Oriented Model for Successful Interaction in Commercial Alliances

Transcrição

Oriented Model for Successful Interaction in Commercial Alliances
online-Zeitschrift für Interkulturelle Studien
Inhalt I Jahrgang 10 I Ausgabe 13 I www.interculture-journal.com
Vorwort
[Preface]
Dominic Busch
Kulturbegriffe in der Forschung
zur interkulturellen Kommunikation:
Konsequenzen für die Interpretation
empirischer Beobachtungen und deren
Handlungsrelevanz
[Too many notions of culture in
intercultural research? Diverging
concepts from theory will affect
both the action of research subjects
and its scientific interpretation]
Jürgen Bolten
Diversity Management als
interkulturelle Prozessmoderation
[Diversity Management
as an intercultural process moderation]
Susann Juch / Stefanie Rathje
Cooperation Competence – A Problem Oriented Model for Successful
Interaction in Commercial Alliances
[Kooperationskompetenz – ein
problemorientiertes Model zur erfolgreichen
Interaktion in Unternehmenskooperationen]
Jasmin Mahadevan
Power / knowledge in postcolonial
settings: The case of IT Bangalore
[Macht / Wissen in postkolonialen Feldern:
Das Beispiel der IT Metropole Bangalore]
Neue
Aufgabenfelder
für die
interkulturelle
Forschung
New areas for
intercultural research
Christian Linder
Der eurozentristische Standpunkt
in der Auseinandersetzung mit dem
kulturell Anderen: Das Beispiel Türkei
[Turkey: An example of Europe’s
secular views on the religious other]
Christian Wille
Vertraute Fremde. Repräsentationen
und Status von Grenzgängern
in Luxemburg
[Familiar strangers. Representations
and status of cross-border workers
in Luxembourg]
Herausgeber:
Jürgen Bolten
Stefanie Rathje
2011
Herausgeber:
Prof. Dr. Jürgen Bolten (Jena)
Prof. Dr. Stefanie Rathje (Berlin)
Wissenschaftlicher Beirat:
Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Ahrens (Würzburg)
Prof. Dr. Manfred Bayer (Danzig)
Prof. Dr. Klaus P. Hansen (Passau)
Prof. Dr. Jürgen Henze (Berlin)
Prof. Dr. Bernd Müller-Jacquier (Bayreuth)
Prof. Dr. Alois Moosmüller (München)
Prof. Dr. Alexander Thomas (Regensburg)
Chefredaktion und Web-Realisierung:
Mario Schulz
Editing:
Susanne Wiegner
Fachgebiet:
Interkulturelle Wirtschaftskommunikation
Friedrich-Schiller-Universität Jena
ISSN: 1610-7217
www.interculture-journal.com
Inhalt
1
Vorwort der Herausgeber [Preface]
5
Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen
Kommunikation:Konsequenzen für die Interpretation
empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
[Too many notions of culture in intercultural research? Diverging
concepts from theory will affect both the action of research subjects
and its scientific interpretation]
Dominic Busch
25
Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
[Diversity management as intercultural process moderation]
Jürgen Bolten
39
Cooperation Competence –
A Problem-Oriented Model for Successful Interaction
in Commercial Alliances
[Kooperationskompetenz – ein problemorientiertes Model zur
erfolgreichen Interaktion in Unternehmenskooperationen]
Susann Juch / Stefanie Rathje
61
Power / knowledge in postcolonial settings:
The case of IT Bangalore
[Macht / Wissen in postkolonialen Feldern:
Das Beispiel der IT Metropole Bangalore]
Jasmin Mahadevan
83
Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung
mit dem kulturell Anderen: Das Beispiel Türkei
[Turkey: An example of Europe’s secular views on the religious other]
Christian Linder
101
Vertraute Fremde.
Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
[Familiar strangers. Representations and status of cross-border
workers in Luxembourg]
Christian Wille
Vorwort der Herausgeber
Vorwort der
Herausgeber
Die Beiträge der aktuellen Ausgabe von Interculture Journal
zeigen zahlreiche neue Aufgabenfelder für die interkulturelle
Forschung auf.
Der erste Beitrag von Dominic Busch: „Kulturbegriffe in der
Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für die Interpretation empirischer Beobachtungen und
deren Handlungsrelevanz“ systematisiert unterschiedliche
Kulturverständnisse in der Forschung zur interkulturellen
Kommunikation und zeichnet deren Auswirkungen auf
weitere Forschungen sowie kulturpolitische Maßnahmen
nach. Darauf aufbauend werden Parallelen und Besonderheiten medienvermittelter Kommunikation im Hinblick auf
ihren Umgang mit Interkulturalität in der Gesellschaft aufgezeigt.
Jürgen Bolten schlägt in dem Beitrag: „Diversity Management
als interkulturelle Prozessmoderation“ eine Brücke zwischen
den Forschungsthemen Diversity und Interkulturalität. Der
Beitrag zeigt Paradigmenverschiebungen im Diversitymanagement auf und legt theoretische Grundlagen für ein prozessorientiertes interkulturelles Diversity-Management.
Susann Juch und Stefanie Rathje bearbeiten in dem englischsprachigen Beitrag: „Cooperation Competence – A ProblemOriented Model for Successful Interaction in Commercial
Alliances“ das für die interkulturelle Forschung neue Aufgabenfeld internationaler Unternehmenskooperationen. Entgegen bestehender Kooperationsansätze wird ein problemorientiertes Modell zur erfolgreichen Gestaltung der Interaktion
vorgestellt, das zwischen typischen Interaktionsprinzipien,
Problemsymptomen, Problemursachen und Lösungsmaßnahmen differenziert.
Ebenfalls auf dem Feld der internationalen Zusammenarbeit
bewegt sich der Beitrag: „Power / knowledge in postcolonial
settings: The case of IT Bangalore“ von Jasmin Mahadevan.
Basierend auf einer ethnografischen Feldforschung bei einem
deutschen IT-Unternehmen in Bangalore (Indien) beschreibt
sie, wie Wissens- und Machtungleichgewichte die interkulturelle Zusammenarbeit beeinflussen.
Christian Linder behandelt mit Blick auf die EU-Beitrittsverhandlungen der Türkei in dem Beitrag: „Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturell Anderen: Das Beispiel Türkei“ die Problematik der Konstruktion des religiös und kulturell Anderen und deren Wirkung auf den politischen Diskurs.
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Vorwort der Herausgeber
Im letzten Beitrag beleuchtet Christian Wille mit seinem Artikel: „Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von
Grenzgängern in Luxemburg“ ebenfalls das Verhältnis von
Vertrautheit und Fremde, allerdings mit Blick auf die Situation
der deutschen Arbeitsmigranten in der Grenzregion Deutschland-Luxemburg.
Ergänzt wird die Ausgabe mit einem Interview zum Thema
„Erfolgreiche interkulturelle Kommunikation am Beispiel der
ISO 26000“ mit Dr. Annette Kleinfeld und Rezensionen der
Bücher: „Werbegeschichte als Kulturgeschichte. Spanien
1949 – 1989“ von Francisco Javier Montiel Alafont, „Cultural
Intelligence: Die Erfolgsformel für Wachstum in einer multipolaren Wirtschaftswelt“ von Hanne-Seelmann-Holzmann und
„Leben und Arbeiten in Indien“ von Vinita Balasubramanian
und Antje Fürth.
Die 13. Ausgabe stellt zugleich eine Neuorientierung für das
Journal dar. Die Herausgeber und die Redaktion von Interculture Journal freuen sich, bekannt zu geben, dass die Zeitschrift nun für die nächsten drei Jahre finanziell von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt wird!
Seit ihrer Gründung im Jahr 2002 hat sich die OnlineFachzeitschrift zu einem renommierten Publikationsorgan
innerhalb der deutschsprachigen Interkulturalitätsforschung
entwickelt. Mit der gewährten Expansionshilfe aus dem DFGFörderbereich: „Elektronische Publikationen“-Aktionslinie
„Wissenschaftliche Zeitschriften“ wird das Journal in den
nächsten Monaten auf ein speziell für wissenschaftliche
Fachzeitschriften maßgeschneidertes Content-ManagementSystem umgestellt.
Für die Autoren bedeutet dies u.a. einen verbesserten Einreichungs- und Reviewprozess. Die Leser unseres Journals
profitieren vor allem von einer besseren Auffindbarkeit und
Durchsuchbarkeit der Beiträge. Daneben wird der bestehende
Beirat weiter mit internationalen Wissenschaftlern ergänzt,
um das Netzwerk zu anderen Institutionen und Publikationsorganen zu stärken.
Insgesamt soll das Journal mit den geplanten Maßnahmen
noch internationaler werden. Gleichzeitig bleibt Interculture
Journal aber der Idee des offenen, freien Informations- und
Meinungsaustauschs verpflichtet und stellt daher seine Ausgaben allen Interessenten auch weiterhin zum kostenlosen
Download zur Verfügung.
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Vorwort der Herausgeber
Die Herausgeber bedanken sich an dieser Stelle bei allen Autorinnen und Autoren sowie bei allen Lesern, die Interculture
Journal auf dem bisherigen Weg begleitet haben, und freuen
sich auf die anstehenden Aufgaben.
Stefanie Rathje (Berlin) und Jürgen Bolten (Jena) im Mai 2011
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
Kulturbegriffe
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Forschung
zur
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turellen Kommunikation:
Konsequenzen für die
Interpretation empirischer Beobachtungen
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Handlungsrelevanz
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Abstract [English]
Dominic Busch
Humanities’ cultural turn as well as people developing an increased awareness of internationalization processes have stipulated increasing academic research on intercultural communication. Basing on a multitude of theories, this research
has produced very divergent notions of when and how culture is supposed to influence social interaction. This article
offers a systematic of notions of culture and their assumed
influence of culture on social interaction. To this aim, the systematic primarily centers on the distinction between primordial vs. constructionist notions of culture. For a better understanding of the relevance of culture for people’s action, this
article suggests to take culture itself as an object and a theme
of social discursive construction. From participating in this
discourse, individuals derive their own subjective notion of
culture that they will implement as performative acts in their
lives. The article will give examples for the use of the different
notions of culture mentioned in mass media communication.
Prof. Dr., Professor für Interkulturelle Kommunikation und Konfliktforschung an der Universität
der Bundeswehr München
Keywords: Notions of culture, social interaction, relevance of
theoretical notions for interaction, primordialist, constructivist, discourse theory, performativity of culture
the author here (e.g. title, position,
[Tooinstitution)
many notions of cul-
ture in intercultural research? Diverging concepts
from theory will affect both
the action of research subjects and its scientific interpretation]
Abstract [Deutsch]
Im Lichte des Cultural Turn in den Geisteswissenschaften sowie einer wachsenden Internationalisierungserfahrung haben
Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kommunikation in
den vergangenen Jahrzehnten eine Vielzahl von Kulturbegriffen definiert. Bereits aufgrund ihrer theoretischen Verortungen halten diese Kulturverständnisse sehr unterschiedliche
Konzepte dazu bereit, unter welchen Bedingungen und auf
welche Weise sich Kultur auf soziales Handeln auswirken soll.
Der vorliegende Beitrag bietet einen Überblick über Kulturverständnisse in der interkulturellen Kommunikation und deren
Implikationen für die Einschätzung von Auswirkungen von
Kultur auf soziales Handeln, wobei grundsätzlich zwischen
primordialen und konstruktivistischen Kulturverständnissen
unterschieden wird. Um ein Kulturverständnis entwickeln zu
können, das die tatsächlichen Auswirkungen von Kultur auf
soziales Handeln fokussiert und herausstellt, schlägt der vorliegende Beitrag vor, Kultur selbst als ein diskursiv konstruiertes Thema zu verstehen. Individuen beziehen daraus subjektive Verständnisse von Kultur, die sie in ihrem Alltagshandeln
performativ umsetzen. Die Verwendung dieser Kulturverständnisse wird auch anhand von Beispielen massenmedialer
Kommunikation illustriert.
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
Stichworte: Kulturbegriff, soziales Handeln, Handlungsrelevanz, primordial, konstruktivistisch, Diskurstheorie, Performativität von Kultur
1.
Einleitung
Interkulturelle Kommunikation hat sich in der westlichen Welt
in den vergangenen Jahrzehnten als Forschungsfeld etabliert,
zu dem vor allem zahlreiche geistes- und sozialwissenschaftliche Disziplinen theoretische, methodische und empirische
Beiträge leisten. Auf der theoretischen Grundlage verschiedener Kulturbegriffe werden dabei die Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln sehr unterschiedlich eingeschätzt
und an sehr unterschiedlichen Aspekten sozialen Handelns
festgemacht. Einschätzungen über die Handlungsfreiheiten
und –optionen von Individuen in interkulturell bedingten Situationen weichen demnach deutlich voneinander ab, so dass
Forderungen nach interkultureller Kompetenz nicht zuletzt
dadurch determiniert werden, was zuvor eigentlich unter Kultur verstanden wurde.
Der vorliegende Beitrag systematisiert Kulturverständnisse in
der Forschung zur interkulturellen Kommunikation und
zeichnet Auswirkungen dieser Verständnisse auf weitere Forschung sowie kulturpolitische Maßnahmen nach. Ausgegangen wird dabei von einer Forschungstradition, die interkulturelle Kommunikation primär in Face-to-face-Kontexten untersucht. In einem weiteren Schritt werden Parallelen und Besonderheiten medienvermittelter Kommunikation im Hinblick
auf ihren Umgang mit Interkulturalität aufgezeigt.
Nach zahlreichen Studienbibliographien zur interkulturellen
Kommunikation (vgl. Ember 1990, Hinnenkamp 1994, Levinson 1990, O'Leary 1973) liegen zwischenzeitlich auch für den
deutschsprachigen Raum Sammelbände mit guten Forschungsüberblicken (vgl. Lüsebrink 2004, Moosmüller 2007),
Handbücher (vgl. Spencer-Oatey / Kotthoff 2007, Straub /
Weidemann / Weidemann 2007, Thomas 2005, Wierlacher /
Bogner 2003) und Lehrbücher (vgl. Bolten 2007, Heringer
2004) vor.
Interkulturalitätserfahrungen sowie Erfahrungen über den
Umgang anderer mit Interkulturalität dürften Angehörige
westlicher Gesellschaften zu einem wesentlichen Anteil durch
die Rezeption medial vermittelter Inhalte machen. Während
einige Studien zur interkulturellen Kommunikation auf einer
strukturellen Trennung zwischen medienvermittelter und
interpersonaler Kommunikation bestehen (Gudykunst 1989,
Luger 1994:34) halten insbesondere Arbeiten aus den British
Cultural Studies diese Unterscheidung jedoch häufig für ein
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
wenig erklärungskräftiges wissenschaftliches Konstrukt.
Stattdessen seien beide Kommunikationsformen gleichermaßen an der Konstitution einer zu untersuchenden Kultur beteiligt (Johnson 1999:146). Richard Johnson nimmt dabei an,
dass die Inhalte medienvermittelter und interpersonaler
Kommunikation einander permanent wechselseitig bedingen,
so dass die Produktion und die Rezeption kultureller Inhalte
als Kreislauf darstellbar werden (Johnson 1986:87).
2.
Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln: Ein
kritischer Forschungsüberblick
Um Kulturverständnisse nach dem angenommenen Einfluss
von Kultur auf soziales Handeln systematisieren zu können,
ist ein Augenmerk auf den Punkt im Handlungsablauf von
Individuen erforderlich, an dem die jeweils angenommene
Einflussnahme von Kultur verortet wird: Sind kulturelle Einflüsse grundsätzlich schon vor einer untersuchten Handlung
unabänderlich gegeben oder wird Individuen ein mehr oder
weniger großes Maß an Auslegungsfreiheit im Hinblick auf
den Umgang mit Kultur zugestanden?
In Forschungsüberblicken zur interkulturellen Kommunikation
werden empirische Arbeiten häufig nach ihrer Forscherperspektive zwischen emischen und etischen Ansätzen unterschieden. Während Forscher emischer Studien Kulturen aus
einer Innenperspektive mit Hilfe von Begriffen zu beschreiben
versuchen, die der Kultur inhärent sind, wollen Autoren
etischer Studien Kulturen aus einer Außenperspektive mit Hilfe kulturuniversaler Kriterien beschreiben und auf diese Weise
untereinander vergleichbar machen (Berry 1969, Köppel
2002). Nach einer bibliometrischen Studie basieren laut
Schaffer und Riordan (2003:171) 79% der von ihnen erfassten empirischen Studien zur interkulturellen Kommunikation
auf etischen Herangehensweisen. Ebenfalls 79% der ausgewerteten Studien verstanden unter Kulturen darüber hinaus
Nationalkulturen (Schaffer / Riordan 2003:175). Die Unterscheidung zwischen emischen und etischen Ansätzen lässt
jedoch kaum Rückschlüsse auf Spezifizierungen kultureller
Einflüsse auf individuelles Handeln zu.
Alternativ haben Systematisierungen von Beschreibungsansätzen interkultureller Kommunikation häufig zwischen kontrastiven gegenüber interaktionstheoretischen Herangehensweisen unterschieden (Knapp 1998). Anstelle des bis dato
gängigen Vergleichs voneinander separater Kulturen hatte
John Gumperz (1982b) auf der Grundlage interaktionstheoretischer Arbeiten aus den Sozialwissenschaften von George
Herbert Mead (Mead / Morris 1934) und Erving Goffman
(1967) gezeigt, wie konkrete interkulturelle Kontaktsituatio-
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
nen untersucht werden können, in denen die Interaktionspartner die Relevanz und die Rolle von Kultur für ihre Situation erst aushandeln. Dieser Ansatz weist einige Parallelen zu
der im Folgenden vertretenen Unterscheidung zwischen
primordialen und konstruktivistischen Ansätzen auf: So
drängt sich die Annahme auf, dass kulturkontrastive Ansätze
von Kultur als etwas a priori gegebenem, interaktionstheoretische Ansätze dagegen von Kultur als einem Konstrukt ausgehen. Diese Gleichsetzung ist jedoch nicht zwingend: So
können auch interaktionstheoretische Ansätze von gegebenen kulturellen Eigenheiten ausgehen, die die Interaktionspartner zwar auf ihre Situation anwenden, die sie jedoch
nicht modifizieren können.
Um empirische Arbeiten zur interkulturellen Kommunikation
nach dem in ihnen angenommenen Einfluss von Kultur auf
individuelles Handeln zu kategorisieren, scheint sich an dieser
Stelle die Unterscheidung zwischen primordialen und
konstruktivistischen Vorannahmen nach Arjun Appadurai
(1996:14) zu eignen. Primordiale Ansätze nehmen dabei die
Existenz sowohl von Kultur und kulturellen Unterschieden als
auch die Qualität der Einflüsse von Kultur auf individuelles
Handeln als gegeben an. Appadurai selbst plädiert dagegen
für eine instrumentalistische Sichtweise auf Kultur. Anstelle
einer A-priori-Existenz kultureller Differenzen unterstellt er,
dass Differenzen von Individuen für die Erreichung eigener
Ziele optimiert und instrumentalisiert konstruiert werden. Dabei kann davon ausgegangen werden, dass derartige Konstruktionen kultureller Differenz meist darauf abzielen, bereits
bestehende Konstruktionen kultureller Differenzen – und
damit einhergehende Hegemonien – abzulösen, was Appadurai als Kulturalismus bezeichnet (Appadurai 1996:14). Aus
dieser Sicht kann auch die raumorientierte wissenschaftliche
Erforschung von Kulturen im Sinne so genannter Area Studies
als Instrument zur kulturalistischen Konstruktion von Regionen im Sinne strategischer politischer Interessen verstanden
werden (Appadurai 1996:17). Globalisierungsprozesse führen
dabei zu so vielfältigen Interaktionskontexten, dass kulturelle
Formen permanent neu konstruiert werden und somit einem
permanenten Wandel unterliegen (vgl. Hannerz 1987).
Wenngleich sich diese konstruktivistische Sichtweise innerhalb der Kulturtheorie zunehmend durchgesetzt hat, bemängeln ihre Vertreter (vgl. Kalscheuer / Allolio-Näcke 2002,
Spivak 1987, Taylor 1994) regelmäßig, dass ihre Einsichten
von der empirischen interkulturellen Forschung weiterhin
häufig ignoriert werden. Nur Didaktisierungen interkultureller
Erkenntnisse – so beispielsweise in Form interkultureller Trainings – scheinen aus der Sicht von Anthropologen noch resistenter gegen die Annahme eines Konstruktionscharakters von
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
Kultur zu sein. So hatte beispielsweise Tommy Dahlén (1997)
aufgedeckt, dass ein Großteil der seinerzeit in den USA angebotenen interkulturellen Managementtrainings auf primordialen Kulturverständnissen und stark verallgemeinernden
kulturellen Schemata beruht. Hannerz hatte bereits auf die
deutliche Marktorientierung interkultureller Didaktik hingewiesen, die er folglich als Kulturschockvermeidungsindustrie
(Hannerz 1992:251) charakterisierte.
2.1
Primordiale Kulturverständnisse: Handeln als Reaktion auf kulturelle Einflüsse
Aus der Sicht primordial konzipierter Kulturbeschreibungsansätze reagieren Interaktanten auf interkulturell bedingte Einflüsse auf eine Weise, die der Forscher zumindest in gewissem Maße vorhersehen und theoretisch begründen kann,
wenngleich sich kulturelle Einflüsse dabei an sehr verschiedenen Objekten und Kategorien manifestieren können (Chick
2001). Häufig wird darüber hinaus angenommen, dass kulturelle Einflüsse von den Interaktanten selbst nur selten angemessen identifiziert und benannt werden können. Empirisch
beobachtbar seien demnach meist nur Ausdrücke persönlicher und situativer Irritation (Spencer-Oatey 2002), aus denen
interpretativ auf den Vorfall kommunikativer Missverständnisse (Goodenough 1957, Gudykunst 1985, Gumperz 1982a,
House 2000) geschlossen werden kann.
Kulturelle Ursachen für diese Missverständnisse ergeben sich
dabei aus der jeweils angenommenen kulturellen Theorie:
Frühere analytische Studien aus der Sozialpsychologie und der
Kulturanthropologie sahen kulturelle Unterschiede in Wertorientierungen, die sich auf das Handeln von Individuen auswirken sollten ( vgl. „work-related values“, Hofstede 1980,
vgl. "value orientations", Kluckhohn / Strodtbeck 1961).
Interpretative Ansätze mit primordialem Kulturverständnis
unterstellen dagegen häufig die Existenz kulturell verschiedener Bedeutungssysteme, die mittels eines Zeichensystems
kommuniziert werden (Triandis 2002:16). In die sprachwissenschaftliche Forschung zur interkulturellen Kommunikation
führten Condon und Yousef (1975) ein Verständnis von Kultur als einem Wertesystem ein und integrierten es zunächst
mit Hilfe von Ansätzen aus der funktionalen Pragmatik. Die
interaktionale Soziolinguistik verortete kulturelle Differenzen
später in unterschiedlichen kommunikativen Konventionen.
John Gumperz führte hier den Begriff kulturell variierender
Kontextualisierungshinweise, so genannter „contextualization
cues“ (Gumperz 1978:27) ein, um die Rolle des Kontextes
beim Sprachverstehen zu operationalisieren.
Vertreter der interaktionalen Pragmatik unterstellen demgegenüber eine direktere Auswirkung kulturspezifischer Werte
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
auf kommunikatives Handeln. So spricht Michael Clyne beispielsweise von „sociocultural interaction parameters“ (Clyne
1994:178). Auch Ansätze aus dem Bereich der kontrastiven
Pragmatik, die ursprünglich von Konzepten der analytischen
Philosophie ausgegangen war, richten jüngst einen Fokus auf
konkrete interkulturelle Kontaktsituationen, die sie jedoch
ebenfalls vor dem Hintergrund der Annahme bestehender
kultureller Einflüsse interpretieren. So führen Spencer-Oatey
und Jiang zur Operationalisierung dieser kulturellen Einflüsse
das Konzept so genannter „sociopragmatic interaction
principles (SIPs)“ (Spencer-Oatey / Jiang 2003:1635) ein.
Die interkulturelle Pragmatik findet kulturelle Unterschiede
dagegen in der Realisierung von Sprechakten wieder. Insbesondere Ausdrucksformen sprachlicher Höflichkeit durch die
Produktion von Indirektheit werden kulturell verschieden realisiert und wissenschaftlich verglichen (Blum-Kulka / House /
Kasper 1989). Auch in diesem Bereich kann jedoch jüngst
eine Tendenz zum Einsatz emischer Beschreibungsformen
beobachtet werden (vgl. "cultural scripts", Wierzbicka
2006:34).
Beschreibungsansätze zu kulturellen Einflüssen auf individuelles Handeln, die auf einem primordialen Kulturverständnis
beruhen, unterstellen demnach zusammengefasst, dass Individuen bei unterschiedlicher kultureller Herkunft auch kulturell unterschiedlich kommunizieren. Um die drohenden Missverständnisse umschiffen oder zumindest kompetent bearbeiten zu können, lassen sich vor diesem Hintergrund klare
Handlungsanweisungen formulieren: Zu leisten ist ein interkulturelles Fremdverstehen (Bredella et al. 2000), dessen Prozesse sich beispielsweise mit hermeneutischen (Straub /
Shimada 1999) oder auch phänomenologischen Theorien
(Schröer 2002) erfassen lassen.
In medialen Texten dienen primordiale Kulturverständnisse
überaus häufig als Erklärungsmuster für als interkulturell eingestufte Interaktionen, zumal sie sich offenbar besonders
nachhaltig in das Alltagsverständnis vieler Menschen eingeprägt haben. So erklärt beispielsweise die Zeit Kulturunterschiede in der deutsch-chinesischen Wissenschaftskooperation in Form unterschiedlicher kommunikativer Konventionen
und Handlungsskripts:
„Selbst wenn ein Kooperationsvertrag unterzeichnet ist, bedeutet er für
beide Seiten nicht unbedingt dasselbe. ‚Gelegentlich erweist sich die Unterzeichnung des Vertrages erst als der eigentliche Beginn der Verhandlungen,
denn das schriftliche Wort wird nicht immer als bindend betrachtet’, heißt
es in einer DAAD-Broschüre zur chinesisch-deutschen Wissenschaftszusammenarbeit. Der chinesische Volksmund umschreibt die Missverständnisse blumiger: ‚Gleiches Bett, verschiedene Träume’.“ (Spiewak 2007)
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
Auch die Diagnose interkultureller Missverständnisse wird
medial permanent vollzogen. So interpretiert beispielsweise
die Zeit die Erwartungen von Immigranten und deutschen
Inländern an den zweiten Integrationsgipfel im Juli 2007 konsequent: „Ein paar Dinge hat der Integrationsgipfel doch eindrucksvoll demonstriert: Wie groß die Missverständnisse noch
sind und wie gewaltig die Aufgabe ist, vor der Inländer und
Immigranten stehen“ (Seils 2007).
2.2
Konstruktivistische Kulturverständnisse: Handeln
auf der Grundlage intuitiver oder bewusster Wirklichkeitsinterpretationen
Während primordial basierte Arbeiten bei der empirischen
Analyse nur nach Anzeichen für individuelle Irritation suchen
können, unterstellen konstruktivistisch angelegte Studien
zumindest unterschiedlich weitreichende Bewusstseinsformen
für Prozesse der Selbst- und Fremdwahrnehmung. Grundlegend wird hier angenommen, dass Individuen einander zumindest als (kulturell) different wahrnehmen. Dabei beschreiben konstruktivistisch motivierte Arbeiten, wie Individuen Kultur in ihren Interaktionen erst schaffen.
Empirisch nachweisen – so wird in diesen Ansätzen häufig
gefolgert – lässt sich die Wahrnehmung von Differenz in Andersbehandlungen von Personen, die als fremdkulturell eingestuft werden. Als Grundlage dieser Andersbehandlungen,
wurde beispielsweise bereits früh das Konzept der Stereotype
identifiziert (vgl. Lippmann 1922), das später für die interkulturelle Forschung in vielerlei Hinsicht fruchtbar gemacht worden ist (vgl. exemplarisch Thomas 2004). Für die Anthropologie postulierte später Fredrick Barth (1969) die grundsätzliche
Konstruiertheit kultureller Differenzen, und Clifford Geertz
(1973) setzte Kultur später mit Texten gleich, die in einem
Leseprozess entziffert werden könnten.
In die interkulturelle Forschung führte Harry Triandis den Begriff der subjektiven Kultur ("subjective culture", Triandis
1972:4) ein und verwies damit auf den perspektivischen –
und damit konstruierten – Charakter kultureller Zugehörigkeiten untereinander. Ursprünglich für den Bereich der Austauschforschung haben Mitchell Hammer (1999:423) und
Milton Bennett (1986) auf sozialpsychologischen Annahmen
ein prozessuales Modell („Developmental Model of Intercultural Sensitivity (DMIS)") entwickelt, das beschreibt, wie Individuen ihren Umgang mit und ihre Wahrnehmung der Einflüsse von Kultur verändern ("cultural worldviews", Hammer
1999). Angesichts dieses konsequenten Konstruktionscharakters kultureller Phänomene steht gelegentlich der Kulturbegriff selbst als sinnvolle und erklärungskräftige Kategorie
in Frage, so dass für die Sozialpsychologie beispielsweise Hen11
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
ri Tajfel (1981) eher eine Erforschung von Kollektivitäten bzw.
kollektiven Identitäten anstelle von Kulturen empfahl.
Appadurai führt diese De-essentialisierung des Kulturbegriffs
in der Anthropologie fort, indem er annimmt, dass Kultur innerhalb von Diskursen konstruiert wird:
“culture is a pervasive dimension of human discourse that exploits difference to generate diverse conceptions of group identity. […] I propose however that we restrict the term culture as a marked term to the subset of
these differences that has been mobilized to articulate the boundary of
difference.“ (Appadurai 1996:13)
Aus sprachwissenschaftlicher Sicht können solche Interdependenzen zwischen gesellschaftlichen Diskursen und individuellen Interaktionen mit Hilfe der Diskursforschung nachgezeichnet werden (vgl. van Dijk 1977, van Dijk 1998). So zeigten Koole und ten Thije, dass Gesprächsteilnehmer in einer
Interaktion einander unterschiedliche diskursive (teilweise kulturell begründete) Positionen zuschreiben (vgl. Koole / ten
Thije 1994:157ff.).
Während die besondere Aufgabe in interkulturellen Kontaktsituationen aus der Sicht primordialer Kulturverständnisse in
einer erhöhten Fremdverstehensleistung liegt, läge die Lösung
interkultureller Probleme aus der Sicht konstruktivistischer
Kulturbegriffe für Interaktanten eher darin, eine gemeinsame
Sichtweise auf die Rolle von Kultur zu finden. In den Sprachwissenschaften ist dieser Prozess bereits mit den Begriffen
einer Drittkultur ("third culture building", Casmir 1993), eines
dritten Raumes (Dirscherl 2004), bzw. einer diskursiven Interkultur (Thije 1997) bezeichnet worden.
Auch konstruktivistisch ausgerichtete Kulturverständnisse
werden in medienvermittelter Kommunikation vielfach als
Erklärungsmuster für soziale Problemstellungen hinzugezogen. Verglichen mit der Verwendung primordialer Kulturverständnisse erweckt der Einsatz konstruktivistischer Ansätze
jedoch den Eindruck einer deutlich geringeren begrifflichen
Klarheit und Präzision. So titelt beispielsweise die Berliner
Morgenpost „Berlin muss eine europäische Identität entwickeln“ und zitiert damit den Hamburger Bürgermeister Ole
von Beust aus einem Interview (vgl. Haider 2006). Um kulturpolitischen Forderungen eines gemeinsamen Europas gerecht
werden zu können, scheint demnach auch eine Teilnahme an
einer europäischen Kultur erforderlich zu sein, die sich aus
Sicht dieses Beitrags in einer europäischen Identität manifestiert. In einem völlig anderen Kontext berichtet demgegenüber beispielsweise der Berliner Tagesspiegel von Integrationsprojekten aus dem Problemviertel Neukölln, in denen
die zentrale Aufgabe bei der Wiederherstellung konstruktiver
Interaktionsformen im Abbau von Vorurteilen gesehen wird
(Kalarickal 2007).
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
2.3
Kulturpolitische Ziele und Anwenderinteressen
Empirische Arbeiten zur interkulturellen Kommunikation beschränken sich nur selten auf eine rein deskriptive oder gar
heuristische Sichtweise auf ihren Forschungsgegenstand.
Stattdessen wird das Forschungsfeld häufig mit normativen
kulturpolitischen Idealvorstellungen eines Umgangs mit Interkulturalität abgeglichen. Eine Einhaltung dieser Ideale fordert
den Interaktanten demnach eine interkulturelle Kompetenz
ab, die sich vor dem Hintergrund unterschiedlicher Anwenderinteressen mit sehr unterschiedlichen Zielvorgaben bestücken lässt (für eine Systematisierung vgl. Rathje 2007). So
weist Moosmüller beispielsweise neben der interkulturellen
Managementforschung auf die Migrationsforschung als einem weiteren Tätigkeitsfeld für die interkulturelle Forschung
und Didaktik hin. Ihm zufolge dominieren primordiale Kulturverständnisse die Managementforschung, konstruktivistische
Kulturbegriffe herrschen dagegen eher in der Migrationsforschung vor. Beide Herangehensweisen erweisen sich Moosmüller zufolge funktional für eine Erforschung und
Operationalisierung von Kultur gemäß den deutlich divergierenden normativen Zielvorgaben der beiden Anwendungsbereiche: So geht die Managementforschung häufig von der
Existenz kultureller Unterschiede aus, die für die begrenzte
Zeit eines interkulturellen Kontakts überwunden werden
können soll. Die Migrationsforschung präferiere demgegenüber konstruktivistische Kulturverständnisse und verstehe kulturelle Differenz als wertzuschätzendes und hervorzuhebendes Gut (vgl. Moosmüller 2004:63). Ulf Hannerz eröffnet darüber hinaus einen ganzen Fächerkanon unterschiedlicher
Forschungs- und Lehrgebiete zu interkultureller Kommunikation und interkultureller Kompetenz, die in den vergangenen
Jahren allesamt bearbeitet und mit teilweise sehr unterschiedlichen normativen Zielstellungen versehen worden sind. Zu
Hannerz’ Aufzählung gehören beispielsweise Themen wie
weltweite Gemeinschaften, Translokalitäten, Grenzforschung,
Migration, Diasporas, transnationale Unternehmen, Tourismus, Cyberspace, Medien und Handel (vgl. Hannerz
1998:237).
3.
Schwierigkeiten bei der Operationalisierung des
Einflusses von Kultur auf soziales Handeln
Die Vielfalt unterschiedlicher Operationalisierungen von Kultur erlaubt der empirischen Forschung eine weite Bandbreite
an Interpretationsmöglichkeiten, die teilweise sogar widersprüchlich ausfallen können. Die Verschiedenheit möglicher
Ansätze wirft entsprechend im Hinblick auf eine präzise Be-
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
schreibung der Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln einige offene Fragen auf.
Die Auswirkungen von Kultur auf soziales Handeln lassen sich
nur schwer von anderen potentiellen Einflussfaktoren isolieren und identifizieren. Gleichermaßen drängt sich umgekehrt
die Frage auf, welche Aspekte sozialen Handelns als nicht kulturell bedingt verstanden werden sollen. Die Begriffe sozialen
Handelns und interkulturellen Handelns laufen aus dieser
Sicht Gefahr, zu deckungsgleichen Konzepten zu verschwimmen. Gegenüber bereits bestehenden sozialwissenschaftlichen Forschungsrichtungen würde eine zusätzliche
Auseinandersetzung mit interkultureller Kommunikation und
Kompetenz obsolet.
