Treibt ein schwacher Dollar den Ölpreis?

Transcrição

Treibt ein schwacher Dollar den Ölpreis?
Futures
we are the futures
Magazin für technisches Trading
9. Jahrgang | Dezember 2007
Treibt ein schwacher Dollar den Ölpreis?
Der scheinbar gegen jede fundamentale Vernunft
Inhalt
galoppierende Rohöl-Preis wird neuerdings gerne
Schwerpunkt-Thema Ölpreis: Gibt es einen Zusam­
menhang zwischen dem schwachen Dollar und den
gestiegenen Rohöl-Preisen?
mit dem Verfall der Öl-Währung US-Dollar argumentiert. Ein Zusammenhang, der sich scheinbar glasklar
argumentieren lässt und vielleicht dennoch gar nicht
vorhanden ist. Futures untersucht den Fall „Starkes Öl
Markt & Meinung: FTC CEO Eduard Pomeranz über
auffällige Marktentwicklungen der letzten Zeit sowie
die Entwicklung der FTC-Fonds.
vs. schwacher Dollar“.
Seit Wochen überbieten sich Experten mit Erklärungsversuchen
für den drastisch gestiegenen Rohölpreis. Eine der Argumenta­
tionen kehrt dabei in unterschiedlichen Varianten immer wieder:
Demnach wirkt sich ein sinkender Dollarkurs grundsätzlich treibend
auf Ölpreise aus – Wurzel dieser These ist die Tatsache, dass der
gesamte Ölmarkt in US-Dollar notiert. Um die Welt ging etwa die
folgende Meldung der Nachrichtenagentur Associated Press vom
18. Oktober, welche in zahlreichen Medien zitiert wurde:
„Wenn der Dollarkurs fällt, sinkt auch die Kaufkraft der Öl-Förderländer in anderen Währungen. Sie versuchen, das Loch über höhere
Preise zu schließen. «Wenn der Dollar fällt, steigen die Rohstoffpreise,
das ist eine alte Erfahrung», erklärte Ölmarktexperte Klaus Matthies
vom Hamburger Institut HWWI. «Die Produzenten wollen keine Ver-
Impressum
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FTC Capital GmbH
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Futures
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we are the futures
genannt. Bei Rohöl
ist es insofern anders,
USD-Index ind.
350
200
als sich die Verkaufs­
preise der Ölprodu­
300
180
zenten(länder)
inzwischen an den
250
160
Börsenpreisen orien­
tieren. Damit haben
200
140
die Produzenten
keinen unmittelbaren
150
120
Einfluss mehr auf den
Ölpreis.“
100
100
Auch der Ver­
dacht, „manche
50
80
Anleger“ würden
Vermögen angesichts
0
60
eines sinkenden
12|00 06|01 12|01 06|02 12|02 06|03 12|03 06|04 12|04 06|05 12|05 06|06 12|06 06|07
Dollars lieber in Rich­
tung Gold und Rohöl
Die Entwicklung der beiden Futures-Märkte zwischen Dezember 2001
und Oktober 2007: Der Chart zeigt Rohöl in einem langfristigen
„schieben“, ist kaum
Auf­wärtstrend und den Dollar in einem seit dem Frühjahr 2002 fast
zu erhärten. Gold als
ununterbrochenen Sinkflug. Daraus kann man aber noch nicht auf einen Versicherung gegen
Zusammenhang zwischen den beiden Marktentwicklungen schließen.
einen sinkenden Dol­
lar mag in der Regel
funktionieren (auch
luste erleiden», sagte er.“
wenn es dafür bessere Möglichkeiten
Und weiter: „Noch ein Effekt des
gäbe). Öl dagegen sicher nicht: Ein Öl­
schwachen Dollars treibt nach Einschätkäufer würde sein Dollarrisiko nämlich
zung von Experten den Ölpreis: Für Speerhöhen, anstatt es zu senken, weil der
kulanten aus dem Nicht-Dollarraum wird
Wert seiner Investition mit sinkendem
es günstiger, Geld in Ölpapieren anzuleDollar ebenfalls sinkt. Ein Hedge wäre
gen. Wenn die Investoren aber billiger an
allenfalls mit einer Öl-Short-Position
Öl-Futures kommen, wird die Investition
möglich.
interessanter. Diese steigende Nachfrage
Doch vielleicht gibt es in all dem
treibt auch den Preis nach oben.
doch so etwas wie einen wahren Kern.
