So beurteilen Sie die Entgeltfortzahlungsansprüche Ihrer Mitarbeiter

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So beurteilen Sie die Entgeltfortzahlungsansprüche Ihrer Mitarbeiter
Entgeltfortzahlung
E52 1
So beurteilen Sie die
Entgeltfortzahlungsansprüche
Ihrer Mitarbeiter richtig
An gesetzlichen Feiertagen müssen Sie das Arbeitsentgelt fortzahlen
Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für die
Entgeltfortzahlung
Ohne Nachweis der Arbeitsunfähigkeit brauchen
Sie keine Entgeltfortzahlung zu leisten
Diese Probleme haben Sie oft in der Praxis zu lösen
Nicht alle Arbeitnehmer haben einen
Entgeltfortzahlungsanspruch
Entgeltfortzahlung bei besonderen Ereignissen
im Betrieb oder beim Arbeitnehmer
(alphabetische Liste)
Sie dürfen die gesetzlichen Mindestansprüche nicht
einschränken
So ermitteln Sie die Dauer des Entgeltfortzahlungsanspruchs
Diese Regelungen bestehen zum Ende der Beschäftigung
Die Höhe der Entgeltfortzahlung richtet sich nach
dem aktuellen Arbeitsentgelt
Welche Bezüge Sie bei der Entgeltfortzahlung
berücksichtigen müssen
Sie können Schadenersatzansprüche geltend machen
Entgeltfortzahlung bei der Erkrankung eines Kindes
Abc zur schnellen Klärung Ihrer Fortzahlungspflicht
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Grundwerk
Sozialversicherungs-Berater
Entgeltfortzahlung
E52 2
Wann das Entgelt fortzuzahlen istPraxisprobleme und Ausnahmen
Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Schadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
Gesetzliche
Vorgabe
Wenn Ihre Mitarbeiter an der Arbeitsleistung gehindert
sind, müssen Sie in vielen Fällen das Arbeitsentgelt weiterzahlen. Zum einen besteht Ihre Zahlungsverpflichtung aufgrund eines Tarif- bzw. Arbeitsvertrags; zum
anderen sind die Grundlagen, Ihrem Mitarbeiter im Falle
einer Arbeitsverhinderung das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen, gesetzlich festgelegt: Das Entgeltfortzahlungsgesetz regelt hierfür die Mindestansprüche Ihrer Mitarbeiter, von denen Sie durch eigene vertragliche Vereinbarungen nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abweichen dürfen. Zahlungen, die über den gesetzlich definierten Mindestanspruch hinausgehen, sind hingegen
zulässig.
Regelungstatbestände
Im Entgeltfortzahlungsgesetz werden die Entgeltfortzahlungsansprüche der Arbeitnehmer im Falle der
Arbeitsverhinderung
● an gesetzlichen Feiertagen,
● bei einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit,
● bei einer nicht rechtswidrigen Sterilisation,
● bei einem nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruch oder
● wegen einer Rehabilitationsmaßnahme
geregelt.
Sonstige
Gründe
Darüber hinaus sind Sie auch von Zahlungsverpflichtungen betroffen, wenn Ihr Mitarbeiter aus anderen Gründen an der Arbeitsleistung gehindert ist. Denkbar ist eine
Verpflichtung im Rahmen Ihrer Fürsorgepflicht gegenüber Ihren Mitarbeitern oder dass Ansprüche aus anderen gesetzlichen Vorschriften abgeleitet werden. Das
ist zum Beispiel bei der Erkrankung eines Kindes der
Fall.
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Wann das Entgelt fortzuzahlen istPraxisprobleme und Ausnahmen
Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Schadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
An gesetzlichen Feiertagen müssen Sie das
Arbeitsentgelt fortzahlen
Für Arbeitszeit, die infolge eines gesetzlichen Feiertages Nur gesetzliche
ausfällt, müssen Sie dem Arbeitnehmer das Arbeitsent- Feiertage gelten
gelt zahlen, das er ohne den Arbeitsausfall erhalten hätte.
Unabhängig davon, ob Ihr Mitarbeiter einen Stundenlohn erhält oder ob ein festes Monatsentgelt vereinbart
ist, müssen Sie für die nach deutschem Recht bundesweit oder regional geltenden gesetzlichen Feiertage
das Arbeitsentgelt zahlen.
Wichtig: Die Berechnung der Höhe des von Ihnen wei- Unentschuldigterzuzahlenden Arbeitsentgelts ist ab Seite E52/27 be- tes Fehlen
schrieben. Bei unentschuldigtem Fehlen vor oder
nach dem Feiertag brauchen Sie auch für den Feiertag
selbst keine Entgeltfortzahlung zu leisten.
Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für die
Entgeltfortzahlung
Arbeitsunfähig ist Ihr Arbeitnehmer, wenn er aufgrund Definition
einer Krankheit seine im Arbeitsvertrag bezeichnete Ar- „Arbeitsbeit nicht oder nur unter der Gefahr der Verschlimme- unfähigkeit“
rung seines Zustandes ausüben kann. Auf welcher Ursache die Krankheit beruht, ist unerheblich; auch unfallbedingte Verletzungen gelten als Krankheit in diesem
Sinn.
Es ist durchaus möglich, dass Ihr Mitarbeiter an einer TätigkeitsKrankheit leidet, aber dennoch arbeitsfähig ist. Die Ar- bezogen
beitsunfähigkeit wird deshalb von einem Arzt für die
aktuell ausgeübte Beschäftigung attestiert. Bei gleicher Krankheit kann Ihr Büroangestellter arbeitsfähig
sein, während einem Bauarbeiter Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden muss.
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Schadensersatzansprüche
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Ist die Krankheit selbstverschuldet? Den Beweis
müssen Sie als Arbeitgeber erbringen
Wichtig ist für Ihre Leistungspflicht, dass die Arbeitsunfähigkeit auf einer unverschuldeten Krankheit beruht.
Verschulden
Aufgrund ständiger Rechtsprechung liegt ein Verschulden des Arbeitnehmers erst bei einem groben Verstoß
gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten vor. Ein
Selbstverschulden der Arbeitsunfähigkeit ist also erst bei
grober Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz gegeben.
Leichte Fahrlässigkeit begründet kein Verschulden. Ein
Verschulden des Arbeitnehmers kann nicht nur beim
Entstehen einer Krankheit vorliegen, sondern auch
dann, wenn der Arbeitnehmer den Wiedereintritt der
Arbeitsfähigkeit verzögert oder verhindert. Der Arbeitnehmer ist während der Krankheit verpflichtet, sich so
zu verhalten, dass er wieder gesund wird, und hat alles zu
unterlassen, was seine Genesung verzögert oder verhindern könnte.
Einzelfallbeurteilung
Bei jeder Arbeitsunfähigkeit, bei der die Verschuldensfrage zu klären ist, wird die Besonderheit des Einzelfalls zu
bewerten sein. Die Darlegungs- und Beweislast zum Verschulden ist gesetzlich nicht geregelt. Das Bundesarbeitsgericht hat die Darlegungs- und Beweispflicht in ständiger Rechtsprechung für den „Normalfall“ dem Arbeitgeber auferlegt, weil immer derjenige darlegungs- und beweispflichtig ist, der die Entstehung eines Anspruchs
leugnet.
§ 616 Abs. 1
Satz 1 BGB
Führt die Krankheit eines Arbeitnehmers nicht zur Arbeitsunfähigkeit, können sich Entgeltansprüche für einen notwendigen Arztbesuch zwar grundsätzlich aus
dem Bürgerlichen Gesetzbuch ableiten. Die dort bezeichneten Entgeltansprüche Ihrer Mitarbeiter können
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Sie aber durch Betriebsvereinbarungen oder arbeitsvertraglich ausschließen. Darüber hinaus kann Ihr Arbeitnehmer kein Arbeitsentgelt verlangen, wenn der Arzttermin auch außerhalb der Arbeitszeit wahrgenommen
werden könnte.
Die Regelungen zum Entgeltanspruch Ihres Mitarbeiters Vorsorge-/
gelten auch, wenn Ihr Mitarbeiter an einer medizini- Rehamaßnahme
schen Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme
teilnimmt. Voraussetzung ist hierbei aber, dass die Kosten von einem Träger der gesetzlichen Renten-, Krankenoder Unfallversicherung, einer Verwaltungsbehörde der
Kriegsopferversorgung oder einem sonstigen Sozialleistungsträger bewilligt wird. Ihre Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung besteht nur für stationäre Maßnahmen. Arbeitsunfähigkeit muss nicht unbedingt vorliegen.
Bei Kurbewilligungen folgender Kostenträger müssen Kuren, bei
Sie Entgeltfortzahlung leisten: Berufsgenossenschaft, denen Sie
Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Krankenkas- zahlen müssen
se, Landesversicherungsanstalt, Sozialhilfeträger, Versorgungsamt.
● Bestehen Sie in jedem Fall auf der Vorlage der
schriftlichen Kurbewilligung. Ihr Mitarbeiter ist hierzu
gesetzlich verpflichtet. Nehmen Sie eine Kopie zu den
Personalakten. ●
TIPP
Ebenso besteht bei einer nicht rechtswidrigen Sterili- Sterilisation/
sation oder bei einem legalen Abbruch der Schwan- Schwangergerschaft Entgeltfortzahlungspflicht.
schaftsabbruch
Eine Liste von Praxisbeispielen finden Sie am Ende
dieses Beitrags!