Zahlreiche Definitionen des Kulturbegriffs neigen darüber
hinaus zu einer gewissen Zirkularität. So hat die Kulturforschung traditionell damit zu kämpfen, dass sie mit Kultur etwas definieren muss, wovon alle an der Diskussion Beteiligten
selbst betroffen sind und worin sie sich zu einem gewissen
Grade perspektivisch gefangen sehen müssen. Definitionen
von Kultur können also demnach aus einzelnen Perspektiven
heraus getroffen werden, die selbst kulturell bedingt sind.
Selbst Versuche der Isolierung kulturunabhängiger Variablen
zur Beschreibung von Kultur können diese Einsicht kaum umgehen.
Versteht man den Forscher selbst als Bestandteil kulturell bedingter Interaktionen, so erscheint auch die Vielzahl der Modelle zur Beschreibung von Kultur als nachvollziehbare Konsequenz. So verweist beispielsweise Bachmann-Medick auf
den interpretive turn als Grundlage des cultural turns (Bachmann-Medick 2006). Demnach basiert eine Mehrzahl kulturwissenschaftlicher Ansätze des 20. Jahrhunderts zur Beschreibung von Kultur zumindest auf der Annahme, dass kulturelle Prozesse als Interaktionen mit Hilfe von Symbolen verstanden werden sollten, deren Bedeutungen erst durch einen
individuellen Interpretationsprozess erschlossen werden. Versteht man Kulturforscher als Bestandteile dieser kulturellen
Prozesse, erscheint als Konsequenz eine Pluralität unterschiedlicher Kulturinterpretationen mehr als wahrscheinlich.
Wenn die Entscheidung für einen Kulturbegriff in einer wissenschaftlichen Studie bereits Bestandteil der interpretativen
Arbeit des Forschers ist, so erscheint es plausibel, dass er den
Kulturbegriff nach den Kriterien von situativer Brauchbarkeit
und Funktionalität auswählen wird (für Konstatierungen dieses Phänomens vgl. Latorre 2004, Moosmüller 2004; für ein
Beispiel vgl. Straub 2007:7). Wenngleich Theorien in der Wissenschaft stets so gewählt werden sollten, dass sie über die
größtmögliche Erklärungskraft verfügen, scheint eine solche
Ausrichtung zugunsten einer Fokussierung isolierter Einzel© Interculture Journal 2011 | 13
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
aspekte von Kultur und auf Kosten einer eventuell realisierbaren ganzheitlichen Perspektive auf Kultur zu verlaufen.
Auch in den Medien wird die Beliebigkeit des Kulturbegriffs
allenthalben als frei verwendbare Begründungsvariable für
andernfalls unerklärbare Phänomene eingesetzt. Besonders
sichtbar wird diese Arbitrarität, sobald Brüche und Widersprüchlichkeiten in kulturellen Begründungen auftreten. So
trug beispielsweise der Spiegel im Sommer 2007 ausführlich
zum Skandal über die Herstellung bleivergifteten Spielzeugs
durch den US-amerikanischen Konzern Mattel in China bei.
Zunächst beschuldigte der Spiegel die chinesische Produktion
als verantwortungslos (o. V. 2007a). Wenig später übernahm
der amerikanische Konzern selbst die Verantwortung für das
nachlässige Design der Spielzeuge, und der Spiegel titelte:
„Mattel entschuldigt sich beim chinesischen Volk“ (o. V.
2007b), woraus rückgeschlossen werden kann, dass in dem
vorangegangenen Konflikt negative Zuschreibungen an die
gesamte chinesische Kultur keine ganz unwesentliche Rolle
gespielt haben dürften.
4.
Kultur als Diskursobjekt
Im öffentlichen Diskurs gerinnt die Verwendung von Kulturverständnissen aus der bereits genannten Auswahl häufig zur
völligen Beliebigkeit. In der Theorie miteinander konkurrierende Ansätze werden problemlos miteinander kombiniert
und vermischt, wie beispielsweise die taz persifliert: „Sind wir
die Summe unserer ‚Identity Goods’? Was die Waren mit uns
anstellen – und wir mit ihnen. Ein Versuch, die ‚konsumistische Mentalität’ zu erklären“ (Misik 2007). Neben wissenschaftlichen Definitionsversuchen zum Kulturbegriff kann darüber hinaus erwartet werden, dass sich Individuen angesichts
der diskursiven Präsenz des Konzeptes auch subjektive Alltagsverständnisse von Kultur und deren Auswirkungen auf
zwischenmenschliche Interaktion selbst schaffen. Unabhängig
von wissenschaftlichen Definitionsversuchen kommt diesen
subjektiven Verständnissen von Kultur häufig als einzigen eine Handlungsrelevanz zu: Vor dem Hintergrund dessen, was
sich Individuen unter Kultur vorstellen, werden sie eigene Interaktionen deuten und entsprechende Handlungsoptionen
für sich ableiten.
Beschreibungsansätze dazu, wie Diskurse über Kultur zustande kommen, welche Aussagen welcher Qualität diese Diskurse enthalten, und wie sie sich auf das Handeln von Individuen
auswirken, lassen sich beispielsweise aus den Gender Studies
auf den Forschungsbereich interkultureller Kommunikation
übertragen. Sehr viel stärker als in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation wird in den Gender Studies die dis-
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
kursive Konstruiertheit des eigenen Forschungsgegenstands
und deren Konsequenzen für die Forschung reflektiert (Hark
2001:153). Dabei fokussieren sowohl die Gender Studies als
auch die Forschung zur interkulturellen Kommunikation thematisch zentrierte Forschungsgegenstände, so dass eine kritische Abwägung der Möglichkeit eines Transfers von Theorien
und Kategorien denkbar wird (Mae 2003:195). Eine zentrale
theoriebildende Position nehmen dabei in den Gender Studies
die Arbeiten von Judith Butler (1990 und 1993). In der Auseinandersetzung mit diskurstheoretischen Arbeiten Foucaults
folgert Butler, dass die Vorstellung von einem biologischen
Geschlecht des Menschen nicht die Basis ist, auf der soziale
Konstruktionen von Geschlechtlichkeit aufbauen, sondern
dass diese Vorstellung selbst ein Bestandteil sozialer Konstruktionen ist (Butler 1993:4ff.). Erst aus dem sozialen Akt
des Bezeichnens des biologischen Geschlechts bezieht dieser
Gegenstand gemäß Butler seine Existenz, weshalb Butler hier
von einem performativen Akt spricht (Butler 1993:10f.). Damit entzieht sich der Forschungsgegenstand der Gender Studies jeder weiteren Zugänglichkeit und Konstruktion (Hark
2001:153).
Zumindest bedingt bietet sich eine Übertragung dieses Ansatzes auf die Konstruktion von Kultur und interkultureller Differenz an. Auch die Idee einer Existenz von Kultur selbst wird
demnach erst im Diskurs über und die Auseinandersetzung
mit Kultur geschaffen. Die Vorstellung einer A-prioriGegebenheit von Kultur, die dem Diskurs über Kultur vorgelagert ist und sich außerhalb dieses Diskurses befindet, ist
demnach Bestandteil des Diskurses über Kultur selbst. Während sich Butler mit der hegemonialen Dichotomisierung zwischen Männern und Frauen in der Gesellschaft auseinandersetzt und diese (politisch) aufbrechen will, können im Bereich
interkultureller Kommunikation vergleichbare Materialisierungen (Butler 1993:4) (kultureller) Grenzziehungen auf der
Grundlage hegemonialer Diskurse identifiziert werden (Ang /
St Louis 2005). Materialisierungen kommen dabei Butler zufolge durch eine permanente Wiederholung von Normen zustande. Butler begreift dieses Wiederholen von Normen als
ein Handeln, das jedoch nicht statisch und immer gleich verläuft, sondern vielmehr auf der Grundlage einer gerinnenden
Erinnerung: Das, was wiederholt werden soll, wird mit zunehmendem zeitlichem Abstand immer ungenauer erinnert,
so dass innerhalb der Materialisierung auch Prozesse des
Wandels stattfinden. Butler nimmt hier Bezug auf Jacques
Derridas Konzept der iterability (Butler 1993:70ff.), der
Wiederholbarkeit, das dieser aus der Sprechakttheorie von
Austin und Searle entwickelt hatte (Butler 1993:224ff.).
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
5.
Beispiele empirischer Beschreibung
Wie die individuelle Rezeption von Diskursen über Kultur und
ihre performative Umsetzung im eigenen Handeln empirisch
beschrieben werden kann, soll abschließend exemplifiziert
werden, wenngleich darüber hinaus sicherlich eine Vielzahl
verschiedener methodischer Herangehensweisen denkbar ist.
Die zentrale Anforderung an die Methode besteht hier darin,
Datenmaterial zu generieren, das valide Einblicke in individuell konstruierte Kulturverständnisse und daraus abgeleitete
Konsequenzen für das eigene Handeln ermöglicht.
Zur Veranschaulichung dient hier ein Transkriptausschnitt aus
einem Leitfadeninterview, das im Rahmen einer Forschungsarbeit am Südosteuropäischen Medienzentrum (SOEMZ)1 der
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) und der Universität Sofia durchgeführt worden ist (vgl. Burghardt-Petrova
2004). Befragt wird in dem Interview eine deutsche Führungskraft eines deutschen Unternehmens, das Geschäftskontakte nach Bulgarien unterhält. Auf die folgende Frage
der Interviewerin B antwortet der Proband T folgendermaßen:
„B: Dieser Spannungsfeld zwischen der Wirtschaftskommunikation und der
Kultur ist ja das interessante für mich. Kann man sich vorstellen das Kulturelle aus der Wirtschaftskommunikation auszuschließen?
T: Es ist ein Widerspruch, der, den also, also wenn es man ganz dumm
macht – großkotzig auftritt und aber es ist ja so, dass man gemeinsame
Projekte macht. Man muss bei stark emotionalen Personen, zum Beispiel
bei stark emotionale Personen muss man von vornherein erst mal diese
Spielregeln klar machen. Das heißt es ist alles zugelassen und ich würde
nichts kritisieren, wir sammeln erst mal die Ideen, wie wir das Projekt lösen
können und nicht voreilig sagen, nein, es ist alles Scheiße, machen wir
nicht. Man muss erst mal alles zulassen und dann gehen wir gemeinsam in
die Kritik und gucken unter der einen oder der anderen Idee. Nicht, dann
kommt man auch weiter, auch mit emotionalen Typen, wenn man das
vorher auslässt, dann zwischendurch etwas, was falsch geht, dann sind
man mit einem Schlag demotiviert, weil man wird zu stark Druck aufgebaut
hat. Zu diesem kulturellen Unterschied gehört es auch neue Ideen zu sammeln. Im Gegensatz zu dem strukturierten Deutschen steht der improvisierende Südländer. Er sagt dann ‘Das kann man so machen, das machen wir
irgendwie, kriegen wir schon hin’ und das sind so die Dinge unterschiedliche Kulturen das kann man bei der ersten und bei der zweiten Runde gar
nicht so sagen.“ (Burghardt-Petrova 2004)
Methodisch problematisch erscheint hier die Evozierung der
Kategorie Kultur durch die Interviewerin selbst. Diese Kritik
relativiert sich in diesem Fall jedoch dadurch, dass der Proband auf diese Frage hin selbst differenzierend und explizierend antwortet. Darüber hinaus erwähnt er selbst an keiner
Stelle den Begriff Kultur, sondern referiert wörtlich lediglich
Eigenschaften von Individuen. Angesichts der Frage der Interviewerin nach kulturellen Einflüssen kann jedoch zumindest
begründet vermutet werden, dass der Proband Aspekte beschreibt, die er selbst für kulturell bedingt hält.
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Busch: Kulturbegriffe in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation: Konsequenzen für
die Interpretation empirischer Beobachtungen und deren Handlungsrelevanz
Konzepte von Kultur und ihrer Auswirkung auf soziales Handeln, die auf diese Weise herausgestellt werden, umgehen
zahlreiche der in Abschnitt 2 genannten Kritikpunkte an vorliegenden Kulturkonzepten: Der Einfluss dieser subjektiven
Konzepte auf soziales Handeln erscheint empirisch leichter zu
identifizieren und zu isolieren, und der tatsächliche Einfluss
lässt sich mit weiteren empirischen Studien vergleichsweise
einfach belegen.
Im Sinne eines Plädoyers für zukünftige Forschungsorientierungen zur interkulturellen Kommunikation sollte eine Überprüfung der Relevanz für und des Einflusses wissenschaftlich
verwendeter Kulturbegriffe und –verständnisse auf das tatsächliche Handeln von Individuen in interpersonalen und medienvermittelten Kontexten grundsätzlich im Blick behalten
werden. Die häufige Kritik der Verwendung primordialer Kulturverständnisse in der Forschung zur interkulturellen Kommunikation hinter sich lassend kann auf diese Weise eine
fundierte und dennoch anwendungsrelevante interkulturelle
Forschung weiterhin wertvolle Einsichten liefern.
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Das Südosteuropäische Medienzentrum (SOEMZ) wurde
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
Diversity Management
als interkulturelle
Prozessmoderation
[Diversity management as
intercultural process moderation]
Jürgen Bolten
Professor für Interkulturelle Wirtschaftskommunikation an der
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Abstract [English]
Over the last decades, a number of methods for “dealing
with” or even “managing” diversity have been presented and
revised. To be sure, these developments parallel the evolution
of the globalization processes in the last third of the last century. The establishment of parallel developments between the
phases of globalization and the paradigm change within diversity management concepts (in a Western European context
for the most part) will form the core of this text. It will conclude with an argument for a dialogic form of intercultural
(instead of multicultural) diversity management which itself
drives a certain mode of diversity: “Be yourself, but let’s collaborate.” It is an active, cooperative form of diversity that
encourages cohesive networking. In this way the handling of
diversity has shifted from structure-oriented containment to
process-oriented engagement.
Keywords: diversity, dialogic, intercultural, multicultural,
process-oriented, cohesive, fuzzy logics, fuzzy diversity
Abstract [Deutsch]
In den letzten Jahrzehnten sind verschiedene Ansätze entwickelt worden, kulturelle Vielfalt, bzw. allgemeiner: „diversity“, für organisationale Prozesse fruchtbar zu machen. Der
Mehrwert, der mit einer Berücksichtigung kultureller Vielfalt
verbunden ist, steht inzwischen weitgehend außer Frage.
Dennoch gelingt es in der Praxis bislang erst ansatzweise,
über ein strukturorientiertes Diversity Management hinaus
Vielfalt auch im Sinne eines Miteinander der Beteiligten zu
realisieren. Der Beitrag skizziert Paradigmenverschiebungen
des ‚managing diversity‘ und versucht Grundlagen eines prozessorientierten interkulturellen Diversity-Management herauszuarbeiten.
Stichworte: Diversität, Prozessmoderation, mehrwertig, Fuzzy
Logik, struktur- vs. prozessorientiert, Kohärenz, Kohäsion
1.
Entwicklungslinien des Diversity Managements
Die Art und Weise, mit Diversity umzugehen, sie zu ‚managen’, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach verändert. Die Entwicklung lässt sich in Analogie zu Interpretationen des aktuellen Globalisierungsprozesses und der fortschreitenden Dekonstruktion der Homogenitätsprämissen der
„Ersten Moderne“ (vgl. Beck 1997:115, Münch 1998:18ff.,
Bolten 2004) vor allem im euro-amerikanischen Raum in drei
– einander überlappende – Phasen unterteilen: Erstens eine
Kohärenz- bzw. Homogenisierungsphase, die bis zu den frü25
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
hen 90er Jahren dominierte, zweitens eine Differenzierungsbzw. Fragmentierungsphase mit Schwerpunkten in den
90er/00er Jahren und drittens eine Phase der Modularisierung
und kohäsiven Vernetzung (vgl. Rathje 2004) von DiversityPotentialen, die sich gegenwärtig stärker zu konturieren beginnt:
I
II
III
Kohärenzphase
Differenzphase
Kohäsionsphase
70er / frühe 90er
90er / 00er
00er / 10er
Homogenisierung: Vielfalt
tolerieren
Fragmentierung: Vielfalt
festschreiben
Modularisierung: Vielfalt
vernetzen
Abb. 1: Umgang mit „Diversity“ in den Phasen des aktuellen Globalisierungsprozesses
Eine weitere Analogie besteht in Hinblick auf Entwicklungen
des politischen und gesellschaftlichen Multikulturalitätsverständnisses, wie sie sich im gleichen Zeitraum in Deutschland vollzogen haben: Während Multikulturalität zunächst
zwar toleriert, aber eher in Abgrenzung zu der (vermeintlich
homogenen) Mehrheitsgesellschaft definiert wurde, ging es
in der zweiten Phase weniger um die Legitimität von
Multikulturalität als um deren - politisch korrekte - Festschreibung im Sinne der Sicherung friedlicher Koexistenz. Erst aktuell wandelt sich das in diesem Zusammenhang offenkundig
vorherrschende Strukturverständnis von Multikulturalität in
ein Prozessverständnis von Multikulturalität. Es geht gerade
darum, das Nebeneinander der Vielen in ein handlungsorientiertes Miteinander zu transformieren – auf der Basis von Reziprozität und Kollaboration: Wird in diesem Sinne zielorientiert etwas gemeinschaftlich gemacht (= lat: communicare),
sprechen wir nicht mehr von Multi-, sondern von Interkulturalität (Bolten 2007:134f).
Die Herausarbeitung und Diskussion von Paradigmenveränderungen, die in den vergangenen Jahren den Weg von einem multikulturellen zu einem interkulturellen Umgang mit
Diversity geebnet haben, steht im Zentrum der nachfolgenden Überlegungen. Sie schließen ab mit einem Plädoyer für
einen interkulturell-dialogischen Umgang mit Diversity, der
Impulse gibt, um Vielfalt im Sinne der Prämisse „Be yourself,
but let’s collaborate“ als eine aktive Form des Miteinander,
eines kohäsiven Vernetzens zu initiieren.
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
1.1
Kohärenzphase: Lost in standardization
Zu Beginn des letzten Drittels des 20.Jahrhunderts waren
Globalisierungsbemühungen wesentlich von dem Ziel getragen, politische und wirtschaftliche Interessen transnational zu
bündeln, um auf diese Weise auch über die eigenen Grenzen
hinaus „einheitlich“ und mit entsprechenden Machtpotentialen auftreten zu können. Hierzu zählen die Forcierung politischer Zusammenschlüsse wie der Übergang von den Europäischen Gemeinschaften zur Europäischen Union (im Maastricht-Vertrag von 1992), aber auch der Global-Player-Hype
der achtziger und frühen neunziger Jahre, innerhalb dessen
Produkte und Brands genau so wie Managementstrategien
im Sinne von „McWorld“ oder der „McDonaldisierung“
weltweit vereinheitlicht wurden: „Under this paradigm, it is
not desirable for diversification of the workforce to influence
the organisation’s work or culture. The company should operate as if every person were of the same race, gender, and
nationality“ (Thomas / Ely 1996:81).
Wenn es, wie hier, um Homogenisierung geht, spielt ‚Diversity’ jedweder Art logischerweise eine untergeordnete Rolle.
Unter der Prämisse des „homogenen Ideals“ (Sepheri 2002:
82) wird sie toleriert, solange sie die kohärente Struktur eines
Kollektivs (z.B. Unternehmen, Organisation, Gesellschaft, Nation) nicht stört und sich existierenden „Leitkulturen“ subsumieren lässt. „Die Potentiale der Vielfältigkeit, wie z.B. kulturbedingte, unterschiedliche Denk- und Arbeitsweisen werden
nicht erkannt und somit auch nicht genutzt“ (Sepheri 2002:
140): Vielfalt „gefährdet das Wir-Gefühl“ (Sepheri 2002:
103); diversity ist damit faktisch ‚lost in standardization’.
Spätestens an der Wende zu den 90er Jahren war allerdings
offenkundig, dass die mit solchen Strategien verbundenen
Anpassungs- und Integrationszwänge letztlich das Gegenteil
von dem bewirken, was sie erreichen sollen. Auch wenn sie
ignoriert wird: Vielfalt existiert - sie entfaltet, profiliert sich vor
allem dann, wenn die Einheit, der sie untergeordnet ist, von
den Akteuren als zu global, zu abstrakt und zu wenig glaubwürdig erfahren wird. Dass sich Homogenitäts- und Kohärenzideale dann nur noch als künstliche Hülsen erweisen,
wurde Anfang der 90er Jahre nicht nur im Auseinanderbrechen von politischen Blöcken und zwanghaft zusammen geklammerten nationalstaatlichen Einheitsgebilden deutlich,
sondern auch im Scheitern von undifferenzierten Standardisierungsstrategien im ‚globalen’ Management und Marketing.
In der Folgezeit begannen sich – unterstützt durch Entwicklungsschübe in der Verkehrs- und Kommunikationstechnologie – in nahezu allen Lebensbereichen rasch ausgeprägte Plu-
27
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
ralisierungstendenzen durchzusetzen. Die in diesem Kontext
zunehmende Akzeptanz und Wertschätzung von „Heterogenität“ und „Diversity“ (vgl. Sepheri 2002:142ff.) verdankte
sich dementsprechend – nicht ganz ohne Paradoxie – dem
Tatbestand, dass Globalisierung, anders als es vielleicht aus
ökonomischer Perspektive wünschenswert ist, eben nicht als
Standardisierungsprogramm funktioniert:
„Mit Globalisierung in all ihren Dimensionen entsteht […] nicht nur eine
neue Vielfalt von Verbindungen und Querverbindungen zwischen Staaten
und Gesellschaften. Viel weiter gehender bricht das Gefüge der Grundannahmen zusammen, in denen bisher Gesellschaften und Staaten als territoriale, gegeneinander abgegrenzte Einheiten vorgestellt, organisiert und
gelebt wurden. Globalität heißt: Die Einheit von Nationalstaat und Nationalgesellschaft zerbricht; es bilden sich neuartige Macht- und Konkurrenzverhältnisse, Konflikte und Überschneidungen zwischen nationalstaatlichen
Einheiten und Akteuren einerseits, transnationalen Akteuren, Identitäten,
sozialen Räumen, Lagen und Prozessen andererseits." (Beck 1997:46f.)
Mit dem Zerbrechen der Einheit von Nationalstaat und Nationalgesellschaft wurden automatisch auch viele andere an
Homogenitätsparadigmen orientierte Denkweisen in Frage
gestellt, die – geprägt durch diese Einheitsvorstellungen und
-zwänge – über Jahrhunderte hinweg Einfluss auf individuelle
und soziale Selbstverständigungsprozesse genommen hatten.
Quer durch oft willkürlich gesetzte und aufmerksam gehütete
bzw. verteidigte Grenzen hindurch wurden plötzlich wechselseitige Zusammenhänge sichtbar oder geschaffen, die oberflächenstrukturell vielleicht Standardisierungseffekte auszulösen vermochten, die andererseits aber auch nur unter der Bedingung der Anerkennung von (lokaler / kultureller) Vielfalt
und Verschiedenheit funktionieren konnten.
1.2
Differenzphase: Lost in diversity
Wo „feste“ und in diesem Sinn vertraute Strukturen aufbrechen, geraten nicht nur (mehr oder minder zwanghaft als
‚homogen’ deklarierte) Räume in Fluss. Mit der Vielfalt werden auch Gegensätze offenkundig; Interessen konkurrieren,
man versucht den Anderen zu respektieren, um sich selbst
möglichst ungehindert in der Vielfalt behaupten zu können.
Damit dies nicht in einen „Krieg aller gegen alle“ mündet,
verhält man sich ‚political correct’: Vor allem sprachliche Euphemismen wie ‚International Office’ anstatt ‚Akademisches
Auslandsamt’ oder Neuschöpfungen wie die genderkorrekte
Bezeichnung ‚MitarbeiterInnen’ hatten in den 90er Jahren
Konjunktur. Sie dienten (und dienen bis heute) dazu, die
Rechte und Werthaltungen anderer nicht zu verletzen und die
Gleichberechtigung der Einzelnen in der Vielfalt zu dokumentieren.
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
Diversity Management, das sich entsprechenden Gleichberechtigungspostulaten verpflichtet weiß, wie etwa der Fairness and Discrimination Approach (vgl. Thomas / Ely 1996),
intendiert Vorurteilsfreiheit, riskiert aber auch, dass das Plädoyer von Gleichbehandlung die Kommunikation von und
über Vielfalt unterdrückt. Was seinerzeit resultierte, war eine
Diversity-Praxis, die durch Fragmentierung charakterisiert war,
dadurch, dass sie beispielsweise via Quotenregelung unterschiedliche Interessen nebeneinander positionierte, die Rechte
einzelner Gruppe verteidigte, aber deren Dialog untereinander nicht beförderte.
Wenn auch eher ökonomisch als ethisch motiviert, zielt der
Access and Legitimacy Approach (Thomas / Ely 1996, vgl.
Aretz / Hansen 2002) in eine ähnliche Richtung. Anders als
beim Fairness and Discrimination Approach wird hier allerdings Vielfalt nicht als Problemursache gesehen, die es durch
Gleichbehandlung zu minimieren gilt, sondern als strategisches Instrument, um z.B. im ökonomischen Bereich marktorientiert auftreten zu können. Ein Ansatz besteht darin die
eigenen Mitarbeiter merkmalsspezifisch (nach Gender, Alter,
Religionszugehörigkeit, Nationalität, Muttersprache etc.) zu
selektieren und einzusetzen, um auf diese Weise entsprechenden Zielgruppen bzw. Zielmärkten besser gerecht werden zu können. Innerhalb der Organisation wird das Nebeneinander der einzelnen Mitarbeiter bzw. Gruppen durch eine
solche strukturelle Aufteilung freilich eher bestätigt.
Im Fazit: Obwohl diese beiden Strategien des Diversity Management durchaus von der guten Absicht getragen sind, die
Rechte des Einzelnen zu stärken, seine Gleichberechtigung zu
fördern und Diversity als Managementinstrument zu verstehen, haben sie eher dazu beigetragen, Strukturen, wie sie der
Begriff „Parallelgesellschaft“ impliziert, zu fördern und zu zementieren, als sie zu überwinden.
Deutlich früher schon als in Europa hatte in den USA ein
durch ‚political correctness‘ geprägtes Verständnis von
Diversity Managment den Verdacht genährt, nicht nur soziale
Fragmentierung und die Unverbindlichkeit eines Nebeneinander zu generieren, sondern darüber hinaus auch ökonomisch
kontraproduktiv zu wirken. So geht der Soziologe Robert D.
Putnam in seiner Studie „Bowling Alone“ (2000) von dem
Befund aus, dass in US-amerikanischen Bowling Centern die
Zahl der Einzelspieler seit den achtziger Jahren überproportional zugenommen habe – und zwar zu Lasten der Ligaspieler.
Volkswirtschaftlich, so Putnam, gebe dies durchaus Anlass zu
Besorgnis, da Ligaspieler aufgrund ihrer längeren (sozialen)
Verweilzeit im Bowling Center dreimal so viel Pizza und Bier
konsumierten wie Einzelspieler. Mit kritischem Blick auf die in
den USA besonders seit den 80er teilweise dogmatisch agie-
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
rende Diversity-Bewegung setzt Putnam dem fragmentierungsbedingten „collapse of American community“– das
Programm eines „revival of American community“ entgegen
(Putnam 2000:3), zu dessen Kernpunkten nicht von ungefähr
der Vertrauensaufbau zählt. Auch wenn Putnams Vorschläge,
über den Hebel einer Verbesserung des „sozialen Kapitals“ zu
einer Optimierung der volkswirtschaftlichen Finanzkapitalsituation zu gelangen, durchaus kontrovers diskutiert werden
können (vgl. Braun 2002), bleibt als eine Konsequenz aus seiner Studie festzuhalten, dass ein ‚managing diversity‘, das
unter strikten political-correctness-Prämissen (Gleichbehandlung, Quotierung etc.) verläuft, durchaus zu einer in sich zerklüfteten Gesellschaft von „Alleinbowlern“ oder „Nebeneinanderbowlern“ führen kann. Sie sind Opfer eines ausschließlich auf Differenzierung zielenden Umgangs mit Vielfalt – und
in diesem Sinne „lost in diversity“.
Schafft man in einem Handlungskontext, der durch das Bewusstsein von Vielfalt geprägt ist bzw. sein soll, keine gemeinsamen Ziele und Visionen, keine Vertrauensbasis, werden zwischen den Einzelnen auch kaum nachhaltige Reziprozitätsbeziehungen entstehen können, die in der Lage wären,
das beschriebene Nebeneinander in das Miteinander einer
‚community‘ (nicht nur im Sinne Putnams) zu transferieren.
Entscheidend ist daher, wie es zutreffend Kaduk / Osmetz /
Förster (2009:70) formulieren,
„dass die beste Lösung nur gemeinsam auf der Grundlage echter Beziehungen zustande kommen kann. Es geht nicht darum, Vielfalt zu bewältigen, sondern zur eigenen und fremden Kultur in Beziehung zusetzen und
somit die entstehende Vielfalt zu nutzen. Die bloße Existenz von Unterschiedlichkeit bringt noch nichts. Belegschaften können noch so heterogen
sein – wenn nicht reflektiert und mutig an den Beziehungen und an einer
Kultur des Diskurses gearbeitet wird, wird das Potential kultureller Vielfalt
verschenkt.“
1.3
Kohäsionsphase: Let’s collaborate - Vom multikulturellen zum interkulturellen Diversity Management
Während die zweite Phase des aktuellen Globalisierungsprozesses in vielen Bereichen durch Gegenreaktionen auf die
durch Homogenitäts- und Kohärenzzwänge bestimmte
Standardisierungseuphorie des ersten Globalisierungsanschnitts charakterisiert war, dabei aber mit ihren eigenen Differenzierungspostulaten („Diversity!“, „Lokalisierung!“, „be
political correct!“ etc.) nur in das andere Extrem geschwenkt
war und mit den Fragmentierungsfolgen sicherlich keinen
Mehrwert zu schaffen vermochte, setzen die DiversityKonzepte der aktuellen dritten Phase an genau diesen
Schwächen an und versuchen sie konstruktiv zu wenden. Eine
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
Pionierrolle besitzt hierbei zweifellos Robertsons Theorie der
„Glokalisierung“ (Featherstone / Lash / Robertson
1995:25ff.), in der die beiden ersten Globalisierungsphasen
gleichsam als Zentrifugal- und Zentripetalkräfte eines Prozesses verstanden und auf einander bezogen werden. Das logisch zweiwertige „Entweder-Oder“ (von Homogenisierung
und Differenzierung) erfährt gegenwärtig Konkurrenz von
mehrwertigen Lösungen, die einem Sowohl-als-auch-Denken
folgen (Beck 1997:95, Kaduk / Osmetz / Förster 2009:71, Bolten 2010).
Einer solchen fuzzy logic sind neuere Ansätze des Diversity
Management wie der Learning and Effectiveness Approach
verpflichtet, der nicht nur die ethischen und ökonomischen
Orientierungen der zweiten Diversity-Phase integriert, sondern der darüber hinaus dafür eintritt, Verschiedenheit im
Sinne des Voneinander-Lernens produktiv zu nutzen, Fragmentiertes zu modularisieren und z.B. in Unternehmen eine
Kultur zu fördern, innerhalb derer „jeder Mitarbeiter seine individuelle Persönlichkeit mit ihren sozialen und kulturellen
Bezügen in die Ordnung mit einbringt“ (Aretz / Hansen
2002:17).
Ein Diversity Management, das in dieser Weise agiert, ist
dementsprechend nicht mehr in erster Linie Strukturmanagement, dem es darum geht Vielfalt als Ordnungsmerkmal festzuschreiben, um auf diese Weise Gleichberechtigung garantieren zu können. Es realisiert sich in gleichem Maß auch als
Prozessmanagement, bei dem die Frage im Vordergrund
steht, wie aus dem vielfältigen Nebeneinander gleichberechtigter Merkmale, Erfahrungen, Kenntnisse, Werte, Einstellungen und Überzeugungen zumindest partiell und punktuell ein
Miteinander generiert werden kann, das gegenüber dem Einzelnen einen Mehrwert besitzt, ohne gleichzeitig Vielfalt
preiszugeben.
Ein analoges Beispiel, das mit organisationalen Prozessen in
einem durchaus engen Zusammenhang steht, stammt aus
dem Marketing. Dort hatte man an der Wende zum 21. Jahrhundert registrieren müssen, dass die zunehmende Produktdiversifizierung insbesondere bei Konsumgütern kontraproduktiv war: Durch die Vervielfachung von Produktspezifikationen innerhalb einer Marke (z.B. Geruchsdiversifizierung bei
Deodorants, Geschmacksdiversifizierung bei Zigaretten und
Erfrischungsgetränken wie ‚zero’, ‚light’, ‚medium’ ‚original’)
wurden Markenimages und Markenidentitäten fragmentiert
(vgl. Heuser 1996, Bosshart 2007). Das löste bei den Kunden
aufgrund der damit einhergehenden Orientierungslosigkeit
eher Konsumzurückhaltung als Konsummotivation aus. Erst
mit der Verknüpfung bzw. Modularisierung der Angebote im
Rahmen von (untereinander vernetzten) „Produktfamilien“
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
(z.B. Stern TV, Stern Illustrierte, Stern Gesundheit, Neon etc.)
konnte sich das Geschäft wieder stabilisieren. Das unverbundene Nebeneinander von Produktspezifikationen wurde teilweise über pricing-Strategien (Bosshart 2007:174), teilweise
über content-Bündelungen (z.B. „der blaue Geruchstyp“ bei
Kosmetika / Parfümerieartikeln), in einen offenen Verweisungszusammenhang, in ein Zusammenspiel, gesetzt.
Anders als bei Homogenisierungsprozessen geht es bei einer
derartigen Modularisierung nicht um Kohärenz, sondern um
Kohäsion (vgl. Rathje 2004): Kohärenz zielt auf Einheitlichkeit
unter der Prämisse einer Unterordnung des Verschiedenen,
Kohäsion auf Zusammenhalt unter der Prämisse einer freiwillig-interaktiven und damit durch Reziprozität gekennzeichneten Koexistenz des Verschiedenen – etwa im Sinne dessen,
was sich in den letzten Jahren mit Mitteln des Web 2.0 als
„social networking“ etabliert hat.
„Kohäsion“ ist in diesem Zusammenhang durchaus analog zu
entsprechenden Vorgängen in der Physik zu verstehen, wo
der Begriff vor allem bei der Erklärung von Oberflächenspannung (z.B. von Wassermolekülen) verwendet wird. Gerade für
Fragestellungen der dritten Globalisierungsphase bieten sich
hier gute Anknüpfungspunkte, weil Oberflächenspannung
ebenfalls ein „Gemeinsames“ (Wasserspiegel) schafft, ohne
dabei das Einzelne (Molekül) aufzulösen oder zu integrieren.
Allenfalls ist der Zusammenhalt der Moleküle befristet (z.B.
bis zum Eintreten einer Störung wie einem Stein, der ins Wasser geworfen wird): Sie gehen auseinander, um als Moleküle
einen neuen Zusammenhalt zu „suchen“. Transferiert man
dieses physikalische Geschehen auf soziale Prozesse, so entstehen bei dieser „Suche“ potentiell neue Netzwerkverbindungen, wobei es dem Einzelnen – anders als bei physikalischen Kohäsionen – freigestellt ist, ob er an eine für einen
Zusammenhalt geeignete Schnittstelle andockt oder nicht
(ähnlich wie die Option des Annehmens oder Ablehnens von
„Freundschaften“ in social networks wie „Facebook“).
