Rund ums Taschengeld - ifs Institut für Sozialdienste

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Rund ums Taschengeld - ifs Institut für Sozialdienste
Zeitschrift des
Institut für Sozialdienste
Vorarlberg
Wir helfen WEITER.
P.b.b. / Jahrgang 18
Nr. 3/ Juli 2008
02Z034062 M
www.ifs.at
Informationen . Aktuelle Berichte . Soziale Reportagen
Thema: Umgang mit Geld
ß Das
Gespräch zum Thema
SEITE 4
ß Geldnot
macht krank
SEITE 12
ß Rund
ums Taschengeld
SEITE 13
aus dem inhalt
Verantwortungsvoller Umgang mit Geld
Wir diskutierten mit Dr. Karl Waltle und Peter Kopf
über Kreditwesen, Schulden und Gefahren
für den Einzelnen.
Impressum:
Herausgeber, Verleger und Eigentümer:
Institut für Sozialdienste, Vorarlberg
Interpark Focus, 6832 Röthis
Redaktion: Franz Abbrederis,
Alexandra Breuß lic.phil.
Tel. +43 (0)5523 52176, E-Mail: [email protected]
Fotos: Nikolaus Walter, Franz Abbrederis,
Jan Koller und photocase
Layout: Jan Koller Druck: Teutsch Bregenz
4
Die Zeitschrift ist auch digital
lesbar unter: www.ifs.at
Vorwort
20 Jahre IfS-Schuldenberatung
Zwei Jahrzehnte erfolgreiches Engagement
für Schuldensanierungen.
10
Geldnöte machen krank
Eine Studie stellt zwei- bis dreifach größeres
Gesundheitsrisiko bei Überschuldung fest.
12
Rund ums Taschengeld
Tipps für den richtigen Umgang mit Taschengeld.
13
Projekt Brückenschlag
TeilnehmerInnen aus Wirtschaft und Sozialbereich
wechseln in den jeweils anderen Arbeitsalltag –
das Ergebnis sind interessante und verblüffende
Erfahrungen.
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Die Chancen der Migration erkennen
Eine Vielfalt an Kulturen und Mentalitäten eröffnet
zahlreiche Möglichkeiten.
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3. IBK-Symposium für Gesundheitsförderung
und Prävention
IBK-Gesundheitspreis 2008 verliehen.
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Für das Wohl der Kinder
Die IfS-Familienarbeit unterstützt
Kinder und Familien.
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Multiprofessionalität in der IfS-NASA
NASA-Arbeit ist anders
und das schon seit mittlerweile sieben Jahren.
28
Soziales Netzwerk Wohnen
Ein Projekt, um Menschen in Krisensituationen
zu helfen.
29
Kurz & bündig
Aktuelle soziale News.
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Was hat das Thema „Umgang mit Geld“
mit sozialen Fragen zu tun? Dies fragte
mich kürzlich eine Person, als ich ihr das
Schwerpunktthema der aktuellen IfSZeitung erläuterte. Meine Antwort: Sehr
viel! Nach dem Lesen dieser IfS-Zeitung
ist diese Frage sicher beantwortet.
Verschuldung ist in vielen Fällen der
Auslöser für weitere soziale Konflikte
und Nöte. Deshalb legen wir viel Wert
auf Prävention. „Wehret den Anfängen“
lässt sich hier ein altes Sprichwort gut
zitieren.
Der richtige Umgang mit Geld beginnt
zuhause in der Familie, sagen die Fachleute. Ich habe mich schon selbst dabei
ertappt: Es ist viel einfacher, dem Kind
Geld zu geben, anstatt mit ihm über
den richtigen Umgang mit Geld zu diskutieren. Vorerst hat man seine Ruhe,
aber längerfristig kann das „Überhäufen mit Geld“ schwerwiegende Folgen
haben.
Hinweisen möchte ich auf eine aktuelle
Studie der IfS-Schuldenberatung zum
Thema „Was bewirkt Schuldenberatung?“ (vgl. Seite 15). Zu finden ist diese
auf unserer Homepage www.ifs.at.
Apropos Internet: Aufmerksam machen
möchte ich zudem auf den neuen Auftritt des IfS im Internet. Wir sind noch
aktueller mit leichteren Suchfunktionen
und noch mehr Service im World Wide
Web vertreten. Ihr Feedback würde uns
interessieren.
Neben dem Hauptthema „Umgang mit
Geld“ sind in dieser Ausgabe wieder
viele weitere soziale Themen enthalten.
Ich wünsche Ihnen einen schönen
Sommer.
Franz Abbrederis
IfS-Reaktion
[email protected]
Veränderung in der beruflichen Integration
von Menschen mit Behinderungen
Vor über 30 Jahren hat das IfS – im Auftrag des Landes Vorarlberg – mit der beruflichen Integration von Menschen mit
Behinderungen begonnen. Eine (bezahlte) Arbeit war und ist eine gute Grundlage, um Selbständigkeit und Selbstwert
aufzubauen und zu erhalten. Sie sichert
die existentielle Lebensgrundlage, die
soziale Absicherung, gibt sozialen Status, soziale Kontakte, vermittelt die Erfahrung, gebraucht zu werden und etwas sinnvolles zu tun, und strukturiert
das Leben.
Andere Einrichtungen wie aks, Landeszentrum für Hörgeschädigte, PGD,
Lebenshilfe und Caritas etc. sind für
ihre je speziellen Zielgruppe(n) diesen Weg ebenso gegangen wie das IfS
Vorarlberg.
In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten haben wir beim IfS in diesem
Arbeitsfeld jährlich konstant mehr als
1000 Menschen mit Benachteiligungen
und Behinderungen laufend auf mehr
als 600 bis 800 geschützten Arbeitsplätzen und in Kooperation mit über
400 Betrieben des Landes begleitet.
Jährlich wurden über 200 neue Arbeitsplätze gefunden, eingerichtet und qualifiziert besetzt.
In der breit angelegten und vergleichenden Studie „Geschützte Arbeit“ von Uni.
Prof. Christoph Badelt stellt dieser über
den Vorarlberger Weg der beruflichen
Integration zusammenfassend fest:
„Insgesamt kann aus der empirischen
Evidenz der Schluss gezogen werden,
dass sich die Beschäftigung Behinderter
nach den Prinzipien des ‚Supported Employment‘ Konzepts gut bewährt. Zahlreichen Behinderten wird langfristig ein
Arbeitsplatz im offenen Arbeitsmarkt
gesichert.
Im traditionellen Förderinstrumentarium fehlt vor allem die umfassende und
fortlaufende Beratung und Hilfestellung
der behinderten Menschen aber auch
der Unternehmen. [...] Das vorgestellte
Vorarlberger ‚Supported Employment‘
Modell überwindet diese Problemfelder
und stellt damit eine bedeutende, bisher noch zu wenig beachtete Methode
zur Integration behinderter Menschen
dar.“ (Chr. Badelt, Sozialpolitische Schriften, Band 2, 1992)
In den vergangenen 10 Jahren hat sich
dieser Weg der beruflichen Integration
unter dem Begriff der „Arbeitsassistenz“
europaweit etabliert und weiter entwickelt. Über finanzielle Mittel aus dem
ESF (europäischer Sozialfond) konnten
Angebote in diesem Feld auch ausgebaut und ausdifferenziert werden.
Mit dem Bundessozialamt (BASB) als
„neuem“ Anbieter haben sich die Aufgabenfelder zwischen Land und Bund
zunehmend überschnitten. Eine organisatorische und konzeptuelle Klärung
und (Neu)Ordung war erforderlich.
Land Vorarlberg und das BASB haben
jetzt vereinbart, dass die berufliche Integration (mit wenigen Ausnahmen) in
die Zuständigkeit des BASB fällt und die
soziale Integration, die Informationsund Abklärungsprozesse, die Unterstützung des eigenständigen Lebens usw.
primäre Zuständigkeit des Landes wird
oder bleibt.
In dieser Aufgabenverteilung war es
ein Anliegen des BASB, die gesamte Arbeitsassistenz von nur einem Träger umsetzen zu lassen. Trotz des Angebotes
der bisherigen Anbieter, einen gemeinsamen Träger zu bilden, hat sich das
BASB ohne transparentes Auslobungsverfahren entschieden, diesen Auftrag
an einen neuen Träger zu vergeben.
Somit mussten wir mit Juni 2008 unsere Tätigkeiten im Bereich der beruflichen
Integration weitgehend einstellen und
die Zusammenarbeit mit den Betrieben
beenden.
Ich möchte mich an dieser Stelle bei
den (im Laufe der Jahre) mehr als 1000
Betrieben ganz herzlich für die Bereitschaft bedanken, Arbeit für Menschen
mit Behinderung zur Verfügung zu stellen und mit uns zu kooperieren. Ich hoffe und bin mir sicher, dass diese auch in
Zukunft ein „offenes Ohr“ für die Anliegen dieser Menschen haben werden.
Ich möchte mich zudem bei all den MitarbeiterInnen und verantwortlichen
Führungskräften in der (alten) IfS-Reha,
im IfS-Okay, in der Arbeitsassistenz und
der Jugendarbeitsassistenz bedanken.
Sie haben eine Methodik und einen Weg
der beruflichen Integration entwickelt,
der sich bewährt hat und der erfolgreich
war. Mehrfach beforscht und evaluiert,
vielfach europaweit präsentiert, als
„model of good praxis“ ausgezeichnet
usw. Und trotzdem mussten wir in den
vergangenen Monaten der Neukonzeption und der Neuvergabe erfahren, wie
wenig (vergangene) Leistungen zählen,
wie wenig (Feld)Erfahrung, Netzwerke,
know how usw. zählen in einer Welt, die
vor allem auf das Erbringen von Kennzahlen, auf Kernkompetenzen, auf Abläufe und Formalismen schaut.
Stellvertretend für die Betroffenen, deren Eltern, für viele Betriebe und für
unsere Auftraggeber möchte ich ausdrücklich fest halten, dass die Arbeit
gut, qualifiziert und richtig war. Diese
IfS-MitarbeiterInnen können stolz sein
auf das, was sie an Integration im Land
Vorarlberg bewirkt haben.
Trotzdem gibt es die Entscheidung für
einen neuen Weg. Das ist zu respektieren. Wir wissen, dass viele Betriebe und
vor allem Betroffene und deren Eltern
irritiert sind, weil die Kontinuität in der
Betreuung – bisher ein Erfolgsfaktor
– nicht mehr gewährleistet scheint. Wir
sind alle – die bisherigen Einrichtungen
und die neuen Anbieter – aufgefordert,
hier rasch wieder Sicherheit und Klarheit herzustellen.
Veränderungen bringen immer auch
neue Sichtweisen, neue Herausforderungen und neue Chancen. In Zukunft
werden wir vor allem darauf schauen
müssen, wo die Lücken in der neuen Systematik sind, wo man die neuen Angebote besser abstimmen oder spezifische
Hilfestellungen neu ansetzen muss. Ich
erwarte und bin mir auch sicher, dass
alle Beteiligten – Auftraggeber und Anbieter – wissen, dass es hier noch einiges
zu tun gilt und das auch ernst nehmen.
●
Dr. Stefan Allgäuer
IfS-Geschäftsführer
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Verantwortungsvoller Umgang mit Geld
beginnt im Kindesalter
Das Gespräch mit Dr. Karl Waltle (Mitte) und Peter Kopf (links)
Diese Ausgabe der IfS-Zeitung befasst
sich mit dem spannenden Thema
„Umgang mit Geld“. Ich möchte beiden
Herren danke, dass sie sich zu diesem
Gespräch bereit erklärt haben – einerseits Dr. Karl Waltle, Landesdirektor
einer großen Bank, andererseits Peter
Kopf von der IfS-Schuldenberatung.
Es ist ein Faktum, dass Schulden manchmal unumgänglich sind, z.B. beim Kauf
eines Eigenheimes. Eingangs folgende
Frage: Was muss berücksichtigt werden,
wenn sich ein junger Mensch oder auch
ein junges Paar in Schulden stürzt?
Dr. Karl Waltle: Ich beginne damit,
dass es mir eigentlich überhaupt
nicht gefällt, dass die Begriffe „Kredit“
und „Schulden“ in einem derartigen
Wirrwarr verwendet werden. Auch Sie
sprechen nur von Schulden und davon,
Schulden zu vermeiden. Ich verwende
den Begriff „Kredit“. Das macht einen
großen Unterschied.
Vergleichen wir einmal den Kredit und
das Medikament – es kommt auf die
Dosierung an. Ich kann ein Medikament
überdosieren, dann wirkt es tödlich.
Ich kann dies auch mit einem Kredit
machen. Ich kann ein Medikament aber
auch richtig dosieren – dann hilft es. Ich
werde wieder kräftig, ich werde wieder
gesund. Und daher möchte ich nicht
von vornherein sagen, dass Schulden
etwas Schlimmes, etwas Furchtba-
res sind. Klar, wenn ich einen Kredit
aufnehme, dann habe ich Schulden.
Aber das muss nicht nur negativ sein.
Es gäbe in Vorarlberg nicht die Hälfte
der Eigenheime, hätten wir nicht die
Möglichkeit, Kredite aufzunehmen und
damit Häuser zu bauen.
Es kommt auf die Dosierung an. Ich
habe einen Grundsatz, den ich den
Leuten gerne mitgebe: Es muss genug
finanzielle Luft bleiben. Denn finanzielle Luft bedeutet Freiheit. Das heißt, ich
muss mir sehr gut überlegen, welche
Dosierung ich wähle.
Was sagt der Schuldenberater dazu?
Peter Kopf: Da hat Herr Dr. Waltle vollkommen Recht. Es geht immer um die
Dosierung. Aber nicht jede Dosis ist für
jeden Menschen die richtige. Darum ist
immer der Bezug zu den eigenen Möglichkeiten herzustellen. Wenn jemand
einen Kredit aufnimmt und der Spielraum von vornherein ausgereizt ist,
dann ist auch ein Kredit für ein Haus,
ein Grundstück oder eine Wohnung ein
Unsinn. Es geht bei jeder Fremdfinanzierung, bei jeder Anschaffung darum,
ob ich mir das leisten kann oder nicht.
Darum raten wir bei jeder Anschaffung
mit fremdem Geld, zuerst zu rechnen,
zu rechnen und noch einmal zu rechnen und vielleicht auch noch zwei oder
drei Nächte darüber zu schlafen und
dann die Entscheidung zu treffen.
Natürlich ist ein Kredit für ein Haus
oder für eine Wohnung etwas anderes
als ein Kredit für ein Auto oder eine
Urlaubsreise. Da kann man auf etwas
zurückgreifen, das Bestand hat, wenn es
finanziell wirklich nicht mehr weitergeht.
Also, wir sind uns einig: Kredite sind im
Prinzip etwas Sinnvolles und eine wirtschaftliche Notwendigkeit, z.B. um ein
Haus zu bauen. Bei der Verschuldungsfrage geht es aber zu Beginn meist nicht
um große Anschaffungen, sondern eher
um kleinere Dinge.
Wie sieht dies der Vertreter des Bankwesens? Wie kann man beispielsweise
jungen Menschen das Thema „Kredit“
oder „Umgang mit Geld“ näherbringen?
Dr. Karl Waltle: Herr Kopf hat vorhin etwas ganz Wesentliches gesagt: Es gibt
sehr wohl überlegte Kredite – ein Haus
kauft man nicht von heute auf morgen
und da bleibt einem die berühmte Zeit
des „Überschlafens“. Darum übernehmen sich relativ wenige beim Hausbau.
Aber diese unüberlegten Kreditaufnahmen sind es, die uns letzten Endes die
Probleme bereiten.
Wir respektieren in erster Linie die
Eigenverantwortlichkeit des Kunden.
Aber wir wissen natürlich auch, dass die
Eigenverantwortlichkeit vieler Men-
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schen eine solche ist, dass sie den Verlockungen der Werbung einfach nicht
Stand halten können. Und noch mehr
– das wissen wir aus unserer Erfahrung
– als es die Werbung ist, die verlockt,
sind es die Bekannten und die Freunde,
die sich gewisse Anschaffungen leisten
können. Man hat das Gefühl, diese Dinge, die man sich eigentlich nicht leisten
kann, müsse man selbst auch haben.
Vor allem junge Leute können diesen
Versuchungen nicht standhalten.
Wenn ich unter den Kreditanträgen
von jungen Leuten deren finanzielles
Vorleben sehe, dann frage ich manchmal: „Könnt ihr mir sagen, wo der
Gegenwert ist?“ Das ist für mich eine
wesentliche Frage. Wenn die Person bereits 35.000 Euro als Verbindlichkeiten
hat – in diesen Fällen rechne ich immer
in der alten Währung, denn 35.000
Euro sind 500.000 Schilling oder eine
halbe Million, das ist viel Geld! Dann
klingt das schon wieder ganz anders.
Bei 500.000 Schilling bzw. 35.000 Euro
muss doch ein Gegenwert da sein.
Junge Menschen bzw. Kunden generell
gehen meistens zu mehreren Banken,
um Kredite zu erhalten. Gibt es ein Kontrollsystem, um dies zu verbessern?
Peter Kopf: Wie so oft gibt es auch
hier zwei Seiten. Zum einen die vielen
Kontrollsysteme, die vielen Listen, in
denen alle gespeichert sind, die je
einen Kredit aufgenommen haben oder
darum anfragten. Diese Menschen
bekommen dann oft tatsächlich keinen
Kredit mehr.
Aber auf der anderen Seite gibt es
einen enormen Druck auf die Konsumenten durch zum Teil unerhörte
Werbemaßnahmen. Ich habe gerade
heute in der Zeitung eine Werbung
für einen Kredit entdeckt, den man
offensichtlich innerhalb von 10 Minuten
erhalten kann. Und das ist für mich das
Bedenkliche, dass von manchen Banken
vermittelt wird, „Geld auf Pump“ zu
bekommen, sei ein Kinderspiel.
Mit diesen Werbebotschaften wird
vermittelt: Wer sich Wünsche erfüllen
will, der kann sich das immer, überall
und zu jeder Tages- und Nachtzeit – innerhalb von ein paar Minuten ist der
Kredit fertig. Und damit wird gerade
jungen Menschen vermittelt, dass Geld
im Überfluss vorhanden ist, man muss
es sich nur abholen. Wenn der Kontoüberzug als „Einkaufsreserve“ dargestellt
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wird, dann ist das eine krasse Verniedlichung von sehr teuren Schulden.
Dr. Karl Waltle: Da stimme ich Ihnen zu.
Mit solchen Inseraten haben auch wir
unsere Probleme. Das Inserat, das Sie
ansprechen, ist von einer Bank, die in
amerikanischen Besitz übergegangen
ist. Hier ist der amerikanische Einfluss
deutlich zu spüren. Die Amerikaner
denken anders, leben nur auf Pump. Da
gibt es keine Spareinlage.
Ich wünsche mir aber, dass diese amerikanischen Zustände nicht auch bei uns
Alltag werden. Mir ist eine derartige
Verschuldung der Bevölkerung – wie
sie in Amerika eine Tatsache ist – ein
Gräuel. Wir führen bei uns im Vorstand
der Bank viele heiße Diskussionen,
wie offensiv oder wie aggressiv wir in
der Konsumkreditwerbung auftreten
„Mir ist eine derartige Verschuldung der Bevölkerung – wie
sie in Amerika eine Tatsache ist
– ein Gräuel.“
sollen. Ich weiß, Konsumkredite sind
für eine Bank durchwegs – auch mit
Ausfällen – attraktive Kredite, mit guten
Marchen für die Banken.
... und relativ guten Sicherheiten für die
Bank.
Dr. Karl Waltle: Ja, und das wird bei
uns diskutiert. Wollen wir das Feld der
Konsumkredite völlig den Amerikanern
oder den Versandhauskrediten oder den
Teilzahlungsbanken überlassen?
Wir haben z.B. als Bank den Markt der
Autofinanzierung verloren. Diesen
„Krieg“ haben längst die Autohersteller
mit ihren eigenen Teilzahlungsbanken
gewonnen. Jetzt sind wir natürlich
erschrocken und wollen nicht, dass
jedes dieser lukrativen Geschäfte an
uns vorbeizieht.
