Addison

Transcrição

Addison
Addison-Krise
wann bin ich gefährdet und
was muss ich tun?
PD Dr. Stefanie Hahner
Medizinische Klinik und Poliklinik I,
Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie
Uniklinik Würzburg
15. Überregionaler Hypophysen- und Nebennieren-Tag, Erlangen 2011
Verlauf des Morbus Addison 1855
19.01.2012
2
Todesursachen bei 71 Frauen und 59 Männern mit
Morbus Addison
Erichsen et al., European Journal of Endocrinology (2009) 160, 233-237
19.01.2012
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Adrenalin
Cortisol
Nebenniere
Cortisolantwort während eines größeren chirurgischen
Eingriffs
Physiologisches Cortisolprofil (n=34)
1400
perioperativ
1000
800
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Uhrzeit
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7:
Co rtiso lko n zen tratio n n mo l/l
1200
Adaptiert nach Plimpton et al Anesthesia 1969 und Darzy and Shalet JCEM 2006
19.01.2012
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NebennierenInsuffizienz
Z. glomerulosa
Mineralokortikoide
(Aldosteron)
Z. fasciculata
Glukokortikoide
(Cortisol)
Z. reticularis
Androgene (DHEA)
Nebennierenmark
Adrenalin
Katecholamine im Urin bei Patienten mit
Nebenniereninsuffizienz – verminderte
Adrenalinproduktion
Sammelurin: Adrenalin µg/d
12
10
8
6
4
2
0
nebennierengesund
Mb Addison
Was ist eigentlich eine Nebennierenkrise?
Es gibt keine offizielle Definition
Verhältnis von Angebot an Nebennierenhormon Bedarf des
Körpers infolge einer „Stress-Situation“ zu niedrig.
Akute Verschlechterung des Allgemeinzustandes bei
chronischer Nebennierenunterfunktion, oftmals Symptome
wie Schwäche, Übelkeit, sehr niedriger Blutdruck,
Unterzuckerung, hohes Kalium im Blut, niedriges Natrium
im Blut. Potentiell lebensbedrohlich.
Symptomhäufigkeit bei NN-Krise
prospektive 2-Jahres-Beobachtung an 455 Patienten
% der Patienten
19.01.2012
9
Häufigkeit von Nebennierenkrisen
Retrospektive Analyse von 444 Patienten mit chronischer NN-Insuffizienz
Primäre NNI
Hahner et al. Eur J Endocrinol 2010
Sekundäre NNI
Auslösefaktoren für eine Nebennierenkrise
n
(mehr als 1 Auslöser in mehreren Fällen)
19.01.2012
11
Sterblichkeit bei 1675 Patienten mit
primärer Nebenniereninsuffizienz in Schweden
Bergthorsdottir et al, 2006, J Clin Endocrin Metab.
Gibt es den
klassischen
Risikokandidaten?
Retrospektive Analyse von 444
Patienten mit chronischer NNInsuffizienz
Nein!
Alle Patienten müssen geschult
werden!!
Tendentiell erhöhtes Risiko:
- Primäre NNI
- Weibliches Geschlecht
- Begleiterkrankungen
- Junges Alter bei Diagnose
Hahner et al.
Eur J Endocrinol 2010
Vermeidung von Krisen
bei Nebenniereninsuffizienz
Dosisanpassung bei Stress, Infektionen etc.
• grundsätzlich: im Zweifel großzügige, kurzfristige
Erhöhung der Tagesdosis
• bei sog. geringer Belastung (z.B. Erkältungskrankheiten
mit Fieber, OP in örtlicher Betäubung): Verdoppelung der
Tagesdosis
• bei mittlerer und starker Belastung (z.B. Unfall,
Operationen, Geburt) und in Situationen m.
Durchfall/Erbrechen: HC i.v. (100-200 mg HC/ 24 h)
Maßnahmen zur Vorbeugung von Krisen
 Notfallausweis
 Schulung von Patient und Angehörigen:
-Symptome einer akuten Nebenniereninsuffizienz
-Dosisanpassung in Stressituationen/Diskussion typischer
Stressitutationen (Fieber, Verletzung, OP)
-Bei Erbrechen und Durchfall ist DRINGEND eine parenterale
(intravenöse, intramuskuläre) Hydrocortisongabe (notfalls auch anderes
Cortisonpräparat) notwendig!!
 Verschreibung einer Hydrocortison-“Notfallausrüstung”
(100 mg Hydrocortison zu Injektionszwecken)
 Schulung in der Hydrocortison-Eigeninjektion
 Frühzeitige aggressive Therapie von Infekten
Patient M.A.G
Bei Fieber IMMER Hydrocortison
erhöhen!
Ausnahmen von dieser Regel gibt
es nicht!
