Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel

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Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Kurzfassung
Abstract
Der E-Commerce spielt in der Zukunft
des Einzelhandels eine entscheidende
Rolle. Ein weltweites Umsatzvolumen
von mehr als einer Billion US-Dollar,
welches stetig zweistellig wächst,
bietet Platz für neue Absatzkonzepte
und Vertriebswege. Dies offenbart
großartige Chancen für den stationären Einzelhandel. Trotzdem wird mehr
als ein Drittel des Marktes von den so
genannten Internet Pure Playern besetzt, obwohl aus Studien ersichtlich
wird, dass Multichannel-Konzepte
immer wichtiger werden. Obwohl das
Onlineshopping einen entscheidenden
Stellenwert bei der Internetnutzung hat,
fällt es dem stationären Handel schwer,
den Weg in den E-Commerce zu finden.
Dieser Artikel gibt einen ersten Einblick
zur Situation des E-Commerce sowie
den Herausforderungen denen Händler
gegenüberstehen. Des Weiteren werden Sortimentsbereiche mit Potenzial
sowie Positionierungsstrategien und
Möglichkeiten zum Ausstieg aus der
sich abwärts drehenden Preisspirale
vorgestellt.
E-commerce is going to play a crucial
role in the future of retailing. The global
sales of more than one trillion US dollars is constantly increasing by double
digits. This fact offers many possibilities for new sales concepts and channels as well as great opportunities for
retail. However, more than a third of the
market is occupied by so called pure
players, although it became apparent
by a number of studies that multichannel concepts are getting more and more
important. Although online shopping
has a decisive role in Internet use, it
seems difficult for traditional retailers
to find their way into e-commerce. This
article provides an insight into the current situation of e-commerce and the
challenges retailers face. Furthermore
products with potential as well as positioning strategies and options are
presented to avoid the downward price
spiral.
Schlüsselwörter:
E-Commerce, Webshops, Onlineshops,
Internetkonsumverhalten, Suchtrends,
Internethandel,
Distanzhandel,
Interaktiver Handel,
Multichannel, Preisstrategien
Keywords:
E-Commerce, webshops, online shops,
internet consumer
behavior, search
trends, internet
trade,
distance trade,
interactive trade
concepts, multichannel trade,
pricing strategies
Prof. Christoph Ewert ist Professor für Marketing und Unternehmensstrategie an
der Hochschule Karlsruhe. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Konsumgütermarketing, wobei er sich besonders für die Themen Personality Marketing
und Kundenorientierung interessiert.
Kontakt: [email protected]
Klaus Kallenbrunnen,
Absolvent des Bachelorstudiengangs International Management
41
Prof. Christoph Ewert, Klaus Kallenbrunnen
Entwicklung des E-Commerce
Der Onlinehandel in
Deutschland wächst
seit Jahren durchweg zweistellig.
Der E-Commerce, auch interaktiver Handel, spielt in der Zukunft des gesamten
Einzelhandels eine tragende Rolle. Der E-Commerce zeichnet sich dadurch aus,
dass Waren elektronisch im Internet abgebildet werden, und der Kunde seinen Kauf
per Fernübertragung über das Internet tätigt.
Die steigende Bedeutung des E-Commerce wird unter anderem durch die nahezu flächendeckende Verbreitung des Internets und das sich ändernde
Medienkonsumverhalten begünstigt.