Das Risiko des Scheiterns von Reziprozitätsbeziehungen (vgl.
Castelfranchi 2007) ist unter Kohäsionsbedingungen freilich
höher als unter den Bedingungen kohärenzorientierten Organisationsstrukturen: Kohäsion beinhaltet Multioptionalität
und basiert auf Prozessualität und Freiwilligkeit, womit sie
potentiell „flüchtiger“ ist als soziale Bindungen, die (nicht
unbedingt freiwillig) in kohärenten Strukturen verankert sind
und auf langfristiges Bestehen zielen.
Der Unterschied zwischen einem kohärenz- und einem kohäsionsorientierten Umgang mit Diversity wird deutlich, wenn
man Unternehmensleitbilder der neunziger Jahre mit Äquivalenten vergleicht, die eine Dekade später entstanden sind. Bei
Hewlett Packard (Deutschland) z.B. werden in den Unter© Interculture Journal 2011 | 13
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
nehmenszielen von 1996 individuelle Rechte und Chancengleichheit zwar betont, aber keine Vorschläge zu einer kreativen Nutzung der Vielfalt formuliert. Der Umgang mit Diversity
bestätigt bestehende Strukturen, verflüssigt sie aber nicht:
„In Anerkennung der persönlichen Leistung und der Selbstachtung jedes
Mitarbeiters baut das Unternehmen auf dessen Individualität […]. HP legt
großen Wert darauf, Mitarbeiter aller Hautfarben, Nationalitäten und Kulturkreise, jeder Altersgruppe und Geschlechtszugehörigkeit sowie behinderte Menschen zu beschäftigen und zu fördern. Dabei fühlen wir uns in
hohem Maße der Chancengleichheit aller Mitarbeiter verpflichtet.“ (Hewlett Packard 1996:3)
Das Leitbild von 2009 hingegen verdeutlicht den Mehrwert
von Diversity, betont das Miteinander der Einzelnen und ist in
diesem Sinn kohäsiv orientiert: Strukturelle Multikulturalität
wandelt sich dabei zu prozessualer Interkultualität:
„HP achtet auf Vielfalt (Diversity) in der Mitarbeiterstruktur und legt Wert
darauf, dass Menschen unterschiedlicher Herkunft, verschiedenen Alters
und mit vielfältigen individuellen Fähigkeiten zusammenarbeiten. Denn
Vielfalt erzeugt Kreativität.“ (Hewlett Packard 2009:2)
Realisiert wird die Zusammenarbeit in „gemischte[n] Teams
[…]. Jeder Einzelne bringt seine Fähigkeiten ein und trägt
zum Unternehmenserfolg bei. Gerade die Vielfalt ist eine Antriebsfeder für Kreativität“ (Hewlett Packard 2010:3f.).
2.
Perspektiven
Eine solche kohäsive Vernetzung von Vielfalt entsteht freilich
nicht von allein, ist aber andererseits auch nur bedingt steuerbar, weil sie auf einer Passfähigkeit von unterschiedlichen
Interessen, Fähigkeiten und Fertigkeiten beruht, die von den
Einzelnen selbst (im Sinne einer Oberflächenspannung) erkannt und im Sinne eines interkulturellen Aushandlungsprozesses realisiert werden muss. Der Prozess selbst verläuft zu
großen Teilen emergent bzw. eigendynamisch. Von interkulturellem Diversity Management zu sprechen, ist dementsprechend in diesem Zusammenhang nicht ganz unproblematisch – zumindest dann nicht, wenn „Management“ eher im
Sinne von zielorientierter Steuerung als im Sinne von interkultureller „Diversity Moderation“ verstanden wird: Ersteres gibt
Ziele und Wege eindeutig vor, letztere formuliert Ziele in Abstimmung mit den Beteiligten und moderiert den Prozess des
Miteinanders, innerhalb dessen Wege zum Erreichen dieser
Ziele gefunden und begangen werden. Diversity Management wird damit selbst unscharf bzw. „fuzzy“ (Bolten 2010):
es gibt keine „richtigen“ oder „falschen“ Lösungen mit Vielfalt umzugehen, sondern – zielbezogen – nur mehr oder minder angemessene, zu großen Teilen aber ergebnisoffene Formen einer best practice. In diesem Sinn wird „Diversity Ma-
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
nagement“ nachfolgend in der Bedeutung von „interkulturelle Prozessmoderation“ verwendet.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Ergebnisoffenheit und
‚Fuzzyness’ sind nicht mit Beliebigkeit zu verwechseln. Sie
basieren auf klaren und eindeutigen Zielvereinbarungen und
Interaktionsregeln, die ihrerseits allerdings kontinuierlich reflektiert und – dem Prozessverlauf entsprechend – „gemeinschaftlich“ abgeglichen und korrigiert werden. Bezogen auf
Diversity-Prozesse lässt dieser Sachverhalt treffend mit dem
aus der Pädagogik stammenden Begriff der „reflexiven Interkulturalität“ (vgl. Hamburger 2009:129) bezeichnen.
Wie sich Einzelne innerhalb eines Diversity-Szenarios vernetzen und welche kreativen Potentiale ein solches „Miteinander“ tatsächlich birgt, lässt sich im Voraus kaum prognostizieren. Es handelt sich um im Gelingensfall um synergetische
Prozesse, wie wir sie vom Wasserkochen kennen: auch hier
lässt sich nicht voraussagen, welche Wassermoleküle sich in
welcher Form verbinden und dadurch eine Rollbewegung des
Wassers auslösen. Auch lassen sich die Intensität oder die
Richtung des Rollvorgangs nicht steuern. Allerdings kann man
durch die Erzeugung von Hitze dafür sorgen, dass überhaupt
eine Rollbewegung zustande kommt.
Ähnlich verhält es sich in Bezug auf interkulturelle DiversityProzesse in Organisationen: Dass sich entsprechende Vernetzungen ereignen, lässt sich durch entsprechende Organisationsentwicklungsmaßnahmen wie die Einführung interkultureller Wissens- und Kommunikationsmanagementsysteme begünstigen (Bäuerle 2009, Piéch 2009, Barmeyer / Bolten
2010). Hierzu zählt vor allem eine Barrierefreiheit bei den
kommunikationstechnologischen Voraussetzungen, die sicherstellt, dass der Einzelne als Experte bestimmter Sozialisations-,
Erfahrungs- und Bildungskontexte wahrgenommen werden
kann, weil es ihm möglich ist, sein Wissen explizit und darüber hinaus anderen zugänglich zu machen.
Wie sich am Beispiel vieler mit durchaus interessanten Anliegen und Themen gestarteten, letztlich aber mangels Teilnehmer erfolglos eingestellter Content Management Systeme
und Wissensportale zeigen lässt, reichen funktionierende
Technologien und interessante Inhalte allerdings noch nicht
aus, um Selbstorganisationsprozesse in Gang zu setzen und
eine Kohäsionsdynamik nachhaltig zu gewährleisten, auf die
Web 2.0-Szenarien beispielsweise angewiesen sind, um erfolgreich existieren zu können. Anders gesagt: „Collaboration
[…] does not just happen on its own“ (Hansen / Nohria
2004:24).
Und genau hier ist auch die Hauptschwierigkeit vieler Organisationen zu sehen, die in ihren Leitlinien durchaus den Über-
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
gang von einer strukturorientierten multikulturellen zu einer
prozessbewussten interkulturellen Praxis von Diversity proklamieren, in der Praxis aber hinter diesen Zielen zurück bleiben und letztlich doch nur gesetzlichen Vorgaben wie z.B. in
Deutschland dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz
(AGG 2006) Genüge leisten. Sie werden dann zwar – political
correct – Vielfalt akzeptieren und Strukturen schaffen, die im
1
Sinne des Gesetzesziels Diskriminierung verhindern, sind aber
nicht in der Lage die Vielfalt an Expertise und Erfahrung innerhalb der Organisation in einen eigendynamischen und
synergieorientierten Prozess zu transferieren, strukturelle Vielfalt zu verflüssigen und damit multikulturelles Nebeneinander
in ein interkulturelles Miteinander überzuleiten, das der Bedeutung von lat. communicare, nämlich: „etwas
Gemeinschaftlichmachen“, gerecht werden würde.
Zentrales Medium dieses Prozesses ist folgerichtig der interkulturelle Dialog, nämlich der bewusste und zielorientierte
aktive Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen den Akteuren und den unterschiedlichen Kollektiven bzw. ‚Kulturen’,
denen sie angehören (vgl. Hansen 2009).
Zu einerseits Erfolgsbedingungen und andererseits Hemmschwellen für ein funktionierendes (interkulturelles) Wissensmanagement sind bereits zahlreiche Untersuchungen durchgeführt worden (u.a. Bullinger et al. 1997, Hansen / Nohria
2004, Bäuerle 2009). Während fehlende Anreizsysteme,
Zeitmangel, mangelndes Bewusstsein in Hinblick auf die Vorteile von Wissensteilung und nicht zuletzt die Angst, Macht
einzubüßen, wesentliche Barrieren für einen offenen Wissensaustausch darstellen (z.B. Bullinger et al. 1997:31ff.),
wird auf der anderen Seite als eine der grundlegenden
Gelingensbedingungen die Existenz von Impulsgebern genannt, die dafür sorgen, dass ein solches dialogischinteraktives „Miteinander“ nicht versiegt und von den Beteiligten als Mehrwert wahrgenommen wird.
In der Terminologie der sozialen Netzwerkanalyse werden
solche Impulsgeber als „Promotoren“ bezeichnet (u.a. Bäuerle 2009:103ff.); Hansen und Nohria (2004:25) sprechen von
„Konnektoren“:
„Companies may therefore need to cultivate ‚connectors’, that is, people
who know where experts and ideas reside and who can connect people
who do not know each other. Connectors tend to be long-tenured employees who have worked in many different areas in the company and
hence have an extensive personal network.”
Konnektoren bzw. Promotoren initiieren Emergenz beispielsweise dadurch, dass sie Schnittstellenfunktionen ausüben,
über die Reziprozitätsbeziehungen zwischen den Netzwerkbeteiligten allererst geschaffen, reaktiviert oder aber intensiviert werden können. Ihre Aufgabe besteht vor allem darin,
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
im Sinne eines pulsierenden Netzwerkknotens als Scharnier
zwischen individueller Mikro- und organisationaler Makroebene zu fungieren, Lernprozesse anzustoßen, Wissensaustausch
zu fördern, Kommunikations-, Interaktions- und Kollaborationswege zu öffnen und Vertrauen aufzubauen. Sie übernehmen die Funktion, potentielle ‚fits’ zu identifizieren – und
zwar zwischen Handlungskontexten, in die sie eingebunden
sind und solchen, in die sie (noch) nicht eingebunden sind.
Auf diese Weise begünstigen sie die Entfaltung des Kohäsionspotentials der Mitarbeiter untereinander und stärken
gleichzeitig den Zusammenhalt des organisationalen Netzwerks als „Makrokultur“. In diesem sehr offenen „Moderations“-Sinn nehmen Promotoren bzw. Konnektoren innerhalb
von Emergenzprozessen Gestaltungsfunktionen wahr. Sie
sind dementsprechend auch Schlüsselfiguren in Hinblick darauf, ob und in welcher Weise Unternehmen „emergente Systemkompetenz“ (Haken / Schiepek 2006:636) und damit
auch organisationale interkulturelle Diversitykompetenz auszubilden vermögen.
Die Identifikation derartiger Impulsgeber ist Aufgabe der Personalentwicklung, wobei offenkundig ist, dass soziale Interaktionskompetenz und Vertrauenswürdigkeit sicherlich zu den
unverzichtbaren Merkmalen von jemandem zählen, der in der
Lage sein soll, andere zu Interaktion und Kollaboration zu
motivieren, um auf diese Weise einen dialogischen und in
diesem Sinne interkulturellen Umgang mit Diversity zu gewährleisten. Nicht zu unterschätzen ist dabei die Existenz von
Anreizsystemen, die z.B. über Reputationsgewinn oder auch
materielle Aspekte Prozessbindungen herstellen. Dies ist freilich wieder eine Sache der Organisationsentwicklung, womit
deutlich ist, dass Diversity-Prozesse, die auf ein kohäsives Miteinander zielen, des Zusammenspieles von Organisations- und
Personalentwicklung notweniger Weise bedürfen.
Um dies realisieren zu können, ist allerdings wichtig Abschied
von der Vorstellung zu nehmen, Vielfalt sei ein Strukturmerkmal, das kraft Quotierung, politisch korrektem (und z.B.
sprachlich euphemistischem) Vermeidungsverhalten oder
durch Berufung auf Gleichbehandlungsgesetze steuerbar wäre. Erst wenn Diversity als dialogisch-interkultureller Prozess
initiiert und dabei in moderierendem Sinne ‚gemanagt’ wird,
entsteht jene Eigendynamik und ‚Fuzzyness’, die Bedingungen für ein kreatives und synergetisches Zusammenspiel unterschiedlichster Akteure zu schaffen vermag. Jeder der Akteure ist – aufgrund der Einzigartigkeit seines Sozialisationsprozesses – Experte in Bereichen, die kein anderer auf diese
Weise und aus dieser spezifischen Perspektive reflektiert oder
erfahren hat. Wichtig für die Moderation interkultureller
Diversity-Prozesse ist es, dieses Expertentum transparent zu
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Bolten: Diversity Management als interkulturelle Prozessmoderation
machen, sein Mehrwertpotential zu verdeutlichen und die
Akteure zu einem zielbewussten Miteinander zu motivieren.
Literatur
AGG
(2006):
Allgemeines
Gleichbehandlungsgesetz.
http://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/agg/gesamt.pdf
am 14.01.2011].
URL:
[Zugriff
Aretz, H.-J./ Hansen, K. (2002): Diversity und Diversity-Management im
Unternehmen. Eine Analyse aus systemtheoretischer Sicht. Münster, Hamburg, London: LIT-Verlag.
Beck, Ulrich (1997): Was heißt Globalisierung. Frankfurt/ M.: Suhrkamp.
Bäuerle, Irina I. (2009): Optimierung des Informations-, Kommunikationsund Wissensmanagements im Bereich Vertrieb After Sales bei der VW AG.
Unveröffentlichte Dissertation an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Bolten, Jürgen (2004): Interkulturelle Personalentwicklung im Zeichen der
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1
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© Interculture Journal 2011 | 13
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
Cooperation Competence – A ProblemOriented Model for
Successful Interaction in
Commercial Alliances
[Kooperationskompetenz –
ein problemorientiertes
Model zur erfolgreichen
Interaktion in Unternehmenskooperationen]
Susann Juch
Dipl.-Psych., Research Associate
at the Friedrich-Schiller-University
of Jena, Department of Intercultural Business Communication
Abstract [English]
Although alliances gain increasing importance in day-to-day
business, they often tend to fail due to interaction problems
between the involved. The article outlines the results of a
qualitative study of interaction processes in alliances, building
on interviews with 52 cooperation experts from seven companies and their alliance partners. It presents a problemoriented model of successful interaction in alliances that differentiates between typical interaction principles, problem
symptoms and causes as well as potential solutions. Due to its
problem and interaction perspective, the model transcends
traditional approaches of cooperation competence that tend
to link alliance success to certain ideal skills of the involved or
a “cultural fit” of the partnering companies. Instead it provides practical tools to address and overcome interaction
problems in alliances.
Keywords: co-operation, international alliances, intercultural
interaction, conflicts in alliances, tools for problem-solving,
principles of interaction, cooperation competence
Stefanie Rathje
Prof. Dr., Professor of Business
Management and Communication at the University of Applied
Science “Hochschule für Technik
und Wirtschaft” (HTW) of Berlin
Abstract [Deutsch]
Obwohl Kooperationen im Alltag von Unternehmen eine immer größere Wichtigkeit einnehmen, scheitern sie häufig
aufgrund von Interaktionsproblemen zwischen den Beteiligten. Der Artikel beschreibt die Ergebnisse einer qualitativen
Untersuchung von Interaktionsprozessen in Kooperationen.
Dabei wurden 52 Experten aus sieben Unternehmen und ihren Kooperationspartnern zu ihren Kooperationserfahrungen
befragt. Auf dieser Basis wird ein problemorientiertes Modell
zur erfolgreichen Gestaltung der Interaktion in Unternehmenskooperationen entwickelt, das zwischen typischen Interaktionsprinzipien, Problemsymptomen, Problemursachen und
Lösungsmaßnahmen differenziert. Aufgrund seiner Problemund Interaktionsorientierung überwindet das Modell übliche
Ansätze von Kooperationskompetenz, die den Kooperationserfolg von bestimmten Idealeigenschaften der Beteiligten
oder einem “Cultural Fit” abhängig machen. Es liefert die
Grundlage für praxistaugliche Instrumente zur Bearbeitung
von Kooperationsproblemen.
Stichworte: Kooperation, internationale Allianzen, interkulturelle Interaktionen, Konflikte in Allianzen, Instrumente zur
Problemlösung, Interaktionsprinzipien, Kooperationskompetenz
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
1.
Objectives
When asked what cooperation means to their business, most
managers will offer the standard response that “cooperation
is on the rise and is more global than ever”.
Today, some form of inter-business cooperation is routine in
nearly all large organizations. The gradual increase in the importance of alliances among business organizations in the last
decades has been well documented (Juch et al. 2007). The
prediction that strategic alliances – cooperation between
partners that preserves their respective legal and economic
sovereignty – would challenge the importance of mergers
and acquisitions (Gilroy 1993:114) appears to have come
true. Since the 1990’s, the number of corporate partnerships
of all kinds has increased dramatically while international cooperation has become twice as common as national partnerships (cf. Stüdlein 1997:3, Anand / Khanna 2000:296, OECD
2001:25). At the beginning of the new millennium, the top
500 global businesses are estimated to manage an average of
60 major strategic alliances each (Dyer / Kale / Singh
2001:37). The increased importance of partnerships has been
precipitated by a number of factors. First of all, rapidly changing market conditions have left many companies unable to
bear the costs and risks of e.g. new product development
without external assistance, due to their lack of necessary resources on relevant levels of value creation or in relevant
markets. Entry into some kind of business alliance has thus
become an inevitable reality (cf. Kauser / Shaw 2004:17), especially due to the notion that it is not possible to simply buy
up every potential partner (Zentes et al. 2003:20). This development has been facilitated by the liberalization of world
trade, the global opening of markets, and the further development of new information and communication technologies
(cf. Holtbrügge 2003:876, Friedli / Schuh 2003:496, Berg /
Schmitt 2003:297f.).
But just as plentiful as the good reasons for the establishment
of commercial alliances are the reports of cooperation gone
wrong. Some early authors present exorbitantly high failure
rates for business alliances reaching up to 70% in some reports (Spekman et al. 1996:346, Geringer / Hebert 1991:250).
There is, however, relatively clear consensus that the reasons
for the obviously high rate of failure to reach expected business goals in a cooperative venture cannot be reduced exclusively to failure in the economic sphere. While technical,
financial, and strategic missteps certainly contribute to high
rates of failure, inadequate communication and interaction
between the organizations involved appear to be central reasons for frequently disappointing results.
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
Various studies on the subject identify a number of potential
sources for the problem. Friedli and Schuh, for example,
address the role of conflict, restrictions in the cooperative environment, unclear or incomplete goal-setting and an overemphasis on the importance of the initial cooperative conditions (2003:498). Many sources discuss existing cultural differences as a frequent source of difficulty in commercial
alliances (Stüdlein 1997:92, Apfelthaler 1999:14, Strähle
2004:207, Juch et al. 2007).
In this way, commercial alliances are increasingly being understood as complex communicative systems of interaction
between the representatives of multiple organizations. Strategic alliances are especially precarious in this respect since,
as the partner has not been “acquired”, the cooperation
remains one of constant negotiation that can be potentially
endangered by any conflict that may arise. The ability of a
company – or of the individuals representing it – to create a
productive environment for the establishment of genuine
interaction must then be recognized as a central criterion for
successful commercial cooperation.
To date, there is no single comprehensive theoretical model
that addresses commercial cooperation as a system of complex interaction, from which specific standards of success and
solution strategies might be derived (Nippa et al. 2007:282).
The objective of this article is to present an overview of the
results of a study that has been conducted to describe the
ability of an organization to cooperate, that is, its cooperation
competence, within the framework of an interaction-oriented
model. The study addressed the following key questions related to the successful practical management of alliance interaction:
•
What are the fundamental principles of communicative
interaction that are most relevant in a context of commercial cooperation?
•
How can developing conflicts in interaction be recognized
at an early stage?
•
What are the best solution strategies in dealing with
interaction conflicts in an alliance?
2.
Methodology
The investigation was undertaken from 2005 to 2008 under
the auspices of the Bertelsmann Foundation’s “Corporate
Culture in Global Interaction” project (Rathje 2008). The
study examined the responses of a total of 52 experts on
business alliances from seven different companies and their
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
partner companies. The participants were engaged in onehour interviews on the subject of their experiences involved in
business alliances. The conditions for participation were as
follows: candidate organizations must be involved in at least
one cooperative venture in which the companies involved
retained financial and legal sovereignty. Participating companies were Airbus S.A.S., Arcandor AG, Deutsche Bahn AG,
Endress + Hauser GmbH, IBM GmbH, Melitta GmbH & Co.
KG and SAP AG.
Due to the exploratory nature of the research objectives, the
study employed a qualitative empirical approach. The acquisition of data was achieved through the use of open but thematically guided expert interviews. Interview topics included
descriptions of standard problems in business alliances as well
as success factors and problem-solving strategies while engaged in commercial cooperation. Economic, political, and
legal considerations were essentially eliminated from the discussions, ensuring that the interview subjects would concentrate on the challenges of cooperative interaction.
Interview candidates were chosen based upon their leadership positions within the alliance or from the top management directly. Candidates must have been either directly
active in the cooperation process or have been involved in the
planning and conceptualization of the actual alliance. Altogether, there were 24 face-to-face interviews and 28 telephone interviews in German and English undertaken by two
trained interviewers. All conversations were recorded and
transcribed. The evaluation of the results followed a threelevel coding process consistent with the grounded theory of
Glaser and Strauss (1979). In order to ensure the quality of
the model formulation, the first phase of coding was accomplished by three independent coders and their results compared. The end results of the modeling were finally validated
in a series of workshops with the participation of interview
participants and external observers.
3.
Results of the Study
Because of its grounded nature, emphasis in the study was
placed upon the analysis of concrete experiences in specific
cooperative situations and the individual cases offered by the
interview participants. The results were developed into a
problem-oriented model for the establishment of successful
interaction in commercial alliances that postulates no ideal
standard, but rather describes the interaction process within
an alliance from the perspective of the participants. This approach ensures that the model can then serve as a source for
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
practice-oriented behavioral management recommendations
in cooperative environments.
The model itself is composed of four interdependent elements present in a context of commercial cooperation:
a) principles of interaction, b) symptoms of conflict, c) problem sources, and d) organizational measures (see exh. 1).
As a result of the study, it has become possible to recognize a
number of principles of interaction (a) that appear to be crucial to successful commercial cooperation. The violation of
these interaction principles typically elicits a variety of conflict
symptoms (b) rooting in specific problem sources (c). At the
center of the model is the cooperation manager that operates
and observes the cooperative process and, in the event that
any problem symptoms arise, analyzes their sources and proposes appropriate organizational counter-measures (d).
The individual elements of the model will be described in
more detail below.
Exh. 1: Problem-oriented interaction model of cooperative competence
3.1
Principles of Interaction
Although every commercial alliance is unique in its structure,
goals, and the individuals involved, the results of this study
demonstrate that there are indeed certain fundamental conditions present in cooperative efforts regardless of the precise
type of alliance in question (see exh. 2):
•
43
Difference: In every commercial alliance, the fact that the
partner organization is itself an entity that is not one’s
own must be accepted. The participants must therefore
be willing to learn how to deal with difference in much
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
more intensive ways than needed in their daily working
context.
•
Relationship: In every alliance, one must understand that
cooperation is only possible after a relationship between
the participants has been established and maintained,
since cooperative interaction is not controlled by hierarchical power structures.
•
Process: To be successful, every partnership requires the
active establishment of a functional communication and
work process within a certain (usually limited) amount of
time.
Exh. 2: Universal conditions of interaction in commercial alliances
From these three fundamental challenges, general behavioral
principles can then be drawn that help in dealing with difference in the cooperative environment, in establishing work
relationships, and in creating appropriate work processes. The
study revealed six central principles of interaction for each of
the three challenges (see exh. 3), the implementation of
which has been shown to be of critical importance to successful interaction in commercial alliances.
3.1.1
Principles of Interaction related to Coping with
Difference
Transfer of Perspective – This principle describes the ability to
adopt the cooperation partner’s perspective. One important
requirement in this respect is the distance one has to his or
her own role in the organization. Cooperation managers who
possess such “role distance” regularly place themselves in the
position of their partners to find out whether the goals and
conditions are adequate for both sides. If such a transfer of
perspective is lacking, it is likely that feelings of alienation or
an adversarial atmosphere arise during the partnership.
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
Willingness to Compromise – This principle represents the
recognition that one’s own demands may never be fully met
when acting in cooperation with partners. If this willingness is
not present on both sides of the cooperative venture, the
result may be a hardening of the opposing positions leading
to great frustration within partnered teams.
Recognition of Cultural Relativity – This principle describes the
ability to recognize that a cooperation partner will necessarily
have different values and behavioral standards than might be
present in one’s own organization. “Cultural relativity” in this
case does not refer exclusively to national characteristics, but
instead comprises a much broader usage referring to various
forms of regional, corporate, or professional culture. If the
ability to recognize that unexpected behavior is not necessarily less correct or less valuable is missing, as a result, the partners tend to engage in highly inefficient standardization activities, losing track of the actual goals of the cooperation.
Belief in Similarity – This principle corresponds to the ability to
concentrate on commonalities in interaction with alliance
partners. The sympathetic concentration on common ground
in the face of clear differences between the organizations can
form a strong foundation for a shared sense of community.
Without a belief in similarity, team spirit will be adversely
affected potentially leading to an escalation in conflicts to
follow.
Respect – In this study, the concept of respect is used to indicate one’s willingness to treat cooperation participants as
equals regardless of the actual partnership conditions. This
investigation shows that mutual respect is, in fact, a rare
commodity. Most companies feel themselves to be superior
to their partners, and from this assumption they derive justification for contemptuous or even insulting behavior. Every
example of disrespectful communication, however, leads to a
deterioration of the cooperative relationship starting with a
poor work atmosphere and leading up to a “loss of face,”
that may cause irreparable damage to the partnership.
Willingness to Learn – The last of the principles of interaction
describes the ability to recognize the value of the cooperation
with the partner for the further development of one’s own
organization. From this perspective, difference might be interpreted as a learning opportunity. In the long term, a lack of
willingness to learn can lead to stagnation in the company or
gridlock in the specific partnership in question.
45
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
3.1.2
Principles of Interaction in the Establishment of
Relationships
Transparency – This principle indicates the implementation of
active measures to allow cooperative partners comprehensive
insight into all matters relevant to the partnership. Should this
openness be refused, the natural work dynamic will often be
disrupted resulting in mistrust on the relationship level and an
increased likelihood that the partnership will end unsuccessfully.
Demonstration of Commitment – This principle refers to both
the ability and the commitment of both partners to regularly
prove their desire to contribute to the success of the existing
partnership. Without these frequent demonstrations, the cooperation will lack a significant communicative function. Any
progress made in the building of personal trust and relationships may be rendered worthless and the cooperation itself
found to be deficient.
Attention to Situational Detail – As every partnership is
unique in its development and the constellation of personalities involved, previous experience cannot be applied to present situations without modification. This principle recognizes
that organizations tend to project previous (negative) involvement into their present partnerships. If the recognition that
each cooperation is unlike any other not present among the
participants from the very beginning, the potential for an innovative partnership can be seriously limited.
Balance of Advantages – This principle describes the willingness, on the part of both parties, to draw a fair and equal
level of advantage from the partnership as well as to purposefully forgo one-sided short-term gains. If this is not the
case and the parties are unwilling to balance the advantages
with those of their partner, one side may become dominant
leading to a fatal imbalance in the cooperative relationship.
Anticipatory Trust – From the very beginning, alliance partners should be ready to offer their trust to their counterparts
in the allied organization without necessarily requiring that
the trust be earned. Despite the high risk of being taken advantage of in such situations, this strategy of anticipatory
trust has been shown to be more effective in practice than
the failure to reach a productive relationship due to initial
mistrust.
Relational Rationality – This principle in the establishment of
relationships seems paradoxical at first: Despite the necessary
personal engagement required to build a strong professional
relationship, managers directly involved in the cooperation
must retain a certain emotional distance from the interactions
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
related to the partnership to promote sober decision-making.
If, however, relational rationality is absent and the hierarchical cooperative structure is instead completely replaced by
excessively emotional conditions, simple disagreements can
escalate into serious private conflicts.
3.1.3
Principles of Interaction in Process Formation
Timeliness – This interaction principle refers to the ability to
react and to solve problems or overcome obstacles in the cooperation process quickly and efficiently. Although this demand is certainly relevant to general project management in
a variety of contexts, it is of critical importance in cooperative
situations due to the looser organizational framework that
lacks influential regulation. If timeliness is impossible, existing
unsolved differences between the parties may quickly develop
momentum in one organization in a way that is completely
intransparent to the partner.
Deceleration – This principle indicates the necessity of escalation control in the management of cooperative processes.
Possible escalation situations and their channels need to be
identified prior to the beginning of the alliance. If this is not
done adequately, escalation might proceed uncontrolled
through several levels of the hierarchy. At that point, the
partnership typically reaches a “point of no return” when a
“loss of face” at the highest levels has occurred.
Long-Term Orientation – This familiar term refers to the
recognition that the establishment of every partnership represents a significant investment of resources that is returned
only in the middle- and long-term. If partners do not possess
patience and a long-term perspective, the necessary initial investments are avoided and lead directly to the failure of the
cooperation in the earliest stages.
Desire for Development – This principle is closely aligned to
the long-term orientation principle. It represents a willingness
to work together with the alliance partners even beyond the
stated goals. If this principle is not practiced among the cooperation partners, long-term efficiency and the potential for
synergy may not be recognized and properly exploited.
Cooperation Life Cycle – An understanding of the life cycle of
the cooperation is expressed in the ability to adapt work processes to the present phase of the cooperative effort. This
study demonstrates that alliances between firms need different working processes at different times throughout the partnership. If there is inadequate process flexibility, the initially
defined processes become ends in themselves resulting in
frustration among the participants.
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
Integration of Human Factors – This principle refers to the
ability to systematically integrate phases for personal exchange into more operative activities of the cooperation. Due
to the common understanding of professionalism oriented
towards rationality and performance, this principle is often
overlooked leading to gradual reductions in motivation. In
this case, the cooperation stays vulnerable to the smallest differences despite operational efficiency.
Exh. 3: Successful principles of interaction in commercial cooperation
3.2
Symptoms of Defective Interaction
If, in fact, the principles of interaction are not observed in a
cooperative partnership, problem symptoms arise. The manifestation of certain underlying problem sources in certain
symptoms progresses according to a dynamic process of its
own: The existence of a specific symptom, therefore, does
not necessarily lead back to a single related cause. The symptoms of defective interaction are plenty and therefore cannot
be exhaustively addressed. Building upon the Conflict Escalation Model of Glasl (2004:234 ff.), it is possible, however, to
reduce the overall complexity of symptom variety into several
degrees of severity.
The following segment presents this classification of problem
symptoms into three different categories.
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
3.2.1
Recognition of Opposition
The various symptoms of the first phase of conflict are characterized by the recognition of opposition. Often, these
symptoms occur in the initial phases of the alliance when the
partners are unfamiliar to each other and a sense of community among the participants is still lacking. Typical symptoms
in this phase include the feeling of insecurity towards the
partner, the use of stereotypes to describe the partners and
their behavior, unclear roles or interpersonal tension.
Should these symptoms arise at a later phase in the cooperation after the partners are better acquainted, they may indicate the existence of a deeper conflict in the partnership.
3.2.2
Choosing of Sides / Defensiveness
The second level is characterized by the choosing of sides and
the hardening of the fronts, indicating the existence of serious cooperation problems. In such a situation, the partners
are no longer seen as such, but are often rather considered to
be opponents. At this point the relationship is no longer built
upon a sense of common effort, but rather upon categories
of “us and them.” Typical symptoms of this kind include
general mistrust of the partners, feelings of antipathy and
frustration towards the cooperative venture, accusations and
blame, and a decrease in the intensity of the engagement
with the other group eventually leading to a total lack of
communication. Symptoms of this type require quick and
long-lasting solutions to prevent their further decline into the
third phase and the complete failure of the partnership.
3.2.3
Uncooperative Behavior
The third phase and the most serious symptoms of deep
problems in the partnership are characterized by uncooperative behavior that can be described as harmful to further cooperation. Demonstrations of power, competitive behavior,
and even challenges (explicit or implicit) to the partner organization become normal forms of interaction at this level. If no
action is taken to intervene with these forms of destructive
behavior, they will continue to escalate. Although improving
relations and saving the partnership in this phase is still possible, albeit requiring external help, the leadership on both
sides must consider either ending the partnership or seriously
analyze the costs and benefits of trying to preserve it.
The study demonstrates that, when confronted with the
kinds of problem symptoms described above, managers tend
to develop countermeasures as quickly as possible. These
countermeasures will, however, often only address the symptom. According to one interview partner, “Work groups will
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Commercial Alliances
be organized ad hoc and the countermeasures are put into
place. But the more you try, the more you start to think that
the real problem might be that you have the wrong partner.”
A number of examples from this study show that a careful
root cause analysis as a standard procedure when dealing
with other business-related problems often simply does not
occur because problem symptoms are perceived as a permanent condition in cooperation settings. As a result, participants focus on a sporadic curing of symptoms. An example
might be the decision to react to a perceived lack of communication from the partners by deciding to call more often.
While increasing the intensity of communication may indeed
revive a damaged process of interaction, the deeper source of
the partners’ reluctance to communicate is not addressed.
The examples from this study clearly show that the opposite
is actually the case: Fighting symptoms alone does not cause
them to disappear completely, but rather they will reappear
in a new form.
3.3
Problem Sources of Defective Interaction
As has already been shown, the symptoms of defective communication in a cooperative venture may serve as indicators
that certain fundamental principles of interaction have been
violated. The symptoms do not, however, offer clear evidence
of precisely which of the principles are not being observed
nor what the actual source of the conflict could be. The study
did not suggest any direct connection between certain symptoms and a single related cause, allowing the assumption that
the diagnosis of symptoms and the discovery of the problems
that cause them have to be treated separately and independently.
The origins of the problems, as one might expect, are as various as the symptoms that they produce. The study revealed,
however, that they can be organized according to their most
appropriate solution strategy, leading to a useful typology of
interaction problems in cooperative ventures that inherently
contain the key to promising operational measures. Overall,
the study identified five such types of problem sources:
a) context, b) structure, c) perception, d) transmission, and
e) reciprocity (see exh. 4).
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
Exh. 4: Typology of problem sources in commercial cooperation
Context Problems – This type results from the peripheral conditions that lie beyond the influence of either party. Examples
include political influence (e.g. state control or market regulation), uncertainty in market developments, or forced cooperation (e.g. in markets characterized by monopolistic activities
in which cooperation partners cannot be chosen freely). One
typical result of context problems is the limitation of the pace
of the cooperative effort along with unsatisfactory work
results, delays in the various processes and the repetition of
known difficulties. According to the research, context problems have a large presence in the many discussions regarding
problem diagnosis, most likely because they allow the partners to complain about the conditions of the cooperation
without having to accuse other individuals directly.