Als nächstes sind es die Möbel-, die Einrichtungskredite, als übernächstes sind
es die mit den Waschmaschinen, Computern etc. Es gibt bei uns immer heiße
Diskussionen. Und ich sage meinen
jungen Kollegen: Bitte passt mir auf mit
der Dosierung der Aggressivität oder
Offensivkraft, denn ich will keine allzu
sehr verschuldete Bevölkerung haben.
Herr Walte, Sie haben vorher das Thema
„falsches Konsumverhalten“ angeschnit-
ten. Welches sind die größten Fehler, die
Menschen aus ihrer Sicht im Rahmen des
Konsumverhaltens machen können?
Dr. Karl Walte: Für mich sind die häufigsten und die schlimmsten Fehler
jene, die den Leuten am nächsten Tag
selbst bewusst werden. Das heißt, es
sind diese allzu schnellen emotionalen
Entscheidungen. Gewissen Verlockungen können viele Leute nicht widerstehen. Sie kommen dann vielfach erst zur
Bank, wenn wirklich alles unterschrieben ist und die Rate bereits Probleme
bereitet.
Wenn ich mich nun auf Jugendliche
beziehe: Oft habe ich den Eindruck,
dass diese z.B. nicht begreifen, dass
telefonieren Geld kostet. Ich sehe kaum
einen Jugendlichen, der, wenn er alleine
unterwegs ist, nicht telefoniert. Es
scheint, als könnten Jugendliche folgende Verbindung nicht herstellen: Beim
Telefonieren rinnt einem das Geld aus
der Tasche.
Dazu kommt noch – und das ist natürlich die Verlockung pur – ich kann heute
z. B. über mein Handy die Kinokarte
kaufen, das Abendessen dazu buchen
usw. Die Abrechnung erfolgt über das
Handy.
Früher war es mit Bargeld klar: Ich kaufe
mir etwas und es kostet etwas. Das ist
jetzt bei diesem System, in dem man
über das Handy Anschaffungen tätigt,
zerrissen.
Das Auseinanderfallen zwischen etwas
kaufen und es bezahlen müssen – wenn
da eine zeitliche Distanz ist, dann ist
das für mich eine der Hauptgefahren.
Die Jugendlichen müssen spüren: Ich
kaufe etwas und die Kohle ist gleich
weg.
Aus der Sicht der Schuldenberatung?
Peter Kopf: Das kann ich nur unterstreichen und übrigens gilt dies auch
für Erwachsene: Kaufen und die Folgen
spüren, nämlich dass das Geld danach
weg ist, das sollte ganz eng zusammen
sein. Wenn die Abbuchung erst vier
Wochen nach dem Kauf erfolgt, fehlt
oft das Bewusstsein dafür, dass ich mir
etwas Teures geleistet habe. Wir sehen
das ja auch bei den Menschen, die bei
uns in der Beratung sind, die häufig
überhaupt keinen Bezug mehr zu dem
Kredit haben, weil die Ware, die sie damals gekauft haben, schon längst auf
dem Schrotthaufen liegt.
Natürlich verfügen viele Menschen
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das oft nicht wahrgenommen.
Damit bin ich bei einem Hauptthema,
beim schleichenden Einstieg in die
Schuldenfalle. Der passiert sehr oft
durch das ständig überzogene Konto, das ja vermeintlich den Eindruck
erweckt, also ob immer genügend Geld
vorhanden wäre, obwohl mein Einkommen – sei es das Taschengeld, die Lehrlingsentschädigung oder mein Gehalt
– schon längst aufgebraucht ist.
Und in vielen Familien gibt es das Geldvorbild nicht mehr. Wenn die Vorbilder
wegbrechen, woher sollen junge Menschen dann einen guten Umgang mit
Geld lernen? Wenn die Vorbilder fehlen,
dann braucht es finanzielle Bildung.
über eine gehörige Portion Selbstüberschätzung. Man bewegt sich ja gerne
eine Stufe über seinem eigentlichen
Einkommensniveau, weil man sich eher
nach oben orientiert als seitwärts oder
nach unten.
Das Kaufen hat mittlerweile, verstärkt
durch geschickte Werbung, einen derart hohen Stellenwert angenommen,
dass es ganz selbstverständlich als
Hobby bezeichnet wird.
Möglichkeiten, um Geld auszugeben,
das ich noch gar nicht habe, gibt es
genügend.
Und vor allem ist das Ganze zeitlich
völlig auseinander gerissen: das Zahlen
und das Abbuchen. Und die Ausgaben
sind auch nur Zahlen auf dem Bildschirm oder auf dem Kontoausdruck.
Das macht viele unsensibel für die wirklichen Kosten. Und außerdem gibt es
immer noch Leute, die überhaupt keine
finanzielle Bildung haben. Die nicht
wissen, was das Soll und das Haben auf
dem Konto bedeuten. Und wenn ein
Minus vor dem Betrag steht, dann wird
Zur Person
Peter Kopf, Dipl. Sozialarbeiter
〉 geb. am 28. Februar 1955
〉 Geschäftsführer der IfS-Schuldenberatung Ges.m.b.H. (seit 18 Jahren)
〉 wohnhaft in Hard
〉 verheiratet
〉 Hobbys: Joggen, Lesen, in der Sauna
entspannen
Wir wissen, dass der Beginn von Verschuldung sehr oft auch der Start für
eine Lebenskrise ist. Glauben Sie, dass
es gerechtfertigt ist, dass Banken in solchen Fällen noch weiter Geld auf Pump
geben?
„Das Thema Geld sollte nicht
nur den Finanzprofis aus Banken
und Versicherungen überlassen
werden. Jeder Mensch sollte sich
darin profilieren. “
Dr. Karl Waltle: Ich habe vorhin gesagt,
dass ich mir hier die amerikanischen
Verhältnisse nicht wünsche.
Es gibt Familien, die haben ein Haus
gebaut, damit haben sie einen Kredit
und Rückzahlungen. Jetzt könnte man
sagen, die kaufen sich auch noch ein
Auto auf Pump. Ich sage dann: Gut
– wie schaut das eigentlich mit den
Rückzahlungen für das Haus aus? Hat
die Familie noch genug finanzielle Luft,
um frei zu sein? Und wenn das der Fall
ist, dann kann sie sich ohne weiteres
auf Pump – wie Sie so schön sagen – ein
Auto kaufen. Wobei mir oft lieber ist,
jemand kauft sich das Auto auf Pump,
als er räumt den letzten Groschen vom
Sparbuch. Weil wenn er das Auto auf
Pump gekauft hat, dann hat er sich das
überlegt und das wird auch bei uns
nachkontrolliert, wenn wir unseren
Haushaltsplan für ihn erstellen, dass
er sich neben der Rate fürs Haus auch
die Rate fürs Auto leisten kann. Er hat
aber nach wie vor sein Sparbuch, wenn
irgend etwas passieren sollte. Weil ich
möchte nicht, dass die Waschmaschine
kaputt geht und derjenige dann vor
dem Nichts steht. Dieses Geld sollte er
schon noch auf dem Sparbuch haben.
Schlecht ist, wenn sich die Rückzahlungen in einer Größenordnung bewegen,
dass sich eine Familie eigentlich gar
keine Familie leisten kann. Das heißt,
wenn man bei der Berechnung der
Rückzahlungen und bei der Berechnung der Einnahmen/Ausgaben sieht,
dass sie, wenn nicht beide arbeiten, ins
offene Messer laufen. Und das ist dann
schon eine sehr gefährliche Situation,
das kann dann schon der Beginn einer
wirklichen Krise sein.
Sehr viele Scheidungen haben eine
finanzielle Problematik als Ursache
– denn worüber streitet man am Abend,
wenn es knapp wird? Man streitet sich
über das Geld, meistens weil man sich
übernommen hat. Und wenn man jetzt
beide Einkommen als unbedingt notwendig für die Bedienung der vorhandenen Raten hernimmt, dann ist das
eine gefährliche Sache. Dann ist von
Freiheit nichts mehr da. Denn die Frau
darf weder schwanger werden, noch
darf jemand krank oder vorübergehend
arbeitslos werden.
Herr Kopf, Sie haben vorhin das Wort
„finanzielle Bildung“ in den Mund genommen. Was glauben Sie, was könnte
man hier noch verbessern? Anders
gefragt, was könnten Leserinnen und
Leser unserer Zeitung für sich selbst und
für ihre Kinder verbessern?
Peter Kopf: Hier in Vorarlberg gibt es
ein ganz exzellentes, fundiertes und
professionelles Angebot in der finanziellen Bildung: den „Vorarlberger
Finanzführerschein“. Exzellent darum,
weil der Finanzführerschein ganz bewusst viele Partner miteinbezieht und
dadurch ganzheitlich auftritt. In dieser
Partnerschaft befinden sich das Land
Vorarlberg, die Wirtschaftskammer, die
Arbeiterkammer, das AMS und das aha,
aber auch die wichtigen Vorarlberger
Banken. Das heißt, durch das Eingebunden sein in die Abwicklung und in
die Verantwortung für den Finanzführerschein auch von Gläubigern, von
Banken, haben wir die Gewähr, dass alle
am gleichen Strang und in die gleiche
Richtung ziehen.
Darüber hinaus bin ich überzeugt, dass
in unserer Gesellschaft noch viel zu wenig über Geld geredet wird. Es traut sich
niemand zu fragen oder zu sagen, wie
viel er/sie verdient. Wenn irgendjemand
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etwas einkauft – z.B. ein Auto – dann
wird etwas untertrieben, dann wird das
Ganze beschönigt. Beim Einkommen
wird geschummelt. Wenn es gelingen
würde – durch welche Maßnahmen
auch immer –, den Tabubereich Geld
etwas zu durchbrechen, dann wäre viel
gewonnen.
Bei den Schulden ist es nicht anders. Die
Leute schämen sich ungeheuer, den Fuß
über unsere Schwelle zu setzen, weil sie
das Gefühl haben, in ihrem Leben völlig
versagt zu haben. Und wenn wir über
einen Privatkonkurs aufklären, dann
beschreiben viele dies als die größte
Niederlage, die sie sich nie vorstellen
könnten. Dabei wäre es höchste Zeit,
eine große Hochachtung vor den Menschen zu haben, die in einen Privatkonkurs gehen, weil sie sich den Problemen
stellen, einen Neustart anpeilen und die
Durststrecke der langjährigen Entschuldung auf sich nehmen.
Das Thema Geld sollte nicht nur den
Finanzprofis aus Banken und Versicherungen – die brauchen wir natürlich
– überlassen werden. Jeder Mensch sollte sich darin profilieren. Geld als Thema
am Familientisch oder unter Freunden.
So stelle ich mir das vor. Kinder dürfen
ruhig wissen, wie viel die Miete für
die Wohnung kostet oder der Strom,
das Auto oder der Internetzugang. Es
muss auch kein Geheimnis bleiben,
was für die Lebensmittel jeden Monat
ausgegeben wird. Kinder haben ja oft
den Eindruck, dass das Geld aus dem
Bankomat kommt. Und solange diese
Meinung vorherrscht, dass es nur vier
Knöpfe braucht, damit 100 oder 200
Euro herauskommen, läuft etwas schief.
Ich bin überzeugt, dass es sehr hilfreich
ist, auch schon ganz jungen Kindern
ein Taschengeld zu geben, damit sie
einen selbstverantwortlichen Umgang
mit Geld lernen. Sie dürfen mit diesem
Taschengeld auch Fehler machen. Wobei es sich dabei um Fehler aus unserer
Sicht handelt. Denn Fehler machen
gehört zur Entwicklung und da sind wir,
glaube ich, noch viel zu vorsichtig.
Dazu hätten wir übrigens noch viele
Ideen, die wir umsetzen könnten.
Herr Waltle, wie sehen Sie das?
Dr. Karl Walte: Mir liegt die Erziehung
der Jugendlichen zur finanziellen Eigenverantwortung ganz besonders am
Herzen. Denn es scheint mir so etwas
wie ein Pflichtfach notwendig, damit
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die Jugendlichen einen Überblick haben
und lernen, mit Geld umzugehen.
Diese Erziehung muss in sehr früher Jugend beginnen. Und da ist das
Elternhaus gefragt. Denn wenn Kinder
nie gelernt haben, wie viel Geld zur
Verfügung steht, wie viel ausgegeben
werden kann, wenn ein Kind schon
immer aus dem Vollen schöpfen kann,
dann wird das nicht funktionieren.
Also beide Herren sind sich in dem Punkt
einig: Man muss bereits als Kind lernen,
mit Geld umzugehen.
Ich höre noch einen kleinen Widerspruch
heraus: Herr Walte sagt, über Geld wird
sehr häufig geredet und auch gestritten.
Peter Kopf sagt, wir reden viel zu wenig
über Geld. Wo liegt hier die Differenz?
Peter Kopf: Auch über Sexualität wird
bei uns sehr wenig geredet – aber
häufig darüber gestritten. Viele Paare
können davon ein Lied singen. Wir sind
es gewohnt, über heikle Dinge erst
„Sehr viele Scheidungen haben
eine finanzielle Problematik als
Ursache. Man streitet sich über
das Geld, meistens weil man sich
übernommen hat.“
dann zu reden, wenn sie problematisch
werden. Darum bin ich überzeugt, dass
das Reden über Geld schon im Guten
beginnen muss – genauso wie über Sexualität. Nicht erst dann, wenn’s kracht.
Und wenn Geld im Elternhaus gut
vermittelt wird, dann ist viel gewonnen.
Nur, die Elternhäuser sind mittlerweile oft nicht mehr in der Lage, gut
darüber zu reden. Darum glaube ich,
dass diese Aufgabe auch in die Schule
gehört. Oder eben auch zu uns und
zum Finanzführerschein. Weil Eltern
sich auch oft ausblenden, einfach weil
sie das selbst nicht mehr gelernt haben.
Wir brauchen eine Kultur des „über das
Geld Redens“, damit die heutigen Kinder und Jugendlichen später auch mit
ihren Kindern darüber reden können.
Da gilt es etwas nachzuholen.
Ich kenne genügend Beispiele von
Schuldnern, die das versäumte Reden
und die fehlende Auseinandersetzung
mit dem Geld oder dem fehlenden
Geld, den Schulden, mühsam nachholen mussten – auf der Bank, bei
Behörden oder im Gericht, wenn der
Privatkonkurs abgewickelt wird.
Dr. Karl Waltle: Es ist eine ganz besondere Eigenheit, die wir hier in Österreich, aber auch in Deutschland haben,
die es im angloamerikanischen Raum
nicht gibt. Bei uns zählt das Einkommen zum finanziellen Intimbereich des
Menschen. Deswegen haben wir auch
das Bankgeheimnis, das die Amerikaner
nicht kennen. Bei uns hat das einfach
einen Status, das hat einen Wert. Bei
uns redet man nicht darüber, wie viel
man verdient. Bei uns weiß doch in
der Familie niemand – auch nicht die
erwachsenen Kinder – wie viel der Vater
verdient. Folglich kann man nur sehr,
sehr schwer die Haushaltsrechnung, die
notwendig ist, erklären und erläutern.
In früheren Zeiten war das Einkommen
nicht eine derartige persönliche Wettbewerbssituation. Wenn heute über
das Einkommen des Vaters diskutiert
und anhand dieses Einkommens der
Haushaltsplan erläutert wird, dann disZur Person
Dr. Karl Waltle
〉 geb. am 12.10.1945
〉 Vorstandsvorsitzender der
Raiffeisenlandesbank Vorarlberg
〉 wohnhaft in Bregenz
〉 verheiratet
〉 langjähriges Vorstandsmitglied des
Vereines „Institut für Sozialdienste“
〉 Hobbys: Bergsteigen, Skitouren,
Segeln und Motorradfahren
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kutieren die Kinder am nächsten Tag in
der Schule: „Warum verdient dein Vater
um 100.000 Euro pro Jahr weniger als
mein Vater?“
Lernen könnten wir es nur, indem wir
den Kindern sagen, wie sie haushalten
sollen. Und ganz wichtig finde ich das
mit dem Finanzführerschein. Ganz
wichtig ist es in der Schule. So haben
die heranwachsenden Kinder zum ersten Mal wirklich mit Geld zu tun. Und
da müssen sie das erste Mal spüren,
dass Geld nicht unbegrenzt vorhanden
ist.
Vielleicht noch eine etwas provokante
Frage – vor allem an Sie, als Direktor
Word-Rap mit Peter Kopf
Was fällt Ihnen spontan und kurz zu
folgenden Worten ein?
Geld: Ein wichtiges Tauschmittel
Lieblingsort: Tignale am Gardasee
Musik: Vieles aus meiner Jugendzeit
Schulden: Nur fürs Wohnen
IfS: „Wir helfen WEITER“
Vorarlberg: Ein weiterer Lieblingsort
Lieblingsspeise:
Käsknöpfle – aber nur mit Kartoffelsalat und viel gerösteten Zwiebeln
Welches Land möchten Sie noch
besuchen?: Vietnam
Kreditkarte: Es ist gut, wenn man sie
hat – zum Beispiel im Ausland.
Soziale Errungenschaft:
Meinungs- und Redefreiheit
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einer großen Bank: Glauben Sie, dass
die Banken die Hauptverursacher der
Verschuldung sind?
Dr. Karl Waltle: Wenn ich jetzt sage,
dass die Banken eigentlich in den
meisten Fällen die Letzten in der
Schuldenkette sind, dann klingt das
vielleicht verwunderlich, aber es ist
so. Bleiben wir bei den Hauptverschuldungsursachen der Jugendlichen: Wir
erhalten die Handyrechnungen aufs
Konto, aber nicht wir sind diejenigen,
die die Rechnungen kassieren müssen.
Bei uns landet es am Konto. Wir müssen
dann entscheiden: Sagen wir nein, so ist
das Handy weg. Sagen wir ja, beginnt
die Verschuldung. Dies gilt auch für
Versandhauskredite etc. Wir sind die
Letzten, die entscheiden müssen und
damit natürlich automatisch die Schuldigen. Ich gebe zu, es gibt schwarze
Schafe unter den Finanzierungsinstituten. Manchen ist es völlig wurscht, wie
die Kunden die Raten zurückzahlen.
„Wir brauchen eine Kultur des‚
über das Geld Redens‘ “
Stichwort „Finanzierungsinstitute“:
Differenzieren Sie zwischen Bank und
Finanzierungsinstitut?
Dr. Karl Waltle: Ja, ich differenziere zwischen den Teilzahlungsinstituten und
zwischen Versandhauskreditgebern
und den Banken. Denn ich kenne das
Verantwortungsbewusstsein gerade
von den Vorarlberger Banken gut. Aber
hier liegt auch wieder der große Unterschied. Z.B. sind wir – wie die anderen
Vorarlberger Banken – eine regionale
Bank. Wir tragen den Menschen in der
Region gegenüber Verantwortung. Aber
wenn ich meinen Sitz in Mailand oder
Frankfurt habe, dann berührt mich da
eine ins Verderben verschuldete Familie
im Bregenzerwald überhaupt nicht.
Und aus der Sicht der
Schuldenberatung?
Peter Kopf: Mengenmäßig, wenn wir
auf unsere Statistik schauen, sind natürlich immer die Banken die größten
Gläubiger. Es gehört zum Geschäft
einer Bank: Geld von den Sparern
hereinzunehmen und an andere auszuleihen. Der Handel mit Geld ist das
Kerngeschäft einer Bank. Und Banken
sind darüber hinaus natürlich auch
sehr wichtige Dienstleister, wenn es um
die Abwicklung von Zahlungen, Überweisungen und Rechnungen geht.
Was wir uns manchmal wünschen
würden, ist, dass eine Bank auch einmal
eine Überweisung – zum Beispiel
für die Handyrechnung – nicht mehr
durchführen würde. Ganz einfach weil
das Konto schon heillos überzogen ist.
Da sollte dann die Miete vorgehen. Und
genau wie Dr. Waltle unterscheiden
auch wir sehr genau zwischen Banken
und Banken. Bei manchen scheint der
Blick auf das schnelle Geschäft die
oberste Geschäftsmaxime zu sein. Da
kann es dann schon vorkommen, dass
Leute, die schon längst überschuldet
sind, nach Wien fahren, um dort einen
von vorneherein nicht zurückzahlbaren Kredit ausbezahlt zu bekommen.