0
10
20
30
40
50
60
70
80
90
100
E-Mails senden / empfangen
Surfen im Internet
Onlineshopping
Videos im Internet ansehen
Community, Social Networks
Onlinebanking
Onlineauktionen
Chatten
Software-Downloads
Zeitungen / Zeitschriften online
14 bis 49 Jahre
ab 50 Jahre
Abb. 1: Die häufigsten Elemente der Internetnutzung in Deutschland
(Angaben in Prozent, Mehrfachnennungen möglich) (Paperlein 2013: 19)
Wie ersichtlich wird, ist Onlineshopping bereits der dritthäufigste Grund der
Internetnutzung. Deutlich wird dies nicht nur an beachtlichen Umsatzzahlen,
sondern auch am kontinuierlichen Wachstum der Branche. Der Onlinehandel
in Deutschland ist eine Wachstumsbranche, die sich seit Jahren durchweg mit
zweistelligen Wachstumsraten entwickelt. Laut Zahlen des IFH-Branchenreports
Online-Handel setzte der Onlinehandel 2012 fast 33 Milliarden Euro über das
Internet in Deutschland um. Dies entspricht einem Wachstum von nahezu 15 %
Prozent im Vergleich zu 2011. Der Anteil am stationären Einzelhandel ist dabei mit
7,7 %(2007: 3%) noch relativ gering. Wenn jedoch das stagnierende Wachstum im
stationären Einzelhandel herangezogen wird, so ist es nur eine Frage der Zeit, bis
der E-Commerce bedeutendere Marktanteile einnimmt. Wenn dann FMCG (FastMoving Consumer Goods/Schnelldrehende Produkte), wie Körperpflegeprodukte
oder Nahrungsmittel aus dem Umsatz des stationären Einzelhandels und dem des
E-Commerce herausgerechnet werden, so steigt der Marktanteil des E-Commerce auf
14,2 % vom gesamten Einzelhandel. Die wachstumsstärksten Marktteilnehmer im
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Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
E-Commerce sind dabei die Unternehmen, die ihren Handel ausschließlich über das
Internet abwickeln. Diese Internet Pure Player nehmen laut Expertenschätzungen
einen Marktanteil von mehr als einem Drittel aller E-Commerce-Unternehmen ein
(Internet World Business, Neue E-Commerce-Zahlen).
Die rasante Entwicklung der Internet Pure Player zeigt, dass der stationäre Handel
noch nicht die Potenziale des E-Commerce für sich entdeckt hat. Ein möglicher
Indikator dafür könnte sein, dass die Branche sich zu rasant weiterentwickelt.
Innovationen und neue Möglichkeiten der Interaktion erfinden sich stetig von
selbst neu. Viele stationäre Händler sind mit ihrem Tagesgeschäft ausreichend beschäftigt und können den Trends oftmals nicht folgen.
Florian HEINEMANN, profunder Kenner der deutschen E-Commerce-Szene, rät in
diesem Zusammenhang: „Wenn ich ein mittelständisches Handelsunternehmen
wäre, dann würde ich mir den cleversten 26-Jährigen suchen, den ich finden
kann, ihm viel Verantwortung geben und mich darauf beschränken, zu schauen,
dass er mit meinem Geld keinen Unfug macht […]“. HEINEMANN führt weiter aus:
„Das Medienkonsumverhalten von Leuten wandert unaufhaltbar ins Internet und
Richtung Mobile.“ Oftmals sind die Onlinesparten von E-Commerce-Händlern, welche ihr stationäres Geschäft um einen Vertriebskanal erweitern, deshalb unrentabel, weil es an Skaleneffekten mangelt. Dies basiert darauf, dass die Onlinesparten
von Multichannelunternehmen oftmals „stiefmütterlich“ behandelt und in den
meisten Fällen nahezu komplett outgesourced werden. In der Regel wollen sich
die Unternehmen auf das eigene stationäre Kerngeschäft konzentrieren, da hier
eine solide Basis vorhanden ist. Dabei vernachlässigen diese Unternehmen den
schnell wachsenden E-Commerce. Dieser Umstand erschwert den Aufbau und das
Verständnis für einen produktiven neuen Absatzkanal. Daraus folgt, dass sich keine Lerneffekte einstellen und der Aufbau von Wissen im Bereich der branchenbegleitenden Betätigungsfelder nicht stattfinden kann (Zimmer 2013:5).
