II/2015 - Horizont
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47 REPORT HORIZONT 38/2015 17. September 2015 www.horizont.net/report AUTOMARKETING II/2015 MESSE INTERVIEW WERBUNG KLASSIK Die 66. Internationale Automobilausstellung Frankfurt stellt die mobile Zukunft in den Fokus FCA-Group-Chef Henrik StarupHansen über den Spagat zwischen den Marken Fiat, Alfa und Jeep Wie die Hersteller versuchen, Alleinstellungsmerkmale in der Kommunikation umzusetzen Old- und Youngtimer liefern Stoff für Medien und dienen gleichzeitig als Marketinginstrument SEITE 63 SEITE 80 SEITE 95 SEITE 118 ILLUSTRATION: CONTINENTAL AG Zeig mir den Weg HERSTELLER UND INTERNETUNTERNEHMEN R I N G E N U M D I E D I G I TA L E V O R H E R R S C H A F T I M AU TO SEITE 58 Anzeige 50 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 ZUM THEMA INHALT Nebenwelten MARKT UND TRENDS MARKETING UND KREATION Neuwagenmarkt: SUVs bleiben nach wie vor die treibende Kraft. 52 Kampagnen: Autohersteller profilieren sich rund ums Thema Technologie. 88 Alternative Antriebe: Plug-in-Hybride kommen bei Kunden nicht an. 56 Interview: Razorfish-CEO Sascha Martini über selbstfahrende Autos. 90 Kartendienst: Mercedes, Audi und BMW suchen Unabhängigkeit. 58 Musik: Popstars als Botschafter. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) und die Messe Frankfurt rechnen bei der 66. Auflage der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) wieder mit hohem Besucherzuspruch von etwa 900000 Autofans. Auch bei der Zahl der Weltpremieren – 219 und damit 60 mehr als 2013 – und der Aussteller – 1103 aus 39 Ländern – schwelgen die Messemacher in Superlativen. Die Show wird wieder zu einem der weltweit wichtigsten Treffpunkte der Branche, das ist unbestritten. Dennoch offenbart die 2015er Auflage der IAA, dass sich das Messegeschäft in der automobilen Welt im Umbruch befindet. So verzichtet mit Volvo nicht nur erstmals eine wichtige Premiummarke auf Frankfurt und investiert stattdessen in permanent einsetzbare Show-Module zum Einsatz etwa bei Segelevents, wo die Schweden eine höhere Trefferquote in ihrer Zielgruppe vermuten (Seite 70). Andere Marken wie etwa Mercedes und Mazda inszenieren ihre Fahrzeuge zusätzlich im Lifestyle-Umfeld von FashionShows oder Design- und Lifestylemessen. Die deutschen Premiumanbieter zeigen zwar bei der Heimmesse mit großem Aufwand Flagge, aber auch sie suchen den Publikumskontakt seit einigen Jahren zunehmend außerhalb klassischer Motorshows. Beispielsweise als Stammgast bei der Consumer Electronics Show in Las Vegas und dem Mobile World Congress in Barcelona, wo es um Fragen der digitalen Zukunft auch von Autos geht. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des VDA, das Thema „New Mobility World“ nicht nur als Beiwerk, sondern als wichtiges Standbein der Messe mit etwa 200 Veranstaltungen neben den klassischen Fahrzeugpräsentationen zu etablieren, sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, um die Relevanz für Zukunftsfragen der Industrie zu sichern. So bekommen auch Internetgiganten wie Google mit Ambitionen im Automotive Business erstmals auf der IAA einen eigenen Auftritt. 2017 wird diese digitale Facette sicherlich noch stärker leuchten. Jochen Zimmer Ressortleitung Specials Connectivity: Apple und Google wollen den Ton angeben. 59 Assistenzsystem: Opels Onstar im Selbstversuch. 60 Carsharing: Autohersteller mischen mit verschiedenen Konzepten mit. 62 HERSTELLER UND MARKEN Interview: FCA-Chef Starup-Hansen zum Spagat in der Markenfamilie. 80 Alfa Romeo: Mit neuem Modell und bearbeitetem Profil in die Offensive. 82 Jaguar: Der F-Pace soll 2016 neues Terrain erobern. 84 Toyota: Die Japaner setzen neuen Auris mit Live-Format in Szene. 92 Quiz: Erkennen Sie die Fahrzeuge am Rücklicht? 102 IAA: Insgesamt 210 Weltpremieren und ein großes Rahmenprogramm. 63 Audi: Markenerlebnis in der Halle. 64 Messestände: Ausgewählte Auftritte. 68 Volvo: Warum die Schweden auf die weltgrößte Autoschau verzichten. 70 Neuheiten: Auswahl quer durch die Segmente sowie Studien. 71-79 Volkswagen BMW Group Pro Sieben in Prozent* Audi 24,6 10,5 und 104 Sponsoring: Nissan will Bekanntheit mit Champions League steigern. 108 Jung von Matt: Mercedes-BenzKampagnen in der Rückschau. 110 Tankstellen: Grüne Energie spielt in der Kommunikation keine Rolle. 120 Zeitschriften: Autotitel erweitern Angebot durch neue Ableger. 112 Interview: Tim Ramms von der MPS über die veränderte Vermarktung. 114 Mobile: Immer mehr Autoportale bringen ihre Apps in Stellung. 116 Klassik: Oldtimer in Medien und Marketing. 118-119 Know-how: Daten und Fakten. 122-124 Chefredaktion: Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.), Volker Schütz , Jürgen Scharrer Ressortleitung: Dr. Jochen Zimmer Telefon 069/7595-2695 E-Mail: [email protected] Redaktion: Bettina Sonnenschein, Klaus Janke, Anna Lisa Lüft, Giuseppe Rondinella Gesamtverantwortung HORIZONT: Markus Gotta Projektberatung „Automarketing“ und Vermarktung: Bernd Reisch 30,3 16,5 17,4 Sat 1 Sport 1 Tele 5 0,2 1,4 6,0 6,9 5,7 5,8 4,7 5,2 3,4 3,9 3,1 3,3 1,0 3,4 2,8 4,1 Bruttomedia in Mio. Euro 22,9 6,4 5,7 3,6 Kabel Eins 12,2 11,0 8,0 10,5 8,3 * Differenz zu 100 Prozent: Verteilung auf Viva/Comedy Central, N-TV, Pro Sieben Maxx, RTL Nitro, Vox, ZDF Quelle: XAD Leadmanagement: Hersteller Händler lassen Potenzial liegen. 21,5 19,1 20,4 RTL Das Erste Motorsport: Die Deutschland-Rallye als Gelegenheit zur Inszenierung. 103 FOTO: MATTHIAS RICHTER TV-Mediabudgetverteilung 2. Quartal 2015 Dmax Highlights: Lürzer’s Archive präsentiert Autowerbung ohne Autos. 100 Netzwerken für Automarketing Drei Private sahnen ab N24 Social Media: Autohersteller tummeln sich auf Instagram und Co. 96 ist ein Sonderteil von HORIZONT, Zeitung für Marketing, Werbung und Medien Die IAA-Premieren Seite 63 bis 84 RTL 2 Exklusivumfrage: Audi steht für die innovativste Werbekampagne. 95 HORIZONTREPORT Im Fokus: TV-Mediasplit Rund 138 Millionen Euro haben Autohersteller im 2. Quartal 2015 hierzulande in TV-Werbung investiert. Prozentual gesehen profitierten davon am meisten die männeraffinen, reichweitenschwächeren Sender Sport 1 (14 Prozent), N 24 (11 Prozent) und Dmax (10 Prozent), wobei davon auszugehen ist, dass sie aufgrund ihres Rabattgefüges netto weniger davon haben, als es den Anschein hat. Betrachtet man den Sendersplit der drei deutschen Marken, die in dem Zeitraum am meisten für TV ausgegeben haben, ergibt sich ein differenzierteres Bild: Nach einer Auswertung, die das MediaResearch-Unternehmen XAD für HORIZONT vorgenommen hat, spielen die genannten Sender für Volkswagen, BMW und Audi zwar ebenfalls eine Rolle, aber bei weitem nicht die wichtigste. Pro Sieben, RTL und Sat 1 liegen deutlich höher im Kurs. Auffallend ist zudem die recht unterschiedlich ausfallende Aufteilung. Während VW und Audi jeweils den größten Anteil bei Pro Sieben platzieren, setzt BMW dort nur den viertgrößten Anteil seines Budgets ein. Einen vergleichsweise hohen Anteil ließen die Münchner dagegen bei Kabel Eins. Virtuelle Realität: 3D und PC-generierte Inhalte kommen zum Einsatz. 94 MEDIEN UND MEDIA MESSE Die Frankfurter Automobilmesse bietet alle zwei Jahre der Branche eine Premierenbühne von weltweiter Bedeutung. In diesem Jahr werden 122 Modelle und Studien erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Nicht jeder Schleier wird dabei in den Messehallen gelüftet. Jaguar etwa lässt sein SUV F-Pace (siehe Seite 84) am 14.9. bereits vorab spektakuläre Loopings auf der Frankfurter Rennbahn drehen. 93 HORIZONT 38/2015 Dass der HORIZONT Report Automarketing zur IAA wieder auf 80 Seiten Umfang den Trends in der automobilen Kommunikation nachspürt, ist nicht zuletzt ein Verdienst von Projektberater Bernd Reisch (r.). Unter anderem als Executive Chairman der Signition Holding ist er in der Agentur-, Marketing- und Medienszene bestens vernetzt. Hier etwa beim HORIZONT Award mit Matthias Franzen, Media-Impact (l.), und Ex-Rennfahrer Peter Oberndorfer, Audi. 52 REPORT AUTOMARKETING Am liebsten mit Abschlag Im deutschen Neuwagenmarkt geht nichts ohne Rabatt / Gefragt sind vor allem große Autos, SUV und Sportwagen HORIZONT 38/2015 VW fährt vornweg, Mitsubishi wächst rasant Top 25 Pkw-Neuzulassungen 2015 nach Marken Rang Marke 1 VW 2 Mercedes 3 Audi 4 BMW 5 Opel 6 Ford 7 Škoda 8 Renault 9 Hyundai Von Guido Schneider W FOTOS: OPEL, DAIMLER / MONTAGE: HORIZONT ären die Automarken im Entwickeln von Verkaufsstrategien so findig wie beim Schönrechnen ihrer Zulassungszahlen, dann wäre der deutsche Neuwagenmarkt wohl einer der dynamischsten überhaupt. So aber muss man viel zwischen den Zahlen lesen, um die seit Jahren eher flaue Nachfrage zu erkennen. Schließlich sieht alles auf den ersten Blick gut aus für BMW, VW, Toyota und Co: Von Januar und bis August rollten laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) SUV wie der Opel Mokka (links) sind seit Jahren die beliebtesten Fahrzeuge – ganz im Gegensatz zu Vans wie der Mercedes B-Klasse, die im Vergleich zum Vorjahr im Minus liegt rund 2,14 Millionen Neuwagen auf heimische Straßen, 5,6 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Weil viele Hersteller offenbar aber zu viel produzieren, müssen sie überschüssige Autos über Händlerzulassungen und Rabatte günstig in den Markt drücken und riskieren damit ihren Markenwert. Und gäbe es nicht die emsig ordernden Flottenkunden, dann würde der Neuwagenmarkt hierzulande trotz florierender Binnenkonjunktur wohl im Rückwärtsgang laufen. Nach Berechnungen von Da- SUV und große Modelle gefragt Neuzulassungen und Top-Modelle nach Segmenten (Januar bis August 2015) Segment Anzahl Veränd. Jan. bis Aug. 2014 in Prozent Kompaktklasse 563 363 Kleinwagen Mittelklasse SUV Vans Veränd. Jan. bis Aug. 2014 in Prozent Nummer-1-Modell Anzahl 7,5 VW Golf 179 267 309 624 4,0 VW Polo 46 091 8,0 283 427 10,4 VW Passat 65 449 35,6 221 601 14,5 Opel Mokka 21 089 21,7 181 246 –9,7 Mercedes B-Klasse 24 920 –4,2 Geländewagen 169 289 7,6 VW Tiguan 37 589 –14,8 Minis 158 639 6,6 VW Up 26 123 -8,5 Utilities 86 525 4,8 VW Transporter 22 493 9,2 Obere Mittelklasse 76 437 –8,0 Audi A6, S6, RS6 29 735 11,6 Sportwagen 30 878 11,5 Audi TT 6 381 157,3 Oberklasse 21 702 6,9 Mercedes S-Klasse 5 149 –11,8 2 135 459 5,6 Gesamt Quelle: KBA 14,9 HORIZONT 38/2015 B ei den Herstellern bauen die heimischen Automarken ihren Vorsprung auf die ausländischen Mitbewerber wieder etwas aus, was vor allem VW zu verdanken ist, der in sechs von elf Segmenten den Marktführer stellt. Bei der Konzernschwester Audi steigen die Neuzulassungen mit 5,3 Prozent dagegen etwas schwächer als im Gesamtmarkt, was auch daran liegt, dass sich ihr Volumenmodell A3 und der Mini-Rivale A1 schlechter verkaufen. Die auslaufende Generation des A4 konnte das aber zum Großteil ausgleichen. Dass das Mittelklassefahrzeug am Ende seines Modellzyklus noch ein 12-prozentiges Zulas- Marktanteil Veränd. zu 2015 Jan. bis Aug. 2014 in Prozent in Prozent Neuzulassungen von Januar bis August 2015 6,4 21,5 5,7 9,0 5,3 8,7 3,1 7,6 2,8 7,1 2,9 6,9 5,0 5,7 70 813 2,9 3,3 68 208 5,8 3,2 63 797 4,7 3,0 458 282 191 334 185 061 162 023 151 659 146 396 121 004 10 Seat taforce stiegen die Zulassungen der Flottenmanager zwischen Januar und Juli um 9 Prozent auf 453000. Die Registrierungen auf Privatkunden sind in den ersten sieben Monaten dagegen um 0,8 Prozent auf rund 670000 Einheiten gesunken. Die Privatkäufer sind aber nicht weg aus dem Automarkt. Sie lassen sich jedoch mehr Zeit mit dem Erwerb eines Modells und fragen dann verstärkt Vorführ- und Jahreswagen nach, die ihnen Händler mit hohen Preisabschlägen anbieten. Das legen nicht nur die Zahlen des KBA nahe, auch das CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen liefert Belege für die These. So liegt das Durchschnittsalter der Pkw im Bestand inzwischen bei neun Jahren, im Jahr 1990 waren es 6,3 Jahre. Und wer dann doch irgendwann den Weg ins Autohaus findet, will ein Schnäppchen machen, wofür er gute Chancen hat. Laut einer CAR-Auswertung lag der durchschnittliche Nachlass bei Neuwagenvermittlern im Internet im August bei 17,5 Prozent, das waren zwar 1,3 Prozentpunkte weniger als im Vorjahresmonat, doch Instituts-Chef Ferdinand Dudenhöffer ist sicher, dass der Rabatt bald wieder steigt: „Die Autobauer werden im September und Oktober mit neuen Rabattaktionen in den Markt gehen.“ Obwohl die Privatkunden ihren Neuen möglichst billig vom Hof fahren wollen, legen sie weiter Wert auf Status, PS und Größe. So liegt der Durchschnittslistenpreis eines Neuwagens (ohne Zusatzausstattung) laut CAR aktuell mit 28153 Euro 24 Prozent höher als 2005. Auch ein Blick in die Segmente zeigt den Trend zu höherwertigen Autos. So zählten die Sportwagen (plus11,5 Prozent) zusammen mit den SUV (plus 14,5 Prozent) von Januar bis August zu den wachstumsstärksten Segmenten im heimischen Neuwagenmarkt. Vor allem kompakte SUV wie Opel Mokka, Ford Kuga, Škoda Yeti und Nissan Qashqai haben zu diesem Plus beigetragen; bei den Sportwagen spurtete der neue Audi TT auf Platz 1 im Segment und lässt den Porsche 911 hinter sich. Auch Mittelklasse- und Kompaktmodelle fanden überdurchschnittlich viele Käufer, während Kleinwagen nicht mit dem Marktwachstum mithalten können und ebenso wie die Vans (minus 10 Prozent) Marktanteile verlieren; beide Segmente werden zunehmend von kompakten oder großen SUV substituiert. 17. September 2015 11 Fiat 50 024 4,6 2,3 12 Nissan 46 325 13,7 2,2 13 Toyota 42 617 –7,3 2,0 14 Mazda 37 861 2,7 1,8 15 Kia 36 648 0,3 1,7 16 Peugeot 36 385 –1,1 1,7 17 Citroën 35 660 –0,1 1,7 18 Dacia 31 893 –6,7 1,5 19 Mini 26 140 22,7 1,2 20 Smart 25 402 64,7 1,2 21 Mitsubishi 23 898 65,7 1,1 22 Volvo 22 719 11,2 1,1 23 Suzuki 21 318 19,5 1,0 24 Porsche 20 449 22,1 1,0 25 Honda 12 918 Gesamt deutsche Marken internationale Marken 2 135 459 1 366 746 757 669 0,6 5,6 6,1 5,3 100,0 64,0 35,5 HORIZONT 38/2015 Quelle: KBA sungsplus schafft, führt Audi-Sprecher Moritz Drechsel auf die hohe Nachfrage bei Dienstwagenfahrern und Freiberuflern zurück, zudem soll der A4 von den 2014 eingeführten Ultra-Modellen profitiert haben, die weniger verbrauchen als ihre Vorgänger. Auf der IAA wird Audi den neuen A4 zur Schau stellen, der mit Leichtbauweise, effizientem Antrieb, Assistenzsystemen und Infotainment im Kampf gegen den 3er-BMW und die C-Klasse punkten soll. Das aktuelle Absatzplus von Audi resultierte aber auch aus dem zweistelligen Zuwachs für die überarbeiteten A6 und A7, der im Juni neue gestartete OberklassenSUV Q7 hat seine Zulassungszahlen bis August bereits mehr als verdoppelt. Konkurrent Mercedes-Benz sieht sich im Heimatmarkt ebenfalls gut in Fahrt und konnte in den ersten acht Monaten 5,7 Prozent zulegen. „Wir sind weiterhin die Nummer 1 im deutschen Premiumsegment, obwohl einige unserer volumenstarken Baureihen am Ende ihres Produktionszyklus stehen“, betont Koert Groeneveld, Leiter Research & Development Communications bei Daimler, mit Blick auf A- und E-Klasse, die demnächst im neuen Gewand vorfahren. Zusätzlichen Schwung erhofft sich Groeneveld vom neuen Midsize-SUV GLC, der den GLK ablöst, und den ebenfalls frisch auf den Markt gekommenen Modellen GLE und GLE Coupé. Auch international läuft es für den Stern nach schwierigen Jahren wieder besser. Die Marke meldet Rekordabsätze und ist mit der A-Klasse erfolgreich in die Kompaktklasse eingebrochen, in der einst die Volumenhersteller unter sich waren. Doch auch Audi und BMW geben weiter Gas. So will BMW mit dem überarbeiteten 3er den Kreis der ebenfalls neuen C-Klasse einengen und mit dem neuen 7er die SKlasse herausfordern. Mercedes wiederum wird sein neues C-Klasse Coupé ge- –10,5 gen den A5 und den 4er-BMW in Stellung bringen. U nter den Importeuren sind die Sieger ebenfalls in der Überzahl, wobei die Zuwächse für Nischenmarken wie Lexus, Land Rover, Jeep und Mitsubishi am deutlichsten ausfallen. Das 66-prozentige Plus von Mitsubishi ist dabei besonders erwähnenswert, denn die Traditionsmarke aus Japan hat ihren Marktanteil in Deutschland gegenüber dem Vorjahr von 0,7 auf 1,1 Prozent erhöht. Dabei hilft ihr die 2014 geschlossene Vertriebskooperation mit der Emil Frey Gruppe, weil sie zusätzliche Verkaufsstützpunkte in wichtigen Regionen erschließt. Emil Frey, Chef der gleichnamigen Händlergruppe und des Importeurs MMD Automobile, sieht das Vertrauen in Mitsubishi wieder hergestellt und glaubt, dass es die Marke auch durch Verkaufsförderungsmaßnahmen und Kommunikation wieder „auf die Shoppingliste geschafft“ habe. Das verdankt Mitsubishi aber auch der auf fünf Jahre und 100000 Kilometer ausgeweiteten Herstellergarantie und dem Fahrzeugangebot selbst. Der Kleinwagen Spacestar konnte seine Neuzulassungen bis August gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum auf rund 10000 Einheiten verdoppeln. Auch der ASX und der Geländewagenklassiker Pajero zogen deutlich mehr Käufer an. Weiter bergauf gehen könnte es, wenn Mitsubishi im September drei weitere Modelle herausbringt: Der neue Outlander und der neue Plug-in-Hybrid Outlander sollen dabei ebenso für den Markenkern stehen wie der Pick-up L200, für den bei den Händlern laut Frey bereits über 1000 Aufträge vorliegen. Viele davon werden zwar als Vorführwagen dienen, trotzdem ist Frey von der Nachfrage überrascht, denn bislang war der Pick-up nur im Internet zu sehen. 