Expertenstandards Krankenhaus Dresden

Transcrição

Expertenstandards Krankenhaus Dresden
Mitteldeutsches Wund- und Lymphsymposium - Dresden 2012 am 17. Oktober 2012, 08:00 Uhr – 17:00 Uhr
TOP: Expertenstandards
Implementierung im KH Dresden-Friedrichstadt – unser Weg
Elisabeth Kossack, Oberschwester
Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt
Städtisches Klinikum
Friedrichstraße 41
01067 Dresden
Die Expertenstandards des Deutschen
Netzwerks für Qualitätssicherung in der
Pflege wurden von Expertenarbeitsgruppen aus Pflege und Wissenschaft
entwickelt und haben in den letzen Jahren
zunehmend an Bedeutung gewonnen.
Seite 2
Aufbau von Expertenstandards
Präambel
Darstellung der Problematik des jeweiligen
Themenfeldes
Expertenstandard „Dekubitusprophylaxe“
Seite 3
Seite 4
Was versteht man unter Expertenstandard?
Expertenstandards beschreiben ein professionell
abgestimmtes Leistungsniveau, das den
Bedürfnissen der damit angesprochenen
Bevölkerung angepasst ist und Kriterien zur
Erfolgskontrolle dieser Pflege mit einschließt.
(DNQP 2008)
Seite 5
Die Kriterien sind evidenzbasiert
Unter Evidenzbasierter Medizin( EBM) versteht man eine
medizinische Versorgung, die die Erkrankung eines Patienten
auf Grundlage der besten zur Verfügung stehenden
Wissensquellen bzw. Daten behandelt.
Seite 6
Die Ziele der Expertenstandards stimmen im Vergleich
zu den Leitlinien des Ärztlichen Dienstes weitgehend
überein:
Sicherung und Verbesserung der Versorgung der Bevölkerung
Vermeidung unnötiger und überholter Maßnahmen
Berücksichtigung systematisch entwickelter Entscheidungshilfen
Motivation zur wissenschaftlich begründeten Vorgehensweise unter
Berücksichtigung der Bedürfnisse des Patienten
Vermeidung unerwünschter Qualitätsschwankungen in der Versorgung
Transparenz und Information in der Öffentlichkeit
(benannte Ziele nach Ollenschläger, Kölner Schriften)
Seite 7
SGB V § 135 a
Verpflichtung zur Qualitätssicherung
Die Leistungsträger sind zur Sicherung und Weiterentwicklung der Qualität der von ihnen erbrachten
Leistungen verpflichtet. Die Leistungen müssen dem
jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse
entsprechen und in der fachlich gebotenen Qualität
erbracht werden.
Seite 8
Rechtslage
Mit dem § 113a SGB XI wurden die pflegewissenschaftlichen
Qualitätsanforderungen auf Gesetzesniveau gehoben. Mit der
Novellierung der Sozialen Pflegeversicherung (SGB XI) durch
das Pflege-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.05.2008
änderte sich das System der Qualitätsentwicklung im SGB XI
grundlegend. Die Implementierung von Expertenstandards
ist nach der Veröffentlichung im Bundesanzeiger bindend.
Seite 9
Laut Anmerkungen von Rechtsexperten nehmen
Expertenstandards in der zivilrechtlichen Haftung eine
bedeutende Rolle ein. Wenn zum Beispiel in Bezug auf
Verschuldensfragen untersucht wird, ob die geforderte
Sorgfalt beachtet wurde und ob von dem per
Dienstanweisung festgelegten Standards abgewichen
wurde.
Seite 10
Der Fall
LG München vom 14.01.2012: Schmerzensgeld für
Pflegemängel – mangelnde Dekubitusprophylaxe
Kurzdarstellung
• 2003 erlitt eine 70-jährige Patientin einen Schlaganfall
• einmonatige Behandlung in einem Klinikum in München
• nach der Entlassung Feststellung zweier Druckgeschwüre
am Steißbein sowie unterhalb des linken Knies
• in Folge traten weitere Druckgeschwüre auf
• Amputation linker Oberschenkel
Seite 11
Schadensersatzklage der Patientin: 400.000,00 Euro
• wegen mangelnder pflegerischer Versorgung
• fehlender individueller Pflegeplanung
• fehlenden Bewegungs- und Lagerungsplan
Patientin war vor Klinikaufnahme mit Rollator gehfähig.
Nun sei sie völlig bettlägerig.