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Ohne Nachweis der Arbeitsunfähigkeit
brauchen Sie keine Entgeltfortzahlung
zu leisten
Pflichten des
Mitarbeiters
Konsequenzen
Ihr Mitarbeiter hat zum einen die Verpflichtung, seine Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzuzeigen, und zum anderen bei länger anhaltender Arbeitsunfähigkeit, einen
ärztlichen Nachweis über die voraussichtliche Dauer
vorzulegen. Seine Arbeitsunfähigkeit muss Ihnen der Mitarbeiter am ersten Tag des Fehlens melden. Dazu sollte
sich Ihr Mitarbeiter entweder persönlich mit Ihnen in Verbindung setzen oder einen Dritten damit beauftragen.
Als Arbeitgeber haben Sie ohne besondere Vereinbarung jedoch keine Möglichkeit, bei fehlender Anzeige
der Arbeitsunfähigkeit die Entgeltzahlung einzustellen.
Diese Möglichkeit wird Ihnen erst eröffnet, wenn nicht
spätestens am vierten Tag der Arbeitsunfähigkeit die
Krankmeldung bei Ihnen vorliegt. Dieses Recht zur Verweigerung der Entgeltzahlung haben Sie aber nur so lange, wie der Mitarbeiter seiner Verpflichtung nicht nachkommt. Auch wenn Sie die Krankmeldung erheblich verspätet erhalten, müssen Sie das Arbeitsentgelt dann
nachzahlen.
Beispiel:
Ihr Mitarbeiter Theo Kornmüller lässt Ihnen am Freitag, dem 4.6. bestellen, dass er arbeitsunfähig krank
ist. Eine ärztliche Bescheinigung wird Ihnen erst am
11. 6. übersandt.
Sie können zunächst die Entgeltfortzahlung verweigern, weil die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Ihnen
am Montag, dem 7. 6. hätte vorliegen müssen. Aber
spätestens am 11. 6. müssen Sie das Arbeitsentgelt für
die gesamte Zeit der Arbeitsunfähigkeit nachzahlen.
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Es kommt natürlich vor, dass der Arbeitnehmer zu Be- Einschränkung
ginn seiner Krankheit mit einer schnellen Rückkehr an der Nachweisseinen Arbeitsplatz rechnet und deshalb nicht sofort den pflicht
Arzt aufsucht. Wider Erwarten bleibt er aber länger arbeitsunfähig. Da ein Arzt den Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht für mehrere Tage (erlaubt sind grundsätzlich
zwei Tage) zurückdatieren darf, ist es möglich, dass die
ersten drei Krankheitstage nicht attestiert werden können. In diesem Fall ist Ihr Mitarbeiter von seiner Nachweispflicht für die ersten drei Tage der Arbeitsunfähigkeit entbunden.
Im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung
können Sie festlegen, dass eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stets bereits ab dem ersten Tag der
Arbeitsunfähigkeit beigebracht werden muss. Das Bundesarbeitsgericht erklärte eine entsprechende Klausel für
wirksam. Der Arbeitnehmer braucht aber nicht zwingend eine ärztliche Bescheinigung vorzulegen, wenn er
seine Arbeitsunfähigkeit auch anders beweisen kann. Bis
der Beweis erbracht ist, dürfen Sie das Arbeitsentgelt
zurückhalten.
Bescheinigung
ab dem 1. Tag
BAG vom
1. 10. 1998;
5 AZR 726/96
Nach dem Ende Ihrer Entgeltfortzahlungspflicht stellt Krankengeldder Arzt auch keine Arbeitsunfähigkeitsbescheini- bezug setzt ein
gung mehr aus, weil die Krankenkasse im Normalfall
Krankengeld an Ihren Mitarbeiter auszahlt. Es ist damit
lediglich noch ein ärztlicher Nachweis zum Zweck der
Krankengeldzahlung nötig. Sie als Arbeitgeber erfahren nur noch durch eigene Initiative, ob Ihr Mitarbeiter
weiterhin krank ist.
● Fragen Sie bei der Krankenkasse nach. Dort erfahren Sie zwar nicht, an welcher Krankheit Ihr Mitarbeiter
leidet, doch zu einer Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit kann Ihnen der
TIPP
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Krankenkassenmitarbeiter Auskunft geben. Nutzen Sie
hierfür Ihre guten Beziehungen zu dem Versicherungsunternehmen. ●
Diese Probleme haben Sie oft in der Praxis
zu lösen
Erkrankung
im Ausland
Auch bei einer Arbeitsunfähigkeit während eines Auslandsaufenthalts ist es ohne weiteres zumutbar, dass Sie
über die Arbeitsunfähigkeit informiert werden. Die technischen Möglichkeiten stehen heute in jedem Land zur
Verfügung. Ihr Mitarbeiter hat die schnellstmögliche
Art der Nachrichtenübermittlung zu wählen. Außerdem
muss er Ihnen seinen Aufenthaltsort mitteilen. Die gesetzliche Krankenkasse erwartet ebenfalls eine Mitteilung
über Beginn und Dauer der Arbeitsunfähigkeit. Je nachdem, in welchem Land sich Ihr Mitarbeiter aufhält, stellen die Ärzte nicht immer eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus.
BAG vom
1. 10. 1997;
5 AZR 499/96
● Weisen Sie Ihren Mitarbeiter darauf hin, dass er
während eines Auslandsaufenthalts als Beweis seiner
Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorlegen muss, die erkennen lässt, dass der Arzt zwischen der
Erkrankung und der durch sie verursachten Arbeitsunfähigkeit unterschieden hat. Ist eine eindeutige Bescheinigung nicht zu erhalten, sollte sich Ihr Mitarbeiter sofort an den örtlichen Sozialversicherungsträger wenden. Der veranlasst dann die Ausstellung einer entsprechenden Bescheinigung. Bestehen mit dem Land Sozialversicherungsabkommen, erhält dann auch die deutsche
Krankenkasse eine Information.
TIPP
In der Praxis ist das Verfahren allerdings sehr langwierig.
Vereinbaren Sie mit dem Arbeitnehmer, dass er Sie unmittelbar über die Art und die Dauer der Arbeitsunfähig-
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keit sowie über den Zeitpunkt der Rückkehr nach
Deutschland informiert. Die Kosten, die Ihrem Mitarbeiter dabei entstehen, kann er Ihnen in Rechnung stellen. ●
Haben Sie Zweifel an der bestehenden Arbeitsunfähigkeit? Auch hierbei können die Krankenkassen helfen. Sie sind bei Arbeitsunfähigkeit ihrer Versicherten verpflichtet, zur Sicherung des Behandlungserfolgs, insbesondere zur Einleitung von Maßnahmen für die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit oder zur Beseitigung von
Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit, ein Gutachten des
Medizinischen Dienstes der Krankenkassen einzuholen. Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit können unter anderem dadurch verursacht sein, dass Ihr Mitarbeiter auffällig oft arbeitsunfähig krank ist, häufig zu Beginn oder
am Ende der Woche ausfällt oder die Arbeitsunfähigkeit
auffällig oft von ein und demselben Arzt festgestellt
wird.
Sie als Arbeitgeber können in der Regel verlangen, dass
die Krankenkasse eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit einleitet. Bevor sie die gutachterliche Stellungnahme
anfordert, hat sie das Recht, die Erfolgsaussichten anhand der eigenen Unterlagen zu prüfen. Nicht jeder
Verdacht eines Arbeitgebers führt deshalb zur gewünschten Begutachtung des Mitarbeiters. Auch die Zeit spielt
dabei eine Rolle. Zum einen sind die Untersuchungskapazitäten des Medizinischen Dienstes zu beachten, und
zum anderen muss der Arbeitnehmer schriftlich zur Untersuchung vorgeladen werden. Die Erkrankung eines Arbeitnehmers mit häufigen Kurzerkrankungen ist in der
Praxis deshalb sehr schwer überprüfbar.
Kommt es allerdings zu einer Untersuchung, muss die
Krankenkasse unverzüglich informieren, wenn das Gutachten zu einem von der Arbeitsunfähigkeitsbescheini-
Zweifel an der
Arbeitsunfähigkeit
§ 275 Abs. 1a
SGB V
Auf Krankenkasse zugehen
Ihr Informationsanspruch
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gung abweichenden Ergebnis führt. Informiert werden
müssen Sie auch, wenn Ihr Mitarbeiter nicht zum Untersuchungstermin erschienen ist. In diesem Fall können Sie als Arbeitgeber folgern, dass ab sofort Arbeitsfähigkeit besteht, und die Entgeltfortzahlung einstellen.
Will Ihr Mitarbeiter diesen persönlichen Nachteil abwenden, muss er einen Beweis für die weiterbestehende Arbeitsunfähigkeit erbringen. Das kann wiederum nur
durch ein entsprechendes ärztliches Zeugnis geschehen.
Nicht alle Arbeitnehmer haben einen
Entgeltfortzahlungsanspruch
Ausnahmen
Obwohl grundsätzlich für alle Arbeitnehmer, unabhängig davon, ob es sich um Arbeiter, Angestellte, Auszubildende, Teilzeitkräfte oder Aushilfen handelt, im
Krankheitsfall ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, gibt es auch einige Ausnahmen. Keine Entgeltfortzahlung müssen Sie erbringen für
● Heimarbeiter,
● Arbeitnehmer im Vorruhestand
oder
● in den ersten vier Wochen einer Beschäftigung.
