der für mich schönste Teil aus
seinem Frühlingsgedicht. Und fiel mir so ganz spontan ein, als ich
von deinem Wunsche vernahm, in der aktuellen Ausgabe unseres
geschätzten Magazins etwas über die Partnervermittlung für Se­
nioren zu Papier zu bringen, unter dem eher banalen Arbeitstitel
„Späte Heirat nicht ausgeschlossen“. Aber hat das nicht, wie der
Schwabe sagen würde, ein „Gschmäckle“? Ich gebe gerne zu, dass
mir dieses Thema nicht sehr behagt, das hat so was Kupplerisches
an sich. Und auf diesem Gebiet bin ich nun ganz und gar kein Experte. Las ich doch kürzlich bei Heinrich Mann, dass der Alternde unter sich selbst herabsinkt durch Leidenschaften, mit denen er sich noch einmal Jugend vortäuscht. Und so eine Partnervermittlung, ob seriös oder nicht, ist
nicht nur eine Tauschbörse, sondern auch eine Täuschungsbörse: Tausche Alleinsein gegen Zweisamkeit und
täusche dafür, auch auf die Gefahr hin, getäuscht zu werden. Und dieses Risiko will ich weder eingehen noch
meiner Leserschaft empfehlen. Befehlsverweigerung, brummelst du, lieber Korbinian? Dann sei es eben so. Aber
letztendlich kapituliere ich dann doch vor deinen diesbezüglichen Anregungen und mixe aus deinen zitronensaueren Vorschlägen eine hoffentlich ganz passable Limonade. Doch bis du mich mit eben diesen Geistesblitzen
niederringst, fliehe ich zu Abraham Lincoln: „Halte dir jeden Tag dreißig Minuten für deine Sorgen frei und mache in dieser Zeit ein Nickerchen.“
ORR i. R. Dr. Korbinian Zauderstein, Erster Vorsitzender des Vereins Perfekte Pensionäre e. V. • Fliederweg 17 a • 50555 Hoppenstädt
Harry
spoorloos – Fotolia.com
da schau her: Der Herr Kommunikations­chef versteckt sich hinter klugen Sprüchen,
mit denen ich sonst zu punkten pflege! Du
machst es dir mal wieder sehr einfach: Der
Alte wird’s schon richten, wenn ich ihm die
Initiative überlasse. Schließlich war es ja seine Schnapsidee. Denkt sich der Herr Harry
mal wieder. Okay: Wir beide sind mit Ehegesponsten einigermaßen gut versorgt. Aber
das heißt nicht, dass es anderen auch so geht. Und da will ich gerne Hilfestellung geben. Und zwar für beide Seiten. Ich gebe ja zu,
dass ich Frauen immer sehr gerne beobachte. Aber das ist reiner
Selbstschutz: Damit ich immer weiß, was sie als Nächstes tun. Auf der anderen Seite schlägt mein Herz aber
auch für meine Geschlechtsgenossen, die in Partnerschaftsfragen nicht selten mehr als naiv sind. Der Spagat
besteht nun darin, das Weibchen mit dem Männchen zu locken. Und das geschieht zum Beispiel hervorragend
mit Otto Reutter: „ Schau’n Se nicht so wählerisch. Nur nach dem, der jung und frisch. Nehm’n Se ’n Alten, so
’nen alten wohlbestallten. Kommt dann mal ein Junger her, gönnt er dem sogar den Braten und begnügt sich
am Dessert.“ Mit diesem Speck fängst du Mäuse, mein Lieber, das kann ich dir versichern! Und mit Kuppelei hat
das auch nichts zu tun. Oder allenfalls ganz am Rande, wo es noch legal ist. Also mach dir nicht ins Hemd, sondern buhle und balze! Ich garantiere dir, dass wir wieder jede Menge Zuschriften und Anfragen bekommen
werden und vielleicht gar in der Geschäftsstelle ein kleines Vermittlungsbüro einrichten können. Aber das
ist zugegebenermaßen noch Zukunftsmusik. Die spätere Heirat lassen wir aber erst mal unter den Tisch fallen.
In unserem Alter ist so was eher lästig und käme Otto Reutter und seiner Weisheit in die Quere ...
© Andres Rodriguez – Fotolia.com
Lieber Harry,
Mach et jut
Korbi
> AiR | März 2015
cwb
Aktiv im Ruhestand
Leserbriefe:
Seichte Verweise
Ohne Altersangaben
Standpunkt zur Mediengestaltung
von Uta Kramer-Schröder, AiR 10-2014, Seite 6
Kfz-Versicherungen für Senioren:
Undurchsichtige Abzocke, AiR 1/2-2015,
Seiten 18–19
der jeweilige haus­eigene
Videotext viel besser. Fast
zeitgleich werden uns in
den späteren Sendungen
jeweils die gleichen Themen
oberflächlich präsentiert.
Man könnte einen Sender
ohne Mangel abschaffen
beziehungsweise beide und
gleich ins Internet schauen.
Die Zwangsgebühren für
seichte Verweise auf Internetzugänge sind unnütz.
Bleiben Sie dran!
Man könnte das Kfz zum
Beispiel auf eines seiner
Kinder anmelden, vorausgesetzt, man hat welche.
Der Schadenfreiheitsrabatt bleibt erhalten. Im
Kfz-Versicherungsvertrag
muss man dann angeben,
wer noch das Fahrzeug
fährt. Es kann günstiger
werden, wenn man dann
als weiteren Fahrer die ältere Person (über 80 Jahre)
angibt oder man erklärt,
dass unterschiedliche Personen dieses Fahrzeug nutzen – ohne Altersangabe
– auch dann ist es noch in
der Versicherung günstiger.
Siegfried Steen,
per E-Mail
Dieter Straub,
per E-Mail
23
Service
Mit Ihrem Artikel treffen
Sie genau die Unzulänglichkeit der öffentlichrechtlichen Mangelver­
sorgung bezüglich der
Berichterstattung hin­
sichtlich der Nachrichten
(insbesondere TV). Mit
dem dauernden Verweis
auf Facebook und Internet
(Laufband, Sprecher) machen sich Tagesschau, Heute et cetera selbst überflüssig, da man für das
Anhören einer „Überschrift“ nicht einzuschalten braucht. Da ist selbst
> AiR | März 2015
Aktiv im Ruhestand
_0I10S_3Air_rätsel.pdf; s1; (181.56 x 241.56 mm); 18. Feb 2015 12:48:16; PDF-CMYK ab 150dpi für Prinergy; L. N. Schaffrath DruckMedien
früher:
3. Klasse
des Gymnasiums
Hindernis
entwerfen,
errichten
Baumwollhose
sehr
klein
3
als Zeuge vor
Gericht
sprechen
bäuerlich,
ländlichschlicht
starke
nervliche
Belastung
Spion,
Spitzel
7
symbolhaftes
Schmuckstück
franz.
Stadt
an der
Loire
ungesetzlich
24
Unterarmknochen
Luft einziehen
und ausstoßen
10
Kalifenname
Musikzeichen
Lösungswort:
Wirklichkeit
Name
Gottes
im
Islam
RegelwidrigVerkeit beim brechen
Sport
leicht
Borke bebitter
stimmter
oder
säuerlich Eichen
Vorrichtung zum
Heizen,
Kochen
Bürde,
Drückendes
2
größte
Insel der
Großen
Antillen
länglich
runde
Baumfrucht
1
schräge
Stütze
Vertrag;
Bündnis
das Ich
(lateinisch)
Rätselfreund
eine
Verwandte
Pflanzenfaser
Geliebte
des Zeus
Schopf,
Haarbüschel
> AiR | März 2015
Rückbuchung
Ernährung,
Verpflegung
sauber,
unbeschmutzt
Augenblick
ein
Apostel
5
Zierlatte
Fluss
durch
Florenz
Gesandter des
Papstes
aktiv, beschäftigt
Massenangst
Angehöriger eines
Indianerstammes
harzreiches
Kiefernholz
nach
Abzug
der
Kosten
Schlachttiere
reichlich
füttern
scherzhaft:
Ahnung
männliches
Borstentier
kleine
Brücke
Grill;
Kamingitter
italienisch:
Liebe
bayer.
Schriftsteller
(Ludwig)
Musik:
schnell,
lebhaft
auf
diese
Weise
junger
Pflanzenspross
Kapitalgesellschaft
(Abk.)
Furchtgefühl
Stuhlteil
Das Fitness-Armband aus AiR magazin 1-2/2015 hat
gewonnen: Tobias Jahn, Bedesbach. Herzlichen Glückwunsch! Das Lösungswort lautete „Rosenmontag“.
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Baleareninsel
Hauptstadt
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Tibet
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10117 Berlin. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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6
11
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Himmelsrichtung
Schulfestsaal
sehr
kurze
Kleidung
Anhänger einer
Weltreligion
Fabrik
Behälter aus
Papier,
Plastik
Fuge,
längliche Vertiefung
9
anhänglich,
loyal
chemisches
Zeichen
für Tellur
rumän.
Währungseinheit
dbb
Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn:
< 80 für alle
dbb begrüßt Durchbruch
Eine Diskussion über Tempo 80 auf Landstraßen findet die SPD-Bundestagsabgeordnete und dbb Vize Kirsten Lühmann sinnvoll. Vor
dem 53. Deutschen Verkehrsgerichtstag in Goslar verwies Lühmann,
die verkehrspolitische Sprecherin ihrer Fraktion ist, in der Zeitung
„Die Welt“ (Ausgabe vom 29. Januar 2015) auf den Anlass der Diskussionen: eine problematische Spreizung der Geschwindigkeitsbegrenzungen auf deutschen Landstraßen. Nämlich die Spreizung
zwischen Pkw und Lkw. Während Pkw laut Vorschrift „unter den
günstigsten Bedingungen“ 100 fahren dürfen, gilt für Lkw ab 3,5
Tonnen generell Tempo 60. „Dieser große Unterschied zwischen
Pkw und Lkw ist faktisch ein Anreiz zum Überholen“, sagt die gelernte Polizistin Lühmann. Überholen aber sei auf Landstraßen besonders riskant. „Die Leute machen sich nicht klar, wie viel Platz sie
für einen Überholvorgang tatsächlich brauchen, sondern vertrauen
darauf, dass schon niemand um die nächste Kurve kommen wird.“
Um die Anreize für derart gefährliche Überholmanöver zu reduzieren, wäre es nach Ansicht von Lühmann sinnvoll, „dass auf Landstraßen möglichst einheitliche Geschwindigkeiten gefahren werden“.
In allerletzter Minute hatten
sich Bahnvorstand und GDLFührung am Sonntag (22. Februar 2015) in Berlin zusammengesetzt und nach über
15 Stunden Verhandlungen
dieses wichtige Zwischenergebnis erzielt. Dauderstädt:
„Wir sind stolz, dass dieser
Durchbruch auch ohne Schlichtung möglich war. Das beweist
einmal mehr, dass die Sozialpartner auch in schwierigen
Lagen aus eigener Kraft Lösungen finden können.“
Entgeltgleichheitsgesetz:
Öffentlichen Dienst einbeziehen
Der dbb Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt hat am 19. Februar 2015 in
Berlin gegenüber Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig kritisiert,
dass beim geplanten Entgeltgleichheitsgesetz der öffentliche Dienst nicht
mit einbezogen werden soll.
BMFSFJ
gen, um Führungspositionen in
Teilzeit auszuüben, und für die
Vereinbarkeit von Familie und
Beruf.
< dbb Chef Klaus Dauderstädt (links) forderte von Familienministerin Manuela Schwesig (Fünfte von rechts) die
Einbeziehung des öffentlichen Dienstes in das Entgeltgleichstellungsgesetz.
Zwar sei die Bezahlung dort
grundsätzlich identisch. „Ungleiche Bezahlung gibt es aber
trotzdem, etwa durch die un-
terschiedliche Bewertung von
‚klassischen‘ Frauen- oder
Männerberufsbildern und wegen familiärer Aufgaben unter-
25
aktuell
Am 23. Februar 2015 erklärte
der dbb Bundesvorsitzende
Klaus Dauderstädt hierzu in
Berlin: „Wir sind beiden Tarifparteien dankbar, dass sie damit einen monatelangen Streit
über Verfahrensfragen beendet haben und ein für die
nächsten Tage drohender
Streik abgewendet werden
konnte. Jetzt kann endlich mit
konstruktiven Verhandlungen
über die materiellen Arbeitsbedingungen der GDL-Mitglieder
begonnen werden.“
MEV
Mit Erleichterung und großer Zufriedenheit hat
der dbb die Verständigung zwischen Deutscher
Bahn AG und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) zur Struktur künftiger Tarifverträge aufgenommen.
brochenen Karrierewegen“,
sagte der dbb Chef. Hier gebe
es Korrekturbedarf, zum Beispiel durch bessere Regelun-
Hintergrund des Gesetzes ist
die Verabredung der Großen
Koalition, Lohndifferenzen
zwischen Männern und Frauen
abzubauen. Dabei sollen Berufsfelder, Fähigkeiten, Kompetenzen und Erfahrungen
gemeinsam mit den Tarifpartnern neu bewertet werden.
Konkret ist beabsichtigt, einen
individuellen Auskunftsanspruch für jeden Beschäftigten
zu etablieren und Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten zu verpflichten,
in ihren Lageberichten Aussagen zur Lohnstruktur und
zur geschlechtsbezogenen
Verteilung der Arbeitsplätze
zu treffen. Mit einem Referentenentwurf ist dem Vernehmern nach bis zur Sommerpause zu rechnen.
> AiR | dbb seiten | März 2015
dbb
Gesetz zur Zwangstarifeinheit:
Mit dem von der Bundesregierung auf den Weg
gebrachten Tarifeinheitsgesetz werde zu einem
völlig überflüssigen Frontalangriff auf das Grundrecht der Koalitionsfreiheit geblasen. „Das lehnen
wir ab“, machte dbb Chef Klaus Dauderstädt in
zahlreichen Gesprächen mit Bundes- und Landespolitikern deutlich.
