carrier strike fighter

Transcrição

carrier strike fighter
EINFLUSS MARITIMEN POTENZIALS AUF
DIE POLITIK DER GROSSMÄCHTE
IST SEEMACHT UNERSETZLICH?
Nikolaus Scholik
πάντα ῥεῖ (panta rhei, alles fließt) – dieser griechisch-philosophische Aphorismus
(Heraklit/Platon) ist ein durchaus treffender Einstieg in ein höchst interessantes,
hochaktuelles Thema: die Einordnung von
Seemacht/maritimem Potenzial in die Frage der Politik/Gesamtstrategie von Großmächten. Alles fließt – politische Gegebenheiten auf der Weltbühne, Systeme und
Allianzen, nichtstaatliche Organisationen,
die neuen Formen des Terrorismus und der
Kriegsführung und vor allem der rasante,
alles Technische beeinflussende technologische Fortschritt: alles ist in permanenter
Bewegung. Aber gilt es nicht doch, einige konstante Faktoren, die das Verhalten
von Staaten in ihrem Streben nach Sicherheit oder Dominanz, Internationalität oder
Machterweiterung bestimmen, gewissermaßen als „Konstante“ zu bewerten und
zur Kenntnis zu nehmen?
Zunächst der Versuch einer Definition von „Großmacht“: So werden im politikwissenschaftlichen Sinn Staaten oder
Mächte bezeichnet, die geopolitischen
Einfluss haben. Darunter kann man die
aktive Möglichkeit verstehen, politisch,
wirtschaftlich, kulturell und militärisch
Einfluss weltweit dort auszuüben, wo es die
eigenen Interessen verlangen. Der Begriff
„Geopolitik“ wiederum bezeichnet die politikwissenschaftliche Definition geografischer Gegebenheiten mit dem für unsere
Untersuchung wichtigen Sub-Begriff „Geostrategie“.
Im Wesentlichen geht es also um die Fähigkeiten von großen Mächten, auf der globalen Bühne im Sinne ihrer geografischen
Lage Einfluss und Machtpolitik im eigenen Interesse zu betreiben. Unsere Kernfrage dabei ist: setzt dies maritimes Machtpotenzial (operativ also militärisches,
Flottenkapazität[en]) voraus? Der Einfachheit halber wollen wir die heute als solche gesehenen Großmächte in drei Gruppen einteilen: die klassischen Großmächte
(aus der vorangegangenen Zeit des Kalten
Krieges) Vereinigte Staaten von Amerika
und Russland, die mittleren Großmächte mit maritimem Bezug Vereinigtes Königreich, Frankreich (Europäische Union?)
und Japan sowie die aufsteigende Großmacht China. Der zu beurteilende Raum ist
das Weltmeer, im üblichen Sprachgebrauch
die Ozeane, von denen für unsere Betrachtungen der Atlantische, der Indische und
der Pazifische Schwerpunkte darstellen,
das Mittelmeer als „Nebenschauplatz“ als
wichtiger Raum für die Betrachtungen
bezüglich Europa eingeschlossen werden
muss. Nicht nur die Ozeane per se, ihre
Größe oder Lage, sondern auch ihre Verbindungen (natürliche Verbindungen, Kap,
10-2011: Auflösung/
Zuteilung mehrheitlichst
PACOM!
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Legende
Natürliche
Passage
Kap
Kanal
Seeenge
US-Flotte
US-CSG
Die Ozeane – US-Navy Präsenz (Grafiken: Autor)
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Passagen, Kanäle und See-Engen), sind von
Bedeutung. Eine kurze Betrachtung historisch relevanter Beispiele von Großmächten und ihrer Seemacht(Politik) darf nicht fehlen. Seit
der Nordafrikanische Küste, über die Beherrschung des Mittelmeeres und die Eroberung Wiens als Landpforte nach Westen zu realisierten, scheitern an den Toren
Wiens (1529) und wegen der schweren Nie-
CVN 79 FORD-Klasse J.F.KENNEDY (Grafik: USN)
CVN-78 GERALD FORD
im Bau
Indienststellung: 2015
CVN-79 J.F. KENNEDY
im Bau
Indienststellung: 2020
CVN-80 ENTERPRISE
geplant für
Indienststellung: 2027
dem ersten Jahrtausend A.D. hat Seemacht
in allen großen Auseinandersetzungen eine mitentscheidende Rolle gespielt, wiewohl bis heute die Ultima Ratio militärischer Machtpolitik und Entscheidungen
auf Land liegen – eine Marine alleine kann
kein Land erobern oder verteidigen.
