Zentralblatt der Bauverwaltung : Nachrichten d. Reichs

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Zentralblatt der Bauverwaltung : Nachrichten d. Reichs
Centralblatt der Bauverwaltung.
Herausgegeben im Ministerium der öffentUcnen Arbeiten.
XII. Jahrgang.
Berlin, 27. August 1892.
Nr. 35,
Encheimt jeden Sonnabend. — SehrifUetUag; S.W. Zimmerstr. 7"- — GteKhiftuttUe u 4 iufthm« d«r lB»lfe>x W. Wilhelmstr. 90, — Btiagtiprolt: Vierteljährlich 3 Marb.
Einachliefelicb Abtragen, Post- oder Strelftandzasendnng 3,75 M*rk; desgl. für fcs Ausland 4,30 Mark.
ISHAXTt AntMehtHt Personal-Nachrichten. — McfcUatllcbiRi Russische Baukunst und Technik. — Wirkung des GestäDge-Gewfchtes beim Eisenbabu-Oberbao. — Leipzig
und seine Bauten (Büchersehftn). -~ Zahnstanscnbahn St Gallen-Gais. — V e r m i s c h t e s : Preisbeweibungen für den Entwurf zu einer Villa in der Colonie
Grunewald und für den Entwurf zu einer evang. Kirche in Spandau, — Werth der Belastungsproben eiserner Bracken. — Canalisstionsverfahren nach r. Nadein.
— Betriebsergebnifs der elektrischen City- und Sädlondonbahn. — Eisenbahnen iü Birma. — Bücberscliaa.
Amtliche Mittheilungen.
Preuften.
Seine Majestät der König haben AUergnädigst geruht, dem
Marine-Oberbaurath, jetzigen Geheimen Kegierungsrath Schunke,
den Königlichen Kronen-Orden Hl, Klasse au verleihen, dem aufserordentlichen MitgUede der Königlichen Akademie des Bauwesens,
Geheimen Begieruugsrath Dr. Werner v. Siemens in Berlin und
dem Herzoglich anhaltiBchen Baurath, Kegierungs- Baumeister Karl
Wächter in Berlin die Erlaubnifs zur Anlegung der ihnen verliehenen nichtpreufsischen Orden zu ertheilen, und zwar emterem der
II. Klasse des Königlich bayerischen Verdienst-Ordens vom heiligen
Michael, letzterem der Ritter-Tn signiert II. Klasse des Herzoglich an*
haitischen Haus-Ordens Albrechts des Bären, sowie den bisherigen
Meliorations-Bauinspector |Karl Nestor in Trier zum Regierungsund Baurath zu ernennen.
Der Wasserbauinspector Walter Körte in Berlin und der Professor an der Königl. technischen Hochschule in Berlin Dr. Stahl
sind zu Mitgliedern des Königl. technischen Prüfung»-Amts in Berlin
ernannt worden.!
An der technischen Hochschule in Berlin ist das durch den
Staatshaushalt für I.April 1892/93 genehmigte Parallel-Colleg über
Baneonstructionslehre dem Begiernngs- und Baurath Krüger in
Potsdam vom 1. October d. J, ab übertragen.
Der Kreisbauinspector Gterpe in Kirchhain, Reg.-Bez. Cassel,
tritt am 1. October d. J. in den Buhestand; über die Wiederbesetzung
der betreffenden Baubeamten-Stelle ist bereits anderweitig verfügt
worden.
[Alle Kechte vorbehalten.]
Dem bisherigen KÖnigl. Regierungs-Baumeister Max Enopff aus
Berlin, zur Zeit in Kairo (Aegypten), ist die nachgesuchte Entlassung
aus dem Staatsdienst ertheilt.
0er Deicbinspector des Nieder - Oderbrucher Deichverbandes
Königl. Baurath Goldspohn in Zlickericker Zollbrücke bei Wrieteen
a. 0. ist gestorben.
Reich.
Der aufseretatsmäfsige Marine-MaBchinenbaainspector Kott ist
zum etatsmafsigen Marine-Ma&chinenbauinspector ernannt.
Der Bauführer Neudeck ist zum Marine-Bauführer des Schiffbaufaches ernannt,
Württemberg.
Seine Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den Bahnmeister Daniel bei dem bautechnischen Bureau der Generaldirection
der StaatßeiBenbabnen seinem Ansuchen gemäTs wegen vorgerückten
Alters und den Bahnmeister Fromm in Erbach wegen seiner durch
körperliche Leiden herbeigeführten Dienstunfähigkeit auf sein Ansuchen zur Ruhe zu setzen.
Mla&Tä - Lothringen.
Seine Majestät der Kaiser und König haben Allergnädigst
geruht, dem Wasserbauinspector Baurath Glnkher in Strafsburg i. E.
die Erlaubnifs zur Anlegung des von Seiner Königlichen Hoheit
dem Grofaherzog von Baden ihm verliehenen Bitterkreuzes II, Klasse
mit Eichenlaub des Ordens vom Zähringer Löwen zu ertheilen.
Nichtamtlicher Theil.
Schriftleiter; Otto Sarrazin und Oskar
Bemerkungen über russische Baukunst und Technik.
Von Reinhold Rohde.
Auf der vorjährigen Berliner Kunstausstellung waren zum erstenBussie iditees par ordre de S. M, VEmpereur Mkolas I 1849—1863,
mal Arbeiten russischer Architekten in gröfaerer Anzahl vertreten.
6 Bände in russischem Text. Auch in deutschen Fachblättera ist
Es hat dies die allgemeine Aufmerksamkeit auf das bauliche Schaffen
bisher nur wenig über russische Architektur und Technik geschrieben
RuTslands gelenkt und vielleicht auch in manchem Leser dieses
worden. Aafser einer Abhandlung von Walle" »Zur Entwicklung der
Blattes den Wunsch rege gemacht, das und jenes zu erfahren über
kirchlichen Baukunst in Rufsland" im Wochenblatt für Architekten
die Baukunst und Bautechnik des grofsen östlichen Nachbarlandes,
und Ingenieure, Jahrgang 1883, ferner einem Aufsatze oder einer
dessen Erfolge auf anderen C&lturgebieteu, so namentlich auf dem
Uebersetaung nach Dal im Jahrgang 188L des GentreAblattes der
der Schwesterkunst der Architektur, der Malerei, seit geraumer Zeit
Bauverwaltung „lieber rassische Holzarchitektur" von Frommann
unbestritten Bind.
und verschiedenen Mittheilungen des technischen Attaches bei der
deutschen Botschaft in Petersburg, Baurath Volkmann, ebenfalls
Das litterarische Material, welches uns über Rufsland belehrt,
m diesem Blatte, wüfete ich kaum, etwas von Belang zu nennen.
ist verhaltniiamafsig gering, und das vorhandene schwer eugänglich,
Für den Fremden ist es nicht leicht, in Rufsland Kunststudien
weil es in den allermeisten Fallen nur in der mühsam zu erlernenden
zu machen. Ohne Polizeierlaub&ifs ist nicht gestattet, auf der Strafse
Landessprache geschrieben oder gedruckt ist, die ältesten Nachrichten
zu zeichnen, und diese Erlaubnifs zu erlangen hält oft sehr schwer.
sogar nur in der heute noch in der russischen Kirche üblichen altKoch weniger entgegenkommend zeigt eich der Clerns, namentlich
Blavischen Sprache, Die uns besonders angehende Fachlitteratar ist
dem Nichtrechtgläubigen gegenüber. Uebrigens ist auch die vielfach
überhaupt erst neuerdings, man könnte sagen erst seit der Regierung
verbreitete Ansicht nicht richtig, dafs für den Architekten oder
Kaiser Nicolaus', ins Leben getreten. Von einer nicht fortgesetzten
Architekturforscher die Ausbeute von Petersburg und Moskau genüge.
periodischen Veröffentlichung „Motifs de VArchttecture Rtw&e, Fagades
Es bedarf vielmehr weiter und sehr beschwerlicher Reisen ins Land
de maisons de campagns" au» den siebziger Jahren abgesehen, ist
hinein, um eine einigermafsen erschöpfende Uebersicht zu gewinnen.
meines Wissens das einzige ganz russische Fachblatt für Hochbau
Ich werde mich deshalb t»ei den folgenden Betrachtungen wesentlich
der Sodtechij (Baumeister), eine in St. Petersburg wöchentlich ermit auf die Arbeiten der russischen Fachgenossen zu stützen haben,
scheinende Zeitschrift mit guter Ausstattung. An kunstgewerblichen
denen e& vergönnt W&T, die in Betracht kommenden Stadien jahrelang
Werken, die aum grofsen Theil in vortügliehem Farbendruck hotim Auftrage und mit Unterstützung ihrer Regierung SU machen.
gestellt sind, ist mehr vorhanden. Als besonders hervorragend auf
diesem Gebiete ist zu bezeichnen das Werk Äntiquites de Vempire de
Die Erforschung der russischen Alterthümer wird bereits seit
•*#?••
866
Centralblatt der Bauverwaltung.