<
Bundestags-Gutachten
bestätigt dbb Position
Die dbb Auffassung wird nun
auch durch ein Gutachten des
Wissenschaftlichen Dienstes
des Bundestages gestützt, der
erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des von
Bundesarbeitsministerin
Andrea Nahles (SPD) auf den
Weg gebrachten Tarifeinheitsgesetzes hegt. Das Gutachten,
in Auftrag gegeben von der Abgeordneten Beate Müller-Gemmeke (Bündnis 90/Die Grünen),
kommt zu dem Schluss, dass
das Gesetz einen Eingriff in die
kollektive Koalitionsfreiheit
nach Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes darstellt, wie MüllerGemmeke gegenüber der
Tageszeitung „Die Welt“ (Ausgabe vom 10. Februar 2015)
berichtete.
> AiR | dbb seiten | März 2015
Dass dem Gesetzentwurf der
Bundesregierung zufolge Arbeitskämpfe als unverhältnismäßig zu interpretieren seien,
wenn sie den Abschluss eines
Minderheitentarifvertrages
bezwecken, hatte der dbb von
Beginn an als verfassungswidrigen Eingriff in Streikrecht und
Koalitionsfreiheit kritisiert, der
Wissenschaftliche Dienst des
Bundestags sehe das ebenfalls
kritisch, bestätigte MüllerGemmeke. Eingriffe in Grundrechte könnten den Autoren
zufolge zwar möglich sein,
aber nur, wenn sie gerechtfertigt seien. Das offizielle Ziel des
Gesetzes, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie zu sichern, reiche dafür nicht aus.
Außerdem habe es weder eine
bedeutende Zunahme von Ar-
< Bei einem Treffen mit Vertretern der Bundestagsfraktion Die Linke am
28. Januar 2015 in Berlin bekräftigte der Zweite dbb Vorsitzende und
Fachvorstand Tarifpolitik, Willi Russ, dass der dbb es nicht hinnehmen
werde, dass die Tarifautonomie den Profitinteressen der Wirtschaft
geopfert werde. Auch Die Linke lehnt eine gesetzliche Tarifeinheit als
offensichtliche Verfassungswidrigkeit ab. Im Bild von links der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende und Fachvorstand Beamtenpolitik,
Hans-Ulrich Benra, der Vorsitzende der Bundestagsfraktion Die Linke,
Gregor Gysi, und Willi Russ.
beitskämpfen gegeben, seit
das Bundesarbeitsgericht 2010
das Prinzip der Tarifeinheit in
Betrieben modifiziert hat, noch
sei der Betriebsfrieden zunehmend gefährdet, heiße es in
dem Gutachten weiter. Die
vom Gesetzgeber angeführte
Ordnungsfunktion der gesetzlichen Tarifeinheit sei nicht
genügend belegt und stelle
keinen Grund für einen Eingriff
in die Koalitionsfreiheit dar, urteilen laut Müller-Gemmeke
die Gutachter. Auch die Betroffenheit Dritter bei Streiks im
Bereich der Daseinsvorsorge
könne dem Gutachten zufolge
die gesetzliche Tarifeinheit
nicht rechtfertigen.
Jan Brenner
aktuell
26
„Gewerkschaftliche Vielfalt
ist in Deutschland verfassungsrechtlich garantiert. Das bedeutet zugleich: Tarifautonomie ist ein hohes Gut, das es
zu schützen gilt.“ Es gebe hierzulande eine gesunde und
stabile Sozialpartnerschaft.
„Gesetzliche Einschnitte in
das bewährte deutsche Arbeitskampfrecht schaden
nur – und sie sind grundgesetzwidrig“, warnte der dbb
Chef. Deshalb werde sich seine
Organisation mit allen gebotenen Mitteln dagegen zur
Wehr setzen.
Jan Brenner
Überflüssig und
verfassungswidrig
< Das Thema Tarifeinheit war Schwerpunkt eines Gespräches, zu dem Klaus
Dauderstädt am 5. Februar 2015 in Berlin mit Vertretern der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen zusammenkam. Auch die Grünen
sprachen sich gegen gesetzliche Regelungen aus. Im Bild von links: Katja
Keul, Kerstin Andreae, Grünen-Fraktionsvorsitzender Dr. Anton Hofreiter,
dbb Chef Klaus Dauderstädt und Beate Müller-Gemmeke.
dbb Chef Klaus Dauderstädt
plädierte für eine Veröffentlichung des Gutachtens: „Wir
sehen unsere Positionen erneut kompetent und parteipolitisch neutral bestätigt
und würden es sehr begrüßen,
wenn sich der Deutsche Bundestag für eine Veröffentlichung dieser wichtigen Analyse entscheidet. Immerhin geht
es um ein elementares Grundrecht unserer Verfassung,
das in Gefahr ist. Insofern
besteht ein sehr gut begründetes Interesse der Öffentlichkeit an umfassenden und
fundierten Informationen.“
Dauderstädt verwies darauf,
dass auch die Freiheitsrechte
des Einzelnen mit dem Gesetz
beschnitten würden. „Jede Arbeitnehmerin und jeder Arbeitnehmer hat das Recht darüber
zu entscheiden, ob und wie sie
oder er sich organisiert. Aber
wenn mit gesetzlichen Regelungen ein Streik für kleinere
Gewerkschaften per se ausgeschlossen wird, sind diese in ihrer Existenz bedroht. Denn warum sollen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer Mitglieder
einer Gewerkschaft werden, die
man der Möglichkeiten zu wirksamer Interessenvertretung beraubt hat? Zwangstarifeinheit
und Koalitionsfreiheit gehen
eben nicht zusammen.“
dbb
<
CSU­Landesgruppe
Bundestag über eine Normen­
kontrollklage aus dem Parla­
ment nachzudenken.
CSU-Vorschlag unterläuft Betriebsfrieden
Als „weiteren Angriff auf die
Tarifautonomie“ hatte dbb
Chef Klaus Dauderstädt auch
den Vorstoß der CSU zur Ein­
schränkung des Streikrechts
kritisiert, den die Partei nach
ihrer Vorstandssitzung am
26. Januar 2015 in München
vorgestellt hat. Demnach soll
es vor Streiks bei der Bahn
< Bei einem Treffen mit der CSU­Landesgruppenvorsitzenden im Deut­
schen Bundestag, Gerda Hasselfeldt MdB, am 11. Februar 2015 in Berlin
unterstrich dbb Bundesvorsitzender Klaus Dauderstädt die ablehnende
Haltung des dbb und seiner Mitgliedsgewerkschaften gegenüber dem
Entwurf eines Tarifeinheitsgesetzes.
und in anderen öffentlichen Be­
reichen künftig zwingend ein
Schlichtungsverfahren geben.
Zudem will die CSU gesetzlich
festschreiben, dass Streiks in
solchen Bereichen mindestens
vier Werk tage vorher bekannt
gegeben werden müssen. Der
CSU­Vorsitzende Horst Seeho­
fer kündigte an, das Konzept
nun „in die Berliner Gesetzge­
bung einspeisen“ zu wollen.
Jan Brenner
Der Entwurf des Tarifeinheits­
gesetzes stand am 6. Februar
2015 auf der Tagesordnung
des Bundesrates. Dieser ließ
das Gesetz, das nicht zustim­
mungspflichtig ist, bei Ent­
haltung mehrerer Länder, da­
runter Thüringen, passieren.
„Lieber hätte ich mit Nein ge­
stimmt“, sagte Bodo Ramelow
im Gespräch mit der dbb Spit­
ze. „Das ist nur wegen der Koa­
lition in Thüringen auch mit
der SPD unterblieben.“ Die Ge­
sprächspartner hielten es für
plausibel, bei solchen verfas­
sungsrechtlichen Bedenken im
< Es gibt weder juristisch noch politisch einen Bedarf zur gesetzlichen Re­
gelung der Tarifeinheit. Darüber waren sich dbb Chef Klaus Dauderstädt
(rechts), sein Stellvertreter und Fachvorstand Beamtenpolitik, Hans­
Ulrich Benra (links), und Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow
in einem Gespräch am 6. Februar 2015 in Berlin einig.
„Wir lehnen jegliche Einmi­
schung des Gesetzgebers in
das Grundrecht der Tarifauto­
nomie kategorisch ab. Das gilt
für die im Gesetzentwurf vor­
liegenden Tarifeinheitspläne
der Bundesregierung ebenso
wie für die jüngsten Vorschlä­
ge aus Bayern“, machte dbb
Chef Dauderstädt am 27. Janu­
ar 2015 in Berlin deutlich. „Ein
Zwei­Klassen­Streikrecht, wie
es die CSU jetzt offenbar pos­
tulieren will, wäre in dieser
ganzen unsäglichen Diskussion
noch einmal eine ganz neue
‚Qualität‘ der Grundrechtsbe­
schneidung und erst recht ver­
fassungswidrig“, warnte Dau­
derstädt. „Insbesondere in den
Bereichen der Daseinsvorsorge
haben die Gewerkschaften in
der Vergangenheit immer wie­
der bewiesen, dass sie sich der
hohen Verantwortung bei Ar­
beitskampfmaßnahmen in
jeder Hinsicht bewusst sind
und sie sehr ernst nehmen.
Das wird auch in Zukunft und
ohne gesetzgeberische Eingrif­
fe in die Tarifautonomie der
Fall sein“, betonte der dbb
Bundesvorsitzende.
zes. In der neuen Berufungs­
periode stehen neben klas­
sischen arbeitsbedingten
Gesundheitsrisiken auch
neue arbeitsmedizinische
Fragestellungen auf der Agen­
da des AfAMed, wie zum Bei­
spiel die Digitalisierung der
Arbeitswelt.
Neben dem AfAMed ist der
dbb mit Dr. Birgit Corell (BTB)
auch im Ausschuss für Biologi­
sche Arbeitsstoffe (ABAS) ver­
treten und hat Mitglieder für
den Ausschuss für Betriebssi­
cherheit (ABS) sowie für den
Ausschuss für Gefahrstoffe
(AGS) benannt.
Ausschuss für Arbeitsmedizin:
dbb Vertreter berufen
Der AfAMed, dem für den dbb
Dr. Birgit Lindenthal (BVöGD)
angehört, ist ein Beratungs­
gremium des BMAS, dessen
Aufgabe es unter anderem ist,
Regeln und Empfehlungen zur
Umsetzung der Vorgaben der
„Verordnung zur arbeitsmedi­
zinischen Vorsorge (ArbMed­
VV)“ zu erarbeiten. Der Aus­
schuss trägt auf diese Weise
dazu bei, Berufskrankheiten
und arbeitsbedingten Erkran­
kungen vorzubeugen und
die Beschäftigungsfähigkeit
der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer zu erhalten.
Gleichzeitig berät der AfAMed
das BMAS in allen Fragen des
medizinischen Arbeitsschut­
©Zerbor – fotolia.com
Am 10. Februar 2015 hat sich beim Bundesminis­
terium für Arbeit und Soziales (BMAS) der Aus­
schuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) neu konstitu­
iert. In dieser zweiten Berufungsperiode von 2015
bis 2020 wird sich erstmals auch der dbb an der
Ausschussarbeit beteiligen.
dbb
Existenzminimumbericht:
Steuerliche Entlastungen
überfällig
aktuell
28
Der dbb begrüßte die Berechnungen. „Jetzt geht es darum,
die notwendigen Anpassungen
rasch zu beschließen und vor
allem gesetzgeberisch umzusetzen, weil die Steuerzahler
hierauf einen Anspruch haben“, sagte der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende
Thomas Eigenthaler, der auch
Bundesvorsitzender der Deutschen Steuer-Gewerkschaft ist.
„Hier sehen wir sowohl die
©Gina Sanders – fotolia.com
Das Bundeskabinett hat am 28. Januar 2015 den
Existenzminimumbericht gebilligt. Dieser gibt
vor, in welchem Umfang der steuerliche Grundfreibetrag und der Kinderfreibetrag aus verfassungsrechtlichen Gründen angehoben werden
müssten. Über die Höhe soll die Bundesregierung
bis Ende März dieses Jahres entscheiden.
Große Koalition als auch die
Länder im Bundesrat in der
Pflicht.“
Nach dem Existenzminimumbericht müsste der sogenannte
Grundfreibetrag für Ledige im
laufenden Jahr um 118 Euro auf
8 472 Euro erhöht werden. Im
Jahr 2016 sei eine weitere Anhebung um 180 Euro auf 8 652
Euro geboten. Der Freibetrag
für Kinder müsste um 144 Euro
auf 4 512 Euro (2015) und um
weitere 180 Euro auf 4 608 Euro
(2016) angehoben werden.
Vor allem die leichte steuerliche Entlastung für Familien sei
überfällig gewesen, so Eigenthaler weiter. „Denn der Kinderfreibetrag war eigentlich
schon seit 2014 zu niedrig, wie
die Bundesregierung selbst
eingeräumt hat.“
Mehr Personal für Jobcenter:
Vier-Augen-Prinzip aussetzen
Die Jobcenter brauchen dringend mehr Personal,
damit Leistungsempfänger nicht noch länger als
ohnehin schon auf ihre Bewilligungs- und Änderungsbescheide warten müssen. Das hat dbb Chef
Klaus Dauderstädt in einem Brief an Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles gefordert.
Hintergrund ist die Anweisung
der Bundesagentur für Arbeit,
mit Jahresbeginn 2015 anstelle
der bisherigen Stichproben für
alle kassenwirksamen Entscheidungen im Leistungsbereich der Jobcenter das VierAugen-Prinzip einzuführen.