Diese Probleme stellen aber vermutlich nur eine Momentaufnahme dar, denn laut
einer Studie des Marktforschungsunternehmens Forrester Research im Bereich
„Online“ wird der Umsatz in Westeuropa, gemäß Ergebnissen der Studie im Bereich
B2C, von 112 auf 191 Milliarden Euro im Jahr 2017 steigen. Die durchschnittliche
jährliche Steigerungsrate (CAGR) für den Onlinehandel wird auf 11 Prozent geschätzt (vgl. Kemper 2013: 1).
Einordung des E-Commerce
Durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien haben sich auch
die Betriebsformen im Einzelhandel weiterentwickelt. Besonders das Internet
hat zur Verbreitung neuer Technologien maßgeblich beigetragen und schafft eine
neue Grundlage für Geschäftsbereiche die mittlerweile als Electronic Business
bekannt sind. Das Electronic Business nutzt die Realtime-Kommunikation für
Das Internet hat zur
Verbreitung neuer
Technologien beigetragen und schafft
Geschäftsbereiche.
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geschäftliche Transaktionen über das Internet nahezu ohne zeitliche Verzögerung.
Der Leistungsaustauschprozess durch elektronische Netze ist hierbei als konstitutives Merkmal gesetzt. Der Transfer zum Handel ist dahingehend gegeben, dass vor
allem im Distanzhandel auf diese Art der Kommunikation zurückgegriffen wird (vgl.
Olderog 2003: 2 f.)
Die folgende Abb. 2 zeigt die Einordnung der Betriebsform E-Commerce (OnlineShopping) innerhalb des Electronic Business und unterhalb des Versandhandels.
Neben dem Versandhandel wird innerhalb der Abb. 2 die Nähe zum stationären
Handel illustriert, da die Verbindung zwischen stationär und online beidseitig immer wichtiger wird und immer größere Bedeutung erlangt. Diese Verbindung wird
als Multichannel bezeichnet:
Einzelhandel / Detailhandel
Versand- / Distanzhandel
Sonstiges
Universalversand
Tankstelle
Kiosk
Automaten
Spezialversand
Electronic Business
Telefonverkauf
Teleshopping
Infomercials
Online-Shopping
E-Mails
Stationärer Handel
Ladengeschäfte
Fachgeschäft
Spezialgeschäft
Warenhaus
Verbrauchermarkt
Fachmarkt
Ambulanter Handel
Straßenhandel
Markthalle
Wanderhandel
Verkaufsschiff / Butterfahrten
Kaffee-Fahrten
Direkt- und Strukturvertrieb
Legende:
Multichannel
(potentielle) Kanäle für Onlineshops
Abb. 2: Betriebsformen im Einzelhandel, jeweils mit einzelnen Ausprägungen
(eigene Darstellung angelehnt an Kotzab & Madlberger2002: 119)
Herausforderungen, Anreize und Erfolgskriterien beim Gang ins Internet
Google Trends
ermöglicht durch
normalisierte
Nachfrageentwicklungen im Internet
Rückschlüsse auf
Markt- und Produktentwicklungen.
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Die Anreize, den Schritt in den E-Commerce zu wagen, sind sehr hoch. Fast täglich starten neue Onlineshops ihre Webpräsenzen. Anderseits ist der Weg auch
mit Risiken verbunden. Ein Einstieg muss strategisch sinnvoll geplant sein und
auf eine zuvor geplante, langfristige Entwicklung und Ausrichtung fixiert sein.
