Zwei-Klassen-Gesellschaft im Schulbus - Ribnitz

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Zwei-Klassen-Gesellschaft im Schulbus - Ribnitz
Zwei-Klassen-Gesellschaft im Schulbus - Ribnitz-Damgarten - OSTSEE ZEITUNG
Freitag, 7. September 2012
OSTSEE-ZEITUNG.DE
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/OZ/LOKAL/RIB vom 07.09.2012 00:00
Zwei-Klassen-Gesellschaft im Schulbus
Neue Schülerbeförderungssatzung erregt nach wie vor die Gemüter. Verein bereitet Klage vor.
Prerow/Neuendorf (OZ) - Viele Eltern sind sauer wegen der neuen Schülerbeförderungssatzung des Landkreises. Kritisiert wird vor allem, dass sie die Kosten für die
Beförderung ihrer Kinder per Bus zum Teil allein aufbringen müssen.
„Wir sind mit einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Schulbus ins neue Schuljahr gestartet“, sagt der Leiter der Freien Schule Prerow, Gerald Schaarschmidt. Weil die Einrichtung in
dem Ostseebad mit zurzeit gut 380 Schülern trotz Antrags des Schulträgers an den Landrat nicht als örtlich zuständige Schule auftaucht, müssen die Eltern die Kosten für die
Schülerbeförderung per Bus teilweise alleine stemmen. So zahlt eine allein erziehende Mutter aus Wustrow für die Fahrt eines ihrer beiden Kinder an die Schule nach Zingst
nichts, für das andere Kind am gymnasialen Schulteil der Prerower Schule ist die Fahrt jedoch nicht kostenfrei.
Wie verträgt sich diese Regelung mit der im Schulgesetz garantierten freien Schulwahl, fragt der Schulleiter. Zwar unterstreicht Landrat Ralf Drescher (CDU) eine monatliche
Unterstützung für den Kauf der Fahrkarten, trotzdem bleiben die Eltern auf einem Gutteil der Kosten sitzen, wenn sie ihre Kinder nicht auf die nächste staatlich geführte örtlich
zuständige Schule schicken.
Nicht allein der Schulleiter in Prerow fühlt die Eltern „seiner“ Schüler benachteiligt, aber auf dem Darß ist der Widerstand gegen die Verfahrensweise des Landkreises besonders
groß. Bereits im Mai wurde die Initiative „Mit einer Zwei-Klassen-Gesellschaft im Schulbus ins neue Schuljahr“ aus der Taufe gehoben. Derzeit wirbt Gerald Schaarschmidt um
weitere Mitstreiter. Gefunden hat er die unter anderem mit der evangelischen Grundschule in Dettmannsdorf und der evangelischen Grundschule in Barth, dazu kommen Eltern,
die für die Beförderung ihrer Kinder zahlen müssen, aber auch solche, die nicht zahlen müssen. Unterstützt werden die Schüler und Eltern auch vom Verband Deutscher
Privatschulen, der noch kurz vor Beginn des neuen Schuljahres Landrat und Kreistagsfraktionen zu Nachbesserungen bei der Satzung aufgefordert hat. Nicht zuletzt haben sich
die Mitglieder der Landtags- und Kreistagsfraktionen der Grünen die Thematik auf ihre Fahnen geschrieben.
Der Verein Darßer Bildungszentrum, Träger der Freien Schule Prerow, bereitet mit Hilfe einer Anwaltskanzlei derzeit eine Normenkontrollklage gegen die neue
Schülerbeförderungssatzung vor, „die in Teilen dem Schulgesetz widerspricht“. Mit der, so Gerald Schaarschmidt, habe Landrat Drescher sein Versprechen einer weiterhin
kostenfreien Schülerbeförderung gebrochen.
Als geradezu grotesk empfindet es der Schulleiter in Prerow, dass die Kinder die Monatskarten beim Busfahrer kaufen sollen. Allein in Ribnitz steigen 25 Kinder mit Ziel Prerow in
den Schulbus. In Wustrow sind es weitere 32 Schüler, in Born nochmals 25. Dass der Bus dann noch pünktlich sein Ziel erreiche, ist für Schaarschmidt utopisch. Darum hat die
Freie Schule Prerow mit der Kraftverkehrsgesellschaft in Ribnitz-Damgarten eine Vereinbarung getroffen, dass sämtliche finanzielle Angelegenheiten im Zusammenhang mit der
Schülerbeförderung bis auf Weiteres über die Schule abgewickelt werden. Zudem hat der Trägerverein eine Härtefallregelung beschlossen, um sozial schwache Familien von
den Mehrkosten zu entlasten.
Zu denen, die sich über die Schülerbeförderungssatzung des Landkreises Vorpommern-Rügen ärgern, gehört auch Barbara Wichmann aus Neuendorf. Sie fragt, wie sich diese
mit der „freien Schulwahl“
vereinbare. Die sei zwar an sich eine löbliche Idee, aber das Papier nicht wert, auf dem sie stehe.
„Wer wie wir in Neuendorf wohnt, ist in allen verwaltungstechnischen Belangen dem Amt Barth zugeordnet, mit Ausnahme der örtlich zuständigen Schule: die ist in Damgarten.
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07.09.2012 11:52
Zwei-Klassen-Gesellschaft im Schulbus - Ribnitz-Damgarten - OSTSEE ZEITUNG
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Eine Regelung, die nicht zu verstehen ist.“ Im guten Glauben an die „freie Schulwahl“ hat die Familie ihre Kinder nach Barth in die Schule geschickt. Nun muss sie pro Kind und
Monat mehr als 40 Euro berappen. Und das, obwohl diese Schule nicht sehr viel weiter entfernt ist als die in Damgarten. Barbara Wichmann: „Bei zwei Kindern ist die finanzielle
Belastung für uns enorm. Uns ist klar, dass man seine Kinder nicht auf irgendeine mondweit entfernte Schule schicken kann mit der Begründung, es gibt ja die freie Schulwahl, um
dann noch zu erwarten, dass der Staat die Kosten trägt. Aber wir halten es für selbstverständlich, dass Eltern nicht behindert werden, die in ihrem näheren Umkreis die passende
Schule auswählen.“ Ihre Befürchtung ist, dass immer mehr Familien vom Lande vergrault werden. „Kluge Kommunalpolitik würde doch wohl so aussehen, dass man im Gegenteil
Familien besonders fördert und am besten jungen Leuten das Bleiben oder Kommen schmackhaft macht. Das funktioniert nur mit mehr Geld in alle Aufgaben, die mit Kindern zu
tun haben, mit frischen Ideen und offensiver Familienpolitik.“
Timo Richter und Edwin Sternkiker
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