56 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 Die Autoindustrie forciert den Plug-in-Hybrid, doch die Kunden wollen die teuren Modelle nicht kaufen D as Auto und der Klimaschutz, das sind zwei Themen, die zumindest in Europa seit Jahren untrennbar miteinander verbunden sind. Denn die Europäische Union drängt die Pkw-Hersteller, ihre CO2Emissionen immer weiter zu reduzieren; bis 2021 sollen sie den Ausstoß von Kohlendioxid bei Neuwagen auf 95 Gramm zurückfahren. Wer diese Marke reißt, dem drohen Strafzahlungen. Und weil der Druck aus Brüssel hoch bleibt und die Zeit knapp wird, versuchen die Autobauer nun, möglichst viele Modelle mit alternativen Antrieben auf den Markt zu drücken, schließlich emittieren die weniger CO2 als konventionelle Diesel- und Benzinfahrzeuge. Plug-in-Hybride sind dabei eine Besonderheit. Bei diesen Fahrzeugen wirkt der Elektromotor unterstützend zum Verbrennungsmotor, das heißt, mit ihnen sind nur kurze Strecken rein elektrisch zurückzulegen. Der Stromspeicher wird über eine externe Steckdose wieder aufgeladen. Der Vollhybrid, wie ihn Toyota mit dem Prius 1997 erstmals auf den Markt gebracht hat, wird dagegen hauptsächlich elektrisch angetrieben und seine Batterie lädt sich während der Fahrt immer wieder auf – eine Steckdose braucht er nicht. Schließlich ist da noch das reine Elektroauto, das wie der Tesla Model S ausschließlich im Batteriebetrieb fährt. Vollhybrid, Plug-in-Hybrid und Elektroauto haben hierzulande aber etwas gemeinsam: Sie finden bislang kaum Käufer. Laut Kraftfahrt-Bundesamt verirrten sich zwischen Januar und Juli dieses Jahres gerade mal 5625 reine Elektroautos zur Zulassungsstelle, das entspricht einem Marktanteil von kümmerlichen 0,3 Pro- ILLUSTRATION: COLOURBOX Korrekte Ladenhüter Von Guido Schneider zent. Die Hybride brachten es zwar auf annähernd 19000 registrierte Pkw und ein Prozent Marktanteil, doch verglichen mit Diesel und Benziner sind auch sie Exoten. Trotzdem will speziell die deutsche Autoindustrie ihr Angebot an Plug-in-Hybriden weiter ausbauen. BMW bringt neben seinen Hybrid-Versionen des i3 und i8 in den nächsten Monaten auch den X5, den 3er und den 2er Active Tourer mit einer Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor auf den Markt. Beim Rivalen Mercedes-Benz sollen bis Jahresende fünf Plug-in-Hybride verfügbar sein, während VW unter dem Label GTE seine Volumenmodelle Golf und Passat als Steckdosenhybride auf die Straße zu bringen versucht. Glaubt man Werner Frey, Geschäftsführer des Mitsubishi-Importeurs MMD Automobile, ist der Plug-in-Hybrid „eine perfekte Brückentechnologie“, die so lange dient, bis reine Elektroautos höhere Reichweiten aufweisen. Auch Koert Groeneveld, Leiter Research & Development Communications bei Daimler, wirbt für den Plug-in-Hybrid und sieht in ihm „den perfekten Kompromiss zwischen Elektro- und konventioneller Mobilität“. Der E-Antrieb unterstützt den Verbrennungsmotor dort, wo der Verbrenner ein eher ungünstiges Verhalten zeigt, etwa im Stadtverkehr. Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen, sieht die Plug-in-Hybride dagegen kritisch und fürchtet, dass sich die hohen Investitionen für diese Antriebstechnik nicht auszahlen, weil die Kunden sie nicht annehmen. Von den rund 5000 Elektro- und Hybridfahrzeugen der sieben deutschen Marken, die bis Mai zugelassen wurden, entfallen laut Dudenhöffer nur 2900 auf private Käufer oder Unternehmen, den Rest ließen Hersteller und Händler auf sich oder Mitarbeiter registrieren. Grund für die schwache Nachfrage sei der vergleichsweise preisgünstige Treibstoff: „Er macht Hybrid-, Plug-in-Hybrid- und Elektroautos zu Ladenhütern“, sagt Dudenhöffer. Mit Blick auf den Plug-in-Hybrid räumt VW auch Probleme ein. Die hohen Kosten für die Batterietechnik treiben den Anschaffungspreis, erklärt Sprecherin Nicolai Laude: „Die Kunden sind in der Regel preissensibel und vielfach nur bedingt bereit, diesen Mehrpreis zu bezahlen. Sie entscheiden sich häufig noch für ein verbrauchsarmes Modell mit konventioneller Antriebstechnik.“ Beispiel Golf GTE: Der Plug-in-Hybrid ist rund 7000 Euro teurer als der Golf GTI mit Verbrennungsmotor. Kein Wunder, dass VW von der Markteinführung im Jahr 2014 bis Mai 2015 lediglich rund 900 Golf GTE zur Zulassungsstelle brachte, von denen laut CAR 800 Eigenzulassungen waren. Den Touareg-Hybrid hat VW wegen schwacher Nachfrage in Amerika und Deutschland inzwischen sogar vom Markt genommen. A uch andere Hersteller tun sich schwer. Toyota bietet derzeit nur einen Plug-in-Hybrid für sein Modell Prius an. Ausstattungsbereinigt kostet er aber 8600 Euro mehr als der klassische Vollhybrid des gleichen Modells. Da muss selbst Unternehmenssprecher Dirk Breuer nach einem plausiblen Kaufgrund suchen. Den Mehrwert des Plug-in-Prius sieht er für den Kunden darin, dass das Fahrzeug die extern aufladbare Batterie mit einem „effizienten Vollhybrid“ kombiniert. Wer fleißig lädt, kann so einen Großteil der alltäglichen Strecken rein elektrisch und damit emissionsfrei zurücklegen. Mitsubishi besetzt das Thema Plugin-Hybrid dagegen offensiver. Zwischen Januar und Juli konnte der Hersteller rund 1400 Einheiten seines SUV Outlander mit dieser Antriebstechnik vermarkten. MMD-Geschäftsführer Frey geht davon aus, dass die Neuzulassungen mit Auris führt bei Hybrid, Tesla schlägt Golf Hybrid-König Toyota mit riesigem Vorsprung Top 10 Modelle nach alternativen Antriebsarten Pkw-Neuzulassungen 2014 nach Elektroantrieben (einschl. Hybrid) * Rang Modell Anzahl HybridNeuz. Anteil an Hybrid-NZ in Prozent Rang Modell Anzahl ElektroNeuz. Anteil an Elektro-NZ in Prozent 1 Toyota Auris 3 680 19,5 1 Tesla Model S 828 14,7 2 Toyota Yaris 3 499 18,5 2 VW Golf 783 13,9 3 VW Golf 1 424 7,5 3 Kia Soul 739 13,1 4 Mitsubishi Outlander 1 361 7,2 4 Nissan Leaf 679 12,1 Rang Marke *Auswahl 25,3 1 Toyota 2 Renault 1,4 3 Volvo 1,4 4 Nissan BMW 1,4 5 Audi A3 1 162 6,2 5 BMW i3-Reihe 573 10,2 5 6 Citroën C4/C4 Picasso 626 3,3 6 Renault Zoe 551 9,8 6 Mercedes-Benz 0,7 7 BMW i3-Reihe 610 3,2 7 Smart Fortwo 535 9,5 8 Toyota Prius Plus 574 3,0 8 VW Up 401 7,1 7 Peugeot 0,7 9 Peugeot 308 483 2,6 9 Mercedes-Benz B-Klasse 327 5,8 8 VW 0,4 Mercedes-Benz C-Klasse 478 2,5 10 Nissan NV 200 104 1,9 9 Citroën 0,4 Audi 0,3 10 Hybrid gesamt Marktanteil Hybrid in Prozent 18 884 1,0 Elektroantrieb gesamt Marktanteil Elektro in Prozent 5 625 0,3 10 1,1 Quelle: KBA Jahresbericht 02013/14 17. September 2015 5 10 15HORIZONT 38/2015 dem Modelljahr 2016 weiter steigen. „Ab dann geben wir auf die Fahrbatterie eine achtjährige Garantie bis 160000 Kilometer, das ist in Deutschland einmalig.“ Die relativ hohe Nachfrage führt er auf die stärkere Präsenz im Autohaus zurück: „Wir bieten allen Händlern die Möglichkeit, unsere Plug-in-Hybride und Electric Vehicles zu verkaufen.“ A uch die Kommunikation zu den Plug-in-Hybriden gibt immer wieder Anlass zur Kritik, weil die Hersteller potenziellen Käufern zu niedrige Verbrauchswerte vorgaukeln. Dass die Industrie hier tricksen kann, liegt am Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ). Der ermittelt unrealistische Verbrauchswerte, weil er den Herstellern erlaubt, den Stromverbrauch, der für die rein elektrisch zurückgelegte Strecke benötigt wird, nicht miteinzurechnen. Um das Problem zu beheben, soll ab 2017 der neue, realistischere Standard WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) zur Verbrauchsermittlung herangezogen werden. ToyotaMann Breuer würde das begrüßen: „Der WLTP führt zu Verbrauchsangaben, die näher an der Realität der Kunden liegen. Da der Strom ebenfalls von ihnen bezahlt werden muss und bei der Erzeugung auch CO2 entsteht, ist die Angabe ausschließlich zum Kraftstoffverbrauch beziehungsweise CO2-Ausstoß in gewisser Weise irreführend.“ Um Hybride und Elektroautos hierzulande attraktiver zu machen, werden immer wieder Kaufanreize diskutiert. Dabei steht Kanzlerin Angela Merkel in der Pflicht, die das Ziel ausgegeben hat, bis 2020 eine Million Elektroautos auf heimische Straßen zu bringen. Doch bislang fahren dort erst 130000 Elektro- und Hybridmodelle. Für Mitsubishi-Manager Frey braucht es „eine Förderung in monetärer Form – direkt oder indirekt, sei es über Abschreibungen oder über den Erlass der Mehrwertsteuer“. Immerhin sind für E-Autos und Hybride Vergünstigungen im Gespräch. Dazu zählt eine Sonderabschreibung für gewerbliche Nutzer und eine Steuerbefreiung für das von Arbeitgebern gewährte kostenfreie oder verbilligte Aufladen privater Elektroautos. Für Daimler-Manager Groeneveld gehen die Überlegungen in die richtige Richtung. „Um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen, bedarf es neben attraktiven Produkten und der notwendigen Ladeinfrastruktur auch wirksamer steuerlicher Anreize.“ Die könnten die Marktdurchdringung beschleunigen, sind aber keine Dauerlösung, wie er betont. Elektroauto-Pionier Tesla steigert seine Absatzzahlen auch ohne Stütze und spielt in den USA und der Schweiz in der Oberklasse mit seinem Model S bereits eine starke Rolle. Dudenhöffer wertet diesen Erfolg als Alarmsignal für die Etablierten: „Tesla könnte der Beweis werden, dass Plug-inTechnik der falsche Weg ist, obwohl die konventionellen Autobauer diese Technik zu ihrem Königsweg machen wollen.“ 58 REPORT AUTOMARKETING Von Michael Reidel und Leonie Rieth Gemeinsam C und jeder für sich Mit dem Kauf der Nokia-Tochter Here machen sich Mercedes, Audi und BMW unabhängiger von Google und Co Als Konkurrent der Taxibranche sorgt Uber bereits global für Schlagzeilen. In Deutschland hat das Frankfurter Landgericht die Vermittlung privater Fahrer verboten. Jetzt fängt der Online-Fahrdienstvermittler an, die Autohersteller zu attackieren. Das US-Unternehmen will den Fahrer durch Technologien ersetzen. Das Start-up kooperiert dafür mit der US-Universität Carnegie Mellon. Zusammen gründeten sie das Uber’s Advanced Technologies Center in Pittsburgh. Im Fokus stehen Kartendienste und Technologien. Erste Modelle der Kooperationspartner werden bereits auf den Straßen getestet. Ziel von Uber ist es, Sicherheit zu gewährleisten und Zeiteffizienz zu schaffen. Zudem verkündete das Unternehmen, es wolle alle 2020 gebauten selbstfahrenden Autos von Tesla kaufen. Das sollen über 500 000 Fahrzeuge sein. äsar, Pompejus und Crassus sind keine Freunde. Aber machtbewusst. Im Jahr 60 vor Christus bildeten sie das erste römische Triumvirat. Ein Zweckbündnis, damit, wie Schriftsteller Sueton es formulierte, „nichts im Staate geschehen solle, was einem von den dreien missfiele“. Etwas Ähnliches treibt Dieter Zetsche, Rudi Stadler und Harald Krüger. Die CEOs von Daimler, Audi und BMW wollen den Erfolg und die Existenz ihrer Unternehmen langfristig sichern. Anfang August kauften die drei Premiumhersteller gemeinsam für 2,8 Milliarden Euro Nokia Here. Das kommt nicht von ungefähr. Here stellt sehr präzise Straßenkarten her, die für selbstfahrende Autos notwendig sind, um sich im Verkehr zurechtzufinden. Der Kauf wirkt daher wie ein Magnet. Schon jetzt haben Conti und Bosch ihr Interesse an einer Zusammenarbeit signalisiert, ebenso weitere Autobauer. Hinzu kommt: Autonomes Fahren ist das Megathema, das nicht nur branchenfremde US-Konzerne anzieht wie eine Marmeladensemmel die Wespen. Auf der IAA wird beispielsweise erstmals die Telekom präsent sein. Unter dem Hashtag #Wird EchtZeit stellt der Bonner Telekommunikationsriese fahrer- und fahrzeugbezogene Dienste vor und wie das Auto mit einer App zum „Smart Car“ wird. Der Bieterkampf um den Dienst in den vergangenen Wochen zeigt aber noch anderes: Die Rahmenbedingungen in der Automobilindustrie verändern sich massiv. Längst stehen Audi, Mercedes-Benz und BMW mit ihren Modellen und Innovationen nicht nur untereinander im Wettbewerb und in Konkurrenz zu Marken wie Volvo, VW, Porsche und Tesla. Vielmehr müssen sie sich stärker mit Firmen wie Uber auseinandersetzen, selbst Facebook soll im Kreis der Here-Bieter zu finden gewesen sein. Im Kampf um die Kunden von heute und morgen sind längst nicht mehr nur Design, die Marke, Modellvarianten, Ausstattungen und After-Sales-Betreuung entscheidend, vielmehr gewinnen Vernetzung, Entertainment-Angebote und digitale Services Die aktuellen Umstrukturierungen bei Google zeigen erneut die vielfältigen Bereiche, in denen das Unternehmen tätig ist. Auch selbstfahrende Autos entwickelt Google schon seit Jahren. 2011 gründete der Konzern die Tochterfirma Google Auto, heute sind bereits autonome Fahrzeuge auf den amerikanischen Straßen unterwegs. Software und Rechenleistung ersetzen Fahrer und klassische Bedienelemente gänzlich. Die Prototypen lässt Google von einer Partnerfirma produzieren, da der Suchmaschinenriese vorrangig an der Entwicklung der Technologie interessiert ist. HORIZONT 38/2015 weiter an Bedeutung. VW-Konzernchef Martin Winterkorn, zu dessen Reich auch Audi gehört, spricht nicht zuletzt deshalb auf einer internen Konzernveranstaltung im Sommer von einem „historischen Umbruch“. Daimler-CEO Zetsche glaubt sogar an die „Neuerfindung des Automobils“. Wer dabei Freund ist und wer Feind, ist aber längst nicht mehr so klar. Mittlerweile sehen die Autohersteller Google, Uber, Baidu und Apple als ernstzunehmende Wettbewerber. Das war nicht immer so. „Lange Zeit waren die IT-Konzerne für die Autobauer nur Zulieferer“, sagt Gabriel Seiberth. Der Managing Director verantwortet bei Accenture das Geschäftsfeld „Digital Mobility and Automotive“ und hält den Kauf von Here für entscheidend. „Wäre der Zusammenschluss nicht erfolgt, hätten Audi, BMW und Mercedes keine Chance mehr gehabt. Jetzt halten sie das Rennen zumindest offen.“ Die These mag für produktverliebte Automanager provokant sein, doch sie beruht auf einer einfachen Analyse. Derzeit sind vor allem Geschäftsmodelle erfolgreich, die auf Plattformen beruhen und datengetrieben sind. Das Problem dabei: „Plattformen tendieren zu Monopolen“, sagt Seiberth. Die Suche ist die Domäne von Google, in China von Baidu. Facebook beherrscht Social Media, Amazon den Onlinehandel. Wer es hier schafft, sich zu etablieren, der ist fast nicht mehr zu schlagen. Drastischer noch formuliert es Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. „Premium wird nicht mehr durch PS und dicke Reifen definiert. Autonutzung und Konnektivität ist das Herz der neuen Marken. Und das verstehen die Silicon Valley Stars um Lichtjahre besser als die Autobauer.“ K lar ist jedenfalls, durch die zunehmende Digitalisierung der Fahrzeuge wird das Auto zum rollenden Device. Und das ist eine Domäne der IT-Riesen. Andererseits: Software können auch Daimler, Audi und BMW, aber ebenso Volumenhersteller wie Volkswagen, Toyota und Opel: „Die Autohersteller sind, ohne es richtig zu bemerken, zu Software-Unternehmen geworden“, sagt Seiberth. 90 Prozent aller Innovationen sind heute software-getrieben. Kameras, die um die Ecke schauen, adaptive Als eine der am häufigsten aufgerufenen Websites in China ist das 2000 gegründete Unternehmen Baidu auf dem asiatischen Kontinent gesetzt. In Deutschland hingegen ist der Suchmaschinen-Riese bislang kaum bekannt. Das dürfte sich nun bald ändern: Noch dieses Jahr soll in Kooperation mit dem deutschen Automobilhersteller BMW der Prototyp eines selbstfahrenden Autos vorgestellt und auf den chinesischen Straßen getestet werden. Zudem erklärte Audi im Mai, dass man mit der Suchmaschine die OnlineVernetzung von Autos vorantreiben will. 17. September 2015 Scheinwerfer, Bremsassistenten, das sprachgesteuerte Navigationssystem – ohne IT undenkbar. So hat ein Auto heute ungefähr 50 Millionen Programmierzeilen, eine Mercedes-S-Klasse sogar 100 Millionen. Zum Vergleich: Ein Jumbo kommt gerade mal auf 14 Millionen Lines of Code. „40 Prozent der Wertschöpfung sind mittlerweile softwarebasiert. Das wird beim autonomen Fahren bis zu 80 Prozent steigen“, prognostiziert Seiberth. Diese Entwicklung trägt dazu bei, dass Volkswagen mit 13,5 Milliarden US-Dollar (10,6 Milliarden Euro) die höchsten Innovationsausgaben hat, vor Samsung, vor Intel, vor Microsoft. Das zeigt eine Studie von Strategy&. Allerdings steht in der Liste der innovativsten Unternehmen Apple an der Spitze. Der einzige Autobauer unter den Top 10 ist Tesla, das gerade mal 0,2 Milliarden Dollar in die Entwicklung steckt. Deutsche Autohersteller fehlen hier gänzlich. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Autohersteller hierzulande vor allem auf erhaltende Innovationen setzen. Soll heißen: Sie optimieren ihre Produkte auf verschiedenen Ebenen, vom Verbrauch über Antriebe bis hin zum CO2-Ausstoß. Doch für Berater Seiberth ist das zu wenig. „Autobauer müssen Innovationen für ihre Geschäftsmodelle entwickeln. Sie müssen disruptiv agieren“, fordert er. W ohin die Richtung gehen kann, zeigt beispielsweise Daimler mit dem PlattformKonzept Mercedes-Me. Eine für jeden offene Plattform, die es dem Nutzer ermöglicht, auch als Nicht-Kunde verschiedene Tools zu nutzen, und die sich ständig weiterentwickelt. „Autohersteller müssen sich in der Zukunft über ein neues Produkt positionieren und das heißt Shared Mobility“, ist sich Experte Dudenhöffer sicher. Und das kann die Karten wieder völlig neu mischen, auch beim PremiumTriumvirat. Im Interview mit dem Mittelstandsportal Deutsche Unternehmesbörse sagt Daimler-Boss Zetsche: „Eine Option könnte sein, dass die Autos in einem Joint Venture entstehen und wir diese dann bauen. Aber ich spreche hier rein fiktiv.