Gerade im Einzelhandel ist es wichtig, dass Produktpotenziale richtig eingeschätzt
werden. Deshalb ist zu überprüfen, ob das zur Verfügung stehende oder geplante Produktportfolio im Internet nachgefragt wird. Hierbei helfen Tools wie das von
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Google kostenfrei zur Verfügung stehende Google Trends. Hieraus können normalisierte Nachfrageentwicklungen im Internet auf Basis von Suchanfragen abgeleitet
werden. Zur Illustration wird in Abb. 3 die Suchanfrage „Schuhe online“ mit der
Suchanfrage „Schuhe Zalando“ verglichen:
100
80
60
40
20
2005
2007
2009
2011
2013
Abb. 3: Google Trends Analyse für die Suchanfrage „Schuhe online“ (grün) und „Schuhe
Zalando“ (schwarz), Interesse im zeitlichen Verlauf von 2004 bis Juli 2013 (Google Inc.
2013) Daten sind normalisiert; 100 kennzeichnet das höchste Suchvolumen
Es wird deutlich, dass die Nachfrage nach Schuhen ihre maximale Nachfrage zwischen 2010 und 2011 erhalten hat (in diesem Zeitraum startete auch Zalando).
Derzeit ist der Trend für „Schuhe online“ eher rückläufig. Wenn man allerdings
die Entwicklung im Zusammenhang mit „Schuhe Zalando“ betrachtet, liegt die
Vermutung nahe, dass die generische (allgemeine) Suchanfrage für „Schuhe
Online“ durch die Eingabe „Schuhe Zalando“ ersetzt wurde. Hieraus kann noch
keine Kausalität abgeleitet werden, jedoch ist dies ein erstes Indiz und soll illustrieren, wie man die Nachfrage des Marktes bzw. die Stärke von Wettbewerbern im
Internet nachfragebedingt beurteilen kann.
Auch wenn dieses Werkzeug trivial erscheint, sollte es mit Bedacht genutzt werden. Besonders beim Rückschluss von Suchanfragen auf Marktbedürfnisse kann
es zu großen Missverständnissen bzw. potenziellen Fehlinterpretationen kommen.
Schließlich ist nicht das Ziel, das Suchvolumen innerhalb einer Suchmaschine für
einen generischen Begriff zu evaluieren, sondern Suchanfragen, die speziell auf
einen Onlinekauf abzielen, zu analysieren und dieses Potenzial zu identifizieren.
Zusätzlich muss vor dem Einstieg im E-Commerce beachtet werden, dass es im
Internet sehr schnell zu einer ausgeprägten Konkurrenzsituation kommen kann.
Durch die fortschreitende Entwicklung der Informationstechnologie im E-Commerce
wird es immer einfacher, einen Onlineshop zu eröffnen. Gerade deshalb ist es wichtig, dass der eigene Shop sich deutlich vom Wettbewerb abhebt. Eine Möglichkeit
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der Differenzierung ist beispielsweise der Preis, welcher im Internet hohem
Wettbewerbsdruck ausgesetzt ist. Die Preistransparenz ist deutlich höher als die
des stationären Handels. Deshalb gilt es zu Beginn, die eigene Preissituation sowie
die Einkaufskonditionen intensiv zu prüfen. Sollte trotz schwieriger Preissituation
entschieden werden, den Weg ins E-Commerce zu gehen, so muss Mehrwert für den
Nutzer bzw. Käufer innerhalb des Shops geschaffen werden. Ein Mehrwert kann beispielsweise schon eine sehr gute Lieferfähigkeit oder auch eine ausführliche und
nutzenorientierte Produktbeschreibung sowie Zusatzleistung am Produkt sein.
Durch die Anonymität im Internet, geht es vor allem darum, Vertrauen auf Seiten
der Käufer aufzubauen. Neben Vertrauenssiegeln von unabhängigen Instituten
bzw. Anbietern können auch diverse Bezahlmöglichkeiten (bspw. Rechnungskauf)
zur Vertrauensbildung und zur Differenzierung beitragen. Damit sich der Webshop
vom Wettbewerb abheben kann, müssen Konsumenten ein Erlebnis während des
Einkaufens erfahren, welches sie bei anderen Shops im Internet und der gleichen
Branche nicht finden. Eine hohe Produktvielfalt kombiniert mit einer sinnvollen
Navigation, sowie einer akribischen Aufbereitung und Darstellung der Produkte,
kann hier maßgeblich zum Erfolg beitragen. Ein kompetenter und gut verfügbarer
Kundenservice mit Fachberatern unterstützt das Shoppingerlebnis (Internet World
Business online 2013).
