Probekapitel Klartext 2

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Probekapitel Klartext 2
 Die Sibyllenspur besteht aus zwei parallel verlaufenden Gräben, die
das Tal zwischen dem Neckar und der Schwäbischen Alb durchziehen. Es
handelt sich dabei um einen besonders fruchtbaren Streifen Land, auf dem
Pflanzen viel besser als auf den umliegenden Äckern gedeihen. 1982 entdeckten Archäologen, dass diese eigenartige Spur zu den Überresten des
Lautertal-Limes, einer römischen Grenzbefestigung aus dem frühen 2. Jahr­hundert, gehört. Später fand man heraus, dass sich diese Gräben im Laufe
der Zeit mit Kalkstein und fruchtbarer Erde gefüllt haben, was sich besonders gut auf das Wachstum von Pflanzen auswirkt.
Sibylle von der Teck
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Vor uralten Zeiten, so wird erzählt, wohnte tief unten im Sibyllenloch am Fuße des
Teckfelsens eine schöne und weise Frau. Sie hieß Sibylle von der Teck. Da sie ein gütiges Herz hatte, kamen viele zu ihr, um Rat, Trost und Hilfe zu holen. Keiner, der in
Not war, stieg vergeblich den steilen Weg zu ihrem unterirdischen Schloss hinab.
Die Menschen, die im Land um die Teck wohnten, waren zufrieden und glücklich,
bis sich eines Tages zeigte, dass die drei Söhne der weisen Frau nur Böses im Sinne
hatten. Unhold, Raufbold und Saufbold wohnten zuerst im Schloss ihrer Mutter,
bekamen dann aber Streit und errichteten schon bald ihre eigenen Burgen in der
Umgebung. Von hier aus plagten sie die Bauern und plünderten die Kaufleute aus.
Schon bald verschlossen die Bauern ängstlich ihre Türen, denn nie konnten sie vor
einem Überfall sicher sein. Aus Kummer über ihre missratenen Söhne beschloss
Sibylle, das Land zu verlassen. Auf einem goldenen Wagen, der von riesigen wilden
Katzen gezogen wurde, fuhr sie eines Abends talabwärts durch die Lüfte und wurde nie wieder gesehen.
Aber selbst auf ihrer Flucht tat sie noch Gutes: Jedes Jahr, wenn die Ackerfrüchte zu
reifen beginnen, kann man den Weg verfolgen, den sie genommen hat. Denn die
Wiesen sind dort grüner, das Korn trägt größere Ähren und Äpfel, Birnen und
Kirschen sind saftiger und süßer. Die Spur ihres Wagens nennt man heute
noch die „Sibyllenspur.“
Sagenhaft
1 Was weißt du schon über Sagen? Kannst du eine erzählen?
2 Lies den Text oben zur Sibyllenspur. a) Erkläre, was die Sibyllenspur genau ist und wo sie sich befindet.
b) Welche Hinweise liefert der Text zu ihrer Entstehung?
In diesem Kapitel dreht sich alles um deutsche Sagen. Ihr erfahrt hier nicht
nur, woran ihr Sagen erkennt und wie sie entstanden sind, sondern auch wie
ihr einen einfachen Sagenkern zu einer spannenden Geschichte ausgestalten könnt.
3 Lies nun die Sage. Tausche dich dann mit deinem Tischnachbarn darüber aus,
wie die Sage die Entstehung der Sibyllenspur erklärt.
4 Sprecht darüber, worin sich die beiden Texte unterscheiden. Berücksichtigt dabei den Inhalt und die Form.
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Sagenhaft | 3. Inhalte und Form von Texten erfassen, verstehen und reflektieren
Sagenhaft | 3. Inhalte und Form von Texten erfassen, verstehen und reflektieren
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Merkmale von Sagen herausfinden
Der Esslinger Postmichel
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Wenn man früher in Stuttgart die alte Esslinger Steige
hinaufging, kam man an einem Steinkreuz vorbei, das
von den Stuttgartern Postmichelkreuz genannt wird.
Dazu erzählt man sich folgende Sage:
5 Im Jahre 1491 wurde auf der Esslinger Steige der wohlhabende Esslinger Bürger, Amandus von Marchthaler, erschlagen. Von seinem Mörder fehlte jedoch jede Spur.
Die Zeit verging und nach zwei Jahren hatten die meisten
den Mord vergessen. Nun geschah es, dass eines Tages
10 der Postreiter Michel Banhard auf seinem täglichen Ritt
zwischen Esslingen und Stuttgart etwas glitzern sah. Er
stieg vom Pferd und fand im Grase einen goldenen Ring.
Nachdem er die Kostbarkeit betrachtet hatte, steckte er
den Ring an seinen Finger, um ihn sicher nach Esslingen
15 zu bringen und dort als Fundstück abzugeben. Zuvor jedoch kehrte der Postreiter in einem Wirtshaus ein. Als
Michel hier nun mit anderen Knechten beim Wein saß, fiel
einem auf, welche Kostbarkeit der Postreiter da am Finger trug, und er erinnerte
sich, den Ring beim Herrn von Marchthaler einst gesehen zu haben. So wurde
Michel beschuldigt, den Mord begangen und den Ring gestohlen zu haben.
Mehrfach beteuerte er seine Unschuld. Trotzdem wurde er im Wolfstor eingesperrt und grausam gefoltert, bis er endlich ein Geständnis ablegte und zum
Tod durch das Schwert verurteilt wurde. Man gestattete ihm, auf seinem Pferd
zum Richtplatz zu reiten. Dort beteuerte er erneut seine Unschuld, blies ein letztes Mal in sein Horn und kündigte an, dass er so lange jedes Jahr an Michaelis
in Esslingen und Stuttgart sein Posthorn blasen würde, bis der wahre Mörder
gefunden wäre.
Und so geschah es. Am 29. September, dem Michaelistag, erwachte der Henker
durch den schaurigen Klang eines Posthorns und ihm erschien ein gespenstischer Reiter, der seinen Kopf unter dem Arm trug. Auch andere Esslinger Bürger
sahen den Geist des Postmichels jedes Jahr an Michaelis. Es kamen Zweifel auf,
ob etwa doch ein Unschuldiger geköpft wurde.