„Das betrifft nicht nur die erstmalige Feststellung oder die
Weiterbewilligung von Leistungen, sondern nahezu alle Vorgänge, die in den IT-Verfahren
im Leistungsbereich bearbeitet
> AiR | dbb seiten | März 2015
werden“, heißt es in dem
Schreiben des dbb Chefs. Zwar
sei das Vier-Augen-Prinzip
nicht generell zu beanstanden,
die Umsetzung der Kontrollen
sei aber in der gegenwärtigen
Aufgaben- und Personalsituation der Jobcenter nicht zu
bewältigen.
Dauderstädt verweist darauf,
dass die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter der Jobcenter sich
mitten in der Umstellung auf
das neue IT-Verfahren
„ALLEGRO“ befinden. Dafür
müssen bis 30. Juni dieses Jahres – zusätzlich zum regulären
Geschäftsbetrieb – alle Datenbestände zur Leistungsgewährung übertragen werden, was
nur von Hand, aber nicht automatisiert möglich ist. „Als Folge der Umstellung müssen die
Leistungsempfänger längere
Zeit auf ihre Bewilligungs- und
Änderungsbescheide warten.
Bereits diese Situation ist für
alle Beteiligten unzumutbar“,
stellt der dbb Chef fest. „Wenn
jetzt noch die zusätzliche Prüfungspflicht in Form des VierAugen-Prinzips hinzukommt,
wird die ohnehin angespannte
Situation in unerträglicher Weise verschärft.“ Als zusätzliche
Personalkapazitäten würden
die vom Bundesarbeitsministerium angekündigten 400 befristeten Stellen nicht ausreichen, so Dauderstädt. Das
Ministerium selbst sei von einem zusätzlichen Bedarf von
380 bis 580 Stellen für die erweiterten Kontrollpflichten
ausgegangen. Außerdem
müssten die neuen Kräfte
zunächst akquiriert und eingearbeitet werden.
Der dbb erwarte daher, „dass
das Prüfverfahren zumindest
so lange ausgesetzt wird, bis
die ALLEGRO-Umstellung
vollständig und erfolgreich
vollzogen ist. Alternativ muss
das notwendige zusätzliche
Personal – und zwar dauerhaft – zur Verfügung gestellt
werden.“
Jetzt erst recht!
aktuell
29
Bis zur dritten Runde am
16./17. März wird der dbb des­
halb seine Protestaktionen und
Warnstreiks verstärken, um
den Druck auf die Arbeitgeber
zu erhöhen: Jetzt erst recht!
Denn die Landesbeschäftigten
haben eine angemessene Ver­
besserung ihrer Einkommen
und ihrer Arbeitsbedingungen
mehr als verdient. Und die
Steuerquellen sprudeln. Von
Friedhelm Windmüller
Nach einem hoffnungsvollen
Auftakt der Tarifverhandlun­
gen für die Länder am 16. Feb­
ruar ist die zweite Runde am
26./27. Februar 2015 ohne Ge­
genangebot der TdL zur Ge­
werkschaftsforderung – 5,5
Prozent, mindestens aber 175
Euro – vertagt worden. Da eine
Schlichtungsvereinbarung
nicht besteht, bleibt zu hoffen,
dass die Arbeitgeberseite nicht
auch die dritte Verhandlungs­
runde zerredet und weiterhin
unnötige Tarifrituale auf dem
­Rücken der Beschäftigten
zelebriert.
wohlfeil in Sonntagsreden ver­
packter Wertschätzung können
sie nicht leben.
dbb Tarifchef Willi Russ appel­
lierte deshalb erneut an die
Arbeitgeber, sich endlich der
Realität zu stellen und ein kon­
struktives Angebotspaket vor­
zulegen, über das es sich zu
verhandeln lohnt. Wird der öf­
fentliche Dienst stattdessen
weiter als lästiges Übel behan­
delt, geht das nicht nur zulas­
ten der Beschäftigten, sondern
zulasten aller: Steuersünder
bleiben unentdeckt, Schwarz­
arbeiter werkeln am Fiskus vor­
bei, der Unterrichtsausfall in
den Schulen steigt weiter, das
öffentliche Gesundheitswesen
kollabiert. Die dritte Runde
muss ein Ergebnis bringen –
für die Beschäftigten, für die
Bürger und für mehr Wirt­
schaftswachstum. Was immer
jedoch am Ende als Kompro­
miss stehen wird: Die zeitund inhaltsgleiche Übertra­
gung des Tarifabschlusses auf
die Beamten und Versorgungs­
empfänger der Länder ist für
den dbb ein Muss.
sm
> AiR | dbb seiten | März 2015
dbb
Jan Brenner
< Vor dem Brandenburger Tor in Berlin demonstrierten
Kolleginnen und Kollegen für höhere Einkommen ...
Einkommensrunde 2015:
Anschluss halten!
Im Vorfeld der am 27. Februar 2015 ergebnislos
vertagten 2. Verhandlungsrunde für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes der Länder in
Potsdam hatten Beschäftigte bundesweit Flagge
gezeigt. Mit Warnstreiks, Demonstrationen,
Kundgebungen und „aktiven Mittagspausen“
machten angestellte und beamtete Kolleginnen
und Kollegen aus allen Bereichen des öffentlichen
Dienstes klar, dass es ihnen ernst ist mit der Umsetzung der Einkommensforderungen des dbb.
Bereits zum Auftakt der Tarifgespräche mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL)
am 16. Februar 2015 in Berlin
war klar, dass die Beschäftigten
die Lohnrunde nicht passiv an
sich vorüberziehen lassen würden. Sie empfingen die Verhandlungskommission, die
schon nach zwei Stunden wieder auseinandergegangen war,
mit Transparenten und Bannern. Zwar sei „sehr offen und
konstruktiv“ diskutiert worden,
sagte der Zweite Vorsitzende
und Verhandlungsführer des
> AiR | dbb seiten | März 2015
dbb, Willi Russ. Außer der offensichtlichen Bereitschaft der
Arbeitgeberseite, auch beim
Thema Lehrereingruppierung
in den Verhandlungen zu einer
tragfähigen Einigung zu kommen, sei aber nichts Wegweisendes kommuniziert worden,
insbesondere nicht über lineare
Einkommenssteigerungen.
<
Einkommensabstand
aufholen
Über 120 Beamte und Arbeitnehmer des Landesdienstes
Jan Brenner
fokus
30
< Nach knapp zwei Stunden wurden die Auftaktgespräche zur Einkommensrunde am 16. Februar in Berlin vertagt.
Mecklenburg-Vorpommern
machten am 18. Februar 2015
bei einer Kundgebung in Güstrow deutlich, dass sie die Hinhaltetaktik der TdL nicht hinnehmen. Mehr als 500 Angestellte folgten zudem dem
Warnstreikaufruf für Mecklenburg-Vorpommern. Bestreikt
wurden unter anderem Straßenmeistereien und Berufsschulen. Beamtinnen und Beamte beteiligten sich in ihrer
dienstfreien Zeit an den Aktionen. Willi Russ betonte in Güstrow: „Der ständig wiederholte
Verweis der Arbeitgeber auf
die niedrige Inflationsrate als
Gegenargument gegen eine
substanzielle Erhöhung der Ein-
kommen zieht nicht. Nachwuchsgewinnung und Wertschätzung sind mehr als der
Inflationsausgleich. Die Kolleginnen und Kollegen im Landesdienst leisten hervorragende Arbeit. Wenn das auch in
Zukunft so bleiben soll, brauchen wir reale Einkommenszuwächse. Und: Was immer am
Ende als Kompromiss steht, der
Tarifabschluss muss zeit- und
inhaltsgleich auf die Beamten
und Versorgungsempfänger der
Länder übertragen werden.“
Der dbb Vorsitzende in Mecklenburg Vorpommern, Dietmar
Knecht, nannte „5,5 Prozent
plus, mindestens aber 175
<
„Jeden Cent wert“
„Die Kolleginnen und Kollegen
in den verschiedenen Bereichen
des öffentlichen Dienstes sorgen dafür, dass Deutschlands
Infrastruktur rund um die Uhr
funktioniert“, sagte Siegfried
Damm, Bundesvorsitzender des
Verbandes Deutscher Straßenwärter, vor den Demonstranten
in Nürnberg. „Das wissen natürlich auch die Arbeitgeber.
Deshalb muss ihnen auch klar
sein: Wir lassen uns nicht mit
Peanuts abspeisen. Sprudelnde
Steuereinnahmen dürfen nicht
in Haushaltslöchern und Nebenhaushalten verschwinden,
sie müssen in das Personal investiert werden.“
Helene Wildfeuer, Vorsitzende
der dbb bundesfrauenvertretung, verwies auf die großen
Leistungen der Finanzverwaltung: „Frauen stellen dort übrigens mit 54,9 Prozent die Mehrheit. Sie schaffen gemeinsam
mit ihren Kollegen die Grundlage dafür, dass die von den
Bürgerinnen und Bürgern so
wertgeschätzte Infrastruktur
Deutschlands finanziert werden
kann. Dafür steht ihnen eine
gerechte Bezahlung zu.“
<
Aktive Mittagspausen
Auch in Baden-Württemberg
waren Angestellte und Beamte
vom 19. bis 24. Februar auf die
Straße gegangen und haben in
ihren Mittagspausen solidarisch vereint protestiert. Veranstaltet wurden die „Mittagspausenaktionen“ von der
DPolG, teilgenommen haben
aber Beschäftigte aus allen Bereichen des öffentlichen Dienstes. „Wir haben die Kolleginnen und Kollegen aus anderen
BBW-Gewerkschaften und Verbänden aufgerufen, gemeinsam mit uns für gerechten
Lohn für gute Arbeit zu streiten“, sagte der DPolG-Landestarifbeauftragte Manfred Riehl
und warnte die öffentlichen
Arbeitgeber und Dienstherrn:
„Wenn die nicht endlich begreifen, dass sie in ihr Personal
investieren müssen, sieht es in
Deutschland schon bald ziemlich düster aus.“ Die Auftaktveranstaltung fand am 19. Februar 2015 in Karlsruhe statt. Es
folgten Stuttgart (20. Februar),
Heidelberg (23. Februar) und
Freiburg (24. Februar). Gekommen waren Polizisten, Beschäf-
Rainer Cordes
In Berlin und Nürnberg fanden
am 19. Februar zentrale Kundgebungen mit weit über 1 000
Teilnehmern statt. „Der öffentliche Dienst ist jeden Cent wert,
nicht nur einen Inflationsausgleich“, sagte Russ in Berlin.
„Das ist eine sehr schwierige
Tarifrunde, denn wir haben
gleichzeitig großen Erwartungs- und Zeitdruck. Ich muss
die Arbeitgeber schon jetzt vor
taktischen Verzögerungen und
‚Spielchen‘ warnen, denn es
gibt keine Schlichtungsvereinbarung. Wird keine Einigung erzielt, stehen die Zeichen auf
Streik.“ Der Bundesvorsitzende
der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verwies
auf die schwieriger werdende
Nachwuchssituation bei der Polizei: „Gerade hier in Berlin haben wir immer größere Rekrutierungsprobleme. Erstens fällt
der öffentliche Dienst generell
seit Jahren beim Einkommen
hinter der Privatwirtschaft zurück, und dann liegt die Bezahlung beim Land Berlin auch
noch bis zu 20 Prozent hinter
der in anderen Ländern. Hier
muss in der Einkommensrunde
dringend Abhilfe geschaffen
werden.“
< dbb Landeschef Dietmar Knecht (Mitte) unterstützte die Demonstranten in Güstrow.
Jan Brenner
< Kolleginnen und Kollegen demonstrier- < Straßenwärter sorgten in
Berlin für ein farbenfrohes
ten in Freiburg.
und lautstarkes Spektakel.
Friedhelm Windmüller
Euro, eine akzeptable Forderung“. Es dürfe kein weiteres
Abkoppeln von der im Grundgesetz verbrieften Teilhabe der
Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes an der allgemeinen
Einkommensentwicklung geben: „Wir brauchen jetzt einen
nahtlosen Anschluss an den
Abschluss bei Bund und Kommunen vom Frühjahr 2014,
denn gegenüber dem TVöDBereich beträgt der Einkommensrückstand zum 1. März
2015 minus 3,9 Prozent – das
sind durchschnittlich 122 Euro
monatlich weniger für die Landesbediensteten.“
< Pfiffe zum Auftakt der
Tarifverhandlungen in
Berlin.
< In Nürnberg zogen Beschäftigte durch die Stadt zur
Kundgebung.
tigte der Forstverwaltung, aus
dem Straßenverkehrsdienst,
der Finanzverwaltung, aber
auch Lehrer und Beamte aus
allen Verwaltungsbereichen.
Doch nicht allein die Forderung
nach angemessener Bezahlung
vereinte Tarifbeschäftigte und
Beamte im Schulterschluss. In
nahezu allen Bereichen des öffentlichen Dienstes gibt es Klagen über Arbeitsverdichtung,
erklärte Riehl. Es fehle an qualifiziertem Personal, und der
Mangel an Nachwuchs sei im
öffentlichen Dienst längst angekommen. Auch deshalb
mahnt Riehl die öffentlichen
Arbeitgeber und Dienstherrn
eindringlich, den Forderungen
der Gewerkschaften nachzukommen.
<
Lehrkräfte
eingruppieren
Lehrkräfte und Mitglieder des
VBE, der Verbundenen Regionalschule sowie des Gymnasiums Sternberg (MecklenburgVorpommern) haben am 24.
Februar 2015 vor Schulbeginn
auf die fehlende Eingruppierung und die damit verbundene schlechte Bezahlung der angestellten Lehrerinnen und
Lehrer aufmerksam gemacht.
Mit Bürgerinfos erläuterten sie
Eltern, Schülerinnen und Schülern sowie anderen Kolleginnen und Kollegen ihre Lage.