Zur Überprüfung der eigenen Positionierung im Vergleich zum Wettbewerb eignet
sich besonders die Erfassung und Bewertung von Qualitätsmerkmalen anhand einer 10-Punkteskala. Die Ergebnisse werden dann in ein Spinnwebdiagramm übertragen. Hierdurch bietet sich die Möglichkeit, Positionierungsmerkmale, welche
vom Markt noch nicht besetzt sind, zu identifizieren. Diese Strategie bietet sich
unter anderem auch zur Nischenfindung an.
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Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Abb. 4: Beispiel zur Illustration von Differenzierungs- und Positionierungsmerkmalen verschiedener
Onlineshops, dargestellt sind Ergebnisse einer Mini-Studie der Fachhochschule Wedel, (Emamifard 2012)
Länder mit Potenzial
Ist die Entscheidung für den Weg ins E-Commerce gefallen, stellt sich die Frage nach
der Ausrichtung des Verkaufs über das Internet. Ein globaler Start scheidet in der
Regel aufgrund der Komplexität bezüglich Logistik, rechtlicher Rahmenbedingungen
und auch der Aufbereitung der Inhalte, vor allem in Bezug auf Mehrsprachigkeit und
Lokalisierung, aus. Somit bietet sich in der Folge eine länder- oder auch sprachenspezifische Ausrichtung an. Vorteilhaft ist auch das Nutzen von Freihandelszonen
wie beispielsweise die EU, NAFTA oder Mercosur.
Die USA, China und
Japan sind hier die
umsatzstärksten
Länder, wobei in
Deutschland die
Käuferpenetration
sehr hoch ist.
Eine Statistik des Marktforschungsunternehmens eMarketer schätzt, dass das
Umsatzvolumen im E-Commerce 2013 weltweit ungefähr 1.200 Milliarden US-Dollar
umfassen wird, was einer Steigerung von ungefähr 17 % zum Vorjahr weltweit entspricht. Vor allem die USA, China und Japan sind hier die umsatzstärksten Länder.
Interessant ist, dass Deutschland nach dem Vereinigten Königreich die höchste
Käuferpenetration innerhalb der Internetnutzer hat. 80,8 % der Internetnutzer in
Deutschland haben demnach schon mindestens einmal im Internet etwas eingekauft (vgl. Abb. 5).
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0
100
200
400
395,3
USA
China
181,6
118,6
Japan
99,2
Vereinigtes Königreich
53,0
Deutschland
Frankreich
300
37,0
Australien
26,8
Kanada
24,3
Spanien
21,6
Italien
19,8
Abb. 5: Top eCommerce Länder nach Umsatzvolumen weltweit (Angaben in Mrd. US-Dollar)
(eigene Darstellung, angelehnt an emarketer 2013)
Es wird deutlich, dass vor allem der europäische Raum mit Deutschland, dem
Vereinigten Königreich, Frankreich, Spanien und Italien mit zusammen 230,6
Milliarden US-Dollar Umsatzvolumen (Dies sind bereits mehr als 58 Prozent des
Umsatzvolumens der USA im E-Commerce.), sehr lukrativ ist. Begünstigt wird dies
durch die gemeinsame Freihandelszone.
Nachfrageorientierte Sortimentswahl
Kleidung, Schuhe,
Bücher, Zeitungen,
Reisen, Tickets,
Computer und
Software sind die
gefragtesten Sortimentsbereiche bei
Internetnutzern.
