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Japanische Popkultur am Rhein auf Videospielplatz.de
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Japanische Popkultur am Rhein
DIENSTAG, DEN 02. AUGUST 2011 UM 14:32 UHR MARCO SCHMITZ
Jedes Jahr verwandelt die AnimagiC Bonn zu einem Mekka für japanische Popkultur und zieht scharenweise
Rollenspieler und Cosplayer in die Stadt am Rhein. Im Sommer 1999 gegründet, öffnete die Veranstaltung nunmehr
zum dreizehnten Mal ihre Tore und lockte mit zahlreichen Attraktionen und renommierten Ehrengästen. Nach
eigenen Angaben ist die AnimagiC Deutschlands größte Convention für Manga und Anime - ein Anspruch, dem die
Veranstaltung in den Augen der Kritiker immer weniger gerecht wird. Veränderte Rahmenbedingungen sorgten für
Verärgerung bei zahlreichen Fans und Rollenspielern, die ihrem Unmut in Internetforen Luft machten. Dies ist bei
einer Großveranstaltung durchaus nicht ungewöhnlich, doch manifestieren sich einige Kritikpunkte in handfesten
Boykottrufen, welche die Fangemeinde der AnimagiC in zwei Lager spaltet.
Von Cosplay und Rollenspielern Cosplay bezeichnet einen
japanischen Verkleidungstrend, der vor etwa zwanzig Jahren
mit dem Manga- und Anime-Boom nach Europa kam. Der
Begriff entwickelte sich aus dem englischen "costume play",
was frei übersetzt "Kostümspiel" bedeutet. Im Wesentlichen
geht es darum, einen Charakter aus einem Manga, Anime,
Videospiel oder Spielfilm durch Kostüm und Verhalten
möglichst
originalgetreu
darzustellen.
Die
AnimagiC
unterstreicht diese Fankultur als zentrales Thema und stellt
zudem der Deutschen Cosplaymeisterschaft (DCM) eine ihrer
Bühnen für eine regionale Vorentscheidung zur Verfügung. Da
wundert es nicht, das Cosplayer in Bonn ihre aufwendigsten
Cosplayer pligerten in bestem Gewand nach Bonn
und detailreichsten Kostüme zeigen. Sehen und gesehen
werden ist die Devise, die nicht nur unter den Rollenspielern, sondern auch bei einer unüberschaubaren Gemeinde
von Hobbyfotografen für hohe Aufmerksamkeit sorgt. Leider gelingt es der AnimagiC nicht wirklich, den
kostümierten Rollenspielern ein ansprechendes Ambiente zu schaffen. Seit der Verlegung des Veranstaltungsortes
vom Koblenzer Kurfürstlichen Schloss nach Bonn hat die AnimagiC in den letzen Jahren viel an Flair verloren.
Durch einen weißen Bauzaun, der in diesem Jahr um das Gelände der Beethovenhalle aufgestellt wurde, entfernte
sich die Convention ein weiteres Stück von der notwendigen Atmosphäre. Ein Schlag ins Gesicht für alle Besucher,
die verkleidet oder nicht, für einige Stunden in eine Fantasiewelt eintauchen möchten.
Die Mauer muss weg! Mit dem Schutz der kostümierten
Besucher begründet der Veranstalter den aufgestellten
Bauzaun, der Cosplayer und Fans wie eine Mauer in zwei
Lager teilt. Während viele Besucher den hohen Eintrittspreis
(58,- Euro) für die angebotenen Workshops, Ausstellungen
und Konzerte angemessen empfanden, waren es vor allem
die aufwendig kostümierten Cosplayer, die sich durch die
Zaunanlage
ausgegrenzt
fühlten.
Mehr
als
um
das
Rahmenprogramm geht es ihnen um das Treffen mit
Gleichgesinnten. Als bekannt wurde, dass in diesem Jahr der
volle Eintrittspreis bereits für das obligatorische "'Schaulaufen"
vor der Beethovenhalle erhoben wird, sagten in Internetforen
Friedliche demonstrierten die Fans gegen den Zaun
viele Fans ihre Teilnahme ab. Andere wiederum vereinbarten
ihr eigenes Treffen in den Rheinanlagen, um sich dort in ihren Kostümen zu zeigen und mit anderen Cosplayern
auszutauschen. Wie ein Mitarbeiter des Bonner Ordnungsamtes bestätigte, war das Aufkommen in den
Rheinanlagen erheblich größer als in den vergangenen Jahren. Abgesehen von friedlichen Demonstrationen gegen
den Zaun, hat es jedoch keine Zwischenfälle gegeben.