Es stimmt, je weiter weg die Zentrale,
umso unpersönlicher die Abwicklung
– auch bei Problemen. Wir sind daher
froh, hier im Land eine durchwegs gute
Gesprächsbasis mit den ansässigen
Banken zu haben. Und wenn es Probleme gibt, scheuen wir uns nicht die
an- und auszusprechen.
... dann gehe ich zur anderen Bank,
da bekomme ich das Geld ...
Peter Kopf: Damit wird oft argumentiert: Gibst du mir das Geld nicht, dann
hole ich es vom Bankhaus vis-a-vis.
Wenn überall die gleichen Regeln
gelten würden, wäre dieses Argument
schnell vom Tisch. Mich hat letzthin ein
Banker gefragt, was ich machen würde,
wenn das Konto überzogen ist und
jetzt noch die Handyrechnung kommt.
Meine Antwort war eine klare: Die
Handyrechnung nicht überweisen und
zurückschicken. Denn nur wenn der Betroffene die Konsequenzen auch spürt,
ist er motiviert, gegenzusteuern. Weil
sonst ist er ja im vermeintlich paradiesischen Glauben, dass das Geld endlos
zur Verfügung steht und sich über ihn
ergießt, wie aus einem Füllhorn.
Dr. Karl Waltle: Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen in diesem
Zusammenhang problematische Erfahrungen. Wenn sie sich am Schalter so
verhalten, dann kommt in der nächsten
Stunde der Vater und sagt: „Darf ich
bitte mein gesamtes Sparguthaben,
darf ich mein Wertpapierdepot, darf
ich mein Gehaltskonto, das ich seit 10
Jahren bei Ihnen habe, auflösen? Bitte
sind Sie so lieb und kündigen Sie mir
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das alles – ich übertrage das auf die
und die Bank. Sie haben meinem Sohn
nicht einmal 21 Euro Handyrechnung
überwiesen. Ich will mit Ihnen nichts
mehr zu tun haben.“ Das erleben wir
– aber nicht nur einmal. Da kommen
die Eltern, statt dass sie dem Kind beibringen, gib bitte auf dein Geld acht.
Das ist dann ein pädagogisches
Problem ...
Dr. Karl Waltle: Natürlich, ein pädagogisches Problem.
Peter Kopf: Das ist ja das Thema, das
wir vorher besprochen haben. Die
Eltern wollen oft keine Grenzen mehr
setzen.
Dr. Karl Walte: Unsere Mitarbeiter,
unsere Kolleginnen und Kollegen am
Schalter, die sollen dann die Erziehung
übernehmen, indem sie sagen, du
darfst das nicht tun.
„Die Reichen werden reicher
und die Armen zahlreicher.“
Wir haben auch vernünftige Eltern, die
kommen und sagen: Das war super.
Endlich weiß er, dass er zu viel telefoniert. Aber ich muss leider sagen, in der
Mehrheit kriegen unsere Leute dann
Probleme mit den Eltern, wenn sie es
nicht tun.
Wir wissen, dass die Zahl der Menschen
mit Verschuldungen eindeutig im
Steigen ist. Wir wissen, dass die Zahl der
Klientinnen und Klienten in der Schuldenberatung immer größer wird. Versuchen wir einmal, an die kommenden 20,
30 Jahre zu denken. Wie sehen Sie das
Szenario in 30 Jahren?
Dr. Karl Waltle: Wenn man davon
ausgeht, dass viele Trends von den USA
herkommen, dann schwant mir nicht
sehr Gutes.
Es könnte aber sein, dass diese WeltFinanzkrise, die derzeit die Börsen
und die Märkte erschüttert, die ihren
Ausgangspunkt in einer verlogenen,
leichtfertigen und unverantwortlichen
Kreditvergabe in Immobilienbereichen
in den USA hatte, dass diese – das will
ich hoffen – zu einem Umdenken geführt hat. Ich glaube, ich fürchte, dass
wir in 20, 30 Jahren eher amerikanische
Verhältnisse haben werden, was die
Privatverschuldung anbelangt, als dass
ich glauben möchte, es wird besser sein.
Da bin ich pessimistisch.
Also eine massive Erhöhung der
Verschuldung in Europa?
Dr. Karl Waltle: Ich fürchte, wir werden
eine massive Verschuldung der Privathaushalte in Europa haben, nach dem
amerikanischen Muster. Alles ist auf
Pump käuflich.
Also kein besonders optimistischer Blick.
Herr Kopf, wie sehen Sie das?
Peter Kopf: Ich bin überzeugt, wenn ich
den Blick auf die Privatkonkurse lenke,
dass diese in 10, 20 Jahren mindestens
das drei-, vier- oder fünffache von
heute ausmachen. Nicht nur, weil die
Verschuldung oder die Überschuldung
steigt, sondern weil auch mehr Menschen sich trauen, den richtigen Schritt
zur Entschuldung zu setzen.
Was die Verschuldung oder die Überschuldung betrifft, glaube ich, dass wir
uns schon sehr daran gewöhnt haben,
Dinge auf Kredit, auf Pump zu kaufen.
Wie beurteilen Sie die Frage der Armut?
Dr. Karl Waltle: Ich komme durch meine
Tätigkeit im ganzen Land und darüber
hinaus viel herum und erfahre viel. In
Europa sehe ich die größte Armut in
den ehemaligen Ostblockländern, wie
z.B. in Rumänien. Aber es gibt sie auch
hier bei uns.
Mir macht es Sorge, dass der sogenannte Mittelstand von der Tendenz her eher
abknickt. Es gibt immer mehr Reiche
und immer mehr arme Menschen.
Dies ist ein gesellschaftliches Problem,
das wir alle gemeinsam bekämpfen
müssen.
Peter Kopf: Dies kann ich nur unterstreichen. Es ist wirklich so, dass die Reichen
reicher und die Armen zahlreicher
werden.
Danke für das interessante Gespräch.
Die Fragen stellte Franz Abbrederis von
der IfS-Redaktion.
Word-Rap mit Dr. Karl Waltle
Was fällt Ihnen spontan und kurz zu
folgenden Worten ein?
Geld: ist Medikament und Gift
Lieblingsort:
Fliess im Tiroler Oberinntal
Musik: Johann Strauss
Schulden: müssen in einem gesunden Verhältnis zu Einkommen und
Vermögen stehen
IfS: Unsere Hochleistungsgesellschaft
schüttelt leider viele Menschen ab.
Das IfS reicht ihnen die Hand.
Vorarlberg: Ein wunderschönes Land
mit überdurchschnittlich motivierten Menschen
Lieblingsspeise:
Waltraud’s Käsknöpfle
Welches Land möchten Sie noch besuchen?: Neuseeland
Kreditkarte:
Praktisch aber verführerisch
Soziale Errungenschaft:
Unser teures, aber unglaublich hochentwickeltes Gesundheitssystem
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Die 20 Jahrfeier der IfS-Schuldenberatung am 8. April 2008 im ORF-Sendezentrum Vorarlberg bot für viele Raum Gespräche.
20 Jahre IfS-Schuldenberatung –
Seit zwanzig Jahren arbeitet die IfSSchuldenberatung gemeinsam mit den
betroffenen Klienten und Klientinnen
an der Lösung von Schuldenproblemen.
Zahlungspläne werden erstellt, die nötigen Maßnahmen für erfolgreiche Schuldensanierungen geplant und durch
verschiedene
Lösungsmöglichkeiten,
wie beispielsweise den Privatkonkurs,
umgesetzt.
Während sich im Gründerjahr 1988 insgesamt 224 Menschen Hilfe suchend an
die IfS-Schuldenberatung wandten, so
waren es 2007 bereits 2.539 Personen, die
in persönlichen Beratungsgesprächen
Wege aus der Schuldennot suchten und
mit Unterstützung der fachkundigen
BeraterInnen größtenteils auch fanden.
Jährliche Steigerungsraten zwischen
fünf und zehn Prozent sind normal.
„Trotz des großen Zustroms handelt es
sich bei den Hilfesuchenden jedoch nur
um einen Bruchteil jener Personen, die
sich tatsächlich in den roten Zahlen befinden“, ist Peter Kopf, Geschäftsführer
der IfS-Schuldenberatung, überzeugt
- schätzt er doch, dass es in Vorarlberg
zwischen fünf- und siebentausend Menschen gibt, die de facto pleite sind.
Schicksalsschläge sind nicht planbar
Die immer unübersichtlicheren Angebote im Finanzierungsbereich, in der
Vermögensveranlagung, bei der Führung eines Gehaltskontos oder bei den
Angeboten des Handels überfordern
zunehmend auch Menschen aus höheren Bildungsschichten. Diese Überforderung gepaart mit nicht planbaren
Schicksalsschlägen wie Arbeitslosigkeit, Scheidung, Unfall oder Krankheit
Wir stellen vor: Das Team der IfS-Schuldenberatung
v.l.n.r.: Eike Grabher, Claudia Jankovsky, Marie-Louise Hinterauer, Peter Kopf, Elke Werle, Ottmar Krämer, Traudl Großkopff,
Robert Walch, Christine Breznik, Marga Moosbrugger, Karlheinz Bonetti
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Schicksalsschläge sind nicht planbar
kann schnell zu einer unüberwindbaren
Schuldensituation führen. „Der Weg von
einer noch finanzierbaren Verschuldung
in eine nicht mehr bezahlbare Überschuldung ist kurz!“, weiß Peter Kopf
aus jahrelanger Beratungserfahrung.
Gerade dann ist es nötig, rasche, unbürokratische und gezielte Hilfe anzubieten, ganz nach dem IfS-Motto „Wir helfen weiter.“
Weil Hilfe schnell angeboten werden
muss, stehen die BeraterInnen der IfSSchuldenberatung jeden Donnerstag
für Sprechtage in Bregenz, Feldkirch
und Bludenz zur Verfügung. Ohne Anmeldung, kostenlos und anonym werden die wichtigsten Anliegen gehört
und die nächsten Schritte geplant. „Der
Sprechtag ist wie ein Navigationsgerät
in die Schuldenberatung. Man landet
direkt bei einem Berater bzw. einer Beraterin und es kann sofort losgehen“,
freut sich Kopf über dieses stark frequentierte Angebot. Auch die anonyme IfS-Internetberatung ist ein Zugang
(www.ifs-beratung.vol.at).
Mehr Männer –
aber die Frauen holen auf
Immer noch ist es so, dass mehr Männer als Frauen - in einem Verhältnis von
62 zu 38 Prozent - die IfS-Schuldenberatung aufsuchen. Anders ist die Situation bei den jungen Hilfesuchenden:
Beinahe gleich viele junge Frauen wie
Männer benötigen Unterstützung. Ein
Signal, dass sich die bisherige Formel
„Schulden sind jung und männlich“ in
den kommenden Jahren ändern wird.
Zurückzuführen ist dies auf die zunehmende Selbstständigkeit von jungen
Frauen und die damit einhergehenden
Wohnkosten, die Kosten für Mobilität,
das Auto, den Führerschein und sicher
auch durch ein Angleichen von weiblichem, bedachtem Verhalten an männliches, risikofreudiges Verhalten.
Etwa zwei Drittel der Beratungen werden erfolgreich abgeschlossen - entweder durch eine schnelle Abklärung und
die damit erzielte Neuausrichtung oder
durch einen Privatkonkurs, der einen finanziellen Neubeginn verspricht.
●
2.500ster Finanzführerschein überreicht
Eine erfolgreiche Initiative zieht Bilanz
Bereits nach zwei Jahren kann die
erfolgreiche Initiative „Vorarlberger Finanzführerschein - Fit fürs
Geld“ ein wichtiges Jubiläum
begehen: Landesrätin Dr. Greti
Schmid überreichte im Rahmen
einer Feier in der Jungen Halle der
Dornbirner Frühjahrsmesse den
2.500sten
Finanzführerschein
an Daniel Madlener, Schüler der
Hauptschule Koblach.
Der Finanzführerschein ist eine
österreichweit einzigartige Initiative, die darauf abzielt, Kindern
und Jugendlichen zwischen 11
und 18 Jahren einen richtigen
Umgang mit Geld zu vermitteln.
In Workshops erfahren die jungen
Menschen, wo überall Finanzfallen lauern und werden so „Fit fürs
Geld“.
Das Foto zeigt Landesrätin Dr. Greti Schmid und die stolzen Besitzer der Finanzführerscheine 2499, 2500 und 2501 Beate Brückler, Daniel Madlener Selina Olipic
(SchülerInnen der Hauptschule Koblach), Andrea Burtscher, Raiba Koblach sowie
Marga Moosbrugger und Peter Kopf von der IfS-Schuldenberatung.
Diese gemeinsame Aktion von
Land Vorarlberg, IfS-Schuldenberatung, AK Vorarlberg, AMS, Wirtschaftskammer, „aha - Tipps und
Infos für junge Leute“ und vier
Vorarlberger Banken zeigt bemerkenswerte Erfolge. Die Jugendlichen berichten, dass sie jetzt
besser auf ihr Geldleben vorbereitet sind und vor unbedachten
Ausgaben oder Kreditaufnahmen
das Gelernte zu Rate ziehen werden.
●
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Geldnöte machen krank
Zahlungsunfähigkeit betroffen. „Während sich die Unternehmensinsolvenzen
durch den konjunkturellen Aufschwung
rückläufig entwickeln, steigen die Insolvenzen natürlicher Personen in alarmierender Weise an“, so Curt Wolfgang
Hergenröder, Professor an der Universität Mainz und Wissenschaftlicher Leiter
des Schuldnerfachberatungszentrums
in Rheinland-Pfalz. Beantragten 2005
in Deutschland 68.898 Personen die
Eröffnung eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, so waren es im folgenden
Jahr bereits 92.310; ein Anstieg um 33
Prozent. Untersuchungen zufolge waren im Jahr 2006 ungefähr 2,9 Millionen
Privathaushalte überschuldet, das heißt
etwa 7,3 Prozent aller Privathaushalte
sind in Deutschland von einer extremen
Ausgabenarmut betroffen.
Überschuldete Menschen sind häufiger
krank, nehmen aber gleichzeitig das Gesundheitssystem weniger in Anspruch.
Wie eine Studie des Instituts für Arbeits-,
Sozial- und Umweltmedizin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zeigt,
leiden von zehn überschuldeten Personen acht zumindest an einer Krankheit,
wobei den Betroffenen vor allem psychische Erkrankungen und Gelenk- und
Wirbelsäulenerkrankungen zu schaffen
machen.
„Die Studie zeigt erstmals quantitativ
den Gesundheitszustand von überschuldeten Privatpersonen in Deutschland auf“, sagt Stephan Letzel, Direktor
des Instituts für Arbeits-, Sozial- und
Umweltmedizin und Leiter der Studie
„Armut, Schulden und Gesundheit“
(ASG-Studie). „Zusammenfassend müssen wir feststellen: der Gesundheitszustand dieser Personengruppe ist absolut
mangelhaft“.
Ein immer größer werdender Anteil der
Bevölkerung ist von Verschuldung und
Dass zwischen Armut und Gesundheit
ein Zusammenhang besteht, ist wissenschaftlich eindeutig belegt. Dies trifft
nicht nur für Länder der Dritten Welt,
sondern auch für westliche Industrienationen zu. „Nur, wie es sich in der speziellen Risikogruppe der überschuldeten
Bürger darstellt, darüber war bislang
nichts bekannt“, erklärte Eva Münster,
Juniorprofessorin für Sozialmedizin und
Public Health an der Uni Mainz und Leiterin der ASG-Studie. Mit der Studie „Armut, Schulden und Gesundheit“ liegen
nun erstmals Daten über die tatsächliche sozialmedizinische Situation von
überschuldeten Privatpersonen vor.
Die Erhebung erfolgte zwischen Juli
2006 und März 2007 in Kooperation
mit 53 Schuldnerberatungsstellen durch
eine schriftliche Befragung.
Insgesamt nahmen 666 Personen im
Alter zwischen achtzehn und 79 Jahren
daran teil. Rund achtzig Prozent der Probanden gaben an, derzeit an mindestens
einer Erkrankung zu leiden, im Durchschnitt wurden zwei Erkrankungen pro
Person genannt. Psychische Erkrankungen wie Angstzustände, Depressionen
oder Psychosen sowie Gelenk- und Wirbelsäulenerkrankungen sind mit jeweils
rund vierzig Prozent die häufigsten Beeinträchtigungen – unter denen Frauen
übrigens jeweils deutlich häufiger leiden als Männer. Auch von Schilddrüsen-
problemen scheinen Frauen eher betroffen zu sein, während Männern häufiger
Sucht- und Abhängigkeitserkrankungen
zu schaffen machen: Jeder fünfte überschuldete Mann antwortete auf die betreffende Frage mit „habe ich derzeit“.
„Im Vergleich zur nicht überschuldeten
Bevölkerung stellen wir bei Überschuldung ein zwei- bis dreifach größeres
Risiko fest, an bestimmten Krankheiten
erkrankt zu sein. Das ist eklatant“, sagt
Münster. „Eine zusätzliche Belastung
ist, dass sich bei etwa der Hälfte der
Überschuldeten Freunde oder Familie
aufgrund der finanziellen Notlage zurückziehen. Das macht dann alles noch
schlimmer.“
Zu dem defizitären Gesundheitszustand
der überschuldeten Privatpersonen
kommt als nächstes das Problem der
geringeren Inanspruchnahme medizinischer Leistungen hinzu. 65 Prozent
der Befragten haben, nach eigenen Angaben, aus Geldmangel die vom Arzt
verschriebenen Medikamente nicht
gekauft. Sechzig Prozent haben Arztbesuche unterlassen, weil sie die nötigen
finanziellen Mittel für die Zuzahlungen
nicht aufbringen konnten. Und auch in
anderer Hinsicht kann die untersuchte
Personengruppe den Forderungen nach
einem gesunden Lebensstil nicht nachkommen: Ungefähr jeder zweite gibt an,
sich infolge der Überschuldungsproblematik weniger gesund zu ernähren, und
ist zudem weniger sportlich aktiv.
„Die ASG-Studie“ legt den eindeutigen Schluss nahe, dass es sich bei der
Überschuldungsproblematik nicht ausschließlich um ein ökonomisches oder
juristisches Problem der Betroffenen
handelt, sondern dass gerade gesundheitliche und soziale Probleme dominieren und eine Einschränkung insbesondere bei der gesundheitlichen Versorgung
vorliegt“, so das Fazit der Autoren. Sie
raten dringend dazu, fächerübergreifende Präventionsprogramme einzurichten,
in die die Sozialdienste der Schuldenberatungsstellen, der Arbeitslosenberatungsstellen und des medizinischen
Bereichs einbezogen werden.
●
aus: Sozialmagazin, 33. Jg. 4/2008
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Rund ums Taschengeld
Kinder und Konsum in Österreich
Rund 400 Millionen Euro erhalten Österreichs Kinder und Jugendliche jährlich
an Taschengeld. Ein beachtlicher Markt,
der von der Wirtschaft auch heftig umworben wird.
• Mädchen und Jungen werden gleich
behandelt.
• Die Höhe des Taschengeldes sollte mit
dem Kind bzw. den Kindern besprochen werden.
Taschengeld bietet Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit, den Umgang
mit Geld zu lernen. Auch durch Fehler.
Vorarlberger Jugendliche beziehen im
Durchschnitt monatlich rund Euro 37,Taschengeld.
Viele unserer Verhaltensweisen werden
bereits im Kindesalter geprägt. So auch
der Umgang mit Geld. Mit Taschengeld
können Kinder lernen, mit Geld umzugehen.
Grundsätzliches
• anhand ihrer Wünsche, was Geld wert
ist.
• eigenverantwortliche Entscheidungen
zu treffen.
• Rücksicht auf die finanzielle Situation
der Familie zu nehmen.
• wie der Geldbedarf in der Familie geregelt wird!
• dass Bedürfnisse nicht immer gleich
erfüllbar sind!
• dass Geld schnell ausgegeben ist,
wenn man es nicht einteilt!
Es gibt keinen gesetzlichen Anspruch
auf Taschengeld und keine Regel für die
Höhe des Taschengelds.
Es gibt aber einige Empfehlungen von
Fachleuten für den Umgang mit Taschengeld:
• Taschengeld sollte dem Kind zur freien
Verfügung überlassen werden.
• Taschengeld sollte pünktlich und in einem Betrag ausbezahlt werden.
• Es gibt keinen Taschengeldvorschuss.