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Das IFH Köln veröffentlichte in seinem Branchenreport Online-Handel 2013 eine
Statistik, in der Sortimentsbereiche mit dem stärksten Wachstum zwischen 2007
und 2012 illustriert wurden. Hieraus wird deutlich, welche Sortimentsbereiche
mit Potenzial noch zur Verfügung stehen und nicht ausreichend besetzt sind
(vgl. Abb. 6):
Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Entwicklung verschiedener Sortimentsbereiche im Zeitverlauf
20
15
10
5
0
Fashion &
Access.
Schmuck &
Uhren
CE/Elektro
2007
4,9
4,1
8
2012
16,8
9,7
17
Heimwerk
& Garten
Wohnen &
Einrichten
Büro &
Schreibw.
Freizeit &
Hobby
1
2,7
5,2
9,2
0,5
3,9
3
2,6
7,4
15,1
15,8
0,8
9,3
7,7
FMCG
Health &
Wellness
Einzelhand.
el i.e.S.
Abb. 6: Anteil Online-Handel am Gesamtumsatz einzelner Sortimentsbereiche in
Deutschland (in Prozent) (eigene Darstellung angelehnt an IFH Köln 2013: 11)
Besonders interessant sind in diesem Zusammenhang die Entwicklungen der
Bereiche Fashion & Accessoires sowie Schmuck. Gemeinsam setzen die beiden
Sortimentsbereiche mehr als ein Viertel des gesamten E-Commerce-Umsatzes um,
was auch ein Anzeichen für die Verschärfung des Wettbewerbs in diesem Bereich
ist.
Eine ergänzende Nielsen-Studie zeigt, dass Kleidung, Schuhe, Bücher, Zeitungen,
Reisen, Tickets, Computer und Software die gefragtesten Sortimentsbereiche bei
Internetnutzern sind.
Welche Produkte planen Sie in den nächsten drei bis sechs Monaten
online zu kaufen?
11
11
11
7
10 7
39
29
15
16
28
16
26
17
17
19
24
Kleidung / Schuhe
Bücher / Zeitungen
Reisen
Tickets
Computer / Software
Haushaltsgeräte
Videos / Musik
Kosmetik
Computer / Hardware
Möbel, Dekoartikel
Spielzeug / Blumen
Mobiltelefon
Gesundheitsprodukte
Heimtierbedarf
Auto / Zubehör
Lebensmittel
Reinigungsmittel
Abb. 7: Was Kunden online kaufen wollen (Deutschland, Mehrfachnennungen
möglich, in Prozent) (eigene Darstellung, angelehnt an etailment 2013: 13)
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Abschließend wird deutlich, dass es im Internet durchaus noch einige Nischen mit
Potenzial für die Zukunft gibt, in denen man sich als Händler strategisch gut positionieren kann. Wichtig ist die marktseitige Nachfrage korrekt zu bestimmen, und die
Preissituation sowie den eigenen Standpunkt realistisch zu beurteilen.
Strategische Positionierung und Sortiment
Die richtige Positionierung im Markt,
sowie eine passende Sortimentsausrichtung entscheiden über Erfolg
oder Misserfolg.
Damit der Webshop vom Markt wahrgenommen wird, ist es notwendig, eine Positionierungsstrategie zu wählen. Die Positionierung ist eine
Grundsatzentscheidung und dient in der Regel zur Differenzierung vom Wettbewerb
(Ausnahme: Nachahmer). Das Ziel der Positionierung ist es, einen strategischen
Wettbewerbsvorteil gegenüber dem Wettbewerb zu verwirklichen, sodass hieraus ein Alleinstellungsmerkmal (Unique Selling Proposition) entsteht. Dafür muss
zwischen vier Positionierungsstrategien entschieden werden. Ob Qualitätsführer,
Nachahmer, Kostenführer oder Nischenfokus muss unternehmens- und situationsabhängig entschieden werden (vgl. Abb. 8).