Außerdem schieben manche Anleger
Vorstellbar wäre etwa, dass sich Groß­
angesichts des Dollarverfalls Vermögen
verbraucher oder Spekulanten – z.B. im
vom Dollar in Rohstoffe wie Gold, aber
Euro-Raum – in schwachen Dollar-Pha­
auch Öl, um den Wertverfall zu stoppen.
sen über die Maßen mit relativ billigem
Auch das lässt den Ölpreis steigen.“
Öl eindecken und dadurch letztlich
Diese Argumente erscheinen
den Preis in die Höhe treiben. Oder:
intuitiv logisch. Bei eingehender Über­
Produzenten könnten den Preis immer
legung könnte man allerdings einige
noch durch den viel zitierten „Ölhahn“
Einwände geltend machen. So ist etwa
beeinflussen (steigende Preise durch
die Idee, Ölproduzenten könnten einen
gedrosselte Produktion).
Preis für das von ihnen geförderte Öl
festsetzen, fernab der heutigen Realität.
Im 21. Jahrhundert werden die Preise
Öl vs. Dollar: Der Datencheck
vom Markt gemacht. Eine Tatsache,
die natürlich auch dem zitierten
Wir wollten es genau wissen und
Rohstoffexperten bekannt ist, einem
versuchen, auf der Basis statistischer
der Senior-Ökonomen am Hambur­
Methoden zu prüfen, ob mit der Hypo­
gischen WeltWirtschafts Institut. Der
these vom Einfluss des Dollars auf den
Diplomvolkswirt Klaus Matthies stellt
Ölpreis etwas anzufangen ist. Etwa, ob
auf Anfrage von Futures fest: „Meine
der Dollarkurs als Prognose-Indikator
Aussage bezog sich auf Rohstoffe im
für die künftige Richtung der Ölpreise
Allgemeinen, und als Beispiele hat­
dienen könnte. Wir bedienen uns dafür
te ich Steinkohle und Buntmetalle
jener Kurse, welche die Entwicklung
400
Crude-Light ind.
220
der Ölpreise und des Dollarkurses zeitund marktnah reflektieren:
1.) Als Messlatte für die Ölpreis­
entwicklung nehmen wir den weltweit
liquidesten Terminkontrakt auf Rohöl
(den Crude Light-Future an der New
Yorker Börse NYMEX).
2.) Als Benchmark für die DollarEntwicklung entscheiden wir uns für
den US-Dollar Index-Future an der
FINEX, welcher den Wert des Dol­
lar gemessen an einem gewogenen
Durchschnitt der sechs stärksten Refe­
renzwährungen widerspiegelt (darunter
der Euro, der ab 2001 die D-Mark
ablöst, der Yen, das Britische Pfund und
der Schweizer Franken). Steigt der Kurs
dieses Kontrakts, dann steigt auch der
Wert des Dollar auf dem Währungs­
markt und umgekehrt.
Anhand dieser Datensätze müsste
zunächst einmal das Folgende zu mes­
sen sein, falls es einen linearen, direkten
über die Zeit stabilen Zusammenhang
gibt (Öl rauf, Dollar runter und um­
gekehrt): Die Korrelation (in Form des
Korrelationskoeffizienten) zwischen den
Wertveränderungen des Crude-Light
und des Dollarindex sollte signifikant
negativ sein und einer Regressionsana­
lyse standhalten.
Test 1: Monate im Vergleich
Wir beginnen mit der längsten
verfügbaren Zeitreihe – den Wertver­
änderungen des Rohöl-Future und
des Dollar-Index zwischen dem Jänner
1986 und dem Oktober 2007. Wir ent­
scheiden uns zunächst für eine Regres­
sionsanalyse auf Basis der 262 Monats­
veränderungen. Der dabei erhaltene
Korrelationskoeffizient von -0,01 verrät
bereits: Ein direkter Zusammenhang
zwischen Öl und Dollar besteht –
zumindest im direkten Vergleich der
einzelnen Monate – nicht. Zwar gibt es
einen leichten Überhang von Monaten
mit gegenläufiger Kursentwicklung
gegenüber jenen Perioden gibt, in de­
nen Öl und Dollar in dieselbe Richtung
wanderten. Konkret betrug das Ver­
hältnis 113:158. Aber die Betrachtung
des Streudiagramms auf Seite 3 zeigt:
Trotz der leicht negativen Korrelation
haben wir es mit einer Zufallsverteilung
zu tun.
