Georg Büchner: Dantons Tod

Transcrição

Georg Büchner: Dantons Tod
Georg Büchner: Dantons Tod
Inhaltsangabe
Der Beginn des ersten Akts zeigt Danton mit seiner Frau Julie in einem Spielsalon. Am Spieltisch beklagen einige Deputierte
des Nationalkongresses den Revolutionsterror und beschwören ihr Ideal einer freien Republik. Danton äußert seine politische
Resignation: »die Statue der Freiheit ist noch nicht gegossen, der Ofen glüht, wir alle können uns noch die Finger dabei
verbrennen.« In der zweiten Szene wird das Elend des Volkes illustriert: Simon schlägt seine Frau, weil sie zuläßt, daß ihre
Tochter die Familie durch Prostitution ernährt. Bürger beobachten die Szene und lenken den Volkszorn auf die Aristokraten:
»Totgeschlagen, wer kein Loch im Rock hat! . . . Totgeschlagen, wer lesen und schreiben kann!« Robespierre tritt auf und
präsentiert die Jakobiner als Anwalt des Volkes. Ihre ›Solidarität‹ besteht in der Ermordung der Volksfeinde. Die folgende
Szene spielt im Jakobinerklub und hat ihren Höhepunkt in Robespierres Plädoyer für die Fortsetzung der Gewalt: »Die Waffe
der Republik ist der Schrecken«. Eine Zwischenszene zeigt das Klima des Terrors und der Angst im Gespräch der
Nationalkonventsdeputierten Legendre und Lacroix. Im Kontrast dazu erscheint in der fünften Szene Danton fern vom
politischen Geschehen, in Leidenschaft versetzt durch die Prostituierte Marion. Sein Freund und Anhänger Lacroix kommt und
warnt ihn vor dem Wiederaufleben des Terrors. Danton fühlt sich unangreifbar, beschließt aber dennoch, das Gespräch mit
Robespierre zu suchen. Der erste Akt findet seinen Höhepunkt und Abschluß in der Auseinandersetzung zwischen Robespierre
und Danton: Danton spricht sich gegen die Fortsetzung des Terrors aus und wirft Robespierre eine scheinheilige Moralität vor,
deren Zweck die Ausschaltung seiner Gegner ist: »Robespierre, du bist empörend rechtschaffen.« Nach Dantons Abgang
beschließt Robespierre, ihn und seine Anhänger zu beseitigen; seine Rolle sieht er als die eines Erlösers unter umgekehrten
Vorzeichen: »Jawohl, Blutmessias, der opfert und nicht geopfert wird.«Zu Beginn des zweiten Akts erscheinen Dantons
Anhänger, um ihn vergeblich zur Flucht zu drängen. In der zweiten Szene wird eine Alltagssituation als Straßenpanorama
entworfen: kurioser Revolutionsenthusiasmus, Männer, die um Frauen werben (unter ihnen als lustvoller Beobachter Danton),
und naiver Fortschrittsoptimismus stehen nebeneinander. In der folgenden Szene eröffnet Danton dem Ehepaar Lucile und
Camille, daß seine Verhaftung beschlossen wurde. Dennoch trifft er keine Anstalten zur Flucht: »Ich bin nicht träg, aber
müde.« Die vierte Szene auf freiem Feld ist ein Reflexionsmonolog, der Dantons spielerische Todessehnsucht zum Ausdruck
bringt: »Ich kokettiere mit dem Tod.« Die folgende Szene zeigt Danton mit Julie. Danton ist von einem Alptraum erwacht;
verzweifelt sieht er die Menschen als Spielbälle ihrer inneren Gewalttätigkeit. In der nächsten Szene erscheinen
Bürgersoldaten zur Verhaftung Dantons. Der zweite Akt endet mit einer Szenen im Nationalkonvent, wo Robespierre und St.
Just diese Verhaftung rechtfertigen und Legendres Antrag auf Anhörung Dantons abzuschmettern versuchen. Die Szene endet
im Absingen der Marseillaise.
Der dritte Akt behandelt den Prozeß gegen Danton. Er beginnt im Palais Luxembourg, das als Gefängnis umfunktioniert ist.
Dort sitzen die Revolutionäre Chaumette, Payne, Mercier und Hérault Séchelles und diskutieren atheistische und
materialistische Philosophien. Danton und seine Anhänger werden eingeliefert. Camille äußert seine Enttäuschung über ihr
politisches Scheitern. Die folgende Szene zeigt, wie der öffentliche Ankläger FouquierTinville und Herman, ein Präsident des
Revolutionstribunals, die Geschworenenauswahl für Dantons Prozeß manipulieren. In der dritten Szene, in der Conciergerie,
beklagt sich Danton über das von ihm geschaffene Revolutionstribunal: gegründet, um Unschuldige zu retten, ist es nun ein
Instrument des Justizmords. Vor diesem Revolutionstribunal spielt die nächste Szene: Danton wird der revolutionsfeindlichen
Konspiration beschuldigt. Er fordert ein Verhör vor den Ausschüssen und rechtfertigt seine Verteidigung wirkungsvoll als
»Nationalkühnheit«. Die Versammlung beklatscht seinen Patriotismus, so daß der Vorsitzende die Sitzung nur mit
fadenscheinigen Gründen aufheben kann. Die ›Verschwörung‹ eines inhaftierten betrunkenen Generals zur Befreiung Dantons
in der fünften Szene wird in der anschließenden Szene von St. Just als brauchbares Mittel gegen Danton bewertet. Die siebte
Szene, wieder in der Conciergerie, zeigt Danton erneut in Lethargie: er sucht Ruhe, aber nicht in Gott, wie Philippeau
vermutet, sondern im »Nichts«. Die nächste Kurzszene bringt die Übermittlung der Denunziation. In der neunten Szene gelingt
es Danton vorläufig, die Sitzung vor dem Revolutionstribunal für sich zu nutzen: »ich werde mit der Kanone der Wahrheit
hervorbrechen und meine Feinde zermalmen.« Die Stimmung in der Versammlung scheint günstig: »Es lebe Danton, nieder
mit den Dezemvirn!« Doch in der letzten Szene des dritten Akts, vor dem Justizpalast, genügt das ›Argument‹ eines Bürgers,
Danton sei ein wohlhabender Fresser, Säufer und Lustmolch, um den Volkshaufen für Robespierre zu gewinnen. Der vierte
Akt eröffnet mit Julie, die Danton über einen Knaben eine Locke von sich schickt. In der zweiten Szene rechtfertigt Dumas,
wie Herman ein Präsident des Revolutionstribunals, gegenüber einem Bürger das bevorstehende Todesurteil als Opfer für das
Vaterland. Die Opfer werden in der folgenden Szene, in der Conciergerie, gezeigt. Vor der Hinrichtung greift Camille zu einer
Erbauungsschrift als Trostmittel, Danton dagegen zu Voltaires Spottwerk über die heilige Jungfrau von Orléans. In der
nächsten Szene, auf dem Platz vor der Conciergerie, erscheint Camilles Frau Lucile, vor Entsetzen in geistige Verwirrung
versetzt, vor dem Fenster der Gefangenen. In der Conciergerie, in der fünften Szene, nehmen die Dantonisten Abschied
voneinander. In der sechsten Szene begeht Julie Selbstmord. Der Rest des Dramas gehört der Hinrichtung: in der siebten Szene
werden die Gefangenen auf den Revolutionsplatz geführt. Für das Volk ist die Hinrichtung eine Ablenkung von existentiellen
Sorgen; eine Frau sagt: »Die Kinder schreien, sie haben Hunger. Ich muß sie zusehen machen, daß sie still sind.« Die letzten
beiden Szenen zeigen Lucile, die durch die Straßen irrt und von der vollzogenen Hinrichtung hört. Zugleich muß sie sehen, wie
der Alltag über diese Katastrophe hinweggeht. Am Revolutionsplatz schließlich verurteilt sie sich selbst zum Tod, indem sie
den König hochleben läßt: Am Ende wird sie abgeführt ein Bürger ruft: »Im Namen der Republik!«
Interpretation
Michael Voges
In der Krise des Germinal im Jahre II zeigt sich das Scheitern der Französischen Revolution als ›soziale‹ Revolution im Sinne
des Volkes. Robespierre und die jakobinischen Führer im Wohlfahrtsausschuß zielen auf ein Bündnis mit der Volksbewegung.
Die durch den Krieg und die Konterrevolution im Innern noch verschärfte soziale Krise der Jahre 1793/94 setzt unübersehbar
den Gegensatz von Arm und Reich auf die Tagesordnung der bürgerlichen Revolution. Dies erkennend, strebt die
Revolutionsregierung eine politische Integration des Volkes in das jakobinische Modell einer bürgerlichen Revolution an. Die
sozialen Maßnahmen des Wohlfahrtsausschusses (staatliche Eingriffe in die Wirtschaft) werden dagegen nur zögernd und
halbherzig vorangetrieben. Das Bündnis zwischen dem mittleren Bürgertum, das von der Revolution politisch und ökonomisch
profitiert hat, und der Sansculottenbewegung der Handwerker und kleinen Händler, der sich auch Gesellen und Lohnarbeiter
anschließen, ist von vornherein brüchig. Die Jakobinerdiktatur scheitert nicht zuletzt an dem Klassenwiderspruch, der ihrer
sozialen Basis eingelagert ist. Der Position der Mitte, die Robespierre gegenüber der bürgerlichen Rechten (Anhänger der
entmachteten Gironde) und der extremen Linken (Enragés, Hébertisten) beansprucht, fehlt eine wirksame gesellschaftliche
Verankerung. Robespierres spiritualistisch motivierter Tugendkult suspendiert die soziale Frage, statt sie zu lösen. Er leugnet
die soziale Dimension der Terreur des Volkes, an deren Stelle die moralisch legitimierte Schreckensherrschaft des Staates
treten soll. Der jakobinische ›Despotismus der Freiheit‹ begibt sich zusehends einer breiten politischgesellschaftlichen
Legitimation.Durch die Beseitigung der extremen Linken und der gemäßigten Fraktion um Danton (Indulgents) versuchen die
Jakobiner um Robespierre diesen sozialen Widerspruch mit Gewalt abzuschaffen. Die jakobinische Diktatur der Mitte gerät
noch stärker in die gesellschaftliche Isolation, die schließlich mit dem Sturz Robespierres am 9. Thermidor des Jahres II (27.
Juli 1794) ihre eigene Liquidierung zur Folge haben wird. Durch diese Ereignisse wird die Entmachtung der Volksbewegung,
die bereits von der Revolutionsregierung vorbereitet wurde, zu Ende geführt. Dem Volk, dessen wiederholte Mobilisierung
gegen die Feinde der Revolution innerhalb und außerhalb Frankreichs der Bourgeoisie zum Sieg verholfen hat, wird endgültig
der Platz auf der Verliererseite der bürgerlichen Revolution angewiesen. Erst jetzt wird die Lösung der ›sozialen Frage‹ in
Angriff genommen: im Sinne des kapitalistischen Bürgertums.Büchners dramatische Autopsie der Französischen Revolution
legt schonungslos die klassenbedingte Borniertheit der bürgerlichen Positionen frei. Sie demonstriert aber zugleich die
Unfähigkeit des Volkes, die Rolle eines Subjekts im historischen Prozeß der Revolution zu übernehmen. Der politische
Diskurs in Dantons Tod steht im Zeichen radikaler Ideologiekritik. Die irritierend perspektivische Darstellung des Volkes und
der beiden bürgerlichen Fraktiosellschaftliche Isolation, die schließlich mit dem Sturz Robespierres am 9. Thermidor des
Jahres II (27. Juli 1794) ihre eigene Liquidierung zur Folge haben wird. Durch diese Ereignisse wird die Entmachtung der
Volksbewegung, die bereits von der Revolutionsregierung vorbereitet wurde, zu Ende geführt. Dem Volk, dessen wiederholte
Mobilisierung gegen die Feinde der Revolution innerhalb und außerhalb Frankreichs der Bourgeoisie zum Sieg verholfen hat,
wird endgültig der Platz auf der Verliererseite der bürgerlichen Revolution angewiesen. Erst jetzt wird die Lösung der
›sozialen Frage‹ in Angriff genommen: im Sinne des kapitalistischen Bürgertums.