“ Das wird nicht jeden beruhigen. Triumvirate, das zeigt das römische, können auch zerbrechen. Gerüchte um das Projekt „Titan“, so der angebliche Codename für Apples iCar, gibt es bereits seit einigen Monaten. Ein eigenes Auto soll jedoch nicht in Planung sein, stattdessen setzt Apple auf Kooperationen mit Herstellern. Das Unternehmen wolle bestehende Produkte verbessern, anstatt sie zu ersetzen. Ziel ist vielmehr, das iPhone mit dem Auto zu verbinden. Sicherheitssysteme von iOS könnten Daten der Sensorik und Kameras am Auto verwalten und auswerten. Derzeit soll das Unternehmen nach einem Gelände suchen, um das selbstfahrende Auto zu testen. HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 59 17. September 2015 Digitaler Antrieb Auf dem Markt der Connected Cars kooperiert jeder mit jedem. Doch Apple und Google wollen von den USA aus den Ton angeben E Von Ulrike Langer zufolge die neuen Spitzenreiter Apple Car Play und Android Auto in 37 Millionen beziehungsweise 40 Millionen Autos zu finden sein. Aus solchen Aussagen und Daten lässt sich zumindest die Tendenz ableiten, dass für Käufer künftig die Frage wichtiger sein könnte, ob das neue Auto Apple- oder Android-kompatibel ist, als die Frage, ob es ein Opel oder ein Mercedes sein soll. Diese Befürchtung teilen auch die Autobauer. Sie setzen deshalb zunehmend auf Kooperationen mit Apple und Google und vermarkten Kompatibilität offensiv als Vorzug. „Für die meisten von uns sind Smartphones essenziell. Indem wir Partnerschaften mit Apple und Google für einen immer größeren Teil unserer Flotte eingehen, demokratisieren wir die Tech- Software-Entwicklungsstandort, als digitales Infrastrukturangebot und auch in der Werbevermarktung. Mit ihren jeweiligen Monopolen bewirken die Tech-Giganten Lock-in-Effekte. Das kann für Autohersteller bedeuten: Wer sich als potenzieller Autokäufer an die iOS- oder Android-Welt gebunden hat und sich dort wohl fühlt, will seine Investitionen in Hardware und Apps auch im Auto nutzen können und dort den von Apple oder Google gewohnten Bedienungskomfort vorfinden. „Mobilgeräte beeinflussen, was kaum verwundern kann, sehr weitreichend, wie ihre Nutzer sich während einer Autofahrt verhalten und was sie von ihrem Auto erwarten“, sagt Colin Bird, Chefanalyst für Software, Apps and Services in der Automobilsparte der Unternehmensberatung IHS Automotive im US-Bundesstaat Colorado, mit kaum verhohlenem Seitenhieb auf die größtenteils immer noch viel zu umständlich zu bedienenden Navigations- und Unterhaltungssysteme der Fahrzeughersteller. nologie, die unseren Kunden wichtig ist”, betonte General-Motors-Chefin Mary Barra jüngst bei der Vorstellung neuer Chevrolet-Modelle mit Konnektivität. Man kann das als Huldigung der Marktmächte im Silicon Valley auffassen. Oder als puren Pragmatismus. ordnen müssen. Wer dabei nicht mitmacht, bleibt ebenso außen vor wie die App-Anbieter, die Apple aus seiner Plattform iTunes aussperrt. Die ersten Autohersteller beklagen sich insgeheim heute schon über das rigide Denken in Cupertino. Für Apple-Fans, denen Automarken egal sind, dürfte das Apple-optimierte Fahrzeug allerdings ein Traum sein. D agegen zeigt sich Google viel offener gegenüber den Wünschen der Autohersteller, hat aber auch weitreichendere Ambitionen. Vernetzte Fahrzeuge dürften für den Konzern ein technologischer Zwischenschritt sein, selbstfahrende von Google das Ziel. Auf diesen Zukunftsmarkt drängen auch Tesla und Uber, aber Google hat sich mit ILLUSTRATION: CADILLAC ine Spielfilmlänge – rund 90 Minuten – verbringt ein durchschnittlicher Amerikaner laut der Stiftung für Verkehrssicherheit der American Automobile Association täglich in seinem Auto. Zwar ist es unwahrscheinlich, dass diese Zeit tatsächlich einem Spielfilm gewidmet wird, obwohl die Staus in amerikanischen Großstädten immer länger werden. Aber Musik hören, Facebook aktualisieren, Videoclips anschauen, Instant Messaging und Online-Shopping – das alles wird zunehmend während einer Autofahrt erledigt. Zusätzlich natürlich zu allem, was verkehrsbezogen mit oder ohne Zutun des Denn vernetzte Autos gelten als eines der am schnellsten wachsenden Segmente im Internet der Dinge. Nach einer Prognose des US-Marktforschungsinstituts SNS Research werden mit Software für Connected Cars bis zum Jahr 2020 weltweit Umsätze in Höhe von 40 Milliarden USDollar generiert. Bis dahin, so schätzt das Institut IHS Automotive, wird die Zahl der vernetzten Fahrzeuge von 23 Millionen im Jahr 2014 auf 152 Millionen ansteigen. Dass Automobilhersteller mit eigenen Betriebssystemen für Kinetik und Infotainment-Anwendungen die SoftwareGiganten von diesem Wachstumsmarkt erfolgreich fernhalten werden, ist unwahrscheinlich. Zu groß ist der technologische Vorsprung des Silicon Valley als Software für vernetzte Autos hat großes Wachstumspotenzial Fahrers im vernetzten Auto geschieht – Navigation, Flotten-Management, Ferndiagnosen, automatische Updates des Betriebssystems, Sicherheits-Features, Verkehrsstromlenkung und automatische Übermittlung von Daten an die Kfz-Versicherer. Wenig verwunderlich ist deshalb, dass Apple und Google, die gemeinsam fast den gesamten Markt der SmartphoneBetriebssysteme unter sich aufgeteilt haben, auch den künftigen Milliardenmarkt Connected Cars kontrollieren wollen. Touchscreen und Bluetooth sind gewünscht Welche dieser Features hätten Sie gerne in Ihrem nächsten Auto? Gesamt USA Großbritannien Deutschland Angaben in Prozent China Touchscreen für Entertainment, Navigation und Fahrzeug-Informationen 48,0 Bluetooth für freihändiges Telefonieren 41,0 Heads-up-Display mit Fahrzeug-Informationen 24.0 23,5 21,0 Audio-System mit Display 24,0 22,0 20,5 19,5 Smartphone-Apps über das Auto nutzen können 15,0 AUX-Anschluss für meinen MP3-Player oder mein Handy Quelle: IHS Automotive 40,5 34,5 34,0 27,5 51,0 28,0 36,0 48,0 31,0 27,0 27,5 45,0 34,0 22,0 21,0 23,0 18,5 23,5 Bluetooth Audio Streaming 0,5 Basis: 4009 potenzielle Neuwagen-Käufer 35,0 33,0 Kabelloses High-Speed-Internet (z. B. 4G LTE) F 35,0 32,0 24,0 47,0 49,0 48,0 49,0 46,0 31,5 Kommunikations-System wie Onstar 54,0 31,0 32,0 31,5 USB-Anschluss, damit ich meinen MP3-Player oder mein Handy anschließen kann Keines der genannten 52,5 53,0 54,5 12,0 5,0 5,5 6,0 16,0 15,0 19,0 9,0 HORIZONT 38/2015 ür den aktuellen Report „Apps in the Car 2015“ befragte IHS Automotive 4000 angehende Autokäufer in den USA, Großbritannien, Deutschland und China, auf welche Funktionen sie in ihrem nächsten Fahrzeug am meisten Wert legen. In allen Märkten wurde ein Touchscreen für Unterhaltungs-, Navigations- und Wartungsfunktionen am häufigsten genannt. Rund jeder zweite Befragte möchte ein Auto mit diesem Feature. Die Option, ein Telematik-System eines Fahrzeugherstellers wie Onstar von General Motors nutzen zu können, bleibt dahinter weit zurück – in Deutschland etwa ist sie nur für 28 Prozent mit kaufentscheidend. Eine weitere Erkenntnis aus der Studie: Der jetzt noch dominierende Standard Mirror Link, der in diesem Jahr in1,1 Millionen Fahrzeuge eingebaut wird, wird entscheidende Marktanteile verlieren. Im Jahr 2020 werden der Prognose D ie GM-Tochterfirma Chevrolet will 14 ihrer für 2016 angekündigten neuen Modelle sowohl mit Car Play als auch mit Android Auto kompatibel anbieten, darunter unter anderem den Spark Malibu, Camaro und Corvette jeweils mit Dach und als Cabrio, Tahoe und Suburban. Auch der neue Cruze Compact wird im kommenden Jahr sowohl Car Play als auch Android Auto bieten. GM ist damit der erste Konzern, der Konnektivität auch in Mittelklassewagen einsetzt und damit für die breite Masse der Autofahrer erschwinglich macht. Exklusiver vermarktet Hyundai sein erstes Connected Car. Der neue Sonata ist das weltweit erste Auto mit eingebauter Android-Software, die sich per Stimme steuern lässt. Mit der Vorstellung des Modells kamen die Koreaner GM einen Tag zuvor. Allerdings gibt es Konnektivität im Sonata nicht als serienmäßigen Standard, sondern nur als Teil eines Navigationssystems zum Aufpreis von 4100 US-Dollar. Momentan ist es das Bestreben von Apple und Google, in möglichst vielen verschiedenen Fahrzeugen vertreten zu sein. Die Autobauer wiederum gehen auf Nummer sicher und bieten lieber beide Plattformen an, statt auf ein künftiges Monopol zu wetten. Doch die Einigkeit ist trügerisch. Apple und Google verstehen unter einem Connected Car nicht dasselbe wie traditionelle Autohersteller. Apple verdient am Verkauf der Endgeräte für seine in sich geschlossene Informations- und Unterhaltungswelt. Für den Konzern in Cupertino ist ein Auto letztlich nichts weiter als ein rollendes RieseniPhone, dem sich alle anderen funktionellen und strategischen Aspekte unter- seinen Fahrzeugen schon weit vorn positioniert. Wenn Autohersteller auf dem umkämpften Markt der Connected Cars nicht geschickt navigieren, könnten sie dieselbe Erfahrungen machen wie vor 30 Jahren IBM mit Microsoft. Dann bauen sie nur noch die Blechhüllen und werden als Marken austauschbar, während Apple und Google mit der Software das Herz und das Hirn der Fahrzeuge ausmachen. Dann heißt es nicht mehr „Fährst Du Mercedes oder Opel?“, sondern: „Fährst Du Car Play oder Android Auto?“ Android überholt Apple Anzahl Autos, die Android Auto oder Apple Carplay nutzen oder voraussichtlich nutzen werden (in Mio.) Apple Car Play Android Auto 2015 1,0 0,8 2016 4,0 4,0 2017 8,0 9,0 2018 16,0 17,5 2019 26,0 27,0 2020 37,2 Quelle: IHS, BI Intelligence Estimates 40,0 HORIZONT 38/2015 Die Funktionsweise Die mobilen Systeme für Fahrzeuge von Apple und Google sind zusätzliche Software, die über eine Schnittstelle mit dem Auto und externen Servern Daten austauscht – nicht zu verwechseln mit den internen Betriebssystemen der Fahrzeughersteller. Mirror Link ist ein übergreifender Standard, der vor allem Android-Geräte von HTC, Samsung und Sony mit dem Auto verbindet. Nutzer schließen in bisherigen Versionen von Car Play und Android Auto ihr Smartphone per USB-Anschluss an und können dann ihre Apps inklusive solchen von Drittanbietern wie Spotify oder iHeart auf dem Monitor am Armaturenbrett sehen und per Touch, Stimme (im Wesentlichen basierend auf Siri oder Google Now) und Lenkradeinstellungen steuern. Künftig werden Connected-Car-Systeme auch ohne Umweg über das Smartphone zu nutzen sein. 60 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 FOTOS: OPEL/KAREN HUTCH Das Kind kommt zu früh? Eine Adresse ist nicht zu finden? Das Auto wurde gestohlen? Die Mitarbeiter von Opel Onstar sind per Knopfdruck rund um die Uhr verfügbar und schicken Hilfe Was kann ich für Sie tun? Connectivity im Selbstversuch: Opel Onstar hilft in vielen Lebenslagen, macht Autofahrer aber auch ein bisschen unselbstständiger Von Bettina Sonnenschein W enn es dem Kunden hilft, singt Kreshan auch ein „Happy Birthday“. Die Bitte sei zwar schon ein bisschen überraschend gewesen, erzählt er leicht amüsiert, es seien allerdings genau diese Momente, die ihm bestätigen, sich für den richtigen Job entschieden zu haben: „Ich habe zuvor schon neun Jahre im Customer Service gearbeitet“, erzählt mir Kreshan. „Aber mit einem normalen Callcenter hat das hier nichts zu tun. Das geht weit darüber hinaus.“ Mit „das hier“ meint Kreshan seinen Arbeitsplatz in der Zentrale des ServiceCenters von Opel Onstar im englischen Luton, etwa 50 Kilometer nördlich von London. Dort kümmert sich der Familienvater, der ursprünglich aus Mauritius stammt, als einer von derzeit 62 telefonischen Advisorn um Opelfahrer in ganz Europa, die per Knopfdruck aus ihrem Auto um Hilfe bitten. Das Geburtstagsständchen war dabei eine kleine Zugabe: Eine Mutter hatte ihn um die Route zum nächstgelegenen Supermarkt gebeten, als er aus dem Hintergrund eine Kinderstimme hörte. Die schrie lauthals: „Ich habe heute Geburtstag!“ Die Feststellung der Mutter, dass sich die Kleine sicher über einen gesungenen Glückwunsch freuen würde, wollte Kreshan nicht so stehen lassen. Er holte Luft und sang. Die Episode, wenngleich etwas rührig, verdeutlicht gut die persönliche Komponente hinter dem Online- und ServiceAssistenten Onstar, den Opel seit Ende August nach und nach in 13 europäischen Märkten einführt. Sie zeigt: Wer sich für Onstar entscheidet, hat es mit Menschen zu tun, nicht mit Computern. Das beginnt schon bei der Wahl der Sprache. Englisch, Deutsch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch und Polnisch werden abgedeckt, jeder Servicemitarbeiter muss mindestens drei davon fließend beherr- schen. Ein Grund, warum die Wahl für den Centerstandort auf Luton fiel: In dem Städtchen herrscht eine große ethnische Vielfalt, mehrsprachige Mitarbeiter zu finden, war dort relativ einfach. Nicht wenige der Angestellten sind allerdings auch für den Job nach Luton umgezogen. Dass die Kommunikation mit ihnen tatsächlich funktioniert, davon kann ich mir Mitte August zusammen mit zahlreichen Journalisten und Bloggern aus ganz Europa einen Eindruck verschaffen. Opel hat uns nach England eingeladen, damit wir das Assistenzsystem selbst ausprobieren. Nach einer kurzen Einführung auf dem Parkplatz eines Flughafenhotels in London Heathrow verteilen wir uns also paarweise auf eine Reihe von Opel Insignia und drücken ein ums andere Mal den blauen Knopf über uns in der Mitte: Blau bedeutet, wir haben eine Frage, eine Bitte, ein Anliegen. Der Verbindungsaufbau ähnelt dem eines Telefonats, dank der Einstellung in unserem Auto, das auf Deutsch gepolt ist, meldet sich gleich eine freundliche Dame, die uns fragt, womit sie weiterhelfen kann. Wir möchten zum Mittagessen in ein bestimmtes Restaurant. Innerhalb kurzer Zeit hat die Mitarbeiterin die Adresse gefunden, sendet uns die Route auf das Navi im Auto. S o weit, so gut. Aber hätten wir die Adresse nicht selbst eingeben können? Hätten wir. Nur dazu hätten wir erst irgendwo anhalten müssen, um uns ganz auf die Eingabe zu konzentrieren. Und als wir etwas später mitten auf der Autobahn unterwegs sind und den Notfall simulieren, indem wir behaupten, jetzt sofort ein Krankenhaus zu benötigen, ist dieser Auftrag ebenso bei 70 Meilen die Stunde in Kürze erfüllt. Unser Fahrzeug wird geortet, das der Strecke am nächsten liegende Hospital genannt, die Route erneut gesendet. In zehn Minuten könnten wir dort sein. Dass das Navi später einen neugebauten Kreisverkehr nicht erkennt, mir mein Mitfahrer aber nicht glauben will, dass er auch einfach dem M1-Schild folgen könnte – daran kann dann allerdings auch die neuerlich angerufene Mitarbeiterin nichts ändern. Für echte Gefahren sieht Onstar sowieso den roten Button vor: Bei einem Unfall oder medizinischen Notfall wird über ihn eine prioritäre Verbindung hergestellt, der Mitarbeiter stellt sich auf die Ausnahmesituation ein, fragt, ob nur das Auto einen Schaden hat oder es Verletzte gibt, und sendet dank einer Verbindung zu den entsprechenden Notdiensten im jeweiligen Land die nötige Hilfe. Dieser Aspekt erscheint mir schnell als der interessanteste. Die 365 Tage währende, rund um die Uhr mögliche Ansprache, Fragen nach dem Weg, Hilfe beim Finden eines Hotelzimmers, die Möglichkeit, das Fahrzeug jederzeit und von überall per App zu verriegeln, die Diebstahlsperre, der Wlan-Hotspot für sieben Devices im Auto – all das ist nett, suggeriert mir aber, als Autofahrer deutlich unselbstständiger zu sein, als ich in Wahrheit bin. „Onstar wird das Autofahren leichter machen“, hatte uns Projektleiterin Sarah Nicholson bei der Einführung gesagt. Möglich – wenn man es als schwer empfindet. Was ich nicht tue. Der Notfall-Knopf dagegen könnte ein Segen sein. Denn der Gedanke, nachts mit geplatztem Reifen oder noch schlimmeren Schäden irgendwo im Nirgendwo liegen zu bleiben, verliert einiges von seinem Schrecken, wenn man weiß, dass per Knopfdruck Hilfe kommt. Dank der Übertragung von Unfalldaten meldet sich Onstar im Fall der Fälle sogar von sich aus. Fragt ins Auto hinein, ob alle bei Bewusstsein sind. Fragt ins Auto hinein? Ein heikler Punkt, gerade im deutschen Markt. Denn das System steht und fällt mit einer GPSOrtung, die nicht jeder skeptische Bürger als angenehm empfindet. Für diesen Fall lässt sich Onstar aber auch offline schalten. Nur wenn der Airbag ausgelöst wird, startet eine automatische Standortsuche. In der Testphase seien schwere Unfälle zum Glück selten vorgekommen, sagt Kreshan. „Wenn es passiert, leuchtet es rot auf dem Bildschirm und ich weiß, dass es jetzt vielleicht um Leben und Tod gehen kann.“ Auch damit haben andere Callcenter-Mitarbeiter eher seltener zu tun. W ährend unseres Aufenthaltes im Service-Center bleibt es ebenso ruhig: Aus Darmstadt kommt die Bitte, ein Kegel-Zentrum ausfindig zu machen, in der Provence sucht jemand nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Routine. 90000 Anrufe erwartet Europa-Manager Brian McCreavy bis Ende des Jahres, bis zu 400000 sollen es 2016 werden. Diese Schätzungen basieren auf Erfahrungen in den USA, wo die OpelMutter General Motors schon seit 1996 mit dem System arbeitet. Seiner Zeit etwas voraus – schließlich waren die digitalen Infrastrukturen vor 20 Jahren ganz andere – kommt der Dienst in den USA, Kanada, Mexiko und China inzwischen auf rund 7 Millionen Kunden, die täglich 185000 Anfragen und monatlich mehr als 100000 Notrufe absetzen. In Europa, wo auch BMW bereits einen ganz ähnlichen Assistenten anbietet, gehen die Rüsselsheimer damit nun in die Offensive: Ein automatisches Notrufsystem wird ab 2018 in Neuwagen sowieso zur Pflicht, zusammen mit dem Assistenzdienst, der ab sofort nicht nur für die höheren Klassen, sondern für einen Großteil der Modellpalette verfügbar ist, will Opel zu den Vorreitern in Sachen Connectivity gehören. Der Erfolg wird auch von den Gesamtkosten abhängen: Die ersten zwölf Monate bleiben die Onstar-Dienste kostenlos, danach fallen 99 Euro jährlich an. Noch offen ist, was der Wlan-Hotspot zusätzlich ausmachen wird. Mithilfe geschickter Markenbindungsmaßnahmen könnte eine Verbreitung aber durchaus gelingen. Denn eines steht für mich nach dem Selbstversuch fest: Obwohl ich den Dienst rational für Schnickschnack halte, hätte ich ihn doch zu gern zur Verfügung. 62 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Ein Ziel, vieleWege Die Autohersteller mischen mit sehr unterschiedlichen Konzepten beim Carsharing-Boom mit S Von Klaus Janke chon Anfang 2014 wurde sie angekündigt, seit Juni ist die Elefantenhochzeit von Flinkster und Car2go perfekt: Kunden des jeweils einen Unternehmens können nun auch auf die Fahrzeuge des anderen zugreifen, ohne sich gesondert registrieren zu lassen. Die Deutsche-Bahn-Tochter und das Joint Venture von Daimler und Europcar ha- ben zusammen nun fast 7000 Autos im Angebot. Die Kooperation dürfte dem Thema Carsharing in Deutschland zusätzlichen Schub geben. Rückenwind genießt Carsharing ohnehin: Die rund 150 Anbieter registrierten Anfang des Jahres laut Bundesverband Carsharing über eine Million Nutzer, 37,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Das Wachstum verdankt sich vor allem den stationsunabhängigen Anbietern wie Car2go und Drivenow, dem Joint Venture von BMW und Sixt. Die „Free Floating“Services verzeichneten im vergangenen Jahr einen Nutzerzuwachs von 437000 auf 660000. Mittlerweile sind zahlreiche Autohersteller mit Carsharing-Angeboten im Markt aktiv – mit sehr unterschiedlichen Strategien. Während sich Daimler und BMW in zahlreichen Großstädten mit Free Floating profilieren, belässt es VW mit seiner Marke Quicar bislang beim Standort Hannover. Ford will lieber klei- ne Städte und den ländlichen Raum erobern und betreibt in Kooperation mit Flinkster ein stationsabhängiges Angebot im Händlernetzwerk. Ebenfalls in Zusammenarbeit mit seinen Händlern bietet Peugeot den Mobilitäts-Service Mu by Peugeot an. Citroën dagegen versucht in Berlin, den Kunden über die CarsharingMarke Multicity Elektroautos schmackhaft zu machen. Auch die Späteinsteiger Opel, Volvo und Audi überraschen mit eigenständigen Ansätzen. Tina Müller (Foto) ist überzeugt: „Es wird in Zukunft immer wichtiger, sich vom reinen Produkthersteller zum Mobilitätsdienstleister mit perfekter Vernetzung zu entwickeln“, so die Opel-Marketingchefin. Ein Schritt in diese Richtung ist Car Unity, eine innovative Carsharing-Community, die der Hersteller im Juni gestartet hat. Über die Car-Unity-App kann man sowohl Fahrzeuge mieten als auch vermieten. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen Opel oder ein Fabrikat der Konkurrenz handelt. Jeder Nutzer entscheidet selbst, wer das eigene Auto mieten darf. Die Opel Bank hat ein Paket für den Versicherungsschutz entwickelt. Das Marketing für Car Unity konzentriert sich unter dem Motto „Wer teilt, fährt besser“ zunächst auf das Rhein-Main-Gebiet. Ende Juli meldete Opel über 5000 Nutzer und ein Angebot von rund 1500 Autos auf der Plattform. „Schwedenflotte“ heißt der Service, den Volvo im Januar gemeinsam mit dem Mobilitätsdienstleister CC Unirent System gestartet hat. Dabei bieten Volvo-Händler Kurz- und Langzeitmiete von Fahrzeugen für Privat- und Gewerbekunden an. Volvo will damit auf den Rückzug vieler großer Autovermieter aus der Fläche reagieren. Rund 100 Volvo-Händler stellen bundesweit bislang 260 Fahrzeuge zur Verfügung. Abgerechnet wird komplett elektronisch über eine App, die auch zur Anmeldung und Reservierung von Fahrzeugen dient. Das Konzept sieht für die Kurzzeitmiete ein Free-Floating-System vor. Wer für einen längeren Zeitraum buchen will, holt den Wagen beim Händler ab und bringt ihn auch dorthin zurück. Der Startschuss fiel im Juli auf der Nordseeinsel Sylt: Hier stehen für Urlauber 20 neue Volvo XC 90 an sieben über die Insel verteilte Stationen zur Verfügung. Die „Schwedenflotte“ soll bis zum Jahresende 2015 auf über 1000 Fahrzeuge ausgebaut werden. Mit einem besonderen Angebot der „Premium-Mobilität“ für etwas betuchtere Nutzer wartet Audi auf: Kunden des Standorts Audi City in Berlin können seit April 2014 Audi Select nutzen und sich damit für viel Abwechslung entscheiden. Für Preise ab 1000 Euro pro Monat kann man ein Jahr lang hintereinander bis zu drei verschiedene Audi-Modelle fahren. Die Tarife richten sich nach den Modellen, die Palette reicht vom A3 Sportback E-Tron bis zum Sportwagen R8. Im Preis sind Zulassung, Steuern, Versicherung und Wartung eingeschlossen. Das Angebot richtet sich insbesondere an Fahrer, die je nach Saison zwischen verschiedenen Modellen wählen wollen, etwa ein Cabrio im Sommer und ein SUV im Winter. Zielgruppe sind auch Dienstwagennutzer, die häufiger das Modell wechseln wollen. Audi Select geht nach dem Start in Berlin nun in die nächste Phase: Seit August ist der Service nach Unternehmensangaben bei „einer mittleren zweistelligen Zahl“ an Händlern in ganz Deutschland erhältlich. Innerhalb der nächsten zwölf Monate werde eine „weitere Skalierung“ vorbereitet. HORIZONT 38/2015 17. September 2015 REPORT AUTOMARKETING 63 Mobilität für alle: Auf der IAA kommen die Verspielten, die Kleinen, die Mutigen und die Zukunftsorientierten zum Zug Wo die Reise hingeht Die 66. IAA ist nicht nur Plattform für 210 Weltpremieren, sie wartet auch mit einem großem Rahmenprogramm auf Von Bettina Sonnenschein F ahrzeuge ohne Ende – damit ist auf der alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen AutomobilAusstellung in Frankfurt (IAA) immer zu rechnen. Aber Modellpremieren und Herstellerstände sind bei aller Vielfalt längst nicht alles: Für das, was es außerdem zu sehen, testen und erleben tätslösungen für die Zukunft Gedanken machen. Aufgeteilt ist die Ausstellungsfläche in fünf schwerpunktartige Themenbereiche: Connected Car, Automated Driving, E-Mobility, Urban Mobility und Mobility Services. Wer künftig ein Auto kauft, so VDA-Präsident Wissmann, will damit auch eine mobile Online-Kommunikationsplattform. Zudem würden Vernetzung und Automatisierung das Autofahren noch sicherer machen. Staus könnten vermieden werden, Auffahrunfälle gehörten der Vergangenheit an: „Das ist unsere Vision“, so Wissmann. „Sie wird nicht über Nacht Realität. Aber konkrete Schritte auf dem Weg dorthin werden auf der IAA sichtbar.“ Die zugehörigen zentralen Veranstaltungen der New Mobility World wenden sich an Presse- und Fachbesucher, doch auch während der Publikumstage vom 19. bis 27. September gibt es zahlreiche Vorträge und Diskussionsrunden. ● Elektromobilität: Sie ist aus Sicht von gibt, könnten allein mehrere Tage eingeplant werden. „Der Wunsch der Menschen nach individueller Mobilität ist weltweit steigend“, sagt Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie, der die IAA veranstaltet. „Und das Auto befindet sich mitten in einer beschleunigten digitalen Evolution.“ Ein Grund, warum das Motto der diesjährigen Messe „Mobility connects“ lautet. Vernetzung, automatisiertes Fahren, alternative Antriebe – um diesen Themen gerecht zu werden, wurde die Veranstaltung um eine Neuheit erweitert, die vermutlich eines der zahlreichen Highlights bilden wird: ● New Mobility World: Auf insgesamt 30000 Quadratmetern in Halle 3.1 sowie auf der Freifläche davor versuchen die Veranstalter, sämtliche Aspekte der Verknüpfung von Mobilität und digitaler Welt abzubilden. Zusätzlich zu ihren Markenständen trifft hier eine Vielzahl von Autoherstellern und Zulieferern auf Unternehmen aus der Informations- und Kommunikationstechnologie sowie aus Branchen, die sich ebenfalls um Mobili- Wissmann ein Kernbereich der diesjährigen Messe. Das Thema wird daher zum einen – wie oben bereits erwähnt – auf der New Mobility World besetzt: In der dortigen sogenannten E-Galery präsentieren die Hersteller BMW, Ford, Audi, Kia, Opel, Daimler, Nissan und Mitsubishi ihre entsprechenden Fahrzeuge, auf der „Electric Vehicle Plaza“ sind die Antriebs- und Ladetechniken dazu zu sehen. Zum anderen werden viele Hersteller und Zulieferer ihre technologischen Beiträge zu dem Thema präsentieren. „Gerade im urbanen Bereich haben Elektrofahrzeuge enorme Vorteile“, sagt Wissmann. „Sie fahren lokal emissionsfrei – und haben zudem deutlich geringere Nutzungskosten.“ Der VDA-Präsident nutzt die Messeplattform aber auch für eine Forderung: Die Rahmenbedingungen müssten stimmen und hier sei die Politik gefragt, entsprechende Impulse zu setzen. Wunschmodell einmal ausprobieren möchte. Aber erstens gehören solche Termine zu denen, die man dann doch immer auf ein anderes Mal verschiebt, zweitens wird im Rahmen der IAA einfach ein viel größeres Erlebnis daraus. Unter anderem weil vor und nach der Probefahrt direkte Vergleiche mit der Konkurrenz möglich sind. Acht Aussteller (Citroën, DS Automobiles, Hyundai, Kia, Maserati, Renault, Toyota und VW Nutzfahrzeuge) bieten während der Messe Probefahrten im öffentlichen Straßenverkehr. Eine vorherige Anmeldung ist allerdings auch hier notwendig. ● Geländewagen-Teststrecke: Mit dem sportgeschichte ist die diesjährige Sonderausstellung historischer Automobile gewidmet, die der Automobilclub von Deutschland, kurz AvD, ausrichtet. Auf 900 Quadratmetern geht es um alte Flitzer aus 111 Jahren, darunter Rennwagen aus den 1930ern ebenso wie einen einsitzigen Formel-3-Renner, Tourenwagen, Rallye-Autos sowie das Prunkstück der Sonderschau, den Benetton B194 von Michael Schumacher. SUV zur Arbeit fahren, mag bequem sein – doch es hat nichts damit zu tun, was in einem echten Geländewagen wirklich steckt. Eine Fahrt über den Off-RoadParcours auf dem Freigelände der Messe vermittelt da einen sehr realen Eindruck. Wenn gerade keine Sanddüne oder ausgetrocknetes Wadi in der Nähe ist, eine durchaus annehmbare Alternative. ● Probefahrten: Natürlich, eine Verab- redung mit dem Händler ist eigentlich jederzeit möglich, wenn man sein Weltweiter Spezialist für den Zuliefermarkt Jetzt also auch noch auf königlichem Boden: Vom 7. bis 9. Juni 2016 findet erstmals eine Automechanika in Birmingham statt, „die erste Veranstaltung in der erfolgreicheninternationalen Entwicklung der Messe Frankfurt, die das Unternehmen im Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland organisiert“, wie Detlef Braun kürzlich bekannt gab. Der Geschäftsführer der Messe Frankfurt ist stolz darauf, auch weil die größte internationale Messemarke für den automobilen Zuliefermarkt und Aftermarket damit auf 15 Veranstaltungen weltweit anwächst. In der Heimatstadt Frankfurt wechselt sich die Veranstaltung im Zweijahresrhythmus mit der IAA ab, schon jetzt laufen die Vorbereitungen für 2016. Bereits Ende Juli waren 65 Prozent der Ausstellungsfläche für den 13. bis 17. September 2016 belegt, mehr als 1700 Aussteller aus 59 Ländern haben ihre Teilnahme bis dahin schon bestätigt. Mehr denn je wird es bei der Automechanika darum gehen, sich als Plattform für Innovationen und zukunftsweisende Lösungen zu präsentieren. Aus diesem Grund wird in der FrankfurterFesthalle,alsoeinerderexponiertesten Stellen der Messe, die After-Sales-Welt von morgen zu sehen sein: Mit „Tomorrow’s Service & Mobility“ tragen die Veranstalter der Entwicklung Rechnung, dass sich die Kundenbedürfnisse sowie die Anforderungen an Fahrzeuge durch automatisierte Prozesse verändern. Connectivity, alternative Antriebe, automatisiertes Fahren und Mobility Services stehen darum dort im Mittelpunkt – sowohl in Form existenter Lösungen als auch als Zukunftsvision. ● Oldtimer-Sonderschau: Der Renn- ● Carrera Minirennstrecke: Für viele Erwachsene ist ein Auto nichts anderes als ein großes Spielzeug – eine Spielzeugrennbahn wiederum nehmen viele Erwachsene sehr ernst. Da ist es nur logisch, dass Carrera zum wiederholten Mal eine seiner Rennbahnen auf die Messe bringt. Und die ist, auch wenn sie sich Mini nennt, bestimmt deutlich größer als das, was in den üblichen heimischen Keller passt. ● Unterhaltung für Kinder: Apropos Spielzeug – nicht jedes Kind findet es nach Stunden immer noch so spannend auf dem Messegelände wie seine Eltern. Etwas Abwechslung bietet zum einen das IAA-Kinderkino in Halle 4.2. (Raum Brillanz). Dort gibt es ein Programm für Kinder ab fünf Jahren. Und wenn sie doch etwas Lust auf Fahrspaß haben, können sie auf dem Freigelände in der LegolandFahrschule erste Versuche unternehmen. Im Mini Elektro-Hyundai können 3- bis 13-Jährige sogar ihre erste Führerscheinprüfung ablegen. 64 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Intendierter Tunnelblick Die Agenturen Schmidhuber und Mutabor wollen den IAA-Besuchern auf dem AudiMessestand ein Markenerlebnis für alle Sinne bieten Hebt sich schon von außen ab: Audis Messestand ist ein temporäres Gebäude Das dreistöckige temporäre Messe-Bauwerk von Audi entsteht auf einer Grundfläche von 70 mal 55 Metern auf der Agora-Freifläche. Insgesamt wurden hierfür mehr als 200 Kilometer Kabel verlegt und knapp 700 Quadratmeter LED-Fläche verbaut. Der Ausstellungsbereich im Inneren des Gebäudes bietet Platz für 33 Automobile. Für Konzeption und Umsetzung sind die Agenturen Schmidhuber + Partner sowie Mutabor Design verantwortlich. D ie Premiummarken Audi, BMW und Mercedes-Benz liefern sich alle zwei Jahre einen inoffiziellen Wettstreit um den spektakulärsten IAA-Messeauftritt. Dabei muss sich Audi besonders anstrengen, denn die Budgets der Konkurrenten aus München und Stuttgart dürften um einiges höher sein. Zudem hat der Ingolstädter Konzern die eigene Messlatte bereits vor vier Jahren auf Rekordhöhe gelegt: Damals faszinierte die Marke mit dem „Audi-Ring“, einem Fahrparcours, der sich über zwei Ebenen kreisförmig erstreckte und schließlich in einer multimedialen Show mündete. Dieses Jahr werden die Autos zwar nicht fahren, dafür verspricht Audi den Besuchern, die Marke mit allen Sinnen erleben zu können. Wie in den vergangenen Jahren hat der Autobauer auf der zentralen Agora-Freifläche des Frankfurter Messegeländes gebaut – oder genauer gesagt: bauen lassen. Seit vielen Jahren konzipiert und realisiert die Münchner Agentur Schmidhuber + Partner die IAAPräsenz der Volkswagen-Konzerntochter. Einen besseren Partner könnte sich Audi nicht wünschen: Die Experten für Kommunikation im Raum wurden gerade zum dritten Mal in Folge zum kreativsten Dienstleister ihrer Zunft gekürt. Das geht aus dem gemeinsamen Ranking von Famab, „W&V“ und HORIZONT hervor. Schmidhuber ist allerdings nicht allein am Werk: Die Agentur hat das IAA-Gesamtkunstwerk, bei dem es sich weniger um einen Messestand als um ein temporäres Gebäude handelt, zusammen mit Mutabor entwickelt. Die Hamburger Agentur löst damit das Münchner Designbüro KMS Team ab, das in den vergangenen Jahren große kreative Erfolge mit Schmidhuber und Audi feiern konnte. Mutabor wiederum war zwischen 2003 und 2010 schon einmal für die Ingolstädter aktiv. Dieses Jahr kommen vor allem das Motion Design und die grafischen Inszenierungen von den Hamburgern, während sich Schmidhuber um die haptischen, räumlichen und materiellen Elemente gekümmert hat. Die Idee basiert auf den vier Fokusthemen von Audi: Sport, Quattro, Technologies und Ultra. Dabei seien die In- novationen von Audi noch nie zuvor so detailliert erklärt worden wie auf der IAA 2015, sagt Luca de Meo, Vorstand für Vertrieb und Marketing bei Audi. „Und gleichzeitig werden wir unseren Besuchern mehr Erlebnis denn je bieten. Diese Verbindung ist einzigartig.“ Die Besucher betreten die Audi-Welt via Rolltreppe und werden anschließend durch den sogenannten Experience Walk geführt. Dabei handelt es sich um eine organisch vernetzte Leichtbauskulptur, die sich aus der Fassade des freistehenden Gebäudekubus entwickelt. Die rund 100 Meter lange Strecke führt durch die vier Themenwelten und bietet dabei höchst unterschiedliche Erlebnisse, die alle Sinne ansprechen sollen. So handelt es sich bei der Quattro-Welt um einen Raum aus Eis, die Sport-Welt ist laut und dynamisch, im Ultra-Universum dreht sich alles um Effizienz, bei Technologies steht das Innovationsportfolio im Fokus. Hier sind die Materialien weich, der Gang ist akustisch gedämmt. „Die Markenaufladung erreichen wir, indem wir das übrige Messegeschehen vor dem Eintritt in die Audi-Ausstellung ausblenden und den Besucher in einem geschlossenen Gang einmal um den Stand herum führen. In diesem Kommunikationstunnel wird er mit den Kernthemen konfrontiert. Das Warten vor dem Pavillon wird zum emotionalen Einschwören auf Audi genutzt“, erklärt Mutabor-Chef Johannes Plass. „Der Besucher erlebt und ,begreift‘ die vier Fokusthemen und begegnet anschließend Marke und Produkt im Zusammenspiel“, ergänzt Michael Ostertag, Kreativgeschäftsführer von Schmidhuber. D er große Star dieses Erlebniskinos ist der neue Audi A4. Das meistverkaufte Modell der Marke wird mittig auf einer Drehplattform präsentiert, die Teil eines überdimensionalen Kompasses ist. Dreht sich der Kompass in eine der vier Himmelsrichtungen, wechselt die mediale Ausstellung zwischen den vier Themenwelten. Zu den weiteren Highlights zählt die Weltpremiere des Audi e-tron quattro concept. Das sportliche SUV soll einen Ausblick auf das erste Großserien-Elektroauto der Marke geben. „Noch nie haben wir einen Messeauftritt thematisch so stringent entwickelt wie diesen“, resümiert de Meo. Er und sein Team haben die vier Themenfelder vor zwei Jahren definiert, um die unterschiedlichen Zielgruppen differenzierter anzusprechen. Früher standen vor allem die aus dem Claim „Vorsprung durch Technik“ resultierenden Kernwerte Progressivität, Dynamik und Hochwertigkeit im Fokus. Natürlich ist „Vorsprung durch Technik“ weiterhin das zentrale Motto der Marke. Nur wird das heute mit den Themen Sport, Quattro, Technologies und Ultra verbunden, die jeweils für eine eigene Welt und ein bestimmtes Lebensgefühl stehen. „Ich kenne nur wenige Kunden, die auch ihre Anforderungen an den Messeauftritt einem Gesamtkonzept unterordnen können“, sagt Plass. „Das macht am Ende aber den Impact aus.“ FOTOS: KELLER-FOTOGRAFIE.DE Die Eckdaten Von Bärbel Unckrich Sowohl während des Experience Walk als auch auf der eigentlichen Ausstellungsfläche wird der Besucher mit zahlreichen Medienflächen konfrontiert. Ostertag ist überzeugt, dass „der Umgang mit der Medientechnik Benchmarks setzt.“ Und zwar, „indem Filmbespielung, Produkte und Architektur eine Einheit bilden und dem Besucher auf diese Weise ein beeindruckendes, multimediales Erlebnis bieten.“ Ein Beispiel dafür: In der Fahrzeughalle befinden sich auf riesigen schräg gestellten LED-Wänden echte Autos, die sich drehen können. Diese werden in die Medienbespielung integriert. Wenn etwa der berühmte QuattroSchanzenfilm läuft, wird das reale Auto zum Bestandteil des im Hintergrund ablaufenden Videos. „Man kann sich das wie ein überdimensionales 360-Grad-Erlebniskino vorstellen“, erklärt Ostertag. Vier Themenwelten gliedern den Messeauftritt. Die QuattroWelt aus Eis (oben) ist einer davon. Auf zahlreichen Medienflächen werden verschiedene Modelle in Szene gesetzt 68 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 In Szene gesetzt Mit ausgefallenen Standkonzepten und interaktiven Features wollen Hersteller den IAA-Besuchern im Gedächtnis bleiben Mit mehr als 12000 Quadratmetern Fläche, zwei bebauten Ebenen und einer deutlich erweiterten Fahrbahn ist der diesjährige Stand der bislang größte der BMW-Gruppe (Kreation: Meiré und Meiré). Eine spezielle BMW-IAA-App bietet die Möglichkeit, hinter die Kulissen des Auftritts zu blicken und dank eines Audioguides und Augmented-RealityFeatures vertiefende Inhalte zu Fahrzeugen und Innovationen zu entdecken. Neben der Vorstellung des neuen BMW 7er zählt auch die Weltpremiere des runderneuerten BMW X1 zu den Highlights: Um den Allrounder perfekt in Szene zu setzen, erhebt sich ein Felsmassiv von 50 Quadratmetern aus der Standarchitektur über beide Ebenen des Messestandes hinweg. Redaktion: Anna Lisa Lüft Der Stand von Kia Motors ist wieder größer geworden. Auf rund 2200 Quadratmetern ist Platz für insgesamt 17 Fahrzeuge, darunter die neue Generation des Kompakt-SUV Kia Sportage und der Limousine Kia Optima. Thematisch stehen bei Kia alle Zeichen auf Fußball. Der Partner von Fifa und Uefa stimmt auf die 2016 anstehende Europameisterschaft in Frankreich ein und präsentiert am letzten Messe-Wochenende beispielsweise den EM-Pokal. HORIZONT 38/2015 17. September 2015 REPORT AUTOMARKETING 69 In der Frankfurter Festhalle inszenieren die Agenturen Atelier Markgraph und Jangled Nerves auf über 9000 Quadratmetern und drei Ausstellungsebenen die MercedesProdukte in verschiedenen Themenräumen. Die Besucher gleiten auf Rolltreppen im Zentrum der Gesamtinszenierung 13 Meter in die Höhe. Von den Rängen bieten sich neue Perspektiven auf das 450 Quadratmeter große Bühnen-Setup, wo fahrende Automobile, Film, Live-Bild, Musik und Moderationen präsentiert werden. Fahrbewegungen werden wie bei Sport-Übertragungen live von einer Spider-Cam eingefangen. Citroën stellt gleich zwei Studien vor: Zum einen wird in einer Europapremiere der SUV Aircross, zum anderen das Concept Car Cactus M, das vom legendären Strandauto Méhari inspiriert ist, vorgestellt. Mit dem neuen DS 4 und dem DSV-01, einem Formel-ERennwagen, mit dem das neu gegründete DS Virgin Racing Team in die kommende Saison der Formel E-Weltmeisterschaft einsteigen wird, feiert auch DS Automobiles zwei Weltpremieren. Mini präsentiert sich auf der IAA erstmalig komplett im neuen Corporate Design. Im Mittelpunkt des Auftritts steht die Weltpremiere des Mini Clubman. Mit der Neuauflage des Erfolgsmodells tritt Mini erstmals in die nächsthöhere Fahrzeugklasse ein. Unter dem Leitgedanken „The Clubman Dialogues“ sind die Besucher unter anderem dazu eingeladen, das 9 Meter hohe digitale Schaufenster in der Standfassade durch Twitter-Botschaften mitzugestalten und die Produkt-Features an interaktiven Exponaten zu entdecken. Im Mini Lifestyle Shop gibt es sogar vom Clubman inspirierte Accessoires wie Hüte, Brillen, Schuhe und Düfte. 