• Taschengeld ist nicht für notwendige Anschaffungen bestimmt.
• Zu schnell ausgegebenes Taschengeld darf nicht wieder
ersetzt werden.
• Taschengeld soll nicht
aus Strafe gekürzt oder
entzogen werden.
• Was andere Kinder
an Taschengeld erhalten, ist kein Maßstab für die Höhe
des Taschengeldes
bei den eigenen
Kindern.
Warum Taschengeld?
Kinder lernen ...
Wieviel Taschengeld soll ich geben?
Empfehlung
Die angeführte Tabelle ist ein
Hilfsmittel und ein Anhaltspunkt. Hilfreich ist, die Kinder
in die Diskussion einzubeziehen.
Nehmen Sie sich zum
Aushandeln der Taschengeldhöhe und
der Vereinbarungen
genügend Zeit. Es ist
eine Chance, sich intensiv mit dem Thema Finanzen auseinanderzusetzen.
●
Alter
Betrag in Euro
Auszahlung
8 - 10 Jahre
1,50 - 3,00
wöchentlich
10 - 12 Jahre
12,00 - 18,00
monatlich
12 - 14 Jahre
18,00 - 23,00
monatlich
14 - 16 Jahre
23,00 - 30,00
monatlich
16 - 18 Jahre
30,00 - 50,00
monatlich
18 - 20 Jahre
50,00 - 70,00
monatlich
6 - 8 Jahre
0,50 - 1,50
wöchentlich
Wenn’s schon
eng geworden ist –
Tipps für den Umgang mit
Geld
• Budgetplanung machen! –
Es ist nie zu spät!
• Führen Sie ein Haushaltsbuch – das
kann Einsparungen bis über 20 %
bringen.
• Versteckte Kosten finden (Zigaretten,
Handynutzung, häufige Restaurantbesuche ...).
• Kein Überziehungsrahmen auf dem
Konto: damit fällt die psychologische
Erlaubnis, Schulden übers Konto zu
machen.
• Abos stornieren: Zeitungen, Mitgliedschaften.
• Daueraufträge durchforsten.
• Nur einmal pro Monat Geld von der
Bank beheben: Vier Kuverts mit den
vier Wochenbeträgen – jeden Montag ein neues Kuvert öffnen.
• Fixe Kosten sind tabu: Verträge, Abos,
...
• Belege immer verlangen: das schafft
Überblick und vor allem, Umtausch
ist dann möglich.
• Überflüssige Versicherungen kündigen – notwendige behalten (Haftpflicht, Haushalt ...).
• Auto: nötig? Fahrten: sinnvoll und
nötig?
• Nur bar bezahlen: Keine Karten!
• Nur soviel Bargeld in die Geldtasche
geben, wie auch ausgegeben werden
kann und darf.
• Nie mehr Schnäppchen kaufen!
• DVD ausleihen (auch bei Freunden
statt in der Videothek) statt ins Kino
gehen.
• Die Lebenshaltungskosten steigen
und sind hoch genug: Nur mit Einkaufszettel einkaufen gehen!
• „Private“ Ausgaben überprüfen (Geld
für erwachsene/selbst verdienende
Kinder).
• Telefon: nötig?
• Wohnungswechsel möglich?
• Lieber Schulden tilgen als Sparen
– die Rendite ist immer größer.
• Zauberwort: NEIN, DANKE! Bei neuen
Angeboten für Versicherungen, Käufen, Krediten ...
●
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Seite 14
Richtiger Umgang mit Geld:
FachhochschülerInnen
erarbeiten
Finanzmaterialien
die offizielle Übergabe der Materialien
an die IfS-Schuldenberatung statt. Neben MitarbeiterInnen der IfS-Schuldenberatung ließen es sich auch Partner
des Vorarlberger Finanzführerscheins,
der verantwortliche Professor Christian
Dorn und der Studiengangleiter Frederic
Fredersdorfer nicht nehmen, persönlich
zu erleben, was in dieser kurzen Zeit entwickelt wurde.
Von den Bedürfnissen bis zum Handy
Das Themenspektrum war breit gefächert. Neben Themen, welche die Finanzkompetenz von Jugendlichen schulen, wurden auch Unterlagen erarbeitet,
die sich mit Konsum beschäftigen und
zu einem erweiterten Bewusstsein führen. Ein kurzer Überblick:
Schwerpunkt „Bedürfnisse“
Eine Zusammenarbeit des Vorarlberger
Finanzführerscheins mit der Fachhochschule Dornbirn ergänzt das Workshopangebot.
Im Sommersemester 2008 setzten sich
die StudentInnen des 4. Semesters des
Studiengangs Soziale Arbeit im Fach
Pädagogik mit dem Vorarlberger Finanzführerschein auseinander. Nachdem die
bestehenden Unterlagen von Marga
Moosbrugger (IfS-Schuldenberatung)
vorgestellt und von den StudentInnen selbst ausprobiert worden waren,
machten sich die StudentInnen Gedanken darüber, welche Themen ergänzend
hinzugefügt werden können und in welcher Form die Materialien gestaltet sein
müssen, damit sie für Jugendliche im
Alter von 14 bis 16 Jahren passend sind.
Nach intensiver Recherche und Arbeit
am Produkt fand am 24. Mai schließlich
Die Jugendlichen lernen in diesem Workshop anhand von praktischen Beispielen,
worum es sich bei Bedürfnissen handelt
und welche Bedeutung diese in ihrem
täglichen Leben haben. Hierbei wird die
Maslow‘sche Bedürfnispyramide vorgestellt und mit konkreten Beispielen der
SchülerInnen erarbeitet. Dadurch lernen
sie, bewusst mit Bedürfnissen umzugehen und diesen eine individuelle Gewichtung zu geben.
Schwerpunkt „Werbung“
In diesen Einheiten wird der Blick für die
unterschiedlichen Werbemechanismen
geschärft. Anhand von Beispielen wird
vermittelt, wie Werbung das Verhalten
der KonsumentInnen nachhaltig beeinflusst. Mittels Rate- und Zuordnungsspielen erkennen die SchülerInnen, wie
sehr sie bereits von Werbung geprägt
wurden. Werbetechniken werden erläutert und gemeinsam ein Werbespot
analysiert.
Schwerpunkt „Budgetplan“
Um Jugendlichen zu vermitteln, wie viel
das tägliche Leben kosten wird, wendet
sich dieser Workshop vor allem an Schü-
lerInnen von Polytechnischen Schulen.
Anhand des zukünftigen Lehrlingsgehalts wird ein Budgetplan erstellt, der
tägliche, wöchentliche und jährliche
Ausgaben berücksichtigt. Die erste Berechnung ist gleichzeitig auch Grundlage für eine vertiefende Auseinandersetzung zum Thema „Balance im Budget“.
Schwerpunkt „Internet“
Ein Konzept für ein Online-Spiel wurde
in dieser Gruppe erarbeitet. Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass Gefahren
im Internet am besten direkt im Internet kennen gelernt werden. Das Spiel
stellt hierzu einen sicheren Rahmen zur
Verfügung. Themen wie Versandhäuser,
Auktionshäuser, Online-Games, MusikDownloads, Partnersuche und Erotik
können so ohne Gefahr erkundet werden. Eine Umsetzung dieses Konzepts
ist geplant und steht dann SchülerInnen und LehrerInnen samt Leitfaden zur
Verfügung.
Schwerpunkt „Handy“
Weil das Handy unverzichtbarer Begleiter von Jugendlichen ist, werden in
diesem Workshop spezifische Kostenfallen und Einsparungsmöglichkeiten
thematisiert. Welche Gefahren bergen
Paybox und Downloads von Logos und
Klingeltönen? Wie kann man diese Fallen umgehen? Wie wähle ich den besten
Handytarif für mich aus? Worauf ist besonders zu achten? Diese Fragen werden mit den Jugendlichen bearbeitet
und hilfreiche Tipps weitergegeben.
Bei der Präsentation in der FH Vorarlberg
waren neben Projektleiterin Mag. Marga
Moosbrugger auch der Geschäftsführer
der IfS-Schuldenberatung Peter Kopf,
der Studiengangsleiter „Sozialarbeit“
an der Fachhochschule Prof. Dr. Frederic
Fredersdorfer, Franz Abbrederis vom IfS
Vorarlberg und zwei Vertreterinnen der
Hypobank mit dabei.
●
Mag. Marga Moosbrugger
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Abendmahl in Teufels Küche
Über die Mysterien der Warenwelt
Buch
tipp
von Gabriele Sorgo
Styria Verlag, 2006
ISBN 978-3-222-13200-1
Was haben Warenwelt und Religion
gemeinsam?
Wem diese Verknüpfung etwas wagemutig vorkommt oder um eine Antwort
verlegen ist, der kann sich beim Lesen
des Buches „Abendmahl in Teufels Küche. Über die Mysterien der Warenwelt“
an die Fersen von Gabriele Sorgo heften
und ihren Überlegungen hierzu folgen.
Dabei öffnet sie den LeserInnen zum
einen die Augen für Wortentlehnungen
aus dem Religiösen, die heute für die
Beschreibung der Warenwelt herhalten.
So wird etwa von Konsumtempeln gesprochen oder, wer die negativen Auswirkungen des Konsumverhaltens betonen will, vor Konsumhöllen gewarnt. Vor
manchem Einkaufszentrum könnte man
heute staunend in die Höhe schauen,
wie es vor einiger Zeit nur vor Kirchen,
Kathedralen und Moscheen der Fall war.
Zum anderen zeigt Gabriele Sorgo in einem historischen Abriss auf, wie religiöse
Orte und Feste schon seit jeher mit Konsum und dionysischen Feiern verknüpft
waren. Märkte fanden an Pilgerstätten
statt und das Kirchweihfest war stets
verbunden mit einem großen Marktfest. Beides war wie selbstverständlich
miteinander verknüpft und diente den
Menschen, um für eine kurze Zeit aus
dem Alltagsleben auszusteigen.
Transzendentale Erfahrungen sind nach
wie vor bedeutend für die Menschen.
Der Unterschied ergibt sich in der Art,
wie diese gemacht werden. Generell
waren früher transzendentale Erfahrungen stark an die Angebote der Religionen gebunden. Sie hatten hier eine Monopolstellung inne. Das hat sich stark
in den Konsumbereich verlagert. Der
häufigste Weg, eine transzendentale
Erfahrung zu machen, scheint heute der
zu sein, sich dem Kaufrausch hinzugeben und auf diese Weise den Alltag für
eine bestimmte Zeit zu vergessen. Der
größte Unterschied besteht also darin,
dass statt einer Orientierung auf etwas
Höheres, Größeres und Unerreichbares
hin die Verwirklichung aller Wünsche im
Jetzt und Sofort im Vordergrund steht.
Diese Fokussierung hat den großen
Nachteil, dass sie kaum mehr in soziale Strukturen eingebettet ist und im
Gegensatz zur Religion der Einzelne für
sein Heil selbst verantwortlich ist. Konsum ohne Tradition, ohne rituelle Einbindung ist aber sozial unwirksam, was
eine ständige Wiederholung des Vorgangs nötig macht und Kaufhäuser und
Produzenten nutzen dieses Potential
der Unzufriedenheit. Anstatt von Schuld
zu befreien, wie es sich die Religionen
zur Aufgabe gemacht hatten, finden
sich viele Konsumenten in der Situation
wieder, dass sie für das Konsumerlebnis
Schulden machen. Eine Verankerung in
der Vergangenheit, eine Tradition fehlt
somit in der Konsumwelt. Stattdessen
steht die Zukunft im Mittelpunkt, die
nicht selten durch das Verhalten heute
stark vorbelastet ist.
Mit dieser kurzen Darstellung zeigt sich,
dass Gabriele Sorgo nicht nur die Gemeinsamkeiten von Religion und Warenwelt anspricht, sondern auch auf die
Unterschiede eingeht und so von einer
besonderen Perspektive aus unsere Konsumkultur definiert. Auf den Punkt gebracht: Ein Abendmahl in Teufels Küche.
●
Mag. Marga Moosbrugger
IfS-Schuldenberatung
IfS-Studie
Was bewirkt die
IfS-Schuldenberatung?
Wie es weitergeht – wenn die Beratung beendet und die Akten geschlossen sind.
Häufig stellt sich die Frage nach dem
Nutzen der Beratung für den Einzelnen. Wie wirkt sich die Beratung
auf den Alltag der KlientInnen aus?
Antworten darauf suchte die IfSSchuldenberatung in persönlichen
Interviews mit 80 ehemaligen KlientInnen.
Rund 90% der Befragten stellen
durch die Schuldenregulierung eine
nennenswerte Veränderung in ihrem
Leben fest. Etwa die Hälfte spricht
von einem verbesserten Wohlbefinden und fühlt sich gesünder - vor allem weil der jahrelange Druck durch
die Schulden endlich verschwunden
ist.
Zudem berichtet die Hälfte der KlientInnen davon, ihre Finanzen nun
bedeutend besser im Griff zu haben. Auch in persönlichen Lebensbereichen wie Familie, Partnerschaft,
Arbeitsplatz und auf der Ebene des
eigenen Wohlbefinden lassen sich
Verbesserungen feststellen. Laut der
Umfrage profitieren Frauen, Berufstätige und Ledige am stärksten von
der Schuldenregulierung.
Die ausführlichen Ergebnisse der Studie finden Sie auf:
www.ifs.at/schuldenberatung.html
www.ifs.at
Seite 16
Projekt Brückenschlag
Beim Projekt „Brückenschlag“ wechseln
TeilnehmerInnen aus Wirtschaft und
Sozialbereich für einige Tage in den jeweils anderen Arbeitsalltag. Ziel dieser
Begegnung ist eine persönliche Horizonterweiterung, der Austausch von
Kompetenzen und die bessere Vernetzung der beiden Bereiche.
Eine ganz besondere Kombination hat
sich mit dem Casino Bregenz und der
IfS-Schuldenberatung ergeben: Casinodirektor Josef Semler war bei der
Schuldenberatung zu Gast und wurde
dort von Peter Kopf und Ottmar Krämer
betreut. Auf Gegeneinladung wechselte
Ottmar Krämer für einen Tag ins Casino
Bregenz.
Der ORF interviewte die drei Teilnehmer.
ORF: Schuldenberatung und Casino ist
eine etwas delikate Kombination. Haben
Sie sich die gegenseitig ausgesucht?
Semler: Ja, denn ich wusste zwar, dass es
die Schuldenberatung gibt, aber das war
dann schon alles. Für mich war es sehr
interessant, diese Chance zu erhalten
und mitzuerleben, wie bei der Schuldenberatung gearbeitet wird.
Kopf: Wir haben uns lange überlegt,
ob wir jemanden aus einer Institution
nehmen, die zum Teil andere Interessen
verfolgt als wir. Wir kamen dann aber zu
dem Schluss, dass wir hier im wahrsten
Sinne des Wortes einen Brückenschlag
bewirken können. Als wir auch noch
merkten, dass wir auf einer persönlichen
Ebene gut harmonierten, haben wir uns
gefreut, dass Herr Direktor Semler so offen und interessiert zu uns gekommen
ist.
ORF: Was für unterschiedliche Ziele sind
am augenfälligsten, wenn es um die
zwei Institutionen Casino und Schuldenberatung geht?
Semler: Beim Thema Schulden gibt es
Unternehmen, die als Verursacher da
stehen. Zu denen zählen auch wir als Casino. Hier muss ich aber sagen, dass wir
auch die Aufgabe haben, mit unseren
Gästen verantwortungsvoll umzugehen. Da gehört dazu, dass wir Gespräche
führen und auch Besuchsbeschränkungen aussprechen, wenn wir das Gefühl
haben, dass unsere Klienten zu oft ins
Casino kommen. In diesem Bereich tun
wir also fast das Gleiche wie die Schuldenberatung, allerdings nicht so gut,
das muss ich zugeben.
Kopf: Wir haben in vielen Gesprächen
über die unterschiedlichen Ziele unserer
Unternehmen gesprochen und das war
für mich ein ganz wichtiges Ergebnis
dieses Brückenschlags. Wir haben jetzt
einen wissenden Partner, auf den wir
zugehen können, wenn es Fragen, Anliegen und auch Kritikpunkte gibt.
ORF: Herr Semler, hatten Sie anfänglich auch ein wenig Berührungsangst,
Menschen gegenüber zu sitzen, die mit
Schuldenproblemen kämpfen?
Semler: Nein, überhaupt nicht. Wie gesagt, sind wir diesem Problem auch sehr
nahe, brauchen aber kompetente und
professionelle Partner, an die wir solche
Menschen weitergeben können.
ORF: Den Gegenbesuch beim Casino hat
Ottmar Krämer von der Schuldenberatung absolviert. Wie war diese Erfahrung für Sie?
Krämer: Für mich war es sehr interessant, erstens die normalen Casinoabläufe und Spielvarianten mitzuerleben und
dann vor allem die internen Sicherheitsstandards und Kontrollmechanismen
kennen zu lernen, mit denen man versucht, Kunden vor einer größeren Verschuldung zu bewahren. Man hat mir
auch Erfahrungshintergründe geschildert und erklärt, wie sich zum Beispiel
bestimmte Charaktere von Spielern herausbilden.
ORF: Bei Brückenschlag lassen sich die
Betriebe ja sprichwörtlich in die Karten
sehen. Gab es da seitens des Casinos
Vorbehalte?
Semler: Nein, überhaupt nicht. Wir
wussten, dass Herr Krämer als Fachmann im Bereich Schuldenberatung zu
uns kommt. Wir haben ihm unsere Arbeit daher auch ganz offen vorgestellt,
da er sie mit seinem Wissen und seiner
Ausbildung sicher anders beurteilen
kann als jemand, der mit der Materie
Schulden nicht vertraut ist.
ORF: Herr Semler, welche wichtigen
Erfahrungen haben Sie von Ihrem Brückenschlag mitgenommen?
Semler: Für mich war es sehr interessant, in die Rolle des Betroffenen hinüberzuwechseln und die Arbeitsweise der
IfS-Schuldenberatung kennen zu lernen:
ganz klar und strukturiert auf ein Problem einzugehen und Hilfe anzubieten,
ohne dabei Hintergründe zu befragen,
Schuld zuzuweisen oder sich emotional
zu involvieren.
Sich so eines Problems anzunehmen ist
etwas Positives, ein Schritt nach vorne
und ein Schritt zur Problemlösung. Das
zu beobachten war sehr lehrreich und
ich habe es auch an meine Mitarbeiter
weitergegeben.
ORF: Eines der Ziele von Brückenschlag
ist der Erwerb bzw. Austausch von Kompetenzen. Soziale Kompetenz für Wirtschaftsbetriebe und wirtschaftliche
Kompetenz für Sozialeinrichtungen.
Herr Kopf, hat es die Schuldenberatung
nötig, wirtschaftliche Kompetenz zu erwerben?
Kopf: Wir haben schon mehrmals am
Projekt Brückenschlag teilgenommen
und Einsätze betreut. Dabei wurde uns
von Managern schon oft erstaunt rückgemeldet, wie wirtschaftlich, zielorientiert und effizient wir arbeiten. Das
liegt auf der Hand, da unsere Aufgabe
ja die Entschuldung unserer Klienten ist.
Trotzdem ist es für uns wertvoll zeigen
zu können, dass wir Wirtschaftsbetrie-
www.ifs.at
ben in dieser Hinsicht keineswegs unterlegen sind.
ORF: Glauben Sie, dass das Projekt Brückenschlag auch gesellschaftliches Verständnis bzw. Veränderung bewirken
kann?
Krämer: Ich denke, dass das ein sehr
schleichender Prozess ist, der aber durch
solche Aktionen durchaus angeregt
werden kann. Der größte Nutzen dieses Projekts liegt darin, dass Einblicke in
eine andere Welt gewährt werden und
eine gewisse Nähe geschaffen wird. Das
baut Vorurteile ab, schafft gegenseitiges Verständnis und Ansprechpartner
auf der anderen Seite.
●
Quelle: ORF – Radio Vorarlberg
„Kultur nach 6“ vom 10.1.2008
Das Interview führte Martin Hartmann
Seite 17
FiFü-GewinnerInnen
auf der Frühjahresmesse
Buchtipp
Stefan Huber und Stephanie Thaler bei der persönlichen
Preisübergabe (mit Peter Kopf und Ottmar Krämer).