Büchners dramatische Autopsie der Französischen Revolution legt schonungslos die klassenbedingte Borniertheit der
bürgerlichen Positionen frei. Sie demonstriert aber zugleich die Unfähigkeit des Volkes, die Rolle eines Subjekts im
historischen Prozeß der Revolution zu übernehmen. Der politische Diskurs in Dantons Tod steht im Zeichen radikaler
Ideologiekritik. Die irritierend perspektivische Darstellung des Volkes und der beiden bürgerlichen Fraktioeine schon
frühzeitig ausgeprägte Ablehnung des bürgerlichen Liberalismus. Sie überliefern zudem Büchners tiefe Verachtung für
politische Theatralik, für jede pseudorevolutionäre Pose, die sich unkritisch glorifizierend auf das bürgerliche Heldenzeitalter
der Französischen Revolution zurückbezieht. Aus kritischer Distanz wird ebenso das Junge Deutschland betrachtet, zu dem
Büchner neben Karl Gutzkow ausdrücklich auch Heinrich Heine rechnet. Eine grundlegende Verkennung der
gesellschaftlichen Verhältnisse führe dort zu einer Überschätzung der bürgerlichen Intelligenz und des literarischen Mediums,
das auf die Bildung der gesellschaftlichen und religiösen Ideen Einfluß nehmen soll: »Die Gesellschaft mittelst der Idee, von
der gebildeten Klasse aus reformiren? Unmöglich!«
Mit der Französischen Revolution von 1789 verfügten Büchners Zeitgenossen über ein historisch verbürgtes Modell
politischen Handelns, in dessen Rahmen die eigenen politischen Positionen zugleich formuliert und legitimiert werden
konnten. Während sich aber ein großer Teil der bürgerlichen Opposition im Vormärz um eine ideologisch motivierte
Aktualisierung der historischen Programme der bürgerlichen Revolution bemühte, ging es Büchner im Gegenteil um eine
konsequente Historisierung gegenwärtiger Probleme der politischen Praxis der sozialen Revolution. Der Rekurs auf die
Geschichte ist somit politisch motiviert. Das ästhetisch verdichtete Modell der bürgerlichen Revolution bewirkt eine
gesteigerte Reflexivität des politischen Bewußtseins, das seinen eigenen Standort im Prozeß der Kritik der bürgerlichen
Programme und Positionen gewinnt. Wenn also Büchner nachträglich in das bereits abgeschlossene Manuskript von Dantons
Tod eine Reihe von Heine Zitaten einfügte, die das Stück durchsichtig auf die zeitgenössische Kontroverse um ›Sensualisten‹
und ›Spiritualisten‹ beziehen, so geht dies keineswegs mit einer Aufhebung des strengen Perspektivismus im politischen
Diskurs des Dramas einher. Vielmehr unterstreicht die Einbeziehung der BörneHeineDebatte, als ein kalkulierter
Anachronismus neben anderen, gerade das Bemühen um eine objektivierende Historisierung aktueller politischer
Auseinandersetzungen im fortschrittlichen bürgerlichen Lager. Das Ergebnis des »projet idéologique« (Th. M. Mayer) ist auch
in diesem Fall negativ. Die historischen wie die gegenwärtigen Programme der bürgerlichen Opposition erweisen sich sämtlich
als untauglich, die soziale Revolution des Volkes zu befördern. Auf der Ebene des politischen Diskurses verharrt das Stück in
der radikalen Negation.Büchner fand in seiner Zeit keine revolutionäre Situation vor, die eine risikoreiche politische Tätigkeit
auf Dauer hätte rechtfertigen können. Zudem hat die politische Reflexion in Dantons Tod den Entwurf eines revolutionären
Handlungsmodells sicher erschwert. Gleichwohl bedeutet dies nicht notwendig Resignation, und es ist wohl nicht Koketterie,
wenn Büchner im Mai 1835 an Gutzkow schreibt: »Mein Danton ist vorläufig ein seidenes Schnürchen und meine Muse ein
verkleideter Samson.« Im ästhetischen Medium praktiziert Büchner revolutionäre Ideologiekritik: ein Jahrzehnt vor Marx
werden zentrale Positionen der bürgerlichen Opposition einer materialistischen Kritik unterzogen.Das in Dantons Tod
praktizierte Verfahren der dramatischen Ideologiekritik muß zugleich als zentrale Vermittlungsform eines ästhetischen
Realismus gelten, der so direkt auf die politische Intention des Stücks verweist. An der Verwendung der Theatermetaphorik in
Dantons Tod läßt sich die Genese dieses kritischen Realismus exemplarisch veranschaulichen: Der ästhetische Diskurs des
Stücks ist fundiert in einem neuen Wirklichkeitsbegriff, der aus der ideologiekritischen Analyse einer umfassenden
Theatralisierung der Politik gewonnen wird. Die Kritik der gesellschaftlichen Vorstellungen wird überführt in eine
Fundamentalkritik der gesellschaftlichen Produktion von Wirklichkeit, wobei der kritische Realismus weit über die Ergebnisse
des ›Kunstgesprächs‹ (35 f.) hinausgeht. Zwar gelangen Danton und Camille zu einer ersten Thematisierung der fatalen
Theatralisierung der Wirklichkeit, doch verbleiben ihre eigenen ästhetischen Konzepte vage, und auch die kunsttheoretische
Reflexion in Lenz bewegt sich auf der Ebene eines vergleichsweise naiven Realismus, der die Mittelbarkeit der Kunst
beharrlich unterschätzt. Die neue politischästhetisch fundierte Strategie des Realismus wird erst auf der Ebene der
dramatischen Struktur eingelöst.
Als Geschichtsdrama kann Dantons Tod nur in einem spezifisch eingeschränkten Sinn gelten. Eine neue, eigenständige
Deutung der Geschichte der Französischen Revolution ist eher die politische Prämisse als das Ergebnis des »dramatischen
Versuchs«, der einen »Stoff der neueren Geschichte« behandelt. Vielmehr wird das politische Drama der Revolution in dem
Maße zum Geschichtsdrama, wie Geschichte in ihm als eine transzendentale Bedingung politischen Handelns an Bedeutung
gewinnt. Das historische Modell der bürgerlichen Revolution wird zum exemplarischen Vorwurf für die dramatische Reflexion
der Grenzen und Möglichkeiten eines subjektiven Eingriffs in den geschichtlichen Prozeß – im Handlungsraum des Dramas
wird der Spielraum historischer Subjekte vermessen. Das unvermeidliche Scheitern der sozialen Revolution und die
unaufhebbaren Widersprüche des politischen Handelns lösen eine transzendental gerichtete geschichtliche Reflexion aus, die
die vielfältige Bedingtheit menschlichen Handelns zum Gegenstand hat. Der berüchtigte ›FatalismusBrief‹ vom März 1834
formuliert bereits umfassend den Problemhorizont der dramatischen Reflexion über Geschichte, die kaum zufällig in Danton
als einem Opfer der Geschichte Gestalt gewinnt. Auch den historischen Diskurs in Dantons Tod läßt Büchner radikal negativ
enden: Die Aporien geschichtlichen Handelns werden nicht aufgelöst. Die unbegriffene Geschichte, die das geschichtliche
Handeln des Subjekts unabweislich mit dem Stigma des Absurden versieht, führt Danton zeitweise in das Extrem einer
nihilistisch artikulierten Verzweiflung an der Welt.
Die Negativität des Dramas wird tendenziell durchbrochen in einer Sphäre, die als private und intime der geschichtlichen
Sphäre politischen Handelns diametral gegenübersteht. Im Angesicht des Todes, dessen sinnhafte Aneignung im historischen
Diskurs nicht gelingen mag, scheint mit den intimen, von zwischenmenschlicher Verständigung getragenen Beziehungen
Dantons zu Julie und Camilles zu Lucile die Aufhebung von Entfremdung und Isolation möglich. Zu den zentralen Problemen
einer Deutung von Dantons Tod zählt daher die Frage, ob die besonders im letzten Akt des Dramas stärker akzentuierte
Privatsphäre als Ausdruck politischerRatlosigkeit und Resignation, als unverbindlicher Fluchtraum der privaten Existenz
verstanden werden muß, oder ob die private Sphäre als bestimmte Negation kritisch auf den politischen Diskurs des Stücks
bezogen bleibt.
Die Interpretation wird zunächst Aspekte des politischen (Abschnitt 1), des ästhetischen (Abschnitt 2) und des historischen
Diskurses (Abschnitt 3) in Dantons Tod behandeln und sich abschliessend der Frage nach der Funktion der Privatsphäre
(Abschnitt 4) zuwenden.
1. Widersprüche politischen Handelns in der bürgerlichen Revolution
Danton und die Dantonisten
Ein zentrales Thema des politischen Diskurses in Dantons Tod ist die Einschätzung revolutionärer Gewalt: die Legitimation
der Terreur und des ›Despotismus der Gewalt‹. Zynische Kommentare der Dantonisten, die treffsicher die Schwächen des
politischen Gegners erkennen und kritisieren, eröffnen den politischen Diskurs (6 f.). Robespierres atavistischer Kult der
Tugend und die neue Opferreligion, die das System der mechanischen Massentötung mühsam mit dem Schein einer
realitätsfernen revolutionären Romantik zu bemänteln sucht, demonstrieren die Unfähigkeit der jakobinischen Diktatur der
Mitte, der Revolution ein soziales oder politisches Ziel zu setzen. Die Revolution ist zum Selbstzweck geworden; die Terreur
dient primär dem Machterhalt der jakobinischen Führungsclique. Freilich findet die scharfsinnige Kritik der jakobinischen
Fraktion nicht ihr Gegenstück in einer politisch reflektierten Selbstkritik der Dantonisten. Die mögliche revolutionäre
Legitimation der Gewalt und des ›Despotismus der Freiheit‹, also deren politische und soziale Funktion, tritt nicht in den
Blick. Die dantonistische Forderung nach einem »Aufhören« (7) der Revolution, die durchsichtig an die girondistische Position
1792–93 anknüpft, ist politisch naiv und betreibt im Grunde die Sache der bürgerlichen Reaktion. Die Gefährdung der
Revolution durch die Aufstände im Innern, den Krieg, die Versorgungskrise und durch den Hunger des Volkes wird einfach
ausgeblendet. Das dantonistische Programm trägt daher den Charakter einer unpolitischen, praxisfernen Setzung, einer
unverbindlichen Proklamation ohne auch nur die geringste Chance auf Realisierung. Mag es in der Auffassung des Staates, der
menschlichen Natur und im kategorischen Imperativ des Genusses auch Ansätze zu einer sensualistischmaterialistischen
Sozialutopie geben – die schwärmerisch ästhetisierende Rhetorik der Verkündung und die zynische Antithese zu den
dringendsten Bedürfnissen einer sozialen Revolution, die in der folgenden Szene mit der Darstellung des verelendeten Volkes
drastisch vor Augen geführt werden, qualifizieren das dantonistische Programm in der gegebenen Situation als reaktionär. Der
Luxuskult der Merveilleuses und der Incroyables sowie der Vergnügungs rausch der Jeunesse dorée während der
ThermidorZeit entlarvten das volksverachtende Wesen dieses Programms.
Der Sozialcharakter des dantonistischen Programms wird durch die ihm zugedachte gesellschaftliche Basis noch einmal
unterstrichen: »Wir und die ehrlichen Leute« (8). Die Gemäßigten denken keineswegs an eine Koalition mit der
Volksbewegung. Das Volk, dem Danton die politische Reife eines Kindes zubilligt – »das Volk ist wie ein Kind, es muß alles
zerbrechen, um zu sehen, was darin steckt« (23) – kommt als Adressat für die Genußvariante der bürgerlichen Revolution
zwangsläufig nicht in Betracht. In der zynischen Sichtweise der Dantonisten macht die materielle Verelendung das Volk
unfähig zum Genuß, ist also die Tugend der Enthaltsamkeit einer Deformation der Genußorgane geschuldet. Das Volk, so
Danton, »haßt die Genießenden wie ein Eunuch die Männer« (23). »Wir und die ehrlichen Leute«: Als Zielgruppe des
dantonistischen Programms wird das wohlhabende Bürgertum, die soziale Stütze der ThermidorZeit, ins Auge gefaßt.
Schon zu Beginn des Dramas wird Danton sorgfältig von seinen Anhängern unterschieden. Er ist nicht an der Formulierung
ihres Programms beteiligt und weiß bereits, daß die Revolution ihrer eigenen Logik folgt. Im Hinausgehen, zwischen Tür und
Angel, prophezeit er, daß der revolutionäre Prozeß noch nicht beendet ist, daß das Opfer der eigenen Fraktion noch bevorsteht;
später wird er auch das gewisse Ende Robespierres voraussagen. Das prophetische Vermögen hat jedoch seinen Preis: Die
Erweiterung der politischen Reflexion wird mit einer Einschränkung der Handlungsfähigkeit bezahlt. Von vornherein geht
Danton auf Distanz zur Sphäre politischen Handelns. Seine chronische Handlungsverweigerung ist das Resultat eines
Reflexionsprozesses, der die aktuelle politische Situation bewußt überschreitet. Die gleich anfangs inszenierte Spielmetapher
benennt die Danton verbliebene Praxisform, der, jedenfalls zeitweise, eine existentielle Setzung fehlt: Dantons Handeln ist
Spiel, ein Handlungsspiel, das sich mit dem Vollzug des als unvermeidbar begriffenen revolutionären Geschehens aus der
Distanz der Reflexion zu vermitteln sucht. Daher bleibt die Position Dantons auf der Ebene des politischen Diskurses relativ
unergiebig. Seine letzten öffentlichen Auftritte zeigen den spielerischen Nachvollzug einer Handlungsrolle, die die Revolution
für ihren »toten Heiligen« bereitgestellt hat. Die Reden vor dem Revolutionstribunal (52 ff. und 62 f. ) formulieren den
Abgesang eines gescheiterten Revolutionärs; in der Selbstapologie eines Helden der Revolution versucht Danton – vergeblich,
wenn auch unter dem Beifall der Versammlung – den historischen Sinn der eigenen Geschichte in der Geschichte der
bürgerlichen Revolution einzuklagen.