Structure Problems – This class of problems includes those
difficulties originating in either the organizational layout of
the partner institution or in the framework of the cooperation
project itself. Some standard structural complaints might include a project structure that is incompatible with the goals
of the partnership, unclear distribution of responsibilities or
decision-making capabilities, a lack of support for the cooperative venture on the part of upper management, or even
a decline in motivation among the employees involved. Structure problems appear to be unavoidable because they are
rooted in the organizational differences of the partnering
companies. Since they frequently result from factual systemic
conditions that can be analyzed and addressed, they generally prove to be resolvable.
Perception Problems – Problems of this type originate in the
inaccurate assessment (mutual or otherwise) of the cooperation partner, specifically and frequently related to perceived
differences in the estimation of a partner’s competitiveness.
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
This study shows that nearly all companies tended to
attribute a lower competitive value to the partner organization than to one’s own. Other examples of perception problems included perceived cultural differences and, accordingly,
differences in their evaluation. In day-to-day cooperation scenarios, these assessments of the partners’ competence and
culture are often mixed and intertwined. In general, perception problems are much more difficult to deal with than
structure problems since they are directly connected to the
partners’ self-perception.
Transmission Problems - Transmission problems are those related to the processes of exchange and the flow of information between the partners in the cooperation. These are often
expressed through disruptions in the normal exchange of information, internal data access and retrieval processes as well
as in simple language difficulties between the parties. This
type of problem is usually easily identified and can normally
be solved by implementing strictly procedural measures. Due
to their seemingly trivial origins, however, such as in the example of foreign language difficulties, the effects of this class
of problem are frequently underestimated and “hushed up”
for fear of losing face.
Reciprocity Problems – This final category of problem refers to
the relational equivalence and balance between the cooperation partners as the foundation of all cooperative relationships. Since the partners in the business alliance constantly
find themselves in a state of interdependence, they are forced
to actively maintain their reciprocal status in order to keep
the partnership viable. The standard causes of reciprocity
problems are, for example, an unequal power distribution
among partners, tension between concurrent cooperative
and competitive relationships among the partnering companies, and a lack of common goals or hidden conflicts
between cooperation objectives. The solving of reciprocity
problems is essential to save the continuity of the partnership.
Due to the fundamental nature of issues of reciprocity, dealing with problems of this type requires that partners are able
to effectively cope with conflict situations.
3.4
Organizational Measures
Based on the classification of problem types according to
their potential solutions, each problem type is directly linked
to adequate organizational measures. That is, for each problem type, a general rule for acting has been identified as a
rough guide for the appropriate handling of the problem in
question.
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
For context problems the simple rule becomes “assess and
accept!”. There can be no actual solution to context problems, since the problem source lies beyond the jurisdiction of
any member of either team. To deal with context problems,
therefore, one must engage in a careful estimation of the
problem’s real significance, which must then be accepted by
all parties. The following measures correspond to this kind of
strategy:
•
Clearly identify the context problem in accordance with
the cooperation partner
•
Evaluate its significance for the cooperation
•
Exclude all potential ways of influencing or controlling the
problem (or otherwise: adjust the problem classification)
•
Determine a way of dealing with the context problem.
In this way, for example, the context problem of changing
political influence in a state-owned enterprise can be anticipated at the beginning of the cooperation by establishing
flexible time buffers in the cooperation roadmap around election time in anticipation of reduced productivity.
The rule for structure problems might be formulated this way:
“change it or leave it!”. Either the cooperation team determines a certain structural element to be inappropriate and
changes it, or the teams make a decision to arrange themselves with the structures as they are. Organizational measures for structural changes include:
•
New definition of the project structure
•
Clear alignment of responsibilities and decision-making
processes
•
Confirmation of a commitment from upper management
•
Motivation of the employees involved in the project.
In case of limited ability to act or lower priority of the problem, there is always the option to simply resign oneself to the
structures as they are. In this case, it is crucial to ensure that
the structure problem be seen as solved by the members of
both groups involved in the partnership.
Perception problems can only be solved when the cooperation partners are capable of enough self-reflection to appropriately communicate about their differences and show willingness for personal development. The rule for this class of
problem, therefore, should be “reflect and grow!”. Strategies
to deal with perception problems draw heavily from human
resource development as well as from professional training
and coaching. Some common examples include:
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
•
Individual training (e.g. general intercultural training to
increase awareness and the expression of differences,
language courses to develop an appreciation of the language of the partner organization)
•
Group training or coaching (e.g. team development)
•
Face-to-face accomplishment of tasks (including the sending of employees to the partner organization).
When dealing with perception problems, success depends on
the awareness of each cooperating partner that improvements in this area are only possible through changes of oneself.
Unlike perception problems, there are no excuses for transmission problems since they tend to be easy to discover and
can typically be solved procedurally. The simple formulation
of the rule thus would be “identify and solve!”. Difficulties in
transmission must be addressed as quickly as possible since
they have the potential to adversely affect the entire process
of cooperation. Depending on the cause of the individual
problem at hand, the following measures might be taken:
•
Re-definition of direct channels of communication
•
Redundant use of various communications media
•
Effective IT-access in relevant branches
•
Development of a knowledge management database for
the partnership
•
Professional support from translators, interpreters, etc.
The solution to transmission problems should take first priority since it assures the continuity of communication between
the cooperation partners.
Reciprocity problems cannot be solved quite so quickly and
easily. The rule of thumb for this category of problem is “analyze and talk and talk!”. Problems rooted in a lack of equality
must be examined very closely by means of a cause-andeffect analysis, and can finally only be solved through intensive communication with the relevant partner. This study has
revealed that in many cases, it seems necessary to first increase the intensity of communication in order to reestablish
a functioning work climate. Only then it becomes possible to
address the fundamental problems of reciprocity. Measures in
this category include:
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
•
Joint establishment of goals (uncovering of potentially
conflicting objectives)
•
Mapping of the conflict potential between competition
and cooperation (e.g. open communication regarding
competitive overlap, necessary organizational borders like
“Chinese Walls”, agreement on sanctions for violations of
the agreed terms)
•
Control of conflict escalation (including agreements for
behavior in conflict situations).
When working on solutions to reciprocity problems, one must
always consider the possibility that the alliance should be
terminated when conditions of balanced reciprocity simply
cannot be established.
The various measures related to potential problems presented
here cover only a small segment of the broad spectrum of
possibilities. When developing appropriate organizational
strategies, it is critical that the measures undertaken directly
address the problem at hand. Team building trainings, for
example, would not be effective measures against serious
problems in the reciprocity among project partners. The identification of the relevant source of the problem must thus be
embedded in the cooperation process as a task of crucial importance. Particularly, when performed collectively with the
partner, the likelihood of finding a successful solution to the
problem rises significantly.
4.
Conclusions
In the concluding segment, the proposed problem-oriented
model of cooperation competence will be placed into the
larger context of research in the field and will then be briefly
evaluated according to its practical usefulness.
4.1
Theoretical Placement of the Model
The model of interaction-oriented alliance competence presented in this article appears to be compatible with existing
research approaches that describe and investigate alliance
competence as a multidimensional construct (cf. Spekman et
al. 2000, Meyer 2004, Von der Oelsnitz / Graf 2006). Addressing both individual competence of alliance managers as
well as organizational competence of the companies involved, the model commits itself to synergetic approaches of
alliance competence that emphasize the interdependency of
differing dimensions of competence on different organizational levels (Meyer 2004:142, Von der Oelsnitz / Graf
2006:90).
55
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
In addition, there is frequent overlap between the principles
of successful interaction identified by the study and some dimensions of existing structural models of alliance competence. Principles like e.g. willingness to learn, anticipatory
trust, balance of advantages or transfer of perspective bear
equivalences with structural dimensions found by Meyer
(2004:145) like willingness to learn, ability to trust, cooperation mindset, and shared understanding.
Unlike the existing approaches, the principles of interaction
derived from this study, however, do not conform to the
common division into cognitive, affective, and conative dimensions of competence. Instead, they are grouped according to the three universal conditions in cooperation (difference, relation, and process), thus allowing for a stronger and
straighter grounding in the research topic: The model identifies only those competence dimensions that are crucial for
the process of cooperation and avoids the common weakness
of standard list and structural models that tend to accumulate
an unmanageable number of sub-competences describing
nothing other than general social competence.
Through the addition of problem symptoms and the typology
of problem sources and organizational measures, the model
reaches beyond the static descriptions of various competences to offer perspective into the interaction. While existing
competence models typically suggest the possibility of ideal
standards that can be attained through perfect implementation of the necessary competences, the model offered here
assumes that in fact conflict situations in cooperations are
absolutely normal. Parties involved in cooperative interaction
should hence not chase the ideal of perfect communication
but rather focus on permanent and systematic problem diagnosis and handling.
Furthermore, with its contents the model transcends the concept of “cultural fit” (Juch et al. 2007) that is present in much
of the international management research on alliances. This
common approach that strongly emphasizes the necessity of
a cultural “fit” as a requirement for success assumes that cultural compatibility can be measured and estimates of the cultural fit can be used to predict the likelihood of success.
Research results, however, do not support the demand for
cultural homogeneity between partners in an alliance. Independent of the level of objective similarity between partner
organizations, differences arise in every cooperation, and
dealing with these differences remains the fundamental task
for all cooperative ventures. The perception of the difficulties
among the interview partners in the study did not correspond
to their estimation of their own similarity with their partners,
but was rather assigned to specific situational circumstances
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
Commercial Alliances
of the cooperation. Success-oriented cooperation should
therefore not be based on the chimera of “cultural fit”, but
rather an overall emphasis should be placed on the individual
and collective development of interaction competence.
From a more critical standpoint, limitations of the model are
mainly due to the limitations common in qualitative research:
Although the model does possess pragmatic plausibility, its
individual components and their dimensions (e.g. the principles of interaction or the typology of problem sources) have
yet to be quantitatively tested for mutual exclusiveness and
collective exhaustiveness. Further quantitative confirmation of
the model is recommended to overcome its hypothetical character and ensure its validity.
4.2
Practical Value of the Model
Due to its problem-oriented nature, the model is designed to
support successful practical applications for the management
of alliances. So far, several different practical tools that help
managers in their daily cooperation work have been derived
from the model, including a computer-based symptom diagnostic or a moderation tool for problem analysis (cf. Rathje
2009).
The results of the before mentioned validation workshops
show that the components of the model (interaction principles, problem symptoms, sources and measures) follow a
logic that proves to be highly compatible with the common
way of project planning in management, thus making touchy
concepts like interaction and communication more easily accessible. This compatibility proves to be a major prerequisite
for managers to assign equal importance to communication
issues versus more tangible aspects of business cooperation
and thus to establish systematic communication processes.
In this way, the model furthermore fosters a revised, more
communication-oriented understanding of management. It
calls the standard model of the manager as a highperformance personality whose individual competence serves
as the guarantee for success into question. Instead, it emphasizes the systemic embedment of the acting individuals in
complex reciprocal relationships. It points out that cooperation success does not depend on the quasi-superhuman
efforts of selected top managers, but rather is a result of constant collective strive for continued communication. The acceptance of conflicts and difference as unavoidable systemic
aspects of any cooperative venture can, under optimal conditions, reduce the pressure to perform and lead to improved
resilience among the individuals involved.
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Juch / Rathje: Cooperation Competence – A Problem-Oriented Model for Successful Interaction in
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
Power / knowledge
in postcolonial settings:
The case of IT Bangalore
Jasmin Mahadevan
Professor of International &
Cross-Cultural Management,
Department of Business
Administration & Engineering,
School of Engineering, Pforzheim
University, Germany
Dr. phil., Cultural Anthropology,
Ludwig-Maximilians-University,
Munich, Germany
Abstract [English]
Based on Foucauldian notions of power and postcolonial
theory, this article shows how inequalities of knowledge and
power influence modern cross-cultural field. According to
Foucault, any process of transferring knowledge demands for
renegotiation of power. Postcolonial theory asks whether
those receiving knowledge are enabled through this process.
These perspectives are applied to the Indian city of Bangalore,
often called the Indian IT capital. Data is based on ethnographic fieldwork; the field is the Indian offshore site of a
German high-tech company. In this field, highly qualified Indian employees are partly enabled, yet underperform consciously in order to not create fears at the German site which
they are dependent upon.
Keywords: Ethnography, Anthropology, India, Bangalore,
Germany, HighTech, Foucault, Power, Agency, Postcolonial
Studies
Abstract [Deutsch]
Basierend auf dem Foucault’schen Machtverständnis und auf
postkolonialen Theorien zeigt dieser Artikel auf, wie Wissensund Machtungleichgewichte moderne interkulturelle Felder
beeinflussen. Nach Foucault erfordert jeder Prozess des Wissenstransfers eine erneute Aushandlung von Macht. Diese
Betrachtungsweise wird auf das indische Bangalore angewandt, eine Stadt, die oft als die IT Hauptstadt Indiens bezeichnet wird. Die Daten basieren auf ethnologischer Feldforschung; das Feld ist der Nebenstandort einer deutschen HighTech Firma. Hochqualifizierte indische Arbeitskräfte in diesem
Feld sind teilweise ermächtigt. Trotzdem halten sie sich in ihrer Arbeit bewusst zurück, um keine Ängste am deutschen
Standort freizusetzen, von dem sie abhängig sind.
Stichworte: Ethnographie, Ethnologie, Indien, Bangalore,
Deutschland, HighTech, Foucault, Macht, Agency, Postkoloniale Theorien
1.
Introduction
Intercultural communication and cross-cultural management
in and across organizations can either be studied based on
subjective or based on objective paradigms (Primecz / Romani
/ Sackmann 2009). The subjective paradigm leads to qualitative and in-depth research of single cases, whereas the objective paradigm leads to quantitative and comparative research
of multiple cases (Primecz / Romani / Sackmann 2009).
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
The main perspectives on the object of study – culture – are
the etic (outside) and emic (inside) perspective (Mahadevan
2011).
Quantitative studies try to define culture and cross-cultural
difference across many fields based on the objective paradigm. They aim to compare etic (outside) categorizations such
as power-distance or uncertainty avoidance (e.g. Yeganeh /
Su 2006). The most prominent studies of such kind are Hofstede (1980, 2003), Hall (1976), Trompenaars and HampdenTurner (1997) and the GLOBE study (House et al. 2004).
These cultural constructs might explain standardized relative
difference on a collective level, yet, they fail to explain individual sensemaking in context (Bjerregaard / Lauring /
Klitmøller 2009).
To close this gap, qualitative studies search for emic (inside)
categorizations based on the subjective paradigm. They aim
to uncover individual and collective sensemaking in interaction and in context (Mahadevan 2011). Their basic understanding is:
•
What people do must make sense to them - otherwise,
they would not do it (e.g. Weick 1995, Van Maanen
2006).
•
Culture is the collective sense that people give to their
actions in a certain context under certain boundary conditions and in interaction with an antagonistic group of ‘the
Other’ (e.g. Ricoeur 1992).
•
Collective sense-making is based on shared emic meanings (e.g. Mahadevan 2011).
•
Any collective sense-making process of such kind shapes
and is ‘culture’. Therefore, ‘culture’ equals ‘collective
identity’ (e.g. Mahadevan 2009).
This means firstly: Only if the sense that people make out of
themselves and out of the world is understood, has their ‘culture’ been uncovered. Deep understanding of such kind
requires uncovering emic categories of culture. Secondly,
boundary conditions and context fundamentally influence
collective sense that people give to their actions. Therefore,
boundary conditions and context have to be included into
cross-cultural theory and practice.
Inequalities of knowledge and power are an important boundary condition of modern cross-cultural fields: Many companies outsource or offshore part of their activities to low-cost
sites; their employees work together in transnational networks or virtual teams; their value-chains are dispersed. A
feature of this modern corporate world would be offshoring
of technological knowledge to high-tech clusters such as the
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
Indian city of Bangalore, often called ‘IT Bangalore’. Yet,
what does this development mean for cross-cultural theory
and practice? Two theoretical perspectives on power / knowledge in management and organization studies are of importance here: Firstly, Foucauldian approaches to power and
knowledge, and secondly, postcolonial theory.
According to Foucault (Foucault / Gordon 1980, Foucault
2001, Barratt 2008) knowledge and power cannot be separated. Any process of transferring knowledge might lead to
the creation of new power at the receiving end and less
power at the giving end. This calls for renegotiation of collective sense. In this way, power relations are constantly
changed, renegotiated, reversed or at least changed.
Postcolonial theory looks back at centers of power and knowledge from the perspective of those ruled (e.g. McLeod 2000,
Ashcroft / Griffiths / Tiffin 2009). It wants to show how those
receiving knowledge are enabled through this process. Furthermore, it wants to find out what sense those who receive
knowledge make out of these new influences and how this
sense might lead to renegotiation of power and knowledge.
In the given context of IT Bangalore, the application of both
schools of thought leads to questions such as: How is this IT
development perceived in Bangalore? What is the public discourse on local change that is induced by global influences?
How will the Indian IT engineers’ power change through the
knowledge they gain from the Western headquarters? How
will the sense that Indian IT engineers make of themselves, of
Bangalore and of the Western headquarters change? How
will they be enabled? How will their enabling change and
subvert the system? Will inequalities of power be reversed?
These sense-making processes and renegotiations of power /
knowledge will fundamentally influence intercultural communication and cross-cultural management in this field. Still,
most comparative mainstream theories of cross-cultural
communication and management fail to take power into
account. Furthermore, they tend to apply etic perspectives to
emerging fields such as IT Bangalore: Instead of looking for
the sense that actors in this field make out of themselves and
the world, they focus on how these actors are perceived from
a Western managerial perspective and apply Western managerial thought onto them.
This article intends to close this gap by linking Foucauldian
perspectives on knowledge transfer and postcolonial thought
to the fields of intercultural communication and cross-cultural
management. It highlights these aspects through the example
of local modernity in the Indian city of Bangalore, a worldwide IT cluster. In doing so, the main focus lies on the Indian
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
offshore site of the German company ChipTech. Data from
this field was collected through two years of ethnographic
fieldwork.
This article is structured as follows: In the following section, I
will discuss postcolonial theory and Foucauldian notions of
power. Next, I will present the field of ChipTech India and its
highly qualified Indian employees who are dominated by the
German headquarters. The field’s relationship with the ethnographic researcher will be made clear as well. Then, I will elaborate upon how these highly qualified Indian employees
view themselves as representatives of local modernity and are
seen as modern elites by local public discourse. Finally, I will
show that they are well aware of their organizational dependency and choose their organizational counterstrategies accordingly.
The main aim of this article is to show the difference that this
perspective can make. The contribution of this article is to
introduce postcolonial thought and the Foucauldian notion of
power to intercultural communication and cross-cultural
management.
2.
Theoretical background
Knowledge transfer has received widespread attention in
management and organization studies (e.g. Mir / Mir 2009,
Sahlin-Andersson / Engwall 2002). Yet, it is dominated by
headquarter views on those who receive knowledge. Any
failure to implement headquarter strategy at offshore sites is
often explained with traditionalist culture of local managers
or employees who simply do not understand better (Frenckel
2008). This view on those ruled as being inferior and fully
limited by local culture is a classic neo-colonial topos (Said
1993, Banerjee / Linstead 2004). It often results in calls to
“take up the white man’s burden” (Kipling 1899:21), i.e. to
bring modernity to the unenlightened through the colonial
project (Cooke 2004).
In contrast to this dominant view, postcolonial theory focuses
on the ‘view back’ on dominant discourses (e.g. Gandhi
1998, Loomba 1998, McLeod 2000 and 2007, Ashcroft /
Griffiths / Tiffin 2009). It looks back at the rulers from the
perspective of those ruled (Chaturvedi 2000) and tries to uncover asymmetrical relationships of power.
From a postcolonial perspective, management itself is biased,
as it is solely based on Western assumptions and theory (Banerjee / Prasad 2008). In this sense, cross-cultural management is also an instrument of colonization, for the major part
of its theory has been generated in the Western world. Fur-
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
thermore, the major part of its practical work is based on the
assumption of ‘Western’ managers managing ‘Eastern’ subordinates (e.g. Martin / Thomas 2002). Practical guidelines
tend to only look at cross-cultural interaction from the ‘Western’ superior manager based on data that was solely generated from this perspective as well (Martin / Thomas 2002).
Topics are chosen based on the assumption of clear hierarchy
between ‘West’ and ‘East’ and make visible the assumption
of inferiority of the ‘Eastern’ world. For example, Martin and
Thomas (2002) promise to explain why Indonesian employees
sometimes do not execute tasks that have been delegated to
them.
Postcolonial thought wants to deconstruct these dominant
discourses, e.g. the discourse of the ‘East’ as seen through
the superior eyes of the ‘West’ (based on Said 1978). Applying this thought to specific contexts, Gopal, Willis and Gopal
(2003) have shown that today’s multinational companies that
offshore knowledge but still try to maintain control can be
viewed as a quasi-colonial system. As a result, it can be expected that transfer of MOK to high-tech offshore clusters
such as the Indian city of Bangalore are of quasi-colonial
process (Cohen / El-Sawad 2007).
Based on Foucault (Foucault / Gordon 1980, Barratt 2008),
power in such a hierarchical setting does not exist as such but
is performed discursively (Foucault 2001). Following this
school of thought, I view discourses as “systems of thought
that are contingent upon and inform material practices (...)
practically through particular power techniques” (Alvesson /
Deetz 2006:266). This means: Those ruled also create power
in their doings; power relations shape interactions, yet, interactions inform power relations as well. If power is created
discursively, knowledge and power cannot be separated.
Hence, any process of transferring knowledge will result in
the creation of power at the receiving end and less power at
the giving end. In this way, power relations in any given
organizational field are constantly negotiated, contested,
changed and reversed.
Fundamentally, this means: Those ruled have agency (e.g.
Abu-Lughod 1991), i.e. interpretative power, to change, subvert or stabilize the system. Therefore, being colonized, i.e.
ruled through foreign systems of power, can be conceptualized as an “enabling concept” (based on Chaturvedi 2000).
Hybrid cultural identities and local modernities might arise in
the process (Bhabha 1994, Appadurai 1995). They might
create local power / knowledge and local modernities (Bhabha 1994, Appadurai 1995). An historical example of such a
process would be the appropriation of cricket by Indians
through colonialization: In the process, the meaning of
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
cricket has changed; foreign influences have been localized.
Ultimately, Indians have made their own sense of this English
upper-class activity and have converted it into an Indian massspectacle and national sport (Appadurai 1995).
3.
3.1
Field and researcher in interaction
Details to the field
The above mentioned theoretical lens was applied to the field
of the Indian site of a German high-tech company that was
researched upon by means of ethnographic fieldwork. During
the time of research (2004 to 2006), ChipTech had approximately 8,000 employees in Germany and 35,000 worldwide.
The main field of study was an internal Research & Development (R&D) unit of ChipTech, to be called Unit in this article.
In 2005, Unit consisted of approximately 450 members at the
German central headquarters (approximately 250 members),
a site in France (approximately 60 members) and a new site in
India (approximately 140 members at peak). For confidentiality reasons, the German site will be called “Stadt” in this article. The location of the Indian site, Bangalore, can be safely
revealed as there are not many alternative locations.
Unit was further divided into several departments (led by department managers). Departments were sub-divided into
groups (led by group managers). In summary, the managerial
levels as Unit were (top-down): Unit management (at the
German site), site management (at the French and Indian
site), department management and group management.
Technical experts were further classified into project-leader
and plain engineer. The task for all three sites was to develop
a complex and interdependent technological system that was
to be used by internal customers all over the globe for improvement of microchip design.
During the time of research, the Indian site was in its formation phase. First members had been employed in 2002 and
had been sent to initial training to the German site. Indian
managers who had previously been working in the U.S.A. or
for US-American companies were chosen as site managers.
When research started in 2004, the Indian site consisted of
approximately 85 software and hardware engineers. The aim
was to hire up to 140 engineers at the Indian site. This was
accomplished at the end of 2005.
Most Unit employees in India were between 25 and 35 years
of age, compared to a median age of about 45 at the German site. Managers were the only ones in their late-30s and
mid-40s. About one fifth of the Indian employees were women, compared to nine percent at the German site. One out
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66
Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
of six Indian managers was female, compared to only male
managers at the German site. Compared to their German
counterparts, Indian engineers were thus younger with a
higher percentage of female engineers and managers. However, the role of female Indian employees is not the focus of
this article; therefore, this aspect is not to be dealt with any
further.
The ramp-up of the Indian site was a top-management demand on Unit management in Germany and France (who can
be classified middle management). At the German and at the
French site, Unit was not allowed to employ more employees;
the only chance was to employ them in India.
The decision on how to organize and structure employment
and knowledge-transfer to India was left to middle management. Passing on decision making down the ladder, department managers left this decision to their group managers,
the lowest level of management. In the end, all groups chose
to further sub-divide work-packages which led to further
structural differentiation into ‘global’ and ‘Indian site’ positions.
From a postcolonial perspective, two issues remain:
Firstly, despite delegation of work-packages, management
responsibility was not delegated: The now global group leader was located at the German site with an Indian group manager as subordinate at the Indian site. Likewise, the now
global project-leader was located at the German site, with an
Indian project-leader as subordinate at the Indian site. It is
important to note that line management responsibility for
global groups was exclusively located at the German site. In
India, even though department head positions were created,
they did not have line management responsibility. Likewise,
the Indian site manager did not have line management
responsibility. Sole line management responsibility remained
with the global unit manager, the global department managers and the global group managers in Germany.
Secondly, technological ownership of technical projects and
of specific technologies remained at the German / French site
as well. Ownership can be understood as an engineer’s organizationally institutionalized technical expertise. As Metiu
(2006) has stated, it is of paramount importance in distributed engineering groups that separate ownership exists in
order to mediate headquarter fear brought about by knowledge-transfer to the offshoring site. On the other hand, a
lack of ownership at the offshoring site might result in underperformance due to lack of context knowledge and related
learning (Metiu 2006)
67
© Interculture Journal 2011 | 13
Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
These two aspects mean that the whole Indian organization
was dependent on the German organization both from a
managerial and technological perspective. This is a classic
postcolonial scenario of knowledge transfer to and dependency of the offshore site.
In summary, forced organizational change from above led to
the creation of an organization in India that was fully dependent on the German site. From a German perspective, knowledge-transfer was forced but essential for accomplishing Unit
objectives. The main reason was the restriction to further
employment in Germany or France. From the perspective of
Unit management at the German site, the main challenge
during time of research was to manage organizational
growth and change, especially at the new offshore site, yet at
the same time maintain technological excellence and deliver
in time. From the perspective of technical experts at the German site, the main challenge was to manage change within
the technical system and transfer knowledge to new engineers while at the same time maintaining technological excellence. From a German perspective, Indian engineers and
managers thus brought about the risk of technological and
managerial instability.
3.2
Field-researcher relationship
Ethnographic fieldwork based on the principles of interpretative anthropology (Van Maanen 1998) was conducted mainly
at the German site (18 months), with additional time spent at
the Indian site (six weeks in May / June 2005). A longer
period at the Indian site was intended but higher management at the German site feared that such a research visit
might harm productivity of the Indian employees.
As the main method of interpretative anthropology, longterm participant observation, is holistic and deductive, researcher and ‘data’ can never be separated (Van Maanen
2006). Hypotheses are deduced from the field and not vice
versa (Van Maanen / Soerensen / Mitchell 2007). Data collection and analysis go hand in hand; they have to be discussed
with the field, and lead to deeper interpretation and focus
(e.g. Weick 1995, Whetten 1989). To make this process visible, this section focuses on critical stages of ethnographic
research such as: getting in; interaction; establishing role;
data collection, interpretation and writing; and getting out.
In 2002, I developed the idea to study ‘intercultural cooperation’ in a company – favourably Indo-German cooperation.
Through a friend’s recommendation, I gained access to a
ChipTech middle manager. After a first proposal via e-mail, I
was invited for a first meeting. From October 2003 until April
2004, I negotiated access. I was granted a two-year full-time
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68
Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
research contract by the company. Full-time research lasted
from October 2004 until October 2006, mainly at the German site. Therefore, it is likely that I was seen as an outsider
by the Indian site.
Interaction with Indian employees took place during the following occasions: Firstly, all new employees of the Indian site
were sent to Germany for approximately three months of initial training. Secondly, Indian managers visited the German
site frequently. Thirdly, within projects, weekly telephone
conferences took place. Fourthly, I visited the Indian site for
six weeks in May and June 2005.
In establishing researcher identity, I could benefit from a personal resource, i.e. my own perceived dual or hybrid identity
as a child of Indo-German parents. Consecutively, my role
became one of “someone who knows about India / Germany”. As demanded for in every action research (Greenwood /
Levin 1998, McNiff / Whitehead 2000), I was careful to reflect
upon myself when giving advice.
After approximately three months, I had become well known
at the German site. At the Indian site, my name was known
through those Indian employees who had visited the German
site. Furthermore, I had established first contacts to about 35
employees who had visited the German site. Interaction continued via e-mail and phone. Those who knew me would by
now often approach me to tell new stories, send me e-mails
with information on what they considered to be ‘culture’ or
phone me with questions.
After four months, I had identified key actors in cross-site
work who were then formally recognized by management.
The strategy to mirror back first results and therefore to influence the field was a conscious strategy for my part. Its purpose was to convince organizational gatekeepers of the usefulness of the research project and to establish myself firmly
in the organization. While doing so, I took care to follow ethical guidelines of anthropological research (e.g. Bate 1997).
Having established a cross-site forum, I then started focus
group sessions with key actors at the German site. Actors
from other sites were integrated in person when present or
via net-meeting and included in e-mail distribution. For me,
these focus group sessions were another opportunity for
interaction, analysis, and interpretation.
During research, I treated the German and the Indian site as
conjoint fields, as is common in multi-sited ethnography (e.g.
Hine 2007). Therefore, the actual ethnographic period for the
Indian site was longer than the mere six weeks of presence
there might suggest. Prior to visiting the Indian site for six
weeks, I had talked to all Indian managers and project-leaders
69
© Interculture Journal 2011 | 13
Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
at the German site. At the Indian site, I was introduced by the
site manager during a staff meeting. It was announced that I
would “talk to people about working together with the German site”. Over the period of six weeks, I conducted interviews with employees, most of whom already knew me.
Topics focused on organizational roles and responsibilities
and engineering. Besides that, I had the opportunity to observe organizational life at ChipTech India and interact informally. As part of my Indian extended family lives in Bangalore, I furthermore had immediate access to daily life. I had
visited Bangalore several times before this fieldwork (in 1984,
1988 and 1995) and could therefore relate the current situation to my own experiences.
Most conversations and interactions at all sites were informal
and therefore not recorded. They were written down as
memory protocols several times a day or in the evenings at
the latest. Throughout fieldwork, I kept a field diary that was
reread and commented at in weekly intervals. During meetings, too, I usually kept my notes to a minimum to not influence interaction. Once a week, I typed the handwritten notes
of the field diary into a word document, ordered according to
topics and supplemented with additional e-mails, corporate
information, screenshots and photographs. Every month, I
printed the typed word document. At the end of two years of
fieldwork, I had compiled 24 field books, each of them consisting of 200-350 pages. Through a circular process of writing, summarizing, re-writing, discussing interpretations with
the field and reflecting own experiences, I tried to identify
common meanings in the field (Van Maanen 2006). Through
rule violation in the field and looking for exceptions from the
rule, I tried to define the boundaries of these shared meanings (Van Maanen 2006).
Full-time ethnographic research ended in October 2006.
Thereafter, I no longer had access to the company.
4.
4.1
Postcolonial perspectives on the field
Public discourse on IT Bangalore
Besides conducting own fieldwork, I also placed the field
within the context of public discourse in Bangalore. The
th
Times of India (ToI), Bangalore edition, April, 17 , 2005 to
th
Sunday, June, 5 , 2005, provides ample examples for public
discourse on what ToI calls “IT capital Bangalore”, IT being
the abbreviation for “Information Technology”.
The Bangalore edition of the Times of India is one of the five
“Metro” editions of this newspaper (Bangalore, Delhi, Kolkata, Chennai, Mumbai). Not only the cities themselves but also
© Interculture Journal 2011 | 13
70
Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
their inhabitants and their lifestyle are being called “metros”.
Individuals are categorized into the multi-local category “metro”, e.g. through phrases such as “says metro xy“ – without
any further explanation on which city this metro actually lives
in (ToI 0417/2005:15). It is assumed that metros are “techies” as well, i.e. individuals who are employed in computerrelated jobs. Both terms are used as synonyms (ToI
04/172005 – ToI 06(05/2005).
According to ToI, Bangalore metros / techies originate from
all over India, English being their lingua franca on the job (ToI
05/21/2005:12). On the one hand, ToI portrays them as a
hard-working and very much sought after corporate elite
(e.g. ToI 05/19/2005:1). On the other hand techies / metros
are described as style-conscious yuppies (ToI 05/11/2005:1)
who like to party (ToI 05/11/2005:3) and to spend money (ToI
05/11/2005:1), for example on bungee-jumping in the city
(ToI 05/21/2005:12). Advertisements, too, focus on both aspects of metro / techie life.
Out of 30 to 40 pages, the ToI dedicates eight to ten pages
to job opportunities alone. Very often, these advertisements
are combined with the invitation to a ‘walk-in interview’. During such an event, companies advertise themselves in a hotel
suite; applicants walk-in without an appointment. According
to ToI, sometimes more than 1000 applicants are channeled
through such an event on a single day (ToI 05/01/2005:3).
Twice weekly, the special interest pages of “Times Property”
and “Education Times” are included. “Times Property” promotes apartments that are being built everywhere in the
vicinity of the city’s technological centres (ToI
05/08/2005:12). The newspaper concludes: “It’s raining
money in real estate“ (ToI 05/09/2005:13). The “Education
Times” focuses on how to get into IT. According to ToI (ToI
07/05/2005:4) “it’s easier to get into Oxford than into the IITs
[Indian Institutes of Technology, the author]”. According to
ToI, an increasing amount of rejected applicants commit suicide (ToI 05/04/2005:7).
Even after having completed a degree, these so called “freshers” have to fight hard to secure a job in Bangalore (ToI
05/05/2005:4). According to ToI, this pressure has consequences (ToI 06/06/2005:1): “IT lifestyles are causing young
techies to show premature signs of ageing“. ToI summarizes
(ToI 05/05/2005:1):
„Bangalore may not be the right place for youngsters who didn’t get
picked up during campus recruitments. It is much tougher for them here
than in cities like Pune, Chennai or Hyderabad.”
Bangalore is portrayed as a changing environment. ToI
(05/07/2005:2) comments: “This is not a debate that is going
71
© Interculture Journal 2011 | 13
Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
to go away. The question is not whether we need to change
but what we need to change to.” Regarding negative aspects
of change, ToI focuses on traffic-jams (see e.g. 05/01/2005:2;
05/03/2005:1,3; 05/06/2005:1; 05/12/2005:3; 05/13/2005:1);
environmental pollution (see e.g. 05/03/2005:2) and crime
(see e.g. ToI 05/01/2005:1; 05/02/2005:1,3; 05/06/2005:3).
The so called “IT boom” is given as the root cause for all
change. Due to IT, for example, population density had increased from 2,408 people per square kilometers in 1991 to
10,710 people per square kilometers in 2005 (ToI, May, 20th,
2005:2). To put this data into a personal perspective: People I
know [details hidden for review purpose] live in a four room
house in the city district of Domlur. In 1991, Domlur was located on the outskirts of pleasant, lush, green Bangalore, the
military then being the sole major employer. In 2005, it took
at least 45 minutes by car through newly-built city districts to
reach the municipal border from there.
Without IT, so much the essence of public discourse and personal experience, Bangalore would not be what it is today,
techies / metros just being the personification of this change.