Bei der Seeschlacht von Salamis
(480 A.D.) musste Xerxes das bis dahin
wohl bedeutendste und größte Feldheer
der Geschichte nach dem Verlust der Seeschlacht gegen Athen/die Griechen unverrichteter Dinge zurückziehen; die Stärke
auf Land konnte die Schwäche auf See und
die damit unlösbaren logistischen Probleme nicht aufwiegen. Der Kampf Roms
gegen Karthago um die globale Vorherrschaft (damals vorrangig der Mittelmeerraum) endet 260 A.D. bei Mylae mit einem
überzeugenden Sieg der Landmacht Rom
gegen die Seemacht Karthago. Selbstüberschätzung und technische Unterlegenheit
(Karthago) führen zum Brechen der Seemacht durch Innovation und taktisches
Geschick und damit zum ungefährdeten
Aufstieg Roms zur primären Großmacht
für viele Jahrhunderte. Die Träume des Osmanischen Reiches, im 16. Jahrhundert den
Durchbruch bei der Ausweitung nach Westen durch eine große Umklammerung von
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derlage bei der Seeschlacht von Lepanto
(03.10.1571). Die vereinigte venezianischimperiale Flotte unter Don Juan d’Austria
vernichtet den osmanischen Gegner und
bricht damit nachhaltig die Umklammerung des christlichen Abendlandes – die
osmanischen Bestrebungen bleiben fortan
auf den Weg über den Balkan beschränkt
und müssen nach der Zweiten Belagerung
Wiens (1683) aufgegeben werden. Der große Stratege und Feldherr Napoleon I. hat
bis 1805 alle seine Ziele auf dem Europäischen Festland erreicht und steht vor einer Neuordnung Europas durch und im
Sinne Frankreichs. Mit der Niederlage der
französisch-spanischen Flotte bei Trafalgar (21.10.1805) bleibt England ein Machtfaktor auf dem europäischen Festland und
Napoleon kann langfristig gegen die Koalitionskräfte trotz seines überragenden Geschicks in der Landkriegsführung nicht bestehen. Wieder hat die Stärke auf Land die
Schwäche zur See nicht ausgleichen können. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts sieht
sich die europäisch-asiatische Großmacht
Russland vom Kaiserreich Japan herausgefordert – zunächst in Fragen der Festlandpolitik (Mandschurei, Port Arthur), daraus
resultierend aber auch auf See. Russland
unterschätzt die bislang nicht beurteilba-
ren technischen und militärischen Fähigkeiten Japans in besonders unvorsichtiger
Weise – zu Land und auch zur See. Um
letztlich den Belagerungsring um Port Arthur zu brechen, muss sich Russland aufgrund der Schwäche der Pazifikflotte dazu entscheiden, die Baltische Flotte (!) auf
eine Seereise von ca. 18.000 Seemeilen (ca.
33.350 km) zu schicken, um die japanische
Flotte im Gelben Meer zu schlagen; in der
Korea-Straße wird aber am 27./28.05.1905
die russische Flotte von Admiral Togo vernichtet. Port Arthur und der Krieg gehen
für Russland verloren, eine neue Großmacht – die erste asiatische im 20. Jahrhundert – tritt auf die Weltbühne und Russland
verliert den Status einer großen Seemacht
bis in die heutige Zeit. Diese Beispiele zeigen im historischen Kontext die Bedeutung von Seemacht in verschiedenen Jahrhunderten, geopolitischen Gegebenheiten,
staatlichen Interessen und Zielsetzungen.