INFO – Brückenschlag
Teilnehmende Unternehmen
(Auszug):
Etiketten Carini, Rhomberg Bau, Illwerke VKW, Doppelmayr, Erne Fittings, Omicron, Giko Verpackungen,
Hirschmann Automotive
Teilnehmende Sozialinstitutionen
(Auszug):
Caritas, IfS, Lebenshilfe, Verein Neustart, DOWAS, Therapiestation Carina,
Stiftung Jupident, Gemeinsam Leben
Lernen, Vorarlberger Kinderdorf
Kontakt
Eva Jochum, Projektleiterin Brückenschlag, Kairos – Wirkungsforschung
& Entwicklung
Anton Walser-Gasse 4, 6900 Bregenz,
T 05574 / 58445
E [email protected]
Umgang mit dem Medienmix
im Familienalltag
von Dominique Bühler
und Inge Rychener
Atlantis, ein Imprint
der Orell Füssli Verlag
AG, Zürich 2008
ISBN 978-3-7152-1053-7
facts
www.brueckenschlag.org
• Weiterbildungsprogramm für Führungskräfte aus Wirtschaft, Sozialbereich und Landesverwaltung
• Initiative des Büro für Zukunftsfragen im Amt der Vorarlberger Landesregierung
• Seit 2002 rund 50 TeilnehmerInnen
Handyknatsch,
Internetfieber, Medienflut
Das Schätzspiel
Dieses Jahr war der Vorarlberger Finanzführerschein (FiFü) auf der Dornbirner
Frühjahresmesse in der Jungen Halle
vertreten. Neben Informationen rund
um den Finanzführerschein und über
das Thema „Verschuldung bei Jugendlichen“ wurde auch ein Schätzspiel veranstaltet. Zahlreiche TeilnehmerInnen
versuchten zu erraten, wie viele Münzen
in wie vielen Währungen in dem Glas
enthalten waren. Drei Personen kamen
mit ihren Tipps der richtigen Antwort
schließlich am nächsten. Stephanie Thaler, Stefan Huber und Max Blaßnig freuten sich über ihre Gewinne.
●
facts
IfS-Schuldenberatung
Mehrerauerstraße 3
6900 Bregenz
Tel.: 05574/46185
E-Mail: [email protected]
Mag. Marga Moosbrugger
Koordinatorin
E-Mail: [email protected]
www.fitfuersgeld.at
Eine Welt ohne Medien ist heute undenkbar; neben Büchern, Fernsehen
und Radio gehören Mobiltelefone,
PC-Spiele und Internet vor allem für
Jugendliche zum täglichen Leben. Eltern können sich diesbezüglich kaum
auf eigene Erfahrungen abstützen.
Umso wichtiger ist es für sie, sich mit
den Medien und ihren Möglichkeiten
zu befassen.
Dieses Buch regt an zur aktiven Auseinandersetzung mit Medien und
Inhalten: Wer Medieninhalte interpretieren und eigenständig werten
kann, hat Medienkompetenz erlangt
– und kann vom Medienkonsum profitieren.
Medienkompetenz kann sich bei Kindern und Jugendlichen nur mit einer
sachlichen, kritischen und liebevollen
Haltung der Eltern entwickeln. Erwachsene sollten sich ihrer Vorbildfunktion bewusst sein, ihre Kinder
ernst nehmen und auf ihre Bedürfnisse eingehen.
Die verschiedenen Medien werden
mit Blick auf ihre Eigenart und Wirkungsweise erläutert. Die Autorinnen
zeigen außerdem, wie man im Familienalltag mit Medien experimentieren kann.
●
www.ifs.at
Seite 18
45 Jahre Institut für Sozialdienste
von der Bürgerinitiative zum sozialen Dienstleister
de Vorarlberg“ entwickelte sich in den
vergangenen 45 Jahren das Institut für
Sozialdienste. Der Ausbau der IfS-Beratungsstellen und der Beratungsdienste
für verschiedenste Gruppen sowie die
Verwirklichung zahlreicher
Projekte ließen eine Institution entstehen, deren Einmaligkeit heute, wie Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer betont,
darin liegt „dass unter dem
Namen, dem Dach ,IfS‘ viele
unterschiedliche Dienstleistungen zusammenfinden, ohne sich gegenseitig
einzuengen oder zu behindern.“
Der Name ist Programm
Im vergangenen Jahr beging das Institut für Sozialdienste das Jubiläum
seines 45jährigen Bestehens. Aus diesem Anlass wurde die vielbewegte Geschichte des IfS von Univ. Prof. Dr. Gerhard Wanner schriftlich aufgearbeitet.
Gemeinsam präsentierten nun das Institut für Sozialdienste und die Rheticus
Gesellschaft im Palais Liechtenstein das
Werk „Die Geschichte des IfS-Vorarlberg
– Von der Bürgerinitiative zum sozialen
Dienstleister“.
Aus der am 22. November 1962 erstmals
zusammentreffenden „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lan-
Im Institut für Sozialdienste ist der
Name Programm. Mit „Institut“ wird
der Anspruch nach Professionalität und
Reflexion unterstrichen, mit „sozial“
im Begriff „Sozialdienste“ wird der Gegenstand definiert. Sozial ist, was dem
Menschen und der Gemeinschaft dient.
In diesen Dienst stellt das IfS all seine
Dienstleistungen, die Unterstützung
und Begleitung der KlientInnen stehen
im Zentrum der Bemühungen.
Auf die Wichtigkeit des IfS-Beratungsangebotes verweisen die kontinuierlich ansteigenden KlietInnenzahlen:
Nahmen 1994 insgesamt rund 13.500
Personen die Beratungsangebote des
IfS in Anspruch, so waren es im Jahr
2006 bereits 30.300 Menschen – ganz
nach dem Motte des IfS Vorarlberg:
Wir helfen WEITER.
Buchpräsentation im
Palais Liechtenstein
Unter den zahlreichen Gästen, die während der Präsentation der IfS-Geschichte anwesend waren, befanden sich u.a.
Landtagsvizepräsidentin Dr. Gabriele
Nussbaumer, Landesgerichtspräsident
Dr. Alfons Dür, leitender Staatsanwalt
Dr. Franz Pflanzner, Clubobmann Johannes Rauch, LAbg. Olga Pichler, der Präsident der Rheticusgesellschaft LAbg.
Dr. Elmar Schallert, Stadträtin Barbara
Schöbi-Fink (Feldkirch) , StR. Elisabeth
Mathis (Bregenz), Hofrat Dr. Ludwig
Rhomberg, Bürgermeister Dr. Heinz Bilz,
Bezirkshauptmann Dr. Bernd Salomon,
IfS-Vizepräsident Herbert Pruner, Prof.
Hans Sperandio, Hofrat Dr. Hermann
Girardi (einer der Gründerväter des IfS),
Pfr. Elmar Simma, IfS-Geschäftsführer
Stefan Allgäuer, Dr. Erika Neumann und
Leo Jäger (die damals ersten IfS-Mitarbeiter). Musikalische umrahmt wurde
die Veranstaltung durch die erfrischenden „Fiddle Kids“ unter der Leitung von
Andrea Holzer-Rhomberg.
●
Leserbrief
Liebe Redaktion,
Ich habe heute die IfS-Geschichte kurz durchgeblättert.
Erstaunlich, was ihr alles auf
die Füße gestellt habt. Nicht
in meinen kühnsten Träumen hätte ich mir zu Beginn
so etwas vorstellen können.
Ich gratuliere euch allen, an
der Front und in der Zentrale.
Unser Freund Sperandio hat
mit recht darauf hingewiesen,
da stecken Schicksale dahinter;
persönliches Leid und
Verzweiflung. Danke.
Herzliche Grüsse
Hermann Girardi
www.ifs.at
Seite 19
Wir helfen WEITER –
Unterstützende und begleitende Hilfe für Menschen in Not und Krisen
oder mehr sucht als findet - all diese
Menschen drohen in der Spirale des ,immer mehr und immer schneller‘ unter
zu gehen.“
Hilfe zur Selbsthilfe
Präsentation des IfS-Jahrresberichtes in Röthis
Erziehungs- und Trennungsprobleme,
drohende Armut, Wohnungsverlust
und Gewaltschutz sind u.a. Themen,
die den IfS-Beratungsalltag im vergangenen Jahr prägten. Insgesamt 30.317
Menschen konnten dahingehend unterstützt werden, Problemlösungen zu
erarbeiten und ihr Leben
wieder selbständig und
selbstbestimmt zu führen.
Auch das Jahr 2008 wird
ganz im Zeichen der Hilfe
für Menschen in schwierigen Lebenslagen stehen.
Neuerungen und Innovationen im Rahmen des IfSAngebots dienen der bestmöglichen Unterstützung
der Hilfesuchenden.
Die Lebenswelten der
Menschen werden immer
komplexer und bieten vielfältige Chancen und Entwicklungsperspektiven.
„Wer jung, fit und gesund
ist, für den scheint - fast
- alles möglich. Das Tempo ist atemberaubend,
die Anforderungen und
der Preis für dieses Leben
sind hoch“, berichtet IfSGeschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer. Immer mehr
Menschen können oder
wollen mit dieser Dynamik nicht (mehr) mithalten. „Wer langsamer ist,
weniger belastbar, nicht
gesund oder ‚Job-fit‘, wer
‚kein Glück‘ hat, wer nicht
strategisch plant und lebt
Traumatische Erlebnisse, das Ende von
Beziehungen und die Pubertät stellen
im Leben von Menschen Übergänge dar,
die in Krisen resultieren können. Aber
auch Dauerbelastungen, ungelöste
Konflikte oder fehlende Chancen können dazu führen, dass sich Menschen
ausgebrannt, krank, überschuldet oder
überfordert fühlen. „In solchen Notsituationen bietet das IfS Hilfe und Unterstützung an“, erklärt Allgäuer. „Unser
Ziel ist es immer, Menschen zu befähigen, ihr Leben selbständig oder so selbständig wie möglich zu leben.“
2007 in Wort und Zahl
Im vergangenen Jahr fanden insgesamt
30.317 Hilfesuchende im IfS kompetente
Unterstützung und entwickelten gemeinsam mit den zuständigen Fachpersonen neue Zukunftsperspektiven. Der
Gesamtumsatz des IfS betrug 2007 18,2
Millionen Euro. Aufgebracht wird diese
Summe überwiegend aus dem Vorarlberger Sozialfonds, von den Bundesministerien und aus den Eigenerlägen der
KlientInnen.
Neuerungen 2008
Um die Hilfesuchenden auf ihrem Weg
aus der Krise bestmöglich zu unterstützen, werden immer wieder neue Angebote entwickelt und bereits bestehende
Angebote den Bedürfnissen der KlientInnen angepasst.
So etwa wird der Bereich
„IfS-Kinderschutz“ weiter
ausgebaut und eine verstärkte Vernetzung mit
anderen Institutionen und
Opferschutzeinrichtungen
angestrebt, um eine bestmögliche Unterstützung
der Betroffenen zu garantieren.
Aufgrund der großen
Nachfrage bezüglich des
Beratungsschwerpunktes „Familienberatung bei
Trennung/Scheidung“ an
der
IfS-Beratungsstelle
Feldkirch wird dieses Angebot zukünftig auf weitere Regionen Vorarlbergs
ausgeweitet. Das Angebot
richtet sich insbesondere
an Familien, in denen Kinder von der Trennung der
Eltern mit betroffen sind.
●
Der IfS-Jahresbericht
ist auf der IfSHomepage unter
www.ifs.at zu finden.
www.ifs.at
Vorarlberger Kinderschutzeinrichtungen gegen
verschärfte Anzeigepflicht
bei Kindesmissbrauch
Im Sinne der Kinder
Die Vorarlberger Kinderschutzeinrichtungen IfS, Vorarlberger Kinderdorf,
SOS-Kinderdorf, aks Sozialmedizin und
Stiftung Jupident sprechen sich strikt
gegen eine verschärfte Anzeigepflicht
bei Kindesmissbrauch aus. „Eine sofortige Anzeige kann die dem Missbrauch
zugrundeliegenden Probleme niemals
lösen. Im Gegenteil, diese Vorgehensweise verhindert einen sensiblen Umgang mit den Opfern und birgt die Gefahr in sich, dass diese sich übergangen
fühlen, was eine weitere Verletzung
ihrer Grenzen bedeuten würde. Doch
vor allem misshandelte Kinder bedürfen einer behutsamen Unterstützung
durch fachlich geschulte Personen und
vorerst nicht einer polizeilichen Befragung“, so der einstimmige Tenor der
GeschäftsführerInnen der genannten
sozialen Organisationen.
Aus fachlicher Perspektive ist eine Verschärfung der Anzeigepflicht, von der
sämtliche Anlaufstellen und demnach
auch sämtliche Beratungsstellen für
Missbrauchsopfer betroffen wären,
abzulehnen. Diese führt dazu, dass
Opfer wie auch deren Angehörige
nicht mehr wagen, den Schritt in die
Beratung zu tun, und somit viele Missbrauchstaten niemals aufgedeckt und
Täter geschützt würden. Häufig scheuen sich Betroffene vor einer Anzeige,
vor allem wenn der Missbrauch noch
nicht als bestätig gilt. Die Opfer und
deren Angehörige wünschen sich anfangs beratende Unterstützung und
haben Angst davor, sofort Anzeige zu
erstatten.
„Es ist falsch, aufgrund des tragischen
aktuellen Falls in Amstetten Anlassjustiz zu betreiben“, betonen IfS-Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer, der
Geschäftsführer des Vorarlberger
Kinderdorf Dr. Christof Hackspiel, Geschäftsführer Manfred Ganahl von der
Stiftung Jupident, Mag. Helmut Fornetran, Geschäftsführer von aks Sozialmedizin und Dr. Sabine Juffinger vom
SOS-Kinderdorf.
●
Seite 20
IfS-Sachwalterschaft:
Neue Standorte im Sinne der
Seit 30. April 2008 ist die IfS-Sachwalterschaft an zwei Standorten zu finden.
Die Leitung sowie die zuständigen MitarbeiterInnen für den Bereich Unterland
beziehen neu die Stelle in Dornbirn,
Poststraße 2/4, wo auch die IfS-Bewohnervertretung zukünftig zu finden ist.
Der Bereich Oberland wird weiterhin
durch den Standort in Feldkirch abgedeckt. Lediglich die Büroadresse hat sich
dort geändert: Johannitergasse 6. Diese
räumlichen Verbesserungen werden
dazu führen, dass verstärkt regional
und vor Ort gearbeitet sowie die Nähe
zu den KlientInnen intensiviert werden
kann.
Persönliche und kompetente
Vertretung
Die MitarbeiterInnen der IfS-Sachwalterschaft setzen sich als gesetzliche
Vertreter für erwachsene Menschen mit
geistiger Behinderung oder psychischer
Krankheit ein. SachwalterInnen stehen
Personen, die ihre Angelegenheiten
nicht ohne Gefahr einer Benachteiligung selbst erledigen können und keine
facts
IfS-Sachwalterschaft
Leitung und Bereich Unterland
Poststraße 2/4
6850 Dornbirn
T 05572 /90 88 88
F 05572 / 90 88 88 - 43
E [email protected]
IfS-Sachwalterschaft
Bereich Oberland
Johannitergasse 6
6800 Feldkirch
T 05522/75191
F 05522/75191-23
E [email protected]
IfS-Bewohnervertretung
Poststraße 2/4
6850 Dornbirn
T 05572/908888
F 05572/908888-43
E [email protected]
geeigneten Angehörigen haben, persönlich und kompetent zur Seite. Zudem
bietet der Verein IfS-Sachwalterschaft
Beratungen und Schulungen für nahe
stehende Personen an.
Um den hohen KlientInnenandrang zu
meistern und zugleich den hohen qualitativen Standard der Arbeit bewahren
zu können, setzt die IfS-Sachwalterschaft auf eine Zusammenarbeit von
hauptberuflichen und ehrenamtlichen
SachwalterInnen. Hauptberuflich tätige
SachwalterInnen bringen die erforderliche Fachlichkeit mit in die Arbeit ein.
Ehrenamtlich tätige Personen verfügen
über ein hohes Engagement und können sich verstärkt intensiv um Einzelpersonen kümmern, sich Einzelschicksalen annehmen.
●
●
Anleitung für
Kurse in Dornbirn und Feldkirch
Sind Sie vom Gericht zum Sachwalter
für eine/n Angehörige/n bestellt worden? Oder ist in Ihrer Familie eine solche Aufgabe notwendig? Die IfS-Sachwalterschaft bietet in Kooperation mit
der Arbeiterkammer Vorarlberg Kurse in
Dornbirn und Feldkirch an.
Mit dem Thema Sachwalterschaft werden Angehörige altersverwirrter, geistig behinderter oder psychisch kranker
Menschen meist unvorbereitet konfrontiert. „Von einem Tag auf den anderen
wird man gesetzlicher Vertreter bzw.
Vertreterin eines Menschen, der mit
dem Leben alleine nicht mehr zurechtkommt“, weiß Mag. Florian BachmayrHeyda, Leiter der IfS-Sachwalterschaft.
Als Sachwalter übernimmt man Verantwortung etwa für die Einkommens- und
Vermögensverwaltung, jedenfalls für
die soziale Situation dieses Menschen.
An zwei Abenden werden rechtliche
Grundlagen und Praxisanleitung vermittelt, die Vortragenden gehen auf spezielle Fragen ein und die TeilnehmerInnen
www.ifs.at
Seite 21
„Ein Kind darf nie
ein Schadensfall sein.“
Regionalisierung
Gemeinsame Erklärung
Erschüttert zeigen sich die Lebenshilfe,
das Institut für Sozialdienste und die
Caritas Vorarlberg über das jüngste Urteil des Obersten-Gerichtshofs (OGH),
das den Eltern eines behinderten Kindes
den Ersatz sämtlicher Lebensunterhaltskosten für das Kind zuspricht. „Dieses
Urteil stellt die Existenzberechtigung
von Menschen mit Behinderungen
in Frage und das kann uns, die wir im
Dienste der Menschen mit Behinderungen stehen, nur erschüttern“, sind sich
IfS-Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer
Caritasdirektor Peter Klinger, und Geschäftsführer Dr. Werner Blum (Lebenshilfe) einig. Ein Kind darf nie ein Schadensfall sein!
SachwalterInnen
erhalten ausführliches Kursmaterial mit
Musterbriefen und -formularen. Kosten
für den Kurs: € 25,–.
●
Mag. Florian Bachmayr-Heyda
Leiter der IfS-Sachwalterschaft
Bachmayr-Heyda.fl[email protected]
Infos und Anmeldung
Termine:
Dornbirn:
Dienstag 7. und 14. Oktober 2008
Feldkirch:
Donnerstag, 6. und 13. Oktober 2008
jeweils 19.00 bis 21.30 Uhr
Anmeldung
im Bildungs-Center der AK Vorarlberg
T 05522/3551
Nähere Informationen zum Thema
Sachwalterschaft auch unter
www.ifs.at/sachwalterschaft
Bei
dem
aktuellen
OGH-Urteil
(5Ob148/07 m) geht es um den mittlerweile sechseinhalbjährigen Sohn eines
Kärntner Ehepaars. Das Kind wurde mit
Meningomyelozele (MMC), einem Defekt der Wirbelsäule, mit einem Wavsserkopf und Klumpfüßen geboren; der
OGH sprach den Eltern vollen Schadenersatz in Form der Übernahme sämtlicher Lebenshaltungskosten des Kindes
durch den Krankenhauserhalter zu, weil
die Behinderung des Buben im Zuge der
Pränataldiagnostik nicht erkannt wurde
und die Schwangerschaft deshalb nicht
abgebrochen worden war.
Problematisch ist, dass durch dieses Urteil der Druck auf ÄrztInnen und auf Eltern erhöht wird, pränataldiagnostische
Möglichkeiten anzuwenden. Wenn Eltern sich zu einer PND (Pränataldiagnose) entschließen, dann solle bei einem
auffälligen Befund der Schwangeren
und ihrem Partner genügend Zeit zur
Beratung und Entscheidungsfindung zur
Verfügung stehen. Vorgeburtliche Diagnosen müssen an eine rechtzeitige, umfassende, qualifizierte und begleitende
Beratung mit einer sachlich-wertfreien
Information gebunden sein, die von der
diagnostizierenden Stelle unabhängig
ist, so die Sozialorganisationen.