Nach vielen, vielen Jahren erschien schließlich ein uralter Mann in Esslingen.
Als sich erneut der Michaelistag jährte, konnten die Esslinger um Mitternacht
wieder das Horn des Postmichels vernehmen, der auf seinem Schimmel den
Greis aufgesucht hatte. Daraufhin brach der alte Mann zusammen. Er gab sich
als Neffe und Erbe des ermordeten Amandus von Marchthaler zu erkennen und
gestand den Mord an seinem Onkel. Den Greis hatte es aber die letzten Kräfte
gekostet, sein Gewissen zu erleichtern, sodass er starb. Von da an fand auch der
Postmichel seine Ruhe und wurde nie mehr gesehen.
Zum Gedenken an seine unschuldige Verurteilung ließen die Esslinger das
Postmichelkreuz errichten, das sich heute in der oberen Ritterstraße befindet.
Seit 1916 erinnert auch ein Brunnen, der die Figur des unglücklichen Postmichel
trägt, an sein trauriges Schicksal.
Sagenhaft | 3. Ausgewählte epische Texte und ihre Merkmale kennen: Sagen
1 Betrachtet das Bild. Was erkennt ihr darauf aus der Sage wieder? Tauscht euch in der Klasse über eure Eindrücke aus.
2 Fasst kurz zusammen, worum es in der Sage geht:
– Welche Personen kommen darin vor?
– Was passiert genau?
3 Überlegt gemeinsam, was an der Sage wahr sein könnte. Begründet, woran ihr dies festgemacht habt. Lest danach die INFO.
4 a
)Untersuche die Sage nun genauer: Unterstreiche im Text die Sagenmerkmale. Nimm die INFO zu Hilfe.
b)Übertrage die unten stehende Tabelle in dein Heft und ordne darin die Merkmale ein, die du herausgefunden hast.
Name der
Sage
typische
Formulierung
Anlass
Zeit
Ort
übernatürliche
Wesen
Der Esslinger Wenn man früher in
Stuttgart . . . Dazu
Postmichel
erzählt man sich . . .
. . .
. . .
. . .
. . .
Sibylle von
der Teck
zwei parallel
. . .
verlaufende Gräben,
in denen Pflanzen
besser wachsen
. . .
. . .
. . .
5 Untersucht auch die anderen Sagen in diesem Kapitel auf ihre Sagenmerkmale.
Tragt diese dann in eure Tabelle ein.
INFO
Sagen und ihre Merkmale
Die Menschen versuchten früher mit Sagen außergewöhnliche Ereignisse
oder örtliche Besonderheiten, die wir heute noch sehen können, zu erklären.
Dabei haben sie häufig auch übersinnliche Mächte einbezogen, da sich die
Menschen diese Erscheinungen nicht anders erklären konnten. Aus diesem
Grund vermischt sich in Sagen oft Wahres mit Fantastischem.
Sagen kannst du an folgenden Merkmalen erkennen:
1. Da Sagen früher mündlich erzählt wurden, findet man oft Formulierungen
wie „In … erzählt man sich …“.
2.Es wird meistens ein Anlass für die Entstehung der Sage genannt. Dies war
z.B. ein besonderes Ereignis, eine seltsame Naturerscheinung (z.B. Felsen,
Bäume), ein besonderes Bauwerk oder eine Redewendung. 3.Daher wird häufig auf konkrete Orte und Zeitpunkte verwiesen.
4.Oft kommen in Sagen auch übernatürliche Wesen mit besonderen Fähigkeiten vor.
Sagenhaft | 3. Ausgewählte epische Texte und ihre Merkmale kennen: Sagen
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Wie eine Sage entsteht
1 Lies die Sage und mache dir mithilfe der Lesemethode für erzählende Texte
Der Rattenfänger von Hameln
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Im Jahre 1284 schritt eines Tages ein bunter Geselle
mit einer Feder am Hut über die Weserbrücken von
Hameln. Geradewegs ging er zum Rathaus, trat in
den großen Saal hinein, verneigte sich vor den ­Herren
5 und bot seine Dienste an. „Was für Dienste? Welche
Dienste?“, fragten die Ratsherren. „Ratten und Mäuse kann ich verjagen! Braucht man die Kunst in der
schönen Stadt Hameln?“ Da sprangen die Ratsherren
von ihren Stühlen auf: „Bringst du das fertig, be10 kommst du reichlich Lohn!“ „Was verlangst du?“,
fragte der Bürgermeister. – „Hundert Dukaten!“ –
„Hundert Dukaten?“, stutzten die Ratsherren; denn
das war viel! Aber schnell errechneten sie, wie viel
Schaden die Ratten und Mäuse anrichteten, und das
war mehr. Der Bürgermeister sprach: „Gut, Bursch, vertreibst du die Ratten und
Mäuse, so sollst du deinen Lohn bekommen!“ „Auf bald, ihr Herren, ich nehm
euch beim Wort!“ Der Rattenfänger zog durch die Gassen von Hameln und blies
auf seiner silbernen Flöte. Da lugten die Mäuse aus ihren Löchern hervor,
­sammelten sich zu Haufen und zogen der zirpenden Flöte nach. Durch jede
­Gasse schritt der Pfeifer hindurch, und die grauen Mäusescharen umwimmelten ihn. Als er aber das Wesertor erreichte, da kamen Tausende von Mäusen
hervor, drängten über- und untereinander auf die ver­lockenden Töne zu. Der
Rattenfänger schritt voraus auf das Ufer zu und stieg langsam, immerfort pfeifend, tiefer und tiefer in das Wasser hinein. Hinter ihm schob sich wild der riesige Haufen der Ratten und Mäuse und verschwand im ­Wasser der Weser und
kam nicht wieder hervor. Vor den Ratsherren stand der bunte Pfeifer und verneigte sich: „Meine Arbeit, ihr Herren, ist getan. Nun gebt mir meinen Lohn!“
– Aber die Ratsherren blickten finster und der Bürgermeister sprach: „Das war
leichte Arbeit! Hier sind zehn Dukaten! Nimm sie und mache dich damit fort!“
– „Hundert Dukaten waren ausgemacht!“ – „Willst du noch mehr fordern, unholder Geselle? Durch Zauber hast du das getan, durch ver­botene Kunst! Hüte
dich, Rattenfänger, dass wir dich nicht vor den Richter bringen.“ Verbittert zog
der Rattenfänger davon. Am 26. Juni, als alle Gläubigen in der Kirche versammelt waren, klang durch die Gassen ein lockendes Flöten. Da war er wieder, der
bunte Geselle! Rot wippte die Feder vom grünen Hut. Und Mädchen und Burschen lauschten den Tönen, schauten hervor, kamen gelaufen, sammelten sich in
Scharen um den bunten Pfeifer herum. So zogen sie durch die Gassen hindurch
zum Ostertore hinaus und auf einen Berg, in dem sie ver­schwanden.