27. August 1892.
1
mehr als 50 Jahren seitens der Kaiser!. ruBsiachen Aröhaeologisehen
Aus Constantinopel wurden Maler, Bildhaue* und Baumeister
Gesellschaft planmäfsig betrieben. Auf Veranlassung des Grofsfürsten
herangezogen und reiche Prachtbauten und Kirchen ausgeführt. Nach
Wladimir Älexandtöwitsch, des Präsidenten der Kaiserl. Akademie
weiteren inneren Kriegen wird Kiew von neuem Wohnsitz des
der Künste, wurden in den sechziger Jahren die Akademiker Pal (t) Grofsfürsten Wladimir II. (1113—1125). Sein Sohn Jurij Dolgorukij
und Leonow zu wissenschaftlichen und künstlerischen Studien in
gründet ein neues Grofsfürstenthum in Susdal mit der Hauptdas Innere des Reichs entsandt. Ihnen folgten die Akademiker
stadt Wladimir und zugleich Moskau im Jahre 1147 unweit des
Gernestajew, Weaselowski, Pawlinow, Suslow u. a., deren reiche Ausheutigen Moskaus, welches 1176 vom Fürsten von Rhäsan dem Erdbeute theilwdse im Sodtschij veröffentlicht ist, insbesondere die des boden gleich gemacht wurde, sich aber, trotz verschiedener neuer
letztgenannten in den Jahrgängen 1883, 87 und 88. Um aber
Stürme, immer wieder erholte. Mit diesem Zeitabschnitt sank Kiews
gründlicher und schneller zum Ziele zu gelangen, kam man 1887 auf
Sonne und ging unter in dem Mongolensturme, welcher 1224 losbrach
den Gedanken, durch Vermittlung der Bischöfe und Gouverneure
und den Reichthum und Glanz der Stadt unter ihren Trümmern
Fragebogen an sämtliche Kirchen und Behörden zu vertheilen, auf
begrub. Das in zehn Fürstenthümer getheilte Reich Ruriks fiel,
Grund deren dann die weiteren Forschungen durch die Akademiker
Nowgorod ausgenommen, nach 15jährigen Kämpfen ganz in den
erfolgen. So sind etwa 7000 rStammrollen" eingelaufen, die, vielfach
Besitz der Mongolen. Es folgen dann weitere Kämpfe der Russen
von eingehenden Erläuterungen und Photographieen begleitet, theilweis
mit Polen, Litthauern und Schweden, die Eroberung Finnlands durch
bis dahin ganz ungeahnte Schätze an die Oeffentlichkeit brachten,»}
Jaroslaw 1 F., Grofsfürsten von Wladimir, bis endlich dessen Urenkel
Um den Entwicklungsgang der russischen Kunst und Technik zu
Johann Kalita 1328 die Regierung antritt und für die Geschichte
verstehen und zu würRufslands deshalb von
digen, ist es unerläfslich,
Bedeutung wird, weil er
sich in aller Kürze Rußder Begründer der eigentlands Geschichte zu verlichen Stadt Moskau und
gegenwärtigen.'-)
ihrer :iBefestigung, des
Die , Ueberlieferung
Kremls ) ist. Seitdem ist
nennt ala die ältesten
Moskau Site der GrofsBewohner Rufslands im
fürsten und später der
Norden slawische Stämme,
Zaren von Rufsland, es
im Süden Skythen und
bleibt jedoch zunächst
Sarmaten. Im 2. Jahrden
Tartaren tributhundert safsen in der
pflichtig. Unter den ReNabe der Donau Gothen;
gierungen der folgenden
im 5. Jahrhundert übersechs Grofsfürsten fanden
flutheten Züge von Alanen,
weitere Kämpfe mit den
Hunnen, A waren und BulMongolen, Polen, Litgaren das Land. Um innethauern statt, ebenso wie
ren Verwirrungen ein
innere Kämpfe, unter
Ende zu machen, riefen
denen die Hauptstädte
die Slawen um die Mitte
Nowgorod, Kiew und
des 9. Jahrhunderts skanMoskau viel zu leiden
dinavische Waräger ins
haben. Erst mit der ReLand, die 862 unter
gierung Iwans III. WasRurik in Nowgorod einsiljewitsch, des Grofsen
zogen und Rodsen, d. h.
(1463—1506), beginnt für
Ruderer, oder Russen geRufsland eine neue Aera.
nannt wurden. Anfänglich
Und zwar nicht allein
den herrschenden Kriegerdurch die thatkräftige
stand bildend, mischten
Stellungnahme gegen die
sich diese mit der slawiMongolen, deren Joch
schen Bevölkerung, und
Iwan abzuschütteln weifs:
aus der Verschmelzung
weit wichtiger ist die
beider entstand das heueheliche Verbindung des
Das Treppenhaus der neuen Universitäts - Bibliothek,
tige russische Volk, 882
Grofsfürsten mit der einAus
„Leipzig
und
seine Bauten".
•
vereinigte Ruriks Nachzigen Enkelin des letzten
folger, Oleg, ein Onkel
byzantinischen
Kaisers
und Vormund Igors (Olaf), den slawischen Staat Kiew mit Now- und Tochter des Palaeologos, der klugen und stolzen Sophia, welche
gorod und machte Kiew zur Hauptstadt des Reiches. 906 unterden doppelküpfigen Adler in Rufslands Wappen bringt, und unter deren
nahm er einen Zug nach Constantinopel, bezwang es ohne Mühe und
Einflufs Iwan den Titel eines Zaren von Grofs-Rufsland annimmt. Inschrieb dem griechischen Kaiser Leo Bedingungen vor, die auf eine
folge dieser Verbindung tritt Rufsland seit Jaroslaw I. zum ersten Male
dauornde Abhängigkeit hinzielten. Dort liefs sich 955 die Wittwe
wieder in diplomatischen Verkehr mit dem Westen und macht sich
Igors, Olga, Regentin für den unmündigen Swjätoslaw, taufen und
damit viele Errungenschaften jener Culturlander, namentlich auch
machte die Russen mit den Bräuchen der griechischen Kirche bekannt.
auf dem Gebiete von Kunst und Technik, zu eigen.
Nach dem Tode Swjätoelaws im Kampfe mit den Petschenegen tritt
Auf Iwan folgt sein Sohn Wassilij IV. Iwanowitsch (1505—1584),
sein Sohn Wladimir I., mit dem späteren Beinamen der Apostelgleiche,
der den Segen der westlichen Cultur zu schätzen wufste und die
die Regierung an (980-1015). Er läfst sich 988 taufen und bereitet
Pflege von Kunst und Wissenschaft im Sinne seines grofsen Vaters
durch Berufung von Baumeistern und anderen Künstlern aus Confortsetzte. Sein Nachfolger ist Iwan IV. Wassiljewitsch, der Schreckstantinopel nach seiner Hauptstadt Kiew der christlichen Baukunst
liche (1533 — 1584). Er vergröfserte das Reich durch glückliche,
in Eufsland den Boden. Doch bald folgen Zwist und blutige Kriege
schonungslose Eroberungen bedeutend und zeigt sich auch im Lande
zwischen den 12 Söhnen Wladimirs, unter die das Reich vertheilt
als Despot von geradezu unerhörter Grausamkeit und Rohheit. Beworden war. Aus den Unruhen geht Jaroslaw I. siegreich hervor und
kannt ist sein Vorgehen gegen die blühende, mit dem Westen in
herrscht in Kiew als Grofsfüret 1025—1054, eine Zeit, die zu den enger Verbindung stehende, ihm aber zu selbständige Hansestadt
schmeichelhaftesten Erinnerungen der Küssen gehört. Das Reich wird
Nowgorod, die er wochenlang der Plünderung preisgab — an 60 000
durch glückliche Waffenthaten bedeutend erweitert, und eine Folge ist
Einwohner sollen damals erwürgt worden sein —, und die darauf in
Rufslands politischer Verkehr mit dem Westen und die Verschwägekurzer Zeit, zum Schaden Rufslands, zur unbedeutenden Kleinstadt
rung seines Herrschergeschlechts mit den Königen des Abendlandes.
herabsank. Nichtsdestoweniger hatte er Sinn für Kunst und Technik
und bediente sich zu ihrer Pflege, wie seine Vorgänger, der Künstler
*) Ein Theil schon früher im Auftrage Kaiser Alexanders II.
und Werkmeister westeuropäischer Cultürländer. Mit Iwans blödgemachte, sehr hübsch ausgeführte Studienskizzen füllen u. a. seit
sinnigem Sohne Feodor und seinem ihm folgenden Schwager Godunow
1885 einen grofsen Saal des Historischen Museums in Moskau.
stirbt das Herrscherhaus Rurik aus, nachdem es Rufslaud 700 Jahre
") Näheres in „Rufslands Vergangenheit". Culturgeschichtliche
3
Skizze von Dr. William Pierson, 1870, ein sehr interessant geschrie) Der Kreml, von dem tartarischen Worte Kremillos, die Festung,
benes Werkchen; Strahl, Geschichte des russischen Staates, Band
umschliefst in den alten russischen Hauptstädten die kostbarstenj
1—6; K. v. Schlözer, Rufslands älteste Beziehungen zu Skandinavien
Alterthümer und Schätze, die init einer Vertheidigungsmauer mn
und Constantinopel. . . _ . , . : , -..
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Centralblatt der BauverwaHung.>
laug regiert. Es folgt das Auftreten des' falschen Demetriüs mit fortwährenden heftigen Kämpfen im Gefolge, dann regiert Schuiäki, und
nach ihm brechen die Schrecken des Zwischenreichs herein, bis endlich
der erste aus dem noch jetzt regierenden Hause Romanow, Michael
Feodorowitsch, die Zahnkrone annahm, während sein Vater, der berühmte Patriarch Philaret, in polnischer Gefangenschaft in der
Matienburg in Westpreuftsen lag. Unter Michaels Regierung (1613
bis 1645) wuIste man sich die Kenntnisse des Westens zu nutze zu
machen und verband da* Erlernte mit den. Erfahrungen dea eignen
Landes, Dasselbe geschah unter seinem Sohne Alexei Michailo witsch
(1645-1676) und unter seinem Enkel Feodor Alexejewitscfa (1676-1682),
und durch des letztgenannten Halbbruder P e t e r (den Grrofsen) wurde
das Land, unter Verlegung der Residenz von Moskau nach dem neugegründeten Petersburg, ganz dem Einflüsse des Westens geöffnet.
Nach diesen geschichtlichen Vorgängen sind die älteren Kunstsehätze in erister Reihe in den Städten Nowgorod, Kiew, Wladimir
und Moskau zu suchen; daneben kommen Tschernigow, Perejäslawl(
Rostow, Jttvoalawl und verschiedene andere Orte in Betracht^ von
denen einzelne nach der Theilung des Reiches durch Wladimir Sitz
der Grofsfürsten waren.
Per Entwicklungsgang der Architektur Rufslanda aber ist in
Kürze folgender,
.