70 REPORT AUTOMARKETING A lle zwei Jahre im September versammelt sich die Autowelt in Frankfurt, wenn mit der IAA die größte Fahrzeugmesse ihre Pforten öffnet. Die gesamte Autowelt? Nein, denn in diesem Jahr bleibt mit Volvo erstmals ein wichtiger Player der bedeutendsten europäischen Pkw-Schau fern. Was auf den ersten Blick wie ein verzweifelter Tritt eines kriselnden Herstellers auf die Kostenbremse aussieht, entpuppt sich bei der schwedischen Premiummarke als konsequente Marketingentscheidung mit Kalkül. Denn Alain Visser, President Global Brand Marketing der Volvo Group in der Göteborger Unternehmenszentrale, hat 2014 entschieden, dass Volvo künftig weltweit nur noch auf drei Messen pro Jahr Flagge zeigen wird in Genf, Detroit sowie im jährlichen Wechsel in Peking beziehungsweise Shanghai. „Wir haben bei großen Messen Millionen ausgegeben, nur um zu zeigen, dass wir kleiner sind als Audi, BMW und Mercedes“, sagt Visser. Dies sei keine clevere Strategie. „Auf einer Messe nicht präsent zu sein, ist ein mutiger Schritt“, findet Göran Göring, Geschäftsführender Gesellschafter der Agentur Stagg & Friends in Düsseldorf. Dadurch würden jedoch Ressourcen frei, um auch einmal kommunikative Experimente zu suchen (HORIZONT 16/2015). Und so will Visser das Wachstum der Marke mit Investitionen in andere Marketingmaßnahmen weiter anschieben, keineswegs jedoch die Messebudgets einfach einsparen. Denn nachdem 2014 weltweit ein Rekordabsatzvon465866verkauftenFahrzeugenvermeldetwurde,soll2015dieMarke von 500000 und 2020 von 800000 erreicht werden. Ohne Kommunikationsoffensive lassen sich die ambitionierten Ziele indes nicht erreichen. Nun mag es für Fans der schwedischen Marke in Asien und Amerika verschmerzbar sein, die Objekte der Begierde nicht in Frankfurt aus der Nähe betrachten zu können. Für Volvo Deutschland jedoch bricht mit dem Verzicht auf die IAA eine wichtige Begegnungsstätte mit der Marke aus dem Plan. Denn von den knapp 900000 IAA-Besuchern, so Volker Brien, Geschäftsleiter Marketing Communications, würden sich immerhin 90000 mit der Marke Volvo auseinandersetzen. Deshalb haben Brien und Thomas Bauch, der seit Februar 2014 die Geschäfte von Volvo Car Germany führt, mit Hochdruck an einem Alternativkonzept gearbeitet, um das deutsche Publikum mit Volvo in Kontakt zu bringen. B Schwedenstil inklusive Kaffeebar und Lounge. Im 1. Stock stehen bereits optisch mit weißen Fliesen und großen Touchscreens Technikthemen im Vordergrund, nicht zuletzt, um den Innovationsanspruch der Premiummarke zu demonstrieren, der laut Brien in der Markenwahrnehmung noch zu kurz komme. Die Anmutung entspricht der neuen Showroom-CI „Volvo Retail Experience“, die schrittweise bis spätestens 2020 bei den Händlern umgesetzt wird. Nach Sylt machte das Volvo Forum bereits bei der Hanse Sail in Rostock und den Cruise Days in Hamburg Station, insgesamt stehen in diesem Jahr 15 Stationen auf der Agenda, die laut Bauch 3,6 Millionen Bruttokontakte bringen sollen. „2016 streben wir 4,5 Millionen Bruttokontakte mit 30 bis 40 Stationen des Volvo Forums an, das sind fünfmal mehr als bei der IAA“, rechnet Bauch vor. Abgesehen Volvo verzichtet auf die IAA und sucht Kundenkontakt stattdessen mit einem modularen Ausstellungskonzept Volvo im Vorwärtsgang Die schwedische Premiummarke hat als Teil des chinesischen Geely-Konzerns einen Lauf. Der weltweite Absatz kletterte 2014 auf die Rekordmarke von 465866 Fahrzeugen. In Deutschland stiegen die Zulassungen von 25795 im Jahr 2010 auf 31919 im Jahr 2014. Von Januar bis August 2015 wurden hierzulande 22719 Volvo zugelassen, 11,2 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bestseller ist das Mittelklasse-SUV XC 60, gefolgt von den Limousine-/Kombi-Reihen 40, 60 und 70. Das TopModell XC 90 liegt aktuell 2015 60 Prozent im Plus. von Events im maritimen Umfeld, bei denen die Marke auch an ihr Segelsport-Engagement im Volvo Ocean Race anknüpfen kann, zählen Freizeitmessen, Kunstevents und kulinarische Veranstaltungen zu den ausgesuchten Bühnen. „Auch ein Architektenkongress ist für uns ein hochinteressantes Umfeld“, sagt Marketingchef Brien. „Von 3000 Teilnehmern interessiert sich dort jeder fünfte für Volvo, das ist eine deutlich höhere Kontaktqualität.“ Man habe intensiv analysiert, wo Volvo seiner spezifischen Zielgruppe am besten begegnen könne. So dürfte ein Forum beispielsweise in einer Münchner Fußgängerzone zu den weniger treffsicheren Auftritten zählen. Den genauen Forum-Kalender kommuniziert Volvo allerdings nicht, schon allein, um Wettbewerber nicht frühzeitig auf die Spur zu locken. Markentempel: Dank Modulkonzept kann sich Volvo auf vielen Events präsentieren D Mazda sucht die Nähe zu Mode, Design & Lifestyle Auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas und der Mobile World in Barcelona avancieren Mercedes, Audi, BMW, Ford und Co seit 2013 zunehmend zu Stammgästen, um ihre Konnektivitäts- und Mobilitätskonzepte der Zukunft zu inszenieren. Mazda Deutschland hingegen begibt sich seit 2014 außerhalb der klassischen Autoshows gezielt in die Welt von Mode, Design und Lifestyle, um seine Marke in ein interessantes Licht zurückenundmitZielgruppeninKontaktzutreten, die in der Regel kein Benzin im Blut haben. Den Auftakt bildete im Juli 2014 die Modemesse Bread & Butter inBerlin, wo die Japaner ihre Designstudie Hazumi präsentierten (HORIZONT 28/2014). Im Frühjahr 2015 bildete der Mazda Design Space im Rahmen der Milan Design Week einen Showroom der besonderen Art, in dem Inszenierungen rund um das markentypische Kodo-Design-Konzept stattfanden. Neben Mode- und Designshows waren die Mazda-Auftritte auf der Eurobike in Friedrichshafen, der Food & Life in München sowie der IFA in Berlin zu finden. Dort stand Anfang Septem- ber dieses Jahres der neue Roadster im Rampenlicht, ausgestattet mit einem Bose Soundsystem. Im Vergleich zu den generierten Leads auf einer Automesse wie die AMI Leipzig, der Mazda 2014 fernblieb, hätte laut Marketingdirektor Dino Damiano Mazda-Präsenz auf der Bread & Butter, IFA, EurobikeundFood&LifeeineverdoppelteZahlvon Anfragen gebracht. Vor diesem Hintergrund wird der Importeur an dem eingeschlagenen Weg raus aus klassischen Automessen und rein in neue JOZ Themenumfelder auch 2016 festhalten. FOTOS: MAZDA ereits im Juli 2015 konnte das Volvo Forum genannte modulare Ausstellungskonzept im Rahmen des Surf Weltcups auf Sylt Premiere feiern. „Uns war wichtig, noch vor der IAA zu zeigen, wie wir uns künftig den Kunden außerhalb der Autohäuser präsentieren“, sagt Bauch, zumal Volvo rund um die IAA-Zeit weitgehend auf Kommunikation verzichte. Auf der Westerländer Strandpromenade konnten Flaneure die L-Version des Forums begutachten, die mit neun Modulen in Standard-Container-Größe auf drei Ebenen und einer Fläche von 120 Quadratmetern und 9 Metern Höhe eine unübersehbare Landmark darstellt, insbesondere mit dem „Jewel Cube“, einem Schaukasten auf Ebene 3, welcher das Top-Modell in Szene setzt. Die Module M und S sind jeweils zweistöckig gestaltet, während das XS-Modul mit zwölf Quadratmetern Grundfläche als Anhänger gezogen und von Händlern für kleinere Events gebucht werden kann. Im Erdgeschoss erwartet die Besucher eine Wohnzimmeratmosphäre im Allein auf weiter Flur 17. September 2015 FOTOS: VOLVO Von Jochen Zimmer HORIZONT 38/2015 Mazda fährt nicht nur auf Automessen vor, sondern präsentiert sein Kodo-Designkonzept im April 2015 beispielsweise auf der Milan Design Week ie Koordination der Events liegt bei Volvo Car Germany, die Auftritte vor Ort werden in enger Zusammenarbeit mit Volvo-Partnern durchgeführt. Diese können – auf eigene Kosten – auch direkt auf die Module zugreifen und für Veranstaltungen im lokalen Umfeld nutzen, was sie laut Brien auch rege in Anspruch nehmen. „Wir investieren für das Volvo Forum pro Jahr 1,7 Millionen Euro, also den Betrag, den Volvo Car Germany bislang nur alle zwei Jahre für die IAA aufgewendet hat“, umreißt Brien auch die finanzielle Größenordnung des Projekts. Dadurch erhöhe sich auch der Anteil von Events im Kommunikationsmix auf ein Drittel, die damit ein ebenso wichtiges Standbein wie klassische und digitale Maßnahmen bildeten. Selbstredend wird der Zulauf zu den Volvo Foren dabei nicht dem Zufall überlassen, sondern die Auftritte im Vorfeld und im regionalen Umfeld der Events gezielt kommuniziert. Insgesamt ist das Projekt zunächst auf fünf Jahre angelegt, wobei es natürlich elementarer Bestandteil der langfristigen Marketingstrategie ist. Und dies nicht nur für Deutschland, wie auch Visser betont. Wenn sich das Konzept bewähre, werde es sicher auch in anderen Ländern eingeführt. HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 71 17. September 2015 Neu auf der IAA Vor allem die deutschen Hersteller, aber auch viele Importeure werden in Frankfurt mit zahlreichen frischen Modellen und technischen Innovationen aufwarten. HORIZONT stellt die interessantesten neuen Limousinen, SUVs und Cabrios vor Gegenwind für den Golf KompaktKlasse Die Kompaktklasse bleibt heftig umkämpft Mit saftigen Rabatten hat Volkswagen in den vergangenen Monaten den Golf angepriesen. Will man potenzielle Käufer noch im letzten Moment davon abhalten, sich für den neuen Opel Astra zu interessieren? Oder kriselt es allgemein in der Kompaktklasse? Zumindest der Absatz lässt sich nach wie vor sehen: Das bei weitem wichtigste Segment im deutschen Markt wuchs in den ersten acht Monaten des Jahres auf über 563000 Neuzulassungen, ein Plus von 7,5 Prozent. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2014 standen unterm Strich lediglich 3,6 Prozent Steigerung. Doch im umkämpftesten Segment muss man auch mit geringen Margen und hartem Wettbewerb leben. VW wird den Golf Anfang 2016 auffrischen, ein Jahr später soll der Golf VIII folgen – so lange muss die Konkurrenz in Schach gehalten werden. Auf den Markt kom- Im Jahr 2001 lief der letzte Suzuki Baleno vom Band. Pünktlich zum 35-jährigen Jubiläum des japanischen Herstellers in Deutschland feiert der Kompaktwagen nun seine Wiedergeburt, unter anderem mit innovativer Technologie wie einer Direkteinspritzung, um Kraftstoff zu sparen und den Fahrspaß zu erhöhen. Der Baleno ist die Serienversion des Concept Car iK-2, das bereits auf dem diesjährigen Genfer Autosalon vorgestellt wurde. VW Golf mit Abstand vorn Top 5 Neuzulassungen in der Kompaktklasse Neuzulas- Veränd. zu Neuzusungen Vorjahres- lassungen Jan. bis Aug. zeitraum 2014 2015 in Prozent gesamt VW Golf 179 267 14,9 255 042 Audi A3, S3, RS3 39 950 –8,0 65 199 Škoda Octavia 38 250 7,7 52 620 Opel Astra 36 918 15,7 46 193 Ford Focus 34 441 –4,7 49 494 Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt HORIZONT 38/2015 Assistenzsysteme, Komfortextras, Frontkameras. Was eigentlich nur in Premiumautos zu finden ist, steckt nun auch im neuen Opel Astra. Dass die Rüsselsheimer mit dem Flitzer die Oberklasse ärgern möchten, zeigt auch die von André Kemper und Scholz & Friends erdachte Kampagne, in der der Astra mittels Rampe Fahrzeuge von Mercedes, Audi und Jaguar „überfliegt“. Nach der IAA steht er bei den Händlern. Redaktion: Klaus Janke, Anna Lisa Lüft, Giuseppe Rondinella men dann auch der neue Ford Focus und eventuell schon der nächste BMW 1er, erstmals mit Frontantrieb. Zudem hat Toyota gerade den Auris in überarbeitetem Design auf den Markt gebracht (siehe Seite 88). Weitere Konkurrenten in der Kompaktklasse geben sich auf der IAA mit Novitäten die Ehre. So hat MercedesBenz der A-Klasse ein Facelift spendiert, das Auto steht mit frischem Erscheinungsbild ab Ende September bei den Händlern. PSA stellt den Peugeot 308 GTi vor, einen Kompaktsportler in Ausführungen mit 250 und 272 PS – er könnte dem Golf GTI Käufer abjagen. Komplett neu im Segment ist der Infiniti Q30 der Premium-Schwestermarke von Nissan. Auf Basis des GLA von Kooperationspartner Mercedes-Benz fährt der Q30 mit bekannter Technik, wirkt aber optisch wie ein SUV und liegt damit voll im Trend. Dynamisches Design und eine neue Lichtsignatur an Front und Heck – das fällt bei der vierten Generation des Renault Mégane sofort auf. Selbstbewusst prangt das Markenemblem auf dem breiten Kühlergrill und verbindet optisch die beiden Scheinwerfer. Der französische Hersteller will damit endlich den Abstand auf den VW Golf wieder verringern. Das Modell wird Anfang 2016 bei den Händlern erhältlich sein, ebenso wie eine sportliche GT-Version. Unter der vor fünf Jahren wiederbelebten Marke DS Automobiles präsentiert PSA eine neue Version der Premium-Kompaktlimousine DS 4. Mit schickem Design, erneuerter Frontpartie, leistungsstarken Motoren und erweiterten Variationsmöglichkeiten im Innenraum soll der DS 4 den „avantgardistischen Geist“ der Marke unterstreichen, so PSA. Den DS gibt es nun auch in einer zweiten Ausführung: Die Crossback-Version (Foto), 30 Millimeter höher und im SUV-Look, spricht Käufer an, die es sportlicher mögen. 72 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 Mehr Technik, mehr Raum Mittel- bis Oberklasse Mittel- und Oberklasse mit optimierten Modellen Mit dem Ghibli greift Maserati seit 2013 mit einer Premium-Businesslimousine in der oberen Mittelklasse an. Auf der IAA stellt der Sportwagenhersteller aus Modena neue Ausstattungsfeatures und verbesserte Technik vor, in deren Genuss Ghibli-Käufer seit Juli ohne Auspreis kommen. Dazu gehören verbrauchsärmere Euro-6-Motoren und eine serienmäßige Start-Stop-Funktion. Auf Wunsch gibt es zudem eine Totwinkel-Überwachung sowie einen Siri-Assistenten. Darüber hinaus ist ein Ausstattungspaket für den Innenraum zu haben, das in Kooperation mit dem italienischen Modehaus Ermenegildo Zegna kreiert wurde. Die Händler öffnen die Order-Bücher für den neuen Audi A4. Kunden können sowohl die Limousine als auch den Avant ab sofort bestellen. In beiden Mittelklassemodellen bietet die Marke mit den vier Ringen neueste Antriebstechnologien sowie Infotainment- und Fahrerassistenzsysteme. Seit 2007 fährt sein Vorgänger durch die Straßen, 2011 gab es einige Retuschen. Nach dem A3 und vor dem A6 ist der A4 nach Neuzulassungen die zweitwichtigste Modellreihe der Ingolstädter. Vielleicht hat Audi deshalb eine große DesignÄnderung vermieden, vieles erinnert äußerlich an den Vorgänger. Sie haben es nicht einfach, die Limousinen oberhalb der Kompaktklasse. Das Kostenbewusstsein der Fahrer steigt und macht ihnen kleinere Modelle schmackhaft. Diese strecken sich gleichzeitig in Technik und Ausstattung nach oben und stellen die Vorteile der Mittel- und Oberklasse infrage. Für deren Hersteller wird es immer schwieriger, zusätzliche Features zu finden, um den höheren Preis zu rechtfertigen. Zudem sorgt der Kostendruck in vielen Unternehmen dafür, dass die neue Firmenwagen-Generation auch mal etwas kleiner ausfallen kann. Und: Die betuchteren Kunden ziehen immer häufiger SUVs vor. Dennoch schlagen sich die Modelle in diesem Jahr bislang tapfer: In der Mittelklasse beträgt das Zulassungsplus in den ersten acht Monaten des Jahres laut Kraftfahrt-Bundesamt 10,4 Prozent, in der Oberklasse 6,9 Prozent. Nur dazwischen, in der oberen Mittelklasse, ging es 8 Prozent bergab. In der Mittelklasse besetzt nach wie vor der VW Passat den Spitzenplatz, gefolgt von der Mercedes CKlasse und dem Audi A4, die alle in diesem Jahr deutlich zulegen konnten. Auf der IAA wird unter anderem ein neuer A4 präsentiert, der leichter und sparsamer als sein Vorgänger ist. Darüber hinaus stellt Renault den Talisman als Limousine und Kombi vor, dem Nachfolger des Laguna. Mit sportlichem Heck, aber dennoch viel Stauraum, kommt er Anfang 2016 in den Handel. Ebenfalls geräumiger soll die neue Generation des Kia Optima werden. Gar als „Raumriese“ wird zudem der Škoda Superb Combi angekündigt, der in Frankfurt erstmals auf einer Messe gezeigt wird. Die obere Mittelklasse dominiert Audi klar mit dem A6 vor dem BMW 5er und der Mercedes E-Klasse, deren grundlegend veränderte Version in Frankfurt zu bestaunen ist. Mercedes-Benz beherrscht dagegen die luxuriöse Oberklasse. Hier regiert die S-Klasse, die aber in diesem Jahr Einbußen hinnehmen muss. Sie bekommt im Oktober Konkurrenz von der sechsten Generation des BMW 7er: Diese bietet – nicht zuletzt mit Gestensteuerung – Technologie der Superlative. Mittelpunkt am BMW-Stand ist die sechste Generation des 7er. Er ist das erste Fahrzeug, das sich über Sprache, Touchscreen, Controller und sogar Gesten steuern lässt. Die vielleicht größte technische Innovation ist „Carbon Core“: In die Rohkarosserie ist eine Art Rückgrat aus Kohlefaser eingearbeitet. So konnte das Gewicht deutlich reduziert werden. Das merkt man beim Fahren und Tanken, denn der neue 7er ist um bis zu 20 Prozent sparsamer als sein Vorgänger. Platzhirsche dominieren Top 5 Neuzulassungen Mittel- bis Oberklasse Neuzulas- Veränd. zu Neuzusungen Vorjahres- lassungen Jan. bis Aug. zeitraum 2014 2015 in Prozent gesamt Mittelklasse VW Passat 65 449 35,6 72 153 Mercedes C-Klasse 46 464 28,9 60 350 48 278 Audi A4, S4, RS4 36 832 12,2 BMW 3er 27 531 –30,4 55 681 BMW 4er 14 344 30,9 16 513 39 596 Obere Mittelklasse Audi A6, S6, RS6 29 735 11,6 BMW 5er 21 701 –19,6 38 733 Mercedes E-Klasse 20 682 –16,9 37 117 Volvo 70 2 508 9,8 3 476 Jaguar XF 1 460 –18,2 2 466 Mercedes S-Klasse 5 149 –11,8 8 688 Mercedes CLS 3 630 36,3 4 456 Audi A7, S7, RS7 3 244 60 3 059 Audi A8, S8 2 507 –1,5 3 590 BMW 6er 1 540 –10 2 291 Oberklasse Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Das Traditionsmodell der Schwaben, die Mercedes E-Klasse, ändert sich Anfang 2016 grundlegend: Die kommende Generation wird länger, leichter und komfortabler. Viele neue Hightech-Extras sollen die Baureihe zudem zum „sichersten und fortschrittlichsten Auto der Welt“ machen. Einsteigen und Ausparken wird zukünftig über das Smartphone geregelt. Mit einem Chip wird es zum Türöffner und mit einer App zur Fernbedienung, mithilfe derer die E-Klasse in eine Parklücke ferngesteuert werden kann. Neu ist auch „Pre-Safe Sound“: Um das Trommelfell im Falle eines Unfalls vor Schäden zu schützen, spielt das Soundsystem künftig ein Rauschen ein, bevor es knallt. Die meisten anderen Features wie „Intelligent Drive“ sind Weiterentwicklungen der Sicherheitssysteme aus den aktuellen E- und S-Klasse-Modellen und sollen den Fahrer spürbar entlasten. 