Organisiert hatte den Infomorgen VBE-Mitglied Gottfried Hägele, „weil es nicht
reicht, unsere gemeinsamen
Ziele nur in den eigenen vier
Wänden gut zu finden“. Unterstützt wurde er dabei vom dbb
Landeschef in MecklenburgVorpommern, Dietmar Knecht,
der klar machte, dass Einkommens- und Lehrereingruppierungsforderung nicht in Konkurrenz zueinander stehen.
Rund 200 000 Kolleginnen und
> AiR | dbb seiten | März 2015
31
fokus
< ... und zogen, angeführt von dbb Tarifchef Willi
Russ und dem DPolG-Vorsitzenden Rainer
Wendt, zur Kundgebung vor dem Innensenat.
dbb
Jan Brenner
Jan Brenner
dbb
< Justizbeschäftigte aktivierten ihre Mittagspausen
unter anderem in Duisburg ...
Kollegen an den allgemeinund berufsbildenden Schulen
in Deutschland sind nicht verbeamtet und repräsentieren
bereits jeden vierten Lehrer im
Schuldienst. Aber die Bezahlung ist nicht ausverhandelt,
sondern wird einseitig festgelegt, und ist so von der Willkür
der Arbeitgeber in den Ländern
abhängig.
<
fokus
32
Justiz: Wir für mehr
Beschäftigte aus dem Justizbereich haben am 24. Februar
2015 bundesweit klargemacht,
dass sie geschlossen hinter den
Forderungen des dbb für diese
Einkommensrunde stehen. Im
Rahmen eines „Justiztages“
hatten der dbb und die Deutsche Justiz-Gewerkschaft (DJG)
zu Aktionen in sieben deutschen Städten aufgerufen.
Hunderte Kolleginnen und Kollegen traten in den Warnstreik
und machten in „bewegten
Mittagspausen“, oft im direkten Gespräch mit Bürgerinnen
und Bürgern, auf die drängenden Probleme in ihrem Arbeitsfeld aufmerksam. Neben Arbeitnehmern kamen auch viele
Beamte in ihrer Freizeit zu den
Demonstrationen, um das gemeinsame Anliegen zu unterstützen – unter dem Motto:
„Wir für mehr“. Einig waren
sich alle Beteiligten auch in der
Forderung nach einer zeit- und
inhaltsgleichen Übertragung
des Tarifergebnisses auf den
Beamtenbereich.„Ein funktionierender Rechtsstaat braucht
nicht möglichst viele und immer neue Gesetze, er braucht
motiviertes Personal in ausreichender Zahl“, sagte Willi Russ
vor Justizbeschäftigten aus
Nordrhein-Westfalen auf der
Kundgebung in Köln. „Aktuell
stellt sich die Frage, was uns
wichtiger ist: Der Rechtsstaat
oder die Schuldenbremse? Un-
> AiR | dbb seiten | März 2015
< ... Köln ...
sere Antwort ist eindeutig.“
Ursula Winkelmann, stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes NRW der DJG,
verwies auf den aktuellen
Handlungsbedarf: „Die Justizverwaltungen stehen kurz vor
dem Kollaps. Nur durch den
enormen Einsatz unserer Kolleginnen und Kollegen vor Ort ist
überhaupt noch ein halbwegs
zuverlässiges und schnelles Bearbeiten in Sinne einer bürgernahen Justizverwaltung möglich. Die Beschäftigten gehen
hierbei immer öfter über ihre
gesundheitlichen Grenzen. Zudem steigt das Durchschnittsalter in den Behörden und
neues Personal lässt auf sich
warten.“ Der Tarifabschluss
müsse eine angemessene Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen beinhalten, „als
Signal einer Wertschätzung für
unsere Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst“.
In Potsdam machten Kolleginnen und Kollegen aus Brandenburg und Berlin auf ihre Probleme aufmerksam: Arbeitsverdichtung, hoher und langer
Krankenstand, Personalabbau.
Sabine Wenzel, Landesvorsitzende der DJG Brandenburg,
sagte: „Befristete Einstellungen
bringen nur eine scheinbare
und zeitlich sehr begrenzte Entlastung. Was wir brauchen, ist
eine unbefristete Übernahme
von ausgebildeten Justizfachangestellten.“ Weitere Forderungen: eine verstärkte Ausbildung von Rechtspflegern und
Gerichtsvollziehern und deren
Übernahme, eine Anhebung der
Wertigkeit von Justizwachtmeisterstellen – nach Ausbildung – in den mittleren Dienst.
Niedersächsische Justizbeschäftigte trafen sich in Braunschweig und Hannover. Auch
bei ihren „bewegten Mittags-
dbb
Jan Brenner
Bernd Thissen
dbb
< ... Potsdam ...
pausen“ standen als Themen
die Arbeitsüberlastung infolge
von Stellenabbau und Probleme bei der Nachwuchsgewinnung im Mittelpunkt. Eine angemessene Bezahlung, sagte
der Vorsitzende der DJG Niedersachsen, Wolfgang Schmidt,
könne hier Abhilfe schaffen
und würde von den Kolleginnen und Kollegen auch als Zeichen der Wertschätzung ihrer
verantwortungsvollen Arbeit
erwartet.
„Gerade im Justizdienst, wo
viele von uns in den unteren
Einkommensgruppen oder im
einfachen Dienst sind, ist vor
allem der Mindestbetrag wichtig“, sagte Klaus Plattes, Landesvorsitzender der DJG Nordrhein-Westfalen, in Duisburg.
Zudem müsse der Justizdienst
attraktiver für Berufsanfänger
werden. „Das ist nur möglich,
wenn sich die Länder wie gute
Arbeitgeber verhalten, also einen sicheren Job mit guten
Karrierechancen bieten. Sonst
kommen keine Bewerber, und
es heißt bald: Der Letzte macht
das Licht aus“, mahnte Plattes.
In Koblenz verdeutlichte Margot Scherer, stellvertretende
Landesvorsitzende der DJG in
Rheinland-Pfalz, wie wichtig
ein Einkommensplus für die
Kolleginnen und Kollegen im
Justizbereich ist. „Wir organisieren zu fast 80 Prozent die
unteren Einkommensgruppen
von E 2 bis E 6 des Tarifvertrages der Länder. Hier geht es um
Bruttoeinkommen von 2 330
bis 2 370 Euro.“ Im Beamtenbereich sehe es nicht viel rosiger
aus. Zudem seien in den vergangenen Jahren immer mehr
Aufgaben an das Personal
übertragen, zugleich aber
mehr und mehr Stellen abgebaut worden. Das passe nicht
zusammen. „Wenn der öffent-
liche Dienst auch künftig qualifiziertes Personal gewinnen
und binden will, muss sich das
auch in einer leistungsgerechten Bezahlung widerspiegeln.“
Auf den schon jetzt „akuten
Personalmangel“ in der saarländischen Justiz wies der Vorsitzende des Landesverbandes
Saar der DJG, Rudi Weber, in
Saarbrücken hin. Größte Probleme verursache die prekäre
Haushaltssituation des Landes.
Demnach solle im öffentlichen
Dienst bis 2020 nur noch etwa
jede dritte frei werdende Stelle
neu besetzt werden. „Mit noch
weniger Personal werden wir
eine funktionierende Rechtspflege kaum noch aufrechterhalten können“, warnte Weber.
Hinzu komme als neue Herausforderung die Einführung des
elektronischen Rechtsverkehrs.
„Dafür wäre in der Einführungsphase auch weit mehr Personal
nötig als zur Verfügung steht.“
<
Gutes Geld
für guten Nachwuchs
Am 25. Februar 2015 kam es
in mehreren Bundesländern
erneut zu ganztätigen Warnstreiks im öffentlichen Dienst.
In Berlin und Erfurt fanden Demonstrationen statt, in Sachsen waren Schulen in mehreren
Städten betroffen. Im niedersächsischen Vechta und im
nordrhein-westfälischen Hagen gab es Kundgebungen vor
den dortigen Finanzämtern.
An der Demonstration in Berlin
nahmen über 1 000 Beschäftigte, überwiegend aus dem
Bereich des Straßenbetriebsdienstes, teil. Siegfried Damm,
stellvertretender Vorsitzender
der dbb Bundestarifkommission, sagte dort: „Wenn die Länder guten Nachwuchs wollen,
müssen sie auch gutes Geld
<
< Aktive Mittagspause in Vechta.
und konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen bieten. Außerdem brauchen wir Übernahmegarantien für die jungen
Leute, sonst steht der öffentliche Dienst als Verlierer im
Wettbewerb um die besten
Köpfe bereits fest.“ Damm, der
zugleich Bundesvorsitzender
der Fachgewerkschaft der Straßen- und Verkehrsbeschäftigten (VDStra) ist, betonte zudem: „Arbeitsverdichtung
durch Personalabbau, Investitionsrückgang, Dienst zu ungünstigen Zeiten und fehlender Gesundheitsschutz sind die
Früchte der Sparpolitik auf Kosten der Kolleginnen und Kollegen im Straßenbetriebsdienst.“
<
Besoldung darf kein
Flickenteppich sein
Bei den von der Deutschen
Steuer-Gewerkschaft (DSTG)
organisierten Kundgebungen
vor den Finanzämtern in
Vechta, Hagen und Siegen
stellten die Redner die Bedeutung der Tarifverhandlungen
auch für die Beamtinnen und
Beamten heraus: „Das Tarifergebnis muss zeit- und inhaltsgleich auf die Beamten und
Versorgungsempfänger der
Länder und Kommunen übertragen werden“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der
dbb Bundestarifkommission,
Karl-Heinz Leverkus, vor rund
200 Beschäftigten in Vechta.
„Die Beamtenbesoldung ist in
Deutschland längst zu einem
Flickenteppich verkommen.
Das muss ein Ende haben. Die
Länder wären gut beraten, ihre
Sparpolitik auf Kosten der Beschäftigten zu beenden.“
Friedhelm Windmüller
Gute berufliche Perspektiven
für die Jugend forderte auch
Helmut Liebermann, Vorsitzender des tbb beamtenbund und
tarifunion thüringen, bei der
Demonstration in Erfurt mit
mehreren hundert Teilnehmerinnen und Teilnehmern:
„Die Herausforderungen der
Zukunft anzunehmen bedeutet auch, die Nachwuchsproblematik im öffentlichen
Dienst in den Griff zu bekommen.“ Die Einkommensrunde
sei die erste Herausforderung
für die neue rot-rot-grüne Lan-
desregierung in Thüringen, die
„beweisen muss, dass sie die
Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes, die unser Land 24
Stunden täglich am Laufen
halten, angemessen an der
wirtschaftlichen Entwicklung
beteiligen will“.
< „Das war eine komplizierte und schwierige Verhandlungsrunde ohne große Fortschritte,“ kommentierte Willi Russ, am 27. Februar 2015 in Potsdam die erneute Vertagung der Tarifverhandlungen. „Es fällt mir schwer,
auf dem jetzigen Verhandlungsstand Kompromisslinien zu erkennen“,
erklärte Russ und forderte für die entscheidende dritte Runde konstruktive Vorschläge, wie man sowohl bei den Lineareinkommen, als auch bei
der Lehrereingruppierung zu tragfähigen Kompromissen kommen könne.
Verbesserungen erreicht
Bei der Anhörung zum Gesetzesentwurf zur Weiterentwicklung des Personalrechts der Beamtinnen
und Beamten der früheren Deutschen Bundespost
am 23. Februar 2015 im Haushaltsausschuss des
Deutschen Bundestages in Berlin konnten der stellvertretende dbb Bundesvorsitzende Hans-Ulrich
Benra und der Bundesvorsitzende der DPVKOM,
Volker Geyer, noch eine Reihe von Verbesserungen
erreichen. Sie betreffen den unterwertigen Einsatz
und die Zuweisung für die betroffenen Beamtinnen und Beamten der Postnachfolgeunternehmen.
33
< Hans-Ulrich Benra (links) und Volker Geyer bei der Anhörung im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags am 23. Februar 2015 in Berlin.
„Anders als in der ersten Fassung des Gesetzentwurfs sind
Zuweisungen nicht mehr unbefristet möglich, Widerspruch
und Anfechtungsklage haben
wieder aufschiebende Wirkung. Ein unterwertiger Einsatz von Beamten ohne deren
Zustimmung ist nunmehr an
eine klare zeitliche Begrenzung
gebunden“, erklärte dbb Vize
Hans-Ulrich Benra. Kernproblem bleibe aber die künftig
kaum noch eingrenzbare Ausweitung der Dienstherrenbefugnisse durch die deutliche
Erweiterung der Beleihungsmöglichkeiten über die im
Postumwandlungsgesetz genannten drei Aktiengesellschaften Deutsche Post, Deutsche Postbank und Deutsche
Telekom hinaus, die im Wege
einer reinen Verordnungsermächtigung erfolgen soll.
DPVKOM-Chef Volker Geyer
kritisierte erneut die geplante
Übertragung von Dienstherrneigenschaften auf andere Unternehmen als Post, Postbank
und Telekom. Benra und Geyer
kritisierten zudem, dass eine
letztlich grenzenlose Beleihungsmöglichkeit mit der Sondernorm im Grundgesetz, Art.
143 b, nicht vereinbar sei. Aber
auch losgelöst von den Verfassungsvorbehalten bedeute der
Gesetzentwurf einen „Dammbruch“: „Hierdurch wird der
Weg für weitere Ausgliederungen geebnet“, so Benra.
Bei den Postnachfolgeunternehmen (PNU) der Deutschen
Bundespost sind derzeit noch
rund 100 000 Bundesbeamtinnen und Bundesbeamte beschäftigt. Der Bund trägt für
sie als Dienstherr die Verantwortung. Die eigentliche Weiterbeschäftigungs- und Kostentragungspflicht obliegt
dagegen den Postnachfolgeunternehmen.
> AiR | dbb seiten | März 2015
aktuell
< ... und Koblenz.