Mit dem Uebertritt Wladimirs I. aum Christenthum,. also 988*
beginnt der Bau steinerner Kirchen in byzantinischer Bauweise, und
swar in Kiew. Im Norden dagegen ist der Einflufs des romanischen
Stils bemerkbar, wenn dieser auch jetzt in seiner ursprünglichen
Form nicht mehr deutlich sichtbar wird. Hier wurde das Christenthum durch den Heidenapostel Meinhärd und seinen .Gefährten
Dietrich eingeführt, die 1183 am, Gestade der Dana, da wo heute
Riga liegt, landeten, dort sogleich feste steinerne Burgen anlegten und
anfangs hölzerne, später steinerne Kirchen erbauten.*) Zu dieaeto
Zwecke zogen sie Handwerker aus Wisby auf Gottland heran, dessen
Kunst zu jener Zeit in hoher Bluthe stand. Die genannten beiden
Stile behaupteten, mit russischen Eigentümlichkeiten verschmelzend,
ihren Platz Jahrhunderte lang nebeneinander, bis gegen Ende, des
15. Jahrhunderts unter der Herrschaft Iwans III., wie wir gesehen
haben, neae Berührungspunkte mit dam Westen gewonnen wurden und
damit auch auf baulichem Gebiete eine Wendung eintrat; Die Ehe
Iwans mit Sophia erschlofa das Land in noch viel ausgedehnterem
Mafee der westeuropäischen CuHur.
Mit der klugen Fürstin hielten bedeutende Männer der Wissenschaften und Künste aus Constantinopel und Rom, auch aus Griechenland, in Moskau: ihren Einzug. Architekten und Ingenieure, die sich
in ihrer Heimath und über deren Grenzen hinaus bedeutenden Ruf
erworben, wurden für Rufsland gewonnen, so Fioraventi Aristotel
aus Bologna, der bürgerliche und Kriege-Baumeister, auch Geschützmeister Iwans. Er bezog das bedeutende Gehalt von monatlich
10 Rubel; in Ungnade gefallen, wurde ei* später freilich seiner Habe
beraubt. Ferner Marco Ruffo, Architekt und zugleich Gesandter in
Persien, Pietro Antonio, welcher des Zaren Palastbauten ausführte,
Antonio Solari xmA Aleviii von Mailand, Franaesco und sein Eiere
*•) Vgl. Neumann, Grundnfs einer Geschichte der bildenden
Künste und Kunstgewerbe in Livland, Esthland und Kurland.
367
Friaäin, der G,iefser Paolo Bassio und viele, andere. Diese hervorragenden Künstler führten, die aorditalienische Backeteinbanweise
in Rufalflnd ein, wenn auch anfänglich für Kirchenbauten auf BefehlIwans noch die vorhandenen alten Vorbilder maßgebend blieben.
Wiederholt tauschte Iwan Gesandtschaften mit Kaiser Friedrich Ilf,,
Maximilian von Oesterreich,, Mathias von Ungarn und dem Papste.
Paul II. aus und gewann durch deren Vermittlung neue Künstler
und Handwerker. Unter "ihrer Leitung wurden wieder russische
Handwerker in der Waffenkammw herangebildet., di& dann später als
selbständige Künstler wirkten* Diese Bemühungen, die insbesondere
auf Verschönerung des Kremls von Moskau hinausliefen, wurden mit
Eifer von Iwans Sohne, Wassilij, fortgesetzt, und unter ihm bezeichnen
die Chronisten namentlich Alois Friaain den Jüngere» als: einen, reichbegabten und vielbeschäftigten Architekten, unter welchem einige
Kirchen in rein italienischer Renaissance ausgeführt wurden* Wieder
neue Werbungen von Künstlern, Männern der Wissenschaft und
Handwerkern fanden bei Gelegenheit. von Gesandtschaften statt, die
1508 aii Kaiser Maximilian, 1514 an die Hansestädte, 1519 au Leo X.,
geschickt wurden.
•
. .
Unter Iwan des Schrecklichen Regierung wurde 1547 Hans Schutt«
aus Goslar, der sich längere Zeit in Moskau aufgehalten hatte, zu
gleichem Zwecke von depx Zaren nach dem Wefeten entsandt. Einfand 120 Personen bereit, nach Moskau zu gehen, wurde aber von
den Lübeckern, die eine Beeinträchtigung ihres Handels fürchteten,
ehe er mit den Geworbenen das Schiff erreichte, mit einem Theile
derselben, ine Gefängnifa geworfen, während sein Gehülfe, Johann
Sternberg, mit; den übrigen nach Kufsland entkam. Welchen Werth
man hier auf die Gewinnung der Fremden legte; beweist ein Vertrag
Iwans mit König Friedrich von Dänemark von 1578, in dem unter
anderem steht, „der König Friedri«h soll deutsche Künstler auf ihrem«
Wege nach Ruf&laud nicht anhalten",
'•" ,
Dann trat während1 einer langen Reihe von Jahre» eine Stockung
in der Entwicklung vou Kunst und Handwerk ein, bis 1613 der erste
Romanow an die Regierung kam und diesen Culturzweigen aufs neue
sorgfältige Pflege angedeihen liefa. Wieder wurden Handwerker aller
Art aus Deutschland, England, Holland und den Niederlanden herangezogen; man findet Namen wie Johann Thaies, Johann Chrifcler,
Marceliis, Wilhelm Scharf, George 'Degiiin, Gustav Degumpin, aneh
einen Metall- und Glookengiefser Falken aus Nürnberg, die sich
besten Huf erwarben. Auch Alexei hat diese Pflege fortgesetzt und
besonders deutsche Kräfte herangezogen.
• -] '
War es natürlich, dafs das Zusammenwirken dieser verschiedensten
künstlerischen. Kräfte aus aller Hefreh Ländtern und aus den Yßrschiftdensten Zeiten, beeinflußt durch - «igenthUmtith' •tn&ftisches
Wesen, ein oft systemloses Durcheinander nach sich sog, so macht
sich doch der befruchtende Einflufs • des italienischen Backsteinbaues
aus der zweiten Hälfte- des 15. Jahrhunderte während "der eben besprochenen Zeit mafsgebend1 bemerkbar. Mit Pete* 4em Grofsen und
seiner Uebersiedlnng nach Petersburg aber verdrängt der westeuropäische Einflufs fast gänzlich die in Moskau noch erhaltenen
Spuren jener Kunstrichtung, und erst neuerdings, gägen Ende der
Regierung Alexanderen., wurde dieselbe wieder aufgenommen und
SIB „uational-ruBBiBche^ Stil" durch die neuereu Architekten kräftig
vertreten.
ji
(Fortsetzung folgt,)
Die Wirkung des Gestänge-Gewichtes beim Eidftübalm-Oberbau.
Auf Seite 72 des gegenwärtigen Jahrgangs des Centralblattes der
Bauverwaltung ist die Frage der Wirkung des SehienengewicbteB
aufgeworfen worden- Sie hat zn mehreren zum Theil umfangreichen
Erörterungen (Seite 86, 97, 117 und 125) über die Wirkung- des
Gestänge - Gewicbtefe beim E i s e n b a h n - O b e r b a u geführt,
Erörterungen, welche gewifs von einer grofsen Zahl Fuchgenoseen
lebhaft verfolgt worden sind. EB ist dabei lechnerwch nachgewiesen
worden, dafs durch eine Vermehrung des Gestänge-Gewichte» eine
nur «ehr geringe Steigerung in der Masaeuwirkung des Gestänges erzielt werden kann. Dies steht aufser Zweifel — weil
die atofsende Masse (Locomotive) so sehr vielmal grofser ist als
die gestofsene, das Gestänge. In der letzten Erörterung der Frage
ist berechnet worden, dflfs durch eine Gewichtsvermehrung '• des
Gestänges von HO kg/m auf 210 kg/tu, also um 50 v. H. die echädHehe A r b e i t des Stofses nur um 1,2 v. H. abninimt, es ist endlich
gezeigt worden, dafs wenn man als stofeende Masse auch nur die
MaBde dar unterhalb der Federn liegenden Maschiuentheile in Rechnung stellt, aUo selbst unter der Annahme eines möglichst schwachen
Stofses, dennoch durch die Zunahme des GeettängegewichteB um
&0T. H. eine Abnahme des nach dem Stofse noch Yorhanttesneki ArbeilteVermögens am nur 4,5 v. H. etfsielt werden könnte, „Womit die Geringfügigkeit des Nutzens einer bloften GewichtarermehruDg dös'
Geitänges wohl aufeer Zweifel gestellt iat." Mit diesen Worten
schliefet die letzte Abhandlung auf Öeite 197 und diese Schlufsföigfctung
ist es, die den Untaitzeichrieten veranlafst hat, die Spalten dieses
Blattes noch einmal 2a einer kurzen Beleuchtung des Gegenstandes
von einem anderen, bisher nicht zur Sprache gekommenen Gesichtspunkte in AnBprtfch j^n nehmen.
Betrachten wir «ttltat den w a g e r e c h t e n Stofs auf ein von dem
Zage nicht bel&steteß: Gestänge, also auf Oberbaütheile unmittelbar
TOT oder hinter dem Znge. Nur ein gann kleiner Theil der schädlichen Arbeit des Stoföes wird durch die Masse des Gestänges aufgehoben, mag man letztere auch erheblich gegen die gewöhnliche
Anordnung vergrößern. Der andere, weit gföfsere Theil der schädlichen ATlyeit des Stofees wird, aber auch aufgehoben, und EW&T durch
die Steifigkeit des Gestänges und durch seine K«ibung > in der
Bettung. Von der Steifigkeit des Gestänges soll abgesehen werden,
denn dieselbe ist bei den üblichen Oberbanarten sehr gering, es bleibt
also als H a u p t z e r s t ö r e r i n der schädlichen Stofs&rbeit S die e n t g e g e n w i r k e n d e Arbeit der R e i b u n g übrig. Dieselbe ist n, G. 6,
worin n die ReibungszifFer, G das Gewicht des in Betracht gezogenen
Oberbaustuckes und s die Verschiebung des Gelelses infolge des
Stofses bedeuten. Dieser Ausdruck enthält. den unveränderlichen,
Werth n und die beiden Veränderlichen;. G und s, weiche BO ; ^aneinander abhängen, dafs annfiberpd imnjer n . G:$ = 8 ist; Dara.ua:,
ergiöbt «ich, dafa bei wachsendem Obetbau-Öewicht; ö die''V*r^'
Schiebung * in gleichem VerMltmfs abnehmen mafs und rim^ekekrt.!