Als die Glocken das Ende der Andacht läuteten, traten die Bürger von Hameln
auf die Straße hinaus. Aber die Stadt war leer, kein Rufen und kein Lachen war
mehr in den Häusern und Gassen. Die Mütter jammerten, reitende Boten suchten
auf allen Straßen, aber die Kinder von Hameln blieben verschwunden.
Man erzählt sich, die Kinder seien in eine Höhle geführt worden und in Siebenbürgen wieder herausgekommen.
Sagenhaft | 3. Inhalte von Texten erfassen, verstehen und reflektieren
S. 260/261
klar, worum es darin geht.
2 Schreibe fünf Fragen an den Rattenfänger auf, die dich interessieren, und stelle
sie deinem Nachbarn. Wechselt euch beim Fragen und Antworten ab. Antworten,
die nicht im Text zu finden sind, müsst ihr euch selbst überlegen.
Wie heißt du? - Nenn mich ruhig Rattenfänger.
Woher kommst du? -. . .
Gab es den Rattenfänger von Hameln wirklich?
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Die „Kinder von Hameln“ sollen auswanderungswillige Bürger gewesen sein,
die im 13. Jahrhundert zur Siedlung in den Ostgebieten angeworben wurden.
Damals wie auch heute wurden nämlich alle Einwohner als „Kinder der Stadt“
bezeichnet. Der Rattenfänger war wahrscheinlich ein Mann, der diese als Siedler angeworben hat, indem er sie mit Versprechen auf eine bessere Zukunft fortlockte. Viele junge Menschen aus Hameln folgten seinem Ruf, weil sie hofften,
sich dort ein besseres Leben aufbauen zu können als in ihrer Heimatstadt. Vor
diesem Hintergrund kam es daher wahrscheinlich zur Kinderauszugssage.
Doch weshalb geht es in der Sage auch um eine Rattenplage? In der Mühlenstadt
Hameln kam es im Mittelalter häufig zu bedrohlichen Rattenplagen. Daher wurden immer wieder Rattenfänger beschäftigt, die mehr oder weniger erfolgreich
versuchten, die Ratten zu bekämpfen. So war auch eine Rattenvertreibungssage
entstanden. Im 16. Jahrhundert wurden beide Sagen miteinander verknüpft.
3 a
)Lies den Text Gab es den Rattenfänger von Hameln wirklich?.
b
)Erkläre mit eigenen Worten, wie die Rattenfängersage entstanden ist.
c ) Vergleiche den Text mit der Sage. Notiere, in welchen Punkten die beiden
Texte übereinstimmen und worin sie sich unterscheiden.
d)Tausche deine Beobachtungen mit einem Partner aus. Stellt Vermutungen
an, wie es zu den Unterschieden gekommen sein könnte. Vergleicht eure Überlegungen dann mit der INFO.
INFO
Entstehung von Sagen
Sagen entstehen über einen langen Zeitraum. Der Begriff „Sage“ stammt aus dem Althochdeutschen („saga“) und bedeutet „Gesagtes“. Denn Sagen
wurden zunächst mündlich durch wandernde Handwerksburschen und
fahrendes Volk überliefert. Erst später wurden sie aufgeschrieben.
Auf diese Weise veränderten sich Sagen immer wieder, da jeder die Ereignisse
auf eine andere Weise gehört oder vielleicht empfunden hat. Dadurch konnten
sich tatsächliche Geschehnisse mit anderen Begebenheiten vermischen.
So wollten sich die Hamelner vielleicht nicht eingestehen, ihre Kinder hätten
die Stadt verlassen, weil ihnen ihre Heimat keine guten Zukunftsaussichten
bieten konnte. Deshalb verknüpfte man die Sage vom Auszug der Stadtkinder
mit der Rattenvertreibungssage.
Sagenhaft | 3. Inhalte von Texten erfassen, verstehen und reflektieren
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Den Aufbau einer Sage erkennen
Das Hornberger Schießen
1. Sorgsam hatten die Feuerwerker
das Pulver eingefüllt und Papier
nachgestopft. Die glimmende Lunte
lag auch parat, aber es zeigte und
zeigte sich nichts im Tal.
2. Schließlich war das letzte Pulver
verschossen und der Wagenzug ins Städtchen eingerückt. Stolz
zogen sie hinab im freudigen
Gefühl der erfüllten Pflicht.
3. Doch, o weh, der Herzog hatte nur sein Gefolge vorausgeschickt, er selbst rückte einige Zeit später sang- und klanglos in Hornberg ein.
Die „Bunte Kuh“ am Rotweinwanderweg
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Diese Sage erzählt man sich an der Ahr:
In der Nähe von Walporzheim findet sich eine ungewöhnliche Felsformation,
welche die „Bunte Kuh“ genannt wird.