Anhörung zum Postpersonalrechtsgesetz:
Jan Brenner
Thomas Frey
Frank Wollinger
dbb
dbb
Transatlantisches Freihandelsabkommen TTIP:
dbb unterstützt
Bürgerdialoge
„Chancen und Risiken liegen
bei TTIP nah beieinander. Mehr
Transparenz würde den teils
hitzig geführten öffentlichen
Diskussionen gut tun“, erläutert der stellvertretende dbb
Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach mit Blick auf den bisherigen Verhandlungsverlauf.
Ein besserer Einblick in die zur
Diskussion stehenden Themen
sei notwendig. Auch der dbb
spricht sich klar für vertrauensbildende Maßnahmen für den
> AiR | dbb seiten | März 2015
Jan Brenner
spezial
34
Seit Herbst 2014 können Bürgerinnen und Bürger bei den
Bürgerdialogen im offenen
Austausch mit Experten und
Interessensvertretern über die
Vor- und Nachteile von TTIP diskutieren. Die überparteiliche
Europa-Union als Veranstalterin
will, so heißt es in der Beschreibung der Veranstaltung, „eine
faire und sachliche inhaltliche
Auseinandersetzung“ mit TTIP
ermöglichen. Sowohl Kritiker
als auch Befürworter kommen
gleichermaßen zu Wort und
können ihre Argumente präsentieren. Den bisherigen Bürgerdialogen in Kiel, Nürnberg,
Leverkusen und Pforzheim folgen weitere Veranstaltungen
am 19. März in Hannover und
am 12. Mai in Dortmund. Darüber hinaus sind mehrere
Termine in Planung.
Europa-Union
Wenige Fakten, unzählige Meinungen. So wirkt bisweilen die öffentliche Diskussion zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP.
Bis vor Kurzem war nicht einmal das Verhandlungsmandat der Kommission bekannt. Trotzdem oder vielleicht auch gerade deshalb wurde
wohl nie zuvor so emotional und mit so großer Beteiligung über ein
multilaterales Handelsabkommen diskutiert. Teils verdichtet sich die
Debatte auf Schlagwörter – Chlorhühnchen! – die allerdings an den
tatsächlichen Herausforderungen vorbeigehen. Die Europa-Union
Deutschland ruft seit Ende des Jahres zu Bürgerdialogen auf, um die
Diskussion zu versachlichen. Der dbb ist als Partner dabei.
< dbb Vize Ulrich Silberbach fordert mehr Transparenz im Ablauf der
Verhandlungen.
weiteren Verlauf der Verhandlungen aus: „Wir bedauern die
fehlende Transparenz. Sie herzustellen mag in internationalen Verhandlungen kompliziert
sein. Demokratische Legitimation geht aber nicht ohne
Transparenz“, bekräftigt Silberbach. Das sei notwendig, um
die Debatte besser auf Grundlage von Fakten führen zu können.
Einen wichtigen Beitrag zur
Transparenz leisteten die europäischen Staats- und Regierungschefs im Herbst 2014, als
sie der Offenlegung des Verhandlungsmandats der Europäischen Kommission zustimmten.
Zuvor waren die Dokumente
allerdings bereits teilweise an
die Öffentlichkeit gelangt. Einzelne konkrete Zwischenergebnisse aus den Verhandlungen
werden hingegen nicht systematisch veröffentlicht.
Der dbb Vize fordert daher,
dass schon vor dem Ende der
Verhandlungen einige besonders kritische Fragen beantwortet werden müssten. „Aus
kommunaler Sicht besteht
dringender Klärungsbedarf,
ob das Abkommen die Organisationsfreiheiten von Kommunen beispielsweise in der
Ver- und Entsorgung aushöhlt.
Leistungen der Daseinsvorsorge darf TTIP nicht infrage
stellen.“
Der stellvertretende Vorsitzende des bayerischen Beamtenbunds (BBB), Hermann Benker,
sprach sich während eines Bürgerdialogs in Nürnberg im Dezember zudem für große Vorsicht bei den Verhandlungen
aus: „Sozial-, Gesundheits- und
Umweltstandards müssen sich
am Gemeinwohl orientieren
und von demokratisch gewählten Gremien legitimiert werden. Diese Regularien dürfen
keinesfalls durch internationale Verträge ausgehebelt werden, ebenso wenig wie Arbeitnehmerrechte.“ Position des
dbb sei weiterhin, mitzugestalten und sich nicht der Diskussion zu verweigern. Dennoch
dürften keine roten Linien
überschritten werden.
▶
< Webtipp
Aktuelle Termine und Berichte zu bereits beendeten Bürgerdialogen finden sich hier:
http://www.europa-union.
de/ttip-buergerdialoge/
Eine Onlinediskussion zu
den aktuellen Themen und
den Positionen der an den
Bürgerdialogen beteiligten
Partner wird auf Publixphere geführt:https://publixphere.net/i/publixpherede/category/125
Das Verhandlungsmandat
der Europäischen Kommission steht seit Oktober 2014
online: http://data.consilium.
europa.eu/doc/document/
ST-11103-2013-DCL-1/en/pdf
dbb
< Hintergrund TTIP:
Europa-Union
Seit 2013 verhandeln die Europäische Union und die Vereinigten
Staaten von Amerika über ein transatlantisches Freihandelsabkommen (englisch: Transatlantic Trade and Investment Partnership – TTIP). Ziel des Abkommens soll der möglichst weitgehende
Abbau von Handelshemmnissen sein. Der Handel zwischen den
beiden Wirtschaftsräumen umfasst schon jetzt fast ein Drittel des
weltweiten Handelsvolumens. Befürworter des Abkommens glauben, dass insgesamt bis zu zwei Millionen neue Arbeitsplätze auf
beiden Seiten des Atlantiks entstehen könnten. Kritiker zweifeln
hingegen, ob es überhaupt messbare positive Effekte geben wird.
Gegenstand der Verhandlungen sind hauptsächlich die Öffnung
öffentlicher Aufträge, Lebensmittelgesetze und Gesundheitsstandards,Umweltstandards, Industriestandards und die Deregulierung des Finanzsektors.
< Der stellvertetende Vorsitzende des Bayerischen Beamtenbundes,
Hermann Benker (links), stand Moderator Thomas Viewegh beim TTIPBürgerdialog in Nürnberg Rede und Antwort.
Klar sprechen sich Silberbach
und Benker gegen die Einführung von neuen Schiedsverfahren aus. Der dbb Vize sagt
dazu: „Wir haben unabhängige
Gerichte in der EU und den
USA und einen klar geregelten
Rechtsstaat. Wozu bedarf es
dieser Schiedsgerichte?“ Silberbach warnt außerdem davor,
TTIP könne sich zu sehr am
Ideal der freien und unregulierten Märkte orientieren. „Was
freie und ungezügelte Märkte
anrichten können, in denen
staatliche Regulierung nicht
ausreichend greift, hat die
Wirtschafts- und Finanzkrise
gezeigt.“
sy
Drei Fragen an EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström zum Thema TTIP:
?
Malmström: In erster Linie
geht es natürlich um den wirtschaftlichen Nutzen, den wir
für Europa erwarten. Heute
hängen in Europa etwa 30 Millionen Arbeitsplätze vom Export ab, sieben Millionen davon in Deutschland. Handel ist
der Grundstein des europäischen Wohlstandes. Es ist unbestritten, dass TTIP neue Exportmöglichkeiten und damit
auch Wachstum und Arbeitsplätze schaffen kann. Genau
diese Effekte haben wir im Übrigen in unseren Abkommen,
die wir in letzter Zeit abgeschlossen haben, etwa mit Korea, bekommen. Die gesamte
deutsche Automobilindustrie,
ein beträchtlicher Arbeitgeber
in Deutschland, sieht TTIP als
eine großartige Gelegenheit.
Außerdem – und das ist spezifisch für TTIP – wird das Abkommen insbesondere kleinen
und mittelständischen Unternehmen nutzen. Es kostet Unternehmen gerade aus dem
EU-Kommission
Was sind die Chancen des transatlantischen Freihandelsabkommens TTIP für Deutschland?
< Die Schwedin Cecilia Malmström ist seit Februar 2010 Mitglied der EU-Kommission.
Mittelstand viel Zeit und Geld,
zusätzlich zu den europäischen
auch die amerikanischen Regeln und Richtlinien zu erfüllen. Oft ist das eine bürokratische Doppelanforderung.
Wichtig ist aber auch, dass
TTIP uns Europäern helfen
wird, unsere Werte und Standards in einer unsicheren Welt
zu schützen. Indem wir unsere
Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten stärken, können wir Vorbild für andere sein
und unsere Werte bezüglich
Handel, Arbeitsrechten und
Umweltschutz bewerben. Das
hat für mich eine strategische
Dimension, in der es auch um
die aktive Gestaltung der Globalisierung geht. Die Herausforderungen für Europa sind
ernst, und TTIP ist eine ernste
Antwort auf diese Herausforderungen.
lichen Ausschreibungen in den
USA beteiligen zu können, und
umgekehrt. Aber es gibt Befürchtungen, dass damit die
öffentliche Daseinsvorsorge in
Deutschland bedroht sein könnte. Was ist da dran?
Wo sehen Sie in den Verhandlungen rote Linien? Was darf
nicht in das Abkommen, was
läge nicht in europäischem
Interesse?
Malmström: Diese Sorgen sind
unbegründet. Die öffentliche
Daseinsvorsorge ist fest in den
europäischen Verträgen verankert und ist ein Gut, das die
Kommission bisher in allen
Handelsabkommen klar verteidigt hat. So wird es auch in
TTIP sein. Übrigens hat auch
die amerikanische Seite betont, dass für sie öffentliche
Dienstleistungen nicht infrage
gestellt werden sollten.
?
Malmström: Ich verstehe jeden, der unsere Werte schützen will. Auch ich möchte das
und werde das tun. Daher würde ich nie ein Abkommen aushandeln, das unsere strikten
Standards bei Lebensmittelsicherheit, Gesundheit oder Umweltschutz senken würde.
Oder eines, das die Daseinsvorsorge gefährden würde. Oder
eines, das Produkte im europäischen Markt zulassen würde,
die heute nicht verkauft werden dürfen.
?
Für europäische Firmen ist es
sicher sehr attraktiv, sich zu
fairen Bedingungen an öffent-
< Info
Das ausführliche Interview
mit der EU-Handelskommissarin online in dbb europathemen aktuell:
http://www.dbb.de/file
admin/pdfs/europathemen/
dbb_europathemen_
150102.pdf
> AiR | dbb seiten | März 2015
35
spezial
Ich verstehe jeden, der unsere Werte schützen will
der der Hauptversammlung
der dbb bundesfrauenvertre­
tung ein außergewöhnlicher
Punkt auf der Agenda. Zur Er­
frauenvertretung darstellt.
Während der Sitzung fanden
erste Dreharbeiten zu diesem
sammlungsmitglieder mit viel
Engagement und vollem Ein­
satz debattierten und Stich­
punkte aus der frauen­ und
Willen: „Gar nicht so einfach,
dbb
locker zu bleiben,
wenn die
Kamera läuft …“
seb
Anerkennung von Kindererziehungszeiten im Beamtenrecht:
Systemgerechtigkeit unverzichtbar
Dass der Bund und die große
Mehrzahl der Länder sich wei­
gern, Maßnahmen des Renten­
< Die Vorsitzende der dbb bundesfrauenvertretung begrüßte dbb Chef Klaus
Dauderstädt am zweiten Tag der Hauptversammlung in Königswinter.
versicherungsleistungsver­
besserungsgesetzes auf die
Beamtinnen und Beamten zu
übertragen – sowohl beim ab­
schlagsfreien Zugang mit 63
als auch bei der Kindererzie­
hung – sei ungerecht, so die
Kritik des dbb Chefs. Er bekräf­
tigte seinen bereits auf der
Jahrestagung des dbb Anfang
Januar in Köln gemachten Vor­
schlag, das Thema gegebenen­
falls zu vertagen, bis der Bun­
destag sich ohnehin wieder
mit Fragen der Beamtenversor­
gung beschäftigt. Dies sei al­
lerspätestens 2017 der Fall.
Die Vorsitzende der dbb bun­
desfrauenvertretung, Helene
Wildfeuer, sagte: „Es ist gut
und richtig, dass der dbb beam­
tenbund und tarifunion sich ge­
meinsam mit uns für eine sys­
temgerechte und eigenständige
Anerkennung der Kindererzie­
hungszeiten in der Versorgung
der Beamtinnen und Beamten
einsetzt. Aus meiner Sicht wäre
eine Verdopplung der Anrech­
nungszeiten bei der ruhege­
haltfähigen Dienstzeit für vor
1992 geborene Kinder auf
zwölf Monate das richtige Sig­
nal. Der Freistaat Bayern zeigt
uns, dass es geht. Kindererzie­
hung muss gesellschaftlich
wertgeschätzt werden, egal,
ob die Mütter Angestellte oder
Beamtinnen waren und sind.“
37
spezial
Dauderstädt erinnerte daran,
dass „das Modell der ‚wir­
kungsgleichen Übertragung‘
zwischen Arbeits­ und Sozial­
recht einerseits und Beamten­
recht andererseits vom dbb im­
mer dann akzeptiert wurde,
wenn Eingriffe ohne Übermaß
und systemkonform vollzogen
wurden“. So habe der dbb auch
keine Eins­zu­eins­Übertra­
gung der Mütterrente gefor­
dert, sondern eine systemkon­
forme Fortentwicklung der
Anerkennung von Kindererzie­
hungszeiten im Beamtenver­
sorgungsgesetz.
Sandra Elena Brauckmann
„Systemgerechtigkeit bleibt für den dbb unverzichtbar.“ Dies gelte sowohl
für die Übertragung der Ergebnisse von Einkommensrunden als auch für die
Übernahme sozialpolitischer Vorlagen. Das hat Klaus Dauderstädt, der Bun­
desvorsitzende des gewerkschaftlichen Dachverbandes, deutlich gemacht.