„Wie unsere tägliche Erfahrung zeigt,
ist das Leben von Menschen mit Behinderungen ebenso sinnerfüllt, wie das
von nicht behinderten Menschen. Menschen mit Behinderungen können ein
Leben in der Gesellschaft führen“, betont Blum. „Um dies zu gewährleisten,
soll der Staat die Akzeptanz von Menschen mit Behinderungen und den Mut
zu diesem Leben fördern“, schließen
sich Klinger und Allgäuer an. Die Integration von Menschen mit Behinderung
voranzutreiben, anstatt die Verantwortung in die Haftung von ÄrztInnen abzuschieben, sei die Aufgabe von Politik
und Gesellschaft. Behinderung ist eine
gesellschaftliche Herausforderung, die
sich nicht an einem finanziellen KostenNutzen-Denken orientieren darf, sind
sich die Sozialorganisationen einig. ●
Buchtipp
Verborgenes Licht
Gedanken für Zeiten der Trauer
von Erika WalchSommer und
Roswitha Mair
Tyrolia-Verlag,
Innsbruck 2008
ISBN 978-37022-2907-8
Sparsamkeit, Klarheit und Licht sind
die Grundbausteine der Texte dieser
kleinen Aufmerksamkeit für Trauernde.
Kurze Gedichte fangen Fragen und
Hoffnungen auf. Schlichte Worte
bündeln die wirren Gedanken, führen
sie behutsam in neue Perspektiven.
Naturaufnahmen lassen die Seele
zur Ruhe kommen und warten mit
unvermutet frischen Perlen auf. Da
wird es bald leichter ums Herz und
Trost und Freude kehren Schritt für
Schritt in die Träume zurück.
Ein unaufdringliches Geschenk, mit
dem man den richtigen Ton trifft. ●
www.ifs.at
Seite 22
Die Chancen der Migration erkennen
Studie
Schlechte Integration
verursacht hohe Kosten
Die heutige Diskussion zum Thema
„MigrantInnen“ ist leider all zu oft an
Defiziten orientiert und häufig negativ
konnotiert. Aber: „Anders sein bedeutet immer auch voneinander lernen
können“, betont IfS-Geschäftsführer
Dr. Stefan Allgäuer. „Es ist an der Zeit,
die Chancen, die mit Migration und Integration verbunden sind und sich aus
einer Vielfalt an Kulturen und Mentalitäten ergeben, in den Vordergrund zu
rücken.“
Weit über 40 Prozent der Landesbevölkerung haben einen Nicht-Vorarlberger
Hintergrund: Tausende Familien stammen ursprünglich aus anderen Bundesländern, aus Südtirol, aus dem Trentino,
der Türkei, dem ehemaligen Jugoslawien, aus Deutschland und vielen anderen
Ländern. „Vorarlberg hat in der Vergangenheit zahlreiche Zuwanderungswellen nicht nur erlebt, sondern davon auch
sehr profitiert. Ohne die Menschen mit
migrantischem Hintergrund“, so der
IfS-Geschäftsführer, „gäbe es den heutigen Wohlstand für den überwiegenden
Teil des Landes nicht in dieser Form. Es
ist wichtig, die in Vorarlberg vorhandene Vielfalt als Chance zu erkennen und
auch die Akteure in der Politik daran zu
erinnern.“
Jeder Mensch braucht Gemeinschaft
und das Gefühl der Zugehörigkeit und
Vertrautheit. Das Institut für Sozialdienste leistet dabei auf vielen Gebieten
Vermittlerdienste. Allgäuer: „Menschen,
die aus anderen Ländern kommen und
bei uns leben und arbeiten, fühlen sich
häufig isoliert und mit ihren Problemen allein gelassen. Sie stoßen oft auf
Ablehnung und Unverständnis, wo sie
Hilfe brauchen würden: bei Wohnungsund Arbeitssuche, bei Bildung und
Erziehung, bei Familien- und Schwangerschaftsproblemen, im Umgang mit
Gesetzen und Behörden, im Leben ihrer
Kultur und Religion. In unseren IfS-Beratungsstellen helfen muttersprachliche
MitarbeiterInnen bei der Verständigung.“ Neben Türkisch und Serbo-Kroatisch werden Beratungen für Menschen
aus dem südamerikanischen Raum auch
auf Spanisch durchgeführt.
Nach dem Bedarf an psychosozialer Unterstützung, der oft am Beginn eines
Kontaktes steht, suchen MigrantInnen
mittlerweile auch in den Bereichen Erziehungsberatung, Psychotherapie und
bei Problemen im familiären Umfeld
Hilfe. Ziel dieser Arbeit ist es, konkrete
Lebenshilfen zu besprechen und Vorurteile abzubauen.
„Denn“, so IfS-Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer abschließend, „in gegenseitiger Anerkennung miteinander ver-
Die
unzureichende
Integration
von Zuwanderern kostet den Staat
Deutschland jährlich schätzungsweise 16 Milliarden Euro. Mangelnde Sprachkenntnisse und fehlende
soziale Netzwerke erschweren die
Integration der Zuwanderer in den
Arbeitsmarkt. Dadurch gehen dem
Staat Einkommenssteuern und Beiträge in der Renten- und Sozialversicherung verloren.
Das ist das Ergebnis einer Studie des
Büros für Arbeits- und Sozialpolitische Studien (BASS) im Auftrag der
Bertelsmann Stiftung. Demnach kostet die mangelnde Integration Bund
und Länder jeweils 3,6 Milliarden
Euro pro Jahr, die der Sozialversicherungen liegen bei 7,8 Milliarden Euro.
Während von den weniger integrierten Zuwanderern in Deutschland 16
Prozent arbeitslos gemeldet sind,
sind es bei den integrierten 11 Prozent.
Die Kosten unzureichender Integration von Zuwanderern werden in der
Studie anhand ihrer Arbeitsmarktbeteiligung gemessen. Um Chancen
auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu
haben, benötigen Zuwanderer gute
Sprachkompetenzen und ein gutes
Bildungsniveau. Wenn sie sich zudem
sozial engagieren und damit in Netzwerke eingebunden sind, hilft dies
bei der Arbeitsplatzsuche.
Aus Forum 1/08
Bertelsmann-Stiftung
traut zu werden, stellt für beide Seiten
eine Bereicherung dar, den Horizont zu
erweitern.“
●
Dr. Stefan Allgäuer
IfS-Geschäftsführer
www.ifs.at
„Ich bin Österreicherin
und Dominikanerin
zugleich“
Interview mit einer IfS-Klientin aus der
Dominikanischen Republik
Frau Villasboa stammt aus der Dominikanischen Republik und lebt seit 20
Jahren in Vorarlberg. Sie ist Mutter von
drei Kindern und berufstätig.
Frau Villasboa, wie geht es Ihnen in
Vorarlberg?
Mir geht es gut, danke. Ich lebe gerne in
Vorarlberg.
Sind Sie integriert?
Ich bin schon der Meinung, dass ich gut
integriert bin. Ich habe drei Kinder, ich
arbeite hier, spreche die Sprache. Ja, ich
bin integriert, ich fühle mich fast wie zu
Hause.
Warum fast wie zu Hause?
Fehlt es Ihnen an etwas?
Äußerlich bin ich keine Vorarlbergerin.
Innerlich ziemlich. Wissen Sie, ich lebe
seit über der Hälfte meines Lebens in
Vorarlberg, mein Leben findet hier statt.
Wenn ich mich zurück erinnere, dann
gibt es eine Zäsur – bevor ich nach
Österreich kam und danach. Das Davor
verbindet mich mit meiner ersten Heimat. Das Danach verbindet mich mit
Vorarlberg, meiner zweiten Heimat.
Ich vergesse immer wieder meine Herkunft, nicht aber die Umwelt, in der ich
lebe. Sie erinnern mich immer wieder,
woher ich komme.
Sind Sie Österreicherin oder sind Sie eher
Dominikanerin?
Ja, ich bin Österreicherin. Und ja, ich bin
Dominikanerin. Ich bin beides. Manchmal das Eine mehr und manchmal das
Andere weniger.
Auch wenn es mir schwer fällt angesichts der ewigen Debatten über Integration und Ausländer und die Ausländerfeindlichkeit in der Luft, letztendlich
bin ich Wahlösterreicherin.
Ich kann mir nicht vorstellen, wieder
bzw. überhaupt in der Dominikanischen
Republik zu leben.
Das Interview führte
Sonia Pajon-Jenny.
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„Hindernisse wegräumen“
Wo steht die Integration von Menschen
mit Behinderung in Vorarlberg?
Seit fast zwanzig Jahren setzt sich „Integration Vorarlberg“ – ein aus einer
Gruppe betroffener Eltern entstandener Verein – beharrlich und konsequent
für die Integration von Menschen mit
Behinderung in sämtlichen Lebensbereichen ein. Waren in den 90er Jahren
Kindergarten und Schule Schwerpunkte
der Bemühungen, kam nach und nach
das Thema Arbeit im regionalen Umfeld hinzu. Ablösung vom Elternhaus,
Wohnen und Freizeitgestaltung warten
als große Zukunftsthemen. Viel hat sich
in diesen 20 Jahren bewegt. Bilder von
Integration zeigen, dass gemeinsames
Leben von Menschen mit und ohne Behinderung nicht nur Vision ist, sondern
gelebte Wirklichkeit werden kann.
Gemeinsam mit dem Institut für Sozialdienste und dem Land Vorarlberg wurde
im Juni 2007 im Foyer des Landhauses
die Ausstellung „H(k)indernisse wegräumen – Wo steht die Integration von
Menschen mit Behinderung in Vorarlberg?“ gezeigt.
Nach Präsentation der Ausstellung im
„Füranand“ im Zentrum an der Ach,
Dornbirn, im Messepark Dornbirn und
im neuen Sozialzentrum in Götzis wurde diese Ausstellung vom 5. bis 24. April
2008 auch im Landeskrankenhaus Feldkirch gezeigt.
Im Rahmen dieser Ausstellung diskutierten am 14. April 2008 in der Aula des
LKH Feldkirch folgende fünf Experten
zum Thema:
Menschen mit Behinderung:
Medizin-Ethik-Moral
DiskussionsteilnehmerInnen:
Dr. Karoline Artner, Psychologin, Werk
der Frohbotschaft, Lehrtätigkeit in München und Vorarlberg
Dr. Gabriele Nussbaumer, Landtagsvizepräsidentin, Mutter eines Sohnes mit
Behinderung
Univ.-Prof. Dr. Volker Schönwiese, Universität Innsbruck, Institut für Erziehungswissenschaften
Univ.-Prof. Prim. Dr. Peter Schwärzler,
Leiter der Abteilung Gynäkologie und
Geburtshilfe im LKH Feldkirch
Dr. Johannes Edlinger, Integration Vorarlberg, Vater einer Tochter mit Behinderung
Moderation: Mag. Peter Niedermair
Reingard Rauch, die Obfrau des Vereins
„Integration Vorarlberg“ begrüßte die
Gäste und Zuhörer in der Aula des Landeskrankenhauses Feldkirch.
Noch immer prägt der medizinische
Blick auf Menschen mit Behinderung
das Denken im Alltag. Behinderung wird
als Krankheit gesehen, als Leid, als Katastrophe. Menschen von Behinderung zu
„erlösen“, die Gesellschaft von Behinderung zu befreien sind als kulturelle
Konstrukte tief verwurzelt und führten
während der NS-Zeit zur systematischen Vernichtung von Menschen mit
Behinderung unter dem Titel „lebensunwertes Leben“.
Mit den neuen Möglichkeiten der Medizin, u. a. der pränatalen Diagnostik,
könnte diese Sichtweise ungewollt verstärkt werden. Je mehr die Medizin dazu
im Stande ist, vermeintliche „Garantien“
für ein gesundes Kind zu geben, um so
mehr, so ist zu befürchten, wird sich
die Abwehr gegenüber geschädigtem
oder behindertem Leben verstärken. Der
medizinische Fortschritt, der einerseits
eine riesige Chance darstellt, Krankheiten und Schädigungen präventiv oder
möglichst frühzeitig zu behandeln,
birgt auch ein erhebliches Risiko für die
gesellschaftliche Akzeptanz von Menschen mit Behinderung.
Ärzte und Ärztinnen tragen große Verantwortung für dieses Thema. Sie beraten Eltern in Sachen pränataler Diagnostik, überbringen die Diagnose,
beraten Eltern im Falle eines positiven
Bescheids, d. h. einer zu befürchtenden
Behinderung. Sie sind es auch, die Eltern
mit behinderten Kindern medizinisch
begleiten.
Univ.-Prof. Dr. Volker Schönwiese eröffnete dann die Diskussion mit einem
Impulsreferat. Er stellte folgende Fragen
in den Raum: Was ist Glück? Was ist ein
www.ifs.at
glücklicher Mensch? Wer entscheidet,
wer ein glückliches/glücklicheres Leben
hat? Muss der behinderte Mensch auf
sein Leben verzichten, weil es Höhen
und Tiefen haben wird? Dr. Schönwiese
sieht ein großes Manko in der Begleitung von Eltern nach der Diagnose „Behinderung“ für ihr Kind. Eltern werden
mit Informationen bedacht, würden
sich aber Begleitung in ihrer Trauer und
Verarbeitung wünschen.
Univ.-Prof. Prim. Dr. Peter Schwärzler
sieht die Ärzte in der Rolle der Überbringer der Hiobsbotschaft. Da Ärzte in ihrer
Ausbildung mit dieser Thematik nicht
konfrontiert werden, würden sie sich Hilfe wünschen. Sie werden mit der Situation alleine gelassen. Dr. Schwärzler stellt
fest, dass das Leben ab dem Zeitpunkt
der Geburt geschützt ist, Leben vor der
Geburt nicht! Es gibt auch keine Definition dafür, wo Behinderung anfängt. Ist
eine Kiefer-Gaumenspalte schon eine
Behinderung? Wer entscheidet schlussendlich, was eine Behinderung ist? Er
würde sich Beratung schon vor einer
Schwangerschaft wünschen, wenn die
Diagnose einmal gestellt ist, muss er
aus seiner Erfahrung Eltern oft zur Beratung überreden. In einer Gesellschaft,
in der es uns so gut geht wie in Österreich, gibt es eine immens hohe Rate
an Schwangerschaftsabbrüchen. Das
dürfte nicht sein. Sein Angebot, an der
Klinik eine Beratungsstelle aufzubauen,
würde Dr. Gabriele Nussbaumer sehr begrüßen und sie betont ihre Bereitschaft
zur Unterstützung. Sie selbst sei sehr
unzufrieden mit der gesetzlichen Situation. Kinder mit Behinderung seien laut
Gesetz vor der Geburt weniger Wert als
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Kinder ohne Behinderung.Neben dem
brisanten Thema der Pränataldiagnose
diskutierten die TeilnehmerInnen auch
die unterschiedlichen Auffassungen
von Integration von Kindern mit Behinderung in die Schule. Dr. Nussbaumer
betont, dass Vorarlberg stolz ist auf den
zweigleisigen Weg, nämlich Kinder in
die Regelschulen zu integrieren, gleichzeitig aber ein gut funktionierendes
Sonderschulwesen zu haben. Dr. Schönwiese fragt sich, was das denn für eine
Einstellung sei, wenn man zwar alles
tue, um vorgeburtliches behindertes Leben zu schützen, die Kinder aber später
dann in behinderte und nichtbehinderte separiert. Wenn Sonderschulen da
sind, müssen sie auch gefüllt werden,
das sei eine wirtschaftliche Tatsache. Er
spricht von einer „Sonderschulrettungsaktion“. Es gebe keinen empirischen
Beweis, dass Sonderschulen besser sind
als Integration in die Regelschule. 80 %
der Eltern würden sich Integration wünschen, die Beratung gehe aber stark in
Richtung Sonderschule. Vorarlberg sei
das Schlusslicht in Sachen Integration.
Als betroffener Vater reagierte auch Dr.
Johannes Edlinger auf die Integrationspolitik des Landes mit Kritik. Er hat als
Familie mit einem Kind mit Behinderung
die soziale Isolation in der Gesellschaft
und im Freundeskreis erfahren. Er erlebt
am eigenen Leib, dass Integration in der
Gesellschaft nur über direkte Kontakte
in Nachbarschaft, Dorf, sozialem Gefüge
möglich ist, darum ist es für ihn auch so
wichtig, dass sein Kind mit den Nachbarskindern zur Schule geht, neben der
Schule mit eben diesen Kindern spielen
kann. Denn nur Erwachsene, die als Kinder mit Menschen mit Behinderung in
Berührung gekommen sind, sich damit
auseinandergesetzt haben, gehen mit
einer Selbstverständlichkeit damit um.
Für Dr. Karoline Artner ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit das Wichtigste. Probleme lassen sich nur durch
Zusammenarbeit aller Beteiligten lösen.
Beispiele zeigen, dass Lösungen möglich
sind, wenn alle eingebunden sind. Systeme müssen durchlässig sein. Das Kind
und seine Eltern stehen im Mittelpunkt.
Dr. Schönwiese kritisiert da natürlich
auch das starre Schulsystem. Es muss
uns auch wichtig sein, dass unsere Kinder lernen, Glück ist nicht Schönheit,
Erfolg, Macht, Geld. Glück ist vor allem
Zufriedenheit, ein erfülltes, vielfältiges
Leben. Und das können Menschen mit
Behinderung genauso erleben wie Menschen ohne Behinderung. Wer entscheidet also, welches Leben wert ist, gelebt
zu werden?
●
facts
Der Verein „Integration Vorarlberg“
ist Mitglied beim „Netzwerk Eltern
Selbsthilfe“.
NETZWERK ELTERN SELBSTHILFE
Autistenhilfe Vorarlberg • AG DownSyndrom • ESH für sehgeschädigte
Kinder • EV für Menschen mit Behinderung, Bludenz • Integration Vorarlberg
Koordinatorin des Netzwerks Eltern
Selbsthilfe ist Mag. Marlies Vith.
Information:
Interpark FOCUS 1, A-6832 Röthis
T +43 (05523) 52176
E [email protected]
www.ifs.at
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3. IBK-Symposium für
Gesundheitsförderung und
Prävention
IBK-Gesundheitspreis 2008 verliehen
„Gesundheitsförderung und Prävention
in der Schule“ heißt das Siegerprojekt,
das mit dem 3. IBK-Gesundheitspreis
ausgezeichnet wurde. Das Projekt der
Schulgemeinde Flawil im Kanton St.
Gallen gewann ein Preisgeld in Höhe
von 5.000 Euro und eine Skulptur der
Jungkünstlerin Anna Waibel aus Hohenems. Die Preisverleihung fand anlässlich des 3. IBK-Symposiums für Gesundheitsförderung und Prävention im voll
ausgebuchten Festspielhaus in Bregenz
statt.
Insgesamt wurden 136 Projekte für
den Gesundheitspreis 2008 der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK)
eingereicht. 20 davon konnten sich
nominieren. Unter diesen 20 nominierten Projekten befanden sich 5 aus
Vorarlberg: „Im Gleichgewicht bleiben.
Tipps und Tricks für ein bewegtes Leben“ (Initiative Sichere Gemeinde, Land
Vorarlberg, Institut für Sozialdienste),
„Genuss-Detektive. Ein Gesundheitsförderungsprojekt für PflichtschülerInnen“ (aks Gesundheitsvorsorge GmbH),
„Gesunde Klasse. Verantwortung tragen
– für mich und die anderen“ (BG-Gallus),
„S’Kinderzügle. Hänschen auf gesunden
Wegen“ (Gemeinde Schwarzach, Kindergärten Dorf und Minderach, plan-b regionales Mobilitätsmanagement) sowie
„Mehr Spaß mit Maß“ (Stiftung Maria
Ebene).