Der Sage nach lagerte an dieser Stelle einst ein Ritter, der nur noch vom Straßenraub lebte. Er war aber christlich erzogen und verharrte immer dann im Gebet,
wenn er eine Kirchenglocke läuten hörte. An diesem Tag zogen die Händler,
die er überfallen wollte, bereits die Straße herauf, als mit einem Mal der Klang
eines Glöckleins zu vernehmen war. Der Räuber kniete zum Gebet nieder,
und so konnten die Händler unbehelligt vorbeiziehen. Kaum waren sie fort,
kam jedoch eine bunt gescheckte Kuh aus dem Gebüsch, die eine Glocke um
den Hals trug. Voller Wut packte der Ritter sie bei den Hörnern und stieß sie in
den Abgrund.
Seitdem wird der Fels „Bunte Kuh“ genannt.
1 a
)Überprüfe nach dem Lesen, ob du alles verstanden hast. Schlage unbekannte Wörter im Wörterbuch nach.
b)Schreibe dir fünf Stichwörter heraus, mit deren Hilfe du die Sage deinem
Nachbarn erzählst. Baue einen Fehler ein, den dein Partner beim Zuhören
herausfinden muss. Lasse dir anschließend die Sage von einem anderen
erzählen, der ebenfalls einen Fehler in seine Erzählung einbauen soll.
2 a
)Gliedere die Sage in Einleitung, Hauptteil und Schluss. Gib dazu die entsprechenden Zeilen an: Einleitung = Z. 1_3
b)Vergleicht eure Ergebnisse und begründet eure Einteilung.
c) Überprüft eure Ergebnisse mit der Info auf Seite 87.
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Sagenhaft | 1. Literarische Texte nacherzählen
4. Die Sonne stieg immer höher und zu der brennenden Ungeduld kam der noch brennendere Durst. Aber da gab‘s kein Weichen und Wanken.
Nachher, ha, da wollte man sich nach der schweren Arbeit schon gütlich tun in den kühlen Schenken.
5. Drum sagt man seit jener Zeit, wenn
eine mit viel Lärm angekündigte
Unternehmung leer ausgeht: Das geht
aus wies „Hornberger Schießen“.
6. Endlich zeigte sich ein Wagenzug im
Tal, woraufhin der Hauptmann „Feuer“
rief. Sofort kamen die Schützen dem
Befehl nach und schossen ihre Salven ab.
7. Als der große Tag anbrach, war
schon seit dem frühen Morgen alles in Bewegung. Die Schützengilde stand neben den Kanonen bereit und
wartete auf den großen Augenblick.
8. Das gab eine nette Aufregung im Städtchen und alles bereitete sich vor, den
Herzog würdig zu empfangen. Vor allem
aber wurden Kanonen auf den Schlossberg geschleppt, damit sie mit donnerndem Gruß den Fürsten empfingen.
9. Einstens, als die Hornberger noch zum Herzogtum Württemberg gehörten,
sagte der Landesvater einmal seinen Besuch an.
3 a
)Sucht euch einen Partner. Teilt die Textabschnitte der Sage unter euch auf
und schreibt sie auf einzelne Papierstreifen.
b
)Bringt die Zettel nun in eine sinnvolle Reihenfolge.
4 Welche Textteile bilden die Einleitung, welche den Hauptteil und welche den
Schluss? Lies dazu die INFO.
INFO
Aufbau von Sagen
1. In der Überschrift wird das Ereignis, die Erscheinung oder die Hauptperson
genannt, um die es in der Sage geht: Der Esslinger Postmichel.
2.Die Einleitung gibt oft eine Vorgeschichte wieder. Häufig werden die Zeit,
der Ort sowie der Anlass für die Entstehung der Sage genannt: Im Jahre
1491 wurde auf der Esslinger Steige ein wohlhabender Bürger erschlagen ...
3.Im Hauptteil wird erklärt, wie es zu dem Ereignis oder der Erscheinung
gekommen ist, von der die Sage handelt.
4.Der Schluss enthält häufig einen Verweis auf die Gegenwart:
Heute erinnert … an …
Sagenhaft | 3. Inhalte und Form von Texten erfassen und verstehen
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Die Sage als schriftliches Kunstwerk
Die Geschichte vom Ulmer Spatz
Carl Hertzog (1842)
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1 Rat der Stadt
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2 Fall
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Anno dazumal vor vielen Jahren
Ist den Ulmern Folgendes widerfahren:
Zu allerlei Bauten in der Stadt
Man Rüst- und Bauholz nötig hat‘,
Doch wollt es den Leuten nicht gelingen
Die Balken durchs Tor hereinzubringen,
Und doch war reiflich die Sach‘ überlegt
Das Holz in die Quer‘ auf den Wagen gelegt;
Das Tor war zu eng, die Balken zu lang,
Dem Stadtbaumeister ward angst und bang.
1. Beim Bau des Münsters
mussten die Ulmer einen
besonders großen Balken
durchs Stadttor transportieren.
Viel gab es hin und her zu sprechen:
Und ungeheures Kopfzerbrechen,
Ja, selbst der hohe Magistrat1
Wusste für diesen Fall nicht Rat,
Er mochte in alle Bücher sehen,
Der Casus2 war nirgends vorgesehen,
Der Bürgermeister selbst sogar
Hier ausnahmsweise ratlos war.
Ihm, der doch alles am besten weiß,
Machte die Sache entsetzlich heiß.
Und stündlich wuchs die Verlegenheit,
Da – begab sich eine Begebenheit
Von den Klügsten einer ein Spätzlein schauet,
Das oben am Turm sein Nestlein bauet,
Und einen Halm, der sich in die Quer‘
Gelegt hat vor sein Nestchen her,
Mit dem Schnäblein – und das war nicht dumm
An der Spitze wendet zum Nest herum,
„Das könnte man“, ruft der Mann mit Lachen,
„Mit dem Balken am Tore ja auch so machen!“.
Man probiert‘s und es ging. – Den guten Gedanken
Hatten die Ulmer dem Spätzlein zu danken:
Sie stünden wohl heute noch an dem Tor
Mit dem balkenbeladenen Wagen davor,
Oder hätten, ohne des Spätzleins Wissen,
Gar den Turm auf den Abbruch verkaufen müssen.
Zum Danke dem Spatzen ist heut noch zu schauen
Hoch am Münster sein Bild in Stein gehauen:
Auch seitdem beim echten Ulmerkind
Die Lieblingsspeise „Spätzle“ sind.