Heimarbeiter erhalten bei Arbeitsunfähigkeit sofort Krankengeld von
ihrer gesetzlichen Krankenkasse. Wenn keine besonderen Vereinbarungen
über Entgeltfortzahlungsansprüche bestehen, erhalten Heimarbeiter von
ihrem Auftraggeber bei jeder Entgeltzahlung einen Zuschlag zum Arbeitsentgelt.
Der beträgt 3,4 % des Arbeitsentgelts, wenn keine weiteren Hilfskräfte beschäftigt werden, und 6,4 % des Arbeitsentgelts, wenn mindestens zwei
weitere Hilfskräfte vom Heimarbeiter beschäftigt werden. Der erhöhte
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Schadensersatzansprüche
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Zuschlag dient zugleich der Sicherung der Personen, die wiederum von
dem Heimarbeiter beschäftigt werden. Für Heimarbeiter kann aber auch
durch Tarifvertrag bestimmt werden, dass sie anstelle des Zuschlags
zum Arbeitsentgelt im Fall der Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung
nach den Vorschriften des Entgeltfortzahlungsgesetzes erhalten.
Arbeitnehmer im Vorruhestand befinden sich nicht mehr im Arbeitsprozess und erhalten unabhängig von einer Arbeitsleistung das Vorruhestandgeld. Auch dem kranken Vorruheständler wird der Bezug weitergezahlt.
In den ersten vier Wochen einer Beschäftigung besteht für Ihren
Mitarbeiter eine Wartezeit, während der er bei Arbeitsunfähigkeit noch
keinen Entgeltfortzahlungsanspruch hat. Dadurch erhalten Sie etwas
mehr Sicherheit und ein vermindertes Risiko bei der Einstellung neuer
Mitarbeiter. Sie können hieraus aber keine vollständige Befreiung von der
Entgeltfortzahlung zu Beginn der Beschäftigung ableiten. Ihre Zahlungspflicht besteht nicht in dieser Wartezeit. Sie beginnt erst mit der fünften
Woche der Arbeitsunfähigkeit. Der Entgeltfortzahlungsanspruch beträgt
aber auch dann volle sechs Wochen.
Diese Regelung gilt auch, wenn der Mitarbeiter die Ar- Verspätete
beit wegen einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit zum Arbeitsvereinbarten Zeitpunkt nicht aufnehmen kann. Ihre aufnahme
Entgeltfortzahlungspflicht beginnt in der geplanten
fünften Beschäftigungswoche.
Wichtig: In jedem Fall sollten Sie Ihren zukünftigen
Mitarbeiter aber darauf aufmerksam machen, dass er unbedingt seinen Krankenversicherungsschutz klären muss.
Ohne Beschäftigungsaufnahme und ohne Ihre Verpflichtung zur Entgeltzahlung in den ersten vier Wochen
der Arbeitsunfähigkeit entsteht auch kein gesetzlicher
Krankenversicherungsschutz.
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Abc besonderer EreignisseDauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Schadensersatzansprüche
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Entgeltfortzahlung bei besonderen Ereignissen
im Betrieb oder beim Arbeitnehmer
(alphabetische Liste)
Prüfung
Arbeitszeitverlagerungen
Aussperrung
Betriebsferien
Betriebsstörungen
Im Fall einer mit Ihrem Mitarbeiter vereinbarten Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses ist es oft fraglich, ob Sie verpflichtet sind, Entgeltfortzahlung zu leisten. Sie sollten zunächst überlegen, ob Ihr Mitarbeiter
bei Arbeitsfähigkeit Entgeltansprüche hätte. Ist das
der Fall, müssen Sie auch bei Krankheit zahlen.
Zeiten der Vor- oder Nacharbeit haben auch einen Einfluss auf die
Entgeltfortzahlung. Hierbei richtet sich der Entgeltfortzahlungsanspruch
nach den jeweiligen Umständen, die zum Zeitpunkt der Arbeitsunfähigkeit vorliegen. Hätte Ihr kranker Arbeitnehmer gearbeitet, hat er einen
Entgeltfortzahlungsanspruch.
Der ist dann so zu bemessen, als hätte er auch die Vorarbeit an diesem
Tag geleistet. Wird Ihr Mitarbeiter aber am arbeitsfreien Tag krank, der
bereits herausgearbeitet wurde, so besteht kein zusätzlicher
Entgeltanspruch.
Bei Arbeitskämpfen wie Streik oder Aussperrung müssen Sie keine Entgeltfortzahlung leisten, wenn der Betrieb vollständig stillgelegt wird.
War Ihr arbeitsunfähiger Mitarbeiter bereits vor Streikbeginn krank oder
hätte er sich nicht am Arbeitskampf beteiligt, hat er einen Entgeltanspruch.
Es handelt sich hierbei entweder um bezahlten oder um unbezahlten
Urlaub. Wenn Sie Entgeltzahlung für die Zeit vereinbart haben, bestehen
auch im Krankheitsfall Entgeltansprüche. Wenn Ihr Arbeitnehmer jedoch
keine Urlaubsansprüche mehr hat oder hat er wegen einer neu aufgenommenen Beschäftigung noch keine Urlaubsansprüche erworben hat,
entfällt auch der Entgeltfortzahlungsanspruch.
Ist Ihr Arbeitnehmer arbeitsbereit, geraten Sie in Annahmeverzug, wenn
Sie keine Möglichkeit der Beschäftigung bieten. Auch wenn der Betrieb
vollständig ruht, besteht ein Lohnanspruch – selbstverständlich dann
auch im Krankheitsfall.
Tipp: Wenn Sie regelmäßig Betriebsferien vorsehen, sollten Sie in den
Arbeitsverträgen entsprechende Regelungen treffen.
Haben Sie die Betriebsstörungen zu vertreten, besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch, sofern dem arbeitsfähigen Arbeitnehmer ein Vergütungsanspruch grundsätzlich zusteht (Annahmeverzug der Arbeitsleistung).
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Abc besonderer EreignisseDauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Schadensersatzansprüche
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Bildungsurlaub siehe Urlaub
Elternzeit
Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis. Sie sind nicht zur
Zahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet, sodass der Arbeitnehmer bei
Arbeitsunfähigkeit keine Entgeltfortzahlung verlangen kann.
Im Fall einer Teilzeitbeschäftigung während der Elternzeit besteht ein
Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Fehlen
Ist der Mitarbeiter am letzten Tag vor Eintritt seiner Arbeitsunfähigkeit
(unentder Arbeit unentschuldigt ferngeblieben, berechtigt Sie das nicht zur
schuldigt)
Verweigerung der Entgeltfortzahlung während der Arbeitsunfähigkeit
(den unentschuldigten Tag brauchen Sie natürlich nicht zu bezahlen),
wenn der Arbeitnehmer ansonsten immer nur einzelne Tage oder Bruchteile von Tagen unerlaubt gefehlt hat und keine Anhaltspunkte dafür
vorliegen, dass er für unbestimmte Zeit seiner Arbeit fernbleibt.
Arbeitsrechtliche Schritte (z. B. eine Abmahnung) bleiben natürlich
– davon unabhängig – möglich.
Der Entgeltfortzahlungsanspruch setzt allerdings die grundsätzliche Arbeitswilligkeit des Arbeitnehmers voraus. Ist der Arbeitnehmer längere
Zeit unentschuldigt der Arbeit ferngeblieben und im Anschluss daran
arbeitsunfähig krank geworden, muss er (wenn Sie als Arbeitgeber entsprechende Zweifel darlegen) vortragen und erforderlichenfalls beweisen, dass
er während der Zeit der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit arbeitswillig war.
Kurzarbeit
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht, wenn bei Arbeitsfähigkeit
gearbeitet worden wäre.
Da der Entgeltanspruch eines arbeitsfähigen Arbeitnehmers entfällt,
wenn er bei Kurzarbeit nicht arbeitet, erhält auch der erkrankte Arbeitnehmer für diese Zeit keine Entgeltfortzahlung. Es wird Kurzarbeitergeld
weitergezahlt, wenn die Arbeitsunfähigkeit während des Kurzarbeitszeitraumes eingetreten ist.
Lohnausgleich Gehört Ihr Unternehmen dem Bau- oder Dachdeckergewerbe an, wird
im Bau- oder
in der Regel zwischen Weihnachten und Neujahr ein Lohnausgleich
Dachdeckergezahlt. Bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit besteht in dieser Zeit
gewerbe
kein Entgeltfortzahlungsanspruch.
Mutterschutz
Bei Beschäftigungsverboten nach dem Mutterschutzgesetz besteht für
Ihre Arbeitnehmerinnen kein Entgeltfortzahlungsanspruch, wenn
während dieser Zeit eine Krankheit eine Arbeitsverhinderung verursacht.
Beschäftigungsverbote liegen in den gesetzlichen Schutzfristen sechs
Wochen vor und acht Wochen nach der Entbindung. Bei Mehrlingsoder Frühgeburten verlängert sich die Schutzfrist nach der Entbindung
auf 12 Wochen. Auch während der Beschäftigungsverbote außerhalb der
Schutzfristen hat Ihre Mitarbeiterin keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Stattdessen zahlen Sie Mutterschaftslohn nach dem
Mutterschutzgesetz.