Yet, the positive outcome of this IT project is still assumed to
be unclear for it also results in quick changes that might lead
to deterioration.
4.2
Hybrid middle men
Indian employees at ChipTech Bangalore are part of this
change. They are an internally diverse group: Firstly, those
who have never worked outside India and secondly, those
who used to work in the U.S.A, earned themselves U.S. citizenship and “NRI-status”, i.e. “non-residential Indian status”,
overseas and went back to India afterwards. NRIs could only
be found at management level, mainly senior management
(above group level). All but two out of ten male managers
had gone to the U.S.A. for a Master’s degree after having
completed their Bachelor’s degree in India, and had come
back to India with NRI-status. On average, group managers
and engineers were 10 to 15 years younger than senior management.
This means that the younger generation started their worklife under different labour market conditions. Prior to market
liberalization in 1991, highly-qualified Indians had to leave
the country for job opportunities. Since 1991, the possibility
of foreign direct investment in India has created ample job
opportunities within the country. A senior manager, himself
an NRI, said during an interview:
“Suddenly, there are job opportunities in India itself for the first time.
People do not have to leave the country anymore: The big companies and
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
the jobs are right on their doorsteps. Even without having been to the U.S.,
you might become someone.”
Another senior manager, also an NRI, said during lunch:
“In India today, we have the first generation of engineers who remain
within the country. I was ahead of them because I had the luxury that my
father himself was already a civil engineer. At those times, the best stuth
dents from the best universities went to the U.S. I was 48 at state level,
thus I went to the U.S. [with a scholarship, the author].
But nowadays, that has started to change: The opportunity is in India. If I
look at my former colleagues who stayed in India, what they have achieved
when I was gone: It is incredible. India today is great at [high-tech work,
the author] – who would have ever thought of that ten years ago?”
In India, returners are much sought after, which might be exactly the reason for them to come back. As the head of Human Recources at ChipTech India told me during a formal
interview:
“If you come back to India with U.S.-experience, companies will pay you
whatever it takes. At ChipTech, we pay NRIs double, and this is not unusual
in the industry. Especially foreign companies in India specifically ask for
managers with U.S.-experience. It is assumed that an NRI will overcome the
difference between headquarter management and Indian employees.”
As this quote shows, NRIs have come to symbolize the new
Indian manager who can bridge ‘Western’ headquarters and
‘Indian’ site requirements and who will be paid double for
this ability to translate strategy made by foreign management
to Indian employees.
The Indian site manager of ChipTech, aged 45, can serve as
an example for this new class of hybrid and translating middle-men and their living style. He had done his Master’s degree in the U.S.A., got married to an Indian and had worked
in the U.S.A. for twenty years. He came back to India in November 2004 for site management at ChipTech. Now, he
lives with his wife and two sons in Palm Meadows, a gated
community in Bangalore that has been built specifically for
local top management NRIs and foreign expatriates.
In 2005, the rent for an average house in Palm Meadows
amounted to 60,000 – 90,000 Indian Rupees. Indian group
managers, project-leaders and engineers could not afford this
rent; all of them lived in one of the new apartment buildings
that are featured in the “Property Times”; the hippest district
among the young engineers at this time was Koramangala.
Yet, all senior ChipTech managers lived in Palm Meadows.
The ChipTech guesthouse for high level visitors from other
sites was located there, too. The cook there earned 4,000
Rupees per month. The alternative guesthouse for lower level
visitors was located in a flat in an apartment building near the
ChipTech office.
73
© Interculture Journal 2011 | 13
Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
Despite the clear hierarchy even among the new elite, all
these living estates can be considered far above average living
conditions in Bangalore. To give some comparisons: The office entry clerk lived in a one-room house near the airport.
The company driver who was assigned to me lived in a threeroom flat with two other colleagues.
Palm Meadows with its approximately 400 houses is separated from the rest of Bangalore through a concrete wall of
three meters height topped with barbed wire. Lush green
trees block the view of the wall from the inside. To enter
Palm Meadows, the visitor has to stop at the entry gate
where an Indian guard wearing a uniform asks for the purpose of visit. Only if a satisfactory answer is provided, is one
allowed to pass. Residents’ cars are recognized by the guard
and waved through.
As soon as the visitor has passed a gate, they might feel
transferred to suburban California: White mansions with lush
green front gardens; huge SUVs parked in front of them;
roller-skating kids wearing Tommy Hilfiger; middle-aged women walking golden retrievers. Even the streets are different
here: broad, well-maintained, without any litter, lined with
palm trees of the exact same height and width and pedestrian side-walks on either side. Palm Meadows features an evening club for gentlemen and various tea-time events for
ladies, a spa, a gym, tennis courts and a swimming pool. It
has a supermarket of its own. Here, visitors tend to forget
that they are in India. Or, as ChipTech employees from the
German headquarters used to say when they intended to
leave the compound: “Let’s go to India again”. The Indian
site manager says:
“Personally, I would not have minded living in Bangalore itself. But for my
sons, it would have been difficult. They are American. It is hard enough for
them to get accustomed […], so I tried to make it as easy as possible for
them.”
For hybrid middle-men, Palm Meadows serves as an environment in-between that is not considered to be part of Bangalore or India by its residents.
4.3
Bangalore engineers on the rise
Those living in Palm Meadows have achieved something. Yet,
those who are still on the rise have to work hard. As an engineer told me:
„The pressure in India is enormous: Everybody wants to get into a good
engineering school, and when you are in it, everybody talks about the good
high-tech-companies, and when you have found a job, everybody expects
you to climb the ladder. […] And they are not used to working globally.”
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
A common saying in Bangalore was: “German industry is not
cutting-edge anymore.” An engineer told me over lunch:
“Most of us here in Bangalore, we were with American companies, you
have a very competitive spirit there […]. What I see in Stadt is: They are not
raising the bar anymore, it is 100 percent cooperation. They look backwards at the good old days, and Stadt-people refer to them mainly with
nostalgia.”
As these statements show, Bangalore employees think of
themselves as having a superior attitude due to higher motivation. They perceive ‘the West’ as saturated, hence inferior.
It can also be seen that their motivation is not self-chosen:
They perceive themselves as under pressure to climb the ladder against competition.
To them, Stadt is an old and backward-looking environment,
whereas Bangalore is young and forward-looking. And indeed, as the previous pages have shown, Bangalore employees are much younger than their German counterparts.
The typical Bangalore perspective on Stadt was as follows (to
quote a group manager):
“[In Germany, companies like] ChipTech [are] already at saturation level, so
not rewarding people would create no issues. People would not leave – in
India they will. When I was in Germany in 2003 I also observed that the
country was just recovering from recession (…). I assume Stadt-people
won’t find another job even if they want to quit because the company
treats them badly. In India, a company cannot afford to treat engineers
badly.”
This statement shows a source of power for Indian employees: Due to ample job opportunities in Bangalore, they
have the power to quit. Indeed, according to ChipTech HR
data, 12 percent did so in 2005, which HR deemed to be
average for IT Bangalore. A common saying in Stadt was:
“First, we train the Indians, and then they quit.” This means
that employees in Stadt are well aware of the Indian engineers’ power to quit.
5.
The view back on power / knowledge in the field
Indian employees who decided to stay with ChipTech faced
typical problems. In particular, fear at the German site was an
important boundary condition of all strategies chosen at the
Indian site: As has been said before, transfer of knowledge
was forced upon Unit Germany by higher management. A
common saying at ChipTech in Stadt during this time was:
“First, I train the Indians; then I lose my job.” This fear of
training one’s successor was expressed by a representative of
the workers’ councils during an all-hands meeting in Stadt as
follows: “If you look around the campus, you have the
impression that we have become a training camp for Asian
75
© Interculture Journal 2011 | 13
Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
employees.” During an interview, an Indian group manager
reflected upon the last year of working together with Stadt as
follows:
“For eight months, we were doing pretty basic stuff, even though we could
have done more, so as not to make them [the German site, the author]
afraid of us.”
Another Indian group manager says:
“They [the German headquarters, the author] only give us the basic, boring
stuff. They don’t want to lose their [technological, the author] ownership
[…] and I consider this in my demands.”
These statements make clear that Indian employees are well
aware of the fear that they create and that this influences
their strategies and work-practice. These managers have consciously decided to be perceived as ‘non-threatening’ by the
German site – even though their team could have performed
better. This is an interesting thought for it shows that the
root cause for low performance at a developing site might
not be lesser abilities but a conscious decision based on
headquarter-induced inequalities of power.
The case of an Indian engineer, aged 28, having worked at
ChipTech for 18 months, provides a good example for this
view back on headquarter fears. During an interview, he
reflected upon a failure in the current project:
“See, if they do not transfer knowledge, there is nothing I can do [to prevent such a mistake from happening, the author]. Stadt people have to
enable me – if I do not have this background information, I cannot think in
the right direction.”
Back in Stadt, I asked the German global project-leader (GPL,
aged 53, with 21 years of corporate history) some questions
about the project. He told me: “First, he [the Indian engineer,
the author] has to prove himself; then, he will get more.”
Clearly, the established German engineer doubts whether the
young Indian engineer is capable of reaching the same level
of expertise. In contrast, the Indian engineer had said about
the demands of his GPL:
“This project is not rocket-science (…). Yet, whatever I do, it will be wrong.
If I merely implement his specification, I will be a stupid computer-wallah
who does not think on his own. If I try to improve his specification, I will be
a pushy know-it-all who endangers Stadt-people.”
To the Indian engineer this is not a question of capabilities
(he feels fully capable) but rather a question of how to mediate headquarter fears while at the same time proving his
knowledge.
Two phrases are of importance here: firstly, the term “computer-wallah”. In Indian English, a wallah is a person who
does something with something, mostly low-skilled labour,
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
for example washing clothes (dhobi-wallah), delivering food
(dabba-wallah) et cetera. A computer-wallah is thus a selfdegrading term for a highly-qualified computer engineer. It
was used at the Indian site whenever engineers referred to
inequalities of ownership in technical work. This shows that
they perceive themselves as being degraded to an inferior
position by headquarter engineers even though they are
capable of more.
Secondly, from a technological perspective, implementation
follows specification; yet, very often it is only during implementation that flaws in the specification, i.e. the description
of how to implement, are found. To find flaws is an essential
part of R&D engineering work (Mahadevan 2009). Therefore,
the specification – implementation process in R&D always requires a feedback-loop, and it is commonly understood that
the specification – implementation relationship can never be
one-way even though it is formally planned as such. This
means: If the German engineer does not grant the Indian engineer this right to feedback, the Indian engineer can never
prove himself technically. Rather, he will be reduced to a
mere executer (‘computer-wallah’) who cannot be perceived
as an equally qualified R&D engineer who rethinks the specification.
This decision might have local consequences: Another group
manager who followed the same strategy told me of the local
consequences over lunch: “Basically, I had a riot on my
hands, because my engineers wanted more.” Furthermore,
appeasement might mean not getting technological ownership quickly. In times of downsizing, this might be dangerous.
As the Indian site-manager told me during a one-to-one
meeting:
“You have to be careful with Stadt. As long as we are dependent on them,
we cannot win. To get ownership, we have to appease them first. Yet at
the same time I have to think about my people: What happens in times of
crisis? Those who don’t have ownership don’t have expertise. Those who
don’t have expertise are replaceable. Those who are replaceable will be
laid-off first.”
In summary, all Bangalore employees who I talked to described similar situations of holding back despite being able
to do more. As the previous statement shows, the German
site had the power to withhold knowledge, herewith impacting the Indian site’s ability to perform well. The Indian site
had to find ownership, i.e. build up knowledge / technical
expertise, to gain organizational power / ownership, yet could
not pressure the German site for more. At the same time, it
becomes clear that from an Indian emic perspective, it is the
Indian site which makes decisions: They are not the ones who
are being ruled by the ‘Western’ headquarters. Rather, they
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
have a full understanding of inequalities of knowledge /
power and choose their cross-cultural strategies accordingly
in order to enable themselves.
6.
Summary and outlook
This article viewed the Indian offshoring site of the German
high-tech company ChipTech from a postcolonial perspective.
As has been shown, Bangalore Techies are the local elite in
public discourse. Their identity between global influence and
local modernity has become hybrid. Yet, this group is divided
by internal differences in power, too. Returning nonresidential Indians are the status-highest sub-group and are
viewed as hybrid middle-men between ‘East’ and ‘West’.
Yet, despite their internal difference, all Indian employees
struggle with organizational dependency. This dependency is
firstly structural as the Indian organization is dependent on
the German headquarters. Secondly, it is technological, as the
Indian site implements what the German site specifies without being granted the required feedback-loop. Within this
organizational context, the highly-qualified Indian techies,
who have done everything that it takes to succeed in IT Bangalore, are comparably powerless.
Yet, they have an important power when compared to their
German counterparts: They can quit. If they decide to stay
within the company and perform what they consider to be
basic tasks, they hold back consciously. Through mediating
headquarter fears they intend to gain knowledge / power in
the end. Cross-cultural theory and practice needs to take
their sensemaking into account in order not to construct
them as inferior and powerless.
As this article has shown, any analysis of cross-cultural management or intercultural communication between West and
East, between headquarters and subsidiary, is impossible
without taking inequalities of power / knowledge into account and looking back on them from a postcolonial perspective. Further research on similar fields should follow processes
of power / knowledge transfer in similar fields long-term.
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Mahadevan: Power / knowledge in postcolonial settings: The case of IT Bangalore
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
Der eurozentristische
Standpunkt in der Auseinandersetzung mit
dem kulturell Anderen:
Das Beispiel Türkei
[Turkey: An example of
Europe’s secular views on
the religious other]
Christian Linder
Wissenschaftlicher Mitarbeiter der
Universität Stuttgart,
Institut für Arbeitswissenschaft
und Technologiemanagement
(IAT)
Abstract [English]
This paper discusses the construction of religious and cultural
others in the special case Turkey, as a candidate for joining
the European Union. The thesis asserts that arguments,
statements, assessments and evaluations are implicitly considered to be universal and general assumed by the European
majority. However a closer study of the issue reveals that the
European positions are products of their own social and cultural history, and therefore cannot be generalized. This thesis
will describe three paradigms on the situation of religion in
‘modern’ Europe. These are: the paradigm of religious secularization, the paradigm of rational decisions and religious self
conception, and the paradigm of the ‘invisible religion’. A
study of these will show that the European view on Turkey is
dominated by individual religious and cultural experiences,
which make this Muslim candidate country to appear suspicious in their minds. Such beliefs and dispositions are focused
and fixed even before the start of the discourse, and therefore influence the outcome of this debate.
Keywords: Secularization, Euro-centrism, European Union,
Turkey, EU accession
Abstract [Deutsch]
Dieser Artikel behandelt die Konstruktion des religiös und kulturell Anderen im speziellen Fall der Türkei als EUBeitrittskandidat. Es wird erklärt, dass Argumente, Aussagen,
Urteile und Bewertungen aus Sicht der Europäischen Mehrheit implizit als universell und generell akzeptiert angesehen
werden. Eine genauere Analyse des Gegenstands macht jedoch deutlich, dass die Europäischen Positionen Produkte ihrer eigenen sozialen und kulturellen Geschichte sind und daher nicht verallgemeinert werden können. In dieser Arbeit
werden drei Paradigmen von der Position der Religion im
‘modernen’ Europa beschrieben. Diese sind: das Paradigma
der religiösen Säkularisierung, das Paradigma rational choice
und religiöser Selbstkonstruktion und das Paradigma der invisible religion. Die Analyse dieser Paradigmen zeigt, dass der
europäische Blick auf die Türkei von individuellen religiösen
und kulturellen Erfahrungen dominiert wird, welche den muslimischen Beitrittskandidaten in den Köpfen der Menschen
verdächtig wirken lassen. Solche Überzeugungen und Gesinnungen werden fixiert, bevor der politische Diskurs beginnt
und beeinflussen daher das Ergebnis der Debatte.
Stichworte: Säkularisation, Eurozentrismus, Europäische
Union, Türkei, EU-Beitritt
83
© Interculture Journal 2011 | 13
Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
1.
Die Türkei und die europäische Identitätssuche
Die 1960iger Jahre stehen für zwei entscheidende Einschnitte
in das Selbstverständnis Europas. Mit der Unterzeichnung der
Römischen Verträge im Jahre 1957, die die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft ins Leben riefen, wurde ein bis heute
andauernden Prozess der europäischen Einigung in Gang gebracht. Parallel lässt sich in den Gesellschaften Westeuropas
ein rasanter, tiefgreifender und allem Anschein nach unumkehrbarer Säkularisierungsprozess beobachten. Casanova
spricht in diesem Zusammenhang von einem „nachchristlichen Europa“ (Casanova 2007:37). In dieser Situation einer
tiefgreifenden Umorientierung stellt sich eine grundlegende
Frage, die das Selbstverständnis Europas betrifft und hier insbesondere die Rolle des Christentums: „Was macht ‚Europa’
aus?“ Wie und wo sollte man die äußeren, territorialen und
die inneren, kulturellen Grenzen Europas ziehen?
In diesem Zustand der Neuorientierung, des Auslotens des
eigen Selbstverständnisses und der europäischen Identitätsfindung (nicht nur in kulturellen Belangen, sondern auch in
militärischen und außenpolitischen Fragestellungen) buhlt
nun die Türkei um die Aufnahme in die Europäische Union.
Dabei beweist die Türkei durchaus einen langen Atem, denn
ihre Bemühungen reichen nun schon bis ins Jahre 1959 zurück. In der Zwischenzeit musste sie mit ansehen wie über 20
Länder, die nach ihr um Aufnahme baten, in den europäischen Klub aufgenommen wurden. Auch wenn bereits 1963
zwischen der Türkei und der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ein Assoziierungsabkommen geschlossen wurde, so kam sie über diese „Vorbereitungsphase“ bis
heute nicht hinaus. Begründet wurde dies auf politischer
Ebene immer nach dem gleichen Muster. Freundlich aber bestimmt wurde die Türkei darauf hingewiesen, dass sie noch
nicht reif für eine Mitgliedschaft sei.
Ich möchte nun die Frage stellen, ob es tatsächlich die mangelnde Erfüllung von ökonomischen, rechtlichen und politischen Eckdaten ist, die es den Europäern, bei aller sachlichen
Abwägung unmöglich macht, die Türkei aufzunehmen. Oder
aber, ob es im Grunde um eine ganz andere Fragestellung
geht. Denn besondere Brisanz erhält dieses Thema durch die
Tatsache, das Einwanderer aus dieser Region sowie die türki1
sche Bevölkerung zum überwiegenden Teil Muslime sind .
Auch wenn auf politischer Ebene immer wieder betont wird,
dass eine Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union bei
Erfüllung von Grundvoraussetzungen durchaus gewünscht
sei, so darf doch gezweifelt werden, ob diese rein rationale
Abarbeitung von Kriterien das Misstrauen gegenüber der
Türkei – wie es in öffentlichen Debatten, Feuilletons oder
beim kleinen Mann auf der Straße zu finden ist – zu beseiti© Interculture Journal 2011 | 13
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
gen hilft. Ich möchte hier zeigen, dass die Wahrnehmung der
Türkei in Europa weniger durch sachlich, rationale Argumente
geprägt ist, sondern vielmehr durch normativ aufgeladene
europäisch-säkulare Bekundungen und Grundüberzeugungen. Dem Grunde nach geht es also nicht um die Erfüllung
von Rahmendaten, sondern um zwei gegensätzliche Weltanschauungen. Auf der einen Seite ein europäisch-christliches
Selbstverständnis, das den religiösen Umbau in Westeuropa
durch die Brille des Säkularisierungsparadigmas sieht und
deshalb von einem säkularistischen Selbstverständnis begleitet ist, welches den Niedergang der Religion als normal und
fortschrittlich begreift, das heißt, als die quasi normative Implikation der Tatsache, ein moderner, aufgeklärter Europäer
2
zu sein (Casanova 2004a) . Auf der anderen Seite steht die
Türkei, über deren religiöses und kulturelles Selbstverständnis
wohl mehr spekuliert wird, als das diese Debatte im innereuropäischen Diskurs auf Faktenwissen gestützt wäre. Hier
liegt nun die Schwierigkeit, die im Fall der Beitrittsverhandlungen zu einem komplizierten und verwirrenden Problem
wird. Wenn die interne kulturelle Identität unter dem
Schlagwort „Säkularisierung“ normativ aufgeladen wird,
dann kann Religiosität nur noch als „Rückständigkeit“ begriffen werden.
Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist die Annahme, dass
der ‚moderne’ Europäer zwar gelernt hat, dass religiöse Weltanschauungen grundsätzlich gleich zu behandeln sind, seine
Argumentation aber dennoch von einem normativ aufgeladenen Eurozentrismus geleitet wird, unter dessen Oberfläche
eine fortdauernde christlich-kulturelle Identität steckt. So wird
die Türkei – auch wenn sie sich seit Atatürks Kemalismus als
laizistischer Staat begreift (Karakas 2007) – als muslimisches
Land in der Öffentlichkeit wahrgenommen. Die Frage, die es
also zu klären gilt, ist, ob oder wieweit das europäischchristliche Selbstverständnis die Wahrnehmung der Türkei als
möglicher Beitrittskandidat beeinflusst bzw. einfärbt. Zur Beantwortung werde ich auf die These von Stegemann zurückgreifen, wonach „das Konzept ‚Religion’ selbstzentrisch ist,
dass also die mit diesem Begriff verbundenen vorwissenschaftlichen Erfahrungen sich der partikularen europäischen
Geschichte und Kultur verdanken, mithin keineswegs universal sind“ (Stegemann 2003:49). Es geht damit um eine für
selbstverständlich und universal gehaltene Epistemologie, die,
wie zu zeigen sein wird, bei Lichte betrachtet auf partikularen, historisch-kulturell besonderen europäischen Erfahrungen aufsetzt. Damit erscheint der Islam, so wie er aus unserer
Sicht wahrgenommen wird, als Projektionsfläche eigener
Überzeugungen und kultureller Identität. Dies gilt sowohl im
Guten als auch im Schlechten. Hierauf aufbauend werde ich
die Lage der Religion in westlich-europäischen Gesellschaften
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
thematisieren. Dabei werde ich mich kurz der Diskussion um
den Türkeibeitritt zur Europäischen Union auf Basis der vorherigen Überlegungen widmen. Es geht mir also im Kern um die
Annahmen und Positionierungen, die vor Beginn des Diskurses schon feststehen, also den Ausgang prägen, bevor es
überhaupt erst zur Diskussion kommt.
2.
Der eurozentristische Religionsbegriff
Unter Eurozentrismus soll die Beurteilung außereuropäischer
Kulturkreise nach europäischen (westlichen) Vorstellungen
und auf der Grundlage der in Europa entwickelten Werte und
Normen verstanden werden. Er benennt damit das überaus
mächtige Paradigma, das Europa ins Zentrum der „Weltge3
schichte“ und der teleologischen Meistererzählung von Zivili4
sation und Moderne stellt (Said 1995). Damit bezeichnet der
Eurozentrismus die Herausbildung eines allgemeingültigen,
universellen Kanons religiöser Theorien. Das zentristische
Element „rückt einen historisch-kulturell bestimmten Sachverhalt in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, übersetzt die
ihm innewohnende gesellschaftliche Normativität in eine Art
von logischer Geltung und setzt auf solcher Plattform zur Forschung an“ (Medick 1992:167). Diese Art der Zentrismen bestimmt nicht nur die sozialwissenschaftliche Forschung sondern, findet sich auch in mannigfaltigen Formen des öffentlichen politischen Diskurses. Eben im politischen Entscheidungsfindungsprozess treten sie in aller Regel nur implizit
auf, sie verstecken sich sozusagen in Interpretationen und
Modellvorstellungen. Ihrem Charakter nach sind sie vielmehr
unausgesprochene Vorannahmen als überprüfbare Tatsachen. Sie prägen dadurch die Ergebnisse noch bevor die Diskussion überhaupt begonnen hat (Matthes 1993).
Der Begriff des Religiösen verdankt nun seine inhaltliche Bedeutung einer abendländischen Geistesgeschichte und damit
dem speziellen historisch-kulturellen Kontext Europas (Stegemann 2003). Als Allgemeinbegriff nimmt er in Anspruch
auch für „andere historisch-kulturelle Zusammenhänge etwas
zu benennen, das dem entspricht, was er im (christlichen)
Abendland beschreibt“ (Hock 2008:12). Oder aber in den
Worten Tenbrucks: „Ausgangspunkt ist die unstrittige und
hochbedeutende, aber kaum beachtete und fast unbekannte
Tatsache, dass der Begriff der ‚Religion’ ausschließlich Besitz
der europäischen Zivilisation gewesen ist und weitgehend
noch heute ist“ (Tenbruck 1993:37). Religion ist damit ein
kulturelles Konzept oder noch prägnanter ein europäisches
Konzept (Matthes 1993), dessen Übertragung auf andere
Kulturen äußerst problematisch ist, in manchen Fällen gar
unangemessen. Mehr noch, wenn wir unser europäisch-
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
kulturelles Konzept und die ihm innewohnende gesellschaftliche Normativität in eine Art von logischer Geltung setzen und
zur Plattform religiöser Vergleiche und Deutungen machen,
konstruieren wir Phänomene fremder Kulturen erst zu ‚Religion’ (Stegemann 2003). Dabei ist Religion noch kein alter Begriff, sondern hat seine Plausibilität im Kontext der Modernisierung Europas (Kippenberg 1997). Inhärent sind ihm deshalb die fundamentalen Eckdaten des europäischen Religionsdiskurses. Smith weist in diesem Zusammenhang darauf
hin, dass der moderne Religionsbegriff unter Religion einen
besonderen, objektivierbaren Bereich menschlicher Erfahrung
und Praxis versteht (Smith 1991). Dieser Bereich ist grundsätzlich von anderen Sektoren menschlicher Sozialität, wie bspw.
Ökonomie, Politik oder Kunst zu unterscheiden. Religion im
westlich-europäischen Diskurs umfasst einen individuellen
Erlebnisanteil, ein über-individuelles Überzeugungssystem
(Glaubenssystem) mit spezifischen Glaubensinhalten und zum
Teil auch weltanschaulichen Positionierungen, und mehr oder
weniger verbindlichen Regeln für die (richtige) Lebensführung
(moralische Anweisungen), schließlich auch persönliche bzw.
gemeinschaftliche Praktiken (Riten) (Stegemann 2003). Besonderes Kennzeichen des modernen Religionsdiskurses ist
die Tatsache, dass mit Religion eine separate, abgrenzbare
Entität, ein eigenständiger Bereich anthropologischer Erfahrung oder Kultur bzw. der Gesellschaft gemeint wird. Dadurch erhält die europäische Begriffsauffassung von Religion
ein Moment der Apartheid. Das Aparte drückt sich dabei vor
allem in der Denk- und Gefühlshaltung im Kontrast zu allem
anderen aus, was auch gefühlt oder gedacht werden kann.
Diese Konnotation „stellt damit gleichsam eine ‚säkularisierte’
Form der asymmetrischen und in sich doppeldeutigen Unter5
scheidung von ‚heilig’ und ‚profan’ dar“ (Matthes 1993:23).
Es gibt also im europäischen Verständnis eine spezielle Sphäre, die mit dem Label ‚Religion’ gebrandmarkt wird. Ohne an
dieser Stelle nun mit einer Diskussion von anderen Religionskonzepten beginnen zu wollen, soll doch festgehalten wer6
den, dass dieses Verständnis weder in Europa vorherrschend,
7
noch in anderen nicht-christlichen Religionen vorzufinden
war bzw. ist. Religion an sich ist somit ein Konzept, dass seine
Gültigkeit aus einem europäischen Kontext nährt und damit
zeit- und ortsgebunden ist. Es kann nicht ohne weiteres über
Grenzen hinweg den Anspruch erheben, Sachverhalte allgemeingültig zu erklären. Dieses Konzept muss nun quasi als
Brille gedacht werden, mit dem das westliche Europa im öffentlichen Diskurs andere Kulturen, Regionen, Länder, Gesellschaften und das, was es selbst als Religion betrachtet, wahrnimmt. Es gilt nun zu zeigen, dass dieses Konzept nicht wertfrei ist. Es vereint die normativ aufgeladenen Elemente eines
Säkularisierungsverständnisses sowie die damit verbundene
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
Verortung in der subjektiven Sphäre des einzelnen Individuums. Diese zentristischen Elemente spielen nun auch im öffentlichen Diskurs um den Beitritt der Türkei zur Europäischen
Union eine Rolle. Sie bilden quasi den Interpretationsrahmen
im Sinne Goffmans, mit dem die europäische Öffentlichkeit
den potenziellen Partner begutachtet und in dem
letztlich auch Entscheidungen gefällt werden. Im nun folgenden Abschnitt werde ich die religiöse Lage im westlichen Europa als Quelle des europäischen Selbstverständnisses thematisieren. Zuvor soll aber nur kurz auf den Prozess der Beitrittsverhandlungen zwischen Europäischer Union und Türkei eingegangen werden.
3.
Der potentielle Beitrittskandidat Türkei
Seit nun mehr 50 Jahren klopft die Türkei fast stoisch an die
Türen der Europäischen Union und bittet um Aufnahme. Alleine die Vorstellung von einem Beitritt der Türkei scheint unter christlichen ebenso wie nachchristlichen Europäern massive Ängste hervorzurufen, die freilich selten deutlich artikuliert
werden, jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Stattdessen bekommt die Türkei bis heute immer dieselbe Antwort zu hören. Höflich teilte man ihr mit, dass sie noch nicht reif für eine
Aufnahme sei.
Seit dem Jahre 2007 gehören als 26. und 27. Mitgliedstaat
die orthodoxen Länder Rumänien und Bulgarien zur Union.
Mit diesem Schritt umfasst sie nun praktisch alle Gebiete der
mittelalterlichen Christenheit, eben alle Gebiete des katholischen und protestantischen Europas (Casanova 2004a). Die
Türkei erhielt 1999 offiziell den Status als Beitrittskandidat
zuerkannt. 2004 beschloss die Europäische Union über die
Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zu entscheiden, sobald
die Türkei die politischen Bedingungen erfülle (Rat der Europäischen Union 2002). Die Frage, in wieweit die Türkei diese
Bedingungen erfülle oder eben nicht erfülle, war bei aller
Sachlichkeit der fixierten Kriterien alles andere als rational an
der Sache orientiert, sondern zeigte vielmehr, dass diese Diskussion einen empfindlichen Nerv in Europa trifft. Die Debatte enthüllte, wie sehr das eigentliche Thema der Islam war.
Gerade in Europa ist die Verknüpfung des Islams mit der Türkei besonders dominant. Die Präsenz türkischer Gastarbeiter
mit muslimischem Glauben suggeriert ein Bild, das die Vielfalt
islamischer Gruppen, Organisationen und Identitäten mithin
der moslemischen Pluralität vernachlässigt (Pratt / Franke
2008). Dadurch tritt die Frage, um die es eigentlich geht –
nämlich in welchem Maße die Türkei willens ist, sich den gleichen strengen ökonomischen und politischen Anforderungen
zu unterwerfen wie die anderen neuen Mitglieder – in den
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
Hintergrund. Für Casanova steht der Willen der Türkei zur
Erfüllung der Vorgaben aus Brüssel außer Frage (Casanova
2004a). In diesem Hinblick könne die Türkei in der Frage des
Anschlusses an Europa auch nicht mehr als „zerrissenes
Land“ – im Sinne Huntingtons (2002:224) - gelten, in dem
eine muslimische Mehrheit dem Westen kritisch gegenüber
steht, denn sie erfülle zwei der drei Kriterien, um mit Erfolg
eine neue kulturelle Identität in Anspruch nehmen zu können, in diesem Falle eine europäische. Huntington nennt hierfür als Kriterien; „Erstens muss sich die politische und ökonomische Führungsschicht des Landes für die Neubestimmung der Identität einsetzen und begeistern. Zweitens muss
die Öffentlichkeit zumindest bereit sein, die Neubestimmung
zu tolerieren“ (Huntington 2002:139). Was aber offenbar
fehlte – so Casanova, war die Erfüllung der dritten Anforderung, nämlich dass „die tonangebenden Elemente der Kultur
des Gastlands, in den meisten Fällen des Westens, bereit sein
(müssen), den Konvertiten aufzunehmen“ (Casanova 2004a:
13). Warum fällt es Europa also so schwer, seinen Teil der
Bemühungen für eine gemeinsame Zukunft unter dem europäischem Dacht einzugehen. Hier scheint es unverhohlene
Hinweise darauf zu geben, dass ein äußerlich säkularisiertes
Europa immer noch allzu christlich ist, wenn es darum geht,
sich ein muslimisches Land als Teil der europäischen Gemeinschaft vorzustellen (Casanova 2004a). Die Formulierung von
Eckdaten, die in ökonomischen, politischen oder rechtlichen
Belangen die Voraussetzungen für einen Beitritt regeln, bereiten den Europäern keine Schwierigkeiten. Anders sieht es mit
„kulturellen“ Kriterien aus, die zwar unausgesprochen erwartet werden, vor deren klarer Formulierung sich die breite Öffentlichkeit aber drückt. Dies, so die weitere Argumentation,
liegt weniger an einem fehlenden Willen, sondern vielmehr
daran, dass die Vorannahmen, die zugrunde liegenden Einstellungen nicht expliziert werden. Stattdessen wird die eigene kulturelle Geschichte normativ aufgeladen und als Maßstab zur Bewertung des Gegenübers herangezogen. Diesem
religiösen Zentrismus gilt nun die Aufmerksamkeit.
4.
Das religiöse Selbstverständnis westlicheuropäischer Gesellschaften
Das religiöse Selbstverständnis westlich-europäischer Gesellschaften und damit die Stellung, die Bedeutung oder die Lage
von Religion möchte ich nicht empirisch an Hand von Glaubensinhalten, sondern stattdessen auf Basis von Paradigmen,
also anhand des zugrundeliegenden Blickwinkels auf religiösen Wandel in Europa analysieren. Eben diese Paradigmen
werden seit den 1960iger Jahren äußerst kontrovers disku8
tiert . Verkürzt lassen sich verschiedene Hauptansichten aus89
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
machen, die teils Überscheidungen, teilweise unvereinbare
9
Positionen aufweisen . Die erste Haltung – und die bis vor
kurzem auch von der Mehrheit vertrete – attestiert eine tiefgreifende und unentrinnbare Säkularisierung, welche die Religion und die Kirchen in der Moderne in eine mehr und min10
der marginale Position bringt . Wieder andere bestreiten diese These vehement und machen die Kirchen selbst als Folge
ihrer Liberalisierung verantwortlich für ihren Niedergang nach
1960 (Stark / Iannaccone 1994). Dagegen positioniert sich
eine Haltung, die einen nicht mehr umkehrbaren Rückfall der
Kirchen identifiziert, den sie aber nicht Säkularisierung nennt,
sondern Verwandlung von kirchlicher in nicht-kirchliche Religion (Luckmann 2005). Außerdem finden sich immer wieder
Autoren, die meinen, ein religiöses revival beobachten zu
können (Pollack 2003). Im Folgenden möchte ich nun den
Beitrag thematisieren, den jede dieser theoretischen Grundausrichtungen zur Klärung des Verständnisses von Religion in
westlich-europäischen Gesellschaften leisten kann. Bezug
werde ich dabei lediglich auf das Säkularisierungsparadigma,
rational choice und invisible religion als Grundausrichtung
nehmen. Mir ist dabei bewusst, dass die soeben erwähnten
Theorien zu Bedeutung der Religion in der Moderne nur eine
Auswahl darstellen. Auch wenn diese Zusammenstellung
nicht willkürlich ist, denn sie repräsentiert zumindest den
heutigen wissenschaftlichen Main-Stream bzw. die in der wissenschaftlichen Diskussion herrschende Meinungen, so will
ich mit dieser Auswahl nicht den Anspruch erheben – und
können dies auch gar nicht – den allgemeinen Weg, den Religion im westlichen Europa geht, theoretisch erklärbar zu
machen. Vielmehr möchte ich die Einschätzung des religiös
Anderen auf eine Tendenz im europäischen Selbstverständnis
zurückführen. Das heißt, den Ort bestimmen, mit dem das
westlich-liberale Europa den Beitrittskandidaten Türkei betrachtet.