Die erwähnten fünf Großmächte und die
Europäische Union (Frankreich und das
Vereinigte Königreich) nehmen – bis auf Japan – eine Sonderstellung auf der globalen
Bühne ein. Bis auf Japan ständige Mitglieder des UN-Sicherheitsrates mit Vetorecht,
wirtschaftlich in Summe mehr als dominant, wissenschaftlich, technisch, innovativ und militärisch führend. Dennoch hat
sich bei der grundlegenden politischen Gegebenheit im internationalen Staatenwesen
nichts Wesentliches geändert: noch immer
ist das Internationale Staatensystem im politikwissenschaftlichen Sinn anarchisch
(keine gemeinsame Führungsstruktur),
nach wie vor verfolgen die Großmachte primär und nachhaltig zunächst ihre eigenen,
nationalen Interessen, und so wie der Völkerbund (1920-1946) steht mit der Nachfolgeaktion, den Vereinten Nationen (ab
26.06.1945), eine ebenso schwache Internationale Globale Organisation, vor allem
im Sicherheitsbereich, „zur Verfügung“.
Die eingangs definierte Großmachtpolitik
bedarf wie seit jeher in der letzten Konsequenz einer militärischen Absicherung.
Deren maritime Komponente wiederum
wird nachhaltig von der geografischen Lage
des Staates (Geopolitik) sowie seinen globalen Interessen bestimmt, ausgedrückt
in der nationalstaatlichen (Geo)Strategie.
Seit der Mitte des 20. Jahrhunderts bis
heute haben sich die Vereinigten Staaten als
dominante Großmacht mit weitreichenden
maritimen Interessen und entsprechendem
Potenzial generiert. Der geografischen Lage nach, mit nur zwei Landnachbarn (China: 14, Russland: 15) und einer hervorragenden Hafenstruktur an den Ozeanen
Atlantik und Pazifik (Seegrenze 19.924 km,
Landgrenze 12.043 km), sind die Vereinigten Staaten mit ihrer Flotte, der USNavy (USN), die unangefochtene maritiMarineForum 1/2-2015
me Großmacht. Maritimes Denken nimmt
daher in den fünf Kernpunkten der USGrand Strategy (nach N. Friedman) eine
Schlüsselrolle ein:
1. Volle Dominanz Nordamerikas durch
die US-Army.
2. Ausschließen jeder möglichen Gefährdung der Vereinigten Staaten durch jedwede Macht der westlichen Hemisphäre.
3. Absolute Kontrolle der maritimen Zugänge zu den Vereinigten Staaten durch
die US-Navy (Invasionsausschluss im
Annäherungsansatz).
4. Völlige Dominanz der Ozeane, um die
physische Sicherheit der Vereinigten
Staaten und die Kontrolle des internationalen Handels zu garantieren.
5. Alle anderen Nationen von der Herausforderung der maritimen Stärke der
US-Navy abhalten.
Dementsprechend ist die USN im Sinne der
aus dieser Strategie resultierenden operativen Erfordernisse aufgestellt. Um die 10
CVN (CVN carrier vessel nuclear, atomgetriebene Flugzeugträger) der NIMITZKlasse werden Flugzeugträgerkampfgruppen (CSG/NGT – carrier strike group/
naval task group), mit den entsprechenden Begleitschiffen vom modernsten Raketenkreuzer, den Ägis-Zerstörern (Ägis
ist ein elektronisches, radargesteuertes
Kampfsystem für Ziele auf See und in der
Luft; es führt den verbundenen Kampf
der CSG/NTG), den Logistikschiffen und
der strategischen und taktisch-operativen
U-Boot-Waffe bis hin zum Marinekorps
(USMC), gebildet. Derzeit stehen für den
aktiven Dienst allerdings nur 8 CVN zur
Verfügung, da CVN-72 A. LINCOLN (bis
Nov. 2016) und CVN-73 G. WASHINGTON (bis ?/2015) für Überholungsarbeiten
in der Werft liegen. Sukzessive werden die
neuen Träger der FORD-Klasse die ältesten
NIMITZ-Träger ersetzen. Diese CSG/NTG
stellen das modernste und schlagkräftigste Marinepotenzial heute und bis in die
realistisch beurteilbare Zukunft, also ca.
2020/2030, dar.