Der erste Preis ging an das Projekt „Gesundheitsförderung und Prävention in
der Schule“ der Schulgemeinde Flawil
im Kanton St. Gallen. Die Auswahl der
drei Siegerprojekte fiel der international
besetzten Fachjury nicht leicht, denn
nicht nur die Anzahl, sondern auch die
Qualität der eingereichten Projekte
übertraf bei weitem die Erwartungen
der Organisatoren. Deshalb sprach sich
die Jury für eine Teilung des zweiten
Preises aus. Somit wurden, jeweils mit
2.500 Euro dotiert, zweite Preise vergeben an die Projekte „BIG – Bewegung
als Investition in Gesundheit“ vom Institut für Sportwissenschaft und Sport
an der Friedrich-Alexander-Universität
in Erlangen-Nürnberg (Bayern) und an
„Gemeinsam für unsere Kinder – Schülerverpflegung an einer Ganztagesschule im ländlichen Raum“ des Vereins Hilfe
von Haus zu Haus aus Gaienhofen von
der Halbinsel Höri im Bodensee (BadenWürttemberg).
Große Probleme pragmatisch gelöst
Nach Beurteilung der Fachjury gilt für
alle drei Siegerprojekte gleichermaßen, dass sie großen gesellschaftlichen
Problemen auf pragmatische Art und
Weise begegnen. Zudem zeichnen sie
sich alle dadurch aus, dass sie mit der
Beteiligung der Betroffenen einerseits
und einer strukturellen Verankerung der
Projekte andererseits der Nachhaltigkeit hinreichend Rechnung tragen. Und
schließlich wurde von der Jury auch das
Kosten-Leistungs-Verhältnis der ausgezeichneten Projekte als angemessen
beurteilt.
IBK-Gesundheitssymposium
Die Verleihung des 3. IBK-Gesundheitspreises fand im Rahmen des IBK-Symposiums für Gesundheitsförderung
und Prävention statt. Die Preise wurden
durch den Vorsitzenden der Internationalen Bodenseekonferenz (IBK) Regierungsrat Erhard Meister, Schaffhausen,
Landesstatthalter Markus Wallner, Gesundheitsreferent der Vorarlberger Landesregierung, und Roman Wüst, dem
Vorsitzenden der IBK-Kommission Gesundheit und Soziales und Generalsekretär des Gesundheitsdepartementes St.
Gallen übergeben. Außer den Preisgeldern erhielten die Vertreter des Siegerprojektes der Schulgemeinde Flawil eine
Skulptur, die von der jungen Vorarlberger
Künstlerin Anna Waibel aus Hohenems
gestaltet wurde. Die Projektträger aller
20 nominierten Projekte wurden ebenfalls zu der Veranstaltung nach Bregenz
sowie zu einer zweitägigen Studienreise
im Bodenseeraum eingeladen.
Das Projekt „Gesundheitsförderung im
Bodenseeraum“ wurde bereits 1999 von
v.o.n.u.: Die Werkstattbühne bot das richtige Ambiente;
Landesstatthalter Mag. Markus Wallner bei der Preisverleihung; alle Gewinner; Roman Wüst (Vorsitzender
der IBK), Peter Hartmann („Gesundheitsförderung und
Prävention in der Schule“) und Dr. Stefan Allgäuer (IfSGeschäftsführer) - Vertreter Vorarlbergs in der IBK.
den Regierungschefs der IBK ins Leben
gerufen und fand nach 2001 und 2005 in
diesem Jahr zum dritten Mal statt. Mit
Best-Practice-Beispielen und der Vernetzung von Anbietern und Multiplikatoren der Gesundheitsförderung soll in
der Bodenseeregion der Fachaustausch
über länderspezifische Formen der Gesundheitsförderung und Prävention verstärkt werden.
Namhafte Referentinnen
und Referenten am Symposium
Namhafte Referentinnen und Referenten boten an der ganztägigen Veranstaltung, die am 17. April im Festspielhaus
in Bregenz stattfand und mit gut 450
TeilnehmerInnen komplett ausgebucht
war, interessante fachliche Informationen sowie Anregungen, die den Dialog
und die Auseinandersetzung mit aktuellen gesundheitsrelevanten Themen
und gesellschaftlichen Entwicklungen
weiter fördern.
●
www.ifs.at
Seite 26
IfS-Familienarbeit
Für das Wohl der Kinder
Die Familie ist seit jeher ein Ort der Geborgenheit. Hier findet man Verständnis, Unterstützung und kann die Probleme des Alltags teilen. Gemeinsam wird
nach Problemlösungen gesucht, man
lernt, Rücksicht auf andere zu nehmen.
Was aber, wenn die Alltagsprobleme zu
groß werden, wenn finanzielle Schwierigkeiten, Konflikte oder Krankheit diesen Ort der Geborgenheit zerstören?
„Wenn nichts mehr weiter geht, werden
unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv“, so Dr. Hubert Löffler, Leiter der
IfS-Familienarbeit. „Wir unterstützen
Familien, die es aus eigener Kraft nicht
mehr schaffen, das gemeinsame Leben
zu meistern. Wir kümmern uns um das
Wohl der Kinder, damit diese weiterhin
eine unbeschwerte Kindheit in ihrer
Herkunftsfamilie erleben dürfen.“
Probleme haben alle – und sie kommen
in den besten Familien vor. Aber es gibt
auch Lösungen dafür und eine Zukunft,
in der Kinder aufwachsen können, ohne
unnötig zu leiden. Die Jugendwohlfahrt
hat den gesetzlichen Auftrag, sich für
das Kindeswohl einzusetzen. Ist das
Wohl der Kinder gefährdet, so wird die
Jugendwohlfahrt von erfahrenen Fachkräften der IfS-Familienarbeit unterstützt. SozialarbeiterInnen und PsychologInnen suchen die Familien zu Hause
auf und unterstützen die Eltern in ihrer
Erziehungsarbeit.
Für das Wohl der Kinder
Die IfS-Familienarbeit bietet ein spezialisiertes Hilfsangebot für Kinder und Familien, ist Ansprechpartner in allen Lebenslagen und hilf in Krisensituationen.
Zentrale Aufgabe ist die nachgehende
Unterstützung von Familien, in denen
die gesunde Entwicklung der Kinder bedroht ist. „Wir kümmern uns beispielsweise um Kinder, die zwar bei deren
Eltern leben, doch diese sind krank, psychisch schwer belastet oder sind wenig
gebildet, so dass sie nur unzureichend
für ihre Kinder sorgen können“, berichtet Löffler. „Oder wir kümmern uns um
Kinder, deren Eltern sich getrennt haben
und in so großen Konflikten verfangen
sind, dass sie nur in beschränktem Maße
für ihre Kinder da sein können.“ Zunehmend werden auch Kinder unterstützt,
deren Eltern arm und sozial isoliert sind,
so dass diese die positive Entwicklung
ihrer Kinder nur unzureichend sichern
können.
im Sinne des Kindeswohls abzugeben.
Darüber hinaus werden weitere Projekte für Kinder durchgeführt.
●
Hubert Löfler
Geschäftsführer der
IfS-Familienarbeit
loefl[email protected]
Mehr als 150 Familien werden
unterstützt
Die IfS-Familienarbeit kümmert sich
laufend um mehr als 150 Vorarlberger
Familien. Neben Hausbesuchen, im Rahmen derer die Eltern in ihrer schwierigen Erziehungsarbeit unterstützt werden, organisiert die IfS-Familienarbeit
Kindergruppen. In diesen können Kinder
gemeinsame Zeit mit anderen Kindern
verbringen und Neues lernen. Zugleich
werden die Eltern entlastet. Zudem koordiniert die IfS-Familienarbeit ehrenamtliche MitarbeiterInnen im ganzen
Land, die sich einzelner Kinder annehmen und sich speziell um diese kümmern. In anderen Fällen erstellen die
MitarbeiterInnen Gutachten für Pflegschaftsgerichte, um bei Besuchs- und
Obsorgestreitigkeiten eine Empfehlung
facts
IfS-Familienarbeit
Geschäftsführung: Dr. Hubert Löffler
E-Mail: loeffl[email protected]
IfS-Familienarbeit Feldkirch
Ganahl-Areal
Schießstätte 14
6800 Feldkirch
Tel.: 05522/39566-0
E-Mail: [email protected]
IfS-Familienarbeit Bludenz
Obdorfweg 1
6700 Bludenz
Tel.: 05552/66907
E-Mail: [email protected]
www.ifs.at
Projekt
„ ... trotz allem gesund!“
IfS-Familienarbeit setzt sich
für Gesundheit von armutsgefährdeten Menschen ein
Armut macht krank – dies ist mittlerweile wissenschaftlich unbestritten.
Wer arm ist, stirbt statistisch betrachtet um sieben Jahre früher, erkrankt
eher schwer, verunfallt häufiger und
ist gesundheitsgefährdenden Umweltbedingungen stärker ausgesetzt. Außerdem stehen finanziell
arme Menschen im Berufs- und Familienleben unter höheren physischen
und psychischen Belastungen. Das
von der IfS-Familienarbeit ins Leben
gerufene Projekt „ ... trotz allem gesund!“ hat es sich zum Ziel gemacht,
von Armut gefährdete oder betroffene Familien mittels individueller Beratung, Aktivitäten und persönlichen
Gesprächen zu gesundheitsbewusstem Verhalten zu motivieren.
Viele Familien haben ganz andere Sorgen, als sich um ihre Gesundheit zu
kümmern. Sie kämpfen mit finanziellen Schwierigkeiten, innerfamiliären
Konflikten oder anderen Problemen.
Da Gesundheit und Gesundheitsvorsorge jedoch ein sehr wichtiges
Thema sind, hat es sich die IfS-Familienarbeit zur Aufgabe gemacht, diese Familien ganz persönlich in Bezug
auf die eigenen Gesundheitsaspekte
und besonders auf die ihrer Kinder zu
beraten.
Motivation zu gesundheitsbewusstem Verhalten
Das Projekt „...trotz allem gesund!“
ist ein auf vier Jahre angelegtes Programm, bei dem die MitarbeiterInnen der IfS-Familienarbeit das Bewusstsein für gesunde Ernährung,
Bewegung und Prävention auch bei
jenen Menschen stärken, welche die
herkömmlichen Gesundheitsinformationen kaum wahrnehmen. Von
Armut gefährdete Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden durch
individuelle Beratung, Aktivitäten
und persönliche Gespräche zu gesundheitsbewusstem Verhalten motiviert.
●
Seite 27
Sicherheit und Freiheit –
Sturzprävention im Alter
Bericht über ein erfolgreiches Seminar
Am 29. April 2008 fand im Bildungshaus Batschuns ein Seminar zum Thema „Sicherheit und Freiheit – ein Spannungsfeld in der Betreuung und Pflege
daheim“ statt. Perfekt organisiert von
Angelika Pfitscher, Leiterin des Projekts
„Rund um die Pflege daheim“, setzten
sich betreuende Angehörige und Pflegefachleuten mit bewährten Möglichkeiten zur Verhinderung von Sturzfolgen im Alter auseinander.
Schutzmaßnahmen für den Alltag
Stürze sind eines der größten Lebensrisiken im Alter, Knochenbrüche am Oberschenkel bedeuten oft Pflegebedürftigkeit bis ans Lebensende. Ganz konkrete
Schutzmaßnahmen stellten Experten
aus dem Ländle vor: Lucia Hämmerle
– O’Mahony zeigte die neuesten Modelle von Hüftprotektoren, zu tragen wie
eine Unterhose, bequem und leicht zu
reinigen. Hüftprotektoren verhindern
ihrer Beobachtung nach über 90 %
der hüftnahen Knochenbrüche. Dieter
Visintainer referierte zu den Möglichkeiten der erst seit kurzem erhältlichen
Niedrig-Pflegebetten, die bis auf 30 cm
abgesenkt werden können; Sturzverletzungen aus dem Bett kommen damit
praktisch nicht mehr vor. Alexander
Feuerstein demonstrierte in Vorarlberg
hergestellte Pflegebetten und eine neue
Eigenentwicklung – die SeitenschutzAufstehhilfe, mit der viele Pflegebetten
nachrüstbar sind und die ein gefahrloses selbstständiges Aufstehen vom Bett
ermöglicht.
Gertraud Treml überzeugte bei der Präsentation verschiedener Varianten von
Sturzmatten, die neben das Bett gelegt
werden – ein einfaches aber wirkungsvolles Hilfsmittel, um Verletzungen bei
bettnahen Stürzen zu vermeiden. Zum
Abschluss führte Dieter Visintainer eine
Alarmmatte vor, die unter die Matratze
gelegt wird und bei Aufstehbewegungen die Betreuungsperson informiert.
Dieses Produkt ist inzwischen ohne lästiges Kabelwerk mit einem Funkemp-
fänger und auch für die Pflege zu Hause
erhältlich und besser als Babyphones,
die jedes Husten übertragen und nur
Stress bei der Betreuungsperson erzeugen. Die praktische Vorführung machte
die Veranstaltung abwechslungsreich
und lebensnah. Was besonders beeindruckte, war die Tatsache, dass es hervorragende Experten der Sturzprävention im eigenen Land gibt, die ihr Wissen
und ihre Erfahrung gerne mit einem interessierten Publikum teilten.
Informationen und Praxistipps
Für die Anwesenden gab es Informationen (was kostet ..., wo gibt es ...) und
konkrete Praxistipps: „Verwenden Sie
rutschfeste Noppensocken beim nächtlichen WC-Gang, aber nicht die vom Diskonter, sondern die aus dem Sanitätshaus, die halten ewig“. Moderiert wurde
der Nachmittag von Herbert Spiess, der
auch die thematische Einführung übernahm. In seiner Funktion als Bewohnervertreter beim Institut für Sozialdienste
setzt er sich beruflich mit dem Spannungsfeld Freiheitsbeschränkung durch
Bettgitter oder Fixierungen versus Alternativen auseinander. Die TeilnehmerInnen lobten den Neuigkeitswert und die
Praxisnähe und wünschten sich weitere
Veranstaltungen auch für den ambulanten Pflegebereich und für Krankenhäuser. Das Ziel ist, ältere und verwirrte
Menschen ohne Verletzungsgefahr und
unter Wahrung ihrer Menschenwürde
betreuen zu können.
●
v.l.n.r.: Gertraud Treml, Alexander Feuerstein, Lucia Hämmerle-O’Mahony, Herbert Spiess, Dieter Visintainer, Angelika Pfitscher
www.ifs.at
Seite 28
Anruf genügt ... uns nicht
Multiprofessionalität in der IfS-NASA*
für das eigene Leben zu entdecken und
möglicherweise ins eigene Lebenskonzept einzubauen.
Der vielfach zitierte erste Schritt in der
Sozialpädagogik bedeutet Arbeit an der
Beziehung von KlientIn und BetreuerIn.
Aber wussten Sie, dass dieser Schritt
manchmal sehr nach Kuhmist stinken
kann und Gummistiefel empfohlen
werden?
Wie sozialpädagogische Arbeit aufzubauen ist und welche Themen sie
umfassen kann, wird oft in einschlägiger Literatur beschrieben. Damit ein/e
NASA-MitarbeiterIn an den Punkt gelangt, um erste Schritte seiner/ihrer
Arbeit tun zu können, bedarf es mehr
Fertigkeiten, als auf Unis und Fachhochschulen gelehrt werden, und vor allem
bedarf es mehr als einen Anruf. Ein/e
gewöhnliche/r
NASA-MitarbeiterIn
setzt außergewöhnliche und individuelle Methoden ein, um möglichst nahe an
den Themen der Jugendlichen arbeiten
zu können.
So reicherte eine NASA-Mitarbeiterin
ihre Schuhsammlung mit gelb geblümten Stiefel aus Gummi an, um den Alltag
einer zurückhaltenden Jugendlichen zu
begreifen. Sie folgt ihr in den Kuhstall
ihres Vaters.
NASA-Arbeit ist anders und das schon
seit mittlerweile sieben Jahren. Das anfängliche Projekt NASA hat sich zu einem
fixen und gefragten Bestandteil der Vorarlberger Jugendbetreuung etabliert. So
kann auch diese Einrichtung, begonnen
mit einer Einzelkämpferin, mittlerweile
ein Team von sieben Leuten aufweisen.
„Was muass i astella, damit i bei
da NASA blieba kann?“
fragte Maria (17 Jahre) bei
ihrem Abschlussgespräch.
NASA bleibt durch Teamzusammenhalt
am Boden, wenn die KlientInnen zum
Abflug ansetzen, und ist auf jeden Fall
bei der Landung zur Stelle, um genaue
Koordinaten durchzugeben.
NASA-Arbeit stellt den Inbegriff von Entwicklung dar. Durch mitfühlen, mitdenken, mitgestalten, mitphantasieren und
mitwachsen stellt diese einen gemeinsamen Prozess der Betreuung dar, die
sowohl Jugendliche als auch deren BetreuerInnen intensiv erleben. Entwicklung wird als Möglichkeit, Weltanschauungen zu verändern oder zu bereichern,
verstanden. Auch geht es darum, Neues
Manchmal wird der bezeichnende
Begriff „nachgehend“ (nachgehende
sozialpädagogische Arbeit) im eigentlichsten Sinne des Wortes Zentrum
dieser Arbeit und je nach Tempo der
Jugendlichen kann dies schon mal ein
Nachlaufen werden. Hilfreich stellt sich
heraus, wenn Eltern, die diesen Prozess
beobachten, Tipps geben können, in
welche Richtung wir laufen sollen, um
die Jugendlichen greifbar zu machen.
Ein verdienter NASA-Mitarbeiter berichtet aus seinem Erfahrungsschatz mit
einem anschaulichen Beispiel, in dem er
dem Jugendlichen bis ins Kellergeschoß
folgte, um mit ihm in Beziehung treten
zu können. Das Finden des Jugendlichen
bei einem unangeleiteten Versteckspiel
im Haus dieser zu betreuenden Familie
eröffnete erste Möglichkeiten, um die
Arbeit miteinander aufzunehmen. Dadurch sind auch Fitness und Durchhaltevermögen sowie Spaß am Entdecken
unabdingbare Eigenschaften des NASATeams.
NASA-Arbeit braucht selbstverständlich
Fertigkeiten aus Pädagogik, Psychologie, Sozialarbeit, Kommunikationswissenschaften, Mediation und Kreativität,
doch das alleine genügt noch nicht, um
NASA lebendig zu machen. Auch handwerkliches Geschick und Engagement
werden sichtbar, wenn sich eine NASAMitarbeiterin in den blauen Overall
wirft und mit Spachtel und Farbe an der
dringend notwendigen Renovierung der
Wohnung eines Jugendlichen Hand anlegt. Diese Handwerksarbeiten wirken
folglich nicht nur in Form von einem
gemütlichen Zuhause, sondern auch
in Form einer intensivierten Beziehung
zum/zur NASA-BetreuerIn nach.
●
Mag. Udo Müller, Mag. Sigrid Gruber
* Nachgehende sozialpädagogische
Arbeit
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Seite 29
Soziales Netzwerk Wohnen
Wohnen ist ein elementares Grundbedürfnis
Eine Wohnung zu haben ist ein wichtiger Bestandteil gesellschaftlicher Integration. Seit mehr als einem Jahr betreiben das Land Vorarlberg und seine
Partner das Projekt Soziales Netzwerk
Wohnen - ein Sonderwohnbauprogramm, um Menschen aus Krisensituationen herauszuhelfen. „Die bisherigen
Erfahrungen sind sehr gut, deshalb wollen wir künftig noch mehr Gemeinden
zum Mitmachen bewegen“, so eine erste Zwischenbilanz von Wohnbaulandesrat Manfred Rein und Soziallandesrätin
Greti Schmid sowie Koordinatorin Heidi
Lorenzi vom Institut für Sozialdienste
(IfS).
Laut Schätzungen von Fachleuten aus
der Wohnungslosenhilfe gibt es in Vorarlberg rund 200 Menschen, für die
es sehr schwierig bzw. fast unmöglich
ist, am freien und am gemeinnützigen
Wohnungsmarkt eine passende und finanzierbare Wohnung zu bekommen.
Es handelt sich dabei hauptsächlich um
Alleinstehende, die aus verschiedensten
Gründen in existenziellen Krisensituationen stecken - nach Arbeitsplatzverlust
oder Scheidung, wegen psychischen
Erkrankungen, Zugehörigkeit zu einer
Rand- oder Problemgruppe oder wegen fehlenden finanziellen Mitteln bzw.
mangelnder sozialer Verankerung. Viele
dieser Menschen leben derzeit in betreuten Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe, andere in prekären Wohnsituationen.
Landesrätin Schmid: „Wir wollen diesen
Menschen helfen, wieder Fuß zu fassen.