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Schadensersatzansprüche
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Streik
Urlaub
(bezahlter)
Urlaub
(unbezahlter)
witterungsbedingter
Arbeitsausfall
(Schlechtwetterzeit)
Tipp: Achten Sie unbedingt darauf, ob ein Beschäftigungsverbot vorliegt
oder ob Ihre Mitarbeiterin arbeitsunfähig krank ist. Wenn Sie mit Ihrem
Unternehmen an der Lohnfortzahlungsversicherung teilnehmen, erhalten
Sie im Falle des Beschäftigungsverbots Ihre Aufwendungen zu 100 % von
der Krankenkasse zurück. Das ist also für Ihren Betrieb günstiger!
siehe Aussperrung
Wird Ihr Mitarbeiter während des regulären Jahresurlaubs arbeitsunfähig
krank, erhält er Entgeltfortzahlung aufgrund der Krankheit. Sie dürfen
die Krankheitszeit nicht auf den Urlaub anrechnen. Der Urlaub kann
später nachgeholt werden.
Hierbei kommt es auf die Vereinbarung mit Ihrem Arbeitnehmer an. Sie
können den Entgeltfortzahlungsanspruch im Krankheitsfall ausschließen. Nach Ablauf des unbezahlten Urlaubs müssen Sie bei weiterbestehender Krankheit für maximal sechs Wochen das Entgelt fortzahlen.
Wichtig: Dient der unbezahlte Urlaub aber ausschließlich Erholungszwecken, müssen Sie das Arbeitsentgelt fortzahlen.
Deshalb:
Tipp: Treffen Sie bei unbezahltem Urlaub immer klare schriftliche
Vereinbarungen. Legen Sie den Grund und die Dauer des unbezahlten
Urlaubs und eventuelle beiderseitige Verpflichtungen fest. So gehen Sie
in jedem Fall Rechtsstreiten aus dem Weg.
siehe Kurzarbeit
Sie dürfen die gesetzlichen Mindestansprüche
nicht einschränken
Zusatzleistungen erlaubt
Die im Entgeltfortzahlungsgesetz festgelegten Ansprüche
Ihrer Mitarbeiter sind Mindestansprüche. Weder durch
eine Betriebsvereinbarung noch durch Einzelarbeitsverträge dürfen Sie diese Ansprüche einschränken. Durch Tarifvertrag, Arbeitsvertrag oder durch eine Betriebsvereinbarung können Sie jedoch die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes verbessern.
Rücknahme
möglich
BAG 15. 11. 2000; Grundsätzlich ist es Ihnen aber auch gestattet, großzügige Regelungen wieder zurückzunehmen, solange da5 AZR 310/99
14 Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003
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Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
durch das gesetzliche Mindestmaß Ihrer Leistungspflicht nicht unterschritten wird.
So ermitteln Sie die Dauer des
Entgeltfortzahlungsanspruchs
Alle Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall einen Ent- Grundsatz
geltfortzahlungsanspruch für jede Arbeitsunfähigkeit, für
sechs Wochen (42 Kalendertage) und innerhalb eines
Jahres.
Für die Berechnung der 42 Kalendertage ist es unerheb- Zeitpunkt
lich, an wie vielen Tagen in der Woche gearbeitet wird.
Wichtig ist nur der Zeitpunkt, an dem die Arbeitsunfähigkeit eintritt. Beginnt die Arbeitsunfähigkeit vor Beginn der Arbeitsschicht, wird der erste Krankheitstag
bei der Berechnung des Entgeltfortzahlungszeitraumes
mit berücksichtigt. Wird der Mitarbeiter hingegen im
Lauf des Arbeitstages arbeitsunfähig krank, beginnt die
Berechnung der 42 Kalendertage am nächsten Tag. An
dieser Berechnungsweise ändert sich auch nichts, wenn
der nächste Tag ein arbeitsfreier Tag ist.
Beispiel:
Frau Petermann meldet sich am Freitag, dem 13. 6. und teilt mit, dass sie
die Arbeit wegen einer Arbeitsunfähigkeit nicht aufnehmen kann.
Ihre Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung endet am 24. 7.
Zwei Stunden nach Arbeitsbeginn teilt Ihnen Frau Reinartz mit, dass sie
krank ist und den Arzt aufsuchen muss. Sie erhalten auch von ihr eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab 13. 6.
Da Frau Reinartz die Arbeit aufgenommen hat, müssen Sie das Arbeitsentgelt zwar vollständig für den 13. 6. zahlen. Die Frist zur Entgeltfortzahlung beginnt jedoch erst am Samstag, dem 14. 6. und endet am 25. 7.
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Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
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Das Ende der Sechs-Wochen-Frist verändert sich auch
nicht, wenn in Ihrem Betrieb einzelne Arbeitstage wegen
Kurzarbeit oder schlechten Wetters ausgefallen sind.
Auch die Zeit, in der Lohnausgleich im Bau- oder Dachdeckergewerbe gezahlt wird, verlängert die Frist nicht.
Frist
Der Entgeltfortzahlungsanspruch besteht für jede
Arbeitsunfähigkeit
Verschiedene
Krankheiten
Wird Ihr Mitarbeiter im Laufe eines Jahres wegen verschiedener Krankheiten arbeitsunfähig, besteht für jede
dieser Krankheiten der Sechs-Wochen-Anspruch. Die
Anspruchsdauer verlängert sich aber nicht, wenn während der Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit hinzutritt, die für sich allein ebenfalls Arbeitsunfähigkeit verursacht hätte. Von einem Hinzutritt einer Krankheit können Sie ausgehen, wenn beide Krankheiten an wenigstens
einem Tag gleichzeitig bestanden haben.
Beispiel:
In Ihrem Unternehmen leidet Herr Meis an Gallensteinen. Seit dem 7. 7.
ist er arbeitsunfähig krank. Am 19. 7. tritt zu dieser Krankheit eine Magenerkrankung hinzu, die für sich alleine betrachtet ebenfalls Arbeitsunfähigkeit verursachen würde.
In diesem Fall ist die zweite Krankheit zu der ersten Krankheit hinzugetreten. Der Entgeltfortzahlungsanspruch verlängert sich nicht und endet
nach insgesamt sechs Wochen am 17. 8. Die Krankheiten werden als einheitliche Arbeitsunfähigkeitszeit betrachtet.
7. 7.
22. 7.
Gallensteine
Magenerkrankung
19. 7.
17. 8.
Entgeltfortzahlung 6 Wochen
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Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
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Die Ursache der Erkrankung können Sie als Arbeitgeber im Normalfall
nicht beurteilen. Weder Ihr Mitarbeiter noch die Krankenkasse sind verpflichtet, Ihnen die Ursachen der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen. Dieses
Problem können Sie nur selten mit Ihrem Mitarbeiter selbst regeln. Aufklären kann das nur der Arzt. Auskunft erhalten Sie als Arbeitgeber vom
Arzt aber nur, wenn Ihr Mitarbeiter ihn von seiner Schweigepflicht entbunden hat. Ihnen wird dann zwar auch nicht die Ursache der Arbeitsunfähigkeit mitgeteilt. Allein die Mitteilung, ob die Krankheiten auf denselben Ursachen beruhen, hilft Ihnen bei der Berechnung der 42-Tage-Frist.
Machen Sie Ihren Mitarbeiter darauf aufmerksam, dass
er zur Mitwirkung verpflichtet ist. Sperrt sich der Arbeitnehmer, können Sie die Entgeltzahlung zunächst einstellen. Sobald aber die Einsicht kommt, müssen Sie
auch für die zurückliegende Zeit Entgeltfortzahlung leisten.
Einfacher erhalten Sie die Informationen aber durch Krankenkasse
die Krankenkasse. Damit Sie Ihre Lohnabrechnung ter- befragen
mingerecht erstellen können, sollten Sie sich mit der Krankenkasse von sich aus in Verbindung setzen.
Erbitten Sie eine schriftliche Erklärung über die Anrechenbarkeit der Arbeitsunfähigkeitszeiten. Die Krankenkasse lässt bei Unklarheiten sofort die Ursache der Arbeitsunfähigkeit beim Arzt klären. Im Zweifelsfall können Sie mit der Krankenkasse vereinbaren, dass sie
zunächst Krankengeld zahlt. Sobald die Ursache der Arbeitsunfähigkeit abschließend festgestellt ist, können Sie
der Krankenkasse die Leistung erstatten.
So ermitteln Sie die 42-Tage-Frist bei mehreren Arbeitsunfähigkeiten wegen derselben Krankheit
Wenn es sich um eine zusammenhängende Arbeitsunfähigkeitszeit handelt, ist die Berechnung der Sechs-Wo-
Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003 17
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Entgeltfortzahlung
E52 18
Wann das Entgelt fortzuzahlen ist
Praxisprobleme und Ausnahmen
Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
chen-Frist recht einfach. Etwas schwieriger wird die Berechnung der Frist, wenn sich die Zeiten der Arbeitsunfähigkeit auf mehrere kurze Zeiträume verteilen.
Grundsätzlich gilt:
1. Liegen zwischen zwei Arbeitsunfähigkeiten wegen derselben Krankheit
mindestens sechs Monate, beginnt ein neuer 42-Tage-Anspruch.
