Entscheidung des „Bundesausschusses der Ärzte und

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Entscheidung des „Bundesausschusses der Ärzte und
Entscheidung des „Bundesausschusses der Ärzte und
Krankenkassen“ schränkt die Zuzahlungsbefreiung für chronisch
Kranke massiv ein
Am 1.1.2004 treten mit dem GKV-Modernisierungsgesetz drastische Zuzahlungserhöhungen für
Arzneimittel-, Heil- und Hilfsmittel, Krankhausbehandlung und Rehabilitationsmaßnahmen in
Kraft sowie erstmals eine Eintrittsgebühr zum Arzt. Damit werden die Kranken gegenüber den
Gesunden, also den „noch nicht oder gerade nicht Kranken“ überproportional belastet. Zudem
muss jeder gesetzlich Krankenversicherte alle diese Zuzahlungen im Kalenderjahr leisten,
unabhängig wie gering auch immer sein verfügbares Nettoeinkommen ist, bis die sog.
Belastungsgrenze nach § 62 SGB V erreicht ist. Erst wenn die Zuzahlungen diese Grenze
überschreiten, so hat die Krankenkasse dem Patienten eine Bescheinigung über die
Zuzahlungsbefreiung für den Rest des Jahres zu erteilen.
Die Belastungsgrenze beträgt grundsätzlich 2 % des Bruttoeinkommens des Patienten, genauer
gesagt der Familie des Patienten.
Bei chronisch kranken Menschen „die wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in
Dauerbehandlung sind“, beträgt nach § 62 SGB V die Belastungsgrenze nur 1 % des
Bruttoeinkommens.
Entscheidend ist daher die genaue Definition einer „schwerwiegenden chronischen Erkrankung“.
Nach § 62 Abs. 1 SGB V bestimmt dies „der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien
nach § 92“. Dieser „Gemeinsame Bundesausschuss“ wird erstmals am 13.01.2004 zu seiner
konstituierenden Sitzung zusammentreten. Nach § 140 f SGB V werden in diesem gemeinsamen
Bundesausschuss auch Patientenvertreter mitwirken.
Dennoch hat das Vorgängergremium, der „Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen“, auf
seiner letzten Sitzung am 15.12.2003 noch ohne Patientenbeteiligung eine solche Definition
beschlossen.
„Als schwerwiegend chronisch krank gilt laut des Beschlusses des Bundesausschusses der Ärzte
und Krankenkassen vom 15. Dezember 2003, wer wegen derselben Erkrankung ein Jahr lang in
Dauerbehandlung ist, d.h. mindestens zweimal pro Quartal (ambulante) Behandlung in Anspruch
nehmen musste.
Und additiv (zusätzlich mindestens eines der folgenden Kriterien)
-
in den letzten zwei Jahren mindestens zwei vollstationäre Behandlungen wegen
derselben Erkrankung hatte;
Pflegestufe 2 oder 3 hat,
einen Grad der Behinderung (GdB) oder Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von
mindestens 70 (%), dieselbe Erkrankung muss in dem Bescheid zum GdB bzw. MdE
als Begründung aufgeführt sein“.
Nach Einschätzung vieler Verbände der Behinderten und der Selbsthilfe chronisch Kranker führt
diese restriktive Definition zur Ausgrenzung der erdrückenden Mehrheit der chronisch, langzeitig
und schwerwiegend erkrankten Menschen sowie solcher mit schubartigen Krankheitsverläufen,
zu denen nicht nur Krebserkrankungen gehören, sondern auch solche wie z.B. die Sarkoidose.
Damit soll offenbar erreicht werden, daß nur noch sehr wenige chronisch Kranke unter die
abgesenkte Belastungsgrenze fallen, so dass von einem Solidargedanken in der Gesetzlichen
Krankenversicherung keine Rede mehr sein kann.