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Wettbewerbsstrategien
Markt
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(A
Abb. 8: Erweiterte Wettbewerbsstrategien orientiert an Porter
(eigene Darstellung und Erweiterung, angelehnt an Pfaff 2004: 151)
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Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Neben der grundsätzlichen Positionierung der Unternehmung im Wettbewerb
muss entschieden werden, wie das Produktportfolio ausgerichtet werden soll.
Es gilt zwischen einem diversifizierten oder spezialisierten Portfolio zu entscheiden. Diese Entscheidung wirkt sich dann auch maßgeblich auf die Gestaltung
und den Aufbau des Webshops aus. Ein sehr stark diversifiziertes und breites
Produktportfolio, wenig Varianten aber viele Warengruppen, findet sich beispielsweise auf Marktplätzen, wie Amazon oder eBay. Das Problem dabei ist, dass dem
Konsumenten keine gute Orientierung und wertvolle Beratung über die vielen verschiedenen Sortimentsbereiche geboten werden kann. Dem gegenüber steht die
Spezialisierungsstrategie, die sich in einem fokussierten Produktspektrum und
einer hohen Sortimentstiefe äußert. Diese Ausrichtung des Sortiments wird meist
in Kombination mit einer Nischenstrategie erfolgversprechend umgesetzt. Das
Aufgabenfeld von Webshops mit spezialisierten tieferen Sortimenten deckt zwar
nur einen kleinen Bereich (die Nische) ab, bedient diese aber effizienter als dies
andere Wettbewerber könnten. Im Idealfall lässt sich eine Monopolstellung entwickeln und anschließend weiter ausbauen.
Entwicklung des stationären Handels
Wie wichtig das Thema online für den stationären Handel ist und wird, zeigt eine
Studie von de facto Research, wonach der Kaufprozess von onlineaffinen Menschen
analysiert wurde. Hiernach informieren sich 30 % der potenziellen Käufer primär online am Computer und 26 % im Kaufhaus. Die Entscheidung, dass ein Kaufprozess
stattfinden wird, fällt bei 24 % der Kunden stationär in der Filiale, jedoch wird der
Kauf letztendlich immer mehr im Internet durchgeführt. Dieses Ergebnis zeigt, dass
das Cross-Channel-Marketing immer bedeutsamer wird. Wichtig dabei ist, dass
man nicht die Augen gegenüber dem Medium online verschließt, sondern sich dort
bewegt, wo der Konsument bevorzugt unterwegs ist (Thommes 2013: 30).
Der Multichannelvertrieb ist von
entscheidender
Bedeutung und
ermöglicht dem
stationären Handel
die Nutzung von
Synergien.
Das Problem des Internets in Zusammenhang mit dem stationären Handel sind
negative Preisspiralen. Viele stationäre Unternehmen nutzen mangelnde regionale Preistransparenz aus, was im Multichannel nicht funktionieren kann. Das
Strategieberatungsunternehmen OC&C sieht das Problem vor allem im Bereich der
Branche Elektronik. Elektronikhändler sind in der Regel regionale Preissetzer. Doch
wie kann der Spagat zwischen stationär und online, bzw. die Abwärtsspirale der
Preise im Internet gestoppt werden, um dem Billig-Trend entgegenzuwirken? Hierbei
ist primär entscheidend, in welcher Branche man sich befindet. Im Regelfall wird
zwischen drei großen Branchen im E-Commerce unterschieden. Zum einen gibt es
preisunproblematische Branchen wie Bücher, die der Preisbindung gesetzlich unterworfen sind. Die zweite Branche ist die Fashionbranche. Hier ist der Preiskampf
im Regelfall auch nicht gegeben, da dieser Markt oft marken- und herstellerdominiert ist, was für Preisstabilität sorgt. Anders ist es im dritten Bereich, nämlich der
Elektronik. Hier gibt es sehr viele Substitute und die Produkte sind einfach miteinander zu vergleichen. Eine Lösung, sich dem zu entziehen, ist der Vergleichbarkeit
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aus dem Weg zu gehen. Möglich wird dies, indem man Eigenmarken etabliert
oder einfache Produkte zu konfigurierbaren individuellen Produkten umwandelt. Derartige Ansätze finden sich immer mehr im E-Commerce. Der FashionVersandhändler Zalando versucht unter einer eigenen Marke namens „Kiomi“ seine
Margen- und Ertragssituation zu verbessern. Eine andere Möglichkeit, dem aggressiven Preiskampf zu entgehen, ist den Fokus auf Kundenbindung und Mehrwert des
Shops zu legen. Ziel muss es sein, Anbieter des Vertrauens zu werden. Der Fokus
liegt dann nicht mehr auf dem Preis, sondern auf dem Service und der Identifikation
des Kunden mit dem Produkt, der Marke oder dem Shop.