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8%
3%
- US-Dollar Index
-40%
-20%
20%
40%
-3%
Crude Light Oil -
-8%
Crude Light Oil +
Streudiagramm aus der linearen Regression: Die
Monatsveränderungen des Crude-Light Future
(x-Achse) und des Dollar-Index Future (y-Achse) in
den 161 untersuchten Monaten. Die Datenpunkte
in den roten Quadranten zeigen Monate an, in de­
nen sich die beiden Werte gegenläufig entwickelt
haben, Punkte in den grünen Quadraten zeigen
Monate mit gleichgerichteter Wertveränderung.
Insgesamt ergibt sich das Bild einer Zufallsvertei­
lung.
Test 2: Verzögerung
Damit könnte man es auch schon
gut sein lassen und konstatieren: Eine
weitere Betrachtung lohnt aus der Sicht
des Praktikers kaum, weil sich aus dem
Wertepaar Dollar-/Öl keinerlei Regel
mit genügend hoher Trefferchance
ableiten lässt. Aber so einfach ist die
Sache nicht – schließlich bedeutet die
nahe Null-Korrelation der Monatsver­
änderungen noch keineswegs, dass
es überhaupt keine Wechselwirkung
der beiden Märkte gibt. Es könnte
beispielsweise eine verzögerte Reaktion
vorliegen. Demnach würde der Ölpreis
etwa mit Verspätung auf Verände­
rungen des Dollar-Kurses reagieren.
Oder eine Reaktion erfolgt erst dann,
wenn die Dollarveränderung ein be­
stimmtes Ausmaß erreicht.
Um die Hypothese unter diesen
Gesichtspunkten weiter zu verfolgen,
bietet sich vorerst ein zweiter Ansatz
an: Wir unterstellen, dass sich eine
Veränderung des Dollarkurses nicht
unmittelbar sondern eher mittel- bis
langfristig auf den Ölpreis auswirkt.
Die einfachste Methode dafür ist eine
Betrachtung langer Zeiträume – etwa
der Jahresveränderungen der beiden
Märkte. Unsere Datenbasis liefert dafür
21 Vergleichswerte (31.12.1985 bis
31.12.2006). In 11 der 21 Fälle waren
die Jahresveränderungen Dollarkurs
Was liefert die Regression?
Das statistische Verfahren der
linearen Regression liefert je nach
Ergebnis einen mehr oder minder
starken Anhaltspunkt dafür, ob sich
die Veränderungen innerhalb einer
Datenreihe (nennen wir sie „X“) auf
eine zweite Datenreihe („Y“) auswir­
ken und wie stark diese Wechselwir­
kung ist. Im Rahmen des Verfahrens
werden eine Reihe von Kennzahlen
berechnet. Dazu gehören u.a.:
Der Korrelationskoeffizient
(R) als Maß für Richtung und Stärke
des Zusammenhangs. R kann Werte
zwischen -1 und +1 annehmen. Beim
unteren Extremwert -1 verläuft die
Entwicklung aller Einzelwerte gegen­
läufig und beim oberen Extremwert
+1 gleich gerichtet. Die dazwischen
liegende 0 beschreibt eine ideale
Zufallsverteilung.
Das Bestimmtheitsmaß (R2) ist
das Quadrat des Korrelationskoeffizi­
enten und gibt dessen „Erklärungs­
wert“ an. R2 liegt zwischen 0 und
1. Ein Bestimmtheitsmaß von 0,66
bedeutet etwa, dass 66 % aller Bewe­
gungen des Y-Wertes durch Bewe­
gungen des X-Wertes erklärt werden
können.
Die Werte für die Variablen
Schnittpunkt und Anstieg (s und b)
der Regressionsgerade, mit deren
Hilfe sich Werte außerhalb des vorhan­
denen Datensamples prognostizieren
lassen (vorausgesetzt, ein linearer Zu­
sammenhang liegt vor). Die Funktion
der Regressionsgerade lautet:
y=s+b*x.