Vor der Hauptversammlung der dbb bundesfrauenvertretung in Königs­
winter sagte er am 31. Januar 2015, diese Haltung werde der dbb trotz der
Widerstände in der Politik nicht preisgeben.
dbb
Tarifeinheitsgesetz:
Auf tönernen Füßen
fokus
38
In Aussicht gestellt wird zudem
die „Wahrung des Betriebsfriedens“ in vielen Großunternehmen: Denn bestimmte kleine
Berufsgruppen mit spezialisierten Jobs in unverzichtbaren
Schlüsselstellungen, wie etwa
Lokführer, Piloten oder Ärzte,
sollen sich mit ihren schlagkräftigen Spartengewerkschaften bei Tarifverhandlungen
nicht länger ein überproportional großes Stück vom Verteilungskuchen sichern können, sodass infolge für die
anderen Beschäftigten des
Unternehmens weniger übrig
bleibt – so wird jedenfalls in
der Begründung des Entwurfes
argumentiert.
Für viele Funktionäre der Wirtschaft – wie auch für Verfechter der Einheitsgewerkschaft
– ist die Welt nicht mehr in
Ordnung, seit das Bundesarbeitsgericht (BAG) 2010 den
bis dahin gültigen Grundsatz
der Tarifeinheit aufgegeben
und verschiedene Tarifverträge
konkurrierender Gewerkschaften für dieselbe Beschäftigtengruppe ermöglicht hat. Was
Schwarz-Gelb trotz des Versprechens der Kanzlerin an
die Wirtschaft nicht gelang,
soll nun eine SPD-Arbeitsministerin reparieren: Die vom
> AiR | dbb seiten | März 2015
BAG gekippte Tarifeinheit
per Gesetz wiederherstellen
und nur der Gewerkschaft bei
Tarifrunden das Verhandlungsrecht zubilligen, die unter den
Beschäftigten die meisten
Mitglieder hat.
Juristisch steht das Vorhaben
auf tönernen Füßen. Das
Grundrecht, sich in Gewerkschaften oder Vereinigungen
zu organisieren, wie auch das
Streikrecht sind hohe Verfassungsgüter. „Abreden, die dieses Recht einschränken oder
zu behindern suchen, sind
nichtig, hierauf gerichtete
Maßnahmen sind rechtswidrig“, heißt es dazu im Grundgesetz (Art. 9 Abs 3).
Vergessen wird bei der Auseinandersetzung allerdings zu
leicht, dass die Arbeitgeber das
Zerfleddern der deutschen Tariflandschaft in den vergangenen Jahrzehnten erheblich mit
forciert haben: Tarifflucht von
Unternehmen, Zerteilung von
Großunternehmen in immer
mehr kleinere, organisatorisch
selbstständige Betriebseinheiten, zudem die Gründung von
zahlreichen „Töchtern“, um
den inzwischen als zu teuer
empfundenen Tarifvertrag
des Stammhauses unterlaufen
©virtua73 – fotolia.com
Die Versprechungen von Bundesregierung
und Koalition klingen für viele zunächst verheißungsvoll: Der Gesetzentwurf zur Regelung
der Tarifeinheit soll die in jüngster Zeit häufig
als nervig empfundenen Streiks bei der Bahn
und im Flugverkehr eindämmen, das überkommene Prinzip „Ein Betrieb – ein Tarifvertrag“
wiederherstellen und letztlich Tarifkollisionen
zwischen konkurrierenden Gewerkschaften
vermeiden.
zu können – und nicht zuletzt
im öffentlichen Dienst die Privatisierung oder Teilprivatisierung von immer mehr Einrichtungen der Daseinsvorsorge.
Alle diese grundsätzlichen Probleme geht der Gesetzentwurf
leider nicht an.
Sprachlich „abrüsten“ in dem
Konflikt sollten aber auch kleinere Gewerkschaften, wie die
Gewerkschaft der Lokführer
(GDL), die jetzt einen Vernichtungsfeldzug beschwört und
gar einen totalen Angriff auf
ihre Existenz sieht. Auch vor
dem BAG-Urteil hatte es Spartengewerkschaften und andere Berufsvertretungen neben
den Großgewerkschaften
gegeben.
Richtig ist allerdings: Eine kleine Gewerkschaft, die wegen
ihrer geringen Mitgliederzahl
für bestimmte Beschäftigtengruppen nicht eigenständig Tarifverhandlungen führen und
auch zum Streik aufrufen kann,
verliert an Attraktivität. Ein
Ende der Organisation muss
das aber noch lange nicht bedeuten – wie die Geschichte
vieler kleinerer Berufsvertretungen in Deutschland zeigt.
Nicht alle Beschäftigten sehen
in Großgewerkschaften die
Identität ihres speziellen
Berufes widergespiegelt.
Dass es auch anders geht,
machen dbb beamtenbund
und tarifunion und ver.di seit
Jahren mit ihrer freiwilligen
Tarifgemeinschaft für die Beschäftigten des öffentlichen
Dienstes erfolgreich vor.
Für viele liegt auf der Hand:
Dieser Gesetzentwurf wird
angesichts zerklüfteter Unternehmensstrukturen auch
künftig eigenständige Tarifverhandlungen für bestimmte
Beschäf tigtengruppen nicht
verhindern können. Denn:
Ohne Lokführer fährt kein Zug.
Da mag der Schaffner noch so
viel kontrollieren und alle Weichen richtig gestellt sein.
Karl-Heinz Reith
< Info
Der Autor, Jahrgang 1949,
ist Journalist und Fachautor
in Berlin. Bis Ende 2014 war
er über drei Jahrzehnte als
bundespolitischer Korrespondent der Deutschen
Presse-Agentur dpa mit den
Schwerpunktthemen Sozial-, Bildungs- und Familienpolitik tätig.
dbb
©Spectral-Design – fotolia.com
Glosse:
Private und öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind
sich nicht grün, aber hinsichtlich der Grundversorgung der
Zuschauer mit Pseudo-RealityTV à la Sex & Crime ziemlich
einig: Munter wird auf allen Kanälen gestohlen und betrogen,
gemordet und geraubt. Die
Kommissare im Einsatz, von der
Hafenkante bis zur Soko Alpenglühen, hetzen von Tatort zu
Tatort, und die Richter Salesch
und Hold kommen mit ihren
Urteilssprüchen kaum noch
nach. Selbst die Bergretter stehen im Dauerkampf gegen geballte kriminelle Energie, und
der Landarzt kittet am Ende oft
genug die gebrochenen Herzen
und Seelen. All das geschieht
selbstredend nicht von unge-
fähr, sondern gehorcht einer
geheimen Absprache zwischen
den Programmmachern und
den politisch Verantwortlichen
in den Rundfunk- und Fernsehräten, die ganz genau wissen, was die sie entsendenden
gesellschaftlich relevanten Bevölkerungsgruppen sehen oder
hören sollen: Soaps.
Die Soaps (Seifen/Reinigungen)
haben nämlich still und leise
die Funktion der Katharsis (griechisch: Reinigung) der antiken
Tragödie übernommen: Das gegen die Gesellschaft gerichtete
unmoralische Handeln der
Hauptfiguren führte damals
wie heute durch Enttarnung
und Bestrafung zur „Reinigung“
von bestimmten Affekten, zur
Läuterung der Seele. Will sagen,
wem tagtäglich vor Augen geführt wird, dass es sich in keiner
Situation seiner Lebenswirklichkeit lohnt, Böses zu tun, weil
am Ende stets das Gute obsiegt,
der wird schließlich das stille
Glück im Winkel, sprich dauerhaft vor der Flimmerkiste, suchen und ein verantwortungsbewusstes Mitglied der Gesellschaft werden. Der Clou: Weil
schließlich alle per se brav und
ehrlich sind, benötigen wir weniger Polizisten, weniger Justizbedienstete, weniger Steuerfahnder oder weniger Schwarzarbeitskontrolleure. Vielleicht
benötigen wir sogar weniger
Politiker, denn es reicht allemal,
wenn die überschaubare Schar
der Talkshow erprobten Politikagitatoren ihre meinungsbildenden Debatten vor laufenden Kameras abhalten, statt im
Bundestagsplenum vor gerade
mal 600 Zuschauern. Auch politische Katharsis braucht breites
Publikum.
sm
39
spezial
Der Clou
> AiR | dbb seiten | März 2015
dbb
Sozial- und Erziehungsdienst:
Unsere Gesellschaft diversifiziert und beschleunigt sich
zunehmend. Der Leistungsdruck steigt. Immer weniger
Beschäftigte müssen immer
mehr Aufgaben immer schneller erledigen. Von der „Generation Überforderung“ ist in
den Medien bereits die Rede.
Schon Kinder werden zwi-
Langfristig müssen die Ursachen und vor allem mögliche
Lösungen für diese Problematik diskutiert werden. Neben
den Gewerkschaften ist hier
die Politik gefragt, gesamtgesellschaftliche Prozesse anzustoßen, die geeignet sind,
um Druck aus dem Kessel zu
nehmen. Das wird nicht inner-
reparieren zu helfen, die die
Gesellschaft verursacht. Deswegen ist es jetzt an der Zeit,
ihre Arbeit deutlich aufzuwerten, was die öffentliche Wertschätzung, aber auch, was die
Einkommens- und Arbeitsbedingungen betrifft.
<
Vielfältiges Spektrum
Es sind nicht nur die offensichtlichen Berufe, die den Wert des
Sozial- und Erziehungsdienstes
ausmachen. Erzieherinnen und
Erzieher zum Beispiel stehen im
Fokus des öffentlichen Interesses, weil sie Eltern ermöglichen,
ihrem Broterwerb nachzugehen, während sie in den Kindertagesstätten den Kleinsten ei-
nen gangbaren Weg in ein
kompliziertes Leben ebnen.
Dass sie die Kinder nicht nur
gut verwahren, sondern dabei
pädagogische Höchstleistungen
abliefern, sieht kaum jemand.
Von der Kita zur Schule: Angesichts steigender Zahlen von
Schulabbrechern hat die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Brunhild Kurth, jüngst
mehr Sozialarbeiter an Schulen
gefordert. „Die Lehrer allein
können es nicht richten. Denn
Schüler ohne Hauptschulabschluss stammen meist aus
schwierigen Familien, sie brauchen besondere Begleitung,
weil die Eltern das nicht leisten
können. Dazu sind auch Sozial-
< dbb Mitglieder aus dem Sozial- und Erziehungsdienst diskutierten im
Rahmen der Wertschätzungstage mit dbb Verhandlungsführer Andreas
Hemsing, hier am 23. Januar 2015 in Brandenburg an der Havel ...
schen Erziehung, Schule und
elterlich verordneten Freizeitaktivitäten zerrieben. Wer mithält, bekommt ein dickes Stück
vom Kuchen ab. Auf der anderen Seite fallen immer mehr
Menschen durch das Raster,
die Schere zwischen Arm und
Reich öffnet sich weiter.
> AiR | dbb seiten | März 2015
halb von Monaten oder wenigen Jahren möglich sein. Bis
dahin wird die Arbeit der Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst nicht leichter,
aber immer wichtiger, denn die
Kolleginnen und Kollegen versuchen oft nichts weniger, als
die Schäden am Individuum
Friedhelm Windmüller
spezial
40
Sie arbeiten hart für unsere Gesellschaft, haben eine
aufwendige Ausbildung genossen und engagieren
sich täglich für Bürgerinnen und Bürger. Viele von
ihnen arbeiten direkt in sozialen Brennpunkten und
sorgen dafür, dass Menschen wieder auf die richtige
Bahn kommen. Damit leisten sie einen unschätzbaren
Dienst am Gemeinwohl. In ihrer Vergütung spiegelt
sich das allerdings nicht wider. Im Dezember 2014
sind die Eingruppierungsregelungen für die rund
722 000 Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst gekündigt worden. Zeit, etwas zu bewegen.
Friedhelm Windmüller
©Ennira – fotolia.com
Ein starkes soziales
Netz braucht Pflege
< ... und am 27. Januar in Aachen.
dbb
Auch für die Arbeitswelt ist der
Sozial- und Erziehungsdienst
unverzichtbar: Arbeitserzieher
arbeiten mit Menschen mit
und ohne Behinderungen, um
ihnen die Integration in den
Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Bei ihnen stehen Resozialisierung und Rehabilitation im
Fokus, während sich Fachkräfte zur Arbeits- und Berufsförderung zum Beispiel darum
kümmern, dass Menschen
mit Behinderungen im Idealfall wieder in den primären Arbeitsmarkt integriert werden
können. In Behindertenwerkstätten wagen sie den Spagat
zwischen betriebswirtschaftlichem Ansatz und behindertenpädagogischem Anspruch, was
ihnen ein Höchstmaß an Flexibilität und Kraft abverlangt.
Viele medizinische Berührungspunkte haben auch die
Erzieherinnen und Erzieher in
Krankenhäusern und Psychiatrien. Ihnen geht es darum, den
Heilungsprozess besonders
von Kindern und Jugendlichen
mit psychischen oder somatischen Erkrankungen zu begleiten. Ähnlich wie Heilpädagogen, die sich bemühen, die
gesellschaftliche Teilhabe beeinträchtigter Menschen zu gewährleisten, arbeiten sie dabei
eng mit Ärzten und Pflegern
zusammen. Heilerziehungspfleger sind sozialpädagogisch
und pflegerisch ausgebildete
Fachkräfte, die assistieren,
pflegen, beraten und bilden,
womit sie eine ganzheitliche,
auf das Handicap des einzelnen abgestimmte Behandlung
garantieren.