•
•
•
E. H., 47 J, rezidivierende Nebennierenkrisen
Tagesdosis Hydrocortison 40 mg
Carbamazepin bei Epilepsieerkrankung -> Steigerung des
Cortisolabbaus
Serum Cortisol (µg/dl) nach 20 mg HC p.o.
x
x
Begleitmedikation
überprüfen bei
gehäuftem Auftreten von
Nebennierenkrisen
x
x
x
x
x
Patient 66 Jahre
• Erstdiagnose einer primären Nebennierenrindeninsuffizienz
(Morbus Addison) 2005
• Schulung, Substitutionstherapie mit Hydrocortison 15-10-0
mg und Astonin H (Fludrocortison) 0,1 mg/d
• Einschluss in prospektive Beobachtungsstudie
• Patient 05/2009 verstorben
– Telefonat mit Ehefrau: „Weil er so viele Tabletten wegen des
Diabetes neu hinzubekommen hatte, hat er das Hydrocortison
nicht mehr nehmen wollen und vor einigen Tagen abgesetzt.
Danach mehr geschlafen, war aber einigermaßen stabil. Nur
dann kam noch die Erkältung hinzu und er war plötzlich ganz
schlapp und blieb im Bett. Der Hausarzt wurde sofort gerufen,
der hat ihn in die Klinik eingewiesen. Als er dort ankam ist er
ins Koma gefallen und eine Stunde später war er tot.“
Patient 17 J
Freitagabend Medizinische Intensivstation, März 2007
• Durch Notarzt gebracht mit unklarer Bewusstseinseintrübung
• Am Nachmittag des Aufnahmetages zunehmende
Schwäche, Übelkeit, Bewusstseinseintrübung -> Mutter ruft
Notarzt
• In Vorgeschichte angeborene Schädigung der
Hypothalamus-Hypophysenfunktion mit Unterfunktion der
Schilddrüse, der Hoden und der Nebennieren, Adipositas
Grad III (BMI 56)
• Durch Notarzt im Rettungswagen bereits 250 mg Solu
Decortin H (Prednisolon, Cortisonpräparat) verabreicht
• Bei Aufnahme Patient nicht ansprechbar, muss sofort
intubiert und künstlich beatmet werden
• Labor: Kalium 7,8 mmol/l, Hb 21 mg/dl, pH 7,0
• RR nicht messbar, Puls schwach tastbar
• Patient wird während Anlage der Zugänge
reanimationspflichtig und verstirbt
Mutter:
„Er wirkte in letzter Zeit deprimiert und hat seine
Medikamente nicht mehr regelmäßig eingenommen, und
dann kam noch der Infekt hinzu.“
Patient männlich 40 J
Polyglanduläres Autoimmunsyndrom Typ 2
- Mb Addison
- vorbekannte Hashimotothyreoiditis
Seit mehreren Jahren in endokrinologischer Behandlung:
-mehrfache Schulung, Notfallausweis vorhanden, Hydrocortison-Notfallkit
erhalten
-Teilnahme an Studien zur Nebenniereninsuffizienz
Eines Tages Aufnahme auf unsere medizinische Intensivstation, > eine Stunde
Reanimation
Patient (und restliche Familie) hatte Norovirusinfekt. Pat. Hatte mehr
Hydrocortison-Tabletten genommen, aber keine parenterale (intramuskuläre oder
intravenöse) Gabe von Hydrocortison (Wochenende, Patient wollte keinen
Notarzt unnötig rufen)
Verstorben zwei Tage nach stationärer Aufnahme
Hydrocortison wird of viel zu spät durch medizinisches
Personal verabreicht
(Doktorarbeit C. Spinnler)
•
Donnerstags abends fühlte sich der Patient auf Grund von Schüttelfrost
schlapp, müde und fror. Freitags nachmittags fing er an zu erbrechen. Am
Freitag, den 22.2 rief er abends wegen seines akut verschlechterten
Zustandes die Sanitäter. Diese nahmen ihn jedoch nicht mit ins
Krankenhaus, da sie nur eine harmlose Grippe vermuteten…
•
Die Patientin fühlte sich nicht gut und fuhr deswegen vorsichtshalber in die
Rettungsstelle in Frankfurt an der Oder, dort wurde anfangs nichts
unternommen, obwohl die Patientin ihren Notfallausweis vorzeigte. In der
dortigen Ambulanz entwickelte die Patientin Fieber bis 39,8°C und wurde
vermehrt bewusstseinseingetrübt. Erst auf Veranlassung der Lebensgefährtin
wurde ihr eine i.v. Cortisongabe verabreicht.
Hydrocortison-Notfall-Pen?
Take home message:
Bei bekannter Nebenniereninsuffizienz MUSS eine
Dosisanpassung des Hydrocortisons in Stressituationen
zwingend erfolgen!
Bei Durchfall/Erbrechen rasch ärztliche Hilfe aufsuchen und
Hydrocortison als Infusion verabreichen lassen!
Bei Infekten frühzeitige Behandlung des Infektes!
Jeder sollte in der Lage sein, sich Hydrocortison im Notfall
selbst zu spritzen.