Seite 12
Rechtsfrage, die zu klären war:
Wurden sämtliche Möglichkeiten zur konsequenten
Dekubitusprophylaxe bei einer Risikopatientin ausgeschöpft?
Risikoprofil der Patientin
• Diabetes mit peripherer Polyneuropathie
• Arterieller Bluthochdruck auf Grundlage peripherer
arterieller Verschlusskrankheit
• Ausgeprägte neurologische Symptomatik infolge
Schlaganfall
• Komplette Lähmung der linken Körperhälfte
Seite 13
Die Entscheidung
Der Klage wurde teilweise stattgegeben, weil der Klägerin
aus einer nicht dem pflegerischen medizinischen Standard
entsprechenden Pflege im Haus der Beklagten zwei Druckgeschwüre am Steißbein und linken Knie erwachsen sind.
Im Übrigen war die Klage abzuweisen, weil nicht alle von
der Klägerin beklagten Folgen ursächlich auf die Pflegemängel
zurückzuführen sind.
Das Landgericht hat die Beklagten verurteilt, an die Klägerin
15.000 Euro zu bezahlen.
Seite 14
Die Begründung
• Der Klägerin wurde keine Dekubitusprophylaxe nach
pflegerischen Standard zuteil
• Verstoß gegen die geltenden pflegerischen
Expertenstandards
• Behandlungsfehler, der zugleich einen Verstoß gegen die
Sorgfaltspflicht darstellt
• Die Pflegedokumentation wies erhebliche Lücken auf
• Handzeichen fehlten an mehreren Tagen
(Lagerungswechsel und Mobilisation)
Seite 15
Lt. Sachverständigengutachten Verstoß gegen
die geltenden pflegerischen Standards
Leitsatz des Bearbeiters Rechtsanwalt Professor R. Roßbruch:
Das nicht sämtliche Möglichkeiten zur konsequenten
Dekubitusprophylaxe ausgeschöpft wurden und der Klägerin
mithin eine fachgerechte Pflege nicht im erforderlichen
Umfang zuteil geworden ist, stellt einen Pflegefehler in Gestalt
eines Verstoßes gegen pflegerische Standards dar.
Seite 16
Anspruch der Patienten
Unter rechtlichen Aspekten hat der Patient Anspruch auf eine
Pflege nach dem aktuellen Stand der medizinischen und
pflegerischen Wissenschaft.
Standards legen für Pflegende ein Anforderungsprofil im Sinne
des Altenpflegegesetzes, § 3 und des Krankenpflegegesetzes, §3
fest.
(R. Höfert, Expertenstandards Grundlagen RECHT 2008)
Seite 17
Expertenstandards
Expertenstandard Dekubitusprophylaxe in der Pflege
1. Aktualisierung 2010 (2000)
Expertenstandard Entlassmanagement in der Pflege
1. Aktualisierung 2010
Expertenstandard Schmerzmanagement in der Pflege bei akuten Schmerzen
1. Aktualisierung 2011
Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege
2006
Expertenstandard Förderung der Harnkontinenz in der Pflege
2007
Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden
2009
Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung
in der Pflege
2010
Seite 18
Jeder Arzt und jede Pflegekraft übernimmt bei der
Verpflichtung zur Qualitätssicherung auch die
Verpflichtung zur Fortbildung, um auf der Höhe
des benötigten aktuellen Wissenstands zu sein.
Seite 19
Ärzte
Für eine allgemeine Fortbildung ist die Bundesärztekammer
zuständig.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Zusätzlich zur Fortbildungsverpflichtung gemäß § 4 der
(Muster-) Berufsordnung ist seit dem 01.01.2004
(GKV-Modernisierungsgesetz) eine Nachweispflicht der
ärztlichen Fortbildung für Vertragsärzte (§ 95 des SGB V)
als auch für Fachärzte im Krankenhaus gesetzlich verankert.
Seite 20
Pflegedienst
Bundesgesetz über Gesundheits- und Krankenpflegeberufe, Fortbildung, § 63
Angehörige des gehobenen Dienstes für Gesundheitsund Krankenpflege sind verpflichtet zur
1. Information über die neusten Entwicklungen und
Erkenntnisse, insbesondere der Pflegewissenschaft
sowie der medizinischen Wissenschaft oder
2. Vertiefung der in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse
und Fertigkeiten
Innerhalb von jeweils 5 Jahren Fortbildungen in der Dauer
von mindestens 40 Stunden zu besuchen (Buchführung!)