Das operative Ziel ist weltweite und permanente Projektionsfähigkeit. Darunter
versteht man „die Fähigkeit eines Staates,
alle oder einige Elemente seiner nationalen Macht (politische, wirtschaftliche, informationstechnische oder militärische)
über schnelle und effektive Kräfte an weit
entfernten Einsatzorten einsetzen zu können, um auf Krisen zu reagieren, um abzuschrecken und regionale Stabilität durchzusetzen.“ (Department of Defense/DoD
– US-Verteidigungsministerium).
China ist nicht nur wirtschaftlich und
politisch erster Herausforderer amerikanischer globaler Interessen. Gerade das Reich
der Mitte hat ab der Öffnung durch Deng
MarineForum 1/2-2015
Xiaoping (ab 1979) neben seinem stürmischen wirtschaftlichen Aufstieg entsprechende Mittel in sein zunächst inferiores
militärisches Potenzial investiert; gerade
die maritime Stärke der Vereinigten Staaten und die Ihrer Navy im Pazifik und im
Indischen Ozean werden von China als Bedrohung seiner Interessen und Sicherheit
(Seewege, Öltransporte, Handelsschifffahrt) betrachtet. Aber China ist sich der
Problematik des Auf baus einer starken
Flotte durchaus bewusst und muss daher
auf Zeit spielen … dementsprechend kann
die maritime Strategie Chinas wie folgt zusammengefasst werden:
XXZeitgewinn (Aufbau eigenen Potenzials),
XXAbschreckung (strategisch und durch
operative Konzepte, die dem „Machbaren“ angepasst werden müssen),
XXKonsequenter Auf- und Ausbau von
Projektionsfähigkeit (im Sinne der obigen DoD-Definition),
XXAusbau litoraler Fähigkeiten und landgestützter Lufthoheit im küstennahen
Bereich,
XXString of pearls … (US-Bezeichnung für
Landstützpunkte an für China wichtigen Seestraßen).
navy“ (Seestreitkräfte, die unabhängig und
effizient auf hoher See operieren können)
unternommen (Admiral Gorschkow, ab
ca. 1960), die jedoch nie zu einer maritimen Kraft, vergleichbar der der Vereinigten Staaten, geführt haben. In einzelnen
Teilbereichen (strategische und Jagd-UBoote) stark, kann die russische Marine
keine Projektionsfähigkeit entwickeln und
muss daher bei ihren strategischen Zielen
diesem Umstand Rechnung tragen – alle
primär oder nur auf dem Seeweg erreichbaren Krisen- und Operationsräume stellen daher für Russland ein kaum lösbares
Problem dar.
Japan hat – durch seine spezifische geografische und sicherheitspolitische Lage
mit China und Nordkorea an der Gegenküste – keine offiziellen Streitkräfte; nur
mit sogenannten „Selbstverteidigungskräften“ versehen (nach §9 der Japanischen
Verfassung) und einer tiefen moralischen
Schuldhaftigkeit nach der expansiven Politik von 1905 bis 1945 behaftet, bislang
auf die Allianz mit den Vereinigten Staaten (kein garantierter Sicherheitsvertrag
im Sinne des Beistandsartikels des NATOVertrags!) abstellend. Diese Politik ist jedoch in Bewegung und gerade der derzeiti-
ZUSAMMENFASSUNG MARITIM-STRATEGISCHER
KERNPUNKTE USA-CHINA
2010-2020+
Zeitgewinn – Abschreckung
Aufrüstung - Projektion
Littorale Kapazitäten
Landestützte theatre-Lufthoheit string of pearls
• Begrenzung reg. Konflikte
• Verhindern großer
[Macht]Kriege Abschreckung
• Wenn im Krieg gewinnen …
• Fördern int. Partnerschaften …
• Vermeiden lok. Störungen …
• POSITION:
teilweise reg. Stärke (Küsten)
• PROJEKTION:
keine Fähigkeit
• POSITION:
absolute maritime Stärke
• PROJEKTION:
weltweit, Parallelfähigkeit
USN
PLAN
JEDERZEIT,
ÜBERALL
AKTIVE
VERTEIDIGUNG
Maritim-strategische Kernpunkte USA-China
Im Gegensatz zu der USN sind die derzeitigen chinesischen operativen Kräfte als
in jeder Hinsicht bescheiden, deshalb aber
als für die USN nicht ungefährlich, einzustufen.