Beispiel: Angenommen s=0 und b=2,
dann würde bei einem Wert von 4 für
x folgender y-Wert prognostiziert:
y=0+2*4 -> y=8 wenn x=4
Für eine erste Einschätzung genügt
meist die intuitive Betrachtung des aus
der Regression entstehenden Streu­
diagramms:
und Öl gegenläufig in 10 Fällen dage­
gen nicht. Hier kann man sich einge­
hende Analyse sparen. Bereits der Blick
auf ein traditionelles Balkendiagramm,
in das die Jahresveränderungen der
beiden Märkte eingetragen ist, enthüllt
das Offensichtliche: Die Hypothese
15
y = MSCI World (USD)
y = -0,0206x - 0,0014
R2 = 0,0067
-15
y = 0,8826x - 0,0005
2
R = 0,8823
10
5
-10
-5
5
10
15
-5
-10
x = S&P 500
-15
Beispiel 1, gleichgerichtete Werte:
Das Streudiagramm zeigt die hohe
Abhängigkeit zwischen den Aktien­
indizes S&P 500 sowie MSCI World:
Die Regressionslinie (orange) verläuft
durch die beiden gleichgerichteten
Quadranten (Minus/Minus und Plus/
Plus) und nahezu alle Wertepaare
des Samples (Monatsveränderungen
1994-2007) liegen knapp an oder auf
der Linie. Der Korrelationskoeffizient
beträgt hier +0,94, das Bestimmtheits­
maß 0,88.
3%
-4%
y = -0,8243x + 3E-05
R2 = 0,942
2%
y= USD-Index
US-Dollar Index +
13%
1%
-3%
-2%
-1%
1%
2%
3%
4%
-1%
-2%
-3%
x = EURUSD
Beispiel 2, gegengerichtete Werte: Die
Tagesveränderungen der beiden Wäh­
rungsfutures Dollar-Index und Euro/
Dollar: Die Regressionslinie (orange)
verläuft durch die Quadranten Minus/
Plus und Plus/Minus. Nahezu alle
Wertepaare des Samples (Tagesver­
änderungen 2001-2007) liegen an
der Linie. Der Korrelationskoeffizient
beträgt hier -0,97, das Bestimmtheits­
maß 0,94. Das Ergebnis ist wenig
überraschend aber sehr anschaulich.
bestätigt sich nicht öfter als bei einem
reinen Zufallstest mit einer Münze.
Die Korrelation muss nahe Null liegen.
Tatsächlich hat der Koeffizient einen
Wert von 0,05 und wir befinden uns
mit dieser Methode ganz offensichtlich
in einer Sackgasse.
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120%
US Crude-Light
USD Index
100%
80%
60%
40%
20%
0%
-20%
-40%
-60%
1986 1987 1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006
Jahresveränderungen des Ölpreises (Crude-Light-Future) und des Dollarkurses (Dollar-Index-Futu­
re): Kein Beleg für eine gegenläufige Entwicklung.
Versuchen wir es also mit einem
weiteren Denkansatz. Dafür bilden wir
eine monatliche Zeitreihe, in der wir die
Wertveränderungen der jeweils letzten
sechs Monate laufend berechnen (ein
sogenanntes „rollendes Zeitfenster“).
Wir erhalten dadurch wesentlich
mehr Daten und können weitgehend
ausschließen, dass wir durch Zufall eine
besonders unrepräsentative Stichprobe
ziehen (was etwa bei den Jahres-End­
daten der Fall gewesen sein könnte).
Bei der Auswertung dieser Daten
erhalten wir einen – wenn auch noch
immer relativ schwach – negativen Wert
20%
y = -0,6176x + 0,0053
2
R = 0,0294
CRUDE-LIGHT OIL
10%
-3%
-2%
2%
3%
-10%
-20%
US DOLLAR INDEX
Streudiagramm anhand der 6-Monatsverände­
rungen Crude-Light Future (x-Achse) und des
Dollar-Index Future (y-Achse) im rollenden Zeit­
fenster (Mai 1986 bis Oktober 2007). Es zeigt sich
eine schwach negative Korrelation (-0,17)
für die Korrelation: -0,17 ist weit ent­
fernt von „signifikant“, aber ein kleines
Indiz dafür, dass es den vermuteten
Zusammenhang doch in der einen oder
anderen Form geben könnte.
Die Regressionsanalyse
Um diesem mit statistischen Mitteln
auf die Spur zu kommen, kann man
noch etwas tiefer in die Trickkiste grei­
fen und daraus ein Werkzeug namens
Kointegrationsanalyse ziehen. Dieses
Verfahren wird in der Praxis für Fehler­
korrekturmodelle angewandt und die
beiden Wirtschaftsstatistiker Robert En­
gle und Clive Granger, die es Ende der
1980 Jahre entwickelt haben, bekamen
dafür 2003 den Nobelpreis. Die Koin­
tegrationsanalyse versucht, langfristige
Zusammenhänge zwischen mehreren –
oft trendbestimmten – Variablen (etwa
die Zeitreihen unterschiedlicher Aktien­
kurse) zu beschreiben. Der Vorteil dieser
Methode gegenüber der Regression:
der Zusammenhang muss nicht zu allen
Zeitpunkten exakt erfüllt sein, um ihn
dennoch erklären zu können.