4.1
Das Paradigma religiöser Säkularisierung
Auf den Punkt gebracht, behauptet das Säkularisierungsparadigma11, dass die gesellschaftliche Stellung und der Einfluss der Religion, insbesondere der Kirchen, mit der Modernisierung zurückgingen. Der Zusammenhang ist dabei klar, je
modernisierter eine Gesellschaft ist, desto gesellschaftlich irrelevanter wird die Religion. Oder in den Worten von Wallis
und Bruce: “Stated briefly the secularization thesis asserts
that modernization (itself no simple concept) brings in its
wake [...]‚ the diminution of the social significance of religion” (Wallis / Bruce 1992:11). Als ein Treiber dieser Entwicklung wird immer wieder der wissenschaftlich-technische Fortschritt genannt. Dieser fördert erstens ein anthropozentrisches Verständnis der „entzauberten“, weil kausal erklärba-
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
ren Weltzusammenhänge; und ein wissenschaftlich aufgeklärtes Bewusstsein lässt sich nicht ohne weiteres mit theozentrischen oder metaphysischen Weltbildern vereinbaren.
Zweitens verlieren die Kirchen und Religionsgemeinschaften
im Zuge der funktionalen Ausdifferenzierung gesellschaftlicher Subsysteme den Zugriff auf Recht, Politik und öffentliche
Wohlfahrt, Kultur, Erziehung und Wissenschaft; sie beschränken sich auf ihre genuine Funktion der Verwaltung von Heilsgütern, machen die Religionsausübung mehr oder weniger
zur Privatsache und büßen generell an öffentlicher Bedeutung
ein (Habermas 2008). So reduziert Casanova auch Säkularisierung auf Differenzierung (Casanova 2004b). Die Säkularisierungsthese ist – obwohl sie von den Entwicklungen in den
europäischen Wohlstandsgesellschaften bestätigt zu werden
scheint (Habermas 2008) – seit mehr als zwei Jahrzehnten in
der soziologischen Fachöffentlichkeit umstritten (Graf 2004).
Mit Verweis auf die nicht ganz unbegründete Kritik an einem
eurozentrisch verengten Blickwinkel spricht Joas sogar vom
„Ende der Säkularisierungstheorie“ (Joas 2007:12). Die Geschichte Europas ist eben nicht als kontinuierlicher Niedergang der Religion zu beschreiben. Es gab Transformationsund Erneuerungsprozesse, die die Religion und die Kirchen
bis ins 20. Jahrhundert immer neu ins Zentrum des gesellschaftlichen Geschehens gestellt haben. Habermas fasst hierzu zusammen: „Richtig bleibt die Aussage, dass sich Kirchen
und Religionsgemeinschaften im Zuge der Ausdifferenzierung
gesellschaftlicher Funktionssysteme zunehmend auf die Kernfunktion der seelsorgerischen Praxis beschränkt haben und
ihre umfassenden Kompetenzen in anderen gesellschaftlichen
Bereichen aufgeben mussten“ (Habermas 2008:36). Zwar
macht man es sich zu einfach, wenn man wie Berger – dem
ehemaligen Hauptvertreter des Säkularisierungsparadigmas –
in Europa nicht mehr einen Vorposten einer weltweiten Entwicklung, sondern nur noch eine Ausnahme der allgemeinen
12
Regel sieht (Berger 2005:4 ). Soweit lässt sich dennoch festhalten: Das Selbstverständnis Europas ist geprägt durch Säkularisierung.
Eben in diesem Selbstverständnis liegt nun die Ursache für die
Irritationen der Europäer, wenn sie sich ein Europa mit muslimischer Türkei vorstellen. Die Säkularisierungserfahrung ist
zentral für das Bewusstsein Europas. Da sie keineswegs nur
nüchtern als Status quo verstanden wird, sondern als Errungenschaft und Ausdruck der eigenen Modernität begriffen
wird, wird sie normativ angereichert. Damit impliziert sie im
Diskurs mit der Türkei ein Werturteil, das Europa aufgrund
getroffener Vorannahmen als modern, die Türkei dagegen als
kulturell ‚rückständig’ begreift. Die eigenen Erfahrungen
werden so als notwendige Konsequenz eines Wandlungsprozesses betrachtet, den die Türkei noch vor sich habe. Implizit
91
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Das Beispiel Türkei
schwingt dabei mit, dass das Ergebnis eines solchen Modernisierungsprozesses ein vergleichbares Gesellschaftsmodell wie
in Europa sein wird. Da der Standpunkt implizit vorausgesetzt
wird, also unausgesprochen und damit unhinterfragt bleibt,
macht er blind für die kulturellen Errungenschaften der Türkei. Zwar wird der Kemalismus als positive Errungenschaft
aufgefasst, dies liegt aber mitunter daran, dass er sich in der
Terminologie des Säkularisierungsparadigmas relativ gut beschreiben lässt. Anders dagegen sieht es mit dem muslimisch
geprägten Nationalismus aus, denn dieser widerspricht den
Erfahrungen europäischer Geschichte.
4.2
Rationale Entscheidungen und religiöses Selbstverständnis
Das Säkularisierungsparadigma alleine reicht aber nicht aus,
um die Lage der Religion in Europa zu beschreiben, denn es
gibt eben auch mehr als nur Säkularisierung. In den letzten
30 Jahren hat vor allem ein Paradigma die Sozialwissenschaften dominiert, nämlich das Postulat, dass Individuen ihre Entscheidungen auf Basis rationalen Abwägens treffen. Dieses
auch rational choice genannte Paradigma hat seinen Ausgangspunkt in den Wirtschaftswissenschaften. Seit den Arbeiten von Bainbridge, Stark, Finke oder Iannaccone (Stark /
Iannaccone 1994, Stark / Bainbridge / Hadden 1996,
Iannaccone 1994, Warner 1993) hat es auch seinen Einzug in
die Religionswissenschaft gefunden. Fast schon enthusiastisch
schreibt Gabriel hierzu im Vorwort zu Religiöse Individualisierung oder Säkularisierung?, das Konzept der Individualisierung habe sich „in erstaunlich vielen Bereichen als fruchtbares Analyseinstrument erwiesen“ und regt diese Richtung
auch für die Religionssoziologie an (Gabriel 1996:11). Die
Grundlage dieses Ansatzes findet sich bereits bei Berger, der
die Sehnsucht nach Sinn und die Wahl der Religion auf der
Basis individueller Erfahrung diagnostiziert und bei Luckmann,
der die Religion als unsichtbar, privatisiert und persönlich charakterisiert (Dellwing 2007).
Gerade hier wittern liberale, wirtschaftswissenschaftlich inspirierte Theoretiker, die Möglichkeit die Leistungsfähigkeit ihres
Forschungsansatzes auszuspielen. Zentrales Element des rational choice-Ansatzes ist die Annahme, dass auch in religiösen
Belangen nach Kosten-Nutzen-Abwägung entschieden wird.
Dabei geben weniger Kosten den entscheidenden Ausschlag,
als vielmehr die Relation zwischen Kosten und dem zu erwartenden Nutzen (Stark / Iannaccone 1994). Eine Religion, die
viel Nutzen bringe und vor allem auf überzeugende Weise
außerordentlichen Nutzen (wie etwa ewiges Heil) in Aussicht
stelle, dürfe so auch hohe Anforderungen stellen (Hellemans
2005). Hier liege die große Stärke von Sekten oder strengen
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Das Beispiel Türkei
Kirchen im Gegensatz zu den etablierten, liberalen Großkirchen. Stark geht noch weiter und dreht in gewissen Maßen
den Spieß um, wenn er Sekten als die letztlich wirklich dynamischen Elemente im religiösen Markt charakterisiert (Stark /
Finke 2002). Ein wichtiges Element ist somit die Hervorhebung der Bedeutung der Sekten und strengen Kirchen. Gerade diese religiösen Vereinigungen wurden üblicherweise vernachlässigt oder sie wurden, wenn ihnen überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt wurde, als radikale und irrationale
Außenseiter der etablierten Großkirchen dargestellt (Hellemans 2005). Die rational choice-Theoretiker betrachten die
Säkularisierung in Europa dann auch als selbstverschuldet. Die
großen christlichen Kirchen in Europa seien zu bürokratisch
und theologisch zu liberal (Bruce 1995). Sie hätten im Vergleich zu Sekten nur wenig zu bieten. Außerdem ließen
strenge Kirchen weniger Freiraum für Freibeuter, die nur zu
den klassischen Festtagen in der Kirche erscheinen, ansonsten
aber lediglich als Karteileichen geführt würden. Sie fordern
mehr Einsatz von ihren Mitgliedern. Ihre Zusammenkünfte
seien gekennzeichnet durch mehr Enthusiasmus und Zusammenhalt, sie würden einander mehr davon überzeugen, dass
Gott tatsächlich zum Guten in ihrem Leben eingreife (Hellemans 2005). In der Logik des rational choice-Ansatzes ist die
Ursache der Säkularisierung in Europa hausgemacht. Die
Großkirchen sind alte Monopol- und Oligopolkirchen, die
noch immer vom Staat in verschiedener Hinsicht – Kirchensteuer, Finanzierung von Gehältern und Kirchengebäuden,
Hürden gegen sektarische Konkurrenten – unterstützt werden. Der Niedergang – und so wird Säkularisierung durchaus
aus diesem Postulat gesehen – ist vor allem durch die falsche
Marktpositionierung, dem religiösen Vorbeiwirtschaften an
den Bedürfnissen der Gläubigen sowie der mangelnden An13
passungsfähigkeit, verursacht . Der rational choice-Ansatz ist
gerade aufgrund seiner ‚provokanten’ These nicht ohne Kritik
geblieben (Young 1997).
Bei aller Gegensätzlichkeit bestehen aber dennoch Ähnlichkeiten zum Säkularisierungsparadigma, was die Erklärungskraft des europäischen Selbstverständnisses anbelangt. Zum
einen erkennt auch der rational choice-Ansatz eine Marginalisierung der Religion in Europa an, wenn auch nicht auf Basis
einer Ausdifferenzierung, dann doch als Reaktion eines
„kirchlichen Missmanagements“.
Wenn religiöse Institutionen nun als Leistungserbringer auf
Quasi-Märkten ihre Leistungen – Heilsversprechen oder sinnliche und moralische Orientierung – anbieten, dann wandelt
sich aus diesem Blickwickel die Rolle des Gläubigen. Mit dem
Zwang einer Religion sich dem Leistungsprinzip zu unterwerfen, wird der Gläubige gleichsam zum Konsumenten, der sei-
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Das Beispiel Türkei
ne Entscheidung auf Basis seiner individuellen Einstellungen
trifft. Wie alle Entscheidungen werden religiöse Entscheidungen dadurch auch rechtfertigungsmöglich und tendenziell
rechtfertigungspflichtig. Man ist nicht mehr einfach in eine
Religion hineingeboren, also im Fall der Türkei muslimisch,
sondern hat sich aus der europäischen Perspektive bewusst
dafür entschieden. Immer dort, wo Religion nicht dem säkularen Selbstverständnis entspricht, wie bspw. beim Kopftuchzwang, der ja in der öffentlichen Debatte der Türkei kontrovers diskutiert wird, steht im Raum, dass diese Werte auch
zur Disposition stehen, denn religiöse Angebote müssen nicht
zwangsweise auch angenommen werden. Die Pflicht zur Rechenschaft gegenüber anderen Instituten wie bspw. der Verfassung oder anderen gesellschaftlichen Normen setzt einen
Religionsbegriff im Sinne des rational choice-Ansatz voraus,
der universal verallgemeinerbar ist.
4.3
Das Paradigma der ‚invisible religion’
Die Hauptthese des invisible religion-Paradigmas lässt sich in
ihren Grundzügen folgendermaßen umschreiben: Organisierte bzw. institutionalisierte Religion – seien es Kirchen oder
Sekten – verlieren nach 1960 an Bedeutung. Nutznießer dieser Entwicklung sei die subjektiv bestimmte Spiritualität
(bspw. Luckmann 2005).
„Da diese Religion nicht mehr wie vorher in großen Organisationen ihren
Kulminationspunkt findet, sondern im Privatissimum der subjektiven Sphäre
entsteht und gelebt wird, ist sie für die Außenwelt vielfach unsichtbar.“
14
(Hellemans 2005:17)
Diese Form der Religion ist damit höchst subjektiv, was die
Orientierung an kirchlichen Zielvorgaben anbelangt. Sie wird
vielmehr je nach individueller Fassung aus vielerlei, sogar
widersprüchlichen Elementen synkretistisch zusammengebastelt. Um diese neue Form des Religiösen gegenüber der ‚klassischen’ Religion abzusetzen, wird vielfach auch von einer
neuen Form der ‚Spiritualität’ gesprochen (Heelas 2002). Alle
Versuche, diese neue Form der Spiritualität wieder sichtbar zu
machen, scheiterten am individuellen Charakter und der daraus resultierenden Heterogenität der sich wandelnden Religion. Lediglich die New Age-Bewegung und andere Vereinigungen mit einem Mindestmaß an Organisation und verlässlichen bzw. anerkannten Strukturen lässt sich bis zu einem bestimmten Grad ans Tageslicht bringen (Heelas 2005).
Wichtig für die weitere Argumentation ist, dass dieses Paradigma – ähnlich wie die beiden zuvor genannten – dieselbe
Grundtendenz attestiert. Religion im westlichen Europa wandelt sich weg von der Großkirche mit komplexen Organisationsstrukturen und mannigfaltigen Hierarchiestufen hin zu
einer individualisierten, nicht institutionalisierten Form des
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Spirituellen. Damit fordern Gläubige – wie im Übrigen auch in
anderen gesellschaftlichen Bereichen – größere Spielräume
für einen eigenmächtigen Umgang mit Religion. Dieser Trend
zur Individualisierung lässt sich in der Moderne und besonders nach 1960 allerorten beobachten. Also auch im Religiösen. Hellemans zweifelt zwar daran, inwieweit diese Betrachtung einen „paradigmatischen Status beansprucht bzw. beanspruchen kann, schildert sie doch eher einen, sei es auch
wichtigen, Trend in der religiösen Landschaft der post-1960er
Jahre“ (Hellemans 2005). Luckmann bezieht eine anderem
Position, wenn er suggeriert, dass das Modell einer offiziellen
bzw. einer einzigen verbindlichen Kirche in der Moderne ersetzt wird durch das „Tohuwabohu“ unzähliger, individuell
und idiosynkratischer Synkretismen (Luckmann 2005). Ein solches Paradigma führt aber unweigerlich in ähnliche Probleme
15
wie beim Säkularisierungsparadigma .
Der Blick auf Religion als individuelle Aufgabe, die sich ihren
Raum in der subjektiven Sphäre sucht, lässt sich nicht ohne
weiteres mit dem in Europa vorherrschenden Blick auf den
Islam vereinen. Auch wenn er selbst nicht als Monolith gedacht werden kann, sondern vielmehr als Mosaik unterschiedlichster Strömungen, Interpretationen und Spielarten,
so ist doch in der europäischen Öffentlichkeit immer von dem
Islam die Rede. Im Vergleich zu den christlichen Kirchen ist
der Islam in der Wahrnehmung – wohlgemerkt nicht in der
Realität – weniger heterogen und diffuser. Er scharrt sich
mehr um institutionalisierte Strukturen, die nicht im Privatissimum des Einzelnen stattfinden, sondern als eigenständige
Kraft in öffentliche, politische und kulturelle Realität drängen
und sich dort einen Platz zu behaupten versuchen. Eben dies
kann letztlich auch bedrohend wirken, denn er ruft damit Assoziationen mit der eigen europäische Geschichte hervor, die
als überwunden und deren Überwindung als zivilisatorische
Errungenschaft gilt. Auch hier übertragen sich wieder europäische Vorannahmen und Interpretationen, die sich einem individuellen Kontext verdanken, auf die Bewertung der Türkei.
5.
Zusammenfassung
Neben diesen kurz beschriebenen Schauplätzen erstrecken
sich die Eurozentrismen auch in andere Felder hinein. Man
denke nur an den Völkermord an den Armeniern, der von der
Türkei anders und schon gar nicht im Sinne der Aufarbeitung
der deutschen Geschichte behandelt wird. Auch hier kann
gefragt werden, woher die Forderungen der Europäischen
Union nach einer bestimmten Art und Weise der Aufarbeitung stammen. Auch wenn ich persönlich der Meinung bin,
dass der Umgang und die Aufarbeitung Deutschlands mit
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Das Beispiel Türkei
seiner Geschichte sehr viel Positives birgt, so darf doch gefragt werden, in wieweit dieser Umgang verallgemeinert
werden kann. Letztlich geht es mir darum zu fragen, wo die
Grenzen einer Verallgemeinerung liegen. Problematisch
scheint es jedenfalls überall dort zu sein, wo Aussagen auf
einer unausgesprochenen Grundlage individueller Erfahrungen, die ihre Gültigkeit im spezifischen Kontext einer Gesellschaft haben, gemacht werden. Auch wenn es grundsätzlich
nicht möglich ist, zu Aussagen zu kommen, die frei von einer
individuell eingefärbten Sicht sind, so ist es doch möglich,
diese Vorannahmen zu thematisieren und sich ihrer bewusst
zu werden. Eine öffentliche Diskussion wie im Falle des Türkeibeitritts ist deshalb unvollständig und damit auch einseitig,
wenn nicht die eigene Position und viel elementarer die Pfeiler, auf die sie sich gründet, thematisiert werden. Man kann
sich hierzu fragen, „ob die Türkei eine Bedrohung für die
westliche Kultur darstellt oder ob sie nicht vielmehr eine unerwünschte Erinnerung an die dicht unter der Oberfläche lauernde, aber tabuisierte und angstbesetzte ‚weiße’, christlicheuropäische Identität darstellt“ (Casanova 2004a:13). Festgehalten werden kann aber, dass ein Versäumnis der Europäer,
die eigenen Grundannahmen darzulegen, dazu führen muss,
dass statt mit offenen Karten mit weiteren ökonomischen,
politischen oder rechtlichen Vorbedingungen gespielt wird,
die an der wahren Position vorbeigehen und so letztlich weniger Probleme lösen als neue schaffen. Für den heutigen Europäer besteht ein Widerspruch zwischen modern im Sinne
von fortschrittlich und einer grundlegenden religiösen Haltung, die auf eine moralische und kulturelle Orientierung
setzt, die dem Glauben eine letzte Entscheidungsposition zusichert. Hier gilt zu klären, ob es nicht auch möglich sein
kann, dass Gesellschaften nicht säkularisiert sind und dies darüber hinaus auch gar nicht sein wollen, gesellschaftlich und
politisch sich aber auf dem gleichen ‚normativen’ Niveau mit
uns befinden können. Hier müsste dann akzeptiert werden,
dass das eigene Gesellschaftsmodell eben nur eines unter vielen ist, die letztlich keine Überlegenheit für sich beanspruchen
können.
Sicherlich wäre es auch spannend zu fragen, mit welchen
Vorannahmen die Türkei in den Beitrittsprozess geht, die ihrerseits die Europäer im Lichte türkisch-kultureller Erfahrungen charakterisiert. Nur wenn diese auch auf den Tisch kommen, kann eine klare Entscheidung getroffen werden, die
sehr wohl „Beitritt Ja“ oder „Beitritt Nein“ lauten kann.
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
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1
Zwar stellt die praktizierte Version des Laizismus eine der
sechs Grundprinzipien des Kemalismus dar, dennoch leben in
der Türkei überwiegend Muslime (99%). Dies entspricht auch
der Europäischen Sicht der Türkei (Ayhan 2005, Keyman
2005).
2
An gleicher Stelle geht Casanova davon aus, dass „[d]ieses
säkulare Selbstverständnis, […] die Eliten Europas mit den
Leuten von der Straße teilen“(Casanova 2004:2).
3
Diese Meistererzählungen oder auch Meta-Narrationen besitzen auch heute noch ihre Legitimationskraft, und dies, obwohl sich doch seit Lyotard und der linguistischen Wende
suspekt geworden sein sollen [Anmerkung d. Autors].
4
Als Pendant zum Eurozentrismus kann der von Edward Said
analysierte Komplex des Orientalismus (und jede Form des
Exotismus) gelesen werden, der in farbenprächtigen Bildern
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Linder: Der eurozentristische Standpunkt in der Auseinandersetzung mit dem kulturellen Anderen:
Das Beispiel Türkei
das Andere der zivilisierten „abendländischen“ Welt imaginiert, das der Kolonialisierung und Missionierung harrt.
5
Ein Beispiel für die Trennung zwischen ‚heilig’ und ‚profan’
ist die Religionsdefinition von Durkheim. Diese ist sozusagen
ein Idealtypus einer euro-christzentrischen Begriffsbestimmung (Durkheim 2005) [Anmerkung d. Autors].
6
Zu unterschiedlichen Religionskonzepten in Europa siehe
bspw. Stegemann und Stegemann (1997).
7
Zu Religionskonzepten in unterschiedlichen Religionen, hier
speziell Hinduismus siehe bspw. Stietencron (2006).
8
In folgender Arbeit sollen lediglich westlich-europäische Gesellschaften betrachtet werden. Die weiteren Ausführungen
müssen unter dieser Einschränkung betrachtet werden.
9
10
Zu diesen verschiedenen Positionen siehe Helleman (2005).
Für einen Überblick siehe Bruce (2007).
11
Es gibt viele, teils weit auseinanderklaffende Ausformulierungen dieser These. Ich beschränke mich deshalb auf die
gemeinsam geteilten Ansichten. Für einen Überblick siehe
den bereits 1966 erschienen Artikel von Sorokin (1966).
12
Die Tatsache, dass Säkularisierung eben nicht nur ein gradueller Trend in Teilen Europas ist, sondern eine Denkhaltung
die neben Europa auch Kanada und Australien betrifft, kann
nicht einfach übergangen werden. Vielmehr bedarf diese Tatsache einer eigenständigen Erklärung.
13
Die Abwesenheit von Säkularisierung in den USA wird dann
auch über eine bessere Anpassung an Markbedürfnisse erklärt. Säkularisierung erscheint hier als Konsequenz eines
Missmanagements.
14
[Korrekturen des Autors]
15
Zur Kritik siehe Hellemans (2005).
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100
Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
Vertraute Fremde.
Repräsentationen und
Status von Grenzgängern in Luxemburg
[Familiar strangers.
Representations and status
of cross-border workers in
Luxembourg]
Christian Wille
M.A., Promovend der Forschungseinheit IPSE (Identités,
Politiques, Sociétés, Espaces) an
der Universität Luxemburg
Abstract [English]
Cross-border commuters have become an indispensible
resource in Luxembourg. In everyday discourses they are discussed under different prefixes, which indicate that there are
certain representations with regard to cross-border workers.
Based on empirical research, this paper addresses the various
underlying discourse practices of Luxembourgish residents.
The ascription of status to cross-border workers is analysed
using a familiar (+/-) / stranger heuristic. It has become evident that within the Luxembourgish society there are ambivalent representations of cross-border commuters that point at
circumstances of alterity and the construction of identity under late modern conditions.
Keywords: Cross-border workers, Greater Region, Saar-LorLux, Luxembourg, transborder region, transnationality, alterity
Abstract [Deutsch]
Grenzgänger sind in Luxemburg zu einer unverzichtbaren Arbeitskraftressource geworden. Im Alltagsdiskurs werden sie
oft unter verschiedenen Vorzeichen thematisiert, woraus sich
bestimmte Repräsentationen hinsichtlich der Grenzgänger
ableiten lassen. In diesem Beitrag werden auf Grundlage
empirischer Ergebnisse solche Diskurspraktiken der Luxemburger Wohnbevölkerung im Hinblick auf Grenzgänger
herausgearbeitet. Hieran anknüpfend sowie aufbauend auf
der Heuristik Vertrauter (+/-) / Fremder wird der den Grenzgängern zugeschriebene Status bestimmt. Deutlich wird dabei, dass innerhalb der Luxemburger Gesellschaft ambivalente
Repräsentationen des Grenzgängerwesens vorherrschen, die
auf Alteritätsverhältnisse und Identitätskonstruktionen unter
spätmodernen Bedingungen verweisen.
Stichworte: Grenzgänger, Großregion, Saar-Lor-Lux, Luxemburg, Grenzregion, Transnationalität, Alterität
1.
Einleitung
Luxemburg zählt heute die meisten Grenzgänger in der Europäischen Union. Als solche werden Arbeitnehmer und Selbstständige bezeichnet, die in einem europäischen Mitgliedstaat
arbeiten und in einem anderen wohnen, in den sie in der Regel täglich – mindestens aber einmal wöchentlich – zurückkehren (vgl. EWG 1408/71). Das Grenzgängeraufkommen hat
sich im Großherzogtum enorm entwickelt: Während die
grenzüberschreitenden Pendler im Jahr 1980 hier noch 9%
der Arbeitskräfte stellten, beläuft sich ihr Anteil heute (2009)
auf 44%. Die Hälfte von ihnen kommt aus Frankreich, insbe101
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Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
sondere aus Lothringen, und jeweils ein Viertel aus dem
grenznahen Belgien und Deutschland. Die Gründe für die seit
den 1970er Jahren anhaltend wachsenden Grenzgängerzahlen sind neben weichen Faktoren, wie etwa Jobadäquanz
oder Arbeitsbedingungen, vor allem im regionalen Einkommensgefälle sowie im quantitativen und qualitativen Arbeitsplatzangebot zu sehen. Dieses hilft die zum Teil angespannten Arbeitsmarktlagen in den Wohnregionen der Grenzgänger abzufedern. Vor diesem Hintergrund kristallisieren
sich zwei zentrale Merkmale des luxemburgischen Arbeitsmarkts heraus: Zum einen besteht ein ausgeprägt asymmetrisches Verhältnis zwischen den nach Luxemburg einpendelnden und den aus dem Großherzogtum auspendelnden
Grenzgängerströmen, das sich in 147.000 Arbeitskräften aus
den Nachbarregionen gegenüber lediglich ca. 900 Auspendlern widerspiegelt. Zum anderen verzeichnet Luxemburg aufgrund der Grenzgängerbeschäftigung – sowohl in qualitativer
als auch in quantitativer Hinsicht – einen enormen Arbeitskräftegewinn (vgl. ausführlich Wille 2010).
100%
80%
60%
40%
20%
0%
1980
1984
Grenzgänger
1988
1992
1996
ansässige Ausländer
2000
2004
2008
Luxemburger
Abb. 1: Struktur der Erwerbstätigen in Luxemburg 1980-2009,
Quelle: IGSS, Statec
Angesichts dieser Situation und der damit verbundenen Präsenz der Grenzgänger in der Luxemburger Gesellschaft wird
im Folgenden hinterfragt, welcher Status ihnen im Großherzogtum zukommt. Die Statusbestimmung orientiert sich nicht
an juristischen Definitionen, sondern an den Zuschreibungen
bzw. Repräsentationen der Luxemburger Wohnbevölkerung
im Hinblick auf Grenzgänger. Die Rede von der Luxemburger
Wohnbevölkerung ist von Bedeutung, da sie zu 42% außer© Interculture Journal 2011 | 13
102
Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
gewöhnlich viele ansässige Ausländer – wie etwa Portugiesen
oder Italiener – zählt, die in die Betrachtungen einbezogen
werden. Das Interesse am Status der Grenzgänger beruht auf
einem verbreiteten Alltagsdiskurs, der eine gewisse Arbeitsplatzkonkurrenz in den Blick zu führen versucht, jedoch – so
die These – weitgehend kulturell motiviert ist und auf Abgrenzungsversuche gegenüber den Grenzgängern und damit
auf Identitätsfragen verweist. Im Folgenden wird zunächst der
theoretische Hintergrund zur Bestimmung des Status der
Grenzgänger dargelegt, gefolgt von den ermittelten Repräsentationen der grenzüberschreitenden Pendler auf Ebene der
Gesamtbevölkerung sowie in einzelnen sozio-kulturellen
Milieus der Luxemburger Gesellschaft. Auf dieser Grundlage
wird schließlich der Status der Grenzgänger in Luxemburg
herausgearbeitet und in einen Begründungszusammenhang
gestellt.
2.
Theoretische Annäherung an den Status der Grenzgänger
Zur theoretischen Annäherung an den Status der Grenzgänger wird an die Überlegungen des Soziologen Armin
Nassehi angeknüpft (vgl. Nassehi 1995), der aufbauend auf
der klassischen Soziologie des Fremden (vgl. z.B. Reuter 2002)
zunächst die Dichotomie Vertrauter / Fremder einführt. Dieses
Denkmodell basiert auf der Vorstellung von Gesellschaften als
normativ integrierte Kollektive, in deren Kontext die (Nicht-)
Übernahme der ‚geltenden Normen’ über den Status des
Eigenen als vertraut bzw. des Anderen als fremd entscheidet.
Angesichts sich ausweitender transnationaler Lebenswelten
tritt der so bestimmte Fremde jedoch zunehmend in die (vertraute) Lebenswelt der Subjekte, wodurch die auf normativen
Kriterien beruhende Ordnung Vertrauter / Fremder in ‚Unordnung’ gerät. An dieser Stelle hebt Nassehi den Konstruktionscharakter dieser Kategorien hervor und damit jene Wahrnehmungsprozesse, die das ‚Fremde’ zum Fremden bzw. das
‚Vertraute’ zum Vertrauten machen. Hierfür führt er die erweiterte Denkfigur Vertrauter (+/-) / Fremder ein, die den Vertrauten zweifach besetzt: positiv und negativ. Somit werden
die ehemals normativ verfassten Ordnungskategorien ausdifferenziert und zugänglich für Formen der Inklusion (+) und
Exklusion (-). Angesprochen werden damit einschließendpositive und ausschließend-negative Aneignungen von sozialen Phänomenen – wie etwa des Grenzgängerwesens –, die
sich in den Repräsentationen derselben widerspiegeln. Dieser
theoretische Zugriff integriert gesellschaftliche Binnendifferenzierung fernab normativer Vorstellungen und fängt über
die Kategorie des Fremden solche Phänomene auf, die sich
der positiven oder negativen Aneignung durch die Subjekte
103
© Interculture Journal 2011 | 13
Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
entziehen und damit – als Kehrseite zum Vertrauten – fremd
bleiben. Im Hinblick auf den zu untersuchenden Status des
Grenzgängers bedeutet dies, dass er als Vertrauter zu bestimmen wäre, wenn seine Wahrnehmung durch die Wohnbevölkerung positiv oder negativ ausfällt (Vertrauter+ oder
Vertrauter-). Als Fremder wäre er zu bestimmen, wenn sich
die Wahrnehmung ambivalent ausprägt, d.h. wenn sich die
Wohnbevölkerung positiv und negativ gegenüber dem
Grenzgängerwesen positioniert (Vertrauter+ und Vertrau1
ter-). Somit stellt die erweiterte Denkfigur Vertrauter (+/-) /
Fremder ein an sozialen Konstruktionen orientiertes heuristisches Instrument bereit, das nicht nur Entweder-OderZuordnungen gerecht wird, sondern ebenso ein theoretisches
Einfallstor für Ambivalenzen im Sinne von Sowohl-Als-AuchZuordnungen bildet.
In Anknüpfung an diese Überlegungen wurden im Zuge des
interdisziplinären Forschungsprojekts „IDENT – Soziokulturelle Identitäten und Identitätspolitiken in Luxemburg“
(2007-2010) an der Universität Luxemburg eine quantitative
Repräsentativbefragung der Luxemburger Wohnbevölkerung
und 27 qualitative Interviews mit Ansässigen durchgeführt.
Mit dem Ziel der empirischen Rückbindung der oben vorgestellten Kategorien des Vertrauten bzw. Fremden wurden dabei verschiedene Repräsentationen hinsichtlich der Grenzgänger erhoben. Diese werden im Folgenden überblicksartig
wiedergegeben, um hierauf aufbauend den zugeschriebenen
Status der Grenzgänger zu ermitteln.
3.
Repräsentationen der Luxemburger Wohnbevölkerung
Die folgenden quantitativen und qualitativen Untersuchungsergebnisse repräsentieren die Wahrnehmungen der Luxemburger Wohnbevölkerung im Hinblick auf Grenzgänger, wobei positive und negative Aspekte der Grenzgängerbeschäftigung auf sozio-kulturellem und sozio-ökonomischem Gebiet
berücksichtigt werden.
Wirtschaftliche Notwendigkeit der Grenzgängerbeschäftigung: Die Mehrheit (87%) der Luxemburger Wohnbevölkerung betrachtet die Grenzgänger als unverzichtbar für die
Luxemburgische Wirtschaft. Dabei werden verschiedene Argumente hervorgebracht: So wird auf die unzureichende Zahl
der Luxemburger verwiesen, um die Arbeitskräftenachfrage
im Großherzogtum zu befriedigen; des Weiteren werden die
von den Unternehmen nachgefragten Qualifikationen in den
Blick gerückt, welche die Pendler weitgehend mitbringen.
Ferner wird auf den Wohlstand und auf das Wirtschaftswachstum im Großherzogtum aufmerksam gemacht, das oh-
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104
Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
ne die Grenzgängerbeschäftigung nicht möglich (gewesen)
wäre. Ergänzend werden Grenzgänger positiv als Konsumenten, Steuerzahler und Sanierer der Sozialkassen thematisiert,
da sie ihre Steuern und Sozialbeiträge in Luxemburg entrichten. Somit profitieren z.B. das Gesundheitswesen oder die
Rentenkassen von der Grenzgängerbeschäftigung, gleichwohl
eine Erhöhung der Rentenbeiträge auch im Großherzogtum
bereits öffentlich diskutiert wurde. Denn in absehbarer Zeit
wird der Anteil der Grenzgänger wachsen, die große Teile
bzw. das gesamte Berufsleben in Luxemburg gearbeitet haben und dann nicht nur ihre Rentenzahlungen aus Luxemburg beziehen, sondern ebenso ein Anrecht auf die Leistungen der luxemburgischen Gesundheitskasse haben.
Arbeitsplatzkonkurrenz durch das Grenzgängerwesen: Ein
Drittel (34%) der Befragten ist der Überzeugung, dass Grenzgänger den Luxemburgern die Arbeitsplätze wegnähmen.
Dabei kommen verschiedene Argumentationslinien zum Tragen: Einerseits, dass Grenzgänger für niedrigere Löhne arbeiten und die Luxemburger somit vom Arbeitsmarkt drängten.
Andererseits werden die bessere Qualifikation und die Reputation der Grenzgänger als motivierte Arbeitnehmer in den
Blick geführt, weshalb Grenzgänger bessere Chancen auf
dem Arbeitsmarkt hätten. Diese Wahrnehmung hat sich vermutlich im vergangenen Jahrzehnt herausgebildet, da in dieser Zeit die Arbeitslosigkeit im Großherzogtum – bei stetigem
Anstieg der Grenzgängerzahlen – wuchs. Von 2001 bis 2004
stieg die Arbeitslosenquote von 1,9% auf 5,0%, wovon besonders niedrig qualifizierte Jugendliche und Frauen betroffen
waren. Zwar erholte sich die Wirtschaft zwischen 2004 und
2007, jedoch konnte die Arbeitslosigkeit lediglich auf 4,1%
gesenkt werden (Statec 2009a:41). Die genannte Argumentation zugunsten der arbeitslosen Luxemburger blendet jedoch
die Frage nach der Qualifikation und damit nach dem Passverhältnis zwischen Arbeitskräfteangebot und -nachfrage aus.