Verschiebt sich also ein ÖÖerban von dem Gewichte• & durch aim;
368
Centralblatt der Bauverwaltung.
wagerechten Stofs um s, so wird ein anderer Oberbau von dem Gewichte
2 G sich bei derselben Stofswirkung nur um o verschieben. Das Gewicht des Oberbaues ist also hiernach von ganz wesentlich günstigem
Einflüsse auf die feste Lage des Oberbaues in wagerechter Richtung.
Aus obiger Gleichung folgt auch der einleuchtende Grenzfall, dafs
ein Oberbau von verschwindend geringem Gewicht durch den wagerechten Stofs der Maachine weit weggeschoben werden würde, wenn
der Zusammenhang und die Steifigkeit des Gleises der seitlichen
Verschiebung nicht gewisse Grenzen setzte. Ein ganz leichter1 Oberbau bleibt nicht ruhig liegen, sondern wird in der Bettung hin und
her geschoben. Der Oberbau dagegen, welcher durch den Zug selbst
belastet ist, kann sich in wagerechter Richtung überhaupt nicht verschieben, mag der Oberbau selbst leicht oder schwer sein.
Bei der lothrechten Stofswirkung der Betriebsmittel auf
den Oberbau liegen die Verhältnisse ähnlich wie beim wagerechten
Stofs. Auch bei dem lothrechten Stofse ist die Massenwirkung des
Gestänges von keiner Bedeutung, hier kommt aber als Hauptzerstörerin der schädlichen Stofswirkung nicht die Reibungsarbeit,
sondern die entgegenwirkende Arbeit des Bcttungsdruckes
in Betracht. Für die feste Lage des Oberbaues gegen lothrechte
Stöfse kommt es hauptsächlich darauf an, dafs der Bettungsdruck
möglichst hoch gesteigert werden kann, damit die lothrechte Bewegung
der Schwelle in der Bettung möglichst klein bleibt. Diese wünschcnswerthe Eigenschaft erhält aber die Bettung dadurch, dafs sie unter
der Schwelle möglichst fest gestopft wird; dies aber ist wieder nur
möglich, wenn der Oberbau selbst recht schwer ist und beim Stopfen
nicht nacbgiebt. Einleuchtend i$t wieder, dafs man einen Oberbau von
verschwindend kleinem Gewichte gar nicht fest stopfen kann, denn schon
ein leichtes Unterstopfen rnufs ihn in die Höhe heben. Je schwerer
der Oberbau, desto fester kann er gestopft werden, desto widerstandsfähiger wird die Bettung, desto weniger giebt alsdann der Oberbau
27. August 1891
bei lotbrechten Stöfsen nach. Wir sehen also, dafs die Gewichtsvergröfserung des Oberbaues auch auf die feste Lage des Gleises in
lothrechter Richtung von guter Wirkung ist.
Zusammenfassend ergiebt sich demnach aus obiger Betrachtung,
dafs „eine Gewichtsvermehrung des Gestänges für die feste
Lage des Oberbaues von erheblichem Nutzen ist* —- dies
ist so ziemlich das GegentheÜ von dem Ergebnifs der früheren oben
angeführten Erörterungen. Wenn ich das hier so frei ausspreche, so
leitet mich darin ausschliefßlich der lebhafte Wunsch, eine Klärung
der Meinungen herbeizuführen, vielleicht eines besseren belehrt zu
werden.
Einige Fachgenossen erinnern sich vielleicht des Vorschlages,
den ich auf Seite 61/63 d. Bl. vom vorigen Jahre zur Verstärkung
des Oberbaues durch Anwendung eiserner Doppel schwellen gemacht
habe. Damals habe ich schon den grÖfsten Werth auf ein möglichst
hohes Gewicht des Oberbaues gelegt und zur Vermehrung des
Gewichtes zu dem Mittel gegriffen, die Schwellen mit Kies zu belasten.
Es ist mir gelungen, das Gewicht von 1 tu mit Kies belasteten Oberbau auf 565 kg zu bringen, dasselbe also drei' bis viermal so grofs
zu machen, als bei den sonst üblichen Oberbauarten. Läfst man die
Gesichtspunkte gelten, die ich hier oben entwickelt und die ich auch
schon in dem Aufsatz in Nr. 6A des vorigen Jahrgangs d. Bl. angeführt habe, so erhellt daraus sofort, dafs durch die Anwendung der
von mir vorgeschlagenen Doppel schwellen eine sehr viel festere Lage
des Oberbaues erzielt werden kann. Eine kleine Versuchsstrecke mit
Kiesbettuug ist unterdessen zur Ausführung gekommen und zeigt in
der That eine grofse Unverrückbarkeit. Sehr wünschenswerth wäre
es, wenn die Versuche mit Doppel schwellen in scharfen Krümmungen,
z, B, bei der Berliner Stadtbahn, und auch bei Ssndbettung fortgesetzt würden. Dies den Eisenbahnverwaltungen noch einmal ans
Herz zu legen, ist ein kleiner Nebenzweck vorstehender Zeilen.
Köln, im März 1892.
F, A. Gelbcke.
Leipzig und seine Bauten.
Die Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure wird der
diesjährigen Wauderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine eine Festschrift: „Leipzig und seine
Bauten"*) darbieten. Dieses Werk, soeben vollendet, umfafst einen starken Band,
dessen aufsere Ausstattung schon Zeugm'fs
davon ablegt, dafs es in der Hauptstadt
der Buchgewerbe entstanden ist, und enthält auf 850 Seiten 54 Bogen Grofsoctav.
Der Titelseite ist ein Zierblatt vorangestellt,
welches die Sinnbilder des Schaffens der
Architekten und Ingenieure darstellt, von
dem Stadtwappen Leipzigs bekrönt ist und
den Hinweis auf die Jubelfeier des Architekten-Tages durch die Jahreszahlen 1842
bis 1892 zum Ausdruck bringt.
Der Inhalt ist in folgende fünf Hauptabschnitte eingetheilt: I. Einleitung, II. Aus
der B äuge schichte, III, Hochbauten, IV. Ingenieurbau wescn; V. Gewerbliche Anlagen.
Im I, Hauptabschnitt hat der Geologe
Geheimer Oberbergrath Professor Dr.
Credner die geologischen Verhältnisse der
Stadt Leipzig, der Ingenieur A. Thiemdiß
Grundwasserströme, Dr. S. Schott das
Klima behandelt, während der Director
des städtischen statistischen Amtes Professor Dr. E. Hasse Statistisches und
der Secretär der Handelskammer Dr. Gensei eine Abhandlung über den Handel und
Gewerbfleifs der Feststadt gegeben hat.
Das Polizeigebäude in
Eine Karte der geologischen Profile durch
Aus „Leipzig- und
den Untergrund LeipzigB von Credner und
eine Karte der Grundwasserstrome in der Umgebung von Leipzig
von A. Thiem sind beigegeben. Beide Karten zeichnen sich durch
Anschaulichkeit und Klarheit aus.
*) Leipzig und seine Bauten. Zur X. "Wanderversammlung
des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur - Vereine in
Leipzig vom 28. bis 31. August 1892. Herausgegeben von der Vereinigung Leipziger Architekten und Ingenieure. Mit 372 Ansichten
und Durchschnitten sowie 441 Grundrissen und Situationsplänen und
24 zum Theil in Farbendruck ausgeführten Beilagen, Karten und
Lichtdrucken. Nebst 2 Plänen in besonderer Kartenmappe. Leipzig
1892. J. M. Gebhardts Verlag (Leopold Gebhardt). Druck vom
typographisehen Institut von Giesecke m Devrient in Leipzig.
Der II. Hauptabschnitt bringt auf rund 80 Seiten eine Abhandlung „Aus der Bau geschiente", welche von dem Director des
städtischen Archivs Dr. G. Wustmann verfafst ist.
Die fesselnde Darstellung dieses Abschnittes, dem der älteste Stadtplan Leipzigs
vom Jahre 1547, eine Abbildung Leipzigs
vom Jahre 1637, die Stadtpläne vom Jahre
1650, 1749 und 1842, sowie zahlreiche Ansichten von Bauwerken des alten Leipzigs
beigegeben sind, wird nicht nur bei deu
Fachgenossen, sondern auch in weiteren
Kreisen besonderes Interesse wachrufen.
In der Beifügung des Stadtplanes vom
Jahre 1842 erblicken wir einen sinnigen
Hinweis auf den Ursprung der bevorstehenden Jubelfeier.
Der III. Hauptabschnitt umfafst auf
ungefähr 430 Seiten ti Unterabtheilungen,
welche die Reichs- und Staatsgebäude,
die städtischem Gebäude, die Cultusbautea,
die Privatbauten, die Denkmäler und Brunnen sowie die Friedhöfe behandeln.
Die Abtheilung der Reichs- und
Staatsgebäude
hat den Bauinspector
Scharenberg zum Urheber. Zahlreiche
Grundrisse und Ansichten geben mit eingehendem Texte Nachricht über das Reichsgerichts-, -Back-, -Postgebäude, über die
Militärgebäude, die Königlichen Justizgebäude, das Staatsgymnasium, die KunstdeT Wächters träfe e.
gewerbe schule, die Baugewerkschule und
seine Bauten".
die Geschäftsräume der Amtshauptmannschaft, in der letzten Unterabtheilung über
die Gebäude der Universität und ihrer Zweiganstalten. In dieser
Unterabtheilung ißt auch die neue Universität« - Bibliothek durch
äufsere und innere Ansichten und Grundrisse (von denen wir einige
Proben ebenso wie aus den anderen Abschnitten des Buches
geben), sowie der Entwurf zum Neu- und Umbau der Universität bc
handelt.