Sagenhaft | 3. Inhalte, Sprache und Form von Texten erfassen, verstehen und reflektieren
Der Ulmer Spatz
1. Beim Bau des Münsters mussten die Ulmer einen besonders großen Balken durchs
Stadttor transportieren.
2. Weil der Balken auf dem Wagen quer lag,
war die Einfahrt zu schmal.
3. Sie waren kurz davor, das Tor einzureißen, als sie einen Spatzen sahen, der einen
Halm im Schnabel trug, um diesen in
sein Nest einzubauen. Und dieser Spatz flog
mit dem Zweig längs durch das Tor.
4. Da ging dann wohl auch den Ulmern
ein Licht auf, und sie legten den Balken
der Länge nach auf ihren Karren und nicht
quer, wie vorher.
1 Lest das Gedicht auf Seite 88 und anschließend die Sage vom Ulmer Spatz. a)Welcher Text gefällt euch besser?
b)Begründet, woran das liegen könnte. Lest danach die INFO.
2 a
)Ordnet die nummerierten Sätze den passenden Versen im Gedicht zu. Was
Folie
erfahrt ihr zusätzlich durch das Gedicht? Tauscht euch darüber in der Klasse
aus.
b)Auf welche Weise hat der Dichter die Sage ausgeschmückt? Macht euch dazu
Notizen neben den Versen. Vergleicht eure Ergebnisse mit der INFO.
3 Bereitet das Gedicht für einen Vortrag vor.
a)Welche Stimmung wird in dem Gedicht vermittelt? Beschreibt sie.
b)Übt euren Gedichtvortrag: Welche Strophen müsstet ihr spöttisch betonen?
Welche wirken eher erzählend? Welche könntet ihr heiter sprechen?
c) Tragt das Gedicht jeweils zu viert vor.
d)Gebt euch danach gegenseitig eine Rückmeldung: Welche Textteile wurden
gut betont? Welche verschiedenen Stimmungen konntet ihr wahrnehmen?
INFO
Von der mündlichen Sage zum schriftlichen Kunstwerk
Kurze mündliche Sagen liefern häufig die Grundlage für literarische Werke von Schriftstellern. Damit sie anschaulich und unterhaltsam wirken und gerne
gelesen werden, schmücken Autoren sie mit unterschiedlichen Mitteln aus:
– Personenwerden mit ihren Eigenschaften (z.B. mürrisch, geizig) beschrieben.
– Stimmungen (z.B. angstvoll, fröhlich) werden wiedergegeben.
– Situationen werden ausführlich geschildert.
– Häufig wird mit wörtlicher Rede gearbeitet.
Ein besonders gelungenes Beispiel für eine mündliche Sage, die zu einem
schriftlichen Kunstwerk wurde, ist Die Geschichte vom Ulmer Spatz.
Sagenhaft | 3. Inhalte, Sprache und Form von Texten erfassen, verstehen und reflektieren
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Eine Sage ausgestalten
3 Entwickle deine Ideen in einem Schreibplan weiter. Halte darin auch fest, an
welchen Stellen du besondere Erzählmittel einfügen möchtest, um deine Sage
anschaulich zu erzählen. Lies dazu den TIPP.
Viele Schriftsteller griffen kurze mündliche Sagen als Anregung auf und erweiterten
sie zu einer Erzählung. Auf den letzten beiden Seiten habt ihr gesehen, wie die Sage
vom Ulmer Spatz zu einem kunstvollen Gedicht wurde, in dem Witz und Spott zum
Ausdruck kommen. Nun sollt ihr selbst eine Sage ausgestalten.
In Asperg
erzählt man
sich . . .
Situation ausführlich schildern
Ein Esel verirrte sich im Asperger Rathaus und legte sich in der Gerichtsstube
hinter den Ofen. Als der Rathausdiener hereinkam, glaubte er, „der Leibhaftige“
liege hinter dem Ofen. Die Nachricht verbreitete sich schnell. Schließlich fand
jemand den Mut und ging hinauf. Der Esel stand auf und kam hervor. Seither
werden die Asperger „Esel“ genannt.
Folie
aufgeregte
Leute vor dem
Rathaus
1 a
)Die oben stehende Sage könnte mündlich erzählt worden sein. Lies sie.
b
)Unterstreiche die Sagenmerkmale im Text.
Gedanken und Gefühle ganz deutlich
Seitdem
werden die
Asperger . . .
4 Gestalte nun die Sage aus. Berücksichtige dabei die Sagenmerkmale und denke
daran, deinen Text anschaulich und lebendig zu formulieren. Du kannst so
beginnen:
Der Asperger Esel
Seit ewigen Zeiten schon werden die Asperger Esel genannt. Wie es dazu
kam, erzählt man sich so:
Am Stadtrand von Asperg lag eine Mühle, in welcher der Müller das
ganze Korn für die Asperger zu Mehl verarbeitete. Einst, als der
Müller besonders viel Korn zu mahlen hatte, vergaß er, seinen Esel
anzubinden . . .
2 Wie könnte die Handlung ausgestal-
tet werden, damit die Sage für den
Leser anschaulich und lebendig
wird? Halte deine Ideen in einem
Cluster fest. Du kannst dich von den
Bildern anregen lassen.
aufgeregte
Menschenmenge vor
Rathaus
. . .
Esel reißt aus
Mühle aus.
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Der Asperger Esel
. . .
Sagenhaft | 2. Textmuster der Sage zur kreativen Gestaltung eigener Texte nutzen
TIPP
So gestaltest du eine Sage aus:
1. Nenne in der Einleitung den Anlass für die Sage (Ereignis oder Erscheinung)
sowie Ort und Zeit der Handlung. Schreibe die Einleitung im Präsens: In ... erzählt man sich ...
2.Mache einen Absatz und erzähle im Hauptteil, wie das Ereignis erklärt wird. Verwende dafür das Präteritum. Achte darauf, die Sage anschaulich
zu erzählen, sodass deine Leser Spaß an der Geschichte haben:
– Versetzedich in die Personen hinein und beschreibe, was sie erleben,
denken, hören, sehen, fühlen oder riechen.