Umgelegt auf unser Dollar-ÖlProblem bedeutet das: Mittels der
Regressionsanalyse haben wir nachge­
wiesen, dass sich zwischen den Wert­
veränderungen des Dollar-Kurses und
des Ölpreises in den jeweils korrespon­
dierenden Zeitabschnitten (Monaten,
Halbjahresfenster oder Jahren) höch­
stens eine sehr schwache Wechselbe­
ziehung findet. Weil wir aber immer
noch nicht sicher sind, ob es nicht
dennoch einen Zusammenhang gibt,
der vielleicht zeitverzögert oder einem
übergeordneten Trend folgend auftritt,
verwenden wir mit der Kointegrations­
analyse ein zweites Diagnoseverfahren.
Ungefähr so, wie ein vorsichtiger Arzt
nach einem konventionellen Röntgen
auch noch eine teure Computerto­
mographie anordnet, wenn er sich in
seiner Diagnose nicht ganz sicher ist.
Was wir mit dem aufwändigeren
Verfahren untersuchen können, ist,
ob wir es bei Dollar und Öl vielleicht
mit der komplexen Ausformung des
folgenden, simplen Beispiels zu tun
haben: Stellen Sie sich zwei in der Phase
verschobene Sinuskurven vor (siehe
Abbildung). Interessanterweise liefern
1
0,5
1
0,5
0
1
-0,5
-1
0
3
1
5
3
7
5
7
9
9
11
11
13
13
15
15
-0,5
-1
0,5
0,5
0
-1
1
0
-1
-0,5
1
die Hoch-, Tief- und Wendepunkte, die
diese Kurven beschreiben, wie auch im
Streudiagramm sichtbar, eine vollkom­
mene Null-Korrelation. Dennoch ist
-0,5
offensichtlich, dass sich beide Kurven im
absoluten Gleichklang befinden und die
Kenntnis eines folgenden Punktes der
einen Kurve eine präzise Berechnung
des zugehörigen Datenpunktes der an­
deren Kurve erlaubt. Datenreihen dieser
Ausprägung heißen „kointegriert“ und
auf die Spur kommt man ihnen mit der
Kointegrationsanalyse.
Die Methode gehört nicht zum
Standardrepertoire gängiger Spread­
sheet-Programme und das mathema­
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1,5
1
0,5
0
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
-0,5
-1
-1,5
Abbildung: Output des Tests auf Kointegration der
beiden Sinuskurven.
tische Modell ist etwas komplexer als
jenes der klassischen Regressionsana­
lyse. Erfreulicherweise liefert aber auch
schon der Test darauf, ob überhaupt
Kointegration vorliegt, einen optischen
Output, der dem Nichtstatistiker ohne
weiteres zugänglich ist. Im Idealfall
einer extremen Kointegration zwischen
den untersuchten Zeitreihen (wie in un­
serem praxisfernen aber anschaulichen
Beispiel der beiden Sinuskurven) würde
das wiederum so aussehen wie eine
stabile Oszillation um einen konstanten
Mittelwert – hier die Nullachse (siehe
Abbildung). Man nennt eine solche
Datenreihe „stationär“. Natürlich findet
man solche „Idealergebnisse“ nicht ein­
mal annähernd in der Realität der Bör­
sen aber je eher das Ergebnis eines Tests
einer solchen stationären Datenreihe
entspricht, desto klarer ist der Hinweis
auf eine vorliegende Kointegration der
untersuchten Zeitreihen.
Wir haben dieses Verfahren auf die
Dollar- und Öl-Datenreihen (Monats­
veränderungen) angewandt und bereits
der Graph des Kointegrationstests
verrät, was wir auf Basis der vorherge­
henden Diagnosen vermuten konnten:
Der Chart zeigt über die gesamte Zeit
keine Schwankung um einen Mittel­
wert, sondern im Gegenteil dazu das
typische Trendverhalten, wie man es
etwa in Aktiencharts findet. Zwar gibt
es Perioden, in denen die Ergebnisse
einigermaßen stationär sind (etwa
zwischen 1985 und 1996), insgesamt
bestätigt sich aber die These einer
Kointegration zwischen Ölpreis und
Dollarkurs nicht.