2. Liegen zwischen zwei Arbeitsunfähigkeiten wegen derselben Krankheit weniger als sechs Monate, besteht innerhalb von 12 Monaten ein 42-Tage-Anspruch.
Beispiel 1:
Ihre Mitarbeiterin Carola Hammelbeck hat ein Magenleiden, das von
Zeit zu Zeit Arbeitsunfähigkeit verursacht. Frau Hammelbeck meldet
sich am 14. 7. arbeitunfähig krank.
Zuletzt bestand wegen derselben Krankheit bereits eine Arbeitsunfähigkeit vom 10. 3. bis 14. 3.
10. 3.
14. 3.
14. 7.
5 Tage
Entgeltfortzahlung
19. 8.
37 Tage
keine
6 Monate
Entgeltfortzahlung
Zwischen den Arbeitsunfähigkeitszeiten liegen keine sechs Monate. Damit ist die erste Zeit der Entgeltfortzahlung auf Ihre Leistungspflicht anzurechnen. Für fünf Kalendertage haben Sie bereits Entgeltfortzahlung
geleistet. Aufgrund der neuen Arbeitsunfähigkeit brauchen Sie damit für
maximal 37 Kalendertage das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen.
Ab 20. 8. zahlt dann die Krankenkasse Krankengeld an Ihre Mitarbeiterin.
Beispiel 2:
Peter Voss ist auch wiederholt wegen derselben Erkrankung arbeitsunfähig krank. Er war in der letzten Zeit wie folgt arbeitsunfähig:
18 Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003
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Entgeltfortzahlung
E52 19
Wann das Entgelt fortzuzahlen ist
Praxisprobleme und Ausnahmen
Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
7. 4. bis 28. 4.
22 Tage
3. 11. bis 20. 12.
48 Tage
7. 4.
3. 11.
28. 4.
20. 12.
48 Tage
Entgeltfortzahlung
22 Tage
mehr als
6 Monate
Entgeltfortzahlung
42 Tage
14. 12.
Zwischen den Arbeitsunfähigkeitszeiten liegen mehr als sechs Monate.
Deshalb besteht ab 3. 11. wieder ein Entgeltfortzahlungsanspruch für
42 Kalendertage bis zum 14. 12.
Beispiel 3:
Für Daniel Freitag liegen auch wiederholt Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen derselben Erkrankung vor. Er war wie folgt arbeitsunfähig:
1. 2. bis 25. 2.
25 Tage
5. 5. bis 28. 5.
24 Tage
3. 12. bis 20. 1.
49 Tage
1. 2.
25. 2.
5. 5.
28. 5.
3. 12.
24 Tage
20. 1.
49 Tage
Entgeltfortzahlung
keine
Entgeltfortzahlung mehr als
25 Tage
6 Monate
Rest 17 Tage
6 Monate
22. 5.
Entgeltfortzahlung
42 Tage
13. 1.
Zwischen den ersten Arbeitsunfähigkeitszeiten liegen keine sechs Monate.
Damit ist die erste Zeit der Entgeltfortzahlung auf Ihre Leistungspflicht
anzurechnen. 25 Kalendertage haben Sie bereits Entgeltfortzahlung geleistet. Aufgrund der zweiten Arbeitsunfähigkeit brauchen Sie damit nur
noch für 17 Kalendertage das Entgelt fortzahlen. Herr Feitag bekommt
von Ihnen nur noch bis zum 22. 5. Arbeitsentgelt. Vom 23. 5. bis
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Entgeltfortzahlung
E52 20
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Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
28. 5. zahlt dann die Krankenkasse Krankengeld an Ihren Mitarbeiter.
Zwischen der zweiten und der dritten Arbeitsunfähigkeit liegen mehr als
sechs Monate. Deshalb besteht wieder ein Entgeltfortzahlungsanspruch
für 42 Kalendertage bis zum 13. 1.
Das folgende Beispiel soll deutlich machen, dass innerhalb eines Jahres ein Anspruch für 42 Kalendertage besteht. Nach Ablauf des Jahreszeitraumes beginnt eine
neue 12-Monats-Frist, in der wiederum ein Entgeltfortzahlungsanspruch für 42 Kalendertage besteht.
Beispiel 4:
Für Herrn Deuster liegen folgende Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen derselben Erkrankung vor:
13. 8. bis 27. 8. 2003
15 Tage
10. 12. bis 24. 12. 2003
15 Tage
5. 5. bis 15. 5. 2004
11 Tage
2. 9. bis 12. 11. 2004
72 Tage
13. 8.
27. 8.
Entgeltfortzahlung 15 Tage
10. 12.
keine
6 Monate
24. 12.
Entgeltfortzahlung 15 Tage
5. 5.
keine
6 Monate
15. 5.
Entgeltfortzahlung 11 Tage
2. 9.
keine
6 Monate
13. 10. 12. 11.
Entgeltfortzahlung 42 Tage
12. 11.
13. 8. 2003
Jahreszeitraum
12. 8. 2003
2. 9. 2003
Zwischen den ersten Arbeitsunfähigkeitszeiten liegen jeweils keine sechs
Monate. Damit sind die ersten Zeiten der Entgeltfortzahlung auf Ihre
Leistungspflicht anzurechnen. Insgesamt wurde für die ersten drei Arbeitsunfähigkeitszeiten für (15 + 15 + 11 =) 41 Kalendertage Entgeltfortzahlung geleistet.
20 Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003
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E52 21
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Praxisprobleme und Ausnahmen
Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
Der Jahreszeitraum beginnt am 13. 8. 2003 und endet am 12. 8. 2004. Mit
der Arbeitsunfähigkeit ab 2. 9. 2004 beginnt ein neuer Jahreszeitraum.
Dann besteht wieder ein Entgeltfortzahlungsanspruch für 42 Tage.
Vorerkrankungszeiten dürfen Sie aber nur anrechnen, Gleicher
wenn der Arbeitnehmer schon bei Ihnen beschäftigt war Betrieb
oder Sie den Betrieb übernommen haben. Bei einem neuen Mitarbeiter ist eine Anrechnung früherer Krankheitszeiten bei einem anderen Arbeitgeber ausgeschlossen.
Beispiel 5:
Ihre Mitarbeiterin Frieda Klein ist seit dem 1. 8. bei Ihnen beschäftigt.
Seit dem 15. 10. besteht eine Arbeitsunfähigkeit wegen eines Rheumaleidens. Wegen dieser Erkrankung war Frau Klein bereits vom 15. 6. bis
30. 6. arbeitsunfähig krank. In dieser Zeit war sie aber noch bei einem anderen Arbeitgeber beschäftigt. Die Arbeitsunfähigkeit im Monat Juni
können Sie nicht als Vorerkrankung anrechnen, da die Beschäftigung zu
diesem Zeitpunkt bei Ihnen noch nicht bestand. Ab 15. 10. müssen Sie
für längstens 42 Kalendertage Entgeltfortzahlung leisten.
Der Nachweis der Arbeitsunfähigkeiten ist, wie oben be- Erste Arbeitsunschrieben, in der Regel erst nach drei Arbeitsunfähig- fähigkeitstage/
keitstagen nötig. Diese Tage können Sie auch auf die Nachweis
Höchstanspruchsdauer anrechnen. Schwer wird für Sie
allerdings der Nachweis gegenüber der Krankenkasse
sein, dass eine Arbeitsunfähigkeit bestand. Ohne einen
ärztlichen Nachweis wird die Krankenkasse nicht früher
mit der Krankengeldzahlung an den Arbeitnehmer beginnen.
Diese Regelungen bestehen zum Ende der
Beschäftigung
Anspruchsdauer
BAG vom
Endet die Beschäftigung während der Krankheit, müs- 17. 4. 2002;
sen Sie das auch bei der Dauer des Entgeltfortzahlungs- 5 AZR 2/01
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Entgeltfortzahlung
E52 22
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Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
Anspruchsende
Ausgleichsquittung
anspruchs berücksichtigen. Entweder endet die Beschäftigung durch Zeitablauf eines entsprechenden Vertrages
oder durch Kündigung. Durch eine Kündigung kann
der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht ausgeschlossen
werden. Ist also die Arbeitsunfähigkeit der Kündigungsgrund oder kündigt Ihr Mitarbeiter aus Gründen, die bei
Ihnen als Arbeitgeber zu suchen sind, besteht in jedem
Fall der Entgeltfortzahlungsanspruch für sechs Wochen.
Die neueste Rechtsprechung geht sogar davon aus, dass
eine Kündigung aus Anlass einer zu erwartenden Arbeitsunfähigkeit schon einer Kündigung wegen Krankheit
gleichgesetzt wird. Die Darlegungs- und Beweislast,
ob die Kündigung aus Anlass der Arbeitsunfähigkeit erfolgt, liegt aber immer beim Arbeitnehmer.
Bei bestehender Arbeitsunfähigkeit endet die Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung am letzten Tag des Beschäftigungsverhältnisses, wenn das Ende durch Zeitablauf
oder aufgrund einer im Vorfeld ausgesprochenen Kündigung bereits bestimmt ist.
Viele Arbeitgeber lassen sich mit der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses eine Ausgleichsquittung unterschreiben. Dabei handelt es sich um die Erklärung des
Arbeitnehmers, dass er im Zusammenhang mit der Beendigung der Beschäftigung keine Ansprüche mehr gegen
den Arbeitgeber hat. Eine unterschriebene Ausgleichsquittung führt aber nicht zum Ausschluss eines bestehenden Entgeltfortzahlungsanspruchs.
