Eratosthenes von Cyrene

Transcrição

Eratosthenes von Cyrene
Eratosthenes von Kyrene
276 – 194
Der langjährige Leiter der Bibliothek von Alexandria bestimmte
mit wissenschaftlichen Methoden den Umfang der Erde.
Von Eratosthenes gibt es kein zeitgenössisches Bild. In der Montage wurde eine weitverbreitete Darstellung verwendet, deren eigentlicher Urheber unklar ist.
Das Bild der Welt, das sich dem Auge des naiven Betrachters bietet, ist eine mehr oder minder flache kreisrunde Scheibe, über der
sich wie eine große Glocke der Himmel wölbt. Flammarion hat im
19.Jahrhundet in einem populärwissenschaftlichen Buch das Bild
einer solchen Weltsicht gezeigt (links). Im alten Ägypten repräsentierten Gottheiten die Elemente dieser Welt. Die sternbesäte Himmelsgöttin Nut überspannte die Erde, gehalten von er Gottheit der
Luft (rechts).
Wie groß war diese Welt? Der Herrscher eines Großreiches
musste eine Vorstellung haben: Persien ersteckte sich über fast
5000 km von Ost nach West. Aber nirgendwo gab es ein wirkliches
Ende, höchstens das Ufer eines Ozeans. Die Griechen glaubten,
die Landmasse sei kreisförmig und von einem Ozean umflossen,
von dem das Mittelmeer abzweigt. Um 500 schätze Hekataeus
den Durchmesser dieser Insel auf 8000 km. Aber eine flache Erde
ließ Fragen offen. Seefahrer wussten, dass auf dem Weg von Nord
nach Süd manche Sternbilder verschwanden, andere sichtbar
wurden. Die Erdoberfläche musste gekrümmt sein. Anaximander
von Milet (611-546) schlug eine Zylinderform für die Erde vor. Aber
jeder Seemann, jeder Küstenbewohner wusste, dass Schiffe zuerst mit dem Rumpf, dann mit den Masten unter die Kimm sinken,
egal in welche Himmelsrichtung man gerade blickt. Die Erde
musste kugelförmig sein. Philolaus von Tarent (480 - ?) schlug es
zuerst vor, Aristoteles von Stagira (384 – 322) arbeitete das Konzept in seinen Konsequenzen aus. Er entwarf das Bild einer Welt
mit der Erde im Mittelpunkt, darum herum Schalen mit dem Mond,
der Sonne, den Planeten, und ganz außen den Fixsterne. Von Ptolemaeus verfeinert (Epizyklenmodell) hielt sich das Konzept bis in
das Mittelalter, obwohl Philolaus von Croton, Heracleides von
Pontus und schließlich Aristarchus von Samos das richtige Bild
mit der Sonne im Mittelpunkt entwickelten; nur der Mond umkreist
die Erde.
Aber wie groß war die Erdkugel? Diese Frage beantwortete mit
wissenschaftlicher Methodik Eratosthenes. Er wurde zwischen
276 und 273 in Kyrene im heutigen Libyen geboren, studierte zunächst dort und danach in Athen. Zu seinen Lehrern gehörten
Kallimachos und Lysanias von Kyrene, Arkesilanos von Pitone
und Aristan von Chios. Mit Archimedes (287 - 212) war er befreundet. Er unternahm zahlreich Studienreisen, bis er um 246, also
noch erstaunlich jung, von Ptolemaios III nach Alexandria an den
Königshof berufen und mit der Leitung der Bibliothek beauftragt
wurde, auch wurde er Erzieher des Prinzen, des späteren Ptolemaios IV Philopator. Wahrscheinlich blieb er nach dessen
Thronbesteigung 222 sein Berater (Ptolemaios IV Philopator
machte ihm freilich wenig Ehre).