– Formuliere abwechslungsreich, um die Stimmung zum Ausdruck zu
bringen oder um Spannung zu erzeugen. Verwende dafür anschauliche
Adjektive, treffende Verben und Spannungswörter: Voller Entsetzen
lauschten die Umherstehenden …, Plötzlich bewegte sich etwas hinter
dem Ofen …
– Setze wörtliche Rede ein: „Das gibt es doch nicht!“
3.Beginne mit einem neuen Absatz und schreibe im Schlussteil, was heute
noch an die Sage erinnert (z.B. Spottname). Formuliere den Schluss im
Präsens: Noch heute nennt man ...
4.Überlege dir eine kurze Überschrift, die den Anlass oder die Hauptperson
der Sage nennt.
Sagenhaft | 2. Sich ein Schreibziel setzen | Literarische Texte ausgestalten: Sagen
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Eine ausgestaltete Sage überarbeiten
Ein Esel lief davon
Überschrift
passt nicht
Wo genau?
Wortwiederholung
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In einer kleinen Stadt erzählt man sich die Geschichte von einem Esel.
Als der Müller einmal sein Tor nicht richtig verschlossen hatte, nutzte sein
Esel die Gelegenheit, um davonzulaufen. Er kannte ja den Weg in die Stadt.
Dorthin trottete er dann. Als der Esel auf dem Marktplatz stand, schaute er
sich ein wenig um. Dann entdeckte er die offene Rathaustür. Dann stolperte
das Grautier durch die offene Tür ins Rathaus hinein. Die Türen waren alle
verschlossen, bis auf die letzte, die nur angelehnt war. Mit der Nase stieß der
Esel sie dann auf und befand sich in der Gerichtsstube. Völlig erschöpft vom
langen Weg legte sich der Esel dann hinter den warmen Ofen. Zur gleichen
Zeit beendet der Rathausdiener seine Vesperpause und wollte in der Gerichtsstube ausfegen. Mit dem Besen in der Hand trat er ein, lässt ihn aber
sofort wieder fallen und rennt mit riesigen Schritten aus dem Rathaus ins
Freie. Vorbeigehende Leute fragen besorgt: „Sag mal, was ist denn mit dir
los?“ Aber der arme Rathausdiener schlottert vor Angst und bringt kein
Wort heraus. Schließlich stammelte er: „D-d-der Leibhaftige, d-d-dort, in
der Gerichtsstube!“ Weil er sich gar nicht beruhigen wollte, blieben immer
mehr Leute stehen, sodass bald eine große Menschenmenge vor dem
Rathaus steht. Schließlich nimmt ein kleiner Junge seinen ganzen Mut
zusammen und ging hinein. Der Esel stand auf und kam hervor.
)Dieser Text enthält einige Anmerkungen aus einer Schreibkonferenz. Be1 a
sprecht, was die Hinweise am Rand bedeuten.
b)Untersuche mithilfe der CHECKLISTE, wo der Text noch weiter verbessert
werden muss. Verwende dazu die Korrekturzeichen von Seite 105.
c) Überarbeite in gleicher Weise deine eigene Sage.
CHECKLISTE
Ausgestaltete Sage überarbeiten
1. Werden die Sagenmerkmale beachtet?
2. Beschreibt die Einleitung das Ereignis oder die Erscheinung, um die es in der Sage geht? Werden Ort und Zeit genannt?
3. Wird im Hauptteil erklärt, wie es zu dem Ereignis gekommen ist? Ist diese
Erklärung nachvollziehbar?
4. Werden Personen, Stimmungen und Situationen anschaulich geschildert?
5. Wird wörtliche Rede verwendet?
6. Enthält der Schluss einen Hinweis auf die Gegenwart (Namen, Bauwerke)?
7. Werden die Einleitung und der Schluss im Präsens verfasst (er lebt)? Wird
der Hauptteil im Präteritum geschrieben (er lebte)?
8. Ist die Überschrift kurz? Nennt sie Anlass oder Hauptpersonen der Sage?
9. Findest du Wortwiederholungen oder Rechtschreibfehler?
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Kompetenz-Check: eine Sage ausgestalten
Sagenhaft | 2. Strategien zur Überarbeitung von Texten anwenden
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An der Hohen Wenig, einer Felswand bei Weisenbach, erkennt man noch heute
den Abdruck eines Hufes.
Einst, als die Floßknechte im Herbst wieder in die Heimat zurückkehrten, saßen
sie in den Wirtschaften beisammen. Da setzte sich ein Fremder dazu und spielte
beim Kartenspiel mit. Er gewann jede Runde. Das gefiel den Leuten nicht und
sie drohten, den Fremden vor Gericht zu bringen. Dieser ergriff daraufhin die
Flucht und verschwand mit Getöse. Zurück blieb der Abdruck eines Hufes.
Gestalte diese Sage aus. Gehe dabei so vor:
1 Plane deinen Text:
a
)Unterstreiche die Sagenmerkmale im Text.
b
)Sammle in einem Cluster Ideen, wie du die Sage ausgestalten könntest. Du kannst dich dazu von dem Bild oben anregen lassen.
c) Lege in einem Schreibplan fest, welche Informationen in die Einleitung,
welche in den Hauptteil und welche in den Schluss gehören.
d)Ergänze in deinem Schreibplan auch, an welchen Stellen du besondere
Erzählmittel einfügen möchtest, um deine Sage anschaulich zu erzählen.
2 Schreibe einen Entwurf deiner Sage. Berücksichtige dabei folgende Hinweise:
– Beachte die Sagenmerkmale.
– Erkläre das Ereignis oder die Erscheinung, um die es in der Sage geht,
folgerichtig und für den Leser nachvollziehbar.
– Schreibe Einleitung und Schluss im Präsens, den Hauptteil im Präteritum.
– Achte darauf, anschaulich zu erzählen.
– Suche eine kurze Überschrift, die den Anlass oder die Hauptperson der Sage nennt.