Die Bearbeitung der städtischen Gebäude ist dem Rathsbaudirector Hugo Licht zu verdanken. Sie umfafst das Theater, d&e
Museum, das Conservatorium, das Predigerhaus bei der Nikolaikirche,
das Pfarrhaus in Beudnitz, zahlreiche Verwaltungsgebäude der Stadt,
das Johannisstift, das Siechenhaus und das Krankenhaus, das neue
Arbeitshaus, den Vieh- und Schlachthof, die Markthalle und eine
Nr. 85.
Ceiitralblatt der Bauverwaltung.
369
Keihe städtischer Schulen. "Wie überall im ganzen Werke bieten
Das Reinigungswesen umfafßt Beiträge der Stadträthe Frieling
zahlreiche Grundrisse viel Lehrreiches, während äufsere und innere
und Dr. Wangemann über die Strafsenreinigung, ferner den
Ansichten die künstlerische G-estaltung der Bauwerke veranschaulichen.
Beitrag über die Düngerabfuhr von Director Sauer und den Beitrag
Das Gebiet der Cultusbauten,
des Baucommissare Haub o 1 d über
welche vom Architekt P. Schuster
die Wasserciosets.
behandelt worden sind, ist durch
Die Flüsse und Brücken sind von
neun Kirchen in Beschreibungen und
Oberingenieur Hättasch und Baubildlichen Darstellungen vertreten.
rath Michael, die drei Canalentwürfe
Auch die im Bau begriffene Andreasvom Begierungsbaumeister Goltz bekirche ist in Grundrissen, einem
handelt worden. Diesem HauptabLängs seh tritt und ainer Ansicht mitschnitte ist in besonderer Kartengetheilt.
raappe ein Plan der Bahnhöfe und InDie Privatbauten, wie Villen,
dustriegleise in Plagwitz - Linden&U
eingebaute Wohnhäuser, Wohn- und
(1:5000) und der Verkehrsplan von
Geschäftshäuser, sind von dem ArchiLeipzig und Umgegend (1:25 000) beitekten Mas Poramer ausammengegegeben.
stellt und durch eine reiche Fülle
Den V. und letzten Hauptabvon Ansichten und Grundrissen anschnitt des Buches, welchen Gaaschaulich geschildert.
anstaltsdirector Wunder zusammenDie Bearbeitung der Unterabtheigestellt hat, bilden die gewerblichen
lungen der Gebäude Tür Banken und
Anlagen. Ihüen sind in der Festschrift
den Geldverkehr, der öffentlichen
im Hinblick auf das mächtige AufVergnügungslocale, Vereinsgebäude,
blühen der Industrie Leipzigs über
der Gasthöfe, Gastwirtschaften und
330 Seiten gewidmet worden. Wir fin^
Kaffeehäuser, der Schlaf- und Herden hier Nachrichten über die Steinbergshäuser, der Badeanstalten und
brüche und Ziegeleien, die Leipziger
Turnhallen und der Gebäude für den
Westend - Baugesellschaft und deren
Sport verdanken wir dem Architekten
Mörtelwerk, Sägewerke und BaufabriA. Diefsner. In dieser Abtheilung
ken , die Industrie der Holz- und
finden wir unter zahlreichen anderen
Schnitzstoffe, Möbel und AusstattunGrundrissen und Ansichten eingehende
gen, die Eisengiefsereien, MaschinenMittheilungen über den Krystallbauanstalten, die Webindustrie, die
palast, der das Festhaus der WanderBuch- und Notendruckereien, den
vcrsaramlung werden wird.
lithographischen
Buntdruck, die
Der Architekt P. Schuster hat
Buchbindereien, die Fabriken äthedie letzte Unterabth eilung des
rischer Oele und die chemischen FaIII. Hauptabschnittes, die Denkmäler,
briken , die Räuchwaretiaürichterei,
Brunnen und die Friedhofe bauten
die Blüthnersche Pianofortefabrik,
behandelt.
Bierbrauereien und zahlreiche andere
Im IV. Hauptabschnitte des WerGruppen der vielgestaltigen Leipziger
Ecke der Schlofsgasae und Peters strafse.
kes hat der Oberingenieur Th. HätIndustrie. Mehrere Gruppen, vorAus „Leipzig- und seine Bauten",
tasch die StadtvermeBsung und die
nehmlich die Gruppe der Buch- und
Entwässerung der Strafsen bearbeitet.
Notendruckereien, enthalten aufser
Der Beitrag der Wasserversorgung hat den Ingenieur A. Thiera
den Nachrichten über den baulichen und technischen Apparat
aum Urheber und giebt mit klaren Zeichnungen und einer Innenauch geschichtliche Mittheilungen über die Entwicklung der einansicht Nachrichten über die beiden Wasserwerke der Stadt, die
zelnen Unternehmungen und gewähren durch zahlreiche InnenHochbehälter und das
ansichten einen Einblick
Stadtrohrnetz. Die Bein die verschiedenartigschreibung der Pferdesten gewerblichen Thätigbahnlinien, der Promekeiten.
naden und GartenanlaDas kurze Vorwort
gen ist aus der Fespricht in grofser Beder des Ingenieurs E.
scheidenheit die ErwarPrasse. Hier seien betung aus, dafs der Leser
sonders die Lichtdruckvielleicht finden wird,
bilder, welche diesen
dafs das Bestreben und
Abschnitt zieren und die
der Eifer, etwas gutes au
landschaftlichen Keize
leisten, in allen AbLeipzigs zur Anschauschnitten zum Ausdruck
ung bringen, hervorgekommen ist. Wir köngehoben.
nen heute schon ausDie Locomotivb ahsprechen, dafs das Werk:
nen sind vom Betriebs„Leipzig und seine Bauinspector Wiechei beten" nicht nur diese
arbeitet worden, wähErwartung rechtfertigen,
rend die Eiozelbehandsondern durch die reiche
lungen der Bahnhöfe in
Fülle seines geschichtLeipzig vom Regierungslichen, künstlerischen
Baumeister
Decker,
und technischen InBauinspector Weidner,
halts den Fachgenossen
Bau- und Betriebsinspecüberaus lehrreiche und
tor Königer, Betriebsjedem Gebildeten werthißspector Wiechei, Bauvolle Beiträge zur KenntiflspectorFahrenhorst,
nifs Leipzigs gewähren
Baurath
Gestewitz,
wird.
Villa Consul Limburger in Leipzig-Lösnig.
Bau- nnd BetriebsinEin freundliches und
1
spector
Blumenthal
Aus „Leipzig und seine Bauten".
reiches
Erinnerungsherrühren.
zeichen an die bevorDas Beleuchtungswesen ist, soweit es die Gasbeleuchtung angeht,
stehende Jubelfeier, wird eB allezeit von bleibendem Werthe und
vom Gasanstalts director Wunder, und in Bezug auf die elektrische
ein Ehrenmal für alle die Männer sein, deren Hingabe wir es
Beleuchtung vom Ingenieur Professor Dr. Foppl bearbeitet worden.
verdanken.
W,
370
27. August 1892.
Centralblatt der Bauverwaltung.
Eine Strafsenbahn mit Zahnstrecken (St. Gallen— Gais).
Im Anschlufs an den Aufsatz in Nr. 28 und 29 d. J. über eine
Zugleich ist hier und in der Abbildung 3 die Anordnung am SchienenStrafseilbahn mit gemischter Betriebsart gehen uns noch einige
stofs, sowie der Schwellenquerschnitt dargestellt. Die Querschwellen
weitere Mittheilungen zu, deren Veröffentlichung nur erwünscht sein
haben die bei der Gotthardbahn übliche Form, jedoch ohne die
kann, umsomehr, a]s derartige im Bau und Betrieb sparsam einzuKüpferschen Fufsleisten. Die Verbindung der Zahnstange mit den
richtende Anlagen zumal im Hinblick auf unser neues KleinbahnenSchwellen (Abb, 4) durch Vermittlung der Sättel mit nur je awei
gesetz volle Beachtung verdienen. Die Zuhülfenahme eines billigen
Bolzen gestattet die leichte Auswechslung der Zahnstange, doch
Zahnstangenbetriebes an solchen Stellen, wo der außschliefsliehe
dürfte an diesem Punkte auch die Schwäche des Üufserst sorgfältig
Reibungsbetrieb erheblich höhere Baukosten und weit höhere Schwieconstruirten Oberbaues zu suchen sein. Nicht unerwähnt bleibe, dafs
rigkeiten und Leistungsunsicherheiten für den Betrieb herbeiführt,
zur Herstellung des Oberbaues für die in 30 m Halbmesser und 90y/oo
erscheint in der Tliat als das geeignete Mittel,
Steigung (nicht in der stärksten Steigung von
auch in den bergigen Gegenden Nord- und
92 °/oo, wie die oben erwähnte französische Quelle
Mitteldeutschlands manche bisher entlegene Bergangiebt) liegende Zahnstangenstrecke, welche
thäler mit alter, aber an die Stelle gefesselter
zur Gewinnung der Gantonalstrafse oberhalb St.
heimischer Kleinindustrie an das allgemeine VerGallens dient, besonders genaue Arbeit nöthig
kehrsnetz anzuknüpfen und somit einer wirthwar. Die Bohrungen für die Zapfen der radial
schaftlichen Hebung entgegenzufahren. Es wäre
gestellten Zähne der Zahnstange mufsten mit
deshalb wohl zu wünschen, dafs dieses System
gröfster Sorgfalt ausgeführt werden, um gerade
des „gemischten Betriebes", welches für schweren
auf dieser schwierigsten Strecke eiuen ruhigen
Verkehr u. a. am Harz und im badischen HöllenGang der Fahrzeuge zu sichern, was vollthal längst erprobt, aber auch für leichte Schmalständig gelungen ist. Verfasser kann bestätigen,
spurbahnen andernorts bestens bewährt ist, nun
dafs die Zahnstangenstreeken auch in den Einauch in Deutschland bei Anlage von Neben- und
fahrten viel ruhiger durchfahren werden, als auf
Kleinbahnen mehr als bisher in Betracht geden ähnlich ausgeführten Strecken am Brünig
zogen würde. In vielen Fällen liefse sich zweij
und bei Interlaken.
fellos dadurch eine erhebliche Verminderung an
Durch Bundesbeschlufs vom 23. Juni 1887
Verzinsung der Baukosten und an Betriebsausist dem Landammattn C. Sonderegger in Appengaben erzielen, indetn bei geeigneter Anwendung
zell die Conceasion zur Fortsetzung der Bahn
an Baulänga und an Locomotivgewicht, also au
bis Appenzell ertheilt worden. Diese rund 5,4 km
todter Last, beträchtlich gespart, zugleich aber
lange Strecke soll insgesamt 1,7 km Zahnstrecken
eine weit gröTsere Sicherheit dea Betriebes und
erhalten. Derselbe Herr ist Concessionär einer
St. Gallen
der Leistung — namentlich durch sehr verminBergbahn von Appenzell auf den Santie. Die
611,30 14,000 WJB.