Zwei Trends ohne Abhängigkeit
Manchmal kann man Daten also
selbst unter schwerer Folter nicht zu
einem Geständnis zwingen. Am Ende
bleibt daher lediglich die Tatsache
übrig, dass der Ölpreis seit dem Winter
1998 einen klaren Langzeittrend nach
oben aufweist und der Dollar seither
gefallen ist. Der Dollarkurs stieg aber
bis zum Februar 2002 ebenfalls, erst
danach bewegt er sich in die Gegen­
richtung. Einen direkten Zusammen­
hang zwischen den beiden Kursentwick­
lungen gibt es also sehr wahrscheinlich
nicht – und mit Sicherheit keinen, den
man für eine zuverlässige Prognose
verwenden könnte.
0,4
0,3
0,2
0,1
0
-0,1
-0,2
-0,3
-0,4
11|85
11|87
11|89
11|91
11|93
11|95
11|97
11|99
11|01
11|03
11|05
Output des Tests auf Kointegration zwischen Öl und Dollarkurs: Der Graph zeigt nichtstationäre Daten. Rohölpreis und Dollarkurs sind offenbar nicht kointegriert.
Futures
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we are the futures
belustigen würde. Sie dient vielmehr dazu,
mir regelmäßig aufs Neue klar zu machen,
dass die realen Märkte vollkommen im­
mun gegenüber Experten-Meinungen sind
und keinerlei Tendenz zeigen, irgendwel­
chen Prognosen zu folgen – das schließt
selbstverständlich meine eigenen ein. Da­
her mache ich erst gar nicht den Versuch,
irgendeine künftige Entwicklung vorher­
zusagen sondern folge ausschließlich der
Maxime „The trend is your friend“.
FTC Futures Fund Classic
Monat:
Jahr:
seit Systemstart(1):
NAV Euro:
-2,08 %
14,11 %
318,76 %
1.700,18
1.800
1.700
1.600
1.500
1.400
1.300
1.200
1.100
1.000
900
800
700
600
500
400
Erfolgreiche Strategie
Markt & Meinung
von Eduard Pomeranz, CEO
Immer wenn sich ein Jahr dem Ende
zuneigt, vollziehe ich ein Ritual: Nein,
es hat nichts mit Punschständen oder
Einkaufssamstagen zu tun und ich beginne
auch keine Liste von Neujahrsvorsätzen.
Stattdessen nehme ich eine Mappe mit
der Aufschrift „Prophezeiungen“ zur
Hand. Darin findet sich eine Sammlung
von Presseausschnitten des letzten Jahres,
die Prognosen über Kursentwicklungen
aller Art enthalten – vorzugsweise solche,
die ich zum Zeitpunkt der Veröffentli­
chung für besonders wagemutig gehalten
hatte. Ein Beispiel aus dem Dezember
2006: „Aktien der Emerging Markets wer­
den 2007 gut performen. Indische Aktien
halte ich dagegen für bereits überhitzt.“
Das Zitat stammt von einem Bank-Exper­
ten und enthält immerhin eine zutreffende
Voraussage. Der MSCI Emerging MarketsIndex performte mit einem Plus von rund
23 % bis zum 14. Dezember 2007 selbst
auf Euro-Basis anständig. Wirklich große
Sprünge hätte bisher aber gemacht, wer
speziell auf Indien gesetzt hätte: Über
50 % waren hier zu holen.
Auch nicht schlecht war der Titel
einer Tageszeitung vom 17. Februar: „Der
Ölpreis sinkt auf 30 Dollar“. Die derart
zitierte Analyseabteilung eines Londoner
Asset Managers hat hoffentlich nicht auf
diese Prognose gesetzt.
The Trend is your friend
Verstehen Sie mich nicht falsch, meine
kleine Marotte hat nichts damit zu tun,
dass ich mich gerne auf Kosten anderer
Diese Logik hat den Investoren von
FTC bisher schöne Erträge beschert, die
sich im internationalen Vergleich sehen
lassen können. Per Ende Oktober lag etwa
der FTC Dynamic in der Year to Date-Liste
des Futures Magazine auf Platz eins der
Top-Performer unter den CTA-Produkten,
der FTC Commodity Alpha schaffte es auf
Platz 5. Auch unser trendfolgender AktienDachfonds Gideon I, der von den mehrfa­
chen Trendbrüchen an den Equity-Börsen
naturgemäß am stärksten betroffen war,
hält sich im Vergleich zu seiner Benchmark
(MSCI World Euro) ausgezeichnet. Er
gehört im zweiten Jahr seines Bestehens
bereits zu den ertragsstärksten global inve­
stierten Aktien-Dachfonds in Österreich.