Flankiert von den Kolleginnen
und Kollegen in der offenen
Jugendarbeit, den Erzieherin-
Wenn einem das Leben
über den Kopf wächst
Es sind nicht nur Kinder und Jugendliche, die Hilfe brauchen.
Auch vielen Erwachsenen
wächst das Leben mittlerweile
über den Kopf. Beschäftigte der
Lebens- und Konfliktberatung
stärken mit ihrer Arbeit zum
Beispiel Familien in kritischen
Situationen wie Scheidungen
oder bei Verschuldung. Sie beraten Migranten im Asylrecht,
sie helfen bei der Prävention
drohender Obdachlosigkeit
oder unterstützen Menschen
bei der Beantragung von Sozialleistungen.
Lothar Drechsel
<
< Gerade junge motivierte Kräfte im Sozial- und Erziehungsdienst suchen
berufliche Perspektiven und finanzielle Anerkennung, wie hier auf dem
Wertschätzungstag am 28. Januar 2015 in Saarlouis.
< DBB NRW Landeschef Roland Staude (links) und dbb Verhandlungsführer
Andreas Hemsing (rechts) betreuten den Wertschätzungstag in Mönchengladbach. Hier mit Sandra van Hermskerk (komba, zweite von links)
und Marieluise Baumeister, Vorsitzende des FB Erziehung der komba
gewerkschaft nrw.
nen und Erziehern an Ganztagsschulen, bei der Lebensund Konfliktbewältigung, bei
den sozialen Diensten nach
SGB XII und den Sozialdiensten
an Krankenhäusern ist diesen
Berufsgruppen neben ihrem
sozialen und gesellschaftlichen
Engagement ein weiteres
Merkmal gemeinsam: Der für
die harte Arbeit zu geringe Verdienst. Nachdem die Gewerkschaften Ende Dezember 2014
die Eingruppierungsvorschriften für den Sozial- und Erziehungsdienst gekündigt haben,
wird 2015 neu mit der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) verhandelt.
<
Jetzt Einkommen
verbessern
Für die bevorstehenden Tarifverhandlungen zum Sozial- und
Erziehungsdienst hat die Bundestarifkommission (BTK) des
dbb in ihrer Sitzung am 18. Dezember 2014 eine echte Wertschätzung und bessere Bezahlung der Berufe im Sozial- und
Erziehungsdienst gefordert und
entsprechende Eckpunkte beschlossen. Neben der grundsätzlichen Höhergruppierung
der Berufe in der S-Entgelttabelle beinhaltet das Forderungspaket des dbb unter anderem
die Erweiterung der S-Entgeltgruppe, die volle Anerkennung
der Vorbeschäftigung bei einem
Stellenwechsel, die stufengleiche Höhergruppierung, die Berücksichtigung von Zeiten für
Vor- und Nacharbeit im Erziehungsdienst und die eingruppierungswirksame Anerkennung von Masterabschlüssen.
Darüber hinaus sollen alle Tätigkeitsmerkmale überprüft
und aktualisiert werden, ebenso wie die Berufe, Berufsbezeichnungen, Abschlüsse und
Einrichtungen einer Überprüfung unterzogen werden sollen.
Weiter arbeitet der dbb darauf
hin, dass Zusatzqualifikationen
besser berücksichtigt werden
und fordert Neuregelungen für
die Leitungspositionen. So sollen zum Beispiel die Eingruppie-
> AiR | dbb seiten | März 2015
41
spezial
Dieses Beispiel verdeutlicht
die immense Wichtigkeit der
Schulsozialarbeit: Die Beschäftigten wirken als Vermittler
zwischen Schülern, Lehrern
und Eltern. Besonders an Schulen mit hohem Migrantenanteil
oder vielen sozial schwachen
Schülern tun sie dies in einem
immer rauher werdenden Umfeld und verhindern damit bestenfalls, dass später ihre Kollegen ans Werk müssen, etwa die
der Jugendgerichtshilfe. Diese
arbeiten noch enger an gesellschaftlichen Schnittstellen, bei
denen viele gern wegsehen,
wie der Jugendgerichtshilfe: Sie
betreuen straffällig gewordene
Jugendliche ab 14 Jahren nicht
nur während des Strafverfahrens, sondern kümmern sich
auch um den weiteren Weg des
jungen Menschen nach dem
Urteil. Ziel der anspruchsvollen
Aufgabe ist es, Jugendliche
weg vom Rand der Gesellschaft
zurück in ein geordnetes Leben
zu bringen.
Friedhelm Windmüller
arbeiter gefragt. Schule allein
kann nicht die Reparaturwerkstatt der Nation sein“, sagte sie
dem Handelsblatt. Statt eines
breit angelegten Bundesprogramms für mehr Sozialarbeiter
befürwortet Kurth eine Aufstockung der Bildungshaushalte
der Länder, finanziert zum Beispiel aus den Einsparungen von
rund 1,2 Milliarden Euro, die der
Bund durch die Übernahme der
BAföG-Mittel generiert.
dbb
Der sich abzeichnende Personalmangel wird nicht nur dazu
führen, neues und gut qualifiziertes Personal gewinnen zu
müssen. Maßgebend wird auch
sein, dem vorhandenen Personal gute Rahmenbedingungen
zu bieten, damit dieses ein Erwerbsleben lang gesund und
einsatzfähig bleibt. Der dbb
Verhandlungskommission für
den Sozial- und Erziehungsdienst wurde das Recht zur
detaillierten Ausgestaltung
und Ergänzung der Forderung
für die Tarifverhandlungen
zum Sozial- und Erziehungsdienst eingeräumt.
<
spezial
42
Wertschätzung für
Mitglieder vor Ort
Im Januar 2015 sind diese Beschlüsse mit den Mitgliedern
vor Ort im Rahmen der Wertschätzungstage vermittelt worden. Mit Veranstaltungen in
Brandenburg an der Havel am
23. Januar, Aachen am 27. Januar, Saarlouis am 28. Januar und
Mönchengladbach am 4. Februar 2015 wurden die „Wertschätzungstage“ des dbb und seiner
Mitgliedsgewerkschaften beendet. Dort diskutierten die
Beschäftigten aus dem Bereich
des Sozial- und Erziehungsdienstes die von der dbb bundestarifkommission beschlossenen Eckpunkte für die im
Frühjahr 2015 startenden Tarifverhandlungen für verbesserte
Beschäftigungsbedingungen.
„Im Leben von jedem Menschen kann es Momente geben,
in denen man auf besondere
Unterstützung angewiesen ist.
Dafür gibt es in Deutschland
zum Glück viele Einrichtungen.
Wir stellen die Frage, was der
Gesellschaft dieses starke Netz
wert ist. Denn ohne angemessene Bedingungen für die Beschäftigten vor Ort wird es
auf Dauer löchrig werden“,
sagte dbb Verhandlungsführer Andreas Hemsing.
In den bisherigen Gesprächen
sei deutlich geworden, dass
besonders über eine faire Eingruppierung geredet werden
müsse, um die Berufe im Sozial- und Erziehungsdienst auch
finanziell attraktiver zu machen. „Neben diesen grundlegenden Dingen gibt es aber
noch viele weitere Themen, die
die Beschäftigten bewegen: Da
geht es etwa um die Anerkennung von Fortbildungen, längere Erholungsphasen, besseres
< Was ist Eingruppierung?
Die Eingruppierung regelt die Zuordnung der auszuübenden Tätigkeit zu einer Entgeltgruppe. Die richtige Entgeltgruppe bestimmt
sich dabei nach dem Grundsatz der Tarifautomatik: Allein aufgrund der Tatsache, dass die auszuübende Tätigkeit die Tätigkeitsmerkmale einer Entgeltgruppe oder Vergütungsgruppe erfüllt, haben Beschäftigte einen Anspruch auf Bezahlung nach eben dieser
Entgeltgruppe. Die Eingruppierung ist somit eine Rechtsanwendung und nicht etwa ein rechtsgestaltender Akt, wie beispielsweise die Willenserklärung des Arbeitgebers. Aufgrund dessen „sind“
Beschäftigte eingruppiert. Der leider gelegentlich noch immer genutzte Sprachgebrauch, nach dem Beschäftigte eingruppiert „werden“, ist tarifrechtlich falsch. Die Eingruppierung ergibt sich für
den Geltungsbereich des Tarifvertrages für die Länder (TV-L) nach
§ 12 TV-L, für den Geltungsbereich des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) nach den §§ 17 TVÜ und 22 BAT/BAT-O.
Die Eingruppierungsmerkmale finden sich für den Geltungsbereich
des TV-L in der Entgeltordnung zum TV-L, für den Geltungsbereich
des TVöD bestimmt sich – mangels einer eigenen Entgeltordnung
– die Eingruppierung noch immer nach den Anlagen 1 a/1 b zum
BAT (Bundes-Angestelltentarifvertrag) und etwaigen landesbezirklichen Eingruppierungsregelungen. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 1
Satz 1 TVÜ i. V. m. § 22 Abs. 1 BAT.
Gesundheitsmanagement,
mehr Zeit für die Vor- und
Nachbereitung und – das ist
ganz besonders wichtig für die
Nachwuchsgewinnung – ein
Ende der Befristungen von Stellen“, erklärte Hemsing. Die Berufsbilder müssten insgesamt
attraktiver werden: „Wenn die
Belastungen weiter steigen, bekommen wir immer größere
Probleme. Erstens werden die
Beschäftigten früher aus dem
Beruf ausscheiden, weil sie
Ausschuss für Arbeitsmedizin:
dbb Vertreter berufen
Am 10. Februar 2015 hat sich beim Bundesminis­
terium für Arbeit und Soziales (BMAS) der Aus­
schuss für Arbeitsmedizin (AfAMed) neu konstitu­
iert. In dieser zweiten Berufungsperiode von 2015
bis 2020 wird sich erstmals auch der dbb an der
Ausschussarbeit beteiligen.
Der AfAMed, dem für den dbb
Dr. Birgit Lindenthal (BVöGD)
angehört, ist ein Beratungs­
gremium des BMAS, dessen
Aufgabe es unter anderem ist,
Regeln und Empfehlungen zur
> AiR | dbb seiten | März 2015
Umsetzung der Vorgaben der
„Verordnung zur arbeitsmedi­
zinischen Vorsorge (ArbMed­
VV)“ zu erarbeiten. Der Aus­
schuss trägt auf diese Weise
dazu bei, Berufskrankheiten
und ar­beitsbedingten Erkran­
kungen vorzubeugen und
die Beschäftigungsfähigkeit
der Arbeitnehmerinnen und
Arbeitnehmer zu erhalten.
Gleichzeitig berät der AfAMed
das BMAS in allen Fragen des
medizinischen Arbeitsschutzes.
In der neuen Berufung­s­
periode stehen neben klas­
sischen arbeitsbedingten
Gesundheitsrisiken auch
neue arbeitsmedizinische
­Fragestellungen auf der Agen­
schlicht nicht mehr können.
Zweitens werden sich potenzielle Nachwuchskräfte eher
für andere Bereiche entscheiden. Der Trend ist schon erkennbar: Es fehlen nicht nur
Stellen, um die Aufgaben qualitativ hochwertig zu erledigen.
Zunehmend können vorhandene Stellen auch nicht besetzt
werden, weil die Bewerber fehlen. Das zeigt: Es ist höchste
Zeit zu handeln.“
br
©Zerbor – fotolia.com
rungsmerkmale von Leiterinnen
und Leitern sowie Stellvertreterinnen und Stellvertretern im
Erziehungsdienst von Kopfzahlen als alleiniges Kriterium entkoppelt werden.
da des AfAMed, wie zum Bei­
spiel die Digitalisierung der
­Arbeitswelt.
Neben dem AfAMed ist der
dbb mit Dr. Birgit Corell (BTB)
auch im Ausschuss für Biologi­
sche Arbeitsstoffe (ABAS) ver­
treten und hat Mitglieder für
den Ausschuss für Betriebssi­
cherheit (ABS) sowie für den
Ausschuss für Gefahrstoffe
(AGS) benannt.
dbb
kulisse:
©Diana Kosaric –fotolia.com
Kriminelles
finale
44
Leiche im Kofferaum? –
Der Notruf bei der Schweriner
Polizei setzte unverzüglich eine
Verfolgung in Gang. Im Kofferraum einer schwarzen Mercedes-Limousine liege ein Mann.
Der Fahrer habe den Kofferraumdeckel verriegelt und sei
dann zügig losgefahren. Die
besorgte Anruferin nahm die
Verfolgung auf und gab der
Polizei per Handy stets den aktuellen Standort des Wagens
durch. In Lankow konnten die
alarmierten Polizeibeamten
den Pkw anhalten und fanden
im Kofferraum tatsächlich einen Mann. Wie sich herausstellte, handelte es sich um
einen Kfz-Mechatroniker, der
„Klappergeräusche“ lokalisieren wollte, die nur auf Kopfsteinpflaster auftreten würden. Sein Engagement brachte
ihm eine mündliche Verwarnung ein, doch trotz der Aufregung bei der Verfolgung des
„Tatfahrzeugs“ endete der Polizeieinsatz mit einem allgemeinen Schmunzeln.
<
Nomen est omen? –
Hoffentlich nicht, denn die
beliebtesten Vornamen in
Deutschland sind so langweilig
und konservativ wie seit Jahren nicht mehr: Emma, Mia,
Marie, Sophie und Astrid heißen 2014 die meisten Mädchen; bei den Jungs stehen
Leon, Ben, Paul, Jonas und
Luca ganz oben auf der Hitliste. Auch der Trend zum Doppelnamen hat 2014 abgenom-
> AiR | dbb seiten | März 2015
men. Doch wenn Doppeloder gar Dreifachnamen vergeben werden, dann kennt
die Kreativität deutscher Eltern offenbar keine Grenzen
mehr: Die Kinder heißen Gloria-Princess, Kimberly-Edith,
Emily-Chayenne, Aiden-Jason,
Noah Henri Bennedikt oder
Caroline Beate Maria. Wer
glaubt, es gebe keine kreativen
Einzelnamen, der irrt. Die Standesbamten registrierten unter
anderem auch Diamond, Chanel, Lifted, Harmonie, Treasure,
Mikado oder Fanta. Abgelehnt
wurden allerdings Pfefferminze oder Borussia.