XIV
derte Abhängigkeit von Witterungs- und SchncoBahnlänge soll 15,5 km betragen, davon sind
verhältniBBen — erreicht werden kann.
6,5 km Reibungsstrecken mit Steigungen bis
Längen 1 : 400 000, Höhen 1 : 4000.
Wir lassen die erhaltenen Mittheilungen
25 °/oo und 9 km Zahnstrecken mit Steigungen bis
Abb. 1, Höhenplan.
über die Bahn St, Gallen—Gais hier folgen.
185 %o. Die Spur soll 1 m betragen.
1. Auf Seite 292 u. f, wird ein Auezug aus der Veröffentlichung
Ziegenrück, 23. Juli 1892.
der französischen Ingenieure Martin und Clarard nütgetheilt über die
Henning, Königl. Kegierungs-Baumeister.
Strafsen-Locomotivbahn gemischten Systems von St. Gallen nach Gais.
Von allgemeinem Werth zur Beurtheilung dieser eigenartigen Bahn
2. Zu dem Aufsatz in Nr. 28 u. 29 werden dem Unterzeichneten
anläge dürften noch einige ergänzende Angaben sein, welche der
einige weitere, sehr dankenswerthe Aeufserungen von dem Erbauer
Unterzeichnete gelegentlich einer Bereisung
und Betriebsleiter der Appenzeller Strafsender damals noch im Bau begriffenen Linie
bahn, Herrn Iogenieur O. Sand in Teufen,
durch den bauleitenden Betriebsdirector
übermittelt. Herr Sand berichtigt zunächst
Herrn Sand erhalten hat.
einen Punkt, welcher in der französischen
Zuvor mag erwähnt werden, dafs diese
Quelle und danach auch in unserer DarStrafsenbahn nicht die erBte ihrer Art ist,
stellung nicht ganz zutreffend dargestellt,
denn es bestand bereits vor ihrer Betriebsweil noch während der Ausführung gegen
eröffnung eine Locomotiv-Strafsenbahn mit
den anfänglichen Entwurf geändert ist,
Zahnstrecken in den belebtesten Strafsen
nämlich bezüglich der Brems Vorrichtungen
Abb. 3. Schienenstofs,
1
1
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L"
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1
1
1
f1.
i
1
Querschnitt
durch die Zahnstangen verlaschung.
Abb. 2.
Neapels, im Corso Vittorio Emamiele und in der Strada Salvator Rosa.
Bei der Linie St. Gallen—Gais, deren allgemeiner Längenschnitt
in der Abbildung 1 dargestellt wird, sei bezüglich des Unterbaues
noch hervorgehoben, dafs durch die Einschränkung der Breite der
Oantoüaistrafse diese von einer Strafse 1. Klasse auf eine Strafse
2. Klasse herabgesetzt wurde. Bemerkenswerth ist bei einer derartigen Anlage der Oberbau. Den in Nr. 28 mitgetheilten Mafsangaben mag daher in der Abbildung 2 noch der Schienenquerschnitt
mit der Befestigung auf den QuerHchwellen hinzugefügt werden.
Abb. 4. Zahnstangenstofs.
der Locomotiven. Diese haben anfser der Einrichtung der vier Cylinder
zum Luftbremsen der Reibungs- und Zahntriebräder (sowie der auf
die Wagen wirkenden Kloseschen Luftdruckbremse) an den Triebrädern keine weiteren Bremsmittel, sondern nur an der Tenderachse,
und zwar a) eine mit Handspindel bewegte Klotzbremse für die beiden
Laufräder, b) eine ebenfalle mit Handspindel bewegte Klotzbremse
(nicht Bandbremse) für das lose auf der Tenderachse befindliche
Zahnrad. Dieses ist von zwei glatten (nicht, wie anfangs beabsichtigt, geriffelten) Bremsscheiben fest eingefafst und hat mit ihnen zu-
1fr. 93.
Centraiblati der Bauverwaltung.
sammen ein seitliebes Spiel von $ cm auf dar Aehse. Auf jede der
beiden BremMcheibeö wirkt ein Klotzpaar;
Die Wagen haben* sämtlich drei Achsen, wovon die mittlere verschiebbar ist, die' beiden aufwaren sieh nach der Mittelpnnktsrichtung
einstellen können. Auf der Mittelachse befindet «ieh die gleiche
Zahnraäbremse wie Auf der Teuderaebie: swei (nicht geriffelte)
Bremsseheiben mit j e einem Klotepaar. Auf dar Mitte jeder Attfsenaehse befindet, sieh eise Bremsscheibe mit zwei Klotebacken zum
Hemmest der X,aufrftder. Biese Bremsschßibe ist wegen der Drehung
der Achsen nicht zylindrisch, sondern nach Form einer Kugelzone
gestaltet. Beide Bremsen, für das Zahnrad wie für die AtifsenachseD,
werden durch die Luftdruckleitirag angetrieben, sobald deren Spannung unter 6 Atmosphären sinkt, können aber such durch Handspindeln bewegt werden.' Daf» die AufBenachsen dich wirklich
radial einstellen, goht am der Thateache hervor, dafs bei starker
AbnutoUDg der Laufflächen die Bader noch gar keine Abnutzung der
Spurkränze zeige», *
, .
,
r
Herr Sand tbeilt weiter mit, dufa auf den Zabnstrecken stets mit
der (in N>. 29 bezeichneten) Verbnadwirkuug gearbeitet wird, ein
Antrieb des Zabntriebrades mit voll gespanntem Dampf sich also
nicht als erforderlich gezeigt hat.
Fast alle Zügä haben, für die ganze Strecke die gleiche Zusammensetzung; das mittlere Zuggewicht von 62 t bezieht sich also
auch auf die stärksten Steigungen. Eine Verstärkung de« ^ugee für1
den flacheren Theil der.Linie, also in Nieder teufen, tat schon wegen
Fehlens -von Nebengleisen unmöglich. ' Uebrigens werden Züge von
80 t Gewacht (B2t "für die Loeomotive u»d 48 t für fünf beladene
Personenwagen) selbst bei nassem-Wetter, und «war mit Verbundwjrkttag, unter Einhaltung des .Fahrplans (10 km auf der groTaten
Steigung) über die ganze Strecke, auch aufwärts befördert.
Sebr bemerkenswerth ist es, dafs auch hier nach Herrn Sands
Mittheilüngenj ebenso wiej bei der Harzbabn, das Zahnrad sich als
«in vorzügliches Mittel erwierien hat, die durch Schnee veranlafsten
Hindernisse att: überwinden. Während an den ReibungsstKecken,
namentlich bei Voller Ekikieaung der Schienen auf Ueberwegen, die
Spurkränze im Schnaft leicht auflaiifön und dann die Anhaftung aufhört, ist bei den Zahnstrecken das Zahnrad stets der Fortbewegung
sieher. nDa* Äahnrad der Locotnotive oder eines Wagens drückt
den Schnee mit Leichtigkeit zwischen die Sprossen nieder, und die
Reinigung der Leitereahnstange von Schnee Und Schmutz hat noch
nie irgend: welche Schwierigkeit bereitet. • Die Zahaetrecken verlangen
im Winter am allerwenigsten Arbeit, am meisten dagegfeö diejenigen
iteibungflßtrecken, auf denen-die Schienen ganz" eingekiest sind. Jede
Loeomotive trägt« den; ganzen Winter hindörch vom ein- zugespitztes
Blech als Schneepflug. Dies hat bis jetzt genügt* nnd wir haben
bereits-drei strenge Winter: hinter uns. Bei jedem Schneefall in&tfit
zuerst die Bahn ihren Pfad und wirft dabei einen Tbeü des ächneeB
auf die LanfUtfaTs«; dann kotami der Sehneepflug der Strafsenl
und wirft wieder einen Theil anf dea Bahnkörper, Dieses
gegenseitige Zuwahiaben des Schnees datiert eitlen halben Tag; es
bildet sich Zwischen Bahn und Strafae ein gotmeegrath, der BchliefslioK binausgeachaufelt -wird.* . . . . . tftm letuten Winter war einmal
über Nacht ein Behneeüall VOB beinahe I m Höhe eingetreten. Qhife
dsft vorher irgendwo Schnee beseitigt worden würe, sind wir toit
dem ersten Mö£gen*uge ^-freilich nar I*ocoH«rtive und einWagQn,^-*
ohne irgend welchen Anstand und obne Verspätung hindurch«
gefahren.^
;
(
r
Diese auf Erfahrung beruhenden Aenfserangen sind wohl ge«gnef,
das noch manciitaaL auftretende Yorurtbeil KO beBeitigcii, als ob dflt
Zahnstangenbetrieb idnrch Schnee leichter behindert werden, könnt«
als der Beibungsbetrieb. . Das Gegentfaeil ist der Fall,
'
.:.«.'
Ale weitere Vorzüge der ausgeführten Strafeenbahh gegenfibe»
einer anf selbständigem Erdkörper zu. banenden Eeiban^sbahn fflHrt
Herr Sand noch die folgenden an: günstigere Lage der Stattonäil
mitten in den Ortschaften; Möglichkeit zahlreicher Haltcatelleii je
nach Bedarf; endlich reizvollere Aussiebt, weil nänüioh die Fahrt
mitten dnreb die schmucken AppenzeUiaphen. Ortacbaften mit ibreni
Leben und Treiben besonders erfreulich sei.