Die Höhe der Entgeltfortzahlung richtet sich
nach dem aktuellen Arbeitsentgelt
Entgeltersatz
Urteil vom
21. 11. 2001;
5 AZR 457/00
Ihr Arbeitnehmer soll während der Arbeitsunfähigkeit
das Entgelt erhalten, das er ohne Arbeitsunfähigkeit erzielt hätte. Die Entgeltfortzahlung wird also gegenwartsbezogen ausgezahlt. Das Arbeitsentgelt, das Ihrem Mitar-
22 Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003
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Entgeltfortzahlung
E52 23
Wann das Entgelt fortzuzahlen ist
Praxisprobleme und Ausnahmen
Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
beiter derzeit für die regelmäßige Arbeitszeit zusteht,
müssen Sie auszahlen. Das Bundesarbeitsgericht stellte
fest, dass die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers und nicht die betriebsübliche oder tarifliche Arbeitszeit maßgeblich ist. Ob eine
von der vertraglich vereinbarten oder tarifvertraglich geltenden Arbeitszeit abweichende längere Arbeitszeit regelmäßig geleistet wird, ist in der Regel über einen Vergleichszeitraum von zwölf Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit festzustellen. Entscheidend ist, ob der
Arbeitnehmer in diesem Zeitraum mit einer gewissen Stetigkeit und Dauer mehr als die ausdrücklich vereinbarte
oder tarifvertraglich geltende Arbeitszeit gearbeitet hat.
Ähnlich sieht es aus, wenn aufgrund vertraglicher Bin- BAG vom
dungen regelmäßig zusätzliche Arbeitsleistungen vergü- 16. 1. 2002;
tet werden. Ein Ausschluss dieser zusätzlichen Vergütung 5 AZR 303/00
ist für Feiertage oder bei einer Arbeitsunfähigkeit unzulässig.
Kürzungen des regelmäßigen Arbeitsentgelts dürfen Sie Keine
nicht vornehmen. Deshalb wirken sich alle Veränderun- Kürzungen
gen im Arbeitsverhältnis auf die Höhe des weiterzuzahlenden Arbeitsentgelts auch dann aus, wenn sie erst während
der Arbeitsunfähigkeit eintreten. Denkbar sind beispielsweise Änderungen der Arbeitszeit, Entgelterhöhung
durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung oder Arbeitszeitverlagerungen. Auch wenn ein Arbeitnehmer
während der Arbeitsunfähigkeit aus einem Ausbildungsin ein Arbeitsverhältnis wechselt, ist vom Beginn des Arbeitsverhältnisses an das neue Arbeitsentgelt zu zahlen.
Nachstehend sehen Sie Berechnungsbeispiele, wie Sie Berechnungsdie Entgeltfortzahlung bei
beispiele
– Stundenlohn,
– Monatsentgelt,
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E52 24
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Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
– Mehrarbeit,
– während der Zeit der Kurzarbeit oder bei witterungsbedingtem Arbeitsausfall,
– Leistungsentgelten
berechnen.
Stundenlohnvereinbarung
● Berechnung bei Stundenlohnvereinbarung
Bei der Berechnung der Entgeltfortzahlung wird die regelmäßige Arbeitszeit berücksichtigt.
Beispiel:
Ihr Mitarbeiter Helmut Klein arbeitet an 38 Stunden in der Woche. Bei
einer Fünf-Tage-Woche sind das täglich 7,6 Stunden. Der Stundenlohn
beträgt 15 s.
Eine Arbeitsunfähigkeit besteht vom 6. 10. bis 21. 11. (35 Arbeitstage).
Ihre Entgeltfortzahlungspflicht endet nach 42 Kalendertagen am 16. 11.
Die Berechnung der Entgeltfortzahlung erfolgt nach Arbeitstagen. Es
sind im Entgeltfortzahlungszeitraum 27 Arbeitstage zu berücksichtigen.
Berechnung der Entgeltfortzahlung:
27 Arbeitstage x 7,6 Stunden x 15 s = 3.078 s
Es wird also die ausgefallene Arbeitszeit mit dem Stundenlohn vervielfacht.
Mehrarbeit
● Berechnung bei Monatsentgelt mit Mehrarbeit
Durch den gesetzlich vorgeschriebenen Bezug zur regelmäßigen Arbeitszeit wird deutlich, dass Überstundenvergütungen weder nach einem Durchschnitt der letzten
Monate berücksichtigt werden noch vergütet werden
müssen, wenn Ihr Mitarbeiter aktuell an einer Mehrarbeit beteiligt würde. Zahlen Sie ein Monatsgehalt, müssen Sie das auf die Krankheitstage umrechnen. Die zu-
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Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
sätzliche Überstundenvergütung brauchen Sie nicht zu
berücksichtigen.
Beispiel:
Mit Herrn Lars Brenner haben Sie ein Monatsgehalt von 4.000 s vereinbart. Wegen der anfallenden Mehrarbeit zahlen Sie seit zwei Monaten eine zusätzliche Vergütung von 300 s im Monat.
Eine Arbeitsunfähigkeit tritt vom 11. 8. bis 15. 8. (5 Kalendertage) ein.
Berechnung der Entgeltfortzahlung:
4.000 s x 5 = 666,67 s
30
● Berechnung bei Kurzarbeit oder bei witterungs- Kurzarbeit/
witterungsbedingtem Arbeitsausfall
Fällt die Arbeit in Ihrem Unternehmen wegen Kurzar- bedingter
beit oder schlechten Wetters aus, wirkt sich das ent- Arbeitsausfall
sprechend der gegenwartsbezogenen Zahlung auch auf
die Entgeltfortzahlung aus.
Beispiel:
Thorsten Brand erhält einen Stundenlohn von 16 s. Die wöchentliche
Arbeitszeit beträgt 38 Stunden bei 7,6 Stunden täglich. Wegen der
schlechten Auftragslage wird in der Zeit vom 8. 9. bis 12. 9. jeweils zwei
Stunden am Tag weniger gearbeitet. Herr Brand ist vom 10. 9. bis 17. 9.
(6 Arbeitstage) arbeitsunfähig.
Berechnung der Entgeltfortzahlung:
268,80 s
10. 9. bis 12. 9. – 3 Arbeitstage x 5,6 Stunden x 16 s =
13. 9. bis 17. 9. – 3 Arbeitstage x 7,6 Stunden x 16 s =
364,80 s
633,60 s
Die Kurzarbeit wirkt sich auf die Höhe der Entgeltfortzahlung aus. Sie
zahlen 633,60 s.
Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer auch während der Arbeitsunfähigkeit einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld wie alle anderen Mitarbeiter.
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E52 26
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Leistungsentgelte
● Berechnung bei Leistungsentgelten
Zahlen Sie Leistungsentgelte (Akkord-, Stücklohn
usw.), müssen Sie auch das Arbeitsentgelt fortzahlen,
das infolge der Arbeitsunfähigkeit entfällt. In der Praxis ist es meistens nicht einfach, das entfallende Arbeitsentgelt exakt zu ermitteln. Sie können sich hierbei nach dem Arbeitsentgelt vergleichbarer Arbeitnehmer richten. Da das Arbeitsentgelt jedoch individuell unterschiedlich erzielt wird, empfiehlt sich auch
hierbei eine vergangenheitsbezogene Berechnung.
Als Ausgangszeitraum sollten im Allgemeinen der
letzte abgerechnete Monat oder die letzten abgerechneten vier bzw. fünf Wochen zugrunde gelegt werden. Denkbar ist auch ein Durchschnittswert, der aus
den Arbeitsentgelten der letzten drei abgerechneten
Monate oder den letzten abgerechneten 13 Wochen
ermittelt wird. Eine einfache Methode ist in diesem
Zusammenhang die durchschnittliche Ermittlung
der Leistungsentgelte pro Arbeitstag der letzten drei
Lohnabrechnungszeiträume. Das Ergebnis können
Sie mit den wegen Krankheit ausgefallenen Arbeitstagen multiplizieren.
TIPP
● Legen Sie in einer Betriebsvereinbarung die Berechnungsweise der Entgeltfortzahlung bei Arbeitnehmern
mit Leistungsentgelten fest. So kommt es nicht zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen und Ihren Mitarbeitern. ●
Welche Bezüge Sie bei der Entgeltfortzahlung
berücksichtigen müssen
Regelmäßiges
Entgelt
Da die Regelungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes lediglich das regelmäßige Arbeitsentgelt als Entgeltfortzah-
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E52 27
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Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
lung vorsehen, kommt es hin und wieder bei einigen
Entgeltarten zu Auslegungsproblemen.
