Predigt zum Hubertusgottesdienst 2009: Die Kleinen unter
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Predigt zum Hubertusgottesdienst 2009: Die Kleinen unter
Predigt zum Hubertusgottesdienst 2009: Die Kleinen unter Gottes Schutz Matthäus 18: In jener Stunde kamen die Jünger zu Jesus und fragten: „Wer ist im Himmelreich der Größte?“ Da rief er ein Kind herbei, stellte es in ihre Mitte und sagte: „Amen, das sage ich euch: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen. Wer so klein sein kann wie dieses Kind, der ist im Himmelreich der Größte. Und wer ein solches Kind aufgrund meines Namens aufnimmt, der nimmt mich auf. Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein am Hals im tiefen Meer versenkt würde. Wehe der Welt mit ihrer Verführung! Es muß zwar Verführung geben; doch wehe dem Menschen, der sie verschuldet. Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters. Was meint ihr? Wenn jemand hundert Schafe hat und eines von ihnen sich verirrt, läßt er dann nicht die neunundneunzig auf den Bergen zurück und sucht das verirrte? Und wenn er es findet - amen, ich sage euch: er freut sich über dieses eine mehr als über die neunundneunzig, die sich nicht verirrt haben. So will auch euer himmlischer Vater nicht, daß einer von diesen Kleinen verlorengeht.“ Liebe Gemeinde Wir haben gehört, dass unser Meister sagt: „Hütet euch davor, eines von diesen Kleinen zu verachten! Denn ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters. So will auch euer himmlischer Vater nicht, daß eines von diesen Kleinen verlorengeht.“ Von den Kleinen ist die Rede. Was für Kleine sind gemeint? Sicher die Kinder. Es gibt auch kleine Erwachsene, wisst Ihr, die Kleinen, die sich mit Zähnen und Klauen wehren müssen, dass man sie nicht einfach übersieht, dass die Grossen sie nicht einfach an die Wand drücken. Es ist ja auch in der wunderbaren Schöpfung so: Je kleiner ein Tier ist, umso bedenkenloser zerdrückt mans. Und jene Lebewesen, die so klein sind, dass man sie gar nicht mehr sieht, die werden mit chemischen Kampfstoffen ausgerottet, und niemand hat Erbarmen. Die Kleinen haben es schwer. Und wenn mit den Kleinen auch unsere kleinen Landwirtschaftsbetriebe gemeint wären? „Hütet euch davor, einen von diesen Kleinen zu verachten! So will auch euer himmlischer Vater nicht, daß einer von diesen Kleinen verlorengeht“? In den Frutiger Spissen stehen viele kleine Bauernhäuser. Die Felläden sind zu, überall Spinnhuppele. Da hatten Leute gelebt, noch gar nicht so lange her! Sie hatten ein Auskommen mit ein paar Chueli. Ein denkbar einfaches Leben, gewiss. Alle vierzehn Tage ging man hinunter nach Frutigen und kaufte vom Milchgeld das Allernötigste. Der Rest war Selbstversorgung. Dann hat man Strassen gebaut, weil Aetti und die Kinder tagsüber ins Tal mussten, verdienen gehen. Dann mussten Betriebe zusammen gelegt werden. Ein grosser Stall musste her, weil es eine gewisse Grösse brauche, sagen sie in Bern unten; sonst gebe es keine Subvention mehr. Der Milchpreis sank kontinuierlich von 1 Fr. 1990 bis weit unter der Hälfte heute. Dann schloss die Käserei, weils nicht mehr rentierte. Dann hat man ihnen die Post zugemacht, weil es eine gewisse Grösse brauche, hiess es. Dann hat man die Schule geschlossen. Warum? Weil es eine gewisse Grösse brauche, sonst rentiere es nicht mehr. Seit wann muss denn die Schule rentieren? Wieso soll eigentlich die Post rentieren? Wie lange geht es, bis auch noch die Wasserversorgung rentieren muss? Wofür zahlen wir eigentlich Steuern? „So will auch euer himmlischer Vater nicht, daß einer von diesen Kleinen verlorengeht.“ Wer will es denn, dass die Kleinen verloren gehen? Jemand will es nämlich. Es ist nicht das Wetter oder die Natur, welche die Kleinen erdrücken. Es ist jemand, der das will; wer eigentlich? Wer verlangt eigentlich, dass unsere Bergbauern zu den gleichen Bedingungen produzieren wie die Flächenbauern im Burgund? Wer will eigentlich die Schweizer Milch zu den gleichen Schleuderpreisen kaufen wie in der EU oder in Neuseeland? Wer ist interessiert daran, dass alle Grenzen für den freien Markt niedergelegt werden, dass ein Spissenbauer sich der Konkurrenz einer Riesenmilchfabrik in Dänemark stellen muss? Man behauptet, es sei der Konsument, der das wolle. Meint Ihr, das sei wirklich wahr? Dass es Konsumenten gibt, die nur billig einkaufen wollen, kann ich mir vorstellen. Es gibt Leute, die Bohnen kaufen, die schon 4000 km im Flieger unterwegs waren, ohne nachzudenken. Es gibt immer Leute, die nicht gut denken können. Aber Eure Intelligenz, liebe Gemeinde, schätze ich weit höher ein! Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit nicht will, „dass diese Kleinen verloren gehen“. Viele Bundespolitiker wollen, dass in nächster Zeit die Hälfte aller Schweizer Bauernbetriebe „strukturbereinigt“, d.h. vergantet werden. Ich will das nicht. Ich will meine Milch nicht von nummerierten Hochleistungskühen aus einem automatisierten Riesenstall, betreut von Futter- und Melkrobotern. Ich will lieber mehr zahlen und dafür wissen, dass ein Bauer zu seinen Tieren noch eine persönliche Beziehung hat. Ich brauche kein billiges Fleisch aus der argentinischen Pampa, ich zahle gern mehr für Schweizer Produkte. Ich möchte unsere Kleinen erhalten und nehme dafür noch so gern ZollGrenzen zum Ausland und höhere Preise in Kauf. Ihr sagt vielleicht: „Du hast gut reden mit deinem Pfarrerlohn; du kannst natürlich leicht mehr bezahlen. Das können nicht alle.“ Das weiss ich auch. Aber denkt daran: Eure Eltern haben noch doppelt so viel Prozente von ihrem Einkommen bezahlt für ihre Nahrung als wir heute. Seien wir doch ehrlich: Wir geben unser Geld für unnötigen Schnickschnack und Luxus aus! Wir können alle etwas mehr bezahlen für einheimische Nahrung! Wir müssen uns einfach fragen, ob wir unser Geld für Nahrung ausgeben wollen oder für sackteure Geländewagen und Ferien in Übersee. Ich bin überzeugt: Die Mehrheit will nicht, dass die Kleinen kaputt gehen. Das müssen wir unserem Bundesbern endlich klar machen. Ich weiss auch nicht genau wie. Ich bin kein Bauer und kein Politiker. Wie will man sich wehren gegen diesen Drachen mit Namen Globalisierung? Gummistiefel-Werfen allein nützt wohl nicht viel. Aber wer sich halt nicht anders zu wehren weiss gegen den mörderischen Globalisierungsfimmel, fängt früher oder später an, mit etwas herum zu werfen. Immer noch besser als die Faust im Sack machen. Hat unsere Landwirtschaftspolitik noch nicht gemerkt, dass der vielgerühmte freie WeltMarkt zur Finanzkrise geführt hat? Dass Kapitalismus und unregulierter Markt zusammen mindestens so mörderisch sind wie Kommunismus? Wehrt euch, gebt nicht auf! Irgend jemand will, dass die Kleinen kaputt gehen. Aber vom Höchsten sagt Jesus: „Euer himmlischer Vater will nicht, daß einer von diesen Kleinen verlorengeht. Ich sage euch: Ihre Engel im Himmel sehen stets das Angesicht meines himmlischen Vaters.“ Jesus glaubt, dass der Himmel auf der Seite der Kleinen ist. Ihr werdet sagen: „Davon merkt man nicht gerade viel!“ Ich weiss. Es ist eben ein Glaube. Was man nicht sieht, muss man glauben. Verliert den Glauben nicht, dass die Kleinen Gott lieber sind als die Grossen. Ihr habt nicht viel Macht, es ist oft zum Verzweifeln. Aber verzweifelt nicht! Auch die Kleinen haben Macht. Wisst Ihr, ein Floh kann einen Löwen furchtbar ärgern, aber umgekehrt nicht. Man muss auch mit den Kleinen rechnen. Und das sage ich allen sogenannten Konsumentinnen: Kauft einheimische Nahrung und gebt bewusst mehr Geld aus dafür! Wer auf der Seite der Grossen ist und nur billig essen will, ist auf der falschen Seite. Gott ist auf der andern Seite; er ist bei den Kleinen. Gott ist die Macht der Machtlosen. Vergesst nicht: Niemand glaubte je daran, dass man das mörderische System des Kommunismus stürzen könnte; aber die Kleinen, die sich etwa in der Solidarnosc zusammen taten, brachten das Unmögliche fertig. Zbigniew Bujak von der Solidarnosc sagt heute: „Diese Erfahrung hat gezeigt, wie viel Gott imstande ist zu machen, mit Hilfe von kleinen Menschen.“ Das können wir auch! Gäbs Gott! Ruedi Heinzer, Pfarramt I Frutigen General Guisanstr. 17, 3700 Spiez 033 654 22 77 [email protected]; www.ruediheinzer.ch; www.refkirchefrutigen.ch