Vom Personalleiter zum Pförtner?

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Vom Personalleiter zum Pförtner?
Vom Personalleiter zum Pförtner?
Änderungskündigung als Bürokratiemonster!
Dr. Jobst-Hubertus Bauer, Dr. Thomas Winzer, Gleiss Lutz Büro Stuttgart
Dieser Artikel ist erschienen in: BB 2006, Heft 5, Seite 266
Vor Ausspruch einer Beendigungskündigung muss der Arbeitgeber prüfen, ob eine
Weiterbeschäftigung auf freien Arbeitsplätzen möglich ist. In zwei Entscheidungen
vom 21. 4. 2005 (2 AZR 132/04 = BB 2005, 2691 und 2 AZR 244/04 = BB 2006, ?) erweiterte das Bundesarbeitsgericht den Kreis der zu berücksichtigenden Stellen.
Arbeitgebern wird diese Rechtsprechung erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Gekündigten Mitarbeitern eröffnen sich hingegen beachtliche taktische Möglichkeiten.
Der Beitrag stellt anhand typischer Fallgestaltungen praktische Konsequenzen der
neuen Rechtsprechung dar.
1. Einleitung
Nach Rechtsprechung und herrschender Lehre ist eine Beendigungskündigung nur wirksam, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht (ultima-ratio-Prinzip)1. Bei einer betriebsbedingten Beendigungskündigung ist eine weniger einschneidende Maßnahme die
Weiterbeschäftigung auf einem anderen freien Arbeitsplatz. Die Pflicht zur Weiterbeschäftigung ist nicht betriebs-, sondern arbeitgeberbezogen 2. Eine freie Stelle muss der Arbeitgeber ggf. im Rahmen einer Änderungskündigung anbieten. Das ultima-ratio-Prinzip gilt
auch für Änderungskündigungen. Kann der Arbeitgeber den Mitarbeiter auf den anderen
Arbeitsplatz versetzen, wäre eine trotzdem ausgesprochene Änderungskündigung unwirksam3.
Der freie Arbeitsplatz und die neuen Arbeitsbedingungen müssen für Mitarbeiter und Arbeitgeber zumutbar sein4. In den Urteilen vom 21. 4. 2005 entwickelt das BAG neue
Grundsätze für die Prüfung der Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung für den Arbeitnehmer. Zuvor legte das BAG5 und mit ihm die Literatur6 objektive Maßstäbe an. Geringerwertige Arbeitsbedingungen (Stellen) mussten nur angeboten werden, wenn sie aus der
Perspektive eines objektiv urteilenden Arbeitgebers dem sozialen und wirtschaftlichen
1
Kritisch hierzu: Annuß , NZA 2005, 443.
BAG, 17.5.1984 – 2 AZR 109/83, NZA 1985, 489; BAG, 25.4.2002 – 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605. Diese Ansicht widerspricht dem Wortlaut des § 1
Abs. 2 Satz 2 KSchG, der einen Widerspruch des Betriebsrats verlangt. Hierüber setzt sich das BAG mit dem Argument hinweg, der Kündigungsschutz sei unternehmens- und nicht betriebsb ezogen.
3
BAG, 26.1.1995 – 2 AZR 428/94, EzA § 2 KSchG Nr. 21; ErfK/Ascheid, 6. Auflage 2006, § 1 KSchG Rn. 121; v . Hoyningen-Huene/Linck , 13. Auflage
2002, § 2 KSchG Rn. 32a; KPK/Schiefer/Meisel , 3. Auflage 2004, S. 246f. Rn. 962ff.; Stahlhacke/ Preis, 9. Auflage 2005, Rn. 1007ff, 1278.
4
Ständige Rspr. des BAG: 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, NZA 1985, 455; erneut bestätigt durch BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691, und BAG,
21.4.200 – 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294.
5
BAG, 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, NZA 1985, 455 unter II. 3. c) aa) der Gründe, BB 1985, 1130.
6
KR/Etzel, 7. Auflage 2004, § 1 KSchG Rn. 225; Tschöpe, BB 2000, 2632; Gaul/Kühnreich, BB 2003, 254.
2
Status des Mitarbeiters entsprachen. Erforderte die Tätigkeit eine erheblich geringere
Qualifikation oder war die Vergütung erheblich niedriger, war sie unerheblich7. In seinen
Urteilen vom 21. 4. 2005 wechselt das BAG zu einer subjektiven Betrachtung. Der Arbeitnehmer müsse selbst entscheiden, ob er Einbußen und Nachteile akzeptiert, die mit einer
neuen Stelle verbunden sind. Ein neues Vertragsangebot könne nur in Extremfällen unterbleiben. So müsse dem bisherigen Personalchef die Pförtnerstelle nicht angeboten
werden (so das Beispiel im Orientierungssatz (!) des Urteils 2 AZR 244/04), anscheinend
aber die Beschäftigung als Personalreferent. Den Tatbestand eines „Extremfalls“ definiert
das BAG nicht und verursacht damit große Rechtsunsicherheit. In größeren Unternehmen
gibt es zwischen Geschäftsführung/Vorstand und Pförtnern regelmäßig eine Vielzahl freier
Stellen, für die insbesondere Führungskräfte fachlich geeignet sind. Selbst während eines
Personalabbaus sind oft Arbeitsplätze zu besetzen, z.B. in anderen Betrieben. Mangels
Definition weiß der Arbeitgeber nicht, ob ein Extremfall vorliegt. Der Kreis zu berücksichtigender Arbeitsplätze ist faktisch grenzenlos, was zu praktischen Problemen führt. So wird
z.B. die Personalbetreuung für Führungskräfte regelmäßig nicht alle freien Stellen in den
verschiedenen Betrieben des Unternehmens kennen. Nach der neuen Rechtssprechung
kann aber die Kündigung einer Münchener Führungskraft wegen einer freien Assistentenstelle in Berlin unwirksam sein. Steht eine Personalreduzierung an, müsste der Arbeitgeber sofort alle Stellenausschreibungen stoppen, um Schwierigkeiten zu vermeiden.
Möglicherweise veranlassten die Hartz-Gesetze den 2. Senat zur Änderung seiner Rechtsprechung. Früher erwog er einen Rückgriff auf die Zumutbarkeitskriterien des Arbeitsförderungsrechts8. Dieser Ansatz ist systemwidrig, weil das Sozialrecht anderen Zwecken
dient 9. Folgerichtig lehnt der 8. Senat eine Schadenersatzpflicht ab, wenn der Arbeitgeber
seinen Mitarbeiter nicht auf die Meldeverpflichtung nach § 37b SGB III hinweist10. Die unterschiedlichen Ziele von Arbeits- und Sozialrecht sind auch im Kündigungsschutzrecht zu
beachten.
Nachfolgende Beispielsfälle stellen die praktischen Auswirkungen der Rechtsprechung
dar und geben Hinweise, wie Unternehmen vorgehen müssen.
2. Konstellation 1: Betriebsbedingte Kündigung eines Mitarbeiters und
nur ein geringerwertiger Arbeitsplatz ist frei
Beispiel: Im Zuge einer Reorganisation werden die Hauptabteilung Marketing aufgelöst
und die in ihr zusammengefassten Abteilungen unmittelbar dem Bereichsleiter zugeordnet. Der Arbeitsplatz des Hauptabteilungsleiters (Betriebswirt) entfällt. Andere Mitarbeiter
sind aufgrund hierarchischer Einordnung und fachlicher Ausrichtung nicht vergleichbar. In
einer Abteilung ist die Stelle eines Marketingassistenten zu besetzen. Das Gehalt beträgt
50% der bisherigen Vergütung des Hauptabteilungsleiters. Außerdem ist eine Bereichsleiterstelle und die Position einer IT-Fachkraft frei.
7
8
9
10
APS/Kiel, 2. Auflage 2004, § 1 KSchG Rn. 634; KR/ Etzel, § 1 KSchG Rn. 225.
BAG, 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, NZA 1985, 455 unter II. 3. c) aa) der Gründe, BB 1985, 1130.
APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 632.
BAG, 29.9.2005 – 8 AZR 571/04, Pressemitteilung 61/05.
2
Der Wegfall des Arbeitsplatzes kann eine betriebsbedingte Kündigung des Hauptabteilungsleiters rechtfertigen. Als milderes Mittel kommt aber eine Weiterbeschäftigung als
Marketingassistent in Betracht. In der Praxis müssen Unternehmen darauf achten, dass
die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Darlegung des Wegfalls eines Arbeitsplatzes stellt. Nur für eine beschlossene und tatsächlich durchgeführte Organisationsentscheidung gilt die Vermutung, dass sie aus sachlichen Gründen getroffen wurde. Ist die
unternehmerische Entscheidung mit dem Kündigungsentschluss nahezu identisch, muss
der Arbeitgeber die Auswirkungen auf die Einsatzmöglichkeiten und den Änderungsbedarf
konkret darlegen 11.
2.1. Ermittlung der zu berücksichtigenden Stellen
Ein freier Arbeitsplatz ist dem Hauptabteilungsleiter nur anzubieten, wenn er über die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt. Er kann die Aufgaben eines Marketingassistenten übernehmen. In der IT-Abteilung ist er mangels fachlicher Qualifikation nicht
einsetzbar. Beförderungsstellen sind ebenfalls nicht zu berücksichtigen, weil der Mitarbeiter – gemessen an seiner arbeitsvertraglichen Situation – durch die Kündigungslage nicht
besser gestellt werden soll 12. Die Bereichsleiterstelle (Beförderungsstelle) muss der Arbeitgeber dem Hauptabteilungsleiter daher nicht anbieten. In der Praxis müssen Arbeitgeber im Einzelnen prüfen, welche Stellen der Mitarbeiter übernehmen kann. Um Zweifelsfragen zu vermeiden, sollten klare Anforderungsprofile für die freien Arbeitsplätze definiert
werden, die der Arbeitgeber grundsätzlich frei festlegen kann13.
Der Arbeitsplatz muss zum Ablauf der Kündigungsfrist oder in absehbarer Zeit nach ihrem
Ablauf tatsächlich frei sein, sofern die Überbrückung dieses Zeitraums für den Arbeitgeber
zumutbar ist14. Im Beispielsfall kann der Arbeitgeber grundsätzlich eine Beendigungskündigung aussprechen, wenn er zuvor einen Marketingassistenten eingestellt hat. Allerdings
darf er die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht treuwidrig verhindern (Rechtsgedanke
des § 162 BGB). Führt eine bewusst vorgezogene Stellenbesetzung zum Wegfall eines
freien Arbeitsplatzes, kann sich der Arbeitgeber nicht auf das Fehlen freier Stellen berufen15. Ein treuwidriges Verhalten soll bereits dann vorliegen, wenn zum Zeitpunkt der Stellenbesetzung ein Auslaufen der Beschäftigungsmöglichkeit für den später gekündigten
Arbeitnehmer absehbar ist16. Dies geht u. E. zu weit. Der Rechtsgedanke des § 162 BGB
ist u. E. nur erfüllt, wenn der Arbeitgeber gezielt freie Stellen besetzt, um eine Weiterbeschäftigung zu verhindern (treuwidrige Willensrichtung). Daran fehlt es, wenn die Vorbereitung der betriebsbedingten Kündigung längere Zeit in Anspruch nimmt (z.B. Verfahren
vor dem Integrationsamt – §§ 85ff. SGB IX) und der Arbeitgeber im normalen Geschäftsgang Stellen besetzt. Gleiches gilt, wenn das Unternehmen eine einvernehmliche Regelung mit dem Mitarbeiter sucht und sich die Verhandlungen hinziehen.
11
12
Rn.
1008.
13
BAG, 23.6.2005 – 2 AZR 642/04, BB 2006, ?.
BAG, 18.10.2000 – 2 AZR 465/99, NZA 2001, 437; BAG, 21.9.2001 – 2 AZR 385/99, NZA 2001, 535; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 610; Stahlhacke/Preis,
BAG, 7.11.1996
KSchG Rn. 220.
BAG, 25.4.2002
Rn. 219.
15
BAG, 25.4.2002
16
BAG, 25.4.2002
14
– 2 AZR 811/95, EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 88; BAG, 23.6.2005 – 2 AZR 642/04, BB 2006, ?; KR/Etzel , § 1
– 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605; APS/ Kiel, § 1 KSchG Rn. 600; KPK/Schiefer/Meisel , S. 250f. Rn. 974ff.; KR/Etzel , § 1 KSchG
– 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605; ErfK/Ascheid, § 1 KSchG Rn. 412.
– 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605.
3
2.2. Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung für den Mitarbeiter
Die Tätigkeit als Marketingassistent muss für den Hauptabteilungsleiter zumutbar sein.
Nach den Urteilen vom 21. 4. 2005 17 ist allein die Einschätzung des Mitarbeiters maßgeblich. Auch wenn schwer vorstellbar ist, dass ein Hauptabteilungsleiter als Marketingassistent arbeitet, kann der Arbeitgeber die Stelle nicht von vornherein ausschließen. Das BAG
wird sie nicht als Extremfall (Pförtnerstelle für Personalleiter) ansehen. Nach dem Urteil 2
AZR 132/04 ist einem „Hauptabteilungsleiter Informationstechnologie/Organisation“ die
Stelle als „Prozesskoordinator Umwelt/Technik“ bei Reduzierung des Jahresgehaltes um
50% (!) von ca. EUR 140.000,00 auf ca. EUR 70.000,00 zumutbar. Auch der Rückgang
der monatlichen Vergütung von EUR 2.800,00 auf EUR 1.400,00 zuzüglich einer monatlichen freiwilligen übertariflichen Zulage (EUR 175,00) soll die Zumutbarkeit nicht ausschließen18. Selbst bei ernsthaften Zweifeln, ob das verbleibende Einkommen für die Ernährung der Familie genügt, soll kein anderes Ergebnis gerechtfertigt sein. Das BAG stellt
ausdrücklich klar, allein der Mitarbeiter könne beurteilen, ob er die Stelle trotz der finanziellen Einbußen annehmen wolle 19. Eine empfindliche Reduzierung des Gehaltes hat
damit für die Prüfung der Zumutbarkeit keine Bedeutung mehr. Das BAG gibt ein sehr
praktikables Kriterium auf. Faktisch begrenzt die „Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer“ den
Kreis der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht mehr. Zur Vermeidung von Risiken
müssen Unternehmen alle freien Stellen berücksichtigen, gleich in welchem Betrieb.
Bietet der Arbeitgeber die Tätigkeit als Marketingassistent nicht an, geht er ein erhebliches Risiko ein. Im Kündigungsschutzprozess wird sich der Hauptabteilungsleiter zumindest aus taktischen Gründen auf sie berufen. Nach Ansicht des BAG ist eine Kündigung
regelmäßig sozialwidrig, wenn der Arbeitgeber eine freie geeignete Stelle nicht anbietet.
Eine fiktive Prüfung, ob der Mitarbeiter die Stelle zumindest unter Vorbehalt angenommen
hätte, findet nicht statt. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer widerspruchsfrei eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit darlegt 20. Der Gekündigte kann damit im Kündigungsschutzprozess jede freie Stelle anführen, selbst wenn er sie nicht ernsthaft in Betracht zieht.
Wegen des Prozessrisikos wird sich die Einigungsbereitschaft des Arbeitgebers vergrößern. Der Gekündigte treibt den Preis seines Ausscheidens (Abfindung) in die Höhe.
2.3. Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber
Der Wechsel des Hauptabteilungsleiters auf die Stelle des Marketingassistenten muss
auch für den Arbeitgeber zumutbar sein21. In den Entscheidungen vom 21. 4. 2005 prüft
das BAG diesen Punkt nicht. Hierzu bestand kein Anlass, weil die Unternehmen die Arbeitsplätze vor Ausspruch der Kündigung angeboten hatten. Sie gaben damit zu erkennen, dass eine Weiterbeschäftigung zumutbar ist22. Bietet der Arbeitgeber eine Stelle
17
BAG, 21.4.2005 - 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691 und BAG, 21.4.2005 - 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294.
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691.
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, NZA 2005, 1294 unter II. 4. b) der Entscheidungsgründe, BB 2005, 2691.
20
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691.
21
BAG, 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, BB 1985, 1130; BAG, 25.4.2002 – 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 630; KR/ Etzel, § 1 KSchG
Rn. 545; Stahlhacke/ Preis, Rn. 1007.
22
BAG, 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, BB 1985, 1130.
18
19
4
nicht an, können durch den Prüfungspunkt „Zumutbarkeit für den Arbeitgeber“ nicht geeignete Arbeitsplätze ausgeschlossen werden. Es gibt Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, die unabhängig von der (behaupteten) Bewertung des Mitarbeiters objektiv nicht
sinnvoll sind. Der Hauptabteilungsleiter wird nicht problemlos als Marketingassistent arbeiten, insbesondere wenn ehemals Untergebene seine direkten Vorgesetzten werden.
Konflikte sind vorprogrammiert. Die Tätigkeit hat auch keine Perspektive. Der Hauptabteilungsleiter wird nur zur Überbrückung als Marketingassistent arbeiten und sich über kurz
oder lang einen neuen Arbeitsplatz suchen. Der Arbeitgeber muss die Stelle neu besetzen. Zu diesem Zeitpunkt werden Bewerber möglicherweise nicht mehr verfügbar sein,
die im Gegensatz zum Hauptabteilungsleiter den Arbeitsplatz tatsächlich wollten.
Aufgrund dieser Probleme sollte das BAG den Kreis der zu berücksichtigenden Arbeitsplätze objektiv begrenzen. Auch Sinn und Zweck des Kündigungsschutzgesetzes rechtfertigen es nicht, dass Mitarbeiter ohne weitere Voraussetzungen auf alle freien Stellen verweisen und damit ihre Verhandlungsposition verbessern können (vgl. oben 2.2). Da das
BAG den Prüfungspunkt „Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer“ faktisch entwertet, sollte es
das Tatbestandsmerkmal „Zumutbarkeit für den Arbeitgeber“ praxisorientiert auslegen
und für eine Begrenzung der berücksichtigungsfähigen Stellen nutzen. Ist der hierarchische und finanzielle Unterschied zur bisherigen Stelle zu groß, ist die Weiterbeschäftigung für den Arbeitgeber u. E. im Regelfall unzumutbar. Die Rechtsprechung sollte keine
zu hohen Anforderungen an die Darlegung der Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber stellen. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass z. B. Bereichs- oder Hauptabteilungsleiter nicht ernsthaft oder problemlos auf einer Sachbearbeiterposition arbeiten werden.
Solange das BAG allerdings diesen Punkt nicht klarstellt, müssen Arbeitgeber vorsorglich
alle freien Arbeitsplätze berücksichtigen, selbst wenn absehbar ist, dass der Betroffene
nicht dauerhaft auf ihnen arbeiten wird. Daher sollte der Arbeitgeber im Beispiel dem Bereichsleiter die Tätigkeit als Marketingassistent anbieten.
2.4. Vorbereitung und Ausspruch der Änderungskündigung
2.4.1. Angebot der Weiterbeschäftigung zu geänderten Bedingungen vor Ausspruch der Kündigung?
Ist die Weiterbeschäftigung zumutbar, muss der Arbeitgeber entscheiden, ob und wann er
den freien Arbeitsplatz anbietet. Die Entscheidungen vom 21. 4. 2005 bestätigen, dass
Unternehmen vor der Kündigung eine einvernehmliche Lösung suchen oder sofort eine
Änderungskündigung aussprechen können 23. Diese Klarstellung ist zu begrüßen, weil
frühere Entscheidungen nicht ganz eindeutig waren 24. Auch nach der alten Rechtsprechung konnte der Arbeitgeber u. E. sofort änderungskündigen 25. Nach Teilen der Literatur
23
24
25
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691 und BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294.
BAG, 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, BB 1985, 1130; BAG, 7.12.2000 – 2 AZR 391/99, NZA 2001, 495.
Ebenso: Wallner , Die Änderungskündigung, 2005, S. 41, Rn. 101.
5
habe das BAG aber verlangt, dass der Arbeitgeber vorab eine Weiterbeschäftigung zu
geänderten Bedingungen anbietet 26. Ob es sich empfiehlt, ein Angebot zu unterbreiten,
hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und ist eine personalpolitische und taktische
Frage. Bietet der Arbeitgeber die Stelle an, kann er nachträglich nicht vortragen, die Beschäftigung sei unzumutbar (vgl. oben 2.3). Er muss dann eine Änderungskündigung aussprechen. Will er den Mitarbeiter halten, sollte er die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
vorab besprechen. Eine Änderungskündigung aus heiterem Himmel wird auf wenig Akzeptanz stoßen.
Bot der Arbeitgeber dem Mitarbeiter eine andere Stelle an, musste er nach Ansicht des
BAG eine Überlegensfrist von einer Woche einräumen („Wochengespräch“)27. Diese
Rechtsprechung gab der 2. Senat ausdrücklich auf. Für die Annahme der angebotenen
Weiterbeschäftigung gelten die allgemeinen Regeln (§§ 164 ff. BGB). Eine vom Arbeitgeber gesetzte Annahmefrist kann deutlich kürzer als eine Woche sein28. Die Änderung der
Rechtsprechung ist zu begrüßen. Für das Wochengespräch gibt es keine gesetzliche
Grundlage und es verzögert die Abläufe.
2.4.2. Weiteres Vorgehen nach dem Angebot einer Weiterbeschäftigung in Abhängigkeit vom Verhalten des Arbeitnehmers
Bietet der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung eine andere Stelle an, hängen die
nächsten Schritte von der Reaktion des Mitarbeiters ab. Nimmt er den Arbeitsplatz an, ist
keine Änderungskündigung erforderlich. Stellt er die Annahme des Angebots unter den
Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung (analog § 2 KSchG), muss der Arbeitgeber eine
Änderungskündigung aussprechen. Gleiches gilt, wenn der Mitarbeiter unklar oder nicht
reagiert. Nur wenn er die Stelle vorbehaltlos und endgültig ablehnt, kann der Arbeitgeber
auf eine Änderungskündigung verzichten und eine Beendigungskündigung aussprechen.
Das BAG stellt sehr hohe Anforderungen an die endgültige Ablehnung. Der Mitarbeiter
muss unmissverständlich zu erkennen geben, dass er unter keinen Umständen bereit ist,
zu den geänderten Arbeitsbedingungen zu arbeiten 29. In den am 21. 4. 2005 entschiedenen Fällen lehnten die Mitarbeiter die Änderungsangebote ab. Ein Mitarbeiter äußerte, er
könne seine Familie nicht ernähren 30. Der Hauptabteilungsleiter erklärte, er sei mit dem
reduzierten Gehalt von ca. EUR 70.000,00 nicht einverstanden, er wolle mindestens
EUR 100.000,00 und einen Dienstwagen 31. Nach Ansicht des BAG waren beide Aussagen keine endgültige Ablehnung. Der Mitarbeiter müsse klar zu erkennen geben, er werde
das Angebot auch nicht unter dem Vorbehalt einer sozialen Rechtfertigung annehmen 32.
In der Praxis wird die Erklärung eines Mitarbeiters selten so eindeutig sein. Um Zweifel zu
vermeiden, muss das Unternehmen neben dem schriftlichen Angebot des Arbeitsplatzes
zugleich die Antwortmöglichkeiten Annahme des Angebots, vorbehaltslose Ablehnung,
Annahme unter Vorbehalt analog § 2 KSchG vorgeben, so dass der Arbeitnehmer nur
26
27
28
29
30
31
32
APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 33.
BAG, 27.9.1984 – 2 AZR 62/83, BB 1985, 1130.
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691 und BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294.
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691 und BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294.
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294.
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691.
BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 132/04, BB 2005, 2691 und BAG, 21.4.2005 – 2 AZR 244/04, NZA 2005, 1294.
6
noch ankreuzen muss. Der Arbeitgeber muss auf einer schriftlichen Stellungnahme des
Mitarbeiters bestehen, da er im Kündigungsschutzprozess eine endgültige Ablehnung der
neuen Stelle durch den Mitarbeiter beweisen muss. Es entstehen erhebliche Beweisprobleme, wenn sich der Arbeitnehmer nur mündlich äußert.
2.4.3. Schriftform der Änderungskündigung
Spricht der Arbeitgeber die Änderungskündigung aus, muss er die neuen Arbeitsbedingungen schriftlich anbieten. Das Schriftformerfordernis des § 623 BGB gilt auch für das
Änderungsangebot 33. Es empfiehlt sich, die Tätigkeit des Marketingassistenten und die
arbeitsvertraglichen Bedingungen möglichst konkret darzustellen und ggf. bereits einen
Änderungsvertrag beizufügen.
3. Konstellation 2: Wegfall eines Arbeitsplatzes wenn mehrere geeignete Stellen vorhanden sind
Beispiel: Eine Versicherung löst am Standort Köln einen Bereich auf. Die Bereichsleiterstelle entfällt. Der Betroffene könnte in Köln als Schadenssachbearbeiter (Vergütung:
50 % des ursprünglichen Gehalts) oder in Göttingen als Abteilungsleiter (Vergütung: 75 %
des ursprünglichen Gehalts) arbeiten.
3.1. Objektive Bewertung der freien und zumutbaren Arbeitsplätze
Sind mehrere geeignete Arbeitsplätze frei, stellt sich die Frage, welchen Arbeitsplatz der
Arbeitgeber anbieten muss (Abteilungsleiter oder Schadenssachbearbeiter). Maßgeblich
sind die Grundsätze zur sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung. Sie ist wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem an sich anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise
hinnehmen muss. Ein anerkennenswerter Anlass ist gegeben, wenn sich der Änderungsbedarf aus einer konkreten, tatsächlich durchgeführten Umorganisation ergibt 34. Die angebotenen Änderungen müssen erforderlich sein, d.h. es dürfen keine gleich geeigneten,
weniger einschneidenden Maßnahmen zur Verfügung stehen (Verhältnismäßigkeitsgrundsatz)35. Sind mehrere Arbeitsplätze frei, muss der Arbeitgeber denjenigen anbieten,
der im Vergleich zur bisherigen Position mit den geringsten Nachteilen verbunden ist. Die
Erforderlichkeit ist anhand objektiver Kriterien zu prüfen. Ob mildere Mi ttel zur Verfügung
stehen, hängt nicht von den subjektiven Vorstellungen der Parteien ab. Die Entscheidungen vom 21. 4. 2005 stehen dem nicht entgegen. Die Zumutbarkeit für den Arbeitnehmer
begrenzt nur den Kreis der zu berücksichtigenden Stellen. Kommen mehrere zumutbare
Einsatzmöglichkeiten in Betracht, ist objektiv zu prüfen, auf welchem Arbeitsplatz der Mitarbeiter die geringsten Einbußen erleidet.
33
34
35
BAG, 16.09.2004 – 2 AZR 628/03, NZA 2005, 635.
BAG, 23.6.2005 – 2 AZR 642/04, BB 2006, ?.
Vgl. allgemein zur Prüfung der Sozialwidrigkeit einer Änderungskündigung: APS/Künzl, § 2 KSchG Rn. 233; KPK/Bengelsdorf, S. 410f. Rn 91f.
7
Schließt der Bereichsleiter im Beispielsfall einen Umzug nach Göttingen endgültig aus, ist
die Abteilungsleiterstelle für ihn unzumutbar. Auf die Prüfung der Erforderlichkeit kommt
es nicht an. Reagiert der Bereichsleiter auf das Angebot nicht, müssen die Schadenssachbearbeiter- und Abteilungsleiterstelle objektiv bewertet werden. Die Sachbearbeiterstelle führt zu einem erheblichen hierarchischen Abstieg, ist aber in Köln. Die Abteilungsleiterstelle ist mit geringeren arbeitsplatzbezogenen Einbußen verbunden, allerdings
müsste der Bereichsleiter umziehen. Keine Stelle ist eindeutig besser. Dieses Ergebnis
dürfte in der Praxis häufiger auftreten. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber nach billigem Ermes sen entscheiden, welchen Arbeitsplatz er anbietet (§ 315 BGB). Hierbei kann
er sich auch von persönlichen Umständen des Mitarbeiters leiten lassen. Ist der Bereichsleiter z. B. allein stehend, wird ihm ein Umzug nach Göttingen leichter fallen. Es kann
auch im betrieblichen Interesse liegen, eine Führungskraft nicht auf einer unteren Hierarchieebene zu beschäftigen. Das Angebot der Abteilungsleiterstelle wäre von § 315 BGB
gedeckt.
Diese schwierigen Bewertungsprobleme sind für Unternehmen kaum handhabbar. Sie
haben sich durch die Entscheidungen vom 21. 4. 2005 verschärft. Nach alter Rechtslage
wäre die Sachbearbeiterstelle in Köln unzumutbar und eine Bewertung der Arbeitsplätze
nicht erforderlich gewesen. Vor diesem Hintergrund müssen die Gerichte den Arbeitgebern einen großen Ermessensspielraum zubilligen. Solange die Zuordnung der Stellen
nicht offensichtlich falsch ist, sollten die Gerichte die Entscheidung des Arbeitgebers akzeptieren.
3.2. Praktisches Vorgehen
In der Praxis können die Personalverantwortlichen die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten vorab mit dem Mitarbeiter erörtern und nach einvernehmlichen Lösungen suchen. Der
Arbeitgeber sollte dem Mitarbeiter die freien Arbeitsplätze schriftlich anbieten und ihn auffordern, die angebotenen Stellen innerhalb einer bestimmten Frist (unter Vorbehalt) anzunehmen oder endgültig abzulehnen (vorformulierte Antworten). Entscheidet sich der Betroffene für eine bestimmte Weiterbeschäftigungsmöglichkeit (ggf. unter Vorbehalt), erklärt
er zugleich, dass er die anderen Arbeitsplätze nicht möchte. Sie sind nicht mehr zu berücksichtigen, selbst wenn sie objektiv besser sind. Reagiert ein Betroffener nicht, muss
der Arbeitgeber die Arbeitsplätze nach den beschriebenen Grundsätzen bewerten und
den besten anbieten.
Schwierigkeiten ergeben sich, wenn die Stellenbewertung nicht eindeutig ist. Vorraussetzung für einen Ermessensspielraum des Arbeitgebers ist die objektive Gleichwertigkeit
der Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten, die in der Betriebspraxis häufig unklar sein wird.
Für die Konstellation des Beispielsfalls stellt sich z. B. die Frage, welcher Gehaltsunterschied (10%, 15%, 20%) die Entfernung zwischen Köln und Göttingen aufwiegen kann.
Diese Wertung ist risikoträchtig. Bietet der Arbeitgeber eine Stelle an, weil er sie für objektiv besser hält, und kommt das Arbeitsgericht zu einem anderen Ergebnis, ist die Kündigung unwirksam. Auch ein Anbieten der Stellen vor Kündigungsausspruch hilft nur, wenn
sich der Mitarbeiter eindeutig entscheidet (vgl. zuvor). Allerdings ist eine unklare Reaktion
8
im Kündigungsschutzprozess zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer verhält sich treuwidrig, wenn er auf Vorschläge des Arbeitgebers nicht reagiert und – nachdem der Arbeitgeber die Änderungskündigung ausgesprochen hat – auf andere, zuvor angebotene Arbeitsplätze verweist. Alternativ kann das Unternehmen zusätzlich eine hilfsweise Änderungskündigung aussprechen, also neben dem vermeintlich besseren Arbeitsplatz auch
die schlechtere Stelle anbieten.
4. Konstellation 3: Konkurrenz von Mitarbeitern um freie Arbeitsplätze
Beispiel : Ein Unternehmen verschlankt am Standort Stuttgart seine Entwicklungsabteilung. Die Arbeitsplätze zweier Entwicklungsingenieure fallen weg. Für beide bestehen
gleichwertige Einsatzmöglichkeiten im Betrieb Mannheim und München.
4.1. Auswahlentscheidung unter Berücksichtigung betrieblicher Belange und
sozialer Gesichtspunkte
Im Beispiel muss der Arbeitgeber den Entwicklungsingenieuren die Arbeitsplätze in
Mannheim und München zuweisen. Diese Zuordnungsentscheidung ist von Sachverhalten zu unterscheiden, in denen Mitarbeiter um zu wenige Stellen konkurrieren und Beendigungskündigungen ausgesprochen werden müssen. In diesen Fällen tendiert das BAG
dazu, die zu entlassenden Mitarbeiter durch eine ggf. modifizierte 36 Sozialauswahl zu ermitteln37. Sind aber genügend Arbeitsplätze vorhanden, muss der Arbeitgeber u. E. eine
Auswahlentscheidung treffen, die betriebliche Belange und soziale Gesichtspunkte berücksichtigt und den §§ 315, 242 BGB genügt (vergleichbar mit den Auswahlgrundsätzen
bei Wiedereinstellungsansprüchen). Bei der Bewertung sozialer Gesichtspunkte ist zu
prüfen, welchem Mitarbeiter die Änderung der Arbeitsbedingungen am ehesten zumutbar
ist38. Der Grundsatz lautet, je sozial schutzbedürftiger ein Mitarbeiter ist, umso weniger
muss er eine Verschlechterung seiner Arbeitsbedingungen hinnehmen. Im Beispielsfall ist
der Arbeitsplatz in Mannheim objektiv besser, weil ein Pendeln möglich ist. Er ist also
grundsätzlich dem sozial schützwürdigeren Entwicklungsingenieur anzubieten. Betriebliche Belange können aber dafür sprechen, die Stelle dem anderen Entwicklungsingenieur
zuzuweisen.
4.2. Praktisches Vorgehen
In der Praxis kann der Arbeitgeber alle geeigneten Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten
schriftlich anbieten. Das Angebot muss unter dem Vorbehalt stehen, dass die Arbeitsplätze aufgrund betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte ggf. einem anderen Mitarbeiter zugewiesen werden müssen. Den Mitarbeitern sollte eine Frist (z. B. eine Woche)
gesetzt werden, innerhalb der sie die Stellen (vorbehaltlich) annehmen oder endgültig
ablehnen können. Die Antwortalternativen sollten vorformuliert sein, so dass die Arbeitnehmer sie nur noch ankreuzen müssen. Sind die Zuordnungsprobleme dadurch nicht
36
37
38
BAG, 13.6.1986 – 7 AZR 623/84, BB 1987, 475; vgl. auch die Erläuterung von Berkowsky, Die Änderungskündigung, 2004, S. 80.
BAG, 25.4.2002 – 2 AZR 260/01, NZA 2003, 605; BAG, 21.9.2000 – 2 AZR 385/99, BB 2001, 1152; BAG, 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097.
BAG, 18.10.1984 – 2 AZR 543/83, BB 1985, 1263; BAG, 19.5.1993 – 2 AZR 584/92, BB 1993, 2020; KR/Rost , § 2 KSchG Rn. 103a.
9
erledigt, z. B. weil sich beide Entwicklungsingenieure für Mannheim entscheiden, muss
der Arbeitgeber nach Maßgabe des § 315 BGB entscheiden. In einem ersten Schritt sollte
er die Stellen aufgrund sozialer Gesichtspunkte zuweisen. In einem zweiten Schritt muss
er prüfen, ob betriebliche Belange eine andere Zuordnung erfordern. Dieses Vorgehen hat
den Vorteil, dass der Arbeitgeber die ausreichende Berücksichtigung sozialer Belange
darlegen und eine Abweichung konkret begründen kann.
4.3. Behandlung von Mitarbeitern unterschiedlicher Ebenen
Die gleichen Grundsätze gelten, wenn der Arbeitgeber freie Arbeitsplätze auf Mitarbeiter
unterschiedlicher Ebenen verteilen muss, z. B. wenn ein Bereichsleiter und ein Abteilungsleiter um Stellen konkurrieren. In dieser Konstellation kann es zu besonderen Problemen kommen, wenn Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten auf unterschiedlichen Hierarchiestufen zur Verfügung stehen, z. B. eine Gruppenleiter- und eine Sachbearbeiterstelle.
Werden die Stellen allein aufgrund sozialer Gesichtspunkte zugeordnet, kann sich die
hierarchische Stellung der Betroffenen umkehren. Ist z. B. der Bereichsleiter sozial weniger schutzwürdig, wäre ihm die Sachbearbeiterstelle und dem Abteilungsleiter die Gruppenleiterstelle anzubieten. In solchen Konstellationen sprechen regelmäßig betriebliche
Belange dafür, Vorgesetzten- und Untergebenenfunktion nicht zu vertauschen. §315
BGB erlaubt es dem Arbeitgeber, den Bereichsleiter als Gruppenleiter und den Abteilungsleiter als Sachbearbeiter einzusetzen.
5. Konstellation 4: Nachträgliche Änderung der Beurteilungsgrundlage
Beispiel: Ein Unternehmen baut drei Bereichsleiterstellen (A, B, C) ab. Die Betroffenen
könnten auf einer Abteilungs- und einer Sachbearbeiterstelle eingesetzt werden. Im Wege
der Änderungskündigung bietet der Arbeitgeber dem sozial schützbedürftigsten A die Abteilungsleiterstelle und B die Sachbearbeiterstelle an. Der sozial am wenigsten schutzbedürftige C erhält eine Beendigungskündigung. Betriebliche Belange stehen der Zuordnung
nach rein sozialen Gesichtspunkten nicht entgegen. Nach Ablauf der Dreiwochenfrist (§ 2
KSchG) lehnt A die Abteilungsleiterstelle ab.
Es stellen sich folgende Fragen: Hat die nachträgliche Ablehnung Konsequenzen für die
Wirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen? Muss die freie Abteilungsleiterstelle
dem beendigungsgekündigten C oder B angeboten werden, dem die Sachbearbeiterstelle
zugeordnet ist?
5.1. Keine Unwirksamkeit der Kündigung durch nachträgliche Änderungen
Bei einer Beendigungskündigung führt eine während des Laufs der Kündigungsfrist entstehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung. Der
Mitarbeiter hat ggf. einen Wiedereinstellungsanspruch39. Diese Grundsätze gelten auch
für die Änderungskündigung. Für die Beurteilung ihrer Wirksamkeit sind die Umstände
39
BAG, 28.6.2000– 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097.
10
zum Zeitpunkt der Kündigungserklärung maßgeblich40. Bei Ausspruch der Kündigung ist
der Arbeitgeber verpflichtet, die Stellen einem bestimmten Mitarbeiter anzubieten (im Beispielsfall A die Abteilungsleiterstelle). Bei einer anderen Zuordnung wäre die Kündigung
unwirksam. Wegen dieser Verpflichtung gilt die Abteilungsleiterstelle im Verhältnis zu B
und C als rechtlich nicht frei. Für B und C entsteht die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit
als Abteilungsleiter erst, wenn A die Stelle endgültig ablehnt. Im Beispielsfall kann B also
nicht argumentieren, seine Änderungskündigung sei unwirksam, weil immer eine Abteilungsleiterstelle frei war.
Eine andere Ansicht ist auch nicht praktikabel. Führt die Ablehnung des angebotenen
Arbeitsplatzes durch sozial schutzbedürftigere Mitarbeiter zur Unwirksamkeit der anderen
Kündigungen, ist ein Personalabbau nicht mehr durchführbar. Der Arbeitgeber müsste
zunächst dem sozial schwächsten Mitarbeiter kündigen und abwarten, ob er die angebotene Stelle (unter Vorbehalt) annimmt oder ablehnt. Erst wenn fests teht, dass der „beste“
Arbeitsplatz frei oder besetzt ist, könnte die nächste Änderungskündigung ausgesprochen
werden. Die Zeitverzögerung wäre enorm. Im Beispielsfall könnte der Arbeitgeber B erst
kündigen, nachdem er den Betriebsrat zur Kündigung des A anhörte (eine Woche) und
die Dreiwochenfrist des § 2 KSchG abgelaufen ist. C wiederum könnte er erst nach der
Betriebsratsanhörung zur Kündigung des B und dem erneuten Ablauf der Dreiwochenfrist
kündigen. Pro Mitarbeiter ergäbe sich eine Verzögerung von bis zu vier Wochen. Wären
im Zuge eines größeren Personalabbaus zehn freie Stellen zu besetzen, könnte die erste
Beendigungskündigung gegenüber dem elften Mitarbeiter ggf. erst nach 40 Wochen ausgesprochen werden. Ein offensichtlich untragbares Ergebnis.
5.2. Wiedereinstellungs- und Nachbesserungsanspruch
Lehnt A im Beispielsfall die Abteilungsleiterstelle ab, wird sie nachträglich frei. Für B und
C ergibt sich eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als Abteilungsleiter. Für C sind die
Voraussetzungen eines Wiedereinstellungsanspruches erfüllt, weil während des Laufs der
Kündigungsfrist der Grund für die Beendigungskündigung entfallen ist41. Ob er eine Beschäftigung als Abteilungsleiter verlangen kann, hängt davon ab, ob vorrangig B auf diesem Arbeitsplatz einzusetzen ist. Ein Anspruch des B auf Nachbesserung der Änderungskündigung, also auf Zuweisung der Abteilungsleiterstelle, ergibt sich u. E. aus vertraglichen Nebenpflichten und § 242 BGB. Eine Änderungskündigung ist nur sozial gerechtfertigt, wenn die aus ihr folgenden Einbußen erforderlich sind. Ergibt sich nachträglich eine
Beschäftigungsmöglichkeit, die mit weniger Nachteilen verbunden ist, entfällt der Kündigungsgrund. Der Nachbesserungsanspruch ist im Kern mit dem Wiedereinstellungsanspruch identisch. Der Unterschied besteht darin, dass er auf Änderung des Arbeitsvertrages und nicht auf dessen Neubegründung gerichtet ist. B und C konkurrieren damit um
die Weiterbeschäftigung als Abteilungsleiter. Der Arbeitgeber muss die Stelle im Rahmen
billigen Ermessens (§ 315 BGB) unter Beachtung betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte zuordnen42. Sofern nicht betriebliche Bedürfnisse eine andere Zuordnung
40
BAG, 10.3.1982 – 4 AZR 158/79, AP Nr. 2 zu § 2 KSchG 1969; APS/ Künzl, § 2 KSchG Rn. 125; KR/Rost, § 2 KSchG Rn. 106c.
Zu den Grundsätzen des Wiedereinstellungsanspruchs: BAG, 27.2.1997 – 2 AZR 160/96, BB 1997, 1953; BAG, 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000,
1097; APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 799; ErfK/ Ascheid, § 1 KSchG Rn. 433; v. Hoyningen-Huene/Linck, § 1 KSchG Rn. 407; KR /Etzel , § 1 KSchG Rn. 552;
Mues/Eisenbeis/Legerlotz/Laber, Handbuch zum Kündigungsrecht, 2005, S. 518ff.; Stahl hacke/Preis, Rn. 1027.
42
BAG, 28.6.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097.
41
11
rechtfertigen, geht B wegen größerer sozialer Schutzbedürftigkeit vor. C kann die Beschäftigung als Sachbearbeiter verlangen.
5.3. Praktische Handhabung
Für den Wiedereinstellungsanspruch ist das BAG der Ansicht, dass der Arbeitgeber eine
Auswahlentscheidung nur zwischen Arbeitnehmern treffen muss, die eine Weiterbeschäftigung tatsächlich verlangen 43. Dieser Grundsatz gilt auch für den Nachbesserungsanspruch, weil er dem Wiedereinstellungsanspruch entspricht. Zum Teil wird im Fall einer
Beendigungskündigung eine Verpflichtung des Arbeitgebers angenommen, Mitarbeiter
über Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten zu informieren44. Auch das BAG bejaht grundsätzlich eine Informationspflicht in Abhängigkeit von den Umständen des Einzelfalls 45.
Diese Rechtsprechung wird das BAG u. E. auf den Nachbesserungsanspruch übertragen.
Vor diesem Hintergrund sollte der Arbeitgeber im Regelfall Mitarbeiter über nachträglich
frei werdende Arbeitsplätze schriftlich informieren und eine Frist setzen, bis zu deren Ablauf sie Interesse an der Stelle anmelden können. Die Länge der Frist ist gesetzlich nicht
geregelt. Für den Wiedereinstellungsanspruch wird in der Literatur vertreten, der Mitarbeiter müsse sich unverzüglich (§ 121 BGB), spätestens aber drei Wochen nach Kenntniserlangung melden 46. Für den vergleichbaren Fortsetzungsanspruch gegen den Erwerber im
Fall eines Betriebsübergangs verlangt das BAG, dass der Arbeitnehmer ohne schuldhaftes Zögern die Vertragsfortsetzung verlangt. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordert
eine kurzfristige Reaktion 47. Diese Gesichtspunkte gelten auch für den Nachbesserungsanspruch. Könnten sich die Mitarbeiter unbefristet auf nachträglich entstehende Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten berufen, wäre unklar, ob und wann weitere Arbeitsplätze frei
werden, z. B. die Stelle des B für C. Der Arbeitgeber kann daher eine Frist von einer Woche setzen, jedenfalls aber von drei Wochen analog § 4 KSchG. Verlangen mehrere Mitarbeiter (z. B. B und C) eine Nachbesserung/Weiterbeschäftigung, muss der Arbeitgeber
unter Berücksichtigung betrieblicher Belange und sozialer Gesichtspunkte (§ 315 BGB)
eine Auswahlentscheidung treffen. Im Beispielsfall wäre die Abteilungsleiterstelle B zuzuweisen, soweit nicht betriebliche Belange eine Bevorzugung des C rechtfertigen. Setzt der
Arbeitgeber B auf der Abteilungsleiterstelle ein, muss er C über die Weiterbeschäftigungsmöglichkeit als Sachbearbeiter unterrichten und kann diesem wiederum eine Erklärungsfrist von einer Woche setzen. Ggf. muss dieses Verfahren mehrmals durchgeführt
werden, bis die endgültige Stellenverteilung feststeht.
43
44
45
46
47
BAG, 28.06.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097 unter II.B.3.c)aa) der Gründe.
Vgl. APS/ Kiel, § 1 KSchG Rn. 816; dagegen: Löwisch/Spinner , 9. Auflage 2004, § 1 KSchG Rn. 270.
BAG, 28.06.2000 – 7 AZR 904/98, NZA 2000, 1097 unter II.B.3.c)bb) der Gründe.
APS/Kiel, § 1 KSchG Rn. 819 m.w.N.; Boewer , NZA 1999, 1177; a.A.: Oetker , ZIP 2000, 651; Raab, RdA 2000, 154; Zwanziger , BB 1997, 45.
BAG, 12.11.1998 – 8 AZR 265/97, BB 1999, 589.
12
6. Konstellation 5: Größere Reorganisation eines Unternehmens
Beispiel:
Unternehmen AG
Betrieb Hamburg
Betrieb Frankfurt
Wegfallende Arbeitsplätze und
Stelleninhaber
(Buchstaben)
Bereichsleiter A
Gruppenleiter C
Sachbearbeiter G
Abteilungsleiter B
Sachbearbeiter H
IT-Mitarbeiter I
Freie Stellen
(Zi ffern)
IT-Mitarbeiter (1)
Gruppenleiter (2)
Sachbearbeiter (3)
Betrieb Gera
Betrieb München
Gruppenleiter D
Sachbearbeiter E
Sachbearbeiter F
Gruppenleiter (4)
Sachbearbeiter (5)
IT-Mitarbeiter (6)
Die soziale Schutzbedürftigkeit der Mitarbeiter nimmt von A bis F ab. Die Bereichs-, Abteilungs- und Gruppenleiter sowie die Sachbearbeiter können die freien Gruppenleiter- und
Sachbearbeiterstellen übernehmen. Für einen Einsatz in der IT-Abteilung sind sie nicht
qualifiziert. Der IT-Mitarbeiter kann die Aufgaben der anderen nicht übernehmen.
6.1. Systematische Vorbereitung und Ausspruch der Kündigungen
Zur Vorbereitung der Kündigung muss der Arbeitgeber versuchen, die zu kündigenden
Mitarbeiter und die Beschäftigungsmöglichkeiten zu ordnen. Weil die dargestellten Probleme kombiniert auftreten, muss der Arbeitgeber systematisch vorgehen. Die einzelnen
Schritte sind nachfolgend dargestellt. Die Ergebnisse der Teilschritte sind in Tabelle 1
festgehalten. Die endgültige Zuordnung ergibt sich aus Tabelle 2.
(1)
Ermittlung der wegfallenden Arbeitsplätze und der zu kündigenden Mitarbeiter (im
Beispiel vorgegeben).
(2)
Ordnung der Mitarbeiter nach ihrer individuellen sozialen Schutzbedürftigkeit (vgl.
Spalte „MA“ in Tabelle 1 und 2).
(3)
Ermittlung aller freien und absehbar frei werdenden Arbeitsplätze im Unternehmen;
ggf. Definition der Anforderungsprofile.
(4)
Individueller Abgleich, auf welchem freien Arbeitsplätzen welcher zu kündigende
Mitarbeiter nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten eingesetzt werden kann sowie
Feststellung der Zumutbarkeit des Einsatzes (Zumutbarkeit nur noch in Extremfällen
relevant).
13
(5)
Ordnung der für den einzelnen Mitarbeiter in Betracht kommenden freien Arbeitsplätze nach dem Grad der objektiven Beeinträchtigung gegenüber der bisherigen
Tätigkeit (vgl. Spalte „Objektive Stellenbewertung“ in Tabelle 1).
(6)
Ggf. Angebot der für den einzelnen Mitarbeiter in Betracht kommenden freien Arbeitsplätze unter dem Vorbehalt, dass aufgrund betrieblicher Belange und sozialer
Gesichtspunkte Arbeitsplätze anderen Mitarbeitern zugewiesen werden müssen.
Setzen einer Frist (z. B. eine Woche) innerhalb der Mitarbeiter mitteilen muss, ob er
die einzelnen Stellen annimmt, endgültig ablehnt oder unter dem Vorbehalt annimmt, dass Änderungen nicht sozial ungerechtfertigt sind. Die Antworten müssen
vorformuliert sein, so dass Mitarbeiter nur ankreuzen müssen (vgl. Spalte „Wünsche
MA“ in Tabelle 1).
(7)
Soweit Mitarbeiter einzelne Stellen endgültig ablehnen, Streichen der betreffenden
Stellen aus der Liste der für den jeweiligen Mitarbeiter in Betracht kommenden Arbeitsplätze (subjektive Zumutbarkeitsgrenze – vgl. Spalte „Endgültige Bewertung“ in
Tabelle 1).
Tabelle 1:
(Die Arbeitsplätze sind getrennt durch Kommas nach dem Grad der objektiven Beeinträchtigung geordnet. Gleichwertige Stellen sind durch „/“ verbunden.)
MA
Objektive Stellenbewertung
Wünsche MA
A
2/4, 3/5
Nicht Gera
B
2, 4, 3, 5
-
C
2/4, 3/5
Nicht Frankfurt
D
2/4, 3/5
E
Endgültige
Bewertung
Anmerkung
2, 3
1/6 (-) fehlende Qualifikation; 2/4 und 3/5 jeweils
wegen Ortsveränderung (Frankfurt/Gera) objektiv
gleichwertig.
2, 4, 3, 5
1/6 (-) fehlende Qualifikation;
4 ist trotz Ortsveränderung besser als 3, weil 3 mit
starkem Abstieg verbunden ist, andere Beurteilung
nur, wenn Mitarbeiter Wünsche geäußert hat.
4, 5
1/6 (-) fehlende Qualifikation; 2/4 und 3/5 jeweils
wegen Ortsveränderung (Frankfurt/Gera) objektiv
gleichwertig.
-
2/4, 3/5
1/6 (-) fehlende Qualifikation; 2/4 und 3/5 jeweils
wegen Ortsveränderung (Frankfurt/Gera) objektiv
gleichwertig.
3/5
-
3/5
1/6 (-) fehlende Qualifikation; 2/4 (-) weil Beförderungsstelle; 3/5 wegen Ortsveränderung (Frankfurt/Gera) objektiv gleichwertig.
F
3/5
-
3/5
Vgl. E.
G
3/5
Nicht Gera
3
Vgl. E.
H
3, 5
Nur Frankfurt
3
1/6 (-) fehlende Qualifikation; 2/4 (-) weil Beförderungsstelle.
I
1/6
-
1/6
2–5 (-) wegen mangelnder Qualifikation; 1/6
wegen Ortsveränderung gleichwertig.
14
(8)
Zuordnung der freien Arbeitsplätze zu den zu kündigenden Mitarbeitern. (Ergebnisse vgl. Tabelle 2).
Aus Tabelle 1 kann die endgültige Zuordnung der Arbeitsplätze entwickelt werden. Beginnend mit dem sozial schutzwürdigsten Mitarbeiter sind zunächst die Arbeitsplätze nach
sozialen Gesichtspunkten zuzuordnen (sozial schutzwürdigster Mitarbeiter: bester geeigneter Arbeitsplatz, sozial zweitschutzwürdigster Mitarbeiter: bester noch zur Verfügung
stehender geeigneter Arbeitsplatz, usw.). In einem zweiten Schritt kann der Arbeitgeber
prüfen, welche sonstigen, insbesondere betrieblichen Belange eine andere Zuweisung der
Stellen rechtfertigen.
Tabelle 2:
MA
Endgültige
Bewertung
Zuordnung
Anmerkung
A
2,3
2
2 führt zu den geringsten Einbußen. Arbeitgeber muss diese Stelle anbieten.
B
2, 4, 3, 5
4
2 ist bereits besetzt.
C
4, 5
5
4 ist bereits besetzt.
D
2/4, 3/5
3
2, 4, 5 bereits besetzt.
E
3/5
-
Keine freien Stellen mehr vorhanden. C und D sind sozial schutzbedürftiger.
Problem für den Arbeitgeber: E würde Sachbearbeiterstelle eher übernehmen als
Gruppenleiter C und D.
F
3/5
-
Siehe E.
G
3
-
Keine freien Stellen mehr vorhanden. D ist sozial schutzbedürftiger. Problem für
den Arbeitgeber: G würde Sachbearbeiterstelle eher übernehmen als Gruppenleiter
D.
H
3
-
Keine freien Stellen mehr vorhanden. Gegenüber D muss er wegen dessen größeren sozialen Schutzbedürftigkeit zurücktreten, obwohl Stelle 3 in Frankfurt ist.
Ggf. können im Einzelfall betriebliche Erfordernisse andere Bewertung rechtfertigen.
I
1/6
1 oder 6
Die Zuordnung kann frei erfolgen, weil kein anderer Mitarbeiter in Betracht
kommt und die Stellen objektiv gleichwertig sind.
Die Tabelle zeigt eine Verdrängung von oben nach unten. Gruppenleitern sind Sachbearbeiterstellen zuzuweisen, weil sie sozial schutzbedürftiger sind. Die Sachbearbeiter E, F,
G, H gehen leer aus. Weiterhin wird deutlich, welcher bürokratischer Aufwand vom Arbeitgeber verlangt wird. Bei größeren Restrukturierungen ist er kaum zu bewältigen.
(9)
Ggf. Massenentlassungsanzeige48.
(10) Betriebsratsanhörung (sehr schwierig, Stellenzuordnung muss erklärt werden).
(11) Ausspruch der Beendigungs- und Änderungskündigungen.
48
Vgl. für die aktuelle Rechtslage: Bauer/Krieger/Powietzka, DB 2005, 455 und 1570.
15
6.2. Ablauf bei nachträglichen Änderungen und Nachbesserungsanspruch
Lehnen Mitarbeiter nachträglich Stellen ab, sind die frei werdenden Arbeitsplätze aufgrund
des Wiedereinstellungs-/Nachbesserungsanspruchs zu verteilen. Lehnt z. B. A Stelle 2
ab, ist wie folgt vorzugehen:
(1)
Schriftliche Information von B und D über die frei gewordene Stelle 2. Aufforderung,
innerhalb einer Frist von einer Woche Interesse an einer Beschäftigung auf der freien Stelle zu bekunden.
(2)
Wenn B und D Nachbesserung verlangen, Zuordnung der Stelle nach betrieblichen
Belangen und sozialen Gesichtspunkten. Stelle 2 ist B zuzuweisen.
(3)
Schriftliche Information von C und D über frei gewordene Stelle 4 (ehemals B). Aufforderung, innerhalb einer Frist von einer Woche Interesse an einer Beschäftigung
auf der freien Stelle zu bekunden.
(4)
Verlangen C und D Nachbesserung, Zuordnung der Stelle 4 nach betrieblichen Belangen und sozialen Gesichtspunkten. Stelle 4 ist C zuzuweisen.
(5)
Schriftliche Information von D, E und F über die frei gewordene Stelle 5 (ehemals
C). Aufforderung, innerhalb einer Frist von einer Woche Interesse an einer Beschäftigung auf der freien Stelle zu bekunden.
(6)
Wenn D sich nicht meldet (keine relevante Verbesserung), Zuordnung der Stelle
nach betrieblichen Belangen und sozialen Gesichtspunkten an E oder F.
7. Fazit
Im Regelfall bereitet das Arbeitsrecht kleineren Unternehmen besondere Probleme. Die
Beispiele zeigen, dass Änderungskündigungen auch große Unternehmen vor Herausforderungen stellen. Die Zuweisung freier Arbeitsplätze ist kaum handhabbar. Das Verfahren
ist ein „Bürokratiemonster“. Die Rechtsprechung sollte sich auf die Vorgaben des KSchG
zurückbesinnen. § 1 KSchG differenziert klar zwischen dem Unternehmensbezug bei der
Berechnung der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) und den dringenden betrieblichen Erfordernissen zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG). Insoweit sind nur Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten im Betrieb zu berücksichtigen. Freie
Arbeitsplätze in anderen Betrieben des Unternehmens sind nur bei einem Widerspruch
des Betriebsrates erheblich (§ 1 Abs. 2 Satz 2 KSchG). Da Rechtsprechung und Literatur
seit Jahrzehnten die entgegengesetzte Ansicht vertreten, besteht aber wenig Hoffnung
auf Änderung. Das BAG muss aber zumindest seinen subjektiven Ansatz bei der Zumutbarkeitsprüfung korrigieren. Arbeitgeber können subjektive Bewertungen der Mitarbeiter
und objektive Bedürfnisse nicht praktikabel in Einklang bringen. Zugleich müssen die Gerichte den Arbeitgebern für die schwierigen Bewertungs- und Auswahlentscheidungen
16
einen weiten Beurteilungs- und Ermessensspielraum zubilligen. Anders sind die Probleme
nicht zu bewältigen. Zu begrüßen ist die Klarstellung des BAG, dass Arbeitgeber sofort
eine Änderungskündigung aussprechen können, ein Änderungsangebot vorab also nicht
erforderlich ist. Die Aufgabe der Rechsprechung zum „Wochengespräch“ ist ebenfalls
richtig. Zukünftig können Arbeitgeber kürzere Annahmefristen setzen.
17
Die Autoren
Dr. Jobst-Hubertus Bauer
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Dr. Jobst-Hubertus Bauer, geboren 1945. Studium in Freiburg. Promotion 1976. Seit
1975 Rechtsanwalt im Büro in Stuttgart. Fachanwalt für Arbeitsrecht.
Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht.
Mitglied des DAV-Gesetzgebungsausschusses Arbeitsrecht, des Arbeitsrechtsausschusses der BDA, des Verbandsausschusses des Deutschen Arbeitsgerichtsverbandes und
des Board der European Employment Lawyers‘ Association (EELA). Mitherausgeber der
Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht und der Arbeitsrechtlichen Praxis (AP). Geschäftsführer
bzw. Justitiar mehrerer Arbeitgeberverbände.
Schwerpunkte
Individual- und Kollektivarbeitsrecht, Arbeitsrecht im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen, Verhandlungen mit Betriebsräten und Gewerkschaften, betriebliche Mitbestimmung, Umstrukturierungen, Abschluss und Beendigung von Dienstverträgen mit TopFührungskräften.
18
Dr. Thomas Winzer
Maybachstraße 6
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Fax +49 711 855096
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Dr. Thomas Winzer, geboren 1975. Studium in Heidelberg und München. Promotion
2001. Seit 2002 Rechtsanwalt im Büro Stuttgart. 2004/2005 Secondment zu Thelen Reid
& Priest LLP, New York und San Francisco.
Schwerpunkte
Individual- und Kollektivarbeitsrecht, Arbeitsrecht im Zusammenhang mit Unternehmenstransaktionen, Umstrukturierungen, Betriebsverfassungsrecht, Mitbestimmungsrecht, betriebliche Altersversorgung.
19
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