Von Freiluftkostümen und Panty-Shootern Ein wichtiges Argument für den Bauzaun ist der Blickschutz, mit dem
die AnimagiC dem Problem der unerwünschten "Pantyshooter" zu begegnen versucht. Dieser Trend entwickelte
http://www.videospielplatz.de/index.php/magazin/szene-report/810-japanische-popkul... 17.04.2013
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sich leider in einer skurrilen Fangemeinde, die es bei weiblichen Charakteren auf Schnappschüsse (engl. 'Shoot')
der Unterhöschen (engl. 'Panty') abgesehen haben und dabei auch nicht scheuen, Minderjährigen unter den Rock
zu knipsen. Wie ein Mitarbeiter der AnimagiC mitteilte, versucht der Veranstalter dies nach Möglichkeit zu
unterbinden und beleuchtet bereits im Vorfeld die Motivation der akkreditierten Fotografen. Ein Kampf gegen
Windmühlen, da gerade die sehr kurzen Hentais-Kostüme oder halb nackte, weibliche Anime-Charakter diese
unerwünschten Fotografen anziehen, wie der Honig die Bienen. Einzelne Außenseiter kreieren sogar eigene
Avatare mit dem Ziel, noch mehr Haut zu zeigen. Da ist es lobenswert, dass die AnimagiC mit Flugblättern auf
unseriöse Fotografen hinweist und über das Recht am eigenen Bild aufklärt. Mit einer schärferen Kleiderordnung
würde man das Problem hingegen wirkungsvoller angehen. Die AnimagiC muss dafür keine prüde Convention
werden, aber eine Kriegerin in Unterhose fällt selbst eingefleischten Cosplayern unangenehm auf.
Junkfood
mit
facettenreiches
Japan-Pop
Programm
Ein
kündigte
großartiges
die
und
AnimagiC
den
Besuchern in diesem Jahr an und versprach den Nippon-Fans
bestes
Catering
während
der
kräftezehrenden
Tage.
Allerdings lag das gastronomische Angebot weit hinter der
vollmundigen Werbebotschaft. Das Essen in der Sushi-Bar
der Bonner Firma "Kugelfisch" war wie die Getränke zu teuer
und die Currywurst-Pommes wurden für viel Geld ebenso
lieblos angerichtet, wie die überbackenen Pastagerichte.
Obwohl die Pizza nur im Umweg über Super Mario ihren Weg
zur japanischen Popkultur finden mag, war sie das einzige
günstige und leckere Essen. Um dem angebotenen Junkfood
Das AnimagiC-Catering: nicht stilecht, dafür teuer
zu entgehen, zog es in Scharen Besucher in die nahe
Innenstadt, die ihren Hunger unter anderem stilecht und günstig in einem asiatischen Schnellrestaurant
stillten.Besser war es da um die vielen Ausstellungen und Angebote bestellt. Neben Workshops, in denen
beispielsweise die Künste des Zeichnens, Modellierens, Synchronisierens oder Go-Spielens vertieft wurden,
konnten Rollenspieler in einem eigenen Bereich die Würfel über das Schicksal entscheiden lassen. Auch die
Zockernaturen kamen nicht zu kurz: Videospieler konnten sich in der "Games-Zone" austoben und in der NintendoLounge "The Legend of Zelda: Skyward Sword" und "Xenoblade Chronicles" auf der Wii anspielen. Auf die Fans
von Manga und Anime wartete hingegen ein beachtliches Aufgebot an Ehrengästen, die zu Podiumsdiskussionen
und Signierstunden einluden und zahlreiche Filmvorführungen in zwei Anime-Kinos. Auf der Empore über dem
Festsaal gab es zudem eine stattliche Ausstellung der schönsten, von Hobbyzeichnern angefertigten Bilder und
anlässlich der Veröffentlichung des Sonderbands "Grimms Manga" lies der Verleger Tokyo Pop von den Autoren
öffentlich eine riesige Leinwand zeichnen, die nach Fertigstellung an das Brüder Grimm Museum übergeben wird.
Als absolutes Highlight der AnimagiC 2011 wurde die Popgruppe Shanadoo gehandelt. Bekannt wurde die Girlband
in Deutschland mit dem Titel "King Kong", der es im Sommer 2006 auf die 54ste Ausgabe der Bravo Hits schaffte.
Musikalisch liefert Shanadoo eine durchschnittliche Mischung aus Japan-Pop und aufdringlichem Eurodance ab,
der auch in späteren Titeln wie "My Samurai" oder "Fly me to Shanghai" wenig Abwechslung liefert. Auf der
AnimagiC trafen sie jedoch den Nerv der Besucher, denn bei beiden Konzerten sorgten die vier Mädels trotz
mäßiger Darbietung für einen vollen Festungssaal und tobenden Applaus. Eine reife Leistung, auch wenn die
Konzerte im Eintrittspreis der Convention enthalten waren.
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