<
Wilde Verfolgungsjagd? –
Tatort Mönchengladbach,
Korschenbroicher Straße. Der
BMW raste mit gut 100 Stundenkilometern, erlaubt sind 50,
in Richtung Erzberger Straße,
dabei überholte er sowohl
rechts als auch links fahrende
Pkw, ohne sich um die Verkehrssicherheit zu kümmern.
Da in der Nähe zufällig eine
Verkehrskontrolle durchgeführt wurde, konnte das Fahrzeug gestoppt werden. Der
28-jährige Fahrer zeigte sich
indes völlig uneinsichtig, obgleich mehrere aufgebrachte
Verkehrsteilnehmer ebenfalls
angehalten hatten und sich
als Zeugen für sein verkehrsgefährdendes Verhalten meldeten. Im Besitz einer Fahrerlaubnis war der Raser nicht,
die hatte er bereits aufgrund
eines vollen Punktekontos in
Flensburg eingebüßt. Hauptgrund: zu schnelles Fahren.
<
Gewerbsmäßiger
Pfandbetrug? –
Flaschen sammeln und gegen
Pfand eintauschen, ist das
eine; Strichcodes kopieren,
um mit pfandfreien Flaschen
Geld zu machen, ist das andere. Ein Rentner aus Bochum
hatte jedenfalls mit seinem Betrugsversuch um 25 Cent kein
Glück. Die Kassiererin eines
Supermarktes bemerkte die
Fälschung und alarmierte die
Polizei. Der Mann versuchte
zwar noch, das kopierte Etikett
abzuziehen und zu vernichten,
doch die Beamten stellten die
Beweise sicher. Obgleich es
sich nur um einen Bagatellbetrag handele, müsse die
Polizei die Sache verfolgen,
weil Anzeige erstattet worden
sei, teilte ein Polizeisprecher
mit. Die Staatsanwaltschaft
werde den Fall wohl wegen
Geringfügigkeit einstellen, obgleich der Versuch, Pfandcodes
im großen Stil zu fälschen, den
Supermärkten inzwischen große Probleme bereite.
<
Schätze im Stausee? –
Polizeitaucher führten im
Dezember 2014 in der Glörachtalsperre bei Breckerfeld in
Nordrhein-Westfalen Tauchübungen durch und wurden in
25 Metern Tiefe an der Staumauer fündig: Zwölf Panzerschränke, eine Registrierkasse
und ein Motorrad holten sie
nach und nach an die Oberfläche. Die Herkunft von drei Tresoren ist mittlerweile geklärt,
sie stammen aus Einbrüchen in
Lüdenscheid und
Wesel. Ein Geldschrank ist sogar
noch unversehrt
und trägt den Aufkleber einer Hilfsorganisation. Offenbar dient der Stausee seit Längerem
einer Einbrecherbande zur Entsorgung
von ausgeschlachtetem Diebesgut.
Viellecht wäre die
Montage einer gut
getarnten Überwachungskamera bei
der Entlarvung der
Panzerknacker hilfreich.
©Stockdonkey – fotolia.com
<
dbb
Sozial- und Erziehungsdienst:
Wertschätzung lässt sich nur
durch gute Tarifverträge erreichen
<
dbb magazin
Heute – so die Einschätzung
der ASMK – wirke sich der
Fachkräftemangel in Deutschland vor allem in bestimmten
Regionen und Branchen aus,
spätestens in 20 Jahren werde
es ein flächendeckendes Problem sein, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
zu gewinnen. Was kann, was
muss bis dahin getan werden,
um beispielsweise den drastisch wachsenden Personalbedarf in der Kranken- und
Altenpflege zu decken?
<
Heike Werner
Die Problemlage in der Kranken- und Altenpflege in Thüringen ergibt sich aus den demografischen Entwicklungen
einerseits und einem wachsenden Mangel an geeignetem
Personal andererseits. Bedarf
und Angebot werden zunehmend in einem Missverhältnis
stehen, wenn nicht in geeigneter Weise gegengesteuert
wird. Bereits heute schon fehlt
entsprechend qualifiziertes
Personal. Ein großer Teil der
Pflegekräfte wandert nach
dem Abschluss der Berufsausbildung nach Westdeutschland ab. Ein wesentlicher
Grund dafür ist das höhere
Lohnniveau. Zudem liefern
sich die Pflegebetriebe einen
Wettbewerb um die günstigsten Pflegeangebote. Das geht
im Ergebnis auch stark zulasten der Beschäftigten. Darum
müssen sich hierzulande in der
Pflege sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die Entlohnung verbessern. Ich setze
mich darum für einen Branchentarifvertrag Pflege ein,
der Allgemeinverbindlichkeit
erlangen soll.
> AiR | dbb seiten | März 2015
TSK – U. Koch
aktuell
46
< Interview mit der Vorsitzenden der ASMK, Heike Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und
Familie in Thüringen
<
dbb magazin
Die abschlagsfreie Rente mit
63 haben bis zum Jahresbeginn
bereits knapp 210 000 Menschen, davon besonders viele
in den neuen Bundesländern,
in Anspruch genommen. Konterkariert diese Entwicklung
nicht Ihre Bemühungen, ältere
Fachkräfte länger im Job zu
halten?
<
Heike Werner
Ich befürworte die Möglichkeit eines vorzeitigen abschlagsfreien Renteneintritts,
gerade für besonders geforderte Beschäftigte. Fachpersonal länger im Beruf halten
zu wollen, steht dem nicht
entgegen, Arbeitgeber können
dafür auch etwas tun, zum
Beispiel in den Bereichen
Gesundheitsmanagement,
Anpassung bei Arbeitszeiten
oder mit alterssensiblen
Arbeitsbedingungen. Die
Erwerbstätigkeit über das
Regeleintrittsalter in die Rente hinaus muss aber auf freiwilliger Basis erfolgen. Es darf
nicht sein, dass jemand bis ins
hohe Alter hinein arbeiten
muss, weil er seine Existenz
nicht anders sichern kann.
dbb
Die Umsetzung sozialpolitischer Entscheidungen etwa
im öffentlichen Gesundheitswesen oder im Verbraucherschutz beziehungsweise der
Lebensmittelüber wachung erfordert neben hochwertigen
modernen Arbeitsmitteln qualifiziertes Personal, doch frei
werdende Stellen können nicht
nachbesetzt werden, weil die
Arbeits- und Einkommensbedingungen für Ärzte, Techniker
oder Chemiker in der Wirtschaft wesentlich attraktiver
sind als im öffentlichen Dienst:
Sparen wir zulasten der Volksgesundheit, Frau Werner?
<
Heike Werner
Verwaltungsmodernisierung,
Personalabbau, demografischer Wandel, steigende Aufgabenfülle und die Situation
öffentlicher Haushalte beeinflussen das Verwaltungshandeln. Fehlende Fachkräfte sind
allerdings kein exklusives Problem des öffentlichen Dienstes. Der Fachkräftebedarf wird
in allen Branchen steigen. Natürlich steht die Verwaltung
dabei auch in Konkurrenz zur
Wirtschaft. Im Fokus stehen
dabei häufig die Verdienstund Karrieremöglichkeiten.
Hier gibt es gerade im Osten
stellenweise noch einiges
aufzuholen. Dennoch sollten
die Arbeits- und Einkommensbedingungen im öffentlichen
Dienst nicht kleingeredet werden. Nicht nur in wirtschaftlich bewegten Zeiten bietet
eine Anstellung in der Verwaltung Sicherheit und Planbarkeit, dazu kommen eine bessere Vereinbarkeit von Familie,
Pflege und Beruf oder flexible
Arbeitszeitregelungen. Handlungsbedarf besteht aber mit
Blick auf die demografische
Zusammensetzung der Belegschaften oder bedingt durch
den stetigen Druck auf die
Personalausgaben in öffentlichen Haushalten. Klar ist
aber auch, dass die Aufgaben
bestmöglich erfüllt werden
müssen.
<
dbb magazin
Soziale Politik gestalten, heißt
jeden mitzunehmen. Doch das
wird angesichts des fehlenden
oder am Limit arbeitenden Personals in Kitas, Behinderteneinrichtungen oder in der Jugendarbeit immer schwieriger.
Die sozialen Berufe bedürfen
dringend größerer Wertschätzung. Durch welche Maßnahmen lässt sich das erreichen,
Frau Ministerin?
<
Heike Werner
Wertschätzung erfolgt in erster Linie durch gute Arbeitsbedingungen. Die lassen sich
verbindlich nur durch eine höhere Tarifbindung und gute Tarifverträge erreichen, die sich
am öffentlichen Dienst orientieren. In der Thüringer Sozialwirtschaft besteht da ein erheblicher Nachholbedarf. Im
Bereich der sozialen Arbeit und
der Altenpflege liegen wir thüringenweit gerade einmal bei
knapp sieben Prozent Tarifbindung. Der Thüringer Sozialwirtschaftsbericht und die 2014
erschienene Prognos-Studie
zur Fachkräftesicherung durch
gute Arbeit haben den Handlungsbedarf deutlich aufgezeigt. Aus diesem Grund haben
wir beispielsweise bei den neuen Förderrichtlinien des Europäischen Sozialfonds Mindesteingruppierungen auf der
Grundlage des Tarifvertrags der
Länder verankert, und wir wollen auch einen Branchentarifvertrag in der Pflege, der Allgemeingültigkeit erlangen soll.
<
dbb magazin
Die ASMK ist auch für Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit
zuständig. Bisher ging es dabei
überwiegend um technische
Gefahrenquellen und Unfallvermeidung. Zunehmend sind
die Beschäftigten im öffentlichen Dienst aber auch gewalttätigen Übergriffen von Bürgern ausgesetzt, die sich
ungerecht behandelt fühlen
oder ihre Aggressionen gegenüber dem Staat an Polizisten,
Feuerwehrleuten, Zugbegleitern oder Arbeitsvermittlern
auslassen. Muss „Arbeitsschutz“ neu definiert werden?
<
Heike Werner
Auf der einen Seite hat der
Einsatz neuer Technologien in
vielen Bereichen schwere körperliche Belastungen reduziert. Demgegenüber stehen
neue negative Beanspruchungen wie eine zunehmende Arbeitsverdichtung, erhöhter
Stress und Zeitdruck, Überforderung, Informationsdefizite
und so weiter, die zu erhöhten
psychischen Belastungen und
gesundheitlichen Risiken bei
den Beschäftigten geführt haben. Die Herausforderungen
durch das Nebeneinander von
Beruf, Familie und Pflege gehören häufig ebenso dazu.
Ein nachhaltiger Arbeits- und
Gesundheitsschutz ist daher
auch in der öffentlichen Verwaltung zu integrieren. Bei
physischen Belastungen durch
die normalen Arbeitsabläufe
haben wir im Arbeitsschutz in
Deutschland ein gut ausgebautes solides Fundament.
Zunehmend Sorge bereiten
uns hingegen die psychischen
Belastungen am Arbeitsplatz.
Dazu tragen auch Bürgerinnen
und Bürger bei, die sich ungerecht behandelt fühlen und
daraufhin aggressiv oder sogar übergriffig gegenüber den
Beschäftigten werden. Im
Rahmen der Gefährdungsbeurteilung müssen die Dienststellen jeweils sachgerechte
Lösungen entwickeln. Die Gemeinsame Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) thematisiert auch traumatisierende
Ereignisse beziehungsweise
den Umgang mit schwierigen
Kunden, die damit verbundene potenzielle Gefährdung
sowie das Gefühl der Bedrohung durch Unfälle oder
Übergriffe. Davon betroffene
Tätigkeiten erfordern entsprechende Beurteilungen und
Präventionsmaßnahmen, die
im erforderlichen Umfang umzusetzen sind.
< Heike Werner ...
... Jahrgang 1969, absolvierte nach
dem Abitur von 1987 bis 1989 ein
Praktikum bei der FDJ-Kreisleitung
Zwickau. Anschließend studierte
sie von 1989 bis 1991 Philosophie,
wechselte 1991 das Fach und
studierte bis 1999 Erziehungswissenschaften und Soziologie
mit Unterbrechung wegen Erziehungsurlaub. Seit 2002 studiert
Werner Politikwissenschaft an der
Fernuniversität Hagen. Im Jahre
1999 trat sie in die PDS ein und ist nun Mitglied in der Nachfolgerpartei Die Linke. Von 1999 bis 2014 war sie Mitglied des sächsischen Landtages, gleichzeitig war sie von 1999 bis 2004 Sprecherin
für Hochschulpolitik und stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Schule und Sport. Von 2004 bis 2009 war Heike Werner Sprecherin für Hochschule und Gleichstellung und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Von 2009 bis 2014 war sie Mitglied
des Präsidiums, Familienpolitische Sprecherin und Vorsitzende des
Ausschusses für Soziales und Verbraucherschutz. Seit 2009 ist sie
Mitglied des Kreistages Landkreis Leipzig, dort wurde sie zur Fraktionsvorsitzenden der Kreistagsfraktion Die Linke gewählt und ist
außerdem Mitglied im Ausschuss Bildung, Kultur und Sport, Mitglied im Jugendhilfeausschuss, im Kreisausschuss und im Ältestenrat. Seit 2014 ist sie Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit,
Frauen und Familie in Thüringen. Seit Anfang 2015 hat sie auch
das Amt der Vorsitzenden der Arbeits- und Sozialministerkonferenz inne. Werner ist verheiratet und hat zwei Kinder.
> AiR | dbb seiten | März 2015
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aktuell
dbb magazin
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