Ptolemaios I
II
III
IV Philopator
Nach Alexanders des Großen frühem Tod hatte Ptolemaios I die
Herrschaft über das reiche Ägypten übernommen. Seine Hauptstadt Alexandria, eine der vielen Neugründungen Alexanders,
wollte er zu glanzvollem Mittelpunkt aufbauen. Als Zentrum für
Wissenschaft und Forschung
gründete er im griechischen
Palastviertel das den Musen
geweihte Museion, dem ein
Priester vorstand. Dazu gehörte eine große Bibliothek,
mit einer Zweigstelle, dem Serapeion, im ägyptischen Teil
der Stadt (nur vom Serapeion
sind Reste erhalten).
Seine Nachfolger ergänzten
die Sammlung von Schriftrollen durch Zukäufe und Abschriften, so dass schließlich ein ungeheurer Bestand von 400 000 bis 500 000 Schriftrollen aus Papyrus
erreicht wurde. Dieser Bestand wurde systematisch katalogisiert
und verwaltet, er bot jedem wissenschaftlich arbeitenden optimale
Voraussetzungen.
Eratosthenes arbeitete auf vielen Gebieten, aber nur ganz wenig
ist erhalten geblieben. So kennt man auch seine Schrift „Die
Vermessung der Erde“ nur aus Sekundärquellen. Eratosthenes
erfuhr (oder hatte er es selbst beobachtet?), dass es in Syene
(dem heutigen Assuan) einen tiefen Brunnen gab, in
dem sich an einem einzigen
Tag im Jahr, dem Tag der
Mittsonnenwende,
die
Sonne spiegelte – also
senkrecht über der Erdoberfläche stand. In Alexandria
warf an diesem Tag ein lotrechter Stab aber durchaus
einen Schatten. Eratosthenes ermittelte den Winkel
der Sonnenstrahlen zum Lot
zu 1/50 eines Gesamtkreises, das ist α = 7,2°. (Ob er zu dieser
Messung ein spezielles Gerät benutzte, ein Gnomon, ist unklar).
Unter der Annahme, dass die Sonnenstrahlen parallel einfallen
(weil die Sonne sehr weit weg ist), ergab sich das oben stehende
Bild:
α tritt als Wechselwinkel an Parallelen auch im Erdmittelpunkt auf.
Daher gilt: Der Erdumfang (Gesamtkreis) ist 50 mal größer als die
Entfernung von Alexandria nach Syene (Kreisbogen). Wenn man
die Entfernung Alexandria - Syene kennt, ergibt sich der Erdumfang aus einer einfachen Multiplikation. Erathostenes hat die Entfernung wohl durch königliche Schrittzähler ausmessen lassen.
Aber seine Angabe „5000 Stadien“ ist offensichtlich eine Rundung
– sehr vernünftig, denn so eine Vermessung kann nur ungenau
sein – man denke an die vielen Krümmungen des Nils! Also: Der
Erdumfang war 50 x 5000 = 250 000 Stadien.
Wie viele km sind das? Es gab verschiedene „Stadien“. Nimmt
man nach einem Hinweis von Plinius die „Ägyptische Stadie“
(157,5m), ergibt sich ein Erdumfang von 39 700 km, nur 1% weniger als die tatsächlichen 40 075 km (am Äquator)! Bei anderen
Annahmen ergeben sich Fehler bis 7%, aber das kann nicht beunruhigen. Nach einer modernen Fehleranalyse könnte die Abweichung durchaus 12% betragen. Der größte systematische Fehler
entsteht dadurch, dass Alexandria und Syene nicht auf der gleichen Mittagslinie (Längengrad) liegen, wie es Eratosthenes angenommen hatte.
Zwei weitere Arbeiten im Bereich der Astronomie sind von
Eratosthenes überliefert: Er verbesserte mit einer unbekannten
Methode den Wert für die Neigung der Erdachse („Schiefe der Ekliptik“) und gab einen Sternenkatalog mit Helligkeitsangabe für die
Sterne heraus.
Sein – nicht erhaltenes – Buch „Geographika“ galt während der
Antike als Standardwerk auf diesem Gebiet, er begründete damit
die wissenschaftliche Geographie. Er schloss sich der vorherrschenden Meinung an, die bewohnte Erde sei eine Insel in einem
riesigen Ozean, so dass man theoretisch von der Iberischen Halb-
insel über den Atlantik nach Indien kommen könne (!). Auf der Basis, aber unter kritische Würdigung des ihm in der Bibliothek verfügbaren umfangreichen Materials konstruierte er eine Erdkarte.