Die Flottenkapazitäten der anderen
Großmächte können – kurzgefasst – wie
folgt analysiert werden. Russland hat in der
Zeit des Kalten Krieges wohl enorme Anstrengungen hinsichtlich einer „blue water
ge Inselstreit mit China im Ostchinesischen
Meer führt zu Überlegungen in Japan, zukünftig militärisch mehr und unabhängig
von den Vereinigten Staaten für die eigene Sicherheit zu sorgen. Bei den Marinekräften ist jedenfalls eine fast ideale „Ergänzung“ von CSG/NTG der USN durch
modernste und zahlenmäßig starke ÄgisZerstörer sowie exzellente Fliegerkräfte
festzustellen.
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Eine Europäische Flottenkapazität in diesem Sinn besteht auch heute, trotz zahlreicher Bekenntnisse zu Zusammenschluss
und Nutzung nationaler Kapazitäten für
die Gemeinschaft (GASP, ESVP, EU-Militärstäbe etc.) nicht und kann auch in naher und mittlerer Zukunft nicht erwartet
werden. Alle bilateralen Bemühungen zwischen Frankreich und England, zumindest
ke/Mittelmeerraum (afrikanische Gegenküste) notfalls militärisch/maritim reagieren kann …
Nun muss noch dargestellt werden, wie
die entsprechenden Strategien durch militärisches Potenzial und operative Konzepte umgesetzt werden. Es soll dies wiederum für die beiden Großmächte Vereinigte
Staaten und China, deren maritime Inte-
ZUSAMMENFASSUNG OPERATIVER
KERNPUNKTE USA-CHINA
2010-2020+
• NOC10 + JOAC
• joint ist der Schlüssel …
• Ziel: absoluter Zugang
Vom operativen zum
ABSOLUTEN ZUGANG
NOC
JOAC
joint
POWERPROJECTION
gegen
A2-A/D
theatre – Abschreckung
ASBM gegen CVN/NTG
Inselketten …
AD vor A2
CVN/NGT fernhalten
bzw – Stärke!
USN
PLAN
VORWÄRTSPRÄSENZ
LUFT-SEE KONZEPT
AKTIVE
VERTEIDIGUNG
Naval Opera,onal Concept
Joint Opera,onal Access Concept
Integration verschiedener (Teil)Streitkräfte
theatre
ASBM
CVN
NGT
Operationsraum (großer!)
Anti Ship Ballistic Missile/Anti-Schiff-Rakete
Carrier Vessel Nuclear/Flugzeugträger
Naval Task Group/Flugzeugträger Verband
Operative Kernpunkte
bei der Projektionsfähigkeit gemeinsame
Kräfte aufzustellen bzw. auszurüsten, sind
kläglich an nationalen Interessen gescheitert. Man baut/stellt keinen europäischen
Flugzeugträger/Verband auf, und die nationalen Budgets und Organisationen sind
von einer effizienten und wirkungsvollen
Zusammenarbeit noch immer viel zu weit
entfernt. Die nationalen maritimen Kräfte Frankreichs und Englands reichen aber
keinesfalls aus, um auch nur ansatzweise
Großmacht-Politik betreiben und maritim
absichern zu können – nicht im Rahmen
der Union und auch nicht, um nationalen
Interessen entsprechend Gewicht zu verleihen. Die Erwähnung Frankreichs und Englands oder gar der Europäischen Union als
Großmacht im Sinne der DoD-Definition
ist daher eher ein Akt nostalgischer Höflichkeit als realistische Beurteilung. Nicht
nur, dass keine Großmachtpolitik gemacht
werden kann – es fehlt vor allem am Willen
der Nationen und ihrer politischen Führungskräfte. Es bleibt nur zu beobachten
und abzuwarten, wie das Friedensprojekt
Europäische Union (im Inneren absolut zu
unterstützen) auf außenpolitische Krisen
wie der an der Ostflanke (Ukraine), der
in Nah-Mittelost und der an der Südflan-
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ressen im Indo-Pazifischen Raum aufeinanderprallen, dargestellt werden. Naturgemäß muss China, aufgrund seiner starken
Unterlegenheit beim Potenzial, taktischoperativen Konzepten folgen, die mit den
derzeitigen Möglichkeiten die amerikanische Stärke wenigstens zu vermindern
versuchen. Es gilt also, der Projektionsfähigkeit der USN ein System entgegenzusetzen, das deren Präsenz nach Möglichkeit
abschreckt oder deren Stärke vermindert.