Mehr noch werden mit diesen Kriterien Bedingungen geschaffen, die erst nach Ablauf von
mindestens 2 Quartalen und im Falle der Voraussetzung stationärer Behandlung nach 2 Jahren
greifen könnten. Und das geschieht auch noch vor dem Hintergrund, daß das neue Gesetz , und
zwar zu Recht, gerade bei chronischen Krankheiten zur Kostenreduzierung anstelle von
stationärer Behandlung auf zunehmende Vernetzung mit ambulanten und integrierten
Versorgungskonzepten setzt und solche Möglichkeiten wie auch strukturierte
Behandlungsprogramme erst einführt. Ganz dazu im Gegensatz steht dieser Definitionsteil des
„Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen“, durch den die so betroffenen chronisch
Kranken für solche Strukturverbesserungen mit Kostensenkungseffekt auch noch bestraft werden
sollen.
Ganz zu schweigen von den zu erwartenden Problemen, wenn aus den Begründungen von GbBoder Pflegestufenbescheiden, die laut dieser jeweils anderen gesetzlichen Basis keine direkte
Verbindung zu einer spezifischen Krankheit (Indikation) kennen oder gar eine Kausalkette
beschreiben, welche der Krankheiten bzw. Schädigungen (akute, chonische, Unfall, Opfer einer
Straftat etc.) denn nun zur Behinderteneigenschaft bzw. Einschränkung der Erwerbsfähigkeit und
Pflegebedürftigkeit Anlaß gegeben hätten. Hier verbergen sich natürlich jede Menge neuer
Widerspruchsgründe, wenn die Bescheide dann nicht dazu alle Tatsachen vollständig und jeweils
aktuell aufführen, um auch als Basis für die Befreiungsbescheide der Krankenkassen dienen zu
können.
Somit würde das neue Gesetz dann mittels der Ausführungsbestimmungen nicht nur den
Patienten und Ärzten, Apotheken und Krankenkassen, sondern auch noch den VersorgungsIntegrationsämtern und den Medizinischen Diensten Verwaltungsmehraufwand bescheren.
Natürlich auf Kosten von uns gesetzlich Versicherten.
Eine solche Definition ist auch für viele Sarkoidose-Betroffene einfach nicht hinnehmbar. Und
dies vor dem Hintergrund, dass immer mehr Arzneimittel aus der Verschreibungspflicht
herausgenommen wurden und wohl weiterhin werden, so dass diese dann trotz Verordnung durch
der Arzt vollständig selbst zu bezahlen sind, und zwar ohne jegliche Anrechnung auf die
Belastungsgrenze. Somit werden chronisch und schwer Kranke dreifach überbelastet.
Bezeichnend ist, dass diese Definition sozusagen in letzter Sekunde vom „Bundesausschuss der
Ärzte und Krankenkassen“ ohne Patientenbeteiligung verabschiedet wurde, ohne die
Konstituierung des eigentlich nach § 62 Abs. 1 Satz 4 SGB V zuständigen neuen „Gemeinsamen
Bundesausschusses“ mit Patientenbeteiligung abzuwarten.
Nach einem Artikel in der „Frankfurter Rundschau“ vom 19.12.2003 auf Seite 5 wird das
Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS) die Entscheidung des
Bundesausschusses nicht genehmigen. Nach Angaben des Ministeriums sollten nur Patienten mit
chronischen „Bagatellerkrankungen“ nicht in den Genuss niedriger Zuzahlungen kommen.
Das endgültige Verfahren bleibt abzuwarten. Skepsis und Protest ist also angeraten.
Jenseits dieser politischen Auseinandersetzungen um die immer bedrohlicheren Aushebelungen
der solidarischen Krankenversicherung müssen alle gesetzlich Versicherten ihre Quittungen und
Rechnungen über alle Zuzahlungen einschließlich der Praxisgebühren sammeln, um rechtzeitig im
laufenden Jahr den Antrag auf Befreiung von weiteren Zuzahlungen bei ihrer
Krankenversicherung stellen zu können.
Die aktuelle Ausgabe der Mitgliederzeitschrift „Sarkoidose Nachrichten und Berichte“ Nr. 63
Dezember 2003 fasst die konkreten Mehrbelastungen zusammen und gibt Hinweise zur
Berechnung der persönlichen Belastungsgrenze ihrer Familie unter Berücksichtigung der etwaigen
Freibeträge.
Dr. rer. nat. Bernd Quadder
- Beauftragter des Vorstands für Gesundheitspolitik Deutsche Sarkoidose-Vereinigung
gemeinnütziger e.V.
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