- : •••','
••• Was die Bauart der Zahnstange -ftabetrifft, «n • giebt Herr Sand
der Leiterzahnstaüge entschieden, den Vorzug vor 4.et mehrtheilfgeit
Ablachen Anordnung, washusr wegen dea gegentbeiügen Standpankte«
des ersten Berichterstattera ausdrücklich bemerkt werden mag*, Er bfr:
ireichoet die Leiterzahnstange als wesentlich gedt«gener nnd nicht vifil
theurer und befürchtet TOU der mehrtbeiligen, ans • schwächeren Btücien
gebildeten Anördnimg raschere Abnutxoag, indem er di«
p k
vertheilung auf, die einzelnen Baader der Abtöchdn Zahnachiefte
der Beweglichkeit der Zfthnacheiben uitht für Mnrei&hend. gl
mäfeig halt, mindestens ip .Krümmuügeu, sofern wie bifihär alle Lamellen gleiche Zlahntheilüng e^Kulten. . ,
'."".,' ' ' [ . ! " * * . •
Es dürfte, zutreffen, daTs bei so scharfen Krüimnlingen, ^wie sie
die Appenzelter Stratseübfthn aufweist, anch die nl^ittbeilWe Äahnf
stange besonderer Ybr6itbtsüiafsregeln, wie namentlich vefßßaiödene^
Zahntheitttng? bedarf. Dafs aber mit «olehen Mitteln die erforderlicheDrückvfertheilung wohl erreichbar sem dürfte, daiul1 scheine^
die bisherigen Erfahrwageil bei der Haris- und andereii Bahnen 4er
Art zu sprechen, ' Solche Druckvertheiluäg votäusge^etztj möchte
aber doch der mehrthellige, etetige föngriff, sowie, die Einheitlichkeit
von Zahn und Stange bei jeder Lamelle üh&t zu uiiterBchRtzeß seid.
Auch bezüglich der WegeabetfahrsteÜWi Öebt Serr Saud "de*r
Leiterscbiene den Vorzug, weil sie bereits Alt' T#atigeii vefsehett iflf,
welche der mehrtheiligen Zahnstange erst'Äib. fioteheri'StÖii^i Jitt'gefügt werden müTa. Dieser Zuthat steht aber" >Mö geringere Breite
der LaBieUeazähnstange als Vortheil gegenüber. '
, * •
Eine endgültige. Entscheidung über die Voraüglichkeitdet eineij
oder der anderen Bauart dürfte wohl — wie bei s« manchen Oberbaufragen — erst nach läugerdr Erfahrung möglich sein. Recht er1
wüogcht. ist es jedenfalls, solche J&Habrnngen zn samineln und zur
allgemeinen Kenntnifs .zu bringen/
'
A-Göering.
(
Vermischtes.
hat der Berliner ArchitektenHüter; seinen Mitgliedern eröffnet; die näheren Bedingungen nebst
Lagepl&nen sfed den letzteren gedruckt zugegangen.
• • \,
<
1, .Entwurf au, einer; Villa; in der VilleaoQlonie G r u n e wald... Die zt»r Wobaung fyr eine FafflUie bestimmte Villa soll auf
einem grofsea,; jelwas über 100 m tiefen; zwischen der Winklerstrafae
und den* &öftigseo gelegenen Qrnndstäck allseitig freistehend errichtet werden», Die Wahl des Stil« «nd des Baumaterials iet freigestellt. Baukosten 60-70000 Mark Für den basten Entwurf ist ein
Preis von ]000 Mark) für den aweitbeatea «in sokafit von 5Q0 Mark
ausgesetzt. Ablieferungsfrist 19. September d. J., nachmittags ? Uhr.
2, E n t w a r f z« aiuör e v a n g e l i s c h e n ; Kirch« für die
O r a n i e n b u r g e r V o r s t a d t in S p a n d a u mit 1500 Bitz^ und etwa
^00 Stehplätzen im. Schiff un.d erforderlichenfalls auf Emporen. Di«
durch Kqstenüberachlag nächst*weisende Ge»amtkostensunime darf
260 000 Mark picht überschreiten, Die Kirche ist fUr eittfaft&en
Backsteinhan unter möglichst geringer Verwendung von Terracotten
zu entwerfen, Für die bwten Entwürfe -stehen zwei Preise vo»
i 2000 Hark zur Verfügung, die nach dem Werthe der Arwerdea sollen- Altlivferu&gafriat 14. November d. J^
nachmittag» 2 IJhr. ,
. ,
Ufcfter Äen Werth der Betafftnnysprobcn eiserner Bracke».
Auf Seite 346 d. Dl. d&cht Herr Q. die -Beweiekrtift der auf Seite 288
i MiUbtiihjug, dafs die statische Berechnung uad dieTTnteTde» baolrlsben Zastandes der fraglichen Brocken der Bftdi*
ÖUatebttbn sebon für sich allein die TJnznlanglicbkeit der
örwieaen, und dafo die B«l40tttng9pr«^en ledi^lieh di»:gÄwonne»e Erkennöüf» bestätigt boiw, d^tselbun nicht widersprochen halitn, dadurch abzu*chwüchent di/i er aoa den Acten den
Heichseidenbahnamts «ine eritgegeitgesetäte Meinung der ob*rsteti
Badisfthen Behörde tetaüBsalesen sieb bemüht, ßr b&tie wohl sicherlich einen derartigen Versuch unterlassen, Wenn er aufse* einigeä
ActenstüCken aucÜ die thatsüolilichen Verhält&iBB&, auf Grnnd -deren
allein ein zutreffendes Urlheil möglich ist, gekannt hKtte, Es dürfte
die« sur Genüge aus folgenden awei Beispielen'öefrvor*gehen. •
'
Bei der Grlaöttägetbröoke bestanden die En behebenden Maia^«l
der Elfleireonstruction im Genien ©Snes oberen LUngBVerbfrndes uttd
in der Üeberanatrengnng der oberen GurtosgCn infolge nstaittelbarer
Sehwellenttoflftgetungl Zur Erkennting des eratgetumtiUn Mangel»
bedurfte es offenbar keiner besonderen- ProbebelafttdDg; der «weit*
kommt bekanntlich in der Oröf&e der Tr'ftgerdurehhlegnng überhaupt
nicht zum Atisdruck nad konnte nur daxch die staüache Börecbnung
nachgewiesen'weiden.
•
-....•, i
Bei der Offetfburger Kihzigbrücke ergab die letzte Probebelastang
die gleiche Durchbiegung wie die in den froheren Jahren vörge*nboimenen, sodafs hiernus ein zwingender Grund fik einen ^eob««
nicht abgeleitet werden konnte/ Dagegen Beigten die eiogehendeii
Untersuchungen des Eisenwerks zahlreiche Mängel, insbesoadert
starke Einfresonngen durch Bost an eiaeelnen Stellen der obifenln
schon hoch beanspruchten Qartangen. Für dies« Stellen ergab dt*
statische Berechnung bei Belastung beider Gleite durch Locomotivem
Spannungen bi« au 2000 kg/qomt Iietui8pmc.hongou, die zweifellos für
Bicb allein schon genügten, die dringende Notwendigkeit eutes J*«f
banes zu erweisen,
„
- A ^K^V 8 .«? 1
UHOftüsatiousvorfahren aach v. Nft4elik Iu jedem iiacb u
des: Schwammsystems entwäieerton Hsuöe befindet sieb ötne in ^
Stammrohr ein^esehaltete Vorriohtuag, die Von dftß Fltiasigfeeilaü
groben und festen Koththetle absondert und Bte mit TorfmoH
Centralblatt der Bauverwaltung.
372
thätig überwirft. Die Wässer fließen zu dem Zweck über eine
mäfsig gekrümmte, nach unten zu schärfer eingezogene Metallßäehe,
von der die Koththeile an der Wendelinie der Fläche abfallen. Die
Wässer selber haften nach den Gesetzen der Adhäsion an der Fläche,
gelangen in eine Sammelrinne und aus dieser wieder in -das 211 det
öffentlichen Strafaenleitung führende Stammrohr des Hauses. Wenn
man nun erwägt, dafs Koth im wesentlichen aus werthlosem Faserwerk und 75 v, H, Wasser besteht; dafs er nur den 9, Theü des
Werthee der menschlichen Ausscheidungen beträgt; dafs der werthrolle Urin ganz zum Abflufs kommt; dafs selbst der Koth, weil er im
Hausrohrnets schon zertrümmert wird, nicht völlig — vielleicht nur
60v.H. davon — abgefangen wird; dafs die Reinhaltung und Unterhaltung der Trennung&vorrichttmg, die Beschaffung des Torfmulls, die
Abfahr der Kotb-Torfinischung, die erforderliche polizeiliche Aufsicht
lästig und schwierig sind, ohne dafs die Beschaffenheit der Stadtabwässer sich ändert, — so ist schlechterdings nicht einzusehen,
welche Förderung die öffentliche Gesundheitspflege von dem NftdeinVerfahren gewinnen soll. UeberdieB will der Erfinder, ein russischer
Capitän, die vom Koth befreiten Wässer noch an einer andern
Stelle des Hauses filtern — wozu und mit welchem Erfolge ist unerfindlich. Kurz — das Verfahren taugt nichts und beruht auf Verkennung des Werthes der menschlichen Ausscheidungen, der Vorgänge in einem Hausrohrnetz nnd einfacher wirtschaftlicher That•achen. Ein Drnckheft über da» Verfahren enthält durchweg fehlerhafte Ansichten, ZahlengröTsen und Berechnungen, Es ist darin auch
angegeben, wie die Innenräume des Hauses mittels des in den
Abflufsleitungen Bich bewegenden Waaeers nebenbei gelüftet werden
• können*
Knauff.