76 REPORT AUTOMARKETING Ganz große Hoffnungen setzt Ford in das Boom-Thema SUV. Bis Ende 2016 sollen in diesem Segment allein in Europa pro Jahr 200000 Fahrzeuge verkauft werden, was eine Verdreifachung gegenüber 2013 bedeuten würde. Um die Angebotspalette nach oben abzurunden, stellt der USHersteller nach dem kompakten Eco-Sport und dem mittelgroßen Kuga nun den Ford Edge vor, die dritte Säule des europäischen SUV-Programms. Das Modell soll mit besonderer Kraftstoffeffizienz und vergleichsweise niedrigen CO2-Emissionen punkten. Die Markteinführung ist für Mitte 2016 geplant. HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Elektrisches Fahren soll Fahrspaß bedeuten, nicht Verzicht. Diese Botschaft will Audi auf der IAA mit dem E-tron Quattro Concept vermitteln. Die Studie ist Vorbote des Q6, der 2017 als Elektroauto auf den Markt kommen soll. Das SUV verfolgt das „Aerosthetics“-Konzept: weniger Luftwiderstand und kreative Designlösungen. Der Wagen wirkt dynamisch, bietet im großzügigen Innenraum für vier Personen Platz und liegt in der Länge zwischen den Modellen Q5 und Q7. Die Reichweite beträgt beeindruckende 500 Kilometer. Mit dem Bentayga bringt die VW-Tochter Bentley erstmals einen SUV ins Programm. Er soll den Boom sportlicher Geländewagen in die Luxusklasse tragen – und das macht sich auch am Preis bemerkbar: Etwa 200000 Euro muss man für den Wagen berappen. Das Design des braunen Riesen ist etwas gefälliger als bei der Studie EXP9F, die Bentley als Vorbote des Serienmodells vor gut drei Jahren auf dem Genfer Autosalon präsentierte. Dennoch kommt der Bentayga mit pfannengroßen Scheinwerfern und superbreitem Kühlergrill als echte Wuchtbrumme daher. Und trotzdem verrät das Datenblatt spektakuläre Zahlen: in 4,1 Sekunden von null auf hundert und eine Höchstgeschwindigkeit von 301 Stundenkilometern. Beim Head-up-Display, dem Navigations- und Infotainmentsystem sowie dem Assistenzsystem bedienen sich die Briten aus dem Teileregal des VW-Konzerns. Die Auslieferung des Bentayga soll Anfang 2016 starten. Über 2,2 Millionen Exemplare des Lexus RX wurden bislang verkauft – er ist damit das meistverkaufte Modell in der 26-jährigen Geschichte der Marke. In Frankfurt feiert die vierte Generation des Premium-SUV Premiere. Die Version ist wahlweise mit neu entwickeltem Hybridantrieb oder Vierzylinder-Turbomotor erhältlich. Sie soll im frisch gestalteten Innenraum mit einer ausgewogenen Balance aus Funktionalität und luxuriösem Ambiente überzeugen. Neu sind überdies Sicherheits- und Assistenzsysteme wie das Lexus Safety System sowie weitere Technik- und Komfort-Features. Die aktuelle Version des Lexus RX steht ab Januar 2016 bei den Händlern. Das Erscheinungsbild des Mitsubishi Outlander sei bislang „nicht sehr sexy“ gewesen, erklärte sogar ein PR-Manager des japanischen Herstellers. Deshalb gibt es das Midsize-SUV nun mit komplett überarbeiteter Karosserie. Vor allem das modernisierte Frontdesign, neu gestaltet nach dem „Dynamic Shield“-Prinzip von Mitsubishi, sticht ins Auge. Darüber hinaus soll die aktuelle Version, die Ende September in den Handel kommt, unter anderem mit einem aufgewerteten Innenraum, besserer Geräuschisolierung und einem optimierten Rangiersystem Käufer locken. Der Outlander ist als Benziner, Diesel und Plug-in-Hybrid erhältlich. HORIZONT 38/2015 17. September 2015 SUV Mit der Entwicklung des Vorgängermodells war BMW 2009schneller als die Konkurrenz – weder Audi noch Mercedes hatten zum damaligen Zeitpunkt einen Kompakt-SUV im Portfolio – und unglaublich erfolgreich. Die zweite Generation des X1 soll sich ähnlich gut schlagen. Das neue Modell bietet mehr Platz und bessere Technik. Bei den Assistenzsystemen hat BMW ordentlich nachgelegt, die Serienausstattung wurde beispielsweise um das Bediensystem iDrive, Regensensor und Fahrerlebnisschalter erweitert. Außerdem ist er mit einem Verbrauch von bestenfalls 4,1 Litern um 17 Prozent sparsamer als der erste X1. Der BMW X1 startet im Anschluss an die IAA im Oktober 2015. REPORT AUTOMARKETING 77 Run auf die Robusten Das SUV-Segment bekommt noch mehr Zuwachs Sie verkörpern Sport, Abenteuer und einen aktiven Lifestyle – und treffen damit seit Jahren genau den Zeitgeist: SUVs und Geländewagen sind das Pendant zur Cargo-Hose, in die der Banker am Wochenende schlüpft, um sich bodenständig zu geben. Die Umweltschutz-Diskussion prallt wirkungslos am Boom-Segment ab, und so steht auch in diesem Jahr wieder ein fettes Plus unter der Absatzstatistik: Laut Kraftfahrt-Bundesamt wurden von Januar bis August gut 221000 SUVs neu zugelassen, ein Plus von 14,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Zudem wurden knapp 170000 Geländewagen abgesetzt, was einer Steigerung von 7,6 Prozent entspricht. Das kontinuierliche SUVWachstum ist vor allem den kompakten Modellen wie Opel Mokka, Ford Kuga, Nissan Qashqai und Škoda Yeti zu verdanken. Auf der IAA wird unter anderem die neue Generation des Platzhirschs VW Tiguan vorgestellt, der seit mittlerweile acht Jahren gebaut wird und das Segment beherrscht. Herausgefordert wird er unter anderem von der Hyundai Kia Automotive Group in Südkorea. Hyundai hat den Nachfolger des iX 35 bereits auf den Markt gebracht, der nun wieder den früheren Namen Hyundai Tucson trägt. Kia stellt in Frankfurt die neue Generation des Sportage erstmals vor, die vor allem mit einem größeren Gepäckraum und neuen Motoren überzeugen soll. Auch die Premium-Hersteller geben sich in Frankfurt mit neuen Entwicklungen die Ehre: Mercedes-Benz setzt mit dem GLC auf kurvige Sportlichkeit, BMW bietet mit dem erneuerten X1 deutlich mehr Platz, und Jaguar steigt mit dem F-Pace erstmals ins florierende Segment ein. Und: Die VW-Tochter Bentley entert mit dem Bentayga die Luxusklasse. Mit einem Einstiegspreis von rund 200000 Euro dürfte er zum teuersten Geländewagen der Welt werden. Für Spannung dürfte vor allem das Comeback der Marke Borgward sorgen. Das gleichnamige Bremer Unternehmen produzierte von 1924 bis zum Konkurs 1961 über eine Million Fahrzeuge und war zeitweise drittgrößter Autohersteller Deutschlands. Haupteigner des heute in Stuttgart ansässigen Nachfolgeunternehmens ist ein chinesischer Nutzfahrzeughersteller. Borgward stellt auf der IAA ein mittelgroßes, rund 4,70 Meter langes SUV unter dem Namen BX-7 vor. Gebaut wird es in China, wo auch im nächsten Jahr die ersten Exemplare zu kaufen sind. Der Marktstart für Deutschland wird für 2017 erwartet. Vor acht Jahren stellte Volkswagen seinen Kompaktklasse-SUV Tiguan auf der IAA erstmals vor. Seitdem rangiert er bei den deutschen SUV-Zulassungszahlen regelmäßig ganz oben. Im Vergleich zu seinem Vorgänger wird der Nachfolger ein paar Zentimeter länger, breiter und kantiger. Trotzdem hat er rund 60 Kilogramm abgespeckt. Die Technik teilt sich der VW Tiguan zu großen Teilen mit dem Passat und dem Golf: Auch er basiert auf dem MQB genannten modularen Querbaukasten und ist als Frontantriebs- sowie Allradversion zu bekommen. Ebenfalls neu ist eine Vielzahl von modernen Sicherheitsassistenten wie beispielsweise einem Stauassistenten. Der Tiguan kommt im Frühjahr 2016 in den Handel. Kompakte fahren voraus Der Nachfolger des Mercedes GLK trägt den Namen GLC und kommt deutlich eleganter daher: Die harten Kanten sind nun rund, außerdem ist der Geländewagen in der zweiten Generation 80 Kilogramm leichter und deutlich länger. Für Sicherheit sorgen Fahrerassistenzsysteme, die schon aus der C-, Eund S-Klasse bekannt sind, wie zum Beispiel ein Lenk-Assistent und ein Kollisionswarner. Besonders stolz ist man bei Mercedes darauf, den Wagen auch als Plug-in-Hybrid anbieten zu können: Ein 115 PS starkes Elektromodul unterstützt den Turbobenziner während der Fahrt. Top 5 Neuzulassungen SUV/Geländewagen Neuzulas- Veränd. zu Neuzusungen Vorjahres- lassungen Jan. bis Aug. zeitraum 2014 2015 in Prozent gesamt VW Tiguan 37 589 –14,8 61 947 Opel Mokka 21 089 21,7 27 693 Ford Kuga 18 722 11 25 751 Nissan Qashqai 18 073 10,4 24 558 Hyundai ix 35 16 710 41,5 18 678 Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt HORIZONT 38/2015 Der Name ist Programm: Alle Designelemente der Studie 20V20 von Seat sollen innerhalb der nächsten 15 Jahre bei den Serienmodellen zu finden sein. Das Concept Car wurde erstmals auf dem diesjährigen Genfer Autosalon vorgestellt und sorgte dort vor allem wegen seines Designs für Furore. Das Kompakt-SUV ist 4,66 Meter lang, unter der Hülle steckt die Technik der nächsten Generation des VW Tiguan. Die Studie wartet noch mit einer weiteren Besonderheit auf: Wenn der „Veinte Veinte“ tatsächlich mal liegen bleibt, kann man dem Kofferraum das E-Zweirad „Hovertrax“ entnehmen und weiterfahren. Der Seat 20V20 hat den Designpreis Automotive Brand Contest in der Kategorie „Concepts“ gewonnen, der im Rahmen der IAA verliehen wurde. 78 REPORT AUTOMARKETING Cabriolets HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Die Rückkehr der Offenheit Hersteller setzen wieder verstärkt auf Cabrios Offen für alles durch die Landschaft rauschen – das ist die ganz besondere Fahrfreude, für die schon immer das Cabriolet steht. Aber die Faszination der Dachlosigkeit hat in den vergangenen Jahren etwas nachgelassen. Wer „das Abenteuer“ sucht, steigt immer häufiger auf ein SUV um. Zudem gilt es vielen als überflüssiger Luxus, ein Cabrio als Zweitwagen in der Garage stehen zu haben. Insgesamt 76641 Cabriolets wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt im vergangenen Jahr neu zugelassen, gut zwei Drittel davon zählen zu den Family Cabriolets, der Rest sind Roadster. Insgesamt bedeutete das ein Minus von 5,1 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch in diesem Jahr ist der Abwärtstrend bislang nicht zu stoppen: Von Januar bis Juli wurden 3,5 Prozent weniger Cabrios neu zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Während sich die Family Cabriolets hielten, erwischte es vor allem die Roadster mit einem Minus von 12,8 Prozent. Aber mittlerweile glauben die Hersteller an ein Comeback der Freiluftkultur, was am großen Angebot auf der IAA abzulesen ist: Mercedes zeigt ein Cabrio der S-Klasse, BMW den Rolls- Royce Dawn, und VW hat dem offenen Golf ein dezentes Facelift verpasst. Frische Impulse will zudem Mazda setzen. Der japanische Hersteller brachte vor 25 Jahren den Mazda MX5 auf den Markt, der einen neuen RoadsterKult entfachte und den Blick vieler Konkurrenten überhaupt erst wieder auf das Segment lenkte. In diesem Monat kommt mit der vierten Generation eine abermals leichtere, effizientere und puristischere Version auf den Markt. In Frankfurt präsentieren sich darüber hinaus die offenen Sportwagen Ferrari 488 Spider und Lamborghini Hurácan Spyder. Anfang der 70er Jahre gab es zuletzt eine S-Klasse als Cabrio. 44 Jahre danach nimmt Mercedes einen neuen Anlauf und präsentiert das erste S-Klasse-Cabrio der Neuzeit. Dabei setzen sich die Schwaben hohe Ansprüche: Die S-Klasse soll das komfortabelste Cabriolet der Welt sein. Der Viersitzer behütet seine Passagiere zwar nur mit einem traditionellen faltbaren Stoffverdeck. Die Zeichen stehen sonst aber ganz auf S-Klasse. Marktstart ist pünktlich zur Saison im Frühjahr 2016. Für die Studie Cactus M, die Citroën auf der IAA vorstellt, kreuzen die Franzosen zwei ihrer originellsten Modelle: den C4 Cactus und das legendäre Strandauto Citroën Méhari. Heraus kommt ein robuster Kleinwagen, der perfekt ist für jegliche Outdoor-Aktivität: Durch Neopren-Sitze und Abflüsse im Fußraum lässt sich der Innenraum der Studie leicht mit einem Wasserstrahl reinigen, die Dachreling eignet sich bestens für den Transport eines Surfbretts oder anderen Freizeitgeräts. Den Fahrgastraum kann man leicht in eine Liegefläche und das Verdeck zum Zelt umbauen. „Lebensfreude in der Stadt“ soll sie nach Herstellerangaben bieten, die neue, mittlerweile dritte Generation des Smart Cabrio. Dafür steht das Konzept „Drei Autos in einem“. Der geschlossene Zweisitzer lässt sich auf Knopfdruck zu einem Auto mit großem Faltschiebedach oder zu einem komplett offenen Cabrio verwandeln. Dafür sorgen das Tritop-Faltverdeck und die herausnehmbaren Dachholme. Das Smart Cabrio führt die Linie seiner Vorgänger fort, die bislang laut Hersteller 220000 Käufer fanden. Das Design wirkt etwas dynamischer, die Spitzengeschwindigkeit wurde auf 155 Stundenkilometer erhöht. Bestellt werden kann das Smart Cabrio ab November, rechtzeitig zur OpenAir-Saison rollt es im Februar 2016 zu den Händlern. Beetle gibt kräftig Gas Top 5 Neuzulassungen Cabriolets So sieht Ultra-Luxus aus: Rolls-Royce Dawn heißt die CabrioVersion des spektakulären Edel-Coupés Wraith. Der Viersitzer bietet nicht nur das leiseste Stoffverdeck der Welt, sondern soll bei geschlossenem Verdeck genauso geräuscharm sein wie die Wraith-Limousine. Aber letztlich geht es beim „sexiest RollsRoyce ever built“ (Markenchef Torsten Müller-Ötvös) nicht um Details, sondern das Gesamtbild: Alles ist hier am Maximum, von der edlen Innenausstattung bis zu den 571 PS, mit denen man standesgemäß schnell vom Fleck kommt. Mit einem Verkaufspreis von rund 330000 Euro liegt die „Sommeryacht auf Rädern“ („Spiegel“) beim Rennen um das teuerste Auto auf der IAA ganz vorn. Titel Neuzulas- Veränd. zu Neuzusungen Vorjahres- lassungen Jan. bis Aug. zeitraum 2014 2015 in Prozent gesamt VW Beetle 7290 28,7 6940 VW Golf 6855 0 7707 BMW 2er 5153 k.V.m.* 0 BMW 4er 4610 5,4 5730 Audi A3 4587 16,5 5105 * k.V.m.: kein Vergleich möglich Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt HORIZONT 38/2015 HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Übers Ziel hinaus Auf der IAA werden wieder Konzeptfahrzeuge präsentiert, die einen Blick in die Zukunft des Automobils ermöglichen. HORIZONT stellt eine Auswahl der interessantesten Studien vor REPORT AUTOMARKETING 79 „Koeru“ ist japanisch und bedeutet „etwas übertreffen“. Die gleichnamige Studie von Mazda legt die Messlatte also relativ hoch. Es handelt sich dabei um ein Crossover-SUV-Konzeptfahrzeug, mit dem die Japaner die Nische der SUVCoupés erobern wollen – das lässt zumindest eine erste Skizze vermuten. Optisch orientiert sich Mazda an der bekannten Designsprache Kodo. Unter dem Blechkleid stecken außerdem die neuesten Skyactive-Technologien des Autobauers. A. Lüft und G. Rondinella Sollten Autos zukünftig geräuschlos unterwegs sein, etwa elektronisch, werden Klänge immer wichtiger. „Fractal“ heißt eine Studie von Peugeot, die neben dem visuellen und haptischen auch den auditiven Sinn ansprechen soll. „Stel Lab“, eine Forschungseinrichtung von PSA, hat das innovative Soundsystem 9.1.2 entwickelt, das etwa Subwoofer in die Rückenlehne integriert, sodass Musik direkt durch den Körper wabert. Fast jede Aktion des Fahrers, etwa Blinker setzen, wird mit einem passenden Geräusch untermalt. Die komplette von Klangdesigner Amon Tobin entwickelte Soundsignatur der Studie entspricht dem Ambiente eines Konzertsaals oder Aufnahmestudios. Unter dem Namen Hyundai N präsentieren die Südkoreaner eine neue Hochleistungssparte. Aufbauend auf den Motorsport-Erfolgen, wird N leistungsorientierte und sportliche Fahrzeuge auf den Markt bringen. Auf der IAA werden nun erstmals die aktuellen Produktentwicklungen präsentiert. Im Falle des Hyundai N 2025 Vision Gran Turismo wird der Sportwagen seine ersten Runden ebenfalls im Playstation-Spiel „Gran Turismo“ drehen. Er gebe „einen Ausblick auf die Vision der Marke und ihre zukünftigen Leistungsmerkmale“, heißt es bei Hyundai. „IAA“ – Intelligent Aerodynamic Automobile – heißt die Designstudie, die Mercedes-Benz am Montag auf der Frankfurter Messe präsentierte. Wegen seiner besonders aerodynamischen Tropfenform gilt der Viersitzer als Fahrzeug mit dem geringsten Strömungswiderstandskoeffizienten der Welt (cw-Wert: 0,25). Die Verkleidung der Felgen verändert ab einem Tempo von 80 Stundenkilometern ihre Form, um noch besser durch den Wind zu gleiten. Außerdem schieben sich acht Luftleichtbleche elektrisch aus dem Heck, verlängern die Sportlimousine um 40 Zentimeter und bringen den Wagen noch näher an die Tropfenform. 