Denn angesichts der Wirtschaftsstruktur Luxemburgs, in der
unternehmensbezogene Dienstleistungen eine herausragende
Rolle spielen, werden von den Unternehmen mittlere und
überwiegend höher qualifizierte Arbeitnehmer nachgefragt.
Die ansässigen Arbeitskräfte verfügen jedoch oftmals nicht
über die erforderlichen Qualifikationen, weshalb Unternehmen weitgehend auf Grenzgänger zurückgreifen. Damit
bleibt die von einigen Befragten geäußerte Arbeitsplatzkonkurrenz im Hinblick auf das Grenzgängerwesen weniger einem Verdrängungswettbewerb geschuldet, denn vielmehr
den Matchingprozessen des Arbeitsmarkts.
Des Weiteren werden von den Befragten zwar explizit Vorschläge geäußert, wie etwa Luxemburger anstelle von Grenzgängern zu beschäftigen oder in Unternehmen „Luxembur-
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Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
ger-Quoten“ einzuführen, der größte Teil der Interviewpartner verneint jedoch eine Arbeitsplatzkonkurrenz. Vielmehr
wird auf die Entwicklung verwiesen, dass sich Luxemburger
zunehmend in den öffentlichen Sektor zurückziehen, wo sie
aufgrund bestimmter Kompetenzen vor der Konkurrenz ausländischer Arbeitskräfte ‚geschützt’ bleiben. So arbeiteten im
Jahr 2008 42,3% der Erwerbstätigen mit luxemburgischer
Staatsbürgerschaft im öffentlichen Dienst; dreizehn Jahre zuvor (1995) waren es nur 36,6%. Im privatwirtschaftlichen
Sektor hingegen ist ihr Anteil zwischen 1995 und 2008 lediglich um 3% gestiegen. Besonders große Verschiebungen der
Erwerbstätigen mit luxemburgischer Staatsbürgerschaft in
den öffentlichen Sektor sind zwischen 1995 und 2008 aus
den Bereichen Landwirtschaft, Bauwirtschaft, soziale Dienste
sowie Hotel- und Gaststättengewerbe zu beobachten, die
nunmehr weitgehend den Grenzgängern und ansässigen
Ausländern vorbehalten bleiben (vgl. Statec 2009b). Diese
Arbeitskräfteverschiebung zeichnet eine gewisse ‚Rückzugsstrategie’ der Luxemburger auf gut bezahlte und sichere Jobs
in den öffentlichen Sektor nach. Zwar steht dieser Arbeitsmarktbereich in vielen Fällen grundsätzlich auch Grenzgängern ohne Luxemburger Staatsbürgerschaft offen, jedoch
sind für den Zugang bestimmte Kompetenzen von entscheidendem Vorteil. Diese umfassen neben Kenntnissen in den
drei gebräuchlichen Sprachen des Landes, sozio-kulturelles
Wissen und lokale Netzwerke, über die Grenzgänger nur selten verfügen.
Kulturelle Bereicherung durch das Grenzgängerwesen: Ca.
die Hälfte (55%) der Luxemburger Wohnbevölkerung ist der
Ansicht, dass die Grenzgänger eine Bereicherung für die
Luxemburger Kultur seien. Dabei wird auf die Mehrsprachigkeit im Großherzogtum verwiesen, auf den ohnehin hohen
Ausländeranteil in der Wohnbevölkerung sowie auf das politische und alltagskulturelle Konzept der grenzüberschreitenden
2
Region „Großregion SaarLorLux“ . Andererseits wird unterstrichen, dass sich die Grenzgänger mehr an die ‚Luxemburgische Kultur’ anpassen und dem Land bzw. den Luxemburgern
mehr Interesse und Respekt entgegenbringen sollten. Deutlich wird damit eine Ambivalenz, die sich aus der Betonung
einer gewissen Pluralität der Luxemburger Gesellschaft und
der Wahrnehmung ableitet, Grenzgänger seien lediglich materiell orientiert und ohne Interesse am Großherzogtum.
Sprachbedrohung durch das Grenzgängerwesen: Über die
Hälfte (57%) der Luxemburger Wohnbevölkerung ist der Auffassung, dass die Grenzgänger eine Bedrohung für die
luxemburgische Sprache darstellen. Angesprochen werden
damit Situationen des Sprachkontakts im öffentlichen Raum,
in denen Luxemburger oftmals nur eingeschränkt auf Luxem-
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Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
burgisch kommunizieren können. Zwar wird eingeräumt, dass
Luxemburger – wenn auch mit generationsbedingten Unterschieden – die Sprache(n) der Grenzgänger mehr oder weniger beherrschen; der Umstand, „im eigenen Land die Muttersprache nicht sprechen zu können“, wird jedoch zum Teil
sehr emotional erlebt. Bemerkenswerterweise fordern die Befragten jedoch keine ausgeprägten Sprachkompetenzen ein,
sondern es reiche aus, wenn sich Grenzgänger „Mühe geben“. Diese Relativierung der Sprachkompetenzen ist mit der
kommunikativen Funktion der Luxemburgischen Sprache nur
schwer vereinbar und verweist eher auf ihre Rolle als Identitätsmarker (Lüdi 2008:190) bzw. auf die eingeforderte Anpassung an die ‚Luxemburgische Kultur’.
Die Gesamtschau der Ergebnisse zeigt, dass die Luxemburger
Wohnbevölkerung das Grenzgängerwesen hinsichtlich sozioökonomischer und sozio-kultureller Aspekte positiv und negativ wahrnimmt, wobei verschiedene Argumentationslinien
hervortreten. Im Folgenden werden die erhobenen Repräsentationen auf Grundlage der quantitativen Daten zusammengeführt, womit Aussagen über positive bzw. negative Wahrnehmungen nach gesellschaftlichen Feldern möglich werden
sowie der durch die Wohnbevölkerung zugeschriebene Status
der Grenzgänger nach gesellschaftlichen Feldern aufgedeckt
und der Status der Grenzgänger insgesamt bestimmt werden
kann.
Sozio-kulturelles Feld
Zustimmung
in %
Zugeschriebener Status
Sozio-ökonomisches Feld
Grenzgänger sind
eine Bedrohung
für die luxemburgische Sprache.
Grenzgänger sind
eine Bereicherung
für die luxemburgische Kultur.
Grenzgänger
nehmen den Luxemburgern die
Arbeitsplätze weg.
Grenzgänger werden in der luxemburgischen Wirtschaft gebraucht.
negative
Wahrnehmung
(-)
positive
Wahrnehmung
(+)
negative
Wahrnehmung
(-)
positive
WahrWahrnehmung nehmung
(+)
insgesamt
57%
55%
34%
Fremde
87%
Vertraute+
Vertraute
Fremde
Abb. 2: Status der Grenzgänger in Luxemburg (Luxemburger Wohnbevölkerung), Quelle: IDENT (2009), Universität Luxemburg
(1) Wahrnehmungen der Grenzgänger nach gesellschaftlichen Feldern: Zunächst ist zu hinterfragen, in welchem gesellschaftlichen Feld positive bzw. negative Wahrnehmungen des
Grenzgängerwesens dominieren. Hinsichtlich der positiven
Wahrnehmungen ist festzuhalten, dass diese vor allem im
sozio-ökonomischen Feld zu beobachten sind, etwa wenn es
um die Unverzichtbarkeit der Grenzgänger für das Wirtschaftswachstum (87% Zustimmung) gegenüber der kulturel-
107
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Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
len Bereicherung durch die Pendler (55% Zustimmung) geht.
Negative Aneignungen des Phänomens werden besonders im
sozio-kulturellen Feld deutlich, wenn die Frage nach der Bedrohung der luxemburgischen Sprache durch Grenzgänger
(57% Zustimmung) im Vergleich zur Arbeitsplatzkonkurrenz
(34% Zustimmung) gestellt wird. Somit kann bereits festgehalten werden, dass der eher negativ-exkludierende Diskurs
hinsichtlich der Grenzgänger weniger auf einer ‚materiellen
Konkurrenz’ (Wirtschaft/Arbeitsmarkt) basiert, sondern vielmehr auf einem ‚immateriellen Konkurrenzmoment’ (Sprache/Kultur), das der oben genannten These folgend auf Identitätsfragen verweist.
(2) Status der Grenzgänger nach gesellschaftlichen Feldern:
Hinsichtlich der oben eingeführten Denkfigur Vertrauter (+/-)
/ Fremder ist festzuhalten, dass die Wahrnehmungen der
Luxemburger Wohnbevölkerung eine von Nassehi nicht vorgesehene Zuschreibung widerspiegeln. So ist für die sozioökonomische Dimension des Grenzgängerwesens – mit 87%
Zustimmung zur wirtschaftlichen Unverzichtbarkeit der
Grenzgänger bei lediglich 34% Zustimmung zur Arbeitsplatzkonkurrenz – eine Aneignung des Phänomens als positiver
Vertrauter festzustellen. In sozio-kultureller Hinsicht hingegen
bleiben die Aneignungen der Wohnbevölkerung – mit 57%
Zustimmung zur sprachlichen Bedrohung bei 55% Zustimmung zur kulturellen Bereicherung – ambivalent, was auf einen Status des Grenzgängers als Fremder hinweist.
(3) Status der Grenzgänger insgesamt: Die aus den Repräsentationen nach gesellschaftlichen Feldern abzuleitende Alteritätsfigur kann als vertrauter Fremder bezeichnet werden. Sie
gibt diffus erscheinende Zuschreibungen der Luxemburger
Wohnbevölkerung hinsichtlich der Grenzgänger wieder, die
auf die Sicherung von Wohlstand und Wachstum abstellen,
die das Großherzogtum als eine plurale Gesellschaft nachzuzeichnen versuchen und ein Streben nach Abgrenzung widerspiegeln.
Der herausgearbeitete Status der Grenzgänger basiert auf
den dargelegten Repräsentationen der Luxemburger Wohnbevölkerung. Das bedeutet, dass bislang keine Binnendifferenzierung nach sozialen Gruppen vorgenommen wurde.
Hierfür wird im Folgenden auf die Gliederung der Luxemburger Wohnbevölkerung nach sozio-kulturellen Milieus zurückgegriffen, die im Rahmen des genannten Forschungsprojekts
entstand.
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108
Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
4.
Repräsentationen in sozio-kulturellen Milieus
Sozio-kulturelle Milieus spiegeln soziale Gruppen wider, in
denen Subjekte mit ähnlichen Wertorientierungen, Lebensstilen und sozialen Lagen zusammengefasst werden. Die Gesamtheit der sozio-kulturellen Milieus einer Gesellschaft konstituiert einen zweidimensionalen sozialen Raum. Hinsichtlich
des sozialen Raums ‚Luxemburg’ ist vertikal entlang der Herrschaftsachse in obere, mittlere und untere Milieus zu unterscheiden, die sich horizontal entlang der ökonomischen Kategorien „avant-gardistisch“, „eigenverantwortlich“, „hierarchiegebunden“ und „autoritär“ ausdifferenzieren. Die verschiedenen Milieus besitzen unterschiedliches gesellschaftliches Gewicht und überschneiden sich teilweise, was auf die
nicht immer eindeutig bestimmbare Position der Subjekte im
sozialen Raum zurückzuführen ist. Die Mitte der Gesellschaft
bzw. das größte Milieu in Luxemburg bildet das aufstiegsorientierte Milieu. Es umfasst alle Einkommensgruppen sowie
einen hohen Anteil leitender Angestellte und Studierender.
Die Angehörigen dieses Milieus vertrauen auf ihre eigene
Leistungsfähigkeit, identifizieren sich stark mit ihrer Berufstätigkeit und sind mit dem staatlichen Handeln weitgehend
einverstanden. Für die ausführliche Erläuterung des aufstiegsorientierten Milieus sowie der weiteren Milieus muss an andere Stelle verwiesen werden (Amann / Fehlen / Mein 2010).
Hier stehen die Wahrnehmungen im Hinblick auf Grenzgänger in den einzelnen sozio-kulturellen Milieus im Zentrum,
welche vier verschiedene Status der Grenzgänger repräsentieren.
109
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Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
Sozio-kulturelles Feld
Grenzgänger
sind eine
Bedrohung
für die luxemburgisch
e
Sprache.
Zustimmung in %
Sozio-ökonomisches
Feld
Grenzgänger
Grenzgänger
sind eine
nehmen den
Bereicherung
Luxemburgern
für die ludie Arbeitsxemburgische
plätze weg.
Kultur.
Grenzgänger
werden in
der luxemburgischen
Wirtschaft
gebraucht.
Negative
Aneignung (-)
Positive
Aneignung
(+)
Negative
Aneignung
(-)
Positive
Aneignung
(+)
Aneignung
insgesamt
45
68
28
88
/
Obere Milieus
Alternatives Milieu
(3%)
Zugeschriebener Status
Liberal-gehobenes
Milieu (11%)
Zugeschriebener Status
Konservativgehobenes Milieu
(9%)
Vertraute+
46
Aufstiegsorientiertes
Milieu (29%)
Zugeschriebener Status
Traditionsorientiertes
Milieu (5%)
Zugeschriebener Status
Hedonistisches Milieu
(7%)
Zugeschriebener Status
62
16
Vertraute+
37
Zugeschriebener Status
Mittlere Milieus
Kleinbürgerliches
Milieu (19%)
Zugeschriebener Status
Statusorientiertes
Milieu (3%)
Zugeschriebener Status
Vertraute+
15
Vertraute+
Vertraute-
Vertraute-
Fremde
91
54
Vertraute-
86
49
Fremde
/
Vertraute Fremde
Fremde
50
/
Fremde
Vertraute+
45
59
93
30
/
Fremde
Vertraute+
58
74
87
26
/
Vertraute+
Vertraute+
48
59
93
38
/
Vertraute+
Vertraute+
48
53
89
Vertraute+
62
64
Vertraute+
/
Vertraute Fremde
82
Vertraute-
/
Vertraute Fremde
Untere Milieus
Unterprivilegiertes
Milieu (13%)
Zugeschriebener Status
64
53
Vertraute-
56
75
Vertraute-
Abb. 3: Status der Grenzgänger in Luxemburg (sozio-kulturelle Milieus),
Quelle: IDENT (2009), Universität Luxemburg (eigene Darstellung),
Anmerkung: Die in Klammern angegebenen Werte repräsentieren
den Anteil der Milieus an der Luxemburger Gesellschaft.
(1) Grenzgänger als positive Vertraute: Die Zuschreibung des
Status des positiven Vertrauten basiert auf einer eindeutigen
positiven Wahrnehmung von Grenzgängern. Diese herrscht
weitgehend im konservativ-gehobenen, liberal-gehobenen
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110
/
Vertraute-
Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
und alternativen Milieu vor, in denen die positiven Aspekte
der Grenzgängerbeschäftigung in Luxemburg betont und die
negativen Implikationen relativiert werden.
(2) Grenzgänger als negative Vertraute: Wird den Grenzgängern der Status des negativen Vertrauten zugeschrieben –
wie im unterprivilegierten Milieu –, so sind im sozio-kulturellen und sozio-ökonomischen Feld weitgehend negativablehnende Wahrnehmungen der Pendler auszumachen. Diese artikulieren sich in sozio-ökonomischer Hinsicht über die
Betonung der Arbeitsmarktkonkurrenz und über die Relativierung der wirtschaftlichen Notwendigkeit von Grenzgängern.
(3) Grenzgänger als Fremde: Der Status des Grenzgängers als
Fremder basiert auf einer ambivalenten Wahrnehmung des
Phänomens. Das bedeutet, dass die Befragten positive und
negative Zuschreibungen im Hinblick auf das Grenzgängerwesen vollziehen. Dies trifft besonders auf die Angehörigen
des kleinbürgerlichen und statusorientierten Milieus zu, die
sich in sozio-kultureller Hinsicht eher negativ und in sozioökonomischer Hinsicht eher positiv gegenüber dem Grenzgängerwesen positionieren. So wird hier das kulturell bereichernde Moment relativiert und von einer Sprachbedrohung
durch Grenzgänger ausgegangen, was sich besonders im
kleinbürgerlichen Milieu akzentuiert. Die wirtschaftliche Notwendigkeit der Grenzgänger wird jedoch bestätigt und einer
vermeintlichen Arbeitsmarktkonkurrenz wird – insbesondere
im statusorientierten Milieu – nur zögerlich zugestimmt.
(4) Grenzgänger als vertraute Fremde: Die Zuschreibung der
Grenzgänger als vertraute Fremde gibt den Umstand wieder,
dass sie nach den betrachteten gesellschaftlichen Feldern sowohl ambivalent als auch eindeutig wahrgenommen werden.
Dieser Status lässt sich zunächst aus den Wahrnehmungen
der Angehörigen des aufstiegsorientierten und hedonistischen Milieus ableiten, die das Grenzgängerwesen in soziokultureller Hinsicht positiv und negativ wahrnehmen. So gehen sie hier von einer kulturellen Bereicherung und von einer
sprachlichen Bedrohung durch Grenzgänger aus. Jedoch unterscheiden sich beide sozialen Gruppen auf dem sozioökonomischen Gebiet. Während die Aufstiegsorientierten die
Unverzichtbarkeit der Grenzgänger für die Wirtschaft betonen, unterstreichen die Hedonisten die vermeintliche Arbeitsplatzkonkurrenz. Der Status des vertrauten Fremden lässt sich
ebenfalls anhand der Wahrnehmungen der Angehörigen des
traditionsorientierten Milieus ablesen. Jedoch ist hier durch
die Betonung der Arbeitsmarktkonkurrenz bei gleichzeitiger
wirtschaftlicher Notwendigkeit von Grenzgängern die zu beobachtende Ambivalenz auf sozio-ökonomischem Gebiet und
die eher negative Wahrnehmung auf sozio-kulturellem Gebiet
auszumachen.
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Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
5.
Ambivalenz und Pluralität der Repräsentationen
Die Bestimmung des zugeschriebenen Status der Grenzgänger auf Basis der Wahrnehmungen der Luxemburger
Wohnbevölkerung hat verschiedene Ergebnisse zu Tage gefördert. So ist zunächst deutlich geworden, dass eine positive
Wahrnehmung der Grenzgänger eher auf sozio-ökonomischem Gebiet vorherrscht, negative Repräsentationen scheinen hinsichtlich sozio-kultureller Aspekte ausgeprägt zu sein.
Weiterführend wurde der Status der Grenzgänger herausgearbeitet, der insgesamt eine ambivalente Repräsentation des
Phänomens als vertrauter Fremder widerspiegelt. Die vertiefende Betrachtung nach sozio-kulturellen Milieus deckte weitere Status der Grenzgänger in Luxemburg auf. So ist in den
oberen Milieus, die weitgehend etabliert sind und über ein
gewisses Bildungskapital verfügen, hinsichtlich sozio-ökonomischer und sozio-kultureller Aspekte der Grenzgängerbeschäftigung eine Repräsentation der Pendler als positive
Vertraute auszumachen. Hingegen zeichnet sich in den unteren Milieus, die sich auf dem Arbeitsmarkt oftmals gegenüber
Grenzgängern behaupten müssen und über weniger Kapitalien verfügen, eine Repräsentation der Grenzgänger als negative Vertraute ab. Auf den weitaus größten und mittleren Teil
der Gesellschaft treffen ambivalente Repräsentationen des
Grenzgängers zu, die in der Figur des Fremden bzw. des vertrauten Fremden ihre Entsprechungen finden und auf unterschiedlich gelagerten Ambivalenzen beruhen.
Die in Luxemburg vorherrschenden ambivalenten Wahrnehmungen im Hinblick auf Grenzgänger lassen sich im Wesentlichen auf folgende Punkte zurückführen: Zum einen wird die
Notwendigkeit der Pendler für das wirtschaftliche Wachstum
und zum Erhalt des eigenen Wohlstandniveaus kaum infrage
gestellt; vielmehr werden sie in dieser Hinsicht als willkommene Arbeitskräfte angesehen. Zum anderen wird deutlich,
dass die Grenzgänger weitgehend das in Luxemburg angestrebte Bild einer pluralen und offenen Gesellschaft stützen
(sollen), jedoch scheinen sie durch ihr ‚Vordringen’ in nahezu
alle Arbeitsmarktbereiche – und damit durch ihre starke
öffentliche Präsenz – Identitäten infrage zu stellen. Dies wird
besonders bei der subjektiv empfundene Bedrohung der
luxemburgischen Sprache – als zentraler Identitätsträger –
deutlich, die in allen sozio-kulturellen Milieus unübersehbar
artikuliert wird. Das Ineinandergreifen dieser Teilaspekte, die
sich zu den vorgestellten Repräsentationstypen verdichten,
erfährt plurale Ausprägungen und bestätigt die Begrenztheit
der dichotomen Denkfigur Vertrauter / Fremder. Dieser auf
normativen Kriterien beruhenden Ordnung wurden ambivalente – jedoch ebenso kohärente – Ordnungsentwürfe der
Luxemburger Wohnbevölkerung entgegengestellt, die auf
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Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
subjektiven Zuschreibungen beruhen und in der erweiterten
Denkfigur Vertrauter (+/-) / Fremder ihre Entsprechungen finden. Dieser hier exemplarisch durchgeführte und differenzierende Zugriff auf transnationale Lebenswelten erscheint
grundsätzlich geeignet, um sich – den unter spätmodernen
Bedingungen in ‚Unordnungen’ geratenen – Alteritätsverhältnissen anzunähern. Einen nahezu idealtypischen Untersuchungskontext hierfür bilden Grenzregionen, die sich auf der
Ebene des Alltagskulturellen durch intensive Austauschbeziehungen kennzeichnen.
Literatur
Amann, Wilhelm / Fehlen, Fernand / Mein, Georg (2010): Sozio-kulturelle
Milieus in Luxemburg. In: IPSE (Hrsg.): Doing Identity in Luxemburg. Subjektive Aneigungen – institutionelle Zuschreibungen – sozio-kulturelle Milieus.
Bielefeld: transcript, S. 37-61.
IDENT (2009): Résultats de l’enquête quantitative dans le cadre du projet
IDENT. Arbeitspapier, Universität Luxemburg.
Lüdi, Georges (2008): Der Schweizer Sprachencocktail neu gemixt! Sprache
als Brücke und Barriere. In: Müller-Jentsch, Daniel (Hrsg.): Die neue Zuwanderung. Die Schweiz zwischen Brain-Gain und Überfremdungsangst. Zürich: Avenir Suisse, S. 185-203.
Nassehi, Armin (1995): Der Fremde als Vertrauter. Soziologische Beobachtungen zur Konstruktion von Identitäten und Differenzen. Kölner Zeitschrift
für Soziologie und Sozialpsychologie 47(3), S. 443-463.
Reuter, Julia (2002): Ordnungen des Anderen. Zum Problem des Eigenen in
der Soziologie des Fremden. Bielefeld: transcript.
Statec (2009a): L'économie luxembourgeoise. Un kaléidoscope 2008.
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Statec (2009b): Le secteur public. Economie et Statistiques. Arbeitspapier
von STATEC, Nr. 34.
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft
zu- und abwandern. In: Amtsblatt L 149, 5. Juli 1971
Wille, Christian (2010): Grenzgänger in der Großregion 1998-2008. In: IPSE
(Hrsg.): Digitaler und interaktiver Atlas der Großregion. Interdisziplinäres
Online-Projekt der Forschungseinheit IPSE der Universität Luxemburg. URL:
http://geo.uni.lu/joomla/index.php?option=com_content&task=view&id=13
57&Itemid=191 [Zugriff am 14.11.2010].
113
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Wille: Vertraute Fremde. Repräsentationen und Status von Grenzgängern in Luxemburg
1
Ferner kann der Grenzgänger als Fremder bestimmt werden,
wenn sich die Luxemburger Wohnbevölkerung ihm gegenüber weder positiv noch negativ positioniert. Diese theoretische Variante der Statusbestimmung wird im Folgenden ausgeschlossen, da es sich dabei um eine NichtAuseinandersetzung mit dem Grenzgängerphänomen handelt, das keine Rückschlüsse auf Alteritätsverhältnisse zulässt.
2
Das politisch definierte Gebiet der „Großregion SaarLorLux“
umfasst das Saarland, Lothringen, Luxemburg, RheinlandPfalz und Wallonien mit seinen Sprachgemeinschaften.
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Rezensionen und Aktuelles aus
Forschung, Lehre und Praxis
117
Interview mit Dr. Kleinfeld: Erfolgreiche interkulturelle
Kommunikation am Beispiel der ISO 26000
Interview von: Carolin Sauerbier
123
Montiel Alafont, Franciso Javier (2010): Werbegeschichte
als Kulturgeschichte. Spanien 1940 – 1989
Rezensiert von: Tatjana van de Kamp
129
Seelmann-Holzmann, Hanne (2010): Cultural Intelligence:
Die Erfolgsformel für Wachstum in einer
multipolaren Wirtschaftswelt
Rezensiert von: Tatjana van de Kamp
133
Balasubramanian, Vinita / Fürth, Antje (Hrsg.) (2010):
Leben und Arbeiten in Indien
Rezensiert von: Klaus Boll
Interview mit Dr. Annette Kleinfeld: Erfolgreiche interkulturelle Kommunikation am Beispiel der ISO
26000
Erfolgreiche interkulturelle Kommunikation am
Beispiel der ISO 26000
Interview mit Dr. Annette
Kleinfeld, Unternehmensethikerin und Beraterin
Interviewer: Carolin Sauerbier
Am 01. November 2010 erschien die ISO 26000, die Leitfadennorm zur gesellschaftlichen Verantwortung von Organisationen. Sie stellt einen freiwillig nutzbaren Standard dar,
der Organisationen dabei unterstützen soll, ihre spezifische
gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und ein klares Selbstverständnis bezüglich des eigenen Beitrags zur
nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft herauszubilden.
Um dem eigenen Anspruch an Legitimität und Gültigkeit gerecht zu werden, bedurfte es eines besonderen Entwicklungsprozesses der ISO 26000, der auch für die Internationale
Normungsorganisation ISO ein Novum darstellte. In insgesamt
acht international ausgerichteten Treffen waren über 400 Experten aus 99 Ländern an der Entwicklung der neuen Norm
beteiligt, wobei sowohl entwickelte als auch Entwicklungsländer zu gleichen Teilen involviert wurden. Nach sechsjährigem Verhandeln und gemeinsamer Teamarbeit wurde 2010
schließlich von 94% aller stimmberechtigten Gruppen für die
Veröffentlichung der finalen Version der ISO 26000 gestimmt. Dies stellt vor allem im Hinblick auf die Erfordernisse
der interkulturellen Verständigung ein beachtliches Ergebnis
dar. Ein Interview mit der Unternehmensethikerin und selbstständigen Unternehmensberaterin Dr. Annette Kleinfeld, die
als Expertin aktiv an der Gestaltung der Norm beteiligt war,
gibt Antworten darauf, mit welchen interkulturellen Herausforderungen und Kommunikationsproblemen die ISO 26000Arbeitsgruppe konfrontiert war und wie zu deren Lösung
beigetragen werden konnte.
Liebe Frau Dr. Kleinfeld, Kommunikations- und Verhandlungsschwierigkeiten werden im interkulturellen Kontext
noch salienter. Welche Probleme bzgl. der interkulturellen
Kommunikation traten aus Ihrer Sicht im ISO 26000Entwicklungsprozess auf?
Dr. Annette Kleinfeld: An erster Stelle natürlich ein sprachliches Problem: Die wenigsten der Teilnehmer konnten zu diesen zum Teil doch sehr sensiblen Themen in ihrer Muttersprache kommunizieren. Selbst wenn man gut und halbwegs fließend Englisch sprechen kann, fällt es deutlich schwerer, Nuancen oder Emotionen, die man mit der Muttersprache noch
eher transportieren könnte, unter Nutzung einer lingua franca wie Englisch dem Gegenüber zu vermitteln. Dabei spielten
nicht nur die reinen Sprachkenntnisse, sondern auch paraund nonverbale Dimensionen von Kommunikation eine Rolle.
Gemeint ist damit bspw. die Asymmetrie zwischen Muttersprachlern und Nicht-Muttersprachlern durch Tempo und Geschicklichkeit, in denen man die jeweiligen Argumente in die
Verhandlung oder in den inhaltlichen Dialog einbringen
konnte. Gerade für Vertreter aus weniger entwickelten Ländern, die bereits aus anderen Gründen Minderwertigkeitsge-
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Interview mit Dr. Annette Kleinfeld: Erfolgreiche interkulturelle Kommunikation am Beispiel der ISO
26000
fühle gegenüber den Vertretern von Industrieländern hatten,
war diese Situation sehr schwierig. Oft fehlte ihnen der Mut,
dem „geschliffenen“ Wortbeitrag eines Engländers oder USAmerikaners etwas entgegenzusetzen, auch wenn sie inhaltlich anderer Meinung waren. Die Moderatoren des Prozesses
haben diese Probleme aber zunehmend erkannt und zum einen durch die „Spielregeln“ der Dialoge um entsprechende
Rücksichtnahme gebeten, zum anderen sind sie Muttersprachlern ins Wort gefallen, wenn diese zu schnell und zu
undeutlich im Plenum zu sprechen begannen. In kleineren
Runden übernahmen oft auch andere Teilnehmer diese Rolle
und so begann sich im Laufe des Prozesses der Stil fast umzukehren: man hörte denjenigen besonders aufmerksam zu,
die offensichtlich nicht gut Englisch sprachen, signalisierte
häufig deutlich nonverbal, wenn man sie verstand und schuf
so zunehmend eine Atmosphäre des Vertrauens und des
Wohlwollens gegenüber denjenigen, die sprachlich nicht so
sicher waren. Muttersprachler hingegen, die sich besonders
häufig zu Wort meldeten, wurden mit nonverbal ausgedrückter Missbilligung „bestraft“, weil sie vermeintlich oder tatsächlich ihre sprachliche Überlegenheit ungebührlich ausnutzten.
Der zweite zentrale Problembereich betraf in der Tat die
interkulturell bedingten Sprech- und Verhandlungsgewohnheiten. Während insbesondere Vertreter westlicher Länder bei
ihren Diskussionsbeiträgen direkt zur Sache kamen und ihre
Position vorgetragen haben, haben Teilnehmer aus dem asiatischen Raum zunächst einmal ihren Respekt bekundet
gegenüber den anwesenden Vorsitzenden und Moderatoren
oder die bisherigen Ergebnisse des Prozesses – auch zum
jeweiligen Problem, um das es ging – anerkannt und gewürdigt. Das damit jeweils verbundene Resumée wurde von den
nicht interkulturell Vorgebildeten westlichen Teilnehmern als
„umständlich“ und „überflüssiges Geschwafel“ angesehen,
für andere hatte es den positiven Nebeneffekt, dem Dialog
auch bei sprachlicher Unsicherheit viel besser folgen zu können.
Ich sehe es inzwischen übrigens als Gerücht an, dass der direkte Sprachstil tatsächlich der effizientere ist: ein entscheidender Erfolgsfaktor bei der Verständigung auf gemeinsame
Antworten, Lösungen und Positionen war in diesem multikulturellen Prozess die zwischenmenschliche Ebene: Je besser
sich die Teilnehmer kennenlernten, je öfter man sich sah und
je intensiver man auch gemeinsam etwas jenseits der Arbeitseinheiten unternahm (neben Essen gehen vor allem Tanzen
oder gemeinsame sportliche Aktivitäten), desto leichter wurde es, sich auch bei „heiklen“ Themen oder (für eine der bei-
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Interview mit Dr. Annette Kleinfeld: Erfolgreiche interkulturelle Kommunikation am Beispiel der ISO
26000
den Parteien) schwierigen Positionen auf einer gemeinsamen
Ebene zu verständigen und zu einem Konsens zu gelangen.
Welche Maßnahmen können Sie außerdem konkret nennen,
die dazu beitrugen, interkulturelle Probleme zu beheben bzw.
zu mildern? Wie haben die Beteiligten zu einer effektiven und
erfolgreichen Gestaltung der interkulturellen Aushandlungen
beigetragen?
Dr. Annette Kleinfeld: Wichtig waren tatsächlich die gemeinsamen „Spielregeln“, die von der Sitzungsleitung bzw. der
ISO nach dem ersten großen internationalen Treffen aufgestellt wurden – darunter z.B. dass jeder langsam und klar
sprechen soll und dass jeder jederzeit nachfragen solle, wenn
ihm etwas unklar geblieben sei oder zu schnell ging. Letzteres
wurde naturgemäß von den Vertretern der eher „indirekten“
Kulturen nicht selbst aktiv genutzt – dafür entwickelten andere, auch Angehörige von Industrieländern selbst, ein Gespür
dafür und schalteten sich bei Bedarf – im Interesse ihrer
Nachbarn – ein. Auch dadurch wuchs die Vertrauensbasis untereinander kontinuierlich. Man spürte allgemein, dass es vielen nicht (mehr) darum ging, nur die jeweilige eigene Position
ohne Rücksicht auf Verluste und unter Nutzung aller, insbesondere sprachlicher Vorteile „durchzusetzen“, sondern dass
es darum ging, alle mitzunehmen, um zu einem echten Konsens zu gelangen.
Was sich ebenfalls als sehr wichtig und hilfreich für die inhaltliche Diskussion herausstellte, war der Umstand, dass ISONormen einen ausführlichen Teil mit Definitionen und Begriffsklärungen enthalten, um die ebenfalls gemeinsam gerungen wurde. Der Vorteil: es wurde im Anschluss nicht mehr
nur über Worte (oder deren richtige Übersetzung) verhandelt,
sondern über das, was damit im Dokument gemeint war. Dadurch konnte die Gruppe im zweiten Teil des Prozesses zumindest auf einer gemeinsamen, weil inhaltlich gemeinsam
festgelegten, Begriffswelt aufbauen.
Spannend zu beobachten war schließlich, dass und in welchem Maße alle „interkulturell“ dazulernten: Manche Rituale,
wie der Dank an den Vorsitzenden, bevor man zu sprechen
begann, wurden auch von anderen Teilnehmern übernommen, während bei den Asiaten in der Endphase die Kommentare immer direkter wurden.
Die Meisterleistung interkultureller Verständigung im Rahmen
dieses Prozesses lässt sich an zwei herausragenden Ergebnissen festmachen: Es gelang der Gruppe bei zwei sehr schwierigen Partnern, die noch in der vorletzten Abstimmungsrunde
mit ganz spezifischen Argumenten gegen die Annahme des
Entwurfs gestimmt hatten, die Ablehnung in Zustimmung zu
wandeln: bei China und bei den arabischen Ländern.
119
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Interview mit Dr. Annette Kleinfeld: Erfolgreiche interkulturelle Kommunikation am Beispiel der ISO
26000
Welcher Prozess führte Ihrer Meinung nach zu diesem Ergebnis?