3 a
)Überarbeite deinen Text, indem du überprüfst, ob du alle Hinweise aus
Aufgabe 1 und 2 berücksichtigt hast.
b)Schreibe deinen überarbeiteten Text noch einmal fehlerfrei ab.
Sagenhaft | 2. Literarische Texte ausgestalten: Sagen
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S. 203/204
Im Blickpunkt: Sprache betrachten
Im Blickpunkt: richtig schreiben
Adverbiale Bestimmungen
Das Komma zwischen Haupt- und Nebensätzen
Wie Wiesbaden zu seinen Quellen kam
Der Mägdesprung
Seinen Glanz verdankt die Stadt Wiesbaden ihren heißen Quellen, und so reisen
die Menschen aus aller Welt seit langer Zeit in diese wunderschöne Stadt, um
dort das Leben zu genießen.
Vor langer Zeit lebte in den finsteren Taunuswäldern rund um Wiesbaden ein
Riese namens Ekko. Er wurde wochenlang von einem Drachen bedroht. Da er in
seiner Höhle nicht mehr ruhig schlafen konnte, überlegte Ekko, wie er sich bald
vom Drachen befreien könnte.
[Im östlichen Harz liegt zwischen Harzgerode und Ballenstedt das Selketal,]
[wo ein hoher Felsen steht.] In dem Gestein gibt es unten und hundert Fuß höher
eine Vertiefung, sodass man an eine Ähnlichkeit mit den Fußstapfen eines
Menschen denkt. Weil dies außergewöhnlich ist, erzählt man sich diese Sage:
Ein Riesenmädchen war zornig, da es sich am Morgen mit seinem Vater gestritten hatte. Dieser wollte, dass das Mädchen einen bestimmtem Mann heiratet.
Weil es den ­jedoch nicht wollte, kam es zum Streit. Die Tochter schrie wütend,
dass sie lieber sterben würde.
1 Im ersten Abschnitt der Sage sind einige adverbiale Bestimmungen des Ortes
und der Zeit unterstrichen. Lege eine Tabelle an und ordne sie ein.
Adverbiale Bestimmung des Ortes Adverbiale Bestimmung der Zeit
(Wo? Woher? Wohin?)
(Wann? Seit wann? Wie lange?)
aus aller Welt
. . .
seit langer Zeit
. . .
Wütend begab sich Ekko deshalb auf die Suche nach dem bösen Drachen. Nach
einer erfolglosen Suche geriet er schließlich in Wut. Ekko glaubte, den Drachen
unten in der Erde zu hören. Weil er den Drachen töten wollte, fing er an, mit
seiner langen spitzen Lanze kräftig in den Boden zu stechen.
S. 205/206
2 Im zweiten Sagenabschnitt sind die adverbialen Bestimmungen der Art und
Weise und des Grundes unterstrichen. Lege eine weitere Tabelle an und ordne
sie ein.
Adverbiale Bestimmung der Art
Adverbiale Bestimmung des
und Weise
Grundes
(Wie? Auf welche Art und Weise?) (Wieso? Weshalb? Warum?)
wütend
. . .
deshalb
. . .
Dies führte (1. wann?) dazu, dass Ekko von einem heißen Wasserstrahl getroffen
wurde, der (2. woher?) sprudelte. (3. wie?) schrie er auf und stürzte (4. wohin?).
Dabei grub sich sein Arm (5. wohin?) ein und formte so die Landschaft, die
Wiesbaden (6. wann?) umgibt.
3 Im letzten Abschnitt fehlen die adverbialen Bestimmungen. Setze in die Lücken
passende adverbiale Bestimmungen ein. Wähle aus den folgenden aus:
zu Boden – noch heute – tief in das Erdreich – am Ende – schmerzerfüllt –
aus der Erde
4 Suche aus der Sage „Der Mägdesprung“ auf Seite 95 weitere adverbiale Bestimmungen heraus und ergänze deine Tabellen.
94
Sagenhaft | 4. Die Satzglieder unterscheiden: adverbiale Bestimmungen
1 a
)Markiere die Prädikate und trenne die Sinneinheiten wie im Beispiel durch Folie
Klammern ab.
b)Kreise in den Sätzen die Konjunktionen ein. Lies dazu Punkt 3 der INFO.
c) Untersuche, wo die Konjunktionen jeweils in den Sätzen stehen.
d)Kennzeichne die Nebensätze farbig.
2 Verbinde in der unten stehenden Fortsetzung der Sage jeweils zwei Sätze durch die Konjunktion in Klammern. Denke an die Kommasetzung.
A S
ie stampfte auf den Boden. Sie wollte diesen Mann nicht heiraten. (da)
B Es war ein schöner Sommertag. Das Mädchen lief traurig über das Gebirge zu dem Felsen. (obwohl)
C Das Mädchen sah auf. Es sah ihre Freundin auf der anderen Seite des Tals
im Gras liegen. (als)
D Die Freundin bat sie, sich zu ihr zu setzen. Sie könnten miteinander
reden. (damit)
E Das Riesenmädchen freute sich über die Einladung. Es sprang mit Anlauf
auf die andere Seite. (da)
F Es kam jedoch sehr kräftig auf. An der Stelle am Ramsberg sind noch
heute Abdrücke von ihr zu sehen. (weil)
INFO
Die Kommasetzung bei Haupt- und Nebensätzen
1. Hauptsatz und Nebensatz werden immer durch Komma getrennt.
2.Ein Nebensatz kann nicht allein ohne einen Hauptsatz stehen:
Nachdem ich gegessen hatte. geht nicht.
Ich erledigte meine Hausaufgaben, nachdem ich gegessen hatte.
3.Nebensätze können mit einer Konjunktion beginnen:
Die Kinder gehen ins Bett, nachdem sie sich gewaschen haben.
Konjunktionen sind z. B. als, wo, weil, indem, damit, sodass, wenn, dass,
obwohl, während, nachdem, bis, wenn, falls.
Sagenhaft | 2. Die Satzzeichen beim Satzgefüge richtig sehen
S. 240/241
95
Im Blickpunkt: Lesen
Die Siegfriedsage entstand in den Zeiten der Völkerwanderung im frühen Mittelalter.