Strategien gegen den Preisverfall
Dem Preisverfall
kann durch mehrere
Strategien ausgewichen werden.
Derzeit gibt es im Online-Bereich vier verschiedene Ansätze, dem Preisverfall zu
entgehen. Erstens bietet die Entkoppelung von stationär zu online einen ersten
Ansatz. Die zweite Möglichkeit ist, dass auf eine High-Low-Preisstrategie gesetzt
wird. Dies bedeutet nichts anderes, als dass mit Toppreisen geworben wird, welche nur eine geringe bis keine Marge aufweisen. Hierdurch werden Konsumenten
auf das Unternehmen aufmerksam gemacht. Durch Crossselling sollen dann weitere margenstärkere Produkte (beispielsweise Zubehör) veräußert werden. Der
Strategie liegt eine Mischkalkulation zu Grunde, die mit Zusatzkäufen ergänzend
zum Kauf des Billigprodukts eine akzeptable Durchschnittsmarge zum Ziel hat.
Eine dritte Möglichkeit ist, das klassische Handelsgeschäftsmodell durch ein breites Servicespektrum zu erweitern. Diese Serviceleistungen müssen dann mögliche
Umsatzverluste bzw. Margenlöcher des Handelsgeschäfts kompensieren. Eine vierte denkbare Strategie ist die Etablierung von Eigenmarken. Hierdurch ist es möglich, die eigenen Produkte dem aggressiven Preiskampf im Internet komplett zu
entziehen (vgl. Goetz 2013: 28 f.).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Kunde unter bestimmten Umständen
bereit ist, höhere Preise zu bezahlen, jedoch muss dies klar und deutlich kommuniziert und die Vorteile einer Akzeptanz höherer Preise deutlich in den Vordergrund
gerückt werden. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Umsetzen erhöhter Preise kann
mit dem Zusatzservice einer schnellen Lieferung erfolgen. Positives Beispiel dafür
ist Amazon mit seinem Prime Sortiment. Hier sind die Preise in der Regel bis zu
20 % höher, dafür wird die Lieferung oftmals innerhalb 24 h garantiert. Eine weitere Möglichkeit ist, dass das eigene Sortiment so angepasst wird, dass keine ähnlichen Sortimentszusammenstellungen oder Produkte im Internet zu finden sind.
Ziel ist es, durch Spezialisierung Beratungskompetenz zu vermitteln und dadurch
einen Mehrwert zu suggerieren, der einen erhöhten Preis rechtfertigt.
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Potenziale des E-Commerce für den Einzelhandel
Fazit
Der E-Commerce ist ein noch sehr junger Absatzkanal, welcher dem stationären
Handel die Möglichkeit offeriert das eigene Geschäftsfeld zu erweitern und ungenutzte Umsatzpotenziale zu erschließen. Durch die Identifikation des passenden
Produktportfolios in Kombination mit der richtigen Positionierung und eines angemessenen Spezialisierungsgrads kann relativ schnell am Branchenwachstum
partizipiert werden. Entscheidend ist, sich mit diesem technologielastigen Thema
auseinanderzusetzen und das eigene Vertriebskonzept zu diversifizieren.
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