Seite 21
Implementierung KHDF
Im Rahmen der Qualitätsentwicklung in der Pflege
haben wir uns in den letzten Jahren intensiv mit der
Thematik beschäftigt und viele Anstrengungen
unternommen, um die Expertenstandards einzuführen.
Beispiel Expertenstandard
Dekubitusprophylaxe in der Pflege und
Pflege von Menschen mit chronischen Wunden
Seite 22
Erste Frage
Haben wir motiviertes
Personal, das sich dieser
Aufgabe stellt und die
Grundvoraussetzungen für
ein erfolgreiche Arbeit
mitbringt?
JA.
Seite 23
Grundvoraussetzung
•
•
•
•
•
•
Ausgeprägter Teamgeist
Bereitschaft zur Zusammenarbeit
Hohe Bereitschaft zur Fort- und Weiterbildung
Umsetzung neuer Ideen und Kenntnisse im Arbeitsalltag
Anleitung und Schulung von Mitarbeitern
Weitergabe von Wissen
Seite 24
Materialkommission
1992 Gründung und 1994 Übernahme der Leitung
Erprobung und Testung von medizinischen Produkten
zur Anwendung im KHDF
z. B. Wundversorgungsprodukte
Lagerungshilfsmittel
Wechseldruckmatratzen
Pflegemittel
Seite 25
Mitarbeiter der Materialkommission aus Bereichen:
- Ärztlicher Dienst
- Apotheke
- Zentraler Klinikservice
- Krankenhaushygiene
- Pflegedienst (unterschiedliche Bereiche im KHDF)
Entscheidungen und Festlegungen der
Materialkommission haben in Klinikum
eine hohe Akzeptanz.
Seite 26
AG Wundversorgung in der Pflege
2003 Gründung der AG
Ziel
Verbesserung der Vorsorgung von Patienten mit
Problemwunden nach standardisierten Richtlinien
2004 wurde der erste Leitfaden zur konservativen
Behandlung chronischer Wunden erarbeitet
Seite 27
Zweite Frage
Welche Unterstützung
benötigen diese Mitarbeiter,
um sich richtig einzuarbeiten
und den Expertenstandard im
KH einzuführen?
Stehen die dafür benötigten
Ressourcen zur Verfügung ?
Seite 28
• Implementierung erfordert viel Arbeitszeit und
finanzielle Mittel
• Freistellung für Fort- und Weiterbildung
• Wie können wir Potenziale der Mitarbeiter nutzen?
• Werden die Entscheidungen der AG Wunden von der
Leitung akzeptiert und mitgetragen?
Klärung der wichtigsten Fragen über die PDL und
das Direktorium des KHDF. Die Krankenhausleitung
unterstützte das Projekt voll und ganz!
Seite 29
Dritte Frage
Wie groß ist der
Fortbildungsbedarf zum
Themenfeld?
Befragung der Pflegekräfte
zum Fortbildungsbedarf
zum Thema
Seite 30
Seite 31
Fachexperten Grundvoraussetzung für eine
erfolgreiche Implementierung
• Ausbildung von Fachexperten oder die Möglichkeit
Fachexperten zu Rate ziehen
• Fachexperten sollen in den Einrichtungen die Pflegekräfte
unterstützen und bei Fragestellungen Hilfestellung leisten
Seite 32
Ausgebildete Fachexperten
für den Bereich Wundversorgung im
Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt
Ausbildung
Jahr
Pflegexpertin Dekubitus
2005
Wundexpertin ICW e. V.
2007
Wundassistent/WAcert DGfW
2008
Pflegeexpertin Stoma, Inkontinenz, Wunde
2009
Wundasstistent/WAcert DGfW
2010
Wundexperte ICW
geplant im November/2012
Anzahl
1
3
1
1
1
3
Einsatzbereiche
PDL, Dermatologie, HNO, Urologie, Medizinische Kliniken, Orthopädie,
Gefäßchirurgie
Seite 33
Umsetzung der Anforderungen aus dem Expertenstandard/
Aufgabe der AG Wunden
2003: Gründung der AG Wundversorgung unter Leitung von
Prof. Dr. med. Wollina, CA Klinik für Dermatologie und Allergologie
2007: Übernahme der Leitung durch die Pflege
Zusammensetzung
PDL Leitung
6 ausgebildete Fachexperten mit dem nötigen Grundlagenwissen
Ärztliche Beratung und Abstimmung
Seite 34
Überprüfen/Analysieren der vorhandenen
Standardempfehlung zur Versorgung von
Problemwunden in der Einrichtung
• Klarer Auftrag und Zielstellung/Termine
• Überarbeitung der vorhandenen Standards auf
Grundlage des nationalen Expertenstandards
Ergebnis
Zusammenfassung der
Standardanforderungen
des Expertenstandards mit
den klinikinternen Gegebenheiten
Seite 35
Implementierung
Um möglichst effektiv und
konzentriert die Implementierung
des Standards zu gestalten,
stellten die AG-Mitglieder den
Standard in einer zentralen
Stationsleitungsberatung vor.
Es konnten Fragen gestellt werden und evtl. Missverständnisse
beseitigt werden.
Es wurde nach dem standardbezogenen Schulungsbedarf gefragt.
In Abstimmung mit der PDL wurde der Schulungsplan zur
einrichtungsinternen Umsetzung des Expertenstandards aufgestellt.
Seite 36
Implementierung ist uns wichtig!
Veranstaltungen und Schulungen für Mitarbeiter sind:
Dienstzeit
Pflichtfortbildung
Seite 37
Schulungen zum Expertenstandard Dekubitusprophylaxe
in der Pflege
Start im Februar 2008 mit 4 Veranstaltungen pro Jahr
95 % aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem stationären
Pflegedienst des KHDF wurden seit 2008 geschult
Ganztagsschulung 08:00 Uhr bis 15:00 Uhr mit den Schulungsinhalten
• Aufbau und Funktion der Haut - Hautpflege
• Dekubitusentstehung und Risikoerkennung/Klassifikation
• Wundheilung und Wundheilungsstörungen
• Möglichkeiten des Debridements von Wunden
• Ernährung bei Chronischen Wunden
• Lagerung - Lagerungshilfsmittel
• Praktische Anwendung der feuchten Wundbehandlung
• Schmerzen in der Wundbehandlung
• Dokumentation/Wunderfassungsbogen
Seite 38
Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen
Wunden
Start im März 2010 mit 3 Veranstaltungen pro Jahr
81 % aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus dem stationären
Pflegedienst des KHDF wurden seit 2010 geschult
Schulung von 13:00 Uhr bis 15:00 Uhr mit den Schulungsinhalten
• Präambel zum Expertenstandard
• Änderung des aktualisierten Expertenstandards
Dekubitusprophylaxe
• Veränderung des Köperbildes
• Diabetisches Fußsyndrom
• Ulcus cruris
• Dokumentation
• Wundanamnese
Seite 39
Pflegerische Dokumentation
Für die Umsetzung des Expertenstandards werden im Rahmen
der pflegerischen Anamnese und der Pflegedokumentation alle
relevanten Daten zu Problemen in der Versorgung erhoben
(Anpassung der Dokumente).
Dokumentationsgrundlage sind die Kriterien des
Expertenstandards
•
•
•
•
Verwendung einheitlicher Formulare im Klinikum
Einfache und verständliche Anwendung
Sensibilisierung der Mitarbeiter bzgl. Pflegeproblemen
Abstimmung mit den Berufsgruppen
Seite 40
Seite 41
Seite 42
Seite 43
Seite 44
Seite 45
Fazit
Ingesamt wurden die angepassten und erstellten Dokumente sehr gut
akzeptiert, auch wenn zu Beginn, wie zu erwarten, Umstellungsprobleme
auftraten, z. B. Doppeldokumentationen.
Schulungen und Beratungen bleiben laufend wichtiger Bestandteil der internen
Umsetzung in der Einrichtung.
Schulungen müssen sich am aktuellen Stand der Weiterentwicklung der
Standards orientieren.
Überprüfung im Pflegealltag auf eine dauerhafte Integration ist nötig.
Seite 46
Überblick weitere Expertenstandards
Sturz
Erfassung Sturzrisiko auf dem Stammblatt
Entwicklung eines Sturzprotokolls
Einführung über Schulung der Stationsleitungen
zentrale Schulungen
Klinikschulungen
Auswertung der Erfassungsbögen über die PLD
Seite 47
Kontinenzförderung
Ausbildung 1 Fachkraft in 2010 und
Ausbildung 1 Fachkraft in 2013 geplant
Hausinterner Standard
zentrale Schulungen
Klinikschulungen
Expertenstandard Entlassmanagement in der Pflege
Expertenstandard Schmerzmanagement bei akuten
Schmerz
Expertenstandard Ernährungsmanagement zur
Sicherstellung und Förderung der oralen Ernährung in der
Pflege
Seite 48
Es gibt noch viel zu tun,
packen wir es an!
Seite 49