Das gewählte System anti access/area denial (A2/AD, Zugangsverhinderung im Küstenbereich und vorgelagerte Behinderung
des Zugangs zu operativ wichtigen Räumen) wird von der USN durchaus ernst genommen – kommen doch (fast) alle diesbezüglichen Untersuchungen, Literatur und
Diskurse aus den Vereinigten Staaten. Das
System besteht im Wesentlichen aus starken land- oder stützpunktbasierten Luftund maritimen Küstenstreitkräften sowie
ballistischen Anti-Schiffraketen (ASBM)
als Hauptbedrohung der CSG/NTG der
USN. Damit nun die USN, wiederum unter Beachtung der Aufrechterhaltung von
Projektionsfähigkeit (überall/jederzeit), ihr
operatives Ziel durchsetzen kann, wurde
als Antwort das Air/Sea-Battle Konzept
entwickelt. Die CSG/NTG mit dem Flugzeugträger als Hauptelement von Projektionskapazität muss den Zugang bis hin zum
nahen Küstenbereich deshalb haben (im
Frieden 12 Seemeilen), weil ihre Trägerflugzeuge durch den Einsatz- und Kampfradius von derzeit ca. 280 Seemeilen und
in den kommenden Jahrzehnten mit den
neuen Trägern der FORD-Klasse und den
zugehörigen Kampfflugzeugen JFS (Joint
Strike Fighter, F-35C) ca. 580 Seemeilen
nahe an den Küstenbereich herangebracht
werden müssen. Im Air/Sea-Battle Konzept
wird die operative Zusammenführung der
amerikanischen Teilstreitkräfte (Navy, AirForce, sehr bedingt Army) im JOAC (Joint
Operational Access Concept) verstärkt und
als Grundlage einer erfolgreichen Bekämpfung eines A2/AD starken Gegners, hier
potenziell China, aber nicht nur, man denke nur an die Position des Iran in Bezug auf
die See-Enge Hormus, gesehen.
Nach wie vor muss sich jede Grand Strategy einer Großmacht auf das Instrumentarium sicherheitspolitischer Mittel abstützen: Diplomatie, wirtschaftliche Stärke,
Allianzen, internationale Organisationen
und schlussendlich militärische Fähigkeiten. Alle diese Faktoren beeinflussen die
Position, den Stellenwert und das Gewicht
eines Staates auf der internationalen Bühne. Maritime Macht und Stärke darf nicht
über-, schon gar nicht aber unterbewertet
werden. Zu zahlreich sind die Beispiele aus
der Geschichte, die klar zeigen, dass gerade
im militärischen Bereich Unterlassungen,
Mangel an Fähigkeiten und Mittel katastrophale Folgen haben können. Und im
Gegensatz zu anderen Bereichen, wo Kurskorrekturen und Ausweichmanöver relativ
einfach zu bewerkstelligen sind, man denke
nur an Diplomatie oder Allianzen, können
Versäumnisse beim militärischen Potenzial nicht „auf Knopfdruck“ wieder hergestellt werden. Ergänzen muss man diese
Kernaussage noch durch die Feststellung,
dass neben technologischen Fähigkeiten,
modernsten Waffensystemen, Innovation
und Erneuerung von Strategie und Taktik
nie vergessen werden darf, dass in einer
militärischen Auseinandersetzung – oder
der Drohung mit ihr – letztlich die Einstellung, Ausbildung, Fähigkeiten und Motivation des Menschen/Soldaten ein System
erfolgreich oder brüchig machen, wie modern immer es sein mag. Großmachtpolitik
auf der globalen Bühne ist heute und noch
viele Jahrzehnte ohne eine entsprechende
maritime Komponente nicht möglich. L
Dr. Nikolaus Scholik ist Oberst i.R. des österreichischen Bundesheeres und Autor von Publikationen des strategisch-maritimen Bereichs
der Österreichischen Militärischen Zeitschrift
ÖMZ
MarineForum 1/2-2015

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