80 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 „Nicht im Showroom warten“ FOTO: FIAT FCA-Germany-CEO Henrik Starup-Hansen über den Spagat, Alfa Romeo als Premiummarke neben Jeep neu zu starten, ohne die Volumenmarke Fiat zu vernachlässigen Von Jochen Zimmer D er neue Deutschland-Chef der FCA Group hat eine volle Agenda. Vor allem der Angriff der Traditionsmarke Alfa Romeo darf nicht ins Leere laufen und soll im Verbund mit dem erfolgreichen SUVSpezialisten Jeep diesmal gelingen. Doch auch die hauptsächlich vom 500 lebende Volumenmarke Fiat soll ihr Terrain mit neuen Modellen und intensiverer Kooperation mit den Händlern verteidigen. Gibt es bereits einen Fahrplan für die Einführungskampagne? Unsere Kommunikationsoffensive werden wir erst starten, wenn wir im 1. Quartal 2016 im Produktionsanlauf sind. Ohne die Produkte auf der Straße zu haben, wäre ein Werbefeuerwerk nicht sehr effizient. TV wird für Alfa Romeo nur eine untergeordnete Rolle spielen – Fernsehen ist zwar wichtig für Awareness, aber ich glaube nicht, dass mein Kind unbedingt wissen muss, dass wir eine Giulia anbieten. Stattdessen wollen wir uns viel stärker an den Geschäftskunden orientieren und in dieser Richtung kommunizieren. Wir brauchen einen intensiven, langfristigen Werbedruck bei der Zielgruppe. Alfa Romeo stellt nach langer Durststrecke auf der IAA die Limousine Giulia vor. Wie herausfordernd ist es denn für FCA Germany, die Neupositionierung der Marke in die Tat umzusetzen? Zunächst muss ich betonen, dass es bei uns ja nicht allein um Alfa Romeo geht, sondern um eine große Produktoffensive bei Fiat Chrysler Automobiles im Allgemeinen. Für Fiat, Fiat Professional, Jeep, Abarth und eben Alfa Romeo haben wir jeweils ambitionierte Fünfjahrespläne formuliert, um die Volumen bei FCA weltweit deutlich zu steigern. Der Mehrmarken-Chef Seit Februar 2015 steht Henrik Starup-Hansen als Nachfolger von Eric Laforge an der Spitze von FCA Germany und verantwortet die Entwicklung der Marken Fiat, Fiat Professional, Jeep, Alfa Romeo, Abarth sowie Lancia, das sich 2016 vom deutschen Markt zurückzieht, und der Zubehörsparte Mopar. Der 51-Jährige leitete bislang in der Turiner Konzernzentrale die Transportersparte Fiat Professional in der Region EMEA. Den deutschen Markt kennt er aus seiner Zeit als Marketingmanager der Lastwagenmarke Iveco in den Jahren 2005 bis 2010. Seine Karriere startete der gebürtige Däne 1989 nach dem Studium der Finanzwirtschaft bei Iveco in Dänemark. Gilt das auch für Jeep, wo Sie bei Grand Cherokee, Cherokee und Renegade stärker im TV Präsenz gezeigt hatten? Auch bei Jeep haben wir jüngst die Kommunikation in Richtung gewerbliche Kunden verstärkt, nicht zuletzt mit speziellen Leasingangeboten. Jeep hatte aber auch bislang schon einen relativ hohen Anteil gewerblicher Kunden, auch ohne systematische Bearbeitung des Terrains. Wir werden das jetzt aktivieren, zumal unser Portfolio für die Zielgruppe ja auch mit den neuen Alfa-Romeo-Modellen abgerundet wird. Aber den weitesten Weg haben Sie angesichts aktuell marginaler Verkaufszahlen doch mit Alfa Romeo vor sich? Das liegt auch daran, dass wir Alfa Romeo stärker als Premiummarke profilieren möchten – gemeinsam mit Jeep, das sich in dieser Hinsicht bereits sehr erfolgreich entwickelt hat. Während die US-Traditionsmarke für Offroad-Kompetenz steht, setzt Alfa die sportlichen Akzente. Nach der Giulia werden in den nächsten Jahren acht bis neun neue Modelle diesen Anspruch mit Leben erfüllen. Dabei knüpfen wir an erfolgreiche Vorgängermodelle in oberen Segmenten an, wie etwa Alfa 159 und 166. Wir waren hier längere Zeit nicht vertreten, sehen aber gerade deshalb enormes Potenzial. Wie können Sie denn die gegenwärtig gebeutelten Händler von Zukunftsinvestitionen überzeugen? Wir haben den Händlern vor kurzem im Alfa-Romeo-Museum in Arese einen Blick in die Zukunft der Marke gegönnt und konnten mit den neuen Modellen begeistern. Zudem führen die AlfaHändler in der Regel auch Jeep im Portfolio und repräsentieren die beiden Premiummarken – in eigenständigen Showrooms. Einige vertreten zusätzlich Fiat, aber dies auf getrennter Fläche. Eine neue Showroom-Optik wird aber nicht genügen, um den Premiumanspruch einzulösen. Deshalb legen wir sehr großen Wert darauf, unsere Verkäufer zu schulen und insbesondere in den Großstädten mit viel Potenzial dezidierte Premiumverkäufer zu haben – jeweils für Jeep und Alfa. Der Einsatz von Software-Support und iPads gehört dabei wie bei den Wettbewerbern zum Standard. Warum beschränken Sie sich auf den Doppelpass zwischen Jeep und Alfa? Mit Maserati haben Sie doch eine weitere Nobelmarke im Portfolio, die zudem nun auch technisch mit Alfa Romeo Verbindung hat. Das wäre doch ein schönes Premium-Trio. Maserati hat sein Eigenleben, manchmal mit Ferrari, manchmal ohne. Aber Maserati ist eine eigenständige Marke und wird total getrennt von Alfa und Jeep geführt. Das bleibt auch so. Die Alfa-Fans sehnen sich nach neuen schen in Deutschland gemeinsam mit Mercedes das Feld. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit unseren italienischen Qualitäten in Bezug auf Performance und Style punkten werden. Die ersten intern präsentierten Kampagnenmotive sind sehr vielversprechend. Können Sie dabei Synergien mit Fiat Professional nutzen, das mit Nutzfahrzeugen wie Dobló und Ducato ein etablierter Player im Markt ist? Das können wir vertriebstechnisch sicherlich tun, kommunikationstechnisch eher weniger. Der Weg von Fiat Professional, Produkte zu verkaufen, ist sehr rational und faktenbasiert. Beim Jeep Grand Cherokee, aber auch bei einem Alfa Romeo Giulia kommt es selbst im Flottengeschäft sehr auf Emotionen an. Modellen. Aber hat Alfa noch Strahlkraft über diesen engen Kreis hinaus? Wir hatten nach der Weltpremiere Ende Juni in Arese bereits 1000 Kaufinteressenten allein in Deutschland. Europaweit waren es 4000. Wie halten Sie die Interessenten bei der Stange? Wir kommunizieren direkt mit ihnen via Internet und über ein Callcenter. Wir halten sie mit Produktinformationen, Newslettern und Terminen auf dem Laufenden, laden sie etwa zur IAA ein. Reicht das aus, um dem Neustart den nötigen Schwung zu verleihen? In der Tat hat Alfa Romeo aufgrund des derzeit noch geringen Produktangebots zuletzt an Awareness verloren. Diese wollen wir wieder erhöhen, aber sehr fokussiert auf die relevanten Zielgruppen und ausgerichtet an deren Mediennutzungsund Konsumverhalten. Dabei legen wir sehr großen Wert auf den direkten Produktbezug. So setzen wir auf den Flughäfen in München, Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg von September bis mindestens Mitte nächsten Jahres den 4C und nach der IAA die Giulia auf Stellflächen in Szene. Auch Pop-Up-Stores kann ich mir beispielsweise gut vorstellen. Seit gut zwei Jahren ziert das Alfa-Logo das Trikot von Eintracht Frankfurt. Ist ein Fußball-Engagement mit der neuen Ausrichtung von Alfa noch vereinbar? Das ist sicherlich nicht genug. Auf Konzernebene arbeiten wir an einer übergeordneten Sponsoring-Strategie, um die Marke nicht nur in Deutschland, sondern überall zu unterstützen – auch hier auf die Zielgruppen gerichtet. Motorsport wird dabei sicherlich eine gewisse Rolle spielen. Bei der Offroad-Marke Jeep ist die Positionierung klar, Alfa hingegen konkurriert mit seiner sportlichen Note stark mit den deutschen Premiumanbietern. Wie wollen Sie da den Unterschied machen? BMW und Audi zählen sicherlich zu den direkten Wettbewerbern, und sie beherr- Kommt bei Ihrem Fokus auf Alfa und Jeep Ihre Kernmarke Fiat nicht zu kurz? Schließlich ist FCA Germany eine überschaubare Unit und kann nicht gleichzeitig auf allen Hochzeiten tanzen. Für uns stehen alle Marken gleichermaßen im Fokus. Nur weil wir die Giulia in den Markt bringen, verkaufen wir nicht weniger Fiat. Wenn Sie das Werbebudget unserer Kernmarke reduzieren, verlieren Sie Volumen – das ist kein sinnvoller Weg. Umso mehr, als wir auch bei Fiat neue Modelle bringen: Im November wird etwa der neue 124 Spider in den USA präsentiert, der 2016 bei uns starten wird. Nach den Zahlen der aktuellen Zulassungsstatistik scheint Fiat Pkw aber hierzulande nur noch vom 500 zu leben. Punto und Panda haben stark verloren. Ist das für einen Volumenanbieter nicht zu einseitig? Wir haben über die Jahre in der Tat sehr stark auf den 500 gesetzt. Wobei wir jetzt mit drei separaten Baureihen eine kleine 500er-Familie am Start haben: der Minivan 500L und der Kompakt-SUV 500X brauchen in ihren neuen Segmenten noch etwas Zeit, um sich zu etablieren. Panda und Punto haben zuletzt verloren, ziehen im Moment aber wieder an, da wir in diesem preisintensiven Segment mit taktischen Aktionen unterwegs sind. HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 81 17. September 2015 Jeep stellt Italiener in den Schatten Neuzulassungen ausgewählter Modelle der Fiat-Chrysler-Gruppe in Deutschland Welche Kommunikationskanäle stehen denn dabei im Vordergrund? Das hängt vom Produkt ab. Den Fiat 500, dessen Käufer häufig Frauen Mitte 40 sind, hatten wir stark im TV beworben. Jetzt sprechen wir die Kunden auch mit Anzeigen in Modemagazinen an. Für den 500X interessieren sich überdurchschnittlich viele technikaffine Männer ab 60 Jahren, deshalb sind wir in Autozeitschriften präsent. Den Panda-Kunden wiederum erreichen wir eher mit rationalen Preisargumenten. Zwar sind wir 2015 überproportional im TV unterwegs, aber wir haben eine bessere Balance zwischen Markenimage und Abverkaufszielen – bezogen auf die gesamte Produktrange. Welchen Stellenwert haben digitale Medien in Ihrem Kommunikationsmix? Wir legen sehr viel Wert auf digitale Kommunikation – in Deutschland wie auf Konzernebene. 70 Prozent der Käufer haben sich im Internet informiert, bevor sie in den Showroom kommen. Die Suchphase ist für den Kunden sehr wichtig, und deshalb investieren wir sehr stark in digitale Instrumente. Wir haben allein in Deutschland fünf Berater von Accenture für dieses Terrain im Dauereinsatz, und auch Turin baut die Internet-Infrastruktur massiv aus. Eines der Buzzwörter ist zurzeit Content Marketing, um mit eigenen Inhalten mit der Zielgruppe im Dialog zu Fiat gesamt inkl. Sonstige 500 Ducato Panda Punto Abarth** Jeep gesamt inkl. Sonstige Grand Cherokee Compass / Cherokee Wrangler Alfa Romeo gesamt inkl. Sonstige Giulietta Mito Lancia gesamt inkl. Sonstige Voyager Ypsilon 2015 (Jan. bis Aug.) 2014 2013 2012 2011 2010 50 024 21 867 17 565 4 389 1 751 1 054 9 641 3 072 1 743 1 554 1 966 1 617 345 629 566 58 68 103 29 920 19 851 7 357 4 760 1 128 10 268 4 110 2 784 1 884 3 391 2 585 805 1 262 821 317 67 753 29 024 17 721 9 529 5 556 1 110 6 899 3 931 1 318 1 648 3 625 2 547 1 050 1 606 786 420 72 755 20 018 17 252 15 965 10 244 1 162 6 614 3 134 1 405 2 061 7 502 5 138 1 777 2 979 844 1 068 80 125 16 929 15 152 16 025 22 206 1 181 3 992 1 390 1 000 1 272 10 480 6 332 2 200 2344 531* 1 032 78 190 17 707 11 567 23 638 15 106 1 136 2 296 767 398 609 8 621 2 521 3 083 1 463 769* 386 * inkl. Chrysler Voyager **Abarth-Versionen auch bei jeweiligen Modellreihen (500, Punto) ausgewiesen Quelle: KBA / Motor Presse Stuttgart Die Wachstumsdynamik der FCA Group wird derzeit fast ausschließlich vom überragenden Erfolg der Marke Jeep getragen. Von 2010 bis 2014 haben sich die Zulassungszahlen der US-Geländewagen in Deutschland mehr als vervierfacht. 2015 bringt bis August einen noch stärkeren Schub um zwei Drittel zum Vorjahreszeitraum. Neben Grand Cherokee und Cherokee hat sich der 2014 lancierte Kompakt-SUV Renegade zum Bestseller entwickelt. Dessen Schwestermodell Fiat 500X soll nun auch der Kernvolumenmarke Fiat frischen Schwung verleihen. Zuletzt haben die Italiener auf dem deutschen Markt an Boden verloren und stützen sich weitgehend auf zwei Volumenbringer: Der Kleinwagen 500 und der Transporter Ducato stehen für drei Viertel der Zulassungen. 2016 startet mit dem Cabriolet Spider wieder ein Fiat fürs Herz. Es resultiert aus einer Kooperation mit Mazda und soll auch in einer AbarthVersion auf den Markt kommen. Die Tuningschmiede von Fiat soll damit einen weiteren Schritt nach vorne machen. Keine Ambitionen hegen die Italiener mehr mit Lancia. 2016 wird sich die Marke zurückziehen und nur noch auf dem italienischen Heimatmarkt angeboten. Den größten Sprung erwartet FCA-Chef Sergio Marchionne allerdings von Alfa Romeo: Bis 2018 soll der Absatz auf jährlich 400000 Fahrzeuge weltweit steigen. MEHR ZUR ALFA-OFFENSIVE: SEITE 82 HORIZONT 38/2015 bleiben. Für welche Marken aus dem FCA-Portfolio bietet sich das an? Mit Sicherheit für Alfa Romeo, wo wir den Neustart der Marke mit Inhalten begleiten. Auch Jeep hat eine Plattform, auf der wir mit Kunden kommunizieren können, selbst wenn sie kein Kaufinteresse haben. Wir sind in allen sozialen Netzwerken, aber eine große interne Redaktion haben wir nicht. Für uns ist viel wichtiger, die Händler in unsere Kommunikation stärker einzubinden. Wie soll das geschehen? Wir bauen unsere Kommunikationsstrategie so um, dass wir näher am Händler sein können, um ihn zu unterstützen. Wir fordern aber im Gegenzug, bei unserer Planung mitzuwirken und haben dafür konkrete, zunächst dreimonatige Marketingplanungen eingeführt. Denn selbst wenn wir als Zentrale gut kommunizieren, werden wir nicht den möglichen Return on Invest erzielen, wenn die Händler nicht mitziehen. Wir haben über die Frankfurter Agentur Signition/Facts seit kurzem sechs Trademarketing-Spezialisten im Einsatz, die sich beim Händler um den Internetauftritt, Kampagnenumsetzung und die Optimierung von Marketingmaßnahmen kümmern. Das bauen wir noch weiter aus. Und die Händler spielen dabei mit? Diese haben doch das gleiche Interesse wie wir: Sie wollen Kunden in die Showrooms bekommen und von unseren Pro- dukten überzeugen. Allerdings ist es nicht damit getan, im Showroom zu warten, bis der Kunde reinkommt. Denn die Fahrt zum Autohändler steht aus verschiedenen Gründen immer weniger auf dessen Prioritätenliste. Bedeutet das nicht auch, dass Sie mit klassischen Maßnahmen, etwa in Zeitung und Hörfunk einen Tag der offenen Tür des Händlers zu bewerben, nicht mehr weiterkommen? Diese klassischen Maßnahmen bleiben auf der To-do-Liste, sie müssen aber kombiniert werden. Denn Kunden haben immer weniger Zeit. Wenn ich einen Outdoor-Freak erreichen will, muss ich dort sein, wo er seine Freizeit verbringt und nicht warten, bis er bei uns reinkommt. Mit dem Kombi Doblò etwa, der insbesondere Händler und Handwerker anspricht, haben wir 240 lokale Events durchgeführt, wo diese anzutreffen sind: bei Metro- und Baumärkten. Auch ein Flughafen ist ein interessanter Begegnungsort: Wo ein Kunde auf den Abflug wartet, schaut er sich gerne unsere Produkte an, wenn wir dort Flagge zeigen. Wie stark ist diese neue Herangehensweise denn schon bei den Händlern angekommen? Wir reden von einem Kulturwandel vom Push- zum Pull-Marketing. Das braucht natürlich seine Zeit, aber wir sind schon mitten in der Umsetzung und auf einem guten Weg. Anzeige 82 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 Die Schlange greift an 17. September 2015 Neues Modell, neues Logo, neuer Marketingschlachtplan: Alfa Romeo geht mit verändertem Markenprofil in die Offensive Von Giuseppe Rondinella A lfa Romeo ist zurück. Auf den Tag genau 105 Jahre nach der Konzerngründung präsentierte der Traditionshersteller Ende Juni im italienischen Arese vor Hunderten Medienvertretern die neue Giulia. Unter Blitzlichtgewitter und musikalischer Begleitung von Opernstar Andrea Bocelli rollte der rote Flitzer vor die Linsen der Fotografen. Dichtes Gedränge. Alfas Strahlkraft, sie hat nach einer jahrelangen Durststrecke scheinbar kaum an Wirkung eingebüßt. Tags drauf war das Modell in aller Munde. „Giulia“ fand sich unter den Top-10-Suchbegriffen bei Google wieder, zahlreiche italienische Zeitungen lichteten sie auf der Titelseite ab, auch in amerikanischen und asiatischen Blättern wurde viel Platz freigeräumt. Nun steht das Mittelklasse-Modell für jedermann sichtbar auf der IAA. Die Weltpremiere in Frankfurt ist für den angeschlagenen Autobauer der Startschuss für eine komplette Neuausrichtung der Marke (HORIZONT 27/2015). Auf der IAA fängt Alfa in einem ersten Schritt an, die Marketingtrommel zu rühren. „Wir zeigen dem Publikum, dass Alfa Romeo wieder zurück ist“, sagt Stefan Moldaner, seit Mitte des Jahres Brand Country Manager für Alfa, Jeep und Lancia in Deutschland. Als Vorgeschmack präsentieren die Italiener ihre Giulia bereits seit Ende letzter Woche auf den wichtigsten Werbeflächen am Frankfurter Flughafen. So läuft etwa das erste offizielle Video des Flitzers auf einer LED- Das neue Alfa-Logo kommt aufgeräumter und moderner daher Wand, außerdem ist für die Kampagne die so genannte Premium-Wall am Abflug-Gate 17 gebucht. Händler, Investoren und Alfa-Clubmitglieder sind in die Mainmetropole eingeladen worden, um mit der neu ausgerichteten Marke und der Giulia in Kontakt zu kommen. Welchen Stellenwert die IAA in den Plänen des Konzerns hat, erkennt man daran, dass FCA-Chef Sergio Marchionne höchstpersönlich vor Ort ist und eine Pressekonferenz abhält – eine von insgesamt nur zwei in diesem Jahr, die andere gilt Ferrari. „Das zeigt, welche Bedeutung Alfa Romeo innerhalb FCA besitzt“, so Sprecher Sascha Wolfinger. Nach der IAA und bis zum Launch der Giulia im Frühling 2016 bleibt das Marketing indes auf Sparflamme, wird aber pünktlich zum Genfer Autosalon im März verstärkt. Möglicherweise, so munkelt man bei Alfa, soll in der Schweiz dann gleich das nächste Fahrzeug, ein SUV, Weltpremiere feiern. Geplant sind laut Modellplan weitere sieben Wagen bis 2018: eine Kombiversion, ein weiteres SUV, ein Oberklassefahrzeug, zwei Kompaktmodelle und ein Cabrio. Alfa will pünktlich zur Genfer Automesse in die Werbung gehen. „TV, Print und Digital werden eine zentrale Rolle dabei spielen“, kündigt Moldaner an, ohne konkreter zu werden. Noch sei man in der Budgetplanung. Große Verschiebungen im Mediamix werde es nicht geben. I n die klassischen Medien zu gehen, ist für Jürgen Gietl von der Managementberatung Brand Trust ein zweischneidiges Schwert: „Solche Aktivitäten steigern die Bekanntheit, nicht die Be- Stylisch-sportliches Image hat gelitten Das Markenprofil von Alfa Romeo im Zehnjahrestrend Angaben in Prozent 2014 2013 2012 2011 2010 2009 2008 2007 2006 2005 Gutes Aussehen/Styling 26 28 30 33 32 35 34 36 45 35 Baut sportliche Autos 21 20 21 25 25 26 25 27 40 33 Macht gute Werbung 4 5 6 6 4 7 3 5 4 4 15 17 17 18 17 19 17 18 24 19 Ich mag die Marke Lesebeispiel: 26 Prozent aller Befragten im Jahr 2014 fanden, dass Alfa Romeo für gutes Aussehen bzw. Styling steht. Quelle: Motorpresse Stuttgart, Best Cars 2005 bis 2014; Basis: alle Befragten HORIZONT 38/2015 gehrlichkeit“, sagt er. Gerade an Letzterem müssten die Italiener aber arbeiten, um das ramponierte Image aufzupolieren. Aus einer Befragung der Motor Presse Stuttgart geht etwa hervor, dass der Traditionshersteller in den Kategorien Style und Sportlichkeit – zentrale Elemente der Marke – im Laufe der Zeit teils deutliche Verluste verzeichnet hat (siehe Tabelle). „Alfa Romeo muss sowohl die Charakteristik der Marke, etwa durch das besondere Fahrgefühl und das spezielle Design, zum Leben erwecken und gleichzeitig die heutigen Qualitätsstandards erfüllen“, empfiehlt der Markenstratege. Er ist skeptisch, ob Alfa die gegebenen Voraussetzungen für einen Neuanfang nutzt, zu oft habe man in der Vergangenheit Fehler gemacht, wie etwa mit der Einführung des 156er Kombi im Jahr 1997 oder des Sportwagens Brera 2005. Auch in der Kategorie „Macht gute Werbung“ befinden sich die Italiener in der „Best Cars“-Befragung auf konstant niedrigem Niveau. Darauf angesprochen, gelobt Moldaner Besserung: „Es wird in der Kommunikation definitiv eine andere Ansprache geben.