Sie wurde mündlich weitererzählt und als Teil des Nibelungenliedes erst um 1200 n. Chr.
aufgeschrieben. Man nennt diese Sagen Heldensagen. In ihnen spielen Menschen mit
außerordentlichen Fähigkeiten eine Rolle. So war Siegfried nicht nur sehr stark, tapfer
und listenreich, sondern verfügte auch über ein besonderes Schwert und eine Tarnkappe.
Die folgende Sage erklärt, wieso Siegfried auch nahezu unverletzlich war.
Siegfrieds Kampf auf dem Drachenfels
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In einer Höhle am Steilhang eines Felsens hauste einst ein Drache. Die Menschen waren ihm schutzlos ausgeliefert, und er konnte nur gnädig gestimmt
werden, indem ihm jedes Jahr eine Jungfrau geopfert wurde.
Weit weg in Xanten am Niederrhein hatten zu jener Zeit der König der Niederlande, Sigmund, und seine Frau Sieglinde einen Sohn bekommen. Sie nannten
ihn Siegfried. Als junger Mann machte er sich auf, die Welt zu erkunden.
Unterwegs suchte er in einer Schmiede Schutz vor einem Unwetter. Der Schmied,
der ihm öffnete, war Mime, Bruder von Alberich, dem König der Zwerge – und
ein kunstreicher Fürst des Schmiedehandwerks. Siegfried verpflichtete sich, dem
Schmied ein Jahr als Geselle zu dienen. So kam Siegfried in die Lehre beim besten aller Schmiede und brachte es binnen kurzer Zeit sehr weit in dieser Kunst.
Dann, nach einem heftigen Streit, verließ Siegfried den Zwerg. Mit seinem selbst
geschmiedeten Schwert Balmung ritt er rheinabwärts, bis er in die Gegend von
Heisterbach kam. Vor den Kuppen des Siebengebirges traf er auf zahlreiche
Männer und Frauen, die ein vor Angst zitterndes Mädchen herbeiführten. Es
sollte dem Drachen geopfert werden. Siegfried erkannte, dass nur der Tod des
Drachens das Leben des Mädchens retten würde. Und als die Ärmste von der
Meute den Berg hinauf zur Höhle getrieben wurde, lief auch er los. Er nahm jedoch eine steile Abkürzung, um vor ihnen dort zu sein.
Der Drache witterte den Menschenduft und kroch voll Vorfreude aus seiner
Höhle hervor. Doch als er statt eines Mädchens den jungen Kämpfer erblickte,
wurde er wütend. Sein Kamm schwoll an, rauchender Zorn stieg aus seinen
Nüstern auf, und sein Schwanz peitschte Laub und Erde in die Luft. Siegfried
merkte schnell, dass er mit dem Schwert keine Chance hatte: Die Hornplatten
des Ungeheuers waren zu hart und schützten es vor seinen Hieben. Doch er entdeckte die verwundbare Stelle seines Gegenübers und sammelte hastig trocke­
nes Reisig zusammen. Als der Drache nun erneut mit weit aufgerissenem Maul
und Feuer speiend angriff, war der entscheidende Moment gekommen! Siegfried
warf ihm das Reisigbündel in den Rachen, das dort sofort Feuer fing. Das Untier
bäumte sich vor Schmerz auf, sodass sein Hals einen Augenblick lang freilag.
Darauf hatte Siegfried gewartet, denn dies war die einzig ungeschützte Stelle
des Ungeheuers. Blitzschnell stieß er sein Schwert hinein, und aus der Wunde
schoss ein riesiger Blutstrom. Der Drache verendete unter wilden Zuckungen.
Als sich Siegfried für einen Augenblick zu Boden setzte, um auszuruhen, bemerkte er, dass das Gemisch aus Blut und geschmolzenem Drachenhorn auf
seiner Haut getrocknet war und einen undurchdringlichen Schutzpanzer ge­
Sagenhaft | 3. Sinnverstehend lesen
40
bildet hatte. Nun wusste Siegfried, wie er sich künftig vor Feinden schützen
konnte. Hastig riss er sich die Kleider vom Leib und wälzte sich nackt in der
noch warmen Pfütze, die sich neben dem toten Drachen gebildet hatte. So
erhielt er am ganzen Körper Schutz – und damit den Ruf, unverwundbar
zu sein. Nur eine kleine Stelle auf seinem Rücken, auf die ein Lindenblatt
heruntergefallen war, blieb unbedeckt. Als er dies bemerkte, war es zu
spät, denn die Pfütze war bereits versickert. Bekanntlich kostete ihn dies,
so die Nibelungensage, später das Leben.
1 Jeder der folgenden Sätze fasst einen Absatz der Sage zusammen. Die Reihenfolge ist jedoch durcheinandergeraten. Ordne jedem Satz den passenden Absatz zu und kennzeichne die Reihenfolge der Sätze durch Zahlen.
Bei richtiger Lösung ergeben die Buchstaben in Klammern hinter den Sätzen ein Lösungswort. Schreibe es in dein Heft.
Siegfried trifft auf die Leute von Heisterbach. (NF)
Siegfried wird durch das Bad im Blut des Drachens unverwundbar. (ER)
Siegfried von Xanten wird geboren. (AC)
Siegfried erlernt das Schmiedehandwerk. (HE)
Der Drache bekommt jedes Jahr eine Jungfrau als Opfer. (DR)
Siegfried tötet den Drachen. (EU)
2 a
)Welche Aussage trifft die Sage am besten? Entscheide dich für einen der folgenden Sätze:
– Die Sage erzählt, wie Siegfried durch eine List getötet wird.
– Die Sage erzählt, wie Siegfried unverwundbar wird.
– Die Sage erzählt, wie Siegfried eine Jungfrau befreit.
b)Begründe deine Entscheidung durch passende Textstellen.
3 Nimm Stellung dazu, welche Vorteile es heute hätte, unverwundbar zu sein.
Sagenhaft | 3. Sinnverstehend lesen
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