300
12|94
12|95
12|96
12|97
12|98
12|99
12|00
12|01
12|02
12|03
12|04
12|05
12|06
FTC Futures Fund Dynamic
Monat:
Jahr:
seit Fondstart:
NAV USD:
-1,68 %
26,09 %
87,51 %
1.875,09
2.000
1.900
1.800
1.700
1.600
1.500
1.400
1.300
1.200
1.100
1.000
900
04|02 08|02 12|02 04|03 08|03 12|03 04|04 08|04 12|04 04|05 08|05 12|05 04|06 08|06 12|06 04|07 08|07
FTC Commodity Fund Alpha
Monat:
Jahr:
seit Fondstart:
NAV Euro:
-1,18 %
13,75 %
27,03 %
1.270,28
1.350
1.300
Kein Weihnachtsversprechen
An dieser Stelle erwartet man vielleicht
eines der üblichen Weihnachtsverspre­
chen – etwa, dass FTC auch nächstes Jahr
wieder ausgezeichnete Zahlen liefern wird.
Dieser Erwartung kann ich unter Befol­
gung der selbst auferlegten Zurückhaltung
was Prognosen betrifft, nicht entsprechen.
Was ich Ihnen aber anbiete ist ein anderes
Statement: Wir werden auch im nächsten
Jahr wieder viel Energie, Intelligenz und
Geld darauf verwenden, unsere Systeme
weiterzuentwickeln. Und wenn uns die
Märkte in Form von wenigstens einigen
gut ausgeprägten Trends gnädig sein
werden, dann steht einer Fortsetzung
Ihres Anlageerfolgs nichts im Wege. In
diesem Sinne bedanke ich mich bei allen
Investoren für das Vertrauen, wünsche Ih­
nen erholsame Feiertage und ein gesundes
und erfolgreiches Jahr 2008.
Eduard Pomeranz,
CEO
1.250
1.200
1.150
1.100
1.050
1.000
950
900
850
800
03|05
06|05
09|05
12|05
03|06
06|06
09|06
12|06
03|07
06|07
09|07
FTC Gideon I
Monat:
Jahr:
seit Systemstart(2):
NAV Euro:
-6,26 %
6,04 %
31,08 %
1.092,62
1200
1150
1100
1050
1000
950
900
850
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02|05 04|05 06|05 08|05 10|05 12|05 02|06 04|06 06|06 08|06 10|06 12|06 02|07 04|07 06|07 08|07 10|07
Daten per 30.11.2007. Alle Angaben ohne Gewähr für
Richtigkeit und Vollständigkeit. Ergebnisse der Vergan­
genheit erlauben keinen Rückschluss auf zukünftige
Entwicklungen.
(1)
Unter Einbeziehung des Vorgängerfonds „FTC Diversified
Concept I“, (2) unter Einbeziehung eines, mit demselben
Handelssystem verwalteten Managed Account (2/05-1/06).
Futures
Magazin für technisches Trading | 9. Jahrgang | Dezember 2007 | Seite 7
we are the futures
Trading-Enzyklopädie
Kurs-Gewinn-Verhältnis - Leerverkauf
Kurs-Gewinn-Verhältnis
Kennzahl bei der Wertpapierbewertung,
die das Verhältnis des Kurswertes einer
Aktie zum Gewinn je Aktie widergibt.
Das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV)
wird nach der Formel K/G berechnet,
wobei K der Kurs der Aktie und G der
Gewinn je Aktie (nach Abzug von Zin­
saufwand, Steuern und konzernfremder
Gewinnanteile) ist.
In der Regel handelt es sich beim
KGV um eine geschätzte Zahl, da für den
Gewinn nicht der letzte bekannte son­
dern der erwartete Gewinn zum Ende
des laufenden Geschäftsjahres herange­
zogen wird.
Kurzläufer
Bezeichnung für festverzinsliche Wertpapiere mit kurzer Laufzeit.
Anleihen mit Gesamt- oder Restlauf­
zeiten von unter 10 Jahren werden im
Finanzjargon oft „Kurzläufer“ genannt.