Der nachstehenden Aufstellung können Sie entnehmen, welche Entgeltbestandteile Sie bei Arbeitsunfähigkeit weiterzahlen müssen:
Entgeltbestandteil
Entgeltfortzahlung
ja
nein
Anwesenheitsprämien **)
x
Auslösungen **)
x
Erschwernis- und Gefahrenzuschläge
x
Fahrtkostenerstattungen **)
x
Familien- und Kinderzuschläge, Wohnungsgeld und
Ortszulagen (soziale Zulagen)
x
Inkassoprämien
x
Maigeld ***)
Sachbezüge *)
x
x
Schmutzzulagen **)
x
Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge
x
Trinkgelder, soweit sie dem Arbeitnehmer aufgrund rechtlicher Verpflichtungen zustehen (z. B. Bedienungsgelder
im Hotel- und Gaststättengewerbe)
x
Urlaubsgeld ***)
Vermögenswirksame Leistungen,
laufende
Weihnachtsgeld ***)
x
x
x
*) bis ***) – Anmerkungen siehe Folgeseite
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E52 28
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Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der EntgeltfortzahlungSchadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung
*)
Auch für Sachbezüge, die während der Arbeitsunfähigkeit nicht vom Mitarbeiter in
Anspruch genommen werden können. Hierfür hat der Arbeitnehmer das Recht auf
eine Barabgeltung. Allerdings besteht kein Anspruch auf Barabgeltung der Sachbezüge, wenn die Krankenkasse oder ein anderer Sozialleistungsträger stationäre Krankenhausbehandlung gewährt.
**)
Es handelt sich um einen Ersatz für Aufwendungen, die Ihrem Mitarbeiter zwar
während der Arbeit entstehen, bei einer Arbeitsunfähigkeit aber nicht anfallen. Auch
wenn die Zahlung nur einmal jährlich erfolgt, zählt sie nicht zur Entgeltfortzahlung,
sondern kann gegebenenfalls nach anderen Vereinbarungen vom Arbeitnehmer beansprucht werden.
***) Einmalige Zuwendungen haben mit der Entgeltfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit
nichts zu tun. Diese Ansprüche richten sich ganz allein nach den gültigen Tarif- oder
Arbeitsverträgen. Darüber hinaus kann vertraglich jede zusätzliche Leistung in die
Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung übernommen werden.
Sonderzuwendungen können Sie kürzen
Zulässige
Änderungen
Die Kürzung der gesetzlich verankerten Entgeltfortzahlungsansprüche ist generell nicht möglich. Sonderzahlungen gehören nicht zur Entgeltfortzahlung und
werden aufgrund anderer rechtlicher Grundlagen gezahlt. Hierfür hat der Gesetzgeber eine Kürzung wegen
krankheitsbedingter Fehlzeiten zugelassen. Aufgrund dieser Regelung sind Bestimmungen in Tarifverträgen oder
betriebs- und einzelvertraglichen Vereinbarungen zulässig, die eine Kürzung von Sonderzahlungen wegen
krankheitsbedingter Fehlzeiten vorsehen. Voraussetzung
ist, dass die Sonderzahlung zusätzlich zum laufenden
Entgelt gezahlt wird.
Begrenzung
der Kürzung
Sie dürfen die Sonderzahlung aber nicht uneingeschränkt kürzen. Die Kürzung darf für jeden Tag der Arbeitsunfähigkeit höchstens ein Viertel des Arbeitsentgelts ausmachen, das im Jahresdurchschnitt auf einen Arbeitstag entfällt. Berücksichtigen können Sie dabei
krankheitsbedingte Fehlzeiten oder Zeiten wegen einer
medizinischen Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme.
28 Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003
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E52 29
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Praxisprobleme und Ausnahmen
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Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
SchadensersatzansprücheAbc der Entgeltfortzahlung
Beispiel:
Anton Schwarz bezieht ein gleich bleibendes Monatsgehalt von 3.400 s
(jährlich 40.800 s). Bei angenommenen 250 Arbeitstagen pro Jahr beträgt das durchschnittliche arbeitstägliche Entgelt somit (40.800 s / 250
=) 163,20 s. Ein Viertel dieses Betrags sind 40,80 s.
Im Dezember kann Herr Schwarz grundsätzlich ein Weihnachtsgeld von
2.000 s beanspruchen. Eine Betriebsvereinbarung sieht vor, dass Sie die
einmal jährlich zu gewährenden Sonderzahlungen um den gesetzlich maximal zulässigen Betrag kürzen dürfen. Herr Schwarz war an zehn Tagen
arbeitsunfähig krank.
Sie dürfen das Weihnachtsgeld um (40,80 s x 10 Tage =) 408 s kürzen.
Sie können Schadenersatzansprüche geltend
machen
Ist die Arbeitsunfähigkeit Ihres Mitarbeiters z. B. auf einen Verkehrsunfall zurückzuführen, den ein Dritter verursacht hat, können Sie einen Schadensersatzanspruch
wegen Verdienstausfalls gegen den Schädiger geltend machen.
Automatischer
Anspruchsübergang
§ 6 EFZG
Die Ansprüche Ihres Arbeitnehmers gehen dann automatisch auf Sie als Arbeitgeber über. Diese Rechtsfolge
ist gesetzlich geregelt. Es bedarf damit keiner besonderen Abtretung durch Ihren Arbeitnehmer.
Der Schadenersatzanspruch bezieht sich auf die von Ihnen geleistete Entgeltfortzahlung und die darauf entfallenden Arbeitgeberanteile der Sozialversicherungsbeiträge.
Beispiel:
Ihre Mitarbeiterin Petra Klein erlitt am Abend des 20. 9. einen Verkehrsunfall. Ohne ihr eigenes Verschulden wurde sie beim Überqueren der
Straße angefahren. Aufgrund der erlittenen Verletzungen besteht Arbeits-
Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003 29
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Entgeltfortzahlung
E52 30
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Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
SchadensersatzansprücheAbc der Entgeltfortzahlung
unfähigkeit. Ihre Entgeltfortzahlungspflicht beginnt am 21. 9. und endet
am 1. 11.
Mit jedem Tag der Entgeltfortzahlung geht automatisch die Schadenersatzforderung wegen des Verdienstausfalles auf Sie über.
Für die gesamte Zeit der Arbeitsunfähigkeit leisten Sie:
Entgeltfortzahlung in Höhe von
Arbeitgeberbeitragsanteile Krankenversicherung*)
Pflegeversicherung
Rentenversicherung
Arbeitslosenversicherung
Summe
3.100,00 s
215,45 s
26,35s
302,25 s
100,75 s
3.744,80 s
*) je nach Krankenkasse unterschiedlich
Informationspflicht des
Arbeitnehmers
Es kommt nicht darauf an, wann das schädigende Ereignis eingetreten ist. Für Ihren Schadenersatzanspruch ist
ausschlaggebend, dass Sie die Entgeltfortzahlung wegen
der entstandenen Arbeitsunfähigkeit geleistet haben.
Ihr Arbeitnehmer darf die Geltendmachung Ihres Schadenersatzanspruchs nicht verhindern. Sie sollten ihn um
Auskunft zum Unfallhergang sowie um Bekanntgabe der
Unfallgegner bitten.
Er ist verpflichtet, Ihnen entsprechende Mitteilungen
zu machen. Ohne Mitwirkung Ihres Mitarbeiters haben
Sie das Recht, die Entgeltfortzahlung zu verweigern.
Vergleich/
Mitverschulden
Auch ein Vergleich Ihres Mitarbeiters mit seinem Schädiger kann den Forderungsübergang nicht verhindern.
Muss sich Ihr Mitarbeiter ein Mitverschulden am Unfall anrechnen lassen, mindert das Ihren Schadenersatzanspruch entsprechend.
30 Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003
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Entgeltfortzahlung
E52 31
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Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
SchadensersatzansprücheAbc der Entgeltfortzahlung
Entgeltfortzahlung bei der Erkrankung
eines Kindes
Diese Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung ist nicht im Wer muss
Entgeltfortzahlungsgesetz, sondern im Bürgerlichen Ge- zahlen?
setzbuch geregelt. Als Grundsatz ist geregelt, dass Sie bei
unverschuldeter Arbeitsverhinderung Ihres Mitarbeiters das Arbeitsentgelt weiterzahlen müssen. Hierzu zählt
auch eine Arbeitsverhinderung, die durch die Pflege eines erkrankten Kindes begründet ist. Bevor die Krankenkasse Kinderpflegekrankengeld an Ihren Mitarbeiter auszahlt, muss sie prüfen, ob nicht Sie als Arbeitgeber vorrangig zur Zahlung verpflichtet sind. Das ist immer
der Fall, wenn Sie
1. durch Tarif-, Einzelarbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung bei der Erkrankung eines Kindes für eine festgelegte Anzahl von Tagen zur Entgeltfortzahlung verpflichtet sind oder
2. der Entgeltfortzahlungsanspruch nicht ausdrücklich
vertraglich ausgeschlossen ist.
● Wollen Sie in der beschriebenen Situation keine
Entgeltfortzahlung leisten, sollten Sie in einer Betriebsvereinbarung den Anspruch Ihrer Arbeitnehmer ausschließen. Gewähren Sie Ihrem Mitarbeiter in einem
solchen Fall gegebenenfalls unbezahlten Urlaub. Sind
Ihre Mitarbeiter mit Anspruch auf Krankengeld in einer
gesetzlichen Krankenkasse versichert, wird in den meisten Fällen Krankengeld bei Erkrankung eines Kindes gezahlt. ●
TIPP
Viele Unternehmen sehen für den Fall der Arbeitsverhin- Kinderpflegederung wegen eines erkrankten Kindes eine Entgeltfort- Krankengeld
zahlungspflicht zwischen fünf und 20 Arbeitstagen vor.
Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003 31
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Entgeltfortzahlung
E52 32
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Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Schadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung-
Schließen Sie den Anspruch aber aus, erhalten Ihre Mitarbeiter als finanzielle Unterstützung Krankengeld von
ihren Krankenkassen, wenn im Haushalt keine andere
zur Pflege geeignete Person lebt und das Kind das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet hat. Der Anspruch auf
Kinderpflege-Krankengeld besteht je Kind für längstens 10 Arbeitstage, bei allein erziehenden Arbeitnehmern für längstens 20 Arbeitstage pro Kind. Insgesamt
sind die Ansprüche auf 25 bzw. 50 Arbeitstage innerhalb
eines Kalenderjahres beschränkt. Achtung: Wird ein
Kind betreut, das nur noch eine Lebenserwartung von
wenigen Wochen hat, ist der Anspruch unbefristet!
Abc zur schnellen Klärung Ihrer Fortzahlungspflicht:
– Besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung?
Beispiele aus der Praxis, die gerichtlich entschieden sind:
Sachverhalt
Rechtliche Würdigung
Alkoholabhängigkeit
Nach der geltenden Rechtsprechung ist eine Alkoholabhängigkeit als Erkrankung anzusehen und führt
deshalb zum Entgeltfortzahlungsanspruch. Ein Selbstverschulden des Arbeitnehmers muss von Ihnen
bewiesen werden. Diese Beweislast kehrt sich lediglich
zulasten Ihres Mitarbeiters um, wenn nach absolvierter
Entziehungskur erneut Alkoholabhängigkeit eintritt.
Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht, wenn
eine bestehende Krankheit zur Arbeitsunfähigkeit
führt. Sie sollten Ihre Mitarbeiter anhalten, Arztbesuche
außerhalb der Arbeitszeit vorzunehmen. Ist der Arztbesuch aus Termingründen des Arztes nur während der
Arbeitszeit möglich, müssen Sie auch zahlen. Sie sollten
sich in diesem Fall eine Bescheinigung des Arztes
vorlegen lassen.
Tipp: Treffen Sie mit Ihrem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Freistellung von der Arbeit und nehmen Sie auch Regelungen zu Arztbesuchen darin auf.
Grundsätzlich sind Sie zahlungspflichtig. Nur bei Verschulden des Mitarbeiters besteht keine Zahlungsverpflichtung. Ein Verschulden liegt vor, wenn er aufgrund
eines groben oder unverantwortlich leichtfertigen Handelns
gegen die Unfallverhütungs- oder Schutzvorschriften oder
auf ihrer Grundlage getroffene Maßnahmen verstößt.
Arztbesuch
Arbeitsunfall
32 Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003
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Entgeltfortzahlung
ja
ja
ja
Entgeltfortzahlung
E52 33
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Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Schadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung-
Sachverhalt
Rechtliche Würdigung
Entgeltfortzahlung
Ärztliche
Anordnungen,
Verstoß dagegen
Das Nichtbefolgen ärztlicher Verhaltensregeln kann
zum Ausschluss des Anspruchs führen, wenn dadurch
die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit verzögert
bzw. eine erneute Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt wird.
nein
Ausland
Erkrankt ein Arbeitnehmer während eines Auslandsaufenthalts, muss er zum Beweis seiner Arbeitsunfähigkeit eine ärztliche Bescheinigung vorlegen, die erkennen
lässt, dass der Arzt zwischen Erkrankung und auf ihr
beruhender Arbeitsunfähigkeit unterschieden hat.
(BAG 1. 10. 1997; 5 AZR 499/96)
ja
Kur (stationär)
Arbeitnehmer haben während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme dann einen Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts, wenn die Rehabilitationsmaßnahme von einem sozialen Leistungsträger bewilligt
worden ist und der Kranke in einer entsprechenden
Einrichtung behandelt wird. Voraussetzung ist weiter,
dass der Arbeitnehmer in der Einrichtung der medizinischen Vorsorge oder Rehabilitation untergebracht,
verpflegt und medizinisch versorgt wird.
(BAG 19. 1. 2000; 5 AZR 685/98)
ja
Kur (ambulant)
Die Entgeltfortzahlungspflicht ist nicht im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt. Lediglich bei einer bestehenden
Arbeitsunfähigkeit müssen Sie Entgeltfortzahlung leisten.
nein
Nachbarschaftshilfe
Ein Entgeltfortzahlungsanspruch besteht, wenn der
Arbeitnehmer bei einer nachbarschaftlichen Hilfeleistung einen Unfall erleidet.
ja
Nebenbeschäftigung
(genehmigte)
Erkrankt ein Arbeitnehmer im Zusammenhang mit der
Ausübung einer Nebenbeschäftigung, ist sein Anspruch
auf Entgeltfortzahlung in der bei Ihnen ausgeübten
Hauptbeschäftigung grundsätzlich nicht ausgeschlossen. Anders kann jedoch der Fall beurteilt werden, wenn
sich der Arbeitnehmer die Arbeitsunfähigkeit bei Ausübung einer besonders gefährlichen oder seine Kräfte
übersteigenden Nebentätigkeit zugezogen hat.
ja
Nebenbeschäftigung (nicht
genehmigte)
Übt ein Arbeitnehmer trotz eines vertraglichen Verbotes
eine Nebentätigkeit aus und erleidet er bei dieser Tätigkeit einen Unfall, ist ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht generell ausgeschlossen. Selbst, wenn der
Tarifvertrag für einen solchen Fall ein generelles Leistungsverweigerungsrecht vorsieht, müssen Sie Entgeltfortzahlung leisten.
ja
Schlägerei
1. Beruht die Arbeitsunfähigkeit auf den Folgen einer
Schlägerei, an der der Arbeitnehmer schuldhaft beteiligt
war, ist die Krankheit selbstverschuldet. Ein entsprechender Nachweis muss erbracht werden.
nein
Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003 33
Sozialversicherungs-Berater
Entgeltfortzahlung
E52 34
Wann das Entgelt fortzuzahlen ist
Praxisprobleme und Ausnahmen
Abc besonderer Ereignisse
Dauer und Höhe der Entgeltfortzahlung
Schadensersatzansprüche
Abc der Entgeltfortzahlung-
Sachverhalt
Schwangerschaftsabbruch
Selbsttötungsversuch
Sportunfall
Sterilisation
Suchterkrankungen
Verkehrsunfall
Rechtliche Würdigung
2. Eine Provokation durch Ihren Arbeitnehmer, die
Dritte zu einer Schlägerei veranlasst, schließt den
Entgeltfortzahlungsanspruch nicht aus.
siehe Sterilisation
Es besteht ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, da grundsätzlich eine krankhafte Störung der Geistestätigkeit vorliegt.
Wird die Arbeitsunfähigkeit durch den ausgeübten Sport
verursacht, müssen Sie grundsätzlich immer Entgeltfortzahlung leisten. Weisen Sie jedoch nach, dass auf ein
Selbstverschulden Ihres Mitarbeiters geschlossen werden
kann, ist Ihre Zahlungspflicht ausgeschlossen. In diesem
Zusammenhang gehen aus den Entscheidungen des
Bundesarbeitsgerichts allerdings drei Fallgruppen hervor:
1. Ihr Mitarbeiter betätigt sich in einer seinen Kräften
und Fähigkeiten deutlich übersteigenden Weise
sportlich und erleidet dadurch einen Schaden.
2. Ihr Mitarbeiter beteiligt sich an einem „besonders gefährlichen“ Sport. Von einer besonders gefährlichen Sportart
geht man aus, wenn sich ein gut ausgebildeter Sportler
bei objektiver Betrachtung auch unter Einhaltung aller
Regeln einem nicht beherrschbaren Risiko aussetzt.
3. Wenn Ihr Mitarbeiter in besonders grober Weise und
leichtsinnig gegen die anerkannten Regeln einer
Sportart verstößt.
Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit wegen einer nicht
rechtswidrigen Sterilisation oder eines nicht rechtswidrigen Schwangerschaftsabbruchs besteht ein
Entgeltfortzahlungsanspruch (§ 3 Abs. 2 EFZG)
Tritt Arbeitsunfähigkeit wegen bestehender Drogen- oder
Nikotinabhängigkeit auf, handelt es sich grundsätzlich
nicht um eine den Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließende selbstverschuldete Krankheit. Übertriebenes
starkes Rauchen kann aber im Einzelfall den Entgeltfortzahlungsanspruch ausschließen. Auch hierbei liegt die
Beweislast bei Ihnen als Arbeitgeber.
Wenn einer Ihrer Arbeitnehmer grob fahrlässig Vorschriften der Straßenverkehrsordnung nicht beachtet,
können Sie davon ausgehen, dass im Falle eines Verkehrsunfalls die Arbeitsunfähigkeit selbst verschuldet wurde.
Hierbei besteht für Sie keine Verpflichtung zur Entgeltfortzahlung. Das kann schon der Fall sein, wenn Ihr Mitarbeiter den Sicherheitsgurt nicht anlegt. In der Praxis wird es
zu einem Verfahren gegen Ihren Mitarbeiter kommen,
sodass die Verschuldensfrage geklärt wird.
Ein fahrlässiges Übertreten der Verkehrsvorschriften
schließt den Entgeltfortzahlungsanspruch hingegen
nicht aus.
34 Aktualisierungslieferung Nr. 3/2003
Sozialversicherungs-Berater
Entgeltfortzahlung
ja
ja
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ja
nein
ja
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