Bas Betrlebaergebnifs der elektrischen City- nnd Sildlondonb&hn, von der in diesem Blatte mehrfach die Rede gewesen ist
(Jahrg. 1889 S. 269, 1890 S. 464 und ausführlicher 1891 S. 18 — an
letztgenannter Stelle ist auch ein Plan der Bahnanlage gegeben —),
hat sich seit ihrer Eröffnung langsam, aber stetig gebessert, sodafs
die besten Hoffnungen für die Zukunft gehegt werden. Im ersten
Halbjahr des Betriebes — Januar bis Juni 1891 — reichten die Einnahmen nur aus, die Betriebskosten und die Zinsen der Hypothek
(debentures) zu decken, im zweiten Halbjahr konnten noch die Zinsen
der Vorzugsactien bezahlt werden, jetzt haben auch die gewöhnlichen
Aetionäre Va v, H- erhalten. Man hätte ihnen 3/* v* H. gewähren
können, hat es aber vorgezogen, den Mehrgewinn, rund 20000 Mark,
zur Rücklage abzuführen.
Im verflossenen Halbjahre sind 2813000 Personen auf der Bahn
befördert worden, d. i. ein Fünftel mehr als in dem vorhergehenden
Halbjahre. Dabei ist der Zeitkarten verkehr hinzugerechnet, der etwa
100000 Reißen ausmachte. Auf einen Zug entfielen in den drei aufeinanderfolgenden Halbjahren durchschnittlich 45, 46 und 47 Personen.
Die Züge fassen bekanntlich nur 100 Fahrgäste.
Die Gesamteinnabme des letzten halben Jahres betrug 430600 Mark
gegen 393000 Mark im vorangegangenen Halbjahr. Der Reinertrag
ist auf 128 500 Mark, ä. i. um 46 000 Mark-, gestiegen. Die Ausgaben
haben in den drei Halbjahren des Betriebes 79, 76 und 70 v. H, betragen, sind also erheblich herabgegangen. Die Geäamtkosten des
elektrischen Betriebes stellten sich zuletzt anf 40 Pf. für das Zugkilometer, während sie im ersten Halbjahr 46,6, im zweiten 41 Pf.
betragen haben. Die Locomotivkosten ßind im letzten halben Jahre
um 11000 Mark gefallen. Der Fahrpreis betrug anfanglich für alle
Strecken gleichmäßig 2 Pence ^= 162/B Pf. Später wurden einige Verschiedenheiten eingeführt, die den aus einer Reise erzielten Durchschnittsbetrag etwas zurückbrachten, und zwar von 15,8 auf 14,4 >Pf.
Dem wachsenden Verkehr ist durch Verstärkung des Betriebes
Rechnung getragen worden. Die dichteste Zugfolge beträgt jetzt 3l/a
Minuten. Eine gröTsere Verstärkung kann gegenwärtig nicht vorgenommen werden, weil nicht ausreichend Nebengleise vorhanden sind.
Auch die steilen Bahnneigungen unter dem Flusse bieten dem Betriebe
Hindernisse. Man ist daher vorläufig nicht in der Lage, der steigenden UeberfUUung der Züge in den Hanptverkehrsstnnden abzuhelfen.
In dieser Beziehung können erst Erleichterungen geschaffen werden,
wenn die Vorlage, betreffend die Verlängerung der Bahn durch die
City nach Islington, die jetzt dem Parlament vorliegt, genehmigt sein
wird, da mit dieser Ausführung erst die nöthigen baulichen Veränderungen vorgenommen werden können. Die Anlage einiger Nebengleise
in StockweU gedenkt man schon jetzt zu bewirken.
Km.
Eisenbahnen in Birma. Die indische Eisenbahnverwaltnng hat
ein volles Anrecht darauf, mit ihrer Thätigkeit in Birma und deren
Ergebnissen zufrieden zn sein. Als die Annexion von Ober-Birma
vollzogen war, wurde die Linie Rangoon-Tounghoo bis nachMandalav
weiter geführt. Diese Ausdehnung der Bahn war von grofoem Erfolge begleitet. Zunächst entsprach ihr eine ebenso bedeutende
Ausdehnung des Handelsverkehrs. Aber auch die Anzahl der im
Jahre 1891 beförderten Personen macht staunen, wenn man die allVerlng von Wilhelm KrnBt * Soün. Berlin.
27. August 2892,
gemeinen Verhältnisse des Landes berücksichtigt: sie beträgt nämlich
ein gut Theil über 300 00Q und entspricht einer Einnahme von. mehr
als zwei Lackh Rupien. . Die Güterbeförderung
hat sich tun 60000
Tonnen gehoben, d. i- in Einnahme um l1/» Lackh Rupien. Wenn
die Linie durch das Mu-Thal nach Kathaf — was bald erhofft wird —
und womöglich bis nach Moganng weiter geführt sein wird, so werden die Einnahmen in noch .gesteigertem Verhältnifs sich mehren.
In noch etwas höherem Mafse gilt das von derjenigen Bahnlinie, die,
von der Tounghoo-Mandalay Bahn nach dem Irawaddi zu abzweigend,
nach dem blühenden Pukoku führt. Die birmanische Bevölkerung
steht den Bahnen mit der freundlichsten Theilnahme gegenüber. Sie
reist sehr gern vermittelst derselben und hat es vor allem bald begriffen, welch angeheure Vortheile sie aus dem Umstände seht, dafs
sie ihre gewerblichen und landbaulichen, Erzeugnisse jetzt schnell
von einem Orte zum andern befördern kann. Auch in weiterer volkswirtschaftlicher Beziehung hat sich die ganze Anlage als höchst
segensreich erwiesen, indem es durch sie ermöglicht wurde, während
der knappen Jahreszeit zahlreiche Bauern und Arbeiter aus den
nördlichen nach den vorteilhafter gestellten Gebieten des Südens zu
werfen und so einen zeitweisen und Örtlichen Ausgleich in der Bevölkerungsmenge hervorzurufen, der der Gesamtheit wie den Einzelnen
in gleich hohem Mafae «u gute kam. Eines fehlt noch, das ist eine
unmittelbare Eisenbahnverbindung mit Indien. Eine solche mit ihrer
Gewährleistung des Absatzes nach aufsen würde europäische Landbauer in daB Gebiet ziehen, welche erst die grofsen Hülfsquellen des
Landes ersehliefsen würden. Man wird sich mit der Zeit einer Weiterentwicklung der Dinge in dieser Richtung nicht entziehen können.
Mittlerweile werden die Linien des inneren Netzes aber in der gegenseitigen Aufschlief&ong der einzelnen Landestheile gut vorarbeiten.
Bücherschau.
Das Recht der Eisenbahnen In Preniben. Systematisch dargestellt von W. Gleim, Geh. Oberregierungsrath, vortragender Rath
im Königlich preufsischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten.
Erster Band, zweite Hälfte, 1. Abtheilung. Berlin 1892. Fran* Vahlen.
200 8. gr. 8°. Preis 3,60 JL
Die erste Hälfte dieses Bandes ist im vorigen Jahrgang S. 304
des Centralblattes der Bauverwaltang angezeigt. Die vorstehende
erste Abtheilung der «weiten Hälfte enthält eine vollständige, in sich
abgeschlossene und abgerundete Darstellung des Eisenbahnbaurechts, sie verdient also in besonderem Mafse die Aufmerksamkeit
der Leser dieses Blattes. Sie werden daraus ersehen, dafs das
preufsische Eisenbahnbaurecht nur zum geringsten Theile auf gesetzlicher Grundlage beruht. Insbesondere fehlen, wie 3. 184/185
vom Verfasser richtig bemerkt wird, „Gesetzesnormen, die Anordnung
darüber treffen, in welcher Weise den Interessen der Wege-, Wasser-,
Feuer- usw. Polizei Rechnung zu tragen sei, in Preufsen gänzlich,
und es ist daraus der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung die
Aufgabe erwachsen, aus dem Bedürfnifs und aas der rechtlichen
Natur dieser staatliehen Functionen heraus die Grundsätze für die
Planfeststellung und die Rechtswirkungen der dabei getroffenen Anordnungen zu entwickeln. Das preufsische Eiienbahnbattrecht ist in seinem überwiegenden Theile ungeschriebenes
Recht." Eine wissenschaftliche Darstellung dieses ungeschriebenen
Rechts suchte man bisher in der Litteratnr vergeblich. Sie war auch
mit ganz besonderen Schwierigkeiten verknüpft, da sie einerseits die
vollkommene theoretische Beherrschung des sehr spröden Stoffes bedingte, anderseits aber von niemand geschrieben werden konnte, der
nicht sozusagen mitten in der Praxis des Eisenbahnwesen« stand.
Beide Eigenschaften sind bei Gleim vereinigt, der bekanntlich auch
über den hier behandelten Gegenstand seit längeren Jahren Vorlesungen an der Berliner Universität hält. Die Lösung der schwierigen Aufgabe ist ihm aber in geradezu mustergültiger Weise gelungen. Die Vorzüge der eroten Abtheilung des Bandes, eine klare,
einfache Sprache, eine gedrungene und doch erschöpfende Darlegung
des Inhalts, eine überzeugende Beweisführung, die insbesondere auch
dem gebildeten höheren Eisenbahntechniker völlig verständlich ist,
kehren auch in der vorliegenden Fortsetzung wieder. Von besonderem
Werthe erscheinen die Erörterungen Über die Wegepolizei (Bahnhofßzufuhrwege usw.) §§ 44 bis 46, und die Darstellung des Einflüssen der
Interessen des Frivateigenthums auf den Ei Benbahn bau (§ 51), wobei
auch die so ungemein schwierige und verwickelte Frage über da»
Verhältnifs des § 14 de« Kisenbahngesetzes «um § 14 des Enteignungsgesetzes vollständig und klar behandelt wird. Ueberall werden
ferner auch in dieser Abtheilung des Werkes die Verhältnisse anderer
wichtiger Staaten, insbesondere Qesterreichs, der Schweiz und Frank'
reichs zum Vergleich herangezogen. Die zweite Abtheilung und damit
der Schlaf* des ersten Bandes des vortrefflichen, aufs dringendste
zu empfehlenden Werkes wird vom Verleger noch im Laufe diese»
Jahres in Aussicht gestellt.
—».
Für den nichtamtlichen Theil verantwortlich 1 O. Sarrazin, Berlin.
Druck von J. KerBkea, Berlin.