Dazu gehören auch entsprechende
Zinsderivate wie etwa die Futures auf
deutsche Schatzscheine, 2-Jährige USTreasury-Notes oder den Eurodollar.
Langläufer
Bezeichnung für festverzinsliche Wertpapiere mit langer Laufzeit.
Anleihen mit Gesamt- oder Rest­
laufzeiten von 10 Jahren oder mehr
werden im Finanzjargon oft „Langläufer“
genannt. Dazu gehören auch entspre­
chende Zinsderivate wie etwa der BundFuture auf deutsche Bundesanleihen
oder 30-jährige US Treasury Bonds.
Laufzeit
Zeitangabe für die Dauer zwischen
der Ausgabe (bzw. einem Bewertungszeitpunkt) und der Endfälligkeit eines
Finanzwertes.
Bei Anleihen bezeichnet die Laufzeit
jenen Zeitraum, der zwischen der Emissi­
on und dem jenem Tag liegt, an dem die
Tilgung erfolgt. Der Zeitraum zwischen
einem beliebigen Bewertungstag und
dem Tilgungstag wird auch Restlaufzeit
genannt.
Bei Futures und Optionen wird statt
eines Tilgungstages der letzte Handels­
tag zur Ermittlung der Laufzeit herange­
zogen.
Leerverkauf (Short Selling)
Verkauf von Finanzwerten oder Waren,
welche zum Verkaufszeitpunkt nicht im
Eigentum des Verkäufers sind.
Bei Termingeschäften (Futures und
Optionen) stellt der Erwerb einer ShortPosition in aller Regel einen Leerverkauf
dar, bei Futures ist das sogar fast immer
der Fall. Ein Verkauf erfolgt entweder in
der Absicht, die Short-Position zu einem
späteren Zeitpunkt durch den Erwerb
einer Long-Position glattzustellen und
an der Differenz zwischen Verkaufs- und
Kaufpreis zu verdienen (Differenzge­
schäft) oder sich mit den verkauften
Gütern zum Liefertermin einzudecken.
Auf Aktienmärkten ist der Leerverkauf
dagegen die Ausnahme. Er kommt meist
durch eine so genannte Wertpapierleihe
zustande. Dabei leiht ein Leerverkäufer
eine bestimmte Menge Aktien (von einer
Bank oder einem Makler) und verkauft
diese unmittelbar auf dem Markt. Er
hofft dabei auf einen fallenden Kurs, um
die selbe Menge Aktien zu einem spä­
teren Zeitpunkt billiger wieder zurück­
kaufen zu können und an der Differenz
zwischen Verkaufs- und Rückkaufpreis zu
verdienen.
Einen Spezialfall stellt der „nackte“
Leerverkauf dar, bei dem der Leerverkäu­
fer gar nicht über die verkauften Aktien
verfügt (sie also nicht geliehen hat).
Diese Praxis ist allerdings illegal.
Auch der einfache Leerverkauf, der
an den meisten etablierten Börsen­
plätzen erlaubt ist, wird in manchen
Ländern, darunter etwa die USA, durch
Beschränkungen erschwert.
Ein Leerverkauf bietet Risiken, die
beim traditionellen Aktiengeschäft
entweder geringer ausfallen oder nicht
existieren. Während etwa der Käufer
einer Aktie maximal seinen Einsatz verlie­
ren kann, ist das Verlustrisiko des Short
Sellers nach oben hin rein theoretisch
unbegrenzt. Es ist möglich, dass eine
Aktie ihren Wert vervielfacht, während
sie keinesfalls mehr als ihren einfachen
Wert (-100 %) verlieren kann.
Das Instrument des Aktien-Leer­
verkaufs steht etwa in Österreich und
Deutschland dem privaten Anleger
nicht ohne weiteres zur Verfügung. Als
Konsequenz finden sich unter den nicht
nur gelegentlichen Leerverkäufern im
Grunde nur drei Gruppen von Markt­
teilnehmern: Erstens Market Maker und
andere Berufshändler, die den Leer­
verkauf als Instrument benötigen, um
die Liquidität eines Teilmarktes sicher­
zustellen; zweitens Arbitrageure, die
Preisdifferenzen – etwa zwischen zwei
Börsenplätzen – ausnützen und ihre
Leerverkäufe oft nur Minuten halten;
und drittens auf Leerverkauf spezialisier­
te Hedge-Fonds.

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