“ Der Fokus solle unter anderem auf Businesskunden liegen. Die Händler sind derweil weitaus optimistischer als Markenspezialist Gietl. Vor zwei Jahren wurden ihre Verträge gekündigt, nun sollen 120 von ihnen neue Papiere unterschreiben. Bei einer Veranstaltung in Las Vegas vor zwei Wochen feierten angeblich 7000 Händler aus aller Welt die neue Markenstrategie mit Standing Ovations, so Moldaner. Sie sehnen sich scheinbar nach Neuheiten, hatte Alfa mit der kompakten Giulietta und dem Kleinwagen Mito doch zuletzt nur noch zwei Modellreihen im Angebot und verlor einen Großteil seiner Kundenbasis. Damit die Kultmarke zum globalen Player im Premiumsegment aufsteigt, wird nun auch parallel eine neue Corporate Identity ausgerollt (siehe Seite 80/ 81). Größte Veränderung: Alfa bekommt einen separaten Showroom; hat ein Händler Alfa und Jeep im Angebot, gibt es zwei voneinander getrennte Markenwelten. Der Premiumanspruch soll durch neues Mobiliar, Themenwelten mit Info- screens oder Serviceecken betont werden. Zusätzlich wird der Verkaufsprozess umgekrempelt: Die Händler werden mit Blick auf ein verbessertes Kundenkontaktmanagement geschult – die Beratung mittels Tablet-PC soll etwa das hochwertige Image befördern. Alfa investiert für die neue CI etwa 10 Millionen Euro. M oldaner setzt bei der Bewerbung der neuen Giulia vor allem auf das Thema Experience Marketing. Bei Events oder Roadshows sollen Kunden die Modelle direkt erleben, Testfahrten durchführen oder mit Händlern in Kontakt kommen. Angesprochen werden soll eine Zielgruppe, die national, aber auch lokal für jeden Händler bespielbar ist. Erste Event-Luft schnupperte Alfa etwa bei einem Rennsportevent vor wenigen Tagen in Frankfurt – nicht ohne Grund im Umfeld der IAA, um die Aufmerksamkeit zu verstärken. Für Alfa war es eine erfolgreiche Premiere, weitere Events sollen eventuell folgen. Letzten Endes ist das Ziel klar: Autos verkaufen. 400000 weltweit sollen es bis 2018 sein, so die Vorgabe von Marchionne, das Sechsfache der Verkäufe von 2014. Für Gietl ist der Fokus auf die nackten Zahlen nicht zielführend. „Das ist die falsche Denke. Eine Marke wie Alfa Romeo sollte sich auf die Ursachen des zukünftigen Erfolgs und die Wertschöpfung konzentrieren. Die Absatzmenge ist dabei der falsche Erfolgsmaßstab.“ Lob hat der Brand-Trust-Experte für das neue Logo. Es sei eine zeitgenössische Interpretation dessen, wofür die Marke traditionell steht: Eleganz und Sportlichkeit. Dieser Markenkern ist seit neuestem auch wieder auf dem altehrwürdigen Betriebsstandort in Arese zu spüren, wo das Museum sowie die Alfa- und Jeep-Showrooms überarbeitet wurden. Zusammen mit einer kleinen Teststrecke entsteht dort eine Erlebniswelt, ähnlich wie bei Volkswagen in Wolfsburg oder bei BMW in München. „Für viele langjährige AlfaClub-Mitglieder stand das unrenovierte, verfallende Werksgelände in Arese sinnbildlich für die Marke“, sagt Wolfinger. Nun erstrahlt dort alles in neuem Glanz. FOTO: ALFA ROMEO Willkommensgruß am Frankfurter Flughafen für IAA-Besucher: Alfas neue Giulia 84 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Sprung Auf dem Jaguar prescht nach vorn: Nach XE und XF 2015 soll der F-Pace 2016 neues Terrain erobern Von Jochen Zimmer A Das Mittelklasse-SUV F-Pace feiert nach ersten CameoAuftritten als Begleitfahrzeug des Team Sky bei der Tour de France auf der IAA offizielle Weltpremiere. In diesem Boom-Segment soll die fünfte Modellreihe von Jaguar einen weiteren Volumenschub bringen. Technisch bedient sich der Jaguar-Geländewagen bei der Schwestermarke Land Rover, er interpretiert seine Rolle aber sportlich-dynamisch und dürfte künftig eher in Städten als off-road zu sichten sein. Wie beim Range Rover Evoque und beim Jaguar XE ebnen die Briten dem Markteintritt in ein völlig neues Segment mit langem kommunikativen Vorlauf den Weg. Bereits jetzt wird online im F-Pace Circle kommuniziert. Die mit einem Looping-Stunt inszenierte Enthüllung am 14. September war unter dem Hashtag #FPACE live zu verfolgen. Bis zum Markt- und Kampagnenstart im kommenden Jahr wird die Dialogintensität erhöht. uf dem IAA-Stand von Jaguar Land Rover (JLR) sichert sich Jaguar dieses Mal den Löwenanteil. Denn mit der Weltpremiere des F-Pace wagt die Marke nicht nur den Sprung in das für sie völlig neue SUV-Segment. Gleichzeitig können die Besucher die Ende September in die Showrooms kommende zweite Generation der Obere-Mittelklasse-Limousine XF unter die Lupe nehmen. Und mit dem XE wird ein weiteres taufrisches, im Juni eingeführtes Mittelklassemodell die Blicke auf sich ziehen. Angesichts des Neuheitenfeuerwerks hält sich die in den vergangenen Jahren mit frischen Modellen auf strammem Eroberungskurs fahrende Schwestermarke Land Rover diesmal mit News vornehm zurück. „Wir können nicht jede Nische besetzen, aber dafür die Fahrzeuge bauen, die uns Spaß machen“, umreißt JLR-CEO Ralf Speth die im Vergleich zu deutschen Premiumanbietern begrenzten Modellspielräume des britischen Herstellers, der seit 2008 zum indischen Tata-Konzern gehört. Nach dem 2013 mit dem Sportwagen F-Type gesetzten Ausrufezeichen soll der F-Pace nun eine besonders sportliche Duftmarke im SUV-Segment hinterlassen, einem Terrain, das der Konzern mit Land Rover bereits bestens bedient. Für JLR-Deutschland-Chef Peter Modelhart ist der F-Pace dennoch enorm wichtig, um die Produktpalette von Jaguar im dynamischsten Wachstumssegment abzurunden. „Mit nun fünf Modellreihen haben wir das Fundament der Marke nachhaltig erweitert, sodass dass uns die Auslaufphase eines Volumenbringers wie Anfang des Jahres die erste Generation des XF künftig nicht mehr so stark tangieren wird“, sagt Modelhart und ist sich sicher, den anfänglichen Durchhänger bei den Zulassungen bis zum Jahressende in ein zweistelliges Plus zu wenden. Besondere Angriffslust zeigt Modelhart dabei im Geschäftskundensegment, wo JLR in den vergangenen vier Jahren mit dem Aufbau von Business-Centern die nötigen Marktbearbeitungsstukturen geschaffen habe: „Auch im Kommunikationsmix – sei es Print, TV oder Online – werden wir diese Zielgruppe stärker ins Visier nehmen, ebenso mit unseren Roadshows.“ Mit den eher rationalen und in der Total-Cost-of-Ownership sowie im Auf allen Terrains im Vorwärtsgang Neuzulassungen ausgewählter Modelle von Jaguar und Land Rover in Deutschland 2015 (Jan. bis Aug.) 2014 2013 2012 Jaguar gesamt 3541 4229 4160 3197 XF-Reihe 1460 2466 2803 2324 F-Type 1096 1259 723 – 176 274 342 427 XJ-Reihe Land Rover gesamt 12254 14679 12425 11113 Range Rover Evoque 4100 5720 5027 5046 Range Rover Sport 3135 3984 2247 2093 Discovery Sport* 1560 1412 1828 1557 *ab 10/2014; Vorgängermodell: Freelander Quelle: KBA / Motorpresse Stuttgart HORIZONT 38/2015 Design „erreichbaren“ Produkten XE und XF habe man nun im Dialog mit Flottenmanagern bessere Argumente. „Wir müssen bei Jaguar weg von dem exklusiven Image im Sinne von teuer. Ich darf die Anschaffung nicht rechtfertigen müssen, weder beim Preis, noch beim Design.“ Mit dem inzwischen wie in den 50er und 60er Jahren wieder sportlichen und modernen Auftritt habe man in dieser Hinsicht bessere Erfolgsvoraussetzungen als mit dem in der Vergangenheit lange prägenden staatstragenden, barocken Erscheinungsbild. „Bei den Imagewerten haben wir zuletzt mit Land Rover, aber noch stärker mit Jaguar, einen deutlichen Schritt nach vorn gemacht“, sieht sich der Deutschland-Chef bestätigt. Dies gelte insbesondere für die Kategorien Design und Sportlichkeit, während bei den Kriterien Innovation und Fortschrittlichkeit weiterhin Nachholbedarf bestehe. D eshalb ziele die aktuelle Marketingstrategie auch darauf, die Innovationskraft wie etwa mit den neuen Infotainment-Systemen in den Vordergrund zu stellen, ebenso niedrige Verbrauchswerte, die für deutsche Autofahrer eine wichtige Rolle spielten. „Um diese technischen Kompetenzen zu untermauern und die volumenträchtigeren Fahrzeuge bekannt zu machen, benötigen wir einen stärkeren Anteil an Above-theLine-Kommunikation inklusive TV“, erläutert Modelhart. Dies sei insbesondere bei dem XE der Fall, in dem die neue Fahrzeugarchitektur, Motortechnik und das Infotainmentsystem der Marke Premiere hatte. Da man mit dem XE 90 Prozent Neukundeneroberung anstrebe, sei es nötig gewesen, mit höheren Werbeinvestitionen Aufmerksamkeit zu schaffen. Ein solch breiter Aufschlag bleibe jedoch die Ausnahme. „Je spitzer und exklusiver ein Modell positioniert ist, umso wichtiger werden Events im Marketingmix.“ Die Gangart der vergangenen Jahre, so Modelhart, zahle sich nicht nur bei Imagewerten und Verkaufszahlen aus, auch das Durchschnittsalter der JaguarKäufer sei niedriger. Inzwischen liege es bei knapp über 50 Jahren. 2010 hatte die Marke mit 56,5 Jahren noch vor Mercedes (56,1 Jahre) die älteste Käuferstruktur aller Automarken in Deutschland. Die Kampagnen von XF und XE: horizont.net/jaguar3815 Nach dem Aus für den eher schlecht beleumundeten X-Type im Jahr 2009 besetzt Jaguar mit dem Mitte Juni in Deutschland eingeführten XE wieder das Mittelklasse-Segment. Damit er seiner zugewiesenen Rolle als Volumentreiber auch gerecht wird, schiebt JLR das Modell bereits seit Februar mit einer aufwendigen Werbekampagne in TV, Print und Online unter dem Motto „British Intelligence“ an. Selbstredend sind die Protagonisten, die Kinostars Tom Hiddleston und Nicholas Hoult, Briten. Der XE soll mit seiner dem größeren Bruder XF folgenden Linie vor allem im Businesskunden-Segment punkten; eine Kombiversion dürfte wie beim XF folgen. Die 1. Generation der 2008 eingeführten Oberklasse-Limousine XF läutete damals die radikale Abkehr von der traditionellen Jaguar-Designlinie ein und reanimierte die sportlichen Gene aus den 50er/60er Jahren. Exterieur-Designchef Adam Hatton, der mit Chefdesigner Ian Callum bereits 2008 mitwirkte, schärft angesichts des XFErfolgs die „dramatischen Proportionen“ der coupéhaften Limousine auch nur dezent nach. Die Mitte September startende Einführungskampagne steht unter dem Motto „No business as usual“ und will statt mit Klischees mit technischen Innovationen wie etwa Leichtbau und ConnectivitySystemen die Kernzielgruppe der Geschäftskunden beeindrucken. Neben TV sind die Kanäle Online und Print gesetzt. 88 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Der Motor der Marke Automobilhersteller profilieren sich immer öfter mit innovationsgetriebenen Kampagnen rund um das Thema Technologie Von Santiago Campillo-Lundbeck K larer als das Werbefestival Cannes Lions in diesem Frühjahr hat wohl niemand diesen Trend auf den Punkt gebracht: In der Werbung ist der ultimative Beweis von Kreativität eine innovative Technologie. In einem eigenen Innovations-Programm konnten sich Agenturvertreter und Werbungtreibende über die neuesten Tech-Trends und ihr Potenzial für die Markeninszenierung informieren. Und der Titanium-Preis an den Pizzaliefer- dienst Domino’s für die Einführung eines Pizza-Emojis als direkte Bestellfunktion auf Twitter illustrierte anschaulich, dass neue Technologie nicht nur als Werbeträger, sondern auch als integraler Bestandteil der Werbebotschaft fungieren kann. In der Praxis tun sich allerdings viele Marken mit dieser Vision noch schwer. In der Bierbranche gibt es immer wieder interessante Ansätze wie etwa Heinekens digitale Bierflasche Ignite, der Teletransporter der argentinischen Marke Andes und die Virtuelle-Realitäts-Kampagne von Dos Equis. Doch allzu oft liefern die für die Kampagnen entwickelten Ideen keine Technologien, die einen realen Bezug zu den alltäglichen Anforderungen der Marke haben. Nicht umsonst hat Nike mit seiner Fitness-Plattform Nike Fuel bis heute eine Ausnahmestellung. Außer Nike kann praktisch keine Marke von sich behaupten, über eine Innovation einen neuen Kommunikationsansatz gefunden und gleichzeitig die Produktrelevanz der Marke erhöht zu haben. Hier befinden sich die AutomobilMarketer in einer glücklichen Ausnahmesituation. Zentrales Kommunikationsziel ihrer Werbung war ohnehin schon immer die Visualisierung der Technikkom- petenz ihrer Marke. Wer hier einen Weg findet, über echte Innovationen Geschichten zu erzählen, macht nicht nur seine Werbung wirksamer, sondern stärkt auch direkt den USP seiner Marke. Denn anders als beispielsweise Unternehmen aus der FMCG-Branche verfügen alle Autohersteller über einen großen Stamm von Ingenieuren, deren Wissen sie direkt für technologische Marketingprojekte nutzen können. Wie weit hier die Spannbreite zwischen origineller Neuinterpretation bestehender Technik und visionärem Griff nach den Sternen ist, soll diese Auswahl aktueller Beispiele zeigen. Lexus Hoverboard: Wohl nie wurde der Claim von Toyotas Premiummarke Lexus „Amazing in Motion“ faszinierender umgesetzt als bei dem Lexus Hoverboard, das im Rahmen der Online-ContentMarketingkampagne entwickelt wurde. Bei der Idee greift der japanische Hersteller zwar auf die Kompetenz der deutschen Unternehmen IFW Dresden und Evico zurück, nutzt aber gleichzeitig geschickt den InternetHype der „Zurück in die Zukunft“-Fans, die getreu der Filmhandlung auf die Ankunft des Hoverboard fahrenden Helden Marty McFly am 21. Oktober warten. Der Wermutstropfen dabei: Das Hoverboard ist zwar tatsächlich nutzbar, aber nur auf einer Spezialfläche, die den magnetischen Schwebeeffekt erst ermöglicht. Audi Lunar Quattro: Der Quattro- Allrad-Antrieb ist nicht nur eine historisch markenprägende Technologie der VW-Tochter aus Ingolstadt, sondern auch für Fahrzeuge auf dem Erdtrabanten relevant. Audi liefert seine Technologie als Sponsor des deutschen Teams Part Time Scientists, das im Rahmen des Google XPrize versucht, ein Forschungsfahrzeug auf den Mond zu bringen. Die Vorteile: Im Erfolgsfall könnte der Raketenstart zum Event auf Augenhöhe mit Red Bulls „Projekt Stratos“ werden. Darüber hinaus wäre Audi der einzige Hersteller, der seine Technologie als „Mond getestet“ branden könnte. VW Baby Stroller: Der Bremsassistent und der Abstandhalter des VW Golf sind zwar nützliche Technologien, werden aber in Werbespots in der Regel sehr vorausschaubar inszeniert. Der niederländischen Kreativagentur Achtung gelang der Coup, indem sie den selbstfahrenden Babywagen mit den genannten Features erfand. Das Resultat wird zwar nicht in den Handel kommen, der Wagen macht aber die wahre Größe der Innovationen der Technologien wieder erlebbar, die als Feature eines VW Golf von Vielen als alltäglich und wenig bemerkenswert empfunden werden. Toyota „Fueled by Anything“: Wenige Themen sind so abstrakt wie der Wasserstoff-Motor. Toyota stellt sich zusammen mit seiner Agentur Droga 5 in der ContentKampagne „Fueled by Anything“ der Herausforderung und zeigt, wie sich aus den kuriosesten Rohmaterialien Wasserstoff gewinnen lässt. Damit wird die Flexibilität des Antriebs in der Rohstoff-Frage auch zum Motor des Storytellings. Die erste Folge „Fueled by Bullshit“ stach besonders heraus, die eine Bemerkung des TeslaGründers Elon Musk, dass Wasserstoff-Motore „Bullshit“ seien, als Inspiration nutzte. 90 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 „Google Car ist eine Mini-S-Bahn“ Sascha Martini, CEO der Agentur Razorfish, über selbstfahrende Autos, die Aufholjagd der Hersteller und verzichtbare Händler S Von Anja Sturm eit 2008 betreut Sascha Martini mit der Agentur Razorfish das Digitalmarketing von Audi. Dem 44-Jährigen gehen in der Branche viele Entwicklungen nicht schnell genug. Dem Onlinevertrieb von Neuwagen verspricht er eine große Zukunft, klassischer TV-Werbung eher nicht. Beim Thema Automobilmarketing reden alle nur noch über Car Connectivity, autonomes Fahren und neue Geschäftsmodelle wie Carsharing. Worüber reden Sie bei Razorfish, wenn es um die Zukunft der Autoindustrie geht? Das Interessante an Ihrer Frage ist, dass wir über die Themen, die Sie gerade genannt haben, schon seit einigen Jahren sehr intensiv sprechen, dass aber die Automobilindustrie erst jetzt wirklich konkret beginnt, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Vieles ist in seiner Dringlichkeit von den Herstellern viel zu lange gar nicht verstanden worden. Inzwischen aber ändert sich das massiv. Ist es für die Automobilhersteller spät oder zu spät? Sascha Martini Seit 2008 ist Sascha Martini, 44, bei Razorfish, seit gut zwei Jahren als Deutschlandchef. Zu den wichtigsten Kunden der Agentur, die seit 2009 zum Publicis-Network gehört, zählen Audi, McDonald’s und Nestlé. Martini ist ein erfahrener Auto-Werber. Vor Razorfish und der Übernahme des Audi-Etats betreute er als Chef der Agentur Bassier, Bergmann & Kindler unter anderem den Kunden Porsche. Es ist ziemlich spät. Zumal es nicht nur um fahrzeugspezifische Entscheidungen geht. Digitale Transformation meint ja auch und gerade die Entwicklung neuer Services und Dienstleistungen. Hier müssen die Autokonzerne sehr schnell sehr stark aufholen. Es gibt neben Google ja auch noch eine Menge anderer Angreifer. Seien es Start-ups, die gerade den Gebrauchtwagenbereich online aufmischen, oder neue digitale Services, die für eine extrem hohe Kostentransparenz bei freien Werkstätten sorgen. Also ist es zu spät? Noch ist es aufholbar. Aber man muss jetzt schnell sein. Automobilhersteller müssen neue Services und Dienstleistungen nicht nur als moderne Kundenbindungsinstrumente begreifen, sondern konsequent als neue Business-relevante Geschäftsmodelle. Hier steigt der Druck auf die Automobilhersteller derzeit ganz enorm. Können oder wollen die Automobilhersteller nicht schneller in neuen Kategorien denken? Es ist weniger eine Frage des Neudenkens, sondern mehr eine Frage des Loslassens von alten Sicht- und Herangehensweisen. Es ist doch sehr bemerkenswert, wenn Volkswagen-Chef Martin Winterkorn erst auf der Aktionärsversammlung 2015 die Digitalisierung als einen zentralen Faktor für den langfristigen Erfolg des Konzerns erwähnt. Das bedeutet aber auch, dass die Unternehmen erst jetzt richtig begreifen, dass sie heute nicht nur Ingenieure, sondern auch ITSpezialisten einstellen müssen. Diese Spezialisten zu finden, ist unheimlich schwer. Und ich glaube, die Automobilkonzerne vertun sich, wenn sie denken, dass sie für IT-Spezialisten als Arbeitgeber genauso attraktiv sind wie für Ingenieure. IT-Spezialisten gehen im Zweifel vielleicht doch lieber zu Amazon, Google oder den Start-ups. Ein gutes Stichwort: Wie dramatisch schätzen Sie die Entwicklung rund um autonomes Fahren ein – werden Google und Co oder die klassischen Automobilhersteller das Rennen machen? Das ist keine Entweder-oder-Frage. Beide Modelle basieren auf völlig unterschiedlichen Nutzungsszenarien. Google Car wird ein alternatives Mobilitätskonzept für urbanes Leben sein und damit eine Ergänzung zum öffentlichen Personennahverkehr. Google Car ist im Prinzip eine Mini-S-Bahn. Bei den Selbstfahrkonzepten von Audi und anderen Herstellern geht es darum, auf langen Strecken autonom von A nach B zu kommen und weiterhin Spaß am eigenen Auto zu haben. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass künftig beide Konzepte, also das von Google und das der Automobilhersteller, nebeneinander existieren werden. Die Neuwagenverkäufe dürften dann aber dennoch weiter zurückