Von feinen Fasern - Gesundheits

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Von feinen Fasern - Gesundheits
Asbestanalyse auf dem Prüfstand
Für Abbruch- und Sanierungsarbeiten
ist es wichtig zu wissen, ob bestimmte
Baumaterialien Asbest enthalten oder
nicht. Bild: shutterstock
Von feinen Fasern
Asbest galt einst als Wunderfaser, weil das Material mehrere vorteilhafte Eigenschaften
aufweist. Allerdings verursachen Asbestfasern auch schwere Erkrankungen, wenn sie in
die Lunge gelangen. Das Kantonale Laboratorium Bern prüft unter anderem als AsbestFachstelle Umweltproben auf Inhalte des heute verbotenen Materials. Der Beitrag zeigt
auf, worauf es ankommt.
VON ALBERT AMMANN, MARKUS FLISCH UND
OTMAR DEFLORIN
D
as Kantonale Laboratorium Bern
ist Asbest-Fachstelle des Kantons
Bern und als Prüfstelle für die Asbestanalytik von Umweltproben von der
Schweizerischen Akkreditierungsstelle
SAS seit 2008 akkreditiert (Akkreditierungsnummer STS 110). Die standardisierte Prüfmethode für den Asbestnachweis wird durch die Teilnahme an
internationalen Ringversuchen sowie mit
zusätzlichen elektronenmikroskopischen
und spektroskopischen Analysen regelmässig überwacht. Das Kantonale Laboratorium Bern erfüllt damit die Anforderungen der Kategorie 1 gemäss Liste des
«Forum Asbest Schweiz» (www.forum-asbest.ch).
Dr. Markus Flisch
leitet die Abteilung Umweltsicherheit am
Kantonalen Laboratorium Bern.
Ing. chem. FH Albert
Ammann
ist zuständig für die Asbestanalysen und
die damit zusammenhängende Beratung.
Dr. Otmar Deflorin
leitet das Kantonale Laboratorium Bern
als Amtsstelle der Gesundheits- und
Fürsorgedirektion.
SicherheitsForum 6/11
Erst Wunderfaser, heute
verboten
In der Schweiz wurden zwischen 1930 und
1980 verschiedene Baumaterialien und
Gegenstände verwendet, die Asbestfasern
enthalten. Asbestminerale stammen aus
natürlichen Lagerstätten und weisen bemerkenswerte Eigenschaften auf. Asbest
ist nicht brennbar, isoliert (Temperatur,
Feuer, Schall, Elektrizität), ist resistent
gegen aggressive Chemikalien und kann
sogar gesponnen und gewoben werden.
Asbest galt wegen seiner ausserordentlichen Eigenschaften lange Zeit als Wunderfaser.
Gelangen Asbestfasern in die Lunge,
können sie schwere Erkrankungen wie
Asbestose (Staublunge), Brust- beziehungsweise Bauchfellentzündung oder
Lungenkrebs auslösen. Deshalb wurde die
Verwendung von Asbest in der Schweiz im
Jahr 1990 verboten.
Gefahr bei Abbruch und
Umbau
Heute besteht vor allem bei
Abbruch- und Umbauarbeiten von Gebäuden die
Gefahr, dass aus Baumaterialien Asbestfasern freigesetzt und danach von Mitarbeitenden
eingeatmet
werden.
Leider lässt sich kaum
von blossem Auge erken-
nen, ob Materialien Asbest enthalten. Generell ist bei Materialien, welche eine faserige Struktur aufweisen, Vorsicht
geboten. Bei Verdacht auf asbesthaltiges
Material empfiehlt die SUVA eine Untersuchung, sofern das Material bei der vorgesehenen Bearbeitung oder Nutzung
eine Gefährdung darstellt.
Baubewilligungsgesuche im Kanton
Bern müssen deshalb die Bestätigung enthalten, dass die Bauherrschaft über die
Asbestproblematik informiert ist, eventuell notwendige Abklärungen durchführt
und allfällig nötige Sicherheitsmassnahmen ergreifen wird. Zudem sind seit dem
1. Januar 2009 auch Änderungen in der
Bauarbeitenverordnung und im Unfallversicherungsgesetz in Kraft getreten.
Die neue Rechtslage hat in den letzten
Jahren zu einer markanten Zunahme der
Anzahl untersuchter Verdachtsproben geführt. Allein 2010 wurden im Kantonalen
Laboratorium Bern 350, meist aus BausaMehrjähriger Durchschnitt
04 bis 06
07 bis 09 2010
Anzahl Verdachtsproben
131
238
350
Davon asbesthaltige Proben
50
106
96
Analysen von Verdachtsproben seit 2004 mit deutlicher
Zu­nahme der Probenzahl, ein wesentlicher Anteil enthält
Asbest. (Tab.)
3
Spektrum des fokussierten Areals → entspricht Chryso'l (Summenformel: Mg6(OH)8[Si4O10]) Mg Si Zum Vergleich: Spektrum von Amosit (Summenformel: (Mg,Fe)7(OH,F)2[Si4O11] 2 ) Verdachtsprobe aus Ringversuch. (Abb. 1)
Si nierungen oder Ringversuchen stammende Proben mikroskopisch untersucht und
beurteilt (siehe Abbildung 1 und Tabelle).
Davon enthielt rund ein Drittel gesundheitsgefährdende Asbestfasern.
Sichere Analysenergebnisse
Bauherrschaften sind heute bereit, falls
nötig, den Mehraufwand für eine Sanierung zu tragen. Allerdings stellen sie dabei zu Recht hohe Anforderungen an die
Qualität der Analysenresultate. Um diese
zu gewährleisten, wird die standardisierte
Prüfmethode für Asbestanalysen regelmässig im Rahmen von internationalen
Ringversuchen verifiziert (siehe Abbildung 2). Ihre Qualität wird ausserdem
mittels elektronenmikroskopischen und
spektroskopischen Analysen zusätzlich
überprüft. Anlässlich der jeweiligen Reakkreditierung werden diese Ergebnisse
in ihrer Gesamtheit überwacht.
mehr als zwei Prozent Asbest
sicher erfasst. Die Identifizierung der Asbestfasern erfolgt
aufgrund des physikalischen
Verhaltens, des Habitus der
Asbestminerale (Fasrigkeit),
der optischen Eigenschaften
wie Lichtbrechung, Elongation, Doppelbrechung, Färbung, Pleochroismus (Mehrfarbigkeit
je
nach
Blickrichtung) sowie des chemischen Verhaltens (Löslichkeit in Salzsäure). Für die Mikroskopie wird ein für
mineralogische Untersuchungen eingerichtetes Polarisationsmikroskop verwendet.
Qualitätssicherung
Schematische Darstellung des Analysen­ablaufs
von Asbest-Verdachtsproben. (Abb. 2)
((Abb. 2))
4
Fe Mg: Magnesium
Fe: Eisen
Si: Silicium F: Fluor O: Sauerstoff
H: Wasserstoff
Der internationale
Ringversuch
Um den SUVA-Vorschriften genügen zu
können, wollen Auftraggeber in der Regel
Standardisierte Prüfmethode
nur wissen, ob verdächtiges Material Asfür Asbestanalysen
best enthält oder nicht. Zur Verifizierung
Der qualitative Nachweis von Asbestfa- der standardisierten Prüfmethode für Assern in Faserzementplatten, Bodenbelä- bestanalysen will unser Labor jedoch zugen, Isolationsmaterialien, Dichtungen, sätzlich die höheren Anforderungen der
Wand- und Deckenbelägen, Lärm- und britischen Organisation Health and Safety
Wärmedämmstoffen, Textilien und Kunst- Executive (HSE; www.hse.gov.uk/) erfülstoffen erfordert eine spezifische und len, die im Rahmen von internationalen
handwerkliche Probenaufbereitung. Die- Ringversuchen auch eine genau Bezeichse stützt sich auf die vom Forum Asbest nung der Mineralienart von Asbest erforSchweiz empfohlenen Methoden. Danach dern.
erfolgt die mikroskopische Untersuchung
Am internationalen Ringversuch Nr.
und Beurteilung bei einer Vergrösserung 43 vom April 2011 beteiligten sich 245 Lavon gegen 200-fach der Verdachtsprobe boratorien. Zwei der vier zur Prüfung verdurch eine erfahrene und spezialisierte sandten Proben enthielten keinen Asbest.
Fachperson. Dabei wird ein Gehalt von Bezüglich ihres Asbestgehalts sind alle
vier Proben durch das
Kantonale Laboratorium
Standardisierte Prüfmethode für den Asbestnachweis
Bern mittels der standardisierten Prüfmethode für
Asbestanalysen korrekt
Probeneingang und Registrierung Probenvorbereitung,Beurteilung der
identifiziert worden. UnBeurteilung der Begleitinformationen
Fasrigkeit und des chemischen Verhaltens
und visuelle Beurteilung der Probe
ter Einbezug der Rasterelektronenmikroskopie
und der Spektralanalyse
konnten in den beiden asbesthaltigen Proben die
Telefonische und schriftliche
Beurteilung der optischen Eigenschaften wie Licht-­‐ Asbestmineralien ChrysoMitteilung der Ergebnisse
brechung, Elongation, Doppelbrechung, Färbung, til beziehungsweise AmoPleochroismus mittels Polarisationsmikroskop
sit zweifelsfrei und richtig
nachgewiesen werden.
Regelmässige Verifizierung der Ergebnisse
mittels Rasterelektronenmikroskopie und Spektralanalyse
sowie Teilnahme an internationalen Ringversuchen
Mg Raster­­elektronen­
mikroskopie und
Spektralanalyse
Die genaue Identifikation
der beiden Asbestmineralien Chrysotil und Amosit
ist möglich mithilfe des
Bilder von Asbestfasern mit zunehmender
Ausschnittvergrösserung (rot markiert) mit­
tels Rasterelektronenmikroskop sowie das
Ergebnis der Spektralanalyse eines fokus­
sierten Areals (grün markiert). Zum Vergleich:
Spektrum einer anderen Asbestart (Amosit).
(Abb 3)
Rasterelektronenmikroskopes (REM:
Zeiss EVO 50 XVP; www.speciation.net/)
kombiniert mit einer Spektralanalyse. Die
REM-Aufnahmen erfolgen bei Niedrigvakuumbedingungen (10 bis 20 Pa), und einer Spannung von 20 kV. So gelingt es, die
Faserstruktur bis gegen 3500-fach zu vergrössern und ausreichend sichtbar zu machen.
Mittels eines EDAX Saphire light element detectors kann ein Areal mit Fasern
so fokussiert werden, dass dessen elementare Zusammensetzung grafisch detektiert werden kann. Aus dem quantitativen
Verhältnis der detektierten Elemente
kann eine Summenformel ermittelt werden. Daraus ergibt sich schliesslich die
Art des Asbests (Chrysotil beziehunsweise Amosit; siehe auch Abbildung 3).
Fazit
Bauherrschaften wollen vor Abbruch- und
Sanierungsarbeiten sicher wissen, ob bestimmte Baumaterialien Asbest enthalten
oder nicht. Nicht zuletzt aus Kostengründen werden hohe Ansprüche an die Qualität von Asbestanalysen gestellt. Deshalb
nimmt das Kantonale Laboratorium Bern
regelmässig an internationalen Ringversuchen mit Asbestproben teil und verifiziert
seine Resultate darüber hinaus mit zusätzlichen Methoden wie Rasterelektronen­
mikroskopie und Spektralanalysen.
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