Ihnen die Möglichkeit zu bieten, selbstständig zu wohnen, ist eine wichtige
Voraussetzung für jede weitergehende
Integration. Denn mit dem Bezug einer
eigenen Wohnung verbindet sich ein
Stück Normalität, Stabilität, Privatsphäre, Selbstbestimmung und eine neue
Lebensperspektive.“
Ziel ist es, die betroffenen Menschen
wieder in den regulären Wohnungsmarkt zu integrieren und ihre Selbst-
ständigkeit zu stärken. Sie erhalten eine
dem individuellen Bedarf entsprechende ambulante Betreuung durch das DOWAS und die Caritas-Wohnungslosenhilfe. Das bedeutet weniger Aufenthalte
in den voll betreuten Einrichtungen und
damit weniger Sozialhilfekosten.
„Für das Sonderwohnbauprogramm
werden im gemeinnützigen Mietwohnungsbau zusätzliche Wohnungen
mitgebaut“, erläutert Landesrat Rein.
Das Projekt ist in den Wohnbauförderungsrichtlinien des Landes verbindlich
verankert und das jährliche Neubauförderungskontingent des Landes für gemeinnützige Mietwohnungen wurde
von 300 auf 330 erhöht. „Das bedeutet,
die Zahl der über die Gemeinden zu vergebenden Wohnungen wird durch das
Soziale Netzwerk Wohnen nicht verkleinert“, so Rein.
Auch bei Altwohnungen wird bei Wiedervergabe geprüft, ob sie für das Programm in Frage kommen. Denn gerade
Altwohnungen sind allein von der Miethöhe her dafür mitunter besonders geeignet.
Das Soziale Netzwerk Wohnen ist eine
Untergruppe der Arbeitsgemeinschaft
Wohnungslosenhilfe. Vertreten sind die
Kolpinghäuser Bregenz und Götzis, die
Caritas-Wohnungslosenhilfe, das DOWAS und seit September 2007 auch das
Haus der jungen Arbeiter. Die infrage
kommenden Wohnungen werden dem
„Sozialen Netzwerk“ zur Vergabe zur
Verfügung gestellt. Zunächst erfolgt
eine Prüfung der sozialen Verträglichkeit der betreffenden Wohnanlage, um
möglichst Konfliktsituationen zu vermeiden. Dem Sozialen Netzwerk liegen
Listen der Wohnungssuchenden sowie
der zur Verfügung stehenden Wohnungen vor. Hauptkriterien für die Belegung
einer Wohnung sind die soziale Situation der Bewerberinnen und Bewerber,
die Dringlichkeit sowie die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Wohnanlage.
Die Wohnung wird direkt an die aus-
gewählte Person für drei Jahre vermietet. Nach einer gelungenen Integration
kann das Mietverhältnis im normalen
Prozedere verlängert werden.
Bisher nur positive Erfahrungen
Im Zeitraum September 2006 bis August 2007 wurden über das Soziale
Netzwerk Wohnen insgesamt 18 Wohnungen in sieben Gemeinden (Bludenz,
Bregenz, Dornbirn, Feldkirch, Frastanz,
Hard, Lochau) vermittelt. Die bisherigen
Erfahrungen sind ausschließlich positiv,
es gab keine nennenswerten Probleme und keine Kündigungen durch den
Wohnbauträger. Bei allen Mietern wurden Entwicklungen zum Guten festgestellt - eine klare Bestätigung für das
Konzept.
Auch auf die stationären Einrichtungen wirkt sich das Projekt positiv aus.
Erstmals ist es möglich, Auszüge in
selbstständige Wohnungen besser zu
planen. In der nahen Zukunft geht es
nun darum, mehr Gemeinden für das
Soziale Netzwerk Wohnen zu gewinnen
und die Kooperation aller Partner weiter
zu verdichten, um das Ziel „jährlich 30
Wohnungen“ möglichst bald zu erreichen, berichtete Heidi Lorenzi als Koordinatorin.
●
IfS-Mitarbeiterin
Heidi Lorenzi
Koordinatorin
„Soziales Netzwerk Wohnen“
www.ifs.at
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Wir helfen WEITER.
Neue Wege in der Unterstützung der MitarbeiterInnen in Partnerschaft
mit dem Institut für Sozialdienste (IfS)
Was verbindet die Hydro Aluminium
Nenzing und ein Soziales Dienstleistungsunternehmen wie das Institut für
Sozialdienste? Im ersten Augenblick
lässt sich diese Frage nicht so schnell
beantworten. Bei genauerem Überlegen ist jedoch klar: Hier wie da stehen
die Menschen im Mittelpunkt.
Eine Firma wie Hydro Aluminium ist auf
motivierte und gesunde MitarbeiterInnen angewiesen. Sie sind der Schlüssel
zum Erfolg eines jeden modernen Unternehmens. Und dem IfS geht es darum, Menschen in allen erdenklichen
psychischen oder sozialen Problemsituationen Unterstützung anzubieten. Das
IfS hilft WEITER. Dies bedeutet, dass es
im Sinne einer „Hilfe zur Selbsthilfe“ die
Menschen soweit unterstützt, bis diese
wieder selbst handlungsfähig geworden sind.
Verantwortung für den Umgang mit
Krisen übernehmen – als Arbeitgeber
und als Einzelner
„Stellen sich uns unerwartete, negative
Ereignisse wie eine chronische Erkrankung, zu hohe Arbeitsbelastung (Burn
out), Überschuldung, Ehe- oder Erziehungskonflikte, der Arbeitsplatzverlust,
der Tod eines Angehörigen, oder andere
persönliche Krisen in den Weg, bekommt
unser Leben eine Richtung, gegen die
wir uns wehren“, so der Geschäftsführer
von Hydro Aluminium Nenzing, Dr. Gerold Trommelschläger. „Gleichgültig was
das Schicksal an Überraschungen für
uns bereithält: wir besitzen auf jeden
Fall einen Einfluss auf unser Befinden
und unser Verhalten. Und wenn es nicht
mehr weitergeht, sollten wir Hilfe in
Anspruch nehmen. Deshalb haben wir
in Kooperation mit dem IfS das Projekt
„WIR HELFEN WEITER“ ins Leben gerufen. Um unseren MitarbeiterInnen für
den Fall der Fälle die notwendige Unterstützung anzubieten.“
Dieses Projekt ist nachhaltig angelegt
und es sind zahlreiche Maßnahmen geplant, damit die MitarbeiterInnen die
angesprochene Unterstützung erhalten.
So wird ein Folder Informationen zum
so genannten Psychosozialen Help-Desk
geben. Mit diesem soll gewährleistet
werden, dass schnell und unbürokratisch geholfen wird. Außerdem sind Vorträge (etwa zu Stress), ein Mailing mit
einem „Tipp der Woche“, Supervisionen
und Coaching von Einzelpersonen und
Teams etc. möglich. Das Projekt soll zunächst mit dem Help-Desk sowie einzelnen Vorträgen starten und dann schrittweise ausgebaut werden.
Unser Partner – das Institut für Sozialdienste (IfS)
Das Institut für Sozialdienste (IfS) ist bei
all dem Partner von Hydro Aluminum.
IfS-Beratungsstellen sind in Bludenz,
Feldkirch, Hohenems, Dornbirn, Bregenz
und Egg zu finden. Über diese wird der
oben angesprochene Help-Desk abgewickelt. Einen Termin für ein Beratungsgespräch können KlientInnen telefonisch
vereinbaren oder direkt vorbei kommen.
Für die Beratungen hat das IfS ein paar
wichtige Grundsätze. Dr. Stefan Allgäuer, Geschäftsführer beim IfS, meint dazu:
„Vielen Leuten fällt es sowieso schon
schwer, sich in professionelle Beratung
zu begeben. Uns ist es daher sehr wichtig, dass Personen, welche sich in einer
psychosozialen Notsituation befinden,
niedrige bis gar keine Barrieren vorfinden. Deshalb sind erste Beratungsgespräche kostenlos und deshalb gibt es
auch während der Öffnungszeiten Bereitschaftsdienste, bei denen man sehr
rasch einen Termin erhalten kann. Hinzu
kommt, dass alle BeraterInnen der gesetzlichen Schweigepflicht unterliegen.
Unsere KlientInnen bleiben also anonym.“
Letzteres ist auch Gerhard Salzmann,
dem Projektleiter bei Hydro Aluminium
ein Anliegen. „Wir wollen nicht wissen,
wer unter welchem Problem leidet.
Wichtig ist uns, die MitarbeiterInnen bei
dessen Lösung zu unterstützen. Deshalb
ist die Anonymität unbedingt zu wahren. Zudem übernimmt Hydro Aluminium den Eigenerlag.“
Aufbruch zu einem lebenswerteren
Leben
„Wir hoffen, dass das Projekt ein Erfolg
wird. Mit Erfolg ist hier gemeint, dass
ich hoffe, dass sich möglichst viele MitarbeiterInnen, welche in psychosozialen
Problemen und Krisen nicht mehr weiterwissen beim IfS professionell WEITER
helfen lassen und damit die Türe zu einem lebenswerteren Alltag aufstoßen.
Unsere Unterstützung haben sie!“,
meint Dr. Gerold Trommelschläger abschließend.
●
Buchtipp
Richtig Kochen
für Problemkinder
Ratgeber und Rezepte für Eltern
und Fachleute
von Cornelia A. Lüthi
und Jerry P. Miszak
Atlantis, ein Imprint
der Orell Füssli Verlag AG, Zürich 2008
ISBN 978-3-71521056-8
Es ist hinlänglich bekannt, dass die
Ernährung Verhaltensauffälligkeiten
von Kindern und Jugendlichen beeinflusst oder verursacht. Dennoch
findet man kaum Informationen
über richtige Ernährung bei Verhaltensauffälligkeiten. Vor allem fehlen
konkrete Tipps für den Alltag.
In diesem Buch geht es um ADHS,
Legasthenie, Essstörungen, Übergewicht, Depression, Angststörungen,
Autismus oder Schizophrenie. Und
es geht um Möglichkeiten, den Heilungsprozess betroffener Kinder mit
passender Ernährung zu unterstützen. Der alltagstaugliche und praktische Leitfaden hilft, mit der Ernährung die nötigen Voraussetzungen
für eine erfolgreiche Therapie zu
schaffen. Er richtet sich an betroffene Eltern, Lehrbeauftragte, sozial
und psychologisch Beratende und
ÄrztInnen, die zur medikamentösen
Behandlung komplementäre Unterstützung suchen.
●
www.ifs.at
kurz und bündig
Wolfurt: Gemeinde hat
ein Ohr für Menschen mit
Behinderung
Die Marktgemeinde Wolfurt beauftragte die IfS-Assistenz, die Aktion „Barrierefrei Rallye“ in ihrem Ort durchzuführen
und zu begleiten.
Im Rahmen der „Barrierefrei Rallye“
testen Menschen mit eingeschränkter
Mobilität in ihrer Heimatgemeinde Alltagswege, um auf Barrieren und Hindernisse hinzuweisen und Verbesserungen
aufzuzeigen.
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führen. Anderes wird weitergeplant
und das Bewusstsein für die Thematik
durch Öffentlichkeitsarbeit und eigenes Tun unterstützt und wachgehalten.
Auf Zusage des Bürgermeisters soll die
Projektgruppe in einem Jahr zu einem
Ergebnisgespräch eingeladen werden.◆
IfS-Interventionsstelle –
Neue Öffnungszeiten
Die Interventionsstelle hat die
Öffnungszeiten erweitert.
Seit 1. März 2008 gelten folgende
Öffnungszeiten: Montag bis Freitag
von 08.00 bis 13.00 Uhr, Montag und
Donnerstag von 13.00 bis 16.00 Uhr.
IfS-Interventionsstelle
Drevesstraße 2, 3. Stock
6800 Feldkirch
T 05522/82440
E [email protected]
Orte des Alltagslebens im Test
Die Aktion wurde von den IfS-Mitarbeiterinnen Elisabeth Bösch und Lisbeth
Nussbaumer gemeinsam mit Gemeinderätin Elisabeth Fischer durchgeführt.
Auf Einladung der Gemeinde beteiligten sich Rollstuhlfahrer und blinde Menschen mit Begleitpersonen an dieser
Aktion. Eine Mitarbeiterin des Landeszentrums für Hörgeschädigte brachte
die Probleme von Menschen mit Hörbehinderung ein.
Es wurden Orte „getestet“, die Menschen im Alltagsleben immer wieder
aufsuchen: Postamt, Bank, Rathaus,
Cubus, Arzt, Lebensmittelgeschäft, Busund Bahnhaltestelle, Gasthöfe, Kirche,
Friedhof u.v.a.
Dialog zwischen Betroffenen und
Mandataren
Im Dezember 2007 wurden die Ergebnisse dieser Rundgänge Bürgermeister
Mohr und seinen Gemeinderäten präsentiert.
In einer sehr offenen und „hörbereiten“
Atmosphäre fanden ein angeregter Austausch und ein fruchtbaren Dialog mit
den Mandataren und den Betroffenen
statt. Die Gemeinde signalisierte Bereitschaft und Tatkraft, mögliche Verbesserungen so rasch als möglich durchzu-
Lehrgang
Individualpädagogik
2008/2009
Individualpädagogik richtet sich auf die
Herausbildung der individuellen Lebensfähigkeit bis hin zur Persönlichkeitsentwicklung. Die Lehrgangsteilnehmenden
lernen individualpädagogische Projekte
zu entwickeln und professionell durchzuführen. Grundlage sind die Erfahrungen des Jugendintensivprogramms des
Kooperationspartners Institut für Sozialdienste (IfS).
Beginn: 24. September 2008
Dauer: 11 Seminare zu 294 Unterrichtsstunden über 1,5 Jahre
Anmeldeschluss: 30. Juni 2008
Anmeldung: Schloss Hofen
Zentrum für Wissenschaft und
Weiterbildung
Veranstaltungszentrum Kapuzinerkloster, Kirchstraße 38, 6900 Bregenz
T +43(0)5574/43046
E [email protected]
www.schlosshofen.at
◆
Internationales Symposium
„Kindheit und Gesellschaft II“
23. bis 25. Oktober 2008
Festspielhaus Bregenz
Zur Thematik der Gesellschaft im Übergang und den Auswirkungen auf die Bildung von Identität stehen 14 Gesprächs-
Buchtipp
SUSRET ART –
Kunst als Therapie
von Adelheid Gassner-Briem
Bucher Verlag,
Hohenems 2007
ISBN 978-3902612-08-3
Susret heißt Begegnung,
und
vielfältige Begegnungen standen im
Zentrum dieses Kunst- und Sozialprojekts: BosnierInnen und VorarlbergerInnen, Flüchtlinge und KünstlerInnen, Politik und Migration, Kunst und
Sozialprojekt.
Nach Kriegsbeginn im früheren Jugoslawien kamen 1992 schwer traumatisierte Flüchtlinge nach Vorarlberg
und fanden durch die Zusammenarbeit mit der Vorarlberger Künstlervereinigung einen Sinn in ihrem neuen
Dasein. Initiativ wurde hier vor allem
Dr. Gertrud Würbel, langjährige IfSMitarbeiterin. Renommierte Künstler
und Künstlerinnen spendeten ihre
Entwürfe; Sammler, Architekten und
Galerien erteilten Aufträge; die Tapisserien wurden weltweit von bedeutenden Museen und Galerien sowie
in Kunstausstellungen präsentiert.
Durch die Verknüpfung von Kunst
und Therapie wurden die MitarbeiterInnen beruflich und sozial integriert,
und aus dem Projekt wurde ein Vorzeigemodell erfolgreicher Migration
und heimischer Kulturpolitik.
●
partnerInnen aus zehn verschiedenen
Ländern zur Verfügung. Das Programm
zum Symposium ist im Internet unter
www.weltderkinder.at zu finden.
◆
www.ifs.at – im neuen Look
IfS-Homepage präsentiert sich in neuem, bedienungsfreundlichem Design.
Im Sinne der Benutzerfreundlichkeit
wurde die Homepage des IfS – www.
ifs.at. – einem modernen Redesign unterzogen. Nun präsentiert sich diese
im neuen bedienungsfreundlichen und
barrierefreien Design. Die Homepage
bieten noch mehr Service, ist aktuel-
www.ifs.at
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ler und beinhaltet eine umfangreiche
Suchfunktion.
Neben den aktuellen Neuigkeiten ist
das gesamte Beratungsangebot des IfS
auf www.ifs.at zu finden. Zudem bietet
das IfS unter www.ifs-beratung.vol.at
anonyme und kostenlose Internetberatung.
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Drei Millionen haben Spaß
am Ehrenamt
Ehrenamt: Millionen Menschen arbeiten
unbezahlt in Dienst der Allgemeinheit
Rund drei Millionen Menschen engagieren sich durchschnittlich 3,9 Stunden
pro Woche bei Rettungs- oder Katastrophenschutzorganisationen, in Vereinen
und Initiativen. 44 Prozent der über 15Jährigen ÖsterreicherInnen leisten in
irgendeiner Form Freiwilligenarbeit, wie
eine Studie der Statistik Austria ergab.
Haupttätigkeitsbereiche sind die Nachbarschaftshilfe, Engagement in Kunstund Kulturbereich, in Sportvereinen und
bei religiösen Einrichtungen sowie den
Katastrophenhilfs- und Rettungsdiensten.
Als Grund für die zusätzlichen Tätigkeiten geben die Meisten ganz klar den
Faktor „Spaß“ an. Weitere Motivationen
sind Aufrechterhaltung sozialer Kontakte, Förderung des Gemeinwohles und
das Einbringen eigener Fähigkeiten,
Kenntnisse und Erfahrungen. Vor allem
Akademiker und Pädagogen arbeiten
immer öfter ohne finanziell dafür entlohn zu werden. Besonders hohes Interesse an Freiwilligenarbeit lässt sich auch
bei SchülerInnen und StudentInnen beobachten. Neben ihrer Ausbildung leistet fast die Hälfte noch zusätzlich freiwillige Arbeit.
www.statistik.gv.at
www.freiwilligenweb.at
◆
Landesrätin
Dr. Greti Schmid
beim Besuch der
IfS-Familienarbeit
in Feldkirch.
Zu einem ausführlichen und informativen Diskurs kam
es anlässlich eines Besuchs der Landesrätin Dr. Greti
Schmid in der IfS-Interventionsstelle. Im Mittelpunkt des
Gesprächs standen u.a. die Beratungs- und Unterstützungstätigkeiten der IfS-Interventionsstelle, die Wirksamkeit von Kooperationen im Gewaltschutzbereich
sowie die besondere Situation von Migrantinnen.
Familien im Mittelpunk
Landesrätin Dr. Greti Schmid
besucht IfS-Familienarbeit
Kürzlich besuchte Landesrätin Dr. Greti
Schmid die IfS-Familienarbeit in Feldkirch. Dieser Besuch bot Raum für ein
informatives Gespräch und einen gegenseitigen Austausch.
Dr. Hubert Löffler, Geschäftsführer der
IfS-Familienarbeit, stellte die Arbeitsschwerpunkte vor und betonte, dass
die Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt der Bezirkshauptmannschaften sehr gut funktioniere. Familien mit
Unterstützungsbedarf werden von der
Jugendwohlfahrt oft zu einem frühen
Zeitpunkt an die IfS-Familienarbeit verwiesen. So lässt es sich vermeiden, dass
Krisensituation eskalieren, und Probleme können einfacher und schneller gelöst werden. Zudem unterstrich Löffler
die gute Vernetzungsarbeit zwischen
Jugendwohlfahrt und anderen sozialen
Institutionen Vorarlbergs.
Rund 200 Familien werden betreut
Die IfS-Familienarbeit kümmert sich
durchschnittlich um 180 bis 200 Vorarlberger Familien. Da die IfS-Familienarbeit im Bundesländervergleich in Vorarlberg etwa doppelt so viele Familien als
in anderen Bundesländern betreut, wird
häufig mit Kinder- und Familiengruppen
gearbeitet. Zudem konzentriert sich die
IfS-Familienarbeit auf die Elternarbeit.◆
www.ifs.at
Sie haben eine Ausgabe der
IfS-Zeitung „www.ifs.at“ in der
Hand. Diese Zeitschrift erscheint
ca. 4-Mal im Jahr und wird Interessierten
gerne kostenlos zugeschickt. Sie müssen
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(E-Mail Addresse)
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www.ifs.at