Dr. Annette Kleinfeld: In beiden Fällen waren kleinere Unterarbeitsgruppen gebildet worden, die über mehrere Tage hinweg mit den Ländern über ihre Bedenken sprachen. Als
Schlüsselelement wirkte meiner Meinung nach hier die Tatsache, dass sich die unterschiedlichen Parteien einmal in einem
geschützten Rahmen in kleinem Kreis gegenübertraten, wobei nicht über die Einwände Chinas oder der arabischen Länder gelacht oder darüber hinweggegangen wurde. Ganz im
Gegenteil: die Einwände wurden ernst genommen und man
versuchte, Verständnis dafür zu entwickeln. Dadurch wurde
die Kompromissbereitschaft der westlichen Seite erkennbar,
was wiederum die Kompromissfähigkeit der arabischen Länder bzw. Chinas stärkte und außerdem die Kommunikation
auf eine zwischenmenschliche, vertrauenswürdige Ebene
hob. Gleichzeitig war auch interkulturelles Verständnis der
asiatischen Kultur in diesem Zusammenhang bedeutsam. Uns
war bewusst, dass die chinesischen Beteiligten zu Hause „ihr
Gesicht“ zu wahren hatten. Wir mussten ihnen mit Verhandlungen, Kompromissen und Teil-Zugeständnissen entgegenkommen, wovon sie dann in der Heimat mit gestärktem
Selbstvertrauen berichten konnten. Abgesehen davon, dass
es gelang, ihnen inhaltlich ein kleines Stück entgegenzukommen, konnte meines Erachtens diese besondere Form der
Zuwendung und die intensive Auseinandersetzung der übrigen Ländervertreter mit ihren Anliegen eine wichtige Vertrauensbasis schaffen, was schließlich den Ausschlag für die
Einigung gab!
Würden Sie sagen, dass es sich beim Entwicklungsprozess der
ISO 26000 eher um interkulturelle Verhandlungen oder um
interkulturelle Teamarbeit handelte?
Dr. Annette Kleinfeld: Teils/teils. Vor allem anfangs oder in
Situationen mit großer Uneinigkeit handelte es sich eher um
Verhandlungsprozesse, in denen nicht nur die unterschiedlichen Stakeholder-Interessen, sondern auch die divergierenden Interessen der Länder durchzusetzen waren. Hingegen
ermöglichte die über einen längeren Zeitraum andauernde
Arbeit in kleineren Gruppen tatsächlich das Entstehen von
Teamarbeit. Dabei standen nicht mehr die unterschiedlichen
zu vertretenden Interessen im Vordergrund, sondern es galt,
Kompromisse zu finden und ein gemeinsames Ziel zu erreichen, bei dem alle gewinnen konnten. Interessant zu beobachten war dabei, dass Zugeständnisse, die im kleineren
Rahmen von vorher führenden gegnerischen Stimmen gemacht wurden, später auch tatsächlich in der großen Gruppe
Bestand hatten. Dort wurden die Meinungen entweder – sofern möglich – vorsichtig diplomatisch in Richtung des Kon-
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Interview mit Dr. Annette Kleinfeld: Erfolgreiche interkulturelle Kommunikation am Beispiel der ISO
26000
senses angepasst, oder die vorher gegnerischen Stimmen übten sich in Zurückhaltung.
Ist die gemeinsame Arbeit und interkulturelle Kommunikation
mit Veröffentlichung der ISO 26000 abgeschlossen oder bleiben weiterhin Verbindungen bestehen?
Dr. Annette Kleinfeld: Natürlich werden Bemühungen unternommen, den Kontakt zueinander aufrecht zu erhalten. Ganz
explizit geschieht dies bspw. über Diskussionsplattformen im
Internet. Diese werden nicht von allen mit derselben Intensität genutzt, sind aber besonders hilfreich, wenn es um den
Erfahrungsaustausch geht, wie die neue Norm in den jeweiligen Ländern angenommen wird. Es ist aber klar zu erkennen,
dass das gemeinsame Ziel – einen international gültigen und
anerkannten Leitfaden zu gesellschaftlicher Verantwortung
von Organisationen zu schaffen – erreicht wurde. Damit entfallen der gemeinsame Arbeitsauftrag und die direkte Zusammenarbeit. Nun arbeiten die Beteiligten selbständig im
jeweils eigenen Land daran, der ISO 26000 die gebührende
Aufmerksamkeit zu verschaffen, was zeitliche Ressourcen beansprucht und die Intensität des Kontaktes deutlich verringert. Natürlich bleiben Bekanntschaften bzw. Freundschaften
bestehen und man setzt bspw. gerade in Zeiten solch
schrecklicher Ereignisse wie aktuell in Japan sämtliche Hebel
in Bewegung, um herauszufinden, ob es den ISO-Beteiligten
aus Japan gut geht. Dadurch, dass so viele Kulturen an der
Entwicklung der ISO26000 beteiligt waren und auch die Treffen international ausgerichtet wurden, ist die Welt ein Stückchen persönlicher geworden und mehr zusammengewachsen.
Für 2013 ist die Überarbeitung der ISO 26000 angedacht und
ich bin mir sicher, dass wir dort schnell wieder dort anknüpfen können, wo wir beim letzten gemeinsamen Treffen in
Kopenhagen aufgehört haben.
Welchen Ratschlag würden Sie jemandem mit auf den Weg
geben, der sich mit interkulturellem Teambuilding beschäftigt? Was sollte man tun? Wovon würden Sie abraten?
Dr. Annette Kleinfeld: Die goldene Regel „Was du nicht
willst, das man dir tu, das füg’ auch keinem andern zu.“ gilt
natürlich auch in interkulturellen Teamsettings und spielt
meiner Meinung nach eine bedeutende Rolle. Ich würde Muttersprachler davor warnen, ihren sprachlichen Vorteil auszunutzen und ihre damit verbundene Überlegenheit auszuspielen, um die eigenen Interessen durchzusetzen. Damit stößt
man höchstens auf Ablehnung und Allianzen auf der Gegenseite. Ganz klar vorteilhaft ist es hingegen, sich während der
Zusammenarbeit und auch schon vorher interkulturelles Wissen anzueignen, die eigene „interkulturelle Sensibilität“ zu
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Interview mit Dr. Annette Kleinfeld: Erfolgreiche interkulturelle Kommunikation am Beispiel der ISO
26000
stärken und sich in der Fähigkeit des Perspektivenwechsels zu
üben. Dazu helfen ganz grundsätzliche Überlegungen wie
„Welchen Hintergrund bringt diese Person mit? Wie würde
ich in der Situation unter den gegebenen Umständen reagieren?“ etc. Außerdem kann ich nur empfehlen, sich in seiner
eigenen Person einmal etwas zurückzunehmen und auf das
Neue und das Fremde einzulassen. Das erste Treffen 2005 in
Salvador, Brasilien war vor allem auch von gemeinsamen Freizeitaktivitäten geprägt und aus Sicht vieler beteiligter Deutscher völlig unproduktiv, da kein inhaltlicher Fortschritt zu
erkennen war. Meiner Meinung nach kommt diesem Treffen
jedoch eine große Bedeutung zu, da hier erste Netzwerke
und ein Gemeinschaftsgefühl entstanden sind. Man näherte
sich auch auf zwischenmenschlicher Basis an, wodurch Vertrauen geschaffen werden konnte und damit der Grundstein
gelegt wurde für die anschließend so erfolgreiche und zufriedenstellende interkulturelle Zusammenarbeit.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Dr. Kleinfeld.
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van de Kamp: „Werbegeschichte als Kulturgeschichte. Spanien 1940 – 1989“ von Francisco
Javier Montiel Alafont
„Werbegeschichte als
Kulturgeschichte. Spanien 1949 – 1989“ von
Francisco Javier Montiel
Alafont
Tatjana van de Kamp
Studium der Betriebswirtschaft
und Organisationspsychologie,
arbeitet als interkulturelle
Trainerin
Rezension
Francisco Javier Montiel Alafonts „Kulturgeschichte als Werbegeschichte“ basiert auf seiner 2007 bei der FriedrichSchiller Universität Jena im Fachbereich Interkulturelle Wirtschaftskommunikation zugelassenen Dissertation.
Dem Autor geht es in dieser Untersuchung um eine Widerspiegelung der spanischen Gesellschaft durch die Werbung,
aber auch darum, für verschiedene Zeitabschnitte die Wechselwirkung zwischen der Weltanschauung der Spanier und
dem jeweiligen kommunikativen Stil zu analysieren und zu
interpretieren. Der Erkenntnisgewinn liegt darin, die Entwicklung eines spezifischen spanischen kulturellen Stils nachvollziehbar zu machen. Dazu bedient sich der Autor eines interdisziplinären Ansatzes aus Werbeforschung, Geschichte, Medientheorie, Kunst, Soziologie, Linguistik, Semiotik, Kommunikation, Literatur und Psychologie.
Nach der Einleitung gibt Kapitel 2 einen historisch vergleichenden Überblick über die bisherige Werbeforschung Spaniens. In Kapitel 3 werden Analysemodell und -methoden vorgestellt, anhand derer in dem umfangreichen Kapitel 4 die
Entwicklung der spanischen Werbekommunikation mit ihren
vorherrschenden Themen zwischen 1949 bis 1989 in Zeitabschnitten beschrieben, analysiert und soziokulturell interpretiert wird. Kapitel 5 schließt mit einem Ausblick und einer zusammenfassenden Ergebnistabelle.
Die qualitative Untersuchung der spanischen Printwerbung
basiert auf dem Korpus “Hundert Jahre Werbung zwischen
1
1899 und 1999“ mit 4500 Anzeigen aus verschiedenen Epochen, Wirtschaftsaktivitäten und Produktkategorien. Anzeigen aus vier Zeitabschnitten - Primera Posguerra (erste Nachkriegszeit, 1940-1948), Recuperación (die Jahre des Nachholens, 1950-1959), Desarrollismo (Industrialisierung und
Herausbildung einer Zivilgesellschaft, 1960-1975) und
Transición (Übergang zur Demokratie, 1976-1989) - werden
methodisch in vier Kommunikationsebenen verbal, nonverbal,
paraverbal und extraverbal miteinander verglichen und auf
Sinnzusammenhänge hin untersucht. Dabei bezieht sich verbal auf lexikalische, syntaktische und rhetorisch-stilistische
Vertextungsmittel und die Satzfolge. Nonverbal umfasst Bilder, Zeichnungen, Diagramme sowie Format, Farben und
Layout. Paraverbal steht für Schreibweise, Typographie, Interpunktion, Zwischenräume und Aufteilung. In der extraverbalen Analyse werden Medienart, Erscheinungsbedingungen,
Beziehungen zwischen Produzent und Zielgruppe sowie die
Umweltbedingungen beleuchtet. Die Analyseebenen stehen
in Wechselwirkung zueinander aber auch zum historischen
und gesellschaftlichen Kontext. Verglichen wird diachronisch123
© Interculture Journal 2011 | 13
van de Kamp: „Werbegeschichte als Kulturgeschichte. Spanien 1940–1989“ von Francisco Javier
Montiel Alafont
kulturhistorisch sowie synchronisch durch eine Überprüfung
der Rekursivität der Befunde mit anderen Kommunikationsprodukten. Die Vorgehensweise ist heuristisch und basiert auf
Vorannahmen, die im Laufe des Analyseprozesses hinterfragt
und gegebenenfalls angepasst werden (hermeneutische Spirale). Dabei werden idealtypische Werbeanzeigen analysiert
und die abgeleiteten Hypothesen mit Anzeigen ähnlichen Stils
quantitativ auf Plausibilität geprüft.
Die Ergebnisdarstellung beginnt für jede Phase mit dem historischen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kontext.
Es folgen die Hauptthemen der Werbung, der Häufigkeit ihres Auftretens sowie verschiedene gesellschaftliche Strömungen mit Beispielen typischer Anzeigen aus dem Korpus. Abschließend wird ein Bezug zu Kunst, Architektur, Dichtung,
Musik oder Film der Periode hergestellt.
Die Primera posguerra, die Nachkriegsperiode, ist gekennzeichnet von Angebotsmangel, geringer Kaufkraft und mangelnder Qualität, diktatorischer Repression sowie dem Fehlen
eines gesellschaftlich akzeptierbaren Eigenbildes. Daraus folgt
eine „Kultur des Schweigens“, in der das Unaussprechbare
aus der Kommunikation ausgelassen wird. In dieser Phase
fallen vier verschiedene Strömungen auf:
•
Inanidad (Nichtigkeit, Leere) sucht nach politischer Ideologie- und Sinnfreiheit. Im Anbietermarkt steht das Produkt im Vordergrund, die Kommunikation ist minimalistisch mit Ausdrucksformen der Vergangenheit und der
melancholischen Nostalgie.
•
Huida de la realidad (Flucht vor der Wirklichkeit oder
Recht auf Vergessen) ist das dominante Modell dieser Periode mit einerseits nationalistischer Nähe zu den offiziellen Prinzipien des Regimes aber auch Flucht in familiäre
und religiöse Werte oder „heile“ Vergangenheit und Tradition, Eleganz sowie Distinktion. In der Werbung sehen
wir viel schwarz-weiß stilisierte Zeichnungen, oft mit idealisierten Familienmotiven.
•
Pesimismo estilizado (Stilisierung des Pessimismus oder
Problematisierung der Existenz) mit den Themen Leiden,
Gewalt und Krieg, die in der Weltanschauung und im
damaligen Alltag eine gewisse Normalität gewannen und
in der Werbung eine Entsprechung in leidenschaftsloser,
distanzierter Darstellung finden.
•
Reconstrucción de la razón (Rekonstruktion der Vernunft
oder Erschaffung eines rationalen Eigenbildes). Die Werbung wird subjektiver und argumentativer, verwendet
auch Fremdwörter und englische Wendungen und wirkt
künstlich fröhlich.
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van de Kamp: „Werbegeschichte als Kulturgeschichte. Spanien 1940 – 1989“ von Francisco
Javier Montiel Alafont
In der Recuperación, dem Nachholen in den 50er Jahren, erkennt Montiel Alafont hinter der Stabilisierung des Franco
Regimes bereits erste Phänomene der Moderne und sogar
Postmoderne zusammen mit dem Aufkommen eines pragmatischen, technokratischen, politischen Handelns und langsamen Beginns eines wirtschaftlichen Reformkurses. In der
Werbung fanden sich deshalb auch die Themen Progressismus, Optimismus, Pessimismus und Konservativismus nebeneinander, und schlugen sich in verschiedenen Werbemodellen
nieder:
•
Der Continuismo (oder der ‚Zwang zur Unkenntnis’) versucht, quasi in Nachfolge der ‚Flucht vor der Wirklichkeit’,
mit einfacher Rhetorik, gehobenem Wortschatz und Betonung von Familie und Nationalismus Konflikte und
Probleme zu verdrängen oder zu vermeiden.
•
Búsqueda de normalidad (Sehnsucht nach Normalität),
das Bedürfnis nach Eingliederung in die abendländische
Moderne bringt das dialektische Spannungsfeld zwischen
Wunsch und Wirklichkeit zum Ausdruck und verdrängt im
Laufe der 50er Jahre den Continuismo. Die Werbung wird
argumentativer, die Abbildungen moderner.
•
Realismo pesimista (pessimistischer Realismus oder Ursprung der Dissidenz) bereitet langsam der kritischen
Analyse und späterem Widerstand einer zivilgesellschaftlichen Macht gegen das Regime den Boden. In der Werbung finden sich argumentative bis kämpferische Strukturen mit sachlicher Information, unterstrichen durch verneinende Aufforderungen und ironischen Humor.
Desarrollismo (wirtschaftlicher Aufschwung), die ‚glücklichen
Sechziger’, bezeichnen eine Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs, einer wachsenden Mittelschicht mit Steigerung
des Wohlstands und Konsums ohne politische Erneuerung.
Freiheit, Respekt und Toleranz beginnen die traditionellen
und nationalistischen Werte zu ersetzen und Raum zu schaffen für persönliche Selbstverwirklichung. Auch hier finden
sich verschiedene Modelle:
•
Libertad acrítica por el consumo oder Konsum als Ersatz
für politische Freiheit mit zunehmender sprachlicher Ästhetik und klaren Strukturen, Sachlichkeit, Rationalität
und wenig Humor: Werte wie Authentizität, Wahrheit
und Reinheit werden betont.
•
Subversión del bienestar (Subversion des Wohlstandes
oder Rehumanisierung des Alltags): Zunehmender Individualismus und Selbstbehauptung werden angesprochen
durch argumentative Texte mit bewertenden Aussagen im
PopArt Stil. Die vermeintliche Wirklichkeit wird mittels
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van de Kamp: „Werbegeschichte als Kulturgeschichte. Spanien 1940–1989“ von Francisco Javier
Montiel Alafont
Widersprüche und Zweideutigkeiten in Frage gestellt.
Werte wie Freiheit und Selbstbehauptung rücken in den
Vordergrund.
•
Libertad reflexiva para dissentir (kritische Auseinandersetzung mit der Realität) verdeutlicht den Konflikt zwischen
dem Vermächtnis der Vergangenheit und der Identität der
Gegenwart. Es machen sich Zweifel, Skeptizismus und
Ungewissheit breit, zusammen mit einem gefühlten
Zwang, lernen zu müssen, mit der Vergangenheit umzugehen, erwachsen zu werden, Entscheidungen zu treffen
und Initiative zu ergreifen. Die Werbung enthält provokative Aufforderungen zur Selbstreflexion und zum Handeln, unter Verwendung von Paradoxien, Mehrdeutigkeiten, Emotionen und skeptischem Humor.
Die Transición (Übergang zu Demokratie und Postmoderne)
beginnt mit Francos Tod und der verfassungsmäßigen Etablierung der Grundwerte Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und
Pluralität als Basis des neuen Zusammenlebens, brachte aber
auch Schwarzmarkt, Korruption und Vetternwirtschaft mit
sich. Ein Hauptthema dieser Zeit ist die Integration solcher
Gegensätze.
•
Desencanto (Enttäuschung und Identitätskrise oder ‚weiche’ Postmoderne) bezeichnet die Phase des Umbruchs
ohne einen klar vollzogenen Bruch mit dem Franquismo.
Damit ist sie auch eine Phase der Orientierungslosigkeit
und der Suche einer neuen Identität in einer entfremdeten Gegenwart, deren Spielregeln noch nicht erkennbar
sind. In der Werbung finden sich umgangssprachliche,
lautmalerische und affektive Elemente der
Unkonventionalität, Vitalität, Provokation, Maßlosigkeit
sowie Skepsis und Enttäuschung, in die sich aber auch
Sehnsüchte nach Werten wie Freiheit, Erotik, Hedonismus, Fortschritt und Authentizität mischen.
•
Nueva subjectividad oder die Verarbeitung des Verlustes
der Unschuld beschreibt Montiel Alafont als ‚harte’ Postmoderne, gleichsam als Weiterentwicklung des
Desencanto mit höherer Reflexivität, breiterer Erfahrung
und kritischem Pragmatismus, der sich in Doppeldeutigkeiten und Antithesen widerspiegelt. Affektive Elemente
werden rationaler. Provokation und Respektlosigkeit weichen der Distanz, Subjektivität, Ernüchterung sowie einer
‚Entdramatisierung’ des Alltags.
Montiel Alafont kontrastiert mit der Werbegeschichte nicht
nur historisch-politische Zeitabschnitte miteinander, sondern
auch verschiedene, parallel existierende Lebenswelten innerhalb der Perioden. Beispiele aus Literatur, Film, Musik und
Kunst ergänzen das kulturgeschichtliche Bild.
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van de Kamp: „Werbegeschichte als Kulturgeschichte. Spanien 1940 – 1989“ von Francisco
Javier Montiel Alafont
Betriebswirtschaftliche und Marketingaspekte klingen an, einen Vergleich mit der Werbung in anderen Ländern macht
das Buch nicht. Interkulturelle Forschungsansätze finden sich
ergänzend in de Mooi 2005, wo auch die Thematik der Konvergenz und Divergenz von Werten und globaler Werbestrategie diskutiert wird. Montiel Alafont belegt die Bedeutung
der lokalen Werbestrategie sehr überzeugend aus einer kulturgeschichtlichen Perspektive.
Das Buch ist eine wissenschaftliche Arbeit und sprachlich in
großen Teilen nüchtern und wissenschaftlich gehalten. Doch
das empirische vierte Kapitel ist für den an Spaniens Kulturgeschichte und Werbekommunikation interessierten Leser
flüssiger und spannender zu lesen als der theoretische Einstieg. Zur selektiven Lektüre seien deshalb die Kapitel 3.3
(Analysemethoden) und 4 (Anwendung des Analysemodells)
empfohlen.
Hilfreich ist auch der tabellarische Überblick über die einzelnen Perioden, Werbemodelle und Analyseebenen. Leider fehlt
jedoch ein Stichwort- und Namensregister, um Fachbegriffe,
Abkürzungen oder spanische Bezeichnungen nachzuschlagen. Fachbegriffe und Zitate im spanischen Original werden
für des Spanischen unkundige Leser nur teilweise übersetzt
oder erläutert.
Montiel Alafont, Francisco Javier (2010): Werbegeschichte als
Kulturgeschichte. Spanien 1940–1989. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag. 440 Seiten, Preis: 49,00 Euro, ISBN: 978-386583-344-0.
Literatur
De Mooij, M. (2005): Global Marketing and Advertising. Understanding
Cultural Paradoxes. Thousand Oaks (CA): Sage Publications Ltd.
Raventos, J.M. (Hrsg.) (2000): Cien años de publicidad española (18991999). Barcelona: Mediteránea Books.
1
Eine digitale Version der Abbildungen des Korpus‘ findet
sich im Internet auf der Website des Instituto Cervantes:
MUVAP (Museo Virtual de Arte Publicitario), URL:
http://cvc.cervantes.es/artes/muvap/sala1/default.htm [Zugriff
am 09.03.2011].
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van de Kamp: „Cultural Intelligence“ von Hanne Seelmann-Holzmann: Die Erfolgsformel für
Wachstum in einer multipolaren Wirtschaftswelt
„Cultural Intelligence“
von Hanne SeelmannHolzmann: Die Erfolgsformel für Wachstum in
einer multipolaren Wirtschaftswelt
Tatjana van de Kamp
Diplom-Kauffrau und Master of
Organisational Psychology; tätig
als interkulturelle Trainerin
Rezension
„Bei Sturm bauen die einen Mauern und die anderen Windräder“, schreibt die promovierte Soziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Hanne Seelmann-Holzmann in der Einleitung ihres neuen Buches „Cultural Intelligence“. Die Asienexpertin betreibt eine Unternehmensberatung für Asiengeschäfte und ist auch die Autorin des China Ratgebers „Der
rote Drache ist kein Schmusetier“.
Den zitierten Sturm beschreibt die Autorin in den ersten beiden Kapiteln ihres Buches fundiert und mit Beispielen aus ihrer Beratungspraxis. Die Kräfteverhältnisse innerhalb der globalen Wirtschaft sortieren sich neu und die neuen Spieler aus
Asien, Afrika und Südamerika wehren mit wachsendem
Selbstbewusstsein kulturelle, ökonomische und politische
Dominanzansprüche der westlichen Welt ab. Ihr primäres Interesse gilt der raschen Entwicklung ihrer Volkswirtschaften.
In diesem Kontext tun sich westliche Unternehmen oft
schwer, ihre Unternehmenswerte und Richtlinien auf ausländische Unternehmensteile zu übertragen und die richtige Balance zwischen Geschäftserfolg und Compliance Management zu finden.
Hanne Seelmann appelliert, einerseits kulturelle Unterschiede
nicht zu dämonisieren, andererseits aber auch nicht in die
„Ähnlichkeitsfalle“ zu laufen. Der äußere Anschein, wie zum
Beispiel westliche Kleidung, Geschäftsgebaren, fließend Englisch oder Deutsch sprechende Asiaten, wiegen uns allzu oft
in der Illusion des Globalen Dorfes, in dem die Asiaten doch
schon sehr westlich oder deutsch geworden seien. Dies ist
aber nicht der Fall, wie die Autorin am Beispiel des „ChinaKlassikers“ eindrucksvoll beschreibt. Der perfekt deutsch
sprechende chinesische Manager im Business Anzug ist immer noch Chinese – und handelt auch so.
Ein weiteres Phänomen, welches das Verständnis von Unterschieden erschwert, sieht die Autorin in der „pluralistischen
Ignoranz“. Durch die Angst der einzelnen Akteure, ihre kulturellen Irritationen, Verunsicherungen oder Kulturschockerlebnisse könnten sich als persönliches Defizit herausstellen da die anderen ja auch nicht über solche Probleme sprechen bleiben viele kulturelle Missverständnisse und Konflikte unausgesprochen und werden verdrängt anstatt konstruktiv
adressiert.
Im zweiten Teil ihres Buches präsentiert die Autorin ihr eigenes Konzept der „Cultural Intelligence“ als Schlüssel für den
Bau der Windräder im globalen Sturm. „Cultural Intelligence“
heißt für sie „eigene und fremde kulturelle Prägungen kennen und zum Zweck des Erfolges für die Zusammenarbeit in
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van de Kamp: „Cultural Intelligence“ von Hanne Seelmann-Holzmann: Die Erfolgsformel für
Wachstum in einer multipolaren Wirtschaftswelt
der Globalisierung nutzen“ (Seelmann-Holzmann 2010:78)
und ruht auf drei Säulen: Cultural Codes, Intercultural Competence und Cultural Diversity.
Mit Cultural Codes erwerben wir Kenntnis und Bewusstsein
über unsere eigenen ebenso wie über die fremdkulturellen
Denkweisen, Werte und Normen: in Form von „Know How“,
Verhaltensweisen und Etikette, aber auch in Form von „Know
Why“, der kulturellen Hintergründe und historisch-philosophisch-religiösen Erklärungsmöglichkeiten.
Auf der Stufe der Cultural Competence wird das theoretische
Wissen in Handlungswissen überführt. Hier wird auch die
emotionale und affektive Dimension erreicht, die oft nicht
thematisiert wird und doch leicht zu einem lähmenden Kulturschock führen kann. Die Betroffenen müssen lernen, Stress
auszuhalten sowie Geduld, Ambiguitätstoleranz und
Empathievermögen zu entwickeln und dabei aufgeschlossen
für Neues zu bleiben. Coaching kann die Kompetenzentwicklung sinnvoll unterstützen und vor negativen Folgen des Kulturschocks schützen.
Die dritte Säule, das Diversity Management, beruht auf der
Nutzung des Potentials und der Chancen, die in der Vielfalt
stecken, getreu der Einsicht „Vielfalt schlägt Einfalt“. Die Autorin demonstriert dies an mehreren Beispielen aus der Praxis
und skizziert die Anforderungen an das Management und
Coaching multikultureller Teams.
Hanne Seelmann versteht Cultural Intelligence als ganzheitliches und pro-aktives Steuerungs- und Führungsinstrument,
das zu einem kontinuierlichen Bestandteil der Personal- und
Organisationsentwicklung werden sollte. Das Kapitel Fitness
Check zeigt, mit welchen Fragen einzelne Unternehmensbereiche in einer Soll-Ist-Analyse auf ihre kulturelle Zukunftstauglichkeit hin geprüft werden können, um den Handlungsbedarf für den jeweiligen Bereich zu erkennen.
Dabei fordert die Autorin auch eine ehrliche und aktive Auseinandersetzung mit der Unternehmenskultur, die im unvereinbaren Konflikt mit der Fremdkultur stehen kann, wo vielleicht ohne Risikoprämie oder Aufwandsentschädigung an
Geschäftspartnerschaft nicht zu denken ist oder die Alternativen zur Kinderarbeit Hunger, Prostitution oder Kriminalität
sind.
Im letzten Kapitel geht die Autorin der Frage nach, wer die
Weltgemeinschaft in Zukunft führen wird und beleuchtet die
Stärken und Schwächen sowohl des Westens als auch des
Fernen Ostens. Dabei greift sie auch auf Argumentationselemente aus Huntingtons (1996) „Kampf der Kulturen“ und
auf Ergebnisse der Gehirnforschung zurück.
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van de Kamp: „Cultural Intelligence“ von Hanne Seelmann-Holzmann: Die Erfolgsformel für
Wachstum in einer multipolaren Wirtschaftswelt
Im Idealfall kann sie sich ein kulturhybrides Denken vorstellen,
in dem beide Seiten erkennen, was sie von einander lernen
oder wie sie sich gewinnbringend ergänzen können. An den
Westen richtet sie die Warnung: „wir laufen Gefahr, unseren
Vorsprung zu verlieren, wenn es uns nicht gelingt, die Leistungsbereitschaft an Schulen und Hochschulen zu erhöhen“
(Seelmann-Holzmann 2010:198).
Die Autorin endet mit einem vertiefenden „Know Why“Vergleich der geisteswissenschaftlichen Wurzeln und Denkstrukturen Asiens und des Westens.
Das Konzept der Cultural Intelligence wurde bereits in einigen
Veröffentlichungen thematisiert (z.B. Earley / Ang 2003,
Thomas / Inkson 2004, Plum 2008). Hanne Seelmanns Instrument unterscheidet sich von den vorgenannten vor allem
dadurch, dass sie die kulturelle Fitness auf das ganze Unternehmen einschließlich der Unternehmenskultur ausweitet
und Wertekonflikte zwischen den Kulturen beleuchtet. Sie
macht deutlich, dass es nicht ausreicht, die Menschen an der
Front fit zu machen, wenn die Unternehmenswerte nicht dazu passen. Denn damit wird riskiert, dass sich die entsandten
Manager zwischen zwei Fronten aufreiben: dem firmeninternen Compliance- und Erfolgsdruck einerseits und den fremdkulturellen Marktregeln und Geschäftspraktiken andererseits,
ein Drahtseilakt, in dem weder das Individuum noch das Unternehmen langfristig erfolgreich sein können.
Das Buch besticht durch eine profunde Asienkenntnis, die der
Titel so nicht vermuten lässt. Es ist aber dennoch für alle international operierenden Manager und Expatriates interessant, selbst wenn ihr Ziel nicht Asien ist. Für Chinaengagierte
lohnt sich ergänzend auch „Der rote Drache ist kein Schmusetier“ mit weiteren Fallstudien, Fallsstricken und Lernerfahrungen unterschiedlicher deutscher Betriebe in China.
Auch für Berater, Coaches und Trainer ist es eine gewinnbringende Lektüre, die im Fitness Check viele gute Fragen an
Unternehmen und einzelne Funktionsbereiche liefert. Fragen
dieser Art können den Businessteil interkultureller Trainings
sehr bereichern, denn es geht nicht nur um Erkenntnis und
Anpassung, sondern auch um die pro-aktive und langfristige
Gestaltung der Geschäftsbeziehungen. Um mit gestalten zu
können, müssen das Unternehmen und seine Vertreter allerdings die kulturelle Sprache des jeweiligen Landes verstehen
und sprechen können.
Eine konkrete Anleitung hierzu kann das Buch jedoch nur bedingt sein, denn jedes Auslandsengagement in einer fremden
Kultur ist auch ein Stück Pionierarbeit, das geleistet werden
muss.
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van de Kamp: „Cultural Intelligence“ von Hanne Seelmann-Holzmann: Die Erfolgsformel für
Wachstum in einer multipolaren Wirtschaftswelt
Die Autorin schreibt sehr flüssig und nutzt zahlreiche Beispiele aus der unternehmerischen Praxis sowie anschauliche Metaphern und Bilder, um komplexe Zusammenhänge zu verdeutlichen. So ist das Buch trotz des komplexen Themas und
seiner kultur-psychologischen Tiefe auch unterhaltsam zu lesen.
Seelmann-Holzmann, Hanne (2010): Cultural Intelligence. Die
Erfolgsformel für Wachstum in einer multipolaren Wirtschaftswelt. Wiesbaden: Gabler. 256 Seiten, Preis: 36,95 Euro, ISBN: 978-3-8349-2168-0.
Literatur
Earley, P.C. / Ang, S. (2003): Cultural Intelligence: Individual Interactions
across Cultures. Stanford (CA): Standford University Press.
Huntington, S.P. (1996): Der Kampf der Kulturen. München: Europa Verlag
Plum, E. (2008): Cultural Intelligence. The Art of Leading Cultural Complexity. London: Middlesex University Press.
Seelmann-Holzmann, H. (2006): Der rote Drache ist kein Schmusetier. Strategien für langfristigen Erfolg in China. Heidelberg: Redline Wirtschaft.
Thomas, D.C. / Inkson, K. (2004) Cultural Intelligence. San Francisco: Berrett Koehler Publishers.
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Boll: „Leben und Arbeiten in Indien“ von Vinita Balasubramanian und Antje Fürth
„Leben und Arbeiten in
Indien“ von Vinita
Balasubramanian und
Antje Fürth
Klaus Boll
Dr., Abteilungsleiter in der Zentralstelle Organisational Development bei Robert Bosch GmbH,
verantwortlich für das Feld "International Organisational Development"
Rezension
Die inhaltlichen Schwerpunkte dieses ersten wirklich umfassenden und aktuellen Buchs über Leben und Arbeiten im Indien des 21. Jahrhunderts sind Religion und Tradition,
Deutschlandbild und Indienbild, zentrale Kulturstandards,
Wissen und Bildung, Arbeitsmarkt und Arbeitskultur, Alltag,
generelle Verhaltensregeln und Fettnäpfchen sowie das Leben in Indien als Expat.
Das Autorinnen-Duo zu dieser Fragestellung erscheint geradezu ideal: einmal deutscher, einmal indischer Hintergrund,
beides mal seit Jahren als interkulturelle Trainerinnen in der
Praxis arbeitend, einmal mit Ethnologie-Studium.
Das kompakte Buch vermittelt Tipps und stellt Fragen an den
Indien-Reisenden, es schafft Neugierde auf die zahllosen Facetten der Kultur Indiens, es macht keine Angst davor (wie
einzelne interkulturelle Trainingsinstitute dies tun). Die knapp
200 Seiten sind gut lesbar, eben nicht zu wissenschaftlich
formuliert. Die Fotos erscheinen mir als „alter Indien-Fahrer“
gut ausgewählt.
Im Kapitel „Was denken Inder und Deutsche übereinander
und über sich selbst?“ skizzieren die beiden Autorinnen das
herrschende Deutschlandbild in Indien und das Indienbild in
Deutschland, erklären und hinterfragen diese. Hier zeigt sich
– wie generell – wie sehr empfehlenswert dieses Buch ist, um
interkulturelle Missverständnisse zu vermeiden und Kontakt
zu Indern zu starten bzw. zu vertiefen.
Acht zentrale Kulturstandards und Verhaltensmuster werden
erklärt, im Kontext dargestellt, nachvollziehbar gemacht und
– wenn möglich – historisch hergeleitet.
Immer wieder zeigen die Autorinnen auf: Dieses Buch kann
nur eine Momentaufnahme sein, Kultur ändert sich stetig,
Kulturwandel ist das Schlüsselwort.
Dem Thema Religion und Tradition sind zu Beginn gleich 20
Seiten gewidmet, da Religion in Indien eine ganz wichtige
Rolle spielt, nicht nur in der Privatsphäre, auch im Arbeitsleben. Ich selbst habe vielerorts gut besuchte Götterskulpturen
mit Opfergefäßen in Fabriken gesehen.
Dieses Buch ist sicherlich hervorragend für Indienreisende,
doch auch für Menschen, die mit indischen Geschäftsleuten
und/oder Kollegen (beruflich) kooperieren, ohne das Land mit
eigenen Augen zu kennen. Im abschließenden Kapitel „Das
Leben als Expat“ thematisieren Vinita Balasubramanian und
Antje Fürth zentrale Fragen vieler Expats in diesem Subkontinent: die eigene Einstellung (zum Land, zur Kultur), Familie
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Boll: „Leben und Arbeiten in Indien“ von Vinita Balasubramanian und Antje Fürth
und Partner/in, Privatsphäre, Dienstpersonal, Armut, Kriminalität und den (fast) unvermeidlichen Kulturschock.
Balasubramanian, Vinita / Fürth, Antje (2010): Leben und arbeiten in Indien. Was Sie über Land und Leute wissen sollten.
Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht. 90 Seiten, Preis: 17,95
Euro, ISBN 978-3-525-40354-9.
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