Robespierre, St. Just und die Jakobiner
Im Gegensatz zur dantonistischen Fraktion, die weitgehend handlungsunfähig an der Peripherie des revolutionären Geschehens
steht, das sich ihrer nur mehr als Opfer zu bedienen weiß, stellen die Jakobiner mit Robespierre und St. Just die revolutionären
Führer des Tages. Sie beherrschen die politischen Schaltstellen in den revolutionären Gremien und scheinen mit ihrem
Handeln den gegenwärtigen Verlauf der Revolution zu bestimmen. Ohne Zweifel leisten sie den wichtigsten Beitrag zum
politischen Diskurs in Dantons Tod. Robespierres erster Auftritt (11 f.) demonstriert den Versuch der Revolutionsregierung,
die spontan entwickelte revolutionäre Gewalt des Volkes in staatlichlegalistische Bahnen zu lenken. Bezeichnenderweise
erscheint der »Unbestechliche« erst in dem Augenblick, als die spontane Gewaltaktion auf der Handlungsebene bereits ihre
Auflösung erfahren hat. Robespierres praktischer Eingriff ist so vorwiegend rhetorischer Natur. Er interpretiert das konkrete
Geschehen und die Forderung des Volkes nach einer Verstärkung der Terreur auf der allgemeinen Ebene einer Theorie der
legalen Ableitung revolutionärer Herrschaft. Das Handlungsziel des Volkes, die Beseitigung des materiellen Elends, verliert
auf diese Weise an Bedeutung zugunsten einer abstrakten Deduktion des Gesetzes aus dem Willen des Volkes. Mit keinem
Wort geht Robespierre auf den in dieser Szene sorgfältig exponierten Widerspruch zwischen Arm und Reich ein, der die
spontane Gewalt ausgelöst hat. Der penetrante Volkskult (12), dessen ideologische Dimension die SimonHandlung klar zum
Ausdruck bringt, steht überdies in deutlichem Gegensatz zu dem arbeitsteiligen Herrschaftsmodell der bürgerlichen
Revolution, das Robespierre gleich anschließend entwickelt. Der politische Führungsanspruch der Jakobiner impliziert von
vornherein die Unmündigkeit des Volkes, das als unfähig angesehen wird, die eigenen politischen und sozialen Interessen in
die Tat umzusetzen. Ähnlich wie Danton begreift Robespierre das Volk als ein Kind, das vor sich selbst geschützt werden
muß. »Du kannst nur durch deine eigene Kraft fallen, das wissen deine Feinde. Deine Gesetzgeber wachen, sie werden deine
Hände führen; ihre Augen sind untrügbar, deine Hände sind unentrinnbar« (12). Am historischen Modell der bürgerlichen
Revolution in Frankreich untersucht Büchner die prinzipielle Frage nach der Legitimität revolutionärer Gewalt. Der politische
Diskurs des Dramas bezieht sich auf den 1793/94 ausgetragenen Konflikt zwischen der spontanen Volksgewalt und der
legalisierten Gewalt der Revolutionsregierung. Historisch gesehen war die Bildung des Revolutionstribunals sowie die
Schaffung von Revolutionsausschüssen und Sondergerichten der Versuch einer staatlichen Aufhebung spontaner Gewalt, einer
zunehmend präventiv gerichteten legalen Organisation des Schreckens. Diese Institutionalisierung der revolutionären Gewalt
zeigte sich borniert gegenüber der sozialen und ökonomischen Fundierung der Terreur. Gerade die legalistische Abstraktion
vom gesellschaftlichen Charakter der Gewalt beförderte die menschenverachtende Praxis des sich selbst unablässig
fortzeugenden staatlichen Blutrausches der jakobinischen Schreckenszeit. Im Drama wird sichtbar, wie das Volk sein
spontanes Verhältnis zur Gewalt, das noch den Fall des jungen Aristokraten (11) bestimmt, allmählich verliert. Die
Verstaatlichung der Terreur macht das Volk zu einem bloßen Zuschauer der Revolution. Die Massenspektakel der öffentlichen
Hinrichtungen vermögen freilich nur für kurze Zeit den Hunger zu verdrängen (74). Der von Robespierre
messianischmissionarisch zelebrierte Volks und Tugendkult erscheint vor diesem Hintergrund als eine ideologische
Transformation des unaufgelösten Widerspruchs der bürgerlichen Revolution. Diese braucht den Kult, um die auseinander
driftenden Positionen ihrer gesellschaftlichen Basis zu verbergen. Der Tugendkult zielt auf eine moralische Neutralisierung der
Revolution. Die Tugend orientiert sich an der Instanz eines abstrakten Gemeinwohls, das den konfligierenden Interessen von
Bürgertum und Volk scheinbar übergeordnet ist. In Wirklichkeit verdeckt der Spiritualismus der jakobinischen Führung den
objektiven Widerspruch ihres gesellschaftlichen Auftrags und die daraus resultierende Unfähigkeit, die Revolution als soziale
zu begreifen oder gar fortzuführen. Mit den Mitteln der politischen Rhetorik und der staatlichen Terreur sorgen die
Robespierristen eher für eine Stabilisierung des Status quo der in ihrem Klasseninhalt unbegriffenen Revolution, als daß sie
praktisch und bestimmend auf ihren Verlauf Einfluß nehmen. Andererseits führt der aus der Führungsrolle erwachsende
Zwang zum politischen Handeln dazu, daß die jakobinische Position stärker auf die gegenwärtigen Probleme der Revolution
bezogen bleibt als die hoffnungslos anachronistische Position der Gemäßigten um Danton. Das zeigt sich besonders in den
beiden großen politischen Szenen des Dramas im Jakobinerklub (I,3) und im Konvent (II,7). Auf die Forderung nach einer
Verschärfung der Gewaltherrschaft, die mit dem Hinweis auf Ronsin zugleich eine versteckte Kritik an der Ausschaltung der
Hébertisten enthält, und auf Legendres dubioses Doppelspiel mit den Märtyrern der Revolution reagiert Robespierre mit einer
zweifachen Abgrenzung der jakobinischen Position der Mitte: Die Revolution sucht ihre Feinde nicht mehr nur außerhalb ihrer
eigenen Reihen; sie findet sie in ihren extremen Flügeln, die eben den sozialen Gegensatz formieren, den die jakobinische
Diktatur gewaltsam zu liquidieren versucht. Robespierre stützt seine Vorwürfe gegen die Hébertisten nicht nur auf deren
Kampf gegen die »Gottheit« (14). Büchner bezieht hier – die historische Quelle überschreitend – ausdrücklich den Kampf
Héberts gegen das Eigentum ein. Die Eigentumsfrage trennte die bürgerlichen Revolutionäre von ihrer Massenbasis im Volk.
Die Sansculotten waren keineswegs wie die kapitalistische Bourgeoisie an einer totalen Befreiung des Eigentums interessiert.
Sie zeigten sich eher einer vorkapitalistischen Wirtschaftsethik verpflichtet, die auf einer Begrenzung und sozialen Einbindung
des Eigentums beharrte. Für kurze Zeit also bekennt der »Unbestechliche« mit seinem indirekten Plädoyer für das Eigentum
Farbe als Wortführer einer bürgerlichen Fraktion. Der weitaus größte Teil der Kritik an den Hébertisten und an den
Gemäßigten um Danton bemüht je doch aufs neue die bekannten Grundsätze der Moral und der politischen Ordnung.
Robespierre agiert in der Rolle eines Schiedsrichters der Revolution. Für seinen Angriff auf die dantonistische Fraktion greift
er auf das bewährte und noch immer wirksame Feindbild des Aristokratismus zurück, wobei er immerhin die moralische
Perspektive in Gestalt der Lasterkritik auf einen materiellen Bereich überträgt. Seine Kritik am aufwendigen Lebensstil der
bürgerlichen Revolutionsgewinnler erfaßt präzise die latent parasitären Elemente im epikuräischen Programm der Dantonisten
und bezichtigt diese offen einer »Ausplünderung des Volkes« (16). Der Ruf der Gemässigten nach einer Beendigung des
Blutvergießens wird von Robespierre als Position der Schwäche gegeißelt, die die Sache der Revolution akut gefährdet.
Umrißhaft zeichnet sich hier das Konzept einer demokratisch legitimierten Diktatur ab. »Die Revolutionsregierung ist der
Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei« (15). Erst die in der Revolutionsregierung verkörperte Symbiose von Tugend
und Schrecken, die sich abstrakt auf das Gesetz, den allgemeinen Willen des Volkes, berufen kann, sichert in Robespierres
Augen die Errungenschaften der Revolution und schafft die Voraussetzungen für ihre erfolgreiche Beendigung. Die
Begrenztheit der robespierristischen Position zeigt sich dennoch klar in der spiritualistischen Überformung sozialer Wider
sprüche und in der mangelnden Fähigkeit, gesellschaftliche Beziehungen in sozialen Kategorien zu erfassen und nach
Maßgabe eines politischsozialen Programms aktiv zu gestalten. Die zeitlich begrenzte Koalition mit der Volksbewegung
gewinnt dadurch einen vorwiegend taktischen Charakter. Die »soziale Revolution« (24) erscheint im Kontext des Dramas als
bloßes Lippenbekenntnis. Sie wird durch die Beseitigung der Hébertisten in Frage gestellt und scheitert am Problem des
Eigentums. So zeitgemäß die jakobinische Theorie einer Revolutionsregierung und die demokratisch legitimierte
Institutionalisierung der Gewalt auch anmutet – im Hinblick auf die Erfordernisse einer sozialen Revolution des Volkes
erscheint Robespierres Tugendreligion als ideologisch motivierte Anmaßung, die staatliche Gewaltherrschaft aber als ein
kaltblütig inszeniertes Massenopfer, das – weit entfernt von den gesellschaftlichen Ursachen revolutionärer Gewalt nur mehr
auf deren vordergründige Wirkung setzend – am Ende allein dem Machterhalt der jakobinischen Führungsclique dienlich ist.
Wie groß der ideologische Bedarf der jakobinischen Revolutionsregierung ist, verdeutlicht die Rede St. Justs vor dem Konvent
(43 ff.). In »allgemeinen Betrachtungen« bezieht er hier das Gewaltproblem der Revolution auf die »Gesetze« von Natur und
Geschichte. Das Allgemeine erweist sich jedoch als ein idealistisches Konstrukt, das der Natur einen Zweck und der
Geschichte einen Sinn unterstellt und so die gewaltsame Vernichtung der individuellen Existenz legitimiert. Kein Geringerer
als der »Weltgeist« selbst führt die Arme des Henkers bei seinem blutigen Geschäft. Der massenhafte Tod der vielen einzelnen
erscheint als politische Krankheit, die Revolution als Seuche, die den Fortschritt der Menschheit befördert. Die mörderischen
Analogien St. Justs gründen die revolutionäre Anwendung von Gewalt nicht auf den politischsozialen Prozeß der Umwälzung
selbst, sondern ausdrücklich auf die »Idee« als Vermittlungsform eines abstrakten Allgemeinen, das die Vernichtung des
Besonderen bewußt in Kauf nimmt.Die theoretisch abgeleiteten Schlüsse des Chefideologen der jakobinischen
Revolutionsregierung stehen in scharfem Kontrast zu der spontanen Logik revolutionärer Gewalt, wie sie zu Beginn des
Dramas demonstriert wird (10; 12). Hier wird der Einsatz der Gewalt ursächlich mit dem materiellen Elend des Volkes in
Verbindung gebracht. Das Erfahrungswissen des Volkes entbindet eine soziale Kausalität, deren praktische Schlüsse auf eine
konkrete Abhilfe, auf die Lösung des sozialen Problems gerichtet sind. St. Just dagegen legitimiert die Gewalt mit Hilfe einer
logischen Entfaltung der Implikationen eines politischmoralischen Grundrechts der Revolution: »Da alle unter gleichen
Verhältnissen geschaffen werden, so sind alle gleich, die Unterschiede abgerechnet, welche die Natur selbst gemacht hat; es
darf daher jeder Vorzüge und darf daher keiner Vorrechte haben, weder ein einzelner noch eine geringere oder größere Klasse
von Individuen. – Jedes Glied dieses in der Wirklichkeit angewandten Satzes hat seine Menschen getötet. Der 14. Juli, der 10.
August, der 31. Mai sind seine Interpunktionszeichen.« (44.) Das Bild einer ›Grammatik der Revolution‹ verdeutlicht den
wirklichkeitsfernen Schematismus, der einer politischen Appli kation des theoretisch eingeführten Gleichheitsprinzips anhaftet.
Beinahe unmerklich wechselt das logische Verfahren sein Bezugsfeld und wird in den Bereich eines wirklichkeitsindifferenten
formalen Regelsystems überführt. Hier wird ein sozial abstraktes, formalistisches politisches Ordnungsdenken sichtbar, das die
Legitimationsproblematik revolutionärer Gewalt geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Nicht die Legitimation von Gewalt,
sondern die Legitimation durch Gewalt wird zum Hauptgeschäft der bürgerlichen Revolutionäre. Die Revolution erstarrt zu
einem politischmoralischen Ordnungsmodell, das die Gewalt braucht, um sich rechtfertigen zu können.
Das abstrakte und tendenziell idealistisch begründete Gesetz der Vernichtung nobilitiert seinen Erfinder, den Ideologen der
bürgerlichen Revolution, als quasi natürlichen Vollstrecker des historischen Fortschritts. St. Justs rhetorisch zelebrierte Orgie
der Vernichtung bringt wider Willen den blutigen Kreislauf der bürgerlichen Revolution an den Tag: die Revolution muß unter
moralischen Vorzeichen gewaltsam verlängert werden, weil sie als soziale Revolution nicht vollendet werden kann. Während
St. Just die Identifikation mit der Rolle des Vollstreckers gelingt, machen sich bei Robespierre bereits erhebliche Zweifel am
Sinn und an der Notwendigkeit des revolutionären Blutgerichts bemerkbar. In den beiden Monologen, die auf die Gespräche
mit Danton und St. Just folgen (25 f.; 28), hat der Revolutionsführer Mühe, dem selbst auferlegten Rechtfertigungszwang
gerecht zu werden. Programmatische Phrasen, die nur zu deutlich der eigenen Beruhigung dienen, stehen im Wechsel mit
bohrenden Selbstzweifeln eines aufgeschreckten Gewissens, das das eigene Handeln nicht mehr als verlängerten Arm des
Weltgeistes zu deuten vermag. Als persönlich zu verantwortendes Tun wird es zunehmend von der Kategorie der Schuld
erfaßt. Zumindest im Ansatz sind somit die Aporien politischen Handelns in der bürgerlichen Revolution, die besonders
Danton thematisiert und reflektiert, auch bei Robespierre erkennbar. Die Vermittlung subjektiven Handelns mit dem
vermeintlich objektiven Sinn des revolutionären Geschehens – sie vermag selbst dem »Blutmessias«, Opferer und Opfer
zugleich, nicht zu gelingen. Der politische Diskurs in Dantons Tod begnügt sich nicht mit der verschärfenden Rekonstruktion
der immanenten Widersprüche der robespierristischen Position. Ihre offensichtlichste Desavouierung erfährt die jakobinische
Politik auf der Handlungsebene des Stücks. Von St. Just als historische Notwendigkeit gepriesen, realisiert sich die
Liquidierung der dantonistischen Fraktion weit eher als politisches Verbrechen. Die ›List der revolutionären Vernunft‹ bedient
sich skrupellos krimineller Manipulation und der Intrige. In St. Just findet der »Despotismus der Freiheit« seinen politischen
Demagogen und einen Intriganten, der den Vergleich mit den Schergen absolutistischer Willkür nicht zu scheuen braucht. Von
Anfang an sinnt er darauf, die Ausschaltung des populären Gegners im rechten Licht erscheinen zu lassen: »Wir müssen die
große Leiche mit Anstand begraben, wie Priester, nicht wie Mörder; wir dürfen sie nicht verstümmeln, alle ihre Glieder
müssen mit hinunter« (27). Der Ankläger und der Präsident des Revolutionstribunals – vermeintlich die Speerspitze der
bewaffneten Tugend – bereiten die Untersuchung gegen die Dantonisten als eine Art Schauprozeß vor. Die betrügerische
Auswahl der Geschworenen und die gleichzeitige Verhandlung gegen die ›Fälscher‹ und die ›Fremden‹ dienen der gezielten
Denunziation der politischen Gefangenen, deren Beseitigung vor dem Volk gerechtfertigt werden muß. Die Kolportierung
eines offensichtlich fingierten Fluchtkomplotts der Dantonisten dient der massiven Beeinflussung der Geschworenen und sorgt
mit dem Ausschluß der Angeklagten von der Verhandlung für deren sichere Verurteilung zum Tod. Die Liquidierung der
Dantonisten entlarvt die erbärmliche Praxis der jakobinischen Tugenddiktatur.