Er versah sie mit einem Koordinatensystem aus Meridianen und
Parallelkreisen. Die Karte ist nicht erhalten, nach einer Rekonstruktion muss sie etwa so ausgesehen haben:
Eratosthenes arbeitete auf so zahlreichen Gebieten, dass man ihn
deshalb auch „Pentathlos“ – Fünfkämpfer nannte – mit leisem
Spott, denn ein Fünfkämpfer ist gewöhnlich auf keinem seiner Gebiete die absolute Spitze. Er verfasste geschichtliche Werke, veröffentlichte Gedichte, schrieb über philosophische und metaphysische Fragen, leistete Bedeutendes in der Musiktheorie, seine philologischen Arbeiten fanden starke Beachtung.
Viel beschäftigte er sich mit mathematischen Problemen. Er gab
dem „Sieb des Eratosthenes“ den Namen, war freilich nicht sein
Erfinder. Das „Sieb“ dient dem schnellen Auffinden von Primzahlen in einem gegebenen Bereich.
Über das Ende des Eratosthenes wird widersprüchlich berichtet.
Nach einer Darstellung soll er schlicht an Altersschwäche gestorben sein. Nach einer anderen Quelle konnte wegen Erblindung
seine Aufgabe als Leiter der Bibliothek nicht mehr fortsetzen und
beendigte selber sein Leben, indem er Nahrungsaufnahme verweigerte. Ein solcher Freitod galt damals als eines Philosophen
würdig.
Ergänzung – nur für solche Leser die ein besonderes
Interesse an antiker Astronomie haben:
Nachdem erst einmal die Größe der Erde bestimmt war, konnten
antike Naturphilosophen weitere wichtige astronomische Daten ermitteln. Die relative Größe des Mondes kann ermittelt werden,
wenn man bei einer Mondfinsternis die Passage des Mondes
durch den Erdschatten beobachtet. Man vergleicht die Zeit, die
vom ersten Eintreten des Mondes in den Erdschatten bis zu seiner
völligen Bedeckung vergeht (50 Minuten) mit der Zeit bis die Front
des Mondes wieder auftaucht (rund 200 Minuten); der Durchmesser des Mondes ist etwa ¼ des Erddurchmessers.
Hat man die Größe des Mondes, so kann man seine Entfernung
durch Vergleich mit der Größe eines bekannten Objektes in bekannter Entfernung bestimmen – zum Beispiel mit einem Fingernagel am ausgestreckten Arm!
Aristarchus gab ein wissenschaftlich einwandfreies Verfahren zur
Bestimmung der Entfernung der Sonne an unter Nutzung der Entfernung des Mondes. Das Verfahren erfordert aber eine sehr genaue Messung des Winkels zwischen der Blicklinie zum exakten
Halbmond und dem Blickwinkel zur Sonne. Diese Messung war in
der Antike nicht möglich, die riesige Entfernung zur Sonne wurde
kräftig unterschätzt, und damit dann auch die Größe der Sonne.
Materialquellen
Montage
Porträt
landsurveyorsunited; AndereggWeb; Wikipedia englisch
Weltkarte
Scilogs International
Erdumfang
Eigene Zeichnung
„Sieb des E.“
en.wikipedie.org
Bilder im Text
Flache Welt
Camille Flammarion, L'Atmosphère. Météorologie populaire
Nut
gw-fanworld.net
Münzen
Wikipedia; www.romancoins-info
Bibliothek
Wikipedia
Zeichnung
Eigene Arbeit
Weltkarte
www.heliheyn.de
Text
de.wikipedia : Eratosthenes – Bibliothek von Alexandrie
www.traum-engel.de: Eratosthenes von Kyrene
www.arndt-bruenner.de : Eratosthenes von Kyrene
dataunddat.de/era/ Eratosthenes – Wie Eratosthenes die Erde vermessen hat.
Isaac Asimov: „The Universe –From Flat Earth to Quasar“ Penguin Books 1966