Eine wirksame Diskreditierung erfährt die robespierristische Position schließlich durch das Verhalten derer, die sie vertreten.
Der von Robespierre beanspruchte Standort über den gesellschaftlichen Parteien, die angebliche soziale Neutralität der
Revolution liefert diese der zynischen Willkür einer kleinen Clique aus, die die politischen Schaltstellen nach Maßgabe
privater, egoistischer Motive in Anspruch nehmen. Die private Aneignung der revolutionären Terreur wird zugespitzt
erkennbar in der Absicht Dumas’, eines der Präsidenten des Revolutionstribunals, seine Ehescheidung mit Hilfe der Guillotine
zu vollziehen (65). Die Szene im Wohlfahrtsausschuß (III,6) demonstriert die willkürliche und menschenverachtende
Handhabung der öffentlichen Gewalt im jakobinischen Lager. Zynische Verachtung trifft die kranken oder dem Tod geweihten
Gefangenen sowie die Schwangeren, deren Hinrichtung der Revolution Kindersärge erspare. Die despotische Willkür des
Bürgers bei der Beantwortung von Bittgesuchen steht der Tyrannei des fürstlichen Absolutismus in nichts nach. Die
Anspielung auf Lessings Emilia Galotti spielt bewußt die bürgerliche Ideologie gegen deren inhumane Praxis aus.
Robespierres Tugendmodell der Revolution verfällt einhellig dem Spott seiner Anhänger. Wie Danton die Tugendhaftigkeit
des Volkes auf die Deformation seiner Genußorgane zurückführt, so deuten die Robespierristen das Keuschheitsgebot ihres
Anführers als Ausdruck sexueller Impotenz. Der obszöne Diskurs und die im Wohlfahrtsausschuß verabredete Lustreise nach
Clichy stiften über die politischen Grenzen hinweg Gemeinsamkeiten in der Lebenspraxis der bürgerlichen
Revolutionsgewinnler. Die unerwartete Nähe von Robespierristen und Dantonisten verleiht Dantons Diktum »Es gibt nur
Epikureer« (25) einen präzisen sozialen Sinn. Der öffentliche Handlungsraum der bürgerlichen Revolution wird im politischen
Diskurs des Dramas als ein ideologischer ausgewiesen. Am Ende sind sowohl Robespierres als auch Dantons Partei gründlich
diskreditiert: Nicht nur bleiben die bürgerlichen Revolutionäre und ihre Handhabung der Gewalt ohne hinreichende
Legitimation, auch ein positiver Ansatzpunkt politischen Handelns ist nicht zu erkennen. Der vergleichsweise vordergründige
Konflikt zwischen Tugend und Genußmodell der Revolution bleibt ohne Folgen für die notwendige soziale Revolution: er
kaschiert den Prozeß der Stabilisierung der bürgerlichen Herrschaft und die mit ihm verbundene Entmachtung des Volkes, das
der bürgerlichen Revolution erst zum Sieg verholfen hat.
Das Volk
Das Volk verbleibt als die einzige gesellschaftliche Gruppierung im Drama, die von ihrer Interessenlage her die Notwendigkeit
einer sozialen Revolution begreifen und diese in die Tat umsetzen könnte. Das Volk ist das präsumtive Subjekt einer
Revolution, die das Postulat der Gleichheit in seinem umfassenden Sinn als praktische Aufhebung materieller und geistiger
Benachteiligung in die Wirklichkeit überführt. Mit der Darstellung des Volkes versucht Büchner im Rahmen der von der
Gattung gesetzten Grenzen, die empirischen Bedingungen zu ermitteln, die das Volk hindern, seine Rolle als kollektives
Subjekt einer sozialen Revolution wahrzunehmen. Die Darstellung des Volkes verfährt daher keineswegs idealisierend,
sondern zeigt schonungslos die verheerenden Folgen materieller Verelendung und geistiger Unterdrückung. Der Hunger treibt
das Volk zu spontanem politischen Handeln (11 f. ); er motiviert die mitleidlose materielle Ausbeutung des organisierten
Schreckens (eindringlich gestaltet in den Fuhrleuten des Todes, 69) und bestimmt schließlich die Haltung des Volkes als
Publikum vor dem Blutgerüst der Revolution. (74 f.) Die Prostitution ist die beherrschende soziale Beziehungsform des Volkes
zu den bürgerlichen Revolutionären. Von der Tochter des Souffleurs Simon über die Grisetten im Palais royal und in Clichy
bis hin zu den Weibern auf dem Platz vor der Conciergerie, die auf die dantonistischen Gefangenen wie auf »alte Kunden«
warten (69): Die Prostitution läßt die gesellschaftliche Beziehung des Bürgertums zum Volk sinnfällig werden. Der parasitäre
Charakter der bürgerlichen Revolution tritt deutlich hervor, wenn die Revolutionsgewinnler sich am Volk, dem Motor der
Revolution, als an ihrem künftigen Opfer schadlos halten. Erzwungen wird freilich nicht allein der Verkauf des Körpers;
Ausbeutung und Korruption erfassen ebenso die Sphäre des Bewußtseins und damit die politische Willensbildung im Volk. Ein
schlagendes Beispiel für die ideologische Abrichtung des Volkes, die mit der Manipulation von Sprechen und Denken
entschieden dessen Realitätswahrnehmung tangiert, ist der Souffleur Simon (9 ff.). Literarische Zitate, Römerposen und leere
heroische Gesten verhindern bei Simon eine realistische Einsicht in die eigene Misere. Die Identifikation mit den tragischen
Heldenrollen in Literatur und Geschichte, die der Souffleur auf die aktuelle Folie des robespierristischen Tugendkultes bezieht,
führt zu einer Verdrängung der sozialen Realität bzw. zu deren Neuinterpretation im Kontext eines moralischen Heroismus.
Aber selbst dort, wo eine realistische Haltung im Volk vorherrscht, bleibt die von den bürgerlichen Revolutionären betriebene
ideologische Transformation sozialer Widersprüche nicht ohne Wirkung. In seiner Frau und in den drei Bürgern findet Simon
zunächst ein kritisches Korrektiv. Diese sehen in der Prostitution kein Sittlichkeitsdelikt, sondern die unvermeidliche Folge
einer vom Elend erzwungenen Arbeit »mit allen Gliedern« (10). Der erste Bürger stellt Simons moralische Argumentation vom
Kopf auf die Füße. Der revolutionäre Zorn des Volkes richtet sich nicht gegen die Hure, sondern gegen den, der sie zur Hure
macht.
Weh über die, so mit den Töchtern des Volkes huren! Ihr habt Kollern im Leib, und sie haben Magendrücken; ihr habt Löcher
in den Jacken, und sie haben warme Röcke; ihr habt Schwielen in den Fäusten, und sie haben Samthände. Ergo, ihr arbeitet,
und sie tun nichts; ergo, ihr habt’s erworben, und sie haben’s gestohlen; ergo, wenn ihr von eurem gestohlnen Eigentum ein
paar Heller wiederhaben wollt, müßt ihr huren und betteln; ergo, sie sind Spitzbuben, und man muß sie totschlagen! (10.) In
diesem primitiven dichotomischen Modell gesellschaftlicher Beziehungen findet mit dem Gegensatz von Arbeit und Genuß der
Klassenwiderspruch eine erste Formulierung. Das Volk als arbeitendes Kollektiv beginnt sich als eigenständige Gruppe nach
außen abzugrenzen: gegen Reichtum und Genuß, gegen die Emigranten, aber auch schon gegenüber den Gebildeten (11). Die
Frontlinie der sozialen Revolution verläuft quer zu der der bürgerlichen. Die Geschichte der Revolution – der Kampf gegen die
Aristokraten, gegen das Veto des Königs und gegen die Gironde (ebd.) – bezeugt, daß das Volk bislang nicht zu ihren
Nutznießern gehört hat: Der Hunger besteht fort. Die soziale Erkenntnis des Volkes ist von einer unmittelbar praktischen
Qualität und nicht etwa einer Theorie gesellschaftlicher Widersprüche geschuldet. Sie verdankt sich einem in der Lebenswelt
des Volkes ausgebildeten sozialen Instinkt, der sich in vereinzelten spontanen Aktionen gewaltsam entlädt. Diese praktische
Erkenntnis, die exemplarisch in der abgebrochenen Laternisierung des jungen Aristokraten vorgeführt wird, fällt dem
rhetorischen Eingriff Robespierres zum Opfer, der sie ideologisch überformt, und, dem Souffleur Simon nicht unähnlich, auf
einen moralischen und politischen Diskurs über die Gewalt und das tugendhafte Volk zurückbezieht. Das Volk fällt so am
Ende der Szene dem eigenen Kult zum Opfer. Auch die Szene vor dem Justizpalast (III,10) zeigt weniger die Wankelmütigkeit
des Volkes, als seine Unfähigkeit, sich der ideologischen Transformierung vorhandener sozialer Widersprüche zu erwehren.
Dabei wird zu Beginn der Szene die soziale Funktion der bürgerlichen Terreur prägnant erfaßt: »Ja, das ist wahr, Köpfe statt
Brot, Blut statt Wein« (64). Die Argumentation des Zweiten Bürgers knüpft geschickt an den sozialen Instinkt des Volkes an.
Die materielle Auswertung der Anklage gegen Danton muß das Volk zur Parteinahme gegen ihn führen. Die Verurteilung
Dantons geht jedoch – unnötigerweise – mit einer Parteinahme für dessen bürgerlichen Gegner Robespierre einher. Es zeigt
sich, daß das Volk dort an seine Grenze stößt, wo es auf die eigenständige politische Formulierung seiner sozialen Interessen
ankommt. Unkritisch überträgt es seine Sympathien von Danton auf Robespierre: es sitzt damit dem ideologisch motivierten
bürgerlichen Schaukampf auf, der wirkliche Opfer fordert und unnötig gesellschaftliche Energien verzehrt, obwohl er nichts
zur Lösung der drängenden sozialen Probleme beiträgt.
Das Volk in Dantons Tod formiert sich spontan, situationsbezogen und damit jeweils nur für kurze Zeit als Klasse im
politischen Sinn. Konkrete Ansätze zu einer dauerhaften Organisation der sozialen Interessen im Volk sind im Drama – im
Gegensatz zur historischen Realität der Französischen Revolution – nicht auszumachen. Büchner hat die Volksbewegung der
Sansculotten kaum berücksichtigt; auch die Hébertisten als Vertreter eines volksnahen sozialradikalen Flügels der Revolution
spielen nur eine untergeordnete Rolle für den politischen Diskurs in Dantons Tod. Damit erscheint der Abstand zwischen dem
Volk und der rein bürgerlichen Führung der Revolution noch größer. Die mangelnde Fähigkeit des Volkes zu einer wirksamen
politischen Wahrnehmung seiner Interessen wird auf diese Weise sichtbar gemacht – nicht weniger freilich die Gefahr, die
dem Volk aus der bürgerlichen Organisation der Revolution erwächst. Den aktuellen politischen Erfahrungsgehalt dieser
Erkenntnis hat Büchner bereits in einem Brief vom 9. November 1833 formuliert: »Die politischen Verhältnisse könnten mich
rasend machen. Das arme Volk schleppt geduldig den Karren, worauf die Fürsten und Liberalen ihre Affenkomödie spielen.«
Die Darstellung des Volkes hebt die Negativität des politischen Diskurses in Dantons Tod nicht auf. Allenfalls implizit, das
heißt im Modus der Kritik, sind Ansätze zu einer politischen Strategie zu erkennen, die geeignet wäre, die soziale Revolution
zu befördern. Eine Konkretisierung dieser Strategie hätte nicht nur das historische Modell der Französischen Revolution,
sondern auch seine aktuelle Applikation überfordert. Eine politische Strategie der sozialen Revolution muß am revolutionären
Gegensatz von Arm und Reich ansetzen. Dieser Klassenwiderspruch, der das Bürgertum eindeutig als politischen Gegner
ausweist, ist der Ausgangspunkt für eine revolutionäre Umwälzung, die die soziale Emanzipation des Volkes anstrebt. Die
Revolution ist daher eine Sache des Volkes; die sozialen Interessen entstehen in seiner Lebenswelt und dürfen nicht mit Hilfe
von ›Ideen‹, durch abstrakte Konzepte aus Moral, Philosophie oder Politik, ideologisch transformiert werden. Die »Bildung
eines neuen geistigen Lebens« muß, so Büchner noch 1836 in einem Brief an Gutzkow, »im Volk« selbst gesucht werden.
Büchner bricht radikal mit der politischen Kultur des Bürgertums. Die »abgelebte moderne Gesellschaft« und die ihr
zugehörigen ideologischen Vermittlungsformen haben in seinen Augen ausgespielt. Die politische Organisation einer
künftigen Revolution muß an den spontanen revolutionären Aktionen des Volkes selbst ansetzen. Robespierres
bevormundende Feststellung, daß das Volk »nur durch [. . .] eigne Kraft« fallen kann (12), bedarf der revolutionären
Umkehrung: Das Volk kann seine Befreiung nur durch eigene Kraft ins Werk setzen. Der politische Diskurs des Dramas läßt
jedoch keine Zweifel zu: Das Volk als handlungsfähiges Subjekt, die Bedingung der Möglichkeit einer sozialen Revolution, ist
nicht auszumachen. Der dramatische Perspektivismus wird in Dantons Tod konsequent durchgehalten. Keine der sozialen und
politischen Gruppierungen erfährt eine Bevorzugung; keiner Position kommt – etwa durch eine stärkere Identifikation des
Autors – ein größeres Maß an Verbindlichkeit zu. Dieser radikale Perspektivismus hat bei der Rezeption des Dramas auf dem
Theater und in der BüchnerForschung bis in die jüngste Zeit hinein irritierend gewirkt. Als politisches Drama praktiziert
Dantons Tod Ideologiekritik. Der politische Diskurs ist von einem skeptischen Realismus getragen. Obwohl das Drama
keinerlei konkrete Perspektive auf der Ebene des politischen Handelns erkennen läßt, hält es den Anspruch auf eine soziale
Revolution im Sinne des Volkes unbeirrt aufrecht. Als dramatisches Denkspiel überführt Dantons Tod den politischen Diskurs
in einen historischen, der die Bedingungen und Möglichkeiten politischen Handelns im geschichtlichen Raum auslotet.
2. Realistische Kunst und das Theater der Wirklichkeit
Geschichte, Religion und Literatur stellen den Protagonisten des Revolutionsdramas ein Repertoire von Rollen und
Verhaltensmustern zur Verfügung, die eine stilisierende Vermittlung des eigenen und eine Deutung fremden politischen
Handelns erlauben. Den größten Anteil an den auffällig zahlreichen literarischen und historischen Anspielungen und Zitaten
hat die Welt der Antike. Das gilt für das griechische Kostüm der Dantonisten nicht weniger als für die römische Toga ihrer
Gegner im jakobinischen Lager. Die antiken Zitate verdichten sich tendenziell zu einem eigenständigen Code der politischen
Kommunikation. Die Selbst und Fremdwahrnehmung der politischen Akteure im Drama greift konsequent auf die normativ
hochbesetzten heroischen Deutungs und Legitimationsmuster der Antike zurück. Gegen die auf ihn gemünzte taciteische
Tyrannenschelte setzt Robespierre Sallusts Verschwörung des Catilina (16), die in der Tat das Legitimationsmodell für die
Liquidierung der dantonistischen ›Konspiration‹ abgeben wird. Der Dolch des Brutus wechselt gar die Seiten: Dantons Kampf
gegen die jakobinische Diktatur soll er zur Hand gehen (29), aber auch St. Just reklamiert ihn für den Kampf der »Feinde der
Tyrannei [. . .] in Europa und auf dem ganzen Erdkreise« (45). Das Volk erscheint im mythischen Denken der bürgerlichen
Revolutionäre als »Minotaurus« (18), die Revolution dagegen »wie Saturn, sie frißt ihre eignen Kinder« (22). Das integrative
Bezugsmodell für die im Zitat angeeigneten Rollen und Verhaltensmuster ist die Theatermetapher, die das Handeln, besonders
das Handeln im öffentlichen Raum, als Rollenhandeln ausweist. Die Revolution selbst erscheint im Horizont der
Theatermetaphorik als politische Inszenierung, als die kollektive Aufführung eines vorbestimmten dramatischen Texts.
Robespierre beschwört in seiner Anklage gegen die Hébertisten »das erhabne Drama der Revolution« (14 f.), und besonders
Danton begreift und reflektiert den politischen Handlungsraum der Revolution im Bild des Welttheaters. Die Welt als Theater,
der Mensch als Rollenträger, sein Handeln als fremdbestimmtes Spiel: der Topos des Welttheaters ist »immer schon als
Aussage darüber zu lesen, was Wirklichkeit ist.« Büchner fand die Theatermetaphorik in den Quellen zur Geschichte der
Französischen Revolution vor. Ihr Einsatz im Drama legt gezielt den ideologischen Gehalt tradierter literarischer und
historischer Muster frei, wobei die Kritik primär die gesellschaftliche Wirksamkeit der erborgten Rollen und
Handlungskonzepte erfaßt. Aus dem anachronistischen Repertoire der klassischen Muster speist sich die historisch
unangemessene politische Stilisierung der revolutionären Führer, und noch die Wahrnehmung der gesellschaftlichen
Wirklichkeit im Bewußtsein der ›kleinen Leute‹ ist durch eine Theatralisierung der Politik bestimmt. Karl Marx hat in seiner
Analyse des 18. Brumaire die ideologische Funktion dieser heroischen Kostümierung nachgewiesen und den Totendienst der
bürgerlichen Revolutionshelden scharf kritisiert. »Die soziale Revolution des neunzehnten Jahrhunderts kann ihre Poesie nicht
aus der Vergangenheit schöpfen, sondern nur aus der Zukunft.« Die Theatermetaphorik in Dantons Tod erfüllt eine doppelte
Aufgabe: sie demonstriert die ideologische Verblendung der politischen Akteure, kritisiert aber mit der Theatralisierung der
Politik zugleich eine ästhetisierende Aneignung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Im Drama erscheint die Theatermetapher als
potenziertes Zitat: zitiert wird das historisch verbürgte Zitat, wobei der Akzent weniger auf dem Zitierten als auf dem Gestus
des Zitierens liegt. Als Geschichtszitat problematisiert die Theatermetaphorik in Dantons Tod historisch dominante Formen der
Wirklichkeitsaneignung; dabei erscheint das Theater nicht so sehr als Kunst, sondern als eine Vermittlungsform
gesellschaftlicher Realität. Als Metapher für die Produktion und Rezeption von Wirklichkeitsbildern steht das Theater für
einen spezifisch defizitären Zugang zur gesellschaftlichen Realität. Mit dem potenzierten Einsatz der Theatermetaphorik
verschärft Büchner die Ideologiekritik des politischen Diskurses und überführt diese zugleich in eine fundamentale Kritik der
gesellschaftlichen Produktion von Wirklichkeit. Die Aporien des politischen Handelns werden über ihre ideologische
Begründung hinaus auf elementare Formen der Aneignung von Realität zurückgeführt. Die KunstFigur Simon, mit der
Büchner die Grenzen eines realistischen Figurenkonzepts bewußt überschreitet, demonstriert die fatalen Folgen einer
universalen Theatralisierung der Wirklichkeit. Die komische Diskrepanz resultiert nicht allein aus der unfreiwilligen
Verwechslung der zitierten Rollen, sie ergibt sich ebenso aus dem lächerlichen Verfehlen der lebensweltlichen Realität. Der
betrunkene Souffleur, der die der Not geschuldete Prostitution seiner Tochter auf der Folie antiker und bürgerlicher heroischer
Muster stilisiert (Kabale und Liebe, VirginiaMotiv, Emilia Galotti, Lukretia, Philemon und Baucis, Porcia, Hamlet), setzt einen
bezeichnenden Rahmen für den anschließenden ›Auftritt‹ Robespierres. Die pathetische Gebärde, die der Politiker Robespierre
dem »erhabnen Drama der Revolution« schuldig zu sein glaubt, erscheint vor diesem Hintergrund erborgt, hohl und
unzeitgemäß. Die überraschende Nähe zwischen dem berufsmäßigen Ein und Vorsager und dem jakobinischen
Revolutionsführer wird an anderer Stelle bestätigt: Bei der Verhaftung Dantons (40), die Simon mit
ShakespeareReminiszenzen und geflügelten Worten aus den Befreiungskriegen aufpoliert, bedient sich der Souffleur der
gleichen vaterländischen Rhetorik, die Robespierre in der folgenden Szene wirkungsvoll an das Ende seiner Rede vor dem
Konvent setzt (43). Die SimonFigur zeigt in komischer Übertreibung einen theatralisch bedingten Wirklichkeitsverlust, der
tendenziell alle politischen Akteure der bürgerlichen Revolution bedroht.Erscheint die Theatermetaphorik bei Simon, und in
gewisser Hinsicht auch bei Robespierre, in reflexionsloser Gestalt, so erfährt sie bei Danton eine reflexive und kritische
Wendung. Im Bild des Welttheaters thematisiert Danton die individuell erfahrene Entfremdung vom historischen Prozeß der
Revolution. Zugleich aber wird ihm die Theatermetapher zu einer avancierten Chiffre für die Wahrnehmung des eigenen
Verlusts von Wirklichkeit: »wir stehen immer auf dem Theater, wenn wir auch zuletzt im Ernst erstochen werden« (31).
Keineswegs zufällig findet das Bild vorn Revolutionstheater zuerst im Zusammenhang der öffentlichen Spektakel des Todes
Verwendung. Der Tod als äußerste menschliche Grenzerfahrung verstärkt den Bedarf an Sinn für die Lebensgeschichte der
individuellen Existenz. Danton radikalisiert die Legitimationsproblematik gesellschaftlicher Sinnwelten, indem er, restlos
desillusioniert, nach der Wirklichkeit der Wirklichkeit fragt. Im Bild des Welttheaters formuliert er die an sich selbst erfahrene
Ohnmacht des Subjekts und die Fremdbestimmtheit des menschlichen Eingriffs in den historischen Prozeß der Revolution:
»Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten am Draht gezogen; nichts, nichts wir selbst!« (40. ) In der Todeszelle schließlich
büßen die öffentlichen Rollen ihre letzte Legitimation ein. Hier ist es Camille, der die Maskenhaftigkeit der in der Phrase
überlebenden politischen Existenz seiner Freunde entlarvt: »wir sollten einmal die Masken abnehmen, wir sähen dann, wie in
einem Zimmer mit Spiegeln, überall nur den einen uralten, zahllosen, unverwüstlichen Schafskopf, nichts mehr, nichts
weniger« (72). Die forcierte Verwendung der Bühnen und Rollenmetapher signalisiert die Entfernung der Revolutionäre von
der Revolution. In der Theatermetapher wird die Divergenz von geschichtlichem Prozeß und individuellem Handeln
festgehalten, aber nicht auf den Begriff gebracht. Ihre Verwendung indiziert also nicht nur hellsichtig das Fehlen historisch
angemessener Formen politischen Handelns; sie zeugt zugleich vom Unvermögen, diesen Mangel als politischen zu begreifen.
Noch die kritische Wendung, die die Theatermetaphorik bei Danton erfährt, bezeichnet einen eingeschränkten
Bewußtseinsstand, der auf der Figuren und Handlungsebene des Dramas nirgends überschritten wird. Ihr Erkenntniswert bleibt
begrenzt. Zwar erlaubt sie Danton zeitweise die Identifikation mit einer Zuschauerrolle im historischen Prozeß, einer Rolle, die
den aufgezwungenen Handlungsverzicht reflexiv zu bewältigen versucht, doch fehlt Dantons WeltTheater im Vergleich zu
seinem barocken Vorgänger jede verbindliche Verankerung in einem transzendenten Sinnsystem. Erweitert zum ›Spiel‹,
bewirkt die Theatermetapher eine erneute, wenn auch reflektierte Ästhetisierung der sozialen und politischen Wirklichkeit und
verstellt letztlich den Weg von der Reflexion zur geschichtlich verantwortlichen Tat. Sie wirkt im Grunde als ein zusätzliches
»Quietiv«. Im Kostüm des Zuschauers bleibt Danton in den engen Grenzen des Bildes vom Revolutionstheater befangen. Erst
im Horizont des eigenen Todes wird das Theater als metaphorisches Vehikel der Konstitution gesellschaftlicher Wirklichkeit
ausdrücklich außer Kraft gesetzt. Die Kritik einer universalen Theatralisierung der Alltagswelt ist in einem neuen
Wirklichkeitsbegriff fundiert, der im ästhetischen Diskurs von Dantons Tod selbst entfaltet wird. Die Straßenszene (»Eine
Promenade«, II,2) verknüpft auf subtile Weise den politischen und den ästhetischen Diskurs des Stücks. Durch die Erweiterung
der Theatermetaphorik zum Organ der Wirklichkeitskonstitution gewinnt auch die anschließende kunsttheoretische Reflexion
(35 f.) eine außerästhetische Bedeutung. Die Straßenszene führt exemplarisch die lebensweltliche Funktion
bürgerlichidealistischer Kunst vor. In der Form eines hart gefügten Simultantheaters verstärkt sich noch die bereits in den
alltagsweltlichen Szenen angelegte Theatralik. Ein ästhetisierender Zugang beherrscht nicht nur die Überlegungen zur
republikanischen Namensgebung, die noch einmal den kultischen Ursprung der klassischen Muster und ihre Nähe zum
Personenkult (Robespierre) illustrieren. Auch die stilisierte Abendstimmung und die idealisierende Verklärung der Natur, die
sich im Gespräch der bürgerlichen Dreiergruppe bemerkbar macht, greift auf literarische Muster der
Wirklichkeitswahrnehmung zurück. Besonders deutlich bezeichnet der Dialog der beiden Herren die lebensweltliche Antithese
von Kunst und Wirklichkeit. Das eitle Gerede von technischer Revolution und menschlichem Fortschritt erweist sich im
Hinblick auf die Unfähigkeit, eine banale Alltagssituation – die ›gefährliche‹ Pfütze – zu bewältigen, als haltloses Geschwätz.
Die angenommenen Phrasen einer modernen Halbbildung können zudem durchaus mit einem pseudowissenschaftlichen
Aberglauben – »Ja, die Erde ist eine dünne Kruste, ich meine immer, ich könnte durchfallen, wo so ein Loch ist« (35) –
bestehen. Die Lebensfremdheit des falschen Allgemeinen betrifft nicht minder die Kunst. Das Theater definiert sich geradezu
über seine Distanz zur Lebenswelt. Die theatralisch angerichtete geistreichkühne Verwirrung, die offenbar auf Unverständnis
trifft und Schwindel auslöst, wird zum bestimmenden Merkmal einer Kunst, deren Schöpfung folgerichtig nur einem ›bizarren
Kopf‹ gelingen kann. Das bürgerlichidealistische Theater, das hier karikiert wird, verdankt seine Triumphe einer kalkulierten
Distanz zum Leben. Die in solcher Kunst vorgefundenen idealisierenden Konstitutionsformen von Wirklichkeit verfehlen zwar
auf groteske Weise die Realität, erlangen aber gleichwohl eine reale gesellschaftliche Wirksamkeit. Sie verhindern die
Ausbildung eines praxisbezogenen Wirklichkeitssinns und damit jede realistische lebensweltliche Orientierung; sie verstärken
im Gegenteil die Lebensuntüchtigkeit eines Publikums, das die Grenzen des Theaters auch im Leben nicht zu überschreiten
vermag. Indem die Straßenszene die Entfernung von Kunst und Lebenspraxis vor Augen führt, kritisiert sie nicht allein die
tradierte Form des bürgerlichen Theaters, sondern auch dessen prekäre Wirkung. Mit der Kritik der Theatralisierung der
Alltagswelt stößt Büchner auf die fundamentale Erkenntnis der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit. Die
historisch vorgefundene Theatermetaphorik und die im Zitat überlieferten Lebensformen aus zweiter Hand demonstrieren
exemplarisch die prinzipielle Vermitteltheit gesellschaftlicher Realität. Das Bewußtsein erscheint als gesellschaftliches
Produkt, ebenso aber die Wirklichkeit, auf die es sich richtet. In Dantons Tod werden dominante Formen der gesellschaftlichen
Konstitution von Wirklichkeit kritisch überprüft. Büchner setzt dabei bewußt an den tradierten Formen der Selbstdeutung der
historischen Subjekte an. Das gilt für die das gesamte dramatische Werk des Autors bestimmende Sprachkritik nicht weniger
als für die Theatermetaphorik, der im Revolutionsdrama ein besonderes Gewicht zukommt. Das Theater als Konstitutionsform
gesellschaftlicher Wirklichkeit verbindet den politischen und den ästhetischen Diskurs in Dantons Tod. Die Fundamentalkritik
gesellschaftlicher Produktion von Wirklichkeit bestimmt daher auch das ›Kunstgespräch‹ (35 f.), das – in der Negation
idealistischer Kunst – erste Ansätze einer politischen Ästhetik des Realismus erkennen läßt. Camilles kunsttheoretischer
Exkurs thematisiert die zuvor szenisch entfaltete Theatralisierung der Wirklichkeit. Mit der bürgerlichidealistischen Kunst
werden die ihr zugehörigen Rezeptionsformen kritisiert. Die vehemente Zurückweisung der herrschenden Kunstformen
verweist implizit auf ein neues Konzept des ästhetischen Realismus. »Von der Schöpfung, die glühend, brausend und
leuchtend, um und in ihnen, sich jeden Augenblick neu gebiert, hören und sehen sie [die Leute] nichts« (35). Die Aufgabe
kommender Kunst wäre die Ausbildung eines neuen Wirklichkeitssinns, der die gesellschaftliche Produktion einer
Wirklichkeit befördert, die in Camilles Bild von einem permanenten und allgegenwärtigen Prozeß der Schöpfung nur recht
vage Umrisse gewinnt. Die neue Kunst betreibt eine gesellschaftliche Schulung der deformierten menschlichen Sinne; sie
schult das genuin soziale Vermögen, Wirklichkeit zu konstituieren. Freilich kann die emphatische Beschwörung der neuen
Wirklichkeit für eine politisch fundierte Strategie des ästhetischen Realismus kaum einstehen. Auch Dantons Kritik an dem
sachlichunbeteiligten, emotionslosen politischen Naturalismus des Malers JacquesLouis David gelangt über eine eher
marginale Festlegung der realistischen Manier nicht hinaus. Es hat sich in der Forschung eingebürgert, die kunsttheoretische
Reflexion in Dantons Tod um das Kunstgespräch in Büchners Erzählfragment Lenz zu erweitern und beide Textpassagen
gemeinsam als das realistische Programm des Autors auszugeben. Selbst dann, wenn die methodische Crux dieses Verfahrens
außer Betracht bleibt (die Abstraktion vom ästhetischfiktionalen Kontext, die Aufhebung der streng durchgehaltenen
erzählerischen bzw. dramatischen Perspektive), erscheint eine solche Bewertung fragwürdig. Lenz’ Position wird in der
Erzählung ausdrücklich als eine historische eingeführt: »Die idealistische Periode fing damals an.« Das Konzept eines
prononciert antiidealistischen Realismus ist einem noch unproblematischen, vergleichsweise naiven Wirklichkeitsbegriff
verpflichtet. Die Nachahmungsvorstellung und der Rekurs auf die Mitleidsästhetik knüpfen durchsichtig an Positionen der
Aufklärung an, deren Reflexionsniveau Büchner längst überschritten hat. Die an Beispielen entwickelte Realismuskonzeption
unterschätzt nicht nur die Vermitteltheit gesellschaftlicher Realität, sondern auch die Mittelbarkeit der Kunst, den
konstruktiven Charakter eines ästhetischen Realismus.
Ohne Zweifel besaß die in der LenzFigur gestaltete Ablehnung idealistischer Verklärung und die ungeschminkte, von der
Liebe zur Menschheit getragene Darstellung ›der Wirklichkeit‹ als historische Position Büchners Sympathie; nichts berechtigt
aber zu der Annahme, hier hätte die politische Ästhetik des Realismus, die Büchner als drängendes Gebot der eigenen Zeit
praktisch entwickelt hat, eine programmatische Formulierung gefunden. Büchners Position ist keineswegs mit der von Lenz,
Camille oder Danton identisch. Zwar thematisiert Camille in der Kritik der Theatralisierung der Wirklichkeit bereits den
Wirklichkeitsbegriff, der dem neuen Realismuskonzept zugrunde liegt, doch findet dieses Konzept im Drama keine explizite
programmatische Formulierung: Eingelöst wird es allein auf der Ebene der dramatischen Struktur.Das organisierende Prinzip
der ästhetischen Struktur von Dantons Tod ist, wie Albert Meier zu Recht festgestellt hat, die Negation vorgefundener
Verzerrungen gesellschaftlicher Wirklichkeit. Das geschichtliche Material, in dem mit den Selbstdeutungen der historischen
Protagonisten zugleich herrschende Konstruktionsformen von Wirklichkeit überliefert sind, wird so in den Text eingefügt, daß
sich seine immanente Widersprüchlichkeit radikalisiert. Das Drama stellt ein musivisches Gebilde streng perspektivierter
disparater Einzelmomente dar, deren widersprüchlicher Zusammenhang sich erst in der eigenen Reflexion auf die Wirklichkeit
der Wirklichkeit entdecken läßt. Der in der dramatischen Struktur objektivierte ästhetische Realismus ist politisch fundiert, er
ist direkt auf die ideologiekritische Intention und auf die Kritik der gesellschaftlichen Konstruktion von Wirklichkeit bezogen.
Als Bezugsrahmen der politischästhetischen Strategie des neuen Realismus fungiert eine praxisnah entwickelte
Gesellschaftstheorie, die auf eine Beseitigung des Klassengegensatzes von Arm und Reich und auf die Aufhebung
gesellschaftlich erzeugter Entfremdung gerichtet ist. Politische Theorie erscheint bei Büchner fast ausschließlich im Modus der
Kritik; sie ermöglicht die bestimmte Negation der historisch vorgefundenen politischen und sozialen Ordnung. Büchners
Realismus überführt eine strategisch wichtige, aber auf ihr idealistisches Gegenüber negativ fixierte bürgerliche Position der
Kunst (Lenz, Camille, Danton) in eine neue, politisch fundierte Ästhetik. Die Kunst steht im Dienst der sozialen Revolution,
und Dantons Tod erscheint vor diesem Hintergrund als ein praktisches Manifest der neuen Kunst, die radikal mit der
bürgerlichen Tradition bricht. Büchners Theater hat ein anspruchsvolles Programm, denn es begnügt sich nicht mit einer Kritik
der Ideologie. Als Schule der Wirklichkeit will es ein neues ›Sehen und Hören‹ lehren, mit der Ausbildung realistischer Sinne
die Voraussetzung für kollektives politisches Handeln, für die Verwirklichung einer sozialen Revolution schaffen.
3. Dramatische Reflexion über Geschichte
Schon zu Beginn des Dramas erfährt Danton den Prozeß der Revolution als einen fremdbestimmten Vollzug, der
unausweichlich das eigene Leben als Opfer fordert. Für den Aktivisten der bürgerlichen Revolution fielen einst der Sinn des
eigenen Daseins und der Sinn des revolutionären Geschehens noch unproblematisch zusammen. Noch seine Reden vor dem
Revolutionstribunal reklamieren vergeblich das Recht des Namens, den Anspruch der historischen Persönlichkeit. Als Opfer
der Revolution verliert Danton eine Identität, die sich ausschließlich aus dem politischen Handeln im öffentlichen Raum
speiste. Der subjektive Anspruch des Individuums geht im objektiven Sinn der Revolution nicht länger auf. Der Sinnverlust
erfaßt nicht nur die Gegenwart, die die Einsicht in die historische Notwendigkeit des eigenen Todes fordert. Mit Hilfe der
Theatermetapher reflektiert Danton vielmehr die prinzipielle Heteronomie geschichtlichen Handelns. Als groß erscheint das
historische Individuum in dem Maße, wie es als Werkzeug einem fremden Gesetz der Geschichte unterworfen ist. Historische
Größe ist also nicht länger ein Attribut der Person, sie entspringt einer zufälligen Übereinstimmung mit dem Bedürfnis einer
eigenmächtig erscheinenden Geschichte. Wenn das politische Handeln im gechichtlichen Raum subjektiver Bestimmbarkeit
entzogen ist, wird die Geschichtsmächtigkeit des Subjekts radikal in Frage gestellt. Die aus der Einsicht in die Aporien
politischen Handelns resultierende Handlungsverweigerung setzt Danton frei für eine radikale Reflexion über Geschichte; er
sucht nach einer Vermittlung von subjektivem Anspruch und objektivem Sinn, der in der Geschichte Gestalt gewinnt. Diese
Suche aber ist identisch mit einem Prozeß der Desillusionierung, der alle verfügbaren Legitimationen politischen Handelns im
Horizont der Geschichte restlos entwertet. Die geschichtliche Figur Danton war prädestiniert zum Träger des historischen
Diskurses im Drama. Die dramatische Figur besaß für Büchner eine eminent wichtige strategische Bedeutung. Der Autor
projizierte die im Verlauf der Winterkrise 1833/34 entstandenen Zweifel an der Möglichkeit eines sinnhaften subjektiven
Eingriffs in den historischen Prozeß in die KunstFigur Danton. Die menschlichen Verhältnisse, so Büchner im März 1834 in
einem Brief an Minna Jaeglé, sind einer fremden unabwendbaren Gewalt unterworfen, die jede Selbstbestimmung als
vermessen und absurd erscheinen läßt: »Der Einzelne nur Schaum auf der Welle, die Größe ein bloßer Zufall, die Herrschaft
des Genies ein Puppenspiel, ein lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das Höchste, es zu beherrschen
unmöglich.« Die Entdeckung des »gräßlichen Fatalismus der Geschichte« verdankt sich einem intensiven Studium der
Geschichte der Revolution, in dessen Verlauf das bürgerlichidealistische Geschichtskonzept, das noch die Schülerreden
Büchners durchgehend beherrscht, aufgegeben werden muß. Die Existenz eines von der Intention handelnder Subjekte
unabhängigen historischen Verlaufs stellt das überkommene, vom jungen Büchner noch in Anspruch genommene
Legitimationsmodell der bürgerlichen Geschichtsphilosophie in Frage: das große Individuum, eine idealistische
Handlungstheorie, das Konzept der ›Weltgeschichte‹ und eine Fortschrittstheorie, die auch der Französischen Revolution ihren
legitimen Ort zuweist. Ein solches bürgerlichidealistisches Geschichtskonzept wird in Dantons Tod bezeichnenderweise von
St. Just (43 ff.) und – in Ansätzen – von dem Ersten Herren in der Straßenszene (34) vertreten. Der historische Diskurs in
Dantons Tod gewinnt seine Bedeutung auf drei Ebenen: 1. Er erlaubt die ästhetische Objektivation einer von Büchner selbst
erfahrenen Krise historischen Denkens, jenseits des Handlungszwanges der politischen Arbeit, die der Autor auch nach dem
FatalismusErlebnis verstärkt fortführt. Die dramatische Reflexion der Krise ist dabei keineswegs identisch mit ihrer
Aufhebung; der existentielle Grundzug der DantonFigur, die im Drama trotz ihrer politischen Borniertheit nicht denunziert
wird, mag hierin eine Erklärung finden. 2. Die selbstkritische Revision der eigenen geschichtsphilosophischen Position wird
von Büchner in eine fundamentale Kritik der bürgerlichidealistischen Geschichtsauffassung überführt. Der historische Diskurs
des Dramas ist hierin dem ästhetischen, der eine Kritik der bürgerlichidealistischen Kunst betreibt, vergleichbar. 3. Ausgehend
von dem unvermeidlichen Scheitern der sozialen Revolution und den unaufhebbaren Aporien politischen Handelns, sucht
Büchner in Dantons Tod mit der transzendental gerichteten Reflexion über Geschichte nach der Bedingtheit menschlichen
Handelns im historischen Raum. Die Entfremdung vom geschichtlichen Prozeß der bürgerlichen Revolution ist der geheime
Bezugspunkt der fundamentalen Existenzkrise, die Danton im Drama durchlebt. Die mit der DantonFigur thematisierten
philosophischen Konzepte einschließlich des Nihilismus gewinnen keine eigenständige Funktion, sie entfalten ihre Bedeutung
erst auf der Ebene des historischen Diskurses. Die schon in der ersten Szene angelegte Problematisierung der ZeitKategorie,
die den Anachronismus der eigenen Existenz in der Divergenz von historischer und persönlicher Zeit formuliert (8), wird zu
Beginn des zweiten Aktes wieder aufgenommen. Camilles drängende Forderung: »Rasch, Danton, wir haben keine Zeit zu
verlieren«, bescheidet Danton lakonisch: »Aber die Zeit verliert uns« (29). Die Langeweile und das Gefühl eines Ennui sind
unverkennbar Folgen des historischen Sinnverlusts der eigenen Existenz, der die Routine alltäglicher Verrichtungen als absurd
erscheinen läßt. Der pensionierte Revolutionär findet die Ruhe nicht, die ervorgeblich sucht. Aus der Bahn der Geschichte
geworfen, verfällt Danton dem Zweifel an ihrem Sinn wie am Sinn der menschlichen Existenz überhaupt. In der Metapher des
Welttheaters formuliert der resignierte Akteur die Entfremdung des Menschen vom geschichtlichen Prozeß, und die
Sinnlosigkeit der Geschichte wird unvermittelt auf die individuelle Existenz übertragen: »das ist mir der Mühe zuviel, das
Leben ist nicht die Arbeit wert, die man sich macht, es zu erhalten« (31). Unterstellt Danton zunächst einen anthropologischen
Defekt (30) als Ursache für die katastrophale Bilanz der menschlichen Geschichte, so gelangt er in der Straßenszene zu einer
grundlegenden Erweiterung der Anthropologie historischer Subjekte. »Ich wittre was in der Atmosphäre; es ist, als brüte die
Sonne Unzucht aus. – Möchte man nicht drunter springen, sich die Hosen vom Leibe reißen und sich über den Hintern
begatten wie die Hunde auf der Gasse?« (33.) Danton reklamiert in seinem vitalistisch anmutenden Protest die Fülle des
Lebens gegen die zivilisatorische Einschränkung der menschlichen Natur. Der subjektive Faktor erscheint damit in Büchners
Revolutionsstück in einer neuen, antiidealistischen Gestalt. Die Körperlichkeit, die Triebnatur und die Bedürfnisse des Leibes
werden in die Darstellung der historischen Akteure umfassend einbezogen. Aber der Büchners Zeitgenossen irritierende
sexuellobszöne Diskurs dient nicht allein der Destruktion geschichtlicher Helden, er verleiht zugleich einer Revolte der
Subjektivität Ausdruck, die gegen den geschichtlichen Zwang das Recht auf die volle Entfaltung der menschlichen Natur setzt.
Der Gestus des Obszönen demonstriert allerdings die spezifische Deformation einer gesellschaftlich tabuisierten Sinnlichkeit.
Die Revolte bleibt eigentümlich ziellos; sie wird im »Lachen« (34) aufgehoben, das aufs neue die absurde Dimension in der
gesellschaftlichen Existenz des Menschen zum Vorschein kommen läßt. Der ausdrücklich als ziellos ausgewiesene Weg
Dantons (36) findet seine Entsprechung in der verzweifelt kreisenden Bewegung der geschichtlichen Reflexion, die ihn
umtreibt. Der Tod als nahende Aufhebung des Hier und Jetzt der individuellen Existenz gibt der Sinnsuche des politischen
Flaneurs eine zunehmend rückwärtsgewandte Tendenz. Neben das kollektive Gedächtnis der Geschichte tritt unfreiwillig das
private Gedächtnis des politischen Individuums, das dem Erinnerungszwang im Gedächtnisschwund des Todes zu entrinnen
hofft. Die private Aneignung der politischen Existenz, die bereits Dantons Monolog auf dem »freien Feld« (II,4) bestimmt,
verstärkt sich noch in dem unmittelbar folgenden Gespräch mit Julie (II,5). So führt der Sinnverlust der Geschichte im Fall der
Septembermorde des Jahres 1792 zu einer Verzweiflung am eigenen politischen Handeln, das jetzt im Zeichen der Schuld vor
der Instanz des Gewissens aufgerufen wird. In halluzinatorischen Phantasien von dem Schrei seiner Opfer verfolgt, erfährt
Danton im erträumten Ritt auf der Erdkugel den »gräßlichen Fatalismus der Geschichte«. Die in beinahe katechetischer Form
vorgenommene Entschuldung Dantons endet konsequent in einer Art Notwehrlegitimation (39). Ein universaler
Befehlsnotstand bestimmt das Verhältnis des Menschen gegenüber dem »ehernen Gesetz« der Geschichte. Der Mensch ist das
blinde Werkzeug einer historischen Notwendigkeit, die ihm in Form von Handlungszwängen fremd und fordernd entgegentritt.
Mit seiner negativen Reflexion über das »Muß« der Geschichte formuliert Danton deutlich die Antithese zu der von St. Just
vertretenen idealistischen Geschichtsphilosophie, die den historischen Prozeß als eine fortschreitende Realisierung der
Vernunft begreift. Diese Antithese erschöpft sich indessen in einer einfachen Negation, die die Geschichte selbst einer
zunehmend nihilistischen Verzweiflung preisgibt. Die nihilistische Dimension gewinnt im Verlauf des Dramas zunehmend an
Bedeutung; sie bleibt jedoch bis zum Schluß auf den negativen historischen Diskurs bezogen. Das Nichts artikuliert noch
immer das Bedürfnis nach einer Verdrängung der eigenen Geschichte (vgl. III,7). Die Hoffnung auf eine vollständige
Vernichtung des Ich wird durch eine materialistische Interpretation des organischen Todes widerlegt. Die Ruhe im Tod als
dem Übergang ins Nichts bleibt daher ein unerfüllbarer Wunsch: »Da ist keine Hoffnung im Tod, er ist nur eine einfachere, das
Leben eine verwickeltere, organisiertere Fäulnis, das ist der ganze Unterschied!« (61.) Auch die »Phrasen für die Nachwelt«
(72) und die verbliebenen Masken der politischen Existenz geben den Todeskandidaten keinerlei Halt. Selbst die Religion als
Versuch einer transzendenten Auflösung der irdischen Verzweiflung an der Geschichte versagt (72 f.). Die Fragen der
Dantonisten nach dem Sinn ihres Opfers, nach dem Zusammenhang ihrer individuellen Existenz mit dem historischen Prozeß
der Revolution, bleiben ohne Antwort. »Die Welt ist das Chaos. Das Nichts ist der zu gebärende Weltgott« (73). Der
Nihilismus ist der konsequente Schlußstein der historischen Reflexion Dantons, der jede Sinngebung für die Geschichte und
die gesellschaftliche Existenz der Menschen versagt bleibt. Die Vermittlung von subjektivem Anspruch und objektivem Sinn
scheitert, sowohl im Hinblick auf die Revolution wie auf die Geschichte überhaupt. Der historische Diskurs endet radikal
negativ. Dem Tod, der eine letzte Konvergenz von historischem Prozeß und individueller Existenz erzwingt, fehlt jeder
einsehbare objektive Sinn. Die Geschichtsreflexion bleibt nicht nur auf der Ebene des avancierten Figurenbewußtseins
(Danton) negativ; das Stück selbst verweigert jede Form ästhetischer Versöhnung. Das Drama verharrt in der Negation des
idealistischen Geschichtskonzepts, das die soziale Identität des Bildungsbürgertums im 19. Jahrhundert noch entschieden
geprägt hat. Geschichte erscheint in Dantons Tod als eine transzendentale, auf die Bedingungen politischen Handelns
gerichtete Reflexionskategorie. Ein neues, etwa materialistisch fundiertes Geschichtskonzept kommt nicht in Sicht. Das Drama
negiert das bildungsbürgerliche Geschichtskonzept auch durch seine Form. Als Geschichtsdrama ist es negativ auf die
zeitgenössisch vorherrschenden Muster der Gattung bezogen. Die große Mehrzahl der historischen Dramen zwischen
Restauration und Märzrevolution sucht unermüdlich die Unvernunft der geschichtlichen Empirie zu überlisten, indem sie –
durchaus in der Absicht, die politische Gegenwart vernünftig zu reformieren – im historischen Stoff den »Gang der
Weltvernunft zu ihrem Endziel« proklamiert. Dantons Tod ist in erster Linie ein Drama der politischen Existenz. Im
historischen Diskurs ergänzt Büchner die politische Ideologiekritik um eine Kritik der bürgerlichidealistischen
Geschichtsauffassung, die das politische Handeln der bürgerlichen Revolutionäre im Horizont einer temporalisierten Vernunft
und Fortschrittskonzeption zu rechtfertigen versucht. An dem Scheitern der Vermittlung von Geschichte und Subjektivität wird
unnachgiebig festgehalten. Vor allem widersteht Büchner der Versuchung, der beklagten Negativität des historischen Denkens
eine philosophische Krone aufzusetzen. Die philosophische Reflexion in Dantons Tod mündet gerade nicht in ein System mit
pessimistischer oder gar nihilistischer Tendenz. Seine fordernde Aktualität behält Büchners Werk gerade wegen seiner
konsequenten Verweigerung von Geltungsansprüchen eines abstrakten philosophischen Allgemeinen, gegen das radikal die
Rechte einer Subjektivität jenseits der bürgerlichen Konzeption des großen historischen Individuums ins Feld geführt werden.
Neben dem politischen Realismus hat wohl die für Büchner charakteristische uneingeschränkte Verteidigung der Lebenswelt
gegenüber allen abstrakt formulierten Imperativen des politischsozialen und des kulturellen Systems am wenigsten ihre
Bedeutung eingebüßt. Im übrigen hält das im Mikrokosmos von Dantons politischer Existenz entwickelte negative
Geschichtsverständnis bereits Momente der modernen Erfahrung einer Auflösung von ›Geschichte‹ fest; die Intentionalität
handelnder Subjekte ist für die moderne Geschichtsreflexion längst nicht mehr unproblematisch mit dem
Funktionszusammenhang historischer Prozesse zu vermitteln.
4. Liebe und Revolution – Zur Funktion des Privaten in
Dantons Tod
Das nihilistische Extrem des historischen Diskurses markiert eine Art Nullstufe des gesellschaftlichen Bewußtseins, das erst
jenseits der öffentlichen Sphäre politischen Handelns einen Ansatz zu neuer Entfaltung findet. Eine sinnhafte Aneignung des
Todes gelingt allein im Bereich der privaten Existenz, im Zusammenhang einer in die Lebensgeschichte des Individuums
eingebundenen Liebesbeziehung. Dem restlosen Scheitern öffentlicher Beziehungen wird in Dantons Tod auf provozierende
Weise das Gelingen privater Bindungen in Liebe und Freundschaft gegenübergestellt. Die Funktion der Privatsphäre im Drama
der politischen Revolution hat besonders in jüngster Zeit das Interesse der Forschung hervorgerufen. Von den drei
Frauenfiguren, deren Existenz am Rande der Geschichte die Sphäre der privaten Beziehungen prägt, hat besonders Marion –
im Gegenzug zu früheren moralisch bestimmten Verzeichnungen – eine entschiedene Aufwertung erfahren. Die Grisette aus
dem Palais royal erscheint Reinhold Grimm als eine »Inkarnation sexueller Befreiung als das fleischgewordene Lustprinzip«.
Mit der in Marion gestalteten »erotischen Revolution« trete Büchner – Freud, Reich und Marcuse vorausgreifend – den Kampf
gegen die Tabuisierung der Sexualität an, proklamiere er eine »Liebesutopie«: ein Konzept befreiter, naturhafter Liebe mit
dem Recht auf freie Partnerwahl. Trotz der Freude über den wahrlich befreienden Fund einer Sexualutopie, über die
programmatische Ausrufung eines Reiches der Sinne in der ansonsten eher düsteren Kulisse der politischen Revolution drängt
sich jedoch die Frage auf, ob die unverkennbar projizierende Aufwertung Marions zu einer KultFigur der sinnlichen
Emanzipation nicht wichtige Relativierungen übersieht oder unterschätzt, denen diese im Drama unterworfen wird; ob so nicht
einfach die negative Verzeichnung durch eine positive Umstilisierung der Figur in ihr Gegenteil verkehrt wird. Eine
angemessene Deutung der Marion hätte insbesondere die Qualität des ›Bruches‹ genauer zu bestimmen, den Marion in ihrer
Lebensgeschichte erfahren hat. Dieser Bruch ist keineswegs allein die Folge einer bestimmten, regressiven Form der
Vergesellschaftung von Sinnlichkeit, sondern er ist bereits in der restlosen, das Moment der Freiheit entbehrenden Hingabe an
die eigene Natur als Triebnatur und in der daraus zwingend folgenden Unfähigkeit Marions zu einer genuin gesellschaftlichen
Befriedigung der sich fürs Ganze der Natur setzenden sexuellen Bedürfnisse begründet. Weit eher als die sexuelle
Emanzipation wird in Marion die asoziale Natur, die gescheiterte Vermittlung von Natur und Gesellschaft, thematisiert. Die
absolute Bindungslosigkeit, die in der Dirnenexistenz die einzig mögliche soziale Lebensform findet, ist ein (zu) hoher Preis
für eine zwanghafte ›Befreiung‹ der Sinnlichkeit. Die MarionFigur gehört in den Zusammenhang des anthropologischen, im
Stück zumeist sexuellobszön vermittelten Diskurses, der, analog zum politischen Diskurs, die ungelöste Aporie
vergesellschafteter Natur problematisiert. Marion fungiert keineswegs als ein utopisch intendiertes Gegenbild. Ihre
vermeintlich unbedingte Übereinstimmung mit sich selbst schuldet sie in Wahrheit einer unfreiwilligen Vereinseitigung der
menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten. Als »ein Stück Natur« verkörpert Marion nicht nur »den verlorenen Naturzustand [. .
.] in der Geschichte«, sondern in gleichem Maße die Geschichtslosigkeit einer Natur, die jede Form der Vergesellschaftung
zwanghaft verweigert. Was Danton an Marion erfährt, ist durchaus ambivalent. Marions Schönheit löst in ihm, der unterwegs
ist, »die Mediceische Venus stückweise bei allen Grisetten des PalaisRoyal« zusammenzusuchen (18), ein Bedürfnis nach
totaler Verschmelzung aus, dessen Befriedigung ihm gleichwohl vorenthalten bleibt. Danton, der das Ganze der Schönheit
sucht, findet in Wirklichkeit nur einen ihrer Teile, der sich für das Ganze setzt und ihm gerade dadurch schmerzhaft die
Entbehrung des Ganzen vor Augen führt. Die paradox gefügte Metapher: »deine Lippen haben Augen« (20) bezeichnet nicht
nur Dantons Unfähigkeit zur völligen sinnlichen Hingabe, zeigt nicht nur die unvermeidlich reflexive Vermittlung des
Erlebnisses sinnlicher Entgrenzung. Sie indiziert umgekehrt auch Marions Reduktion der menschlichen Natur auf ihre körper
lichsinnliche Dimension, die bei Danton gerade vermieden ist. Der Anspruch auf Totalität wird von Danton auch in seiner
reflexiven Brechung voll aufrechterhalten; seine fehlende praktische Einlösung bleibt ihm jederzeit – mental und
physischsinnlich – schmerzhaft bewußt. Die Begegnung mit der zeitlosstatischen MarionFigur hat auf Dantons letztem Weg
den Charakter einer bedeutenden Episode. So wie der Protagonist auf der Ebene des politischen und des historischen Diskurses
die gescheiterte Vermittlung von Subjektivität und Geschichte erfährt, so erfährt er an Marion die falsche Unbedingtheit einer
nur unzureichend mit der Gesellschaft vermittelten Natur. Natur und Geschichte erscheinen so gerade im Scheitern ihrer
Vermittlung mit den gesellschaftlichen Bedürfnissen des Menschen kritisch aufeinander bezogen. Marion ist die unbedingte
Hingabe in der Liebe zu einem anderen Menschen notwendig versagt. Sie bleibt ohne wirklichen Bezug zur Lebensgeschichte
Dantons, der für sie nur eine mögliche Besetzung des ›einen Gegensatzes‹ darstellt, der ihr Leben beherrscht: »Alle Männer
verschmolzen in einen Leib« (19). Gerade hierin unterscheidet Marion sich von den beiden anderen Frauenfiguren in Dantons
Tod, deren ganze Existenz auf das Leben des Geliebten ausgerichtet ist. Gleich zu Beginn des Dramas wird deutlich, daß Julie
ihre Identität ganz auf ihre Beziehung zu Danton gründet. Die Privatheit ihrer Lebensform, jenseits der öffentlichen
Rollenspiele der Politik, aber auch jenseits der witzigen Sprachspiele der Pointen, und die kompromißlose Beschränkung auf
die intime Beziehung zum geliebten Partner ermöglichen Julie und nicht minder Lucile eine Existenz im Schatten der
Geschichte.
Danton zeigt sich zunächst überfordert durch die einfache, unverstellte, vertraute Ansprache Julies. Er weicht aus, flüchtet ins
Allgemeine; statt des »ich« wählt er das kollektive »wir« als Subjekt seiner begründeten Zweifel an den Prämissen gelingender
zwischenmenschlicher Kommunikation (5). Und doch gewinnt Julie auf seinem letzten Weg zunehmend an Bedeutung. Die
Rückkehr in den intimen Diskurs der privaten Existenz steht sichtlich in Zusammenhang mit dem Sinnverlust der öffentlichen
Existenz und der drohenden Nähe des eigenen Todes, der im Rahmen des politischen und historischen Diskurses der
Revolution als ein sinnloses Opfer erscheint. In Julie findet Danton eine bedingungs und grenzenlose Geborgenheit. Bereits in
der Grabmetapher der ersten Szene, die Danton auf einem Schemel zu Füßen Julies zeigt, werden die Ruhe und die
Geborgenheit, die Julies Liebe Danton verschafft, auf den Tod bezogen (5 f.). Die Tröstung, die Julie dann später dem von
Schuldvorwürfen gemarterten Danton zukommen läßt, kennt zwar durchaus eine politische Dimension (vgl. 38 ff.), die
beruhigende Ansprache ist aber in einem auf die Lebenswelt der privaten Existenz bezogenen Realitätsgefühl gegründet (39).
Das intime Einverständnis der beiden wird schließlich in der gelingenden Kommunikation über die gemeinsame Bewältigung
des Todes sichtbar. Unmittelbar im Anschluß an die enttäuschte Hoffnung auf eine vollständige Vernichtung im Tod gedenkt
Danton seiner Frau: »O Julie! Wenn ich allein ginge! Wenn sie mich einsam ließe! – Und wenn ich ganz zerfiele, mich ganz
auflöste: ich wäre eine Handvoll gemarterten Staubes, jedes meiner Atome könnte nur Ruhe finden bei ihr« (62). Julie kennt
Danton. »Er würde nicht allein gehn«, läßt sie ihm ausrichten (65). Danton versteht: »Ich werde nicht allein gehn: ich danke
dir, Julie!« Wohl hätte er anders sterben mögen, »so wie ein Stern fällt, wie ein Ton sich selbst aushaucht, sich mit den eignen
Lippen totküßt, wie ein Lichtstrahl in klaren Fluten sich begräbt.« (67 f.) Doch weiß Danton jetzt um die Mühen des Todes,
und er weiß, gemeinsam mit Julie, dem Sterben eine menschliche Form zu geben. Im Tod erst findet Danton zurück zu einer
Identität im Leben, die der eigenen Geschichte jenseits öffentlicher Rollen einen unbezweifelbaren Sinn verleiht. Auch Luciles
Existenz steht ganz im Zeichen ihrer Liebe zu Camille. Stärker noch als Julie tritt sie der öffentlichen Sphäre der Politik fremd
und verständnislos entgegen. Das politische Geschehen reduziert sich für sie auf die Frage nach dem Sinn des Opfers, das ihr
im Verlust des Geliebten zugemutet wird (36 f.). Lucile verweigert dem öffentlichen Tod, der absurden politischen Realität der
Terreur jeden Sinn, sie sperrt sich gegen die vernünftige Legitimation der Unvernunft. Ihr hellsichtiger Wahn, der in der
Realität ihres Gefühls zu Camille gegründet ist, wird derart zum menschlichen Maß der Inhumanität und der Unvernunft der
bürgerlichen Revolution: »Der Himmel verhelf ihr [Lucile] zu einer behaglichen fixen Idee. Die allgemeinen fixen Ideen,
welche man die gesunde Vernunft tauft, sind unerträglich langweilig« (71). Einzig im Wahn Luciles bricht sich die Empörung
über den absurden Ernst des Todes, über die öffentliche Hinnahme sinnlosen Sterbens Bahn. Luciles Schrei bleibt indes ohne
Antwort. Sie schickt sich ins Unvermeidliche und sucht, wie Julie, den gemeinsamen Tod mit dem Geliebten. Doch gelingt ihr,
der Unpolitischen, mit der Inszenierung des eigenen Todes eine grandiose Provokation, die den politischen Wahnsinn der
staatlich gelenkten Todesmaschinerie wirksam unter Beweis stellt (77). Eine politische Phrase, ein ritualisiertes
Erkennungszeichen, das Lucile mechanisch, ohne jeden Bezug auf ihre individuelle Existenz, öffentlich gebraucht, setzt
berechenbar den grausamen Apparat der Massentötung »im Namen der Republik« in Gang. Hier erreicht die Revolte des
Subjekts gegen die vernünftige Unvernunft des Allgemeinen ihren absurden Höhepunkt. Erst jetzt, in der provozierend
privaten Inanspruchnahme des öffentlichen Terrors, gelangt der politische Diskurs über die Gewalt in der bürgerlichen
Revolution zu seinem unmißverständlichen Ende. Mit dem politisch inszenierten Selbstmord setzt sich die private Existenz
unübersehbar in einen radikal kritischen Bezug zur politischen Revolution. Die Sphäre der privaten Existenz fungiert
keineswegs als ein unverbindlicher Fluchtraum im Drama der politischen Revolution. Sie ist kritisch auf den politischen
Diskurs des Stücks bezogen. Die private Existenz gewinnt als bestimmte Negation der öffentlichen Sphäre selbst eine
politische Qualität. Zudem zeigt die Privatsphäre im Ansatz das Gelingen genuin gesellschaftlicher Beziehungen. Liebe und
Freundschaft sind soziale Beziehungsformen, in denen die Aufhebung von Entfremdung und Isolation möglich scheint. Diese
Aufhebung wird im Drama als eine zweifach bedingte gezeigt: sie vermag allein im quasi außerpolitischen Raum der privaten
Existenz zu gelingen, und sie steht deutlich im Zeichen der Aneignung des Todes. Auch Julie und Lucile sind Opfer der
Geschichte, doch transzendiert ihr Leiden den öffentlichen Zwang der Politik. In ihrer freien Entscheidung zum gemeinsamen
Tod mit dem Geliebten gewinnt der Tod mit den Momenten der Freiheit und des Einverständnisses eine menschliche
Dimension zurück. Einzig auf privater Ebene kommt eine Vermittlung von subjektivem Anspruch und intersubjektivem Sinn
zustande. Die Liebe erscheint im Drama nicht als Idee, sondern als eine Praxis gesellschaftlichen Handelns; die in ihr
begründete Identität ist eine soziale Identität. Die von Julie und Danton, von Camille und Lucile gelebte Liebe entwirft – in
kleinster Größe – das Modell einer alternativen gesellschaftlichen Existenz. Dieses Gegenbild entfaltet seine volle Bedeutung
allerdings erst dann, wenn die Dialektik von privater und öffentlicher Sphäre nicht einseitig aufgelöst wird. Als praktische
Kritik bleibt der gesellschaftliche Entwurf jederzeit auf
Zeittafel
17. Oktober:
1816
1821
1822
1825
1827
1830
1831
1832
1833
1834
1835
1836
1837
Karl Georg Büchner als ältester Sohn des Distriktarztes Dr. med. Ernst Büchner und seiner Frau
Caroline Büchner, geb. Reuss, in Goddelau, Großherzogtum HessenDarmstadt, geboren.
Herbst: Übersiedlung der Familie nach Darmstadt.
Erster Unterricht durch die Mutter.
Besuch der Privatschule von Dr. Carl Weitershausen.
26. März: Eintritt in die zweite Klasse des Darmstädter Pädagogs (Gymnasium). für den Vater.
26. Mai: Konfirmation.
Weihnachten: Gedicht für die Eltern.
29. September: Anläßlich einer Schulfeier Rede über Cato und Rechtfertigung von dessen Selbstmord.
30. März: Schulabschluß mit einer Rede in lateinischer Sprache.
9. November: Beginn eines Medizinstudiums an der Universität Straßburg.
Heimliche Verlobung mit der Tochter seines Vermieters, Louise Wilhelmine Jaeglé.
24. Mai: Referat über die politischen Verhältnisse in Deutschland vor der Studentenverbindung »Eugenia«.
Ende Juni: Wanderung durch die Vogessen.
31. Oktober: Durch ein Gesetz, nach der alle Hessen innerhalb des eigenen Landes ihr Studium abschließen müssen,
schreibt er sich in die Medizinische Fakultät der Universität Gießen ein.
November: Erkrankung an Hirnhautentzündung und Rückkehr zu den Eltern.
Januar: Wiederaufnahme des Studiums. Bekanntschaft mit dem politisch engagierten Butzbacher Schulrektor
Friedrich Ludwig Weidig.
März: zusammen mit August Becker Gründung der revolutionären »Gesellschaft der Menschenrechte« in Gießen, im
April auch in Darmstadt .
Ende März: Entwurf von Der Hessische Landbote, eine umfangreiche Kampfschrift mit dem Motto »Friede den
Hütten! Krieg den Palästen!«.
Juli: Druck des Landboten nach Überarbeitung durch Weidig. Zusammenkunft der oberhessischen Verschwörer auf
der Badenburg bei Gießen.
August: Denunziation und Verhaftung seines Freundes Karl von Minnigerode mit 150 Exemplaren des Landboten.
Büchner warnt die anderen Freunde in Offenbach und Frankfurt.
September: Beteiligung an den Aktivitäten des Badenburger »Preßvereins«.
Oktober: Besuch von Wilhelmine Jaeglé bei den Eltern Büchners. Ernst Büchner läßt den verräterischer Umtriebe
verdächtigten Sohn nicht zurück nach Gießen.
Anfang Januar: Verhöre vor dem Untersuchungsrichter in Offenbach und Friedberg.
Ende des Monats: Beginn der Arbeiten an Dantons Tod (Uraufführung: 5. Januar 1902 durch die »Neue Freie
Volksbühne« und 12. Januar 1902 durch die »Freie Volksbühne«, Berlin).
21. Februar: Übergabe des Manuskripts an Karl Grutzkow zur Beurteilung, der den sofortigen Druck empfiehlt.
9. März: Aufgrund der andauernden Verhöre Flucht ohne Papiere nach Straßburg. Anmeldung unter dem Namen
Jacques Lutzius.
26. März 7. April: gekürzter Vorabdruck von Dantons Tod in der Zeitschrift Phoenix.
13. Juni: Büchner wird durch Steckbrief in Frankfurter und Darmstädter Zeitungen gesucht.
Ende Juli: Dantons Tod. Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft erscheint leicht retuschiert im
Verlag J. D. Sauerländer, Frankfurt a. M.
Oktober: Übersetzung von Victor Hugos Dramen Lukrezia Borgia und Maria Tudor. Plan zu einer Novelle Lenz
(Januar 1839: Abdruck des Fragments im Telegraph für Deutschland, Hamburg) über den Sturm und Drang Dichter
Jakob Michael Reinhold Lenz.
Winter: medizinischzoologische Studien über das Nervensystem von Fischen anhand von Barben.
13./20. April, 4. Mai: Vorlesungen über das Nervensystem bei Fischen in der Gesellschaft für Naturwissenschaft in
Straßburg.
31. Mai: Mémoire sur le système du barbeau wird auf Kosten der Gesellschaft gedruckt (erscheint erst zwei Monate
nach Büchners Tod).
Juni: Beginn der Arbeit an Leonce und Lena (Mai 1838: Fortsetzungsdruck in Auszügen im Telegraph für
Deutschland, Hamburg, 1895: Urauffführung durch das »Intime Theater«, München) zur Teilnahme an einem
Wettbewerb des Cotta Verlages. Wegen Fristversäumnis wird es nicht zum Wettbewerb zugelassen.
3. September: Promotion an der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich ohne vorherige mündliche Prüfung
nur aufgrund seiner Arbeit über die Schädelnerven der Barben.
18. Oktober: Übersiedlung nach Zürich. Arbeit an Leonce und Lena und Woyzeck (5./23. November 1875:
Teilabdruck in der Neuen Freien Presse, Wien, Uraufführung: 14. Dezember 1913 im Residenztheater München).
5. November: Probevorlesung über die Forschungsergebnisse seiner Schädelnervenstudien an Fischen, sofortige
Ernennung zum Privatdozenten. Aufnahme der Vorlesungen über Anatomie der Fische und Amphibien.
26. November: provisorische Aufenthaltsgenehmigung als Asylant der »Sonderklasse« für Zürich.
Januar: In einem Brief an seine Braut kündigt er das baldige Erscheinen dreier Texte an, vermutlich Leonce und Lena,
Woyzeck und das verschollene Drama Pietro Aretino. Erkrankung, ein Erkältungsrückfall wird zunächst vermutet.
15. Februar: Typhus wird diagnostiziert.
17. Februar: Wilhelmine Jaeglé trifft in Zürich ein.
19. Februar: Nachmittags gegen halb vier stirbt Büchner.
1923
21. Februar: Beerdigung auf dem Friedhof »Krautgarten«.
28. Februar: Nachruf von Wilhelm Schulz im Schweizerischen Republikaner.
Juni: Nachruf Karl Gutzkows im Frankfurter Telegraph.
Stiftung des GeorgBüchnerPreises als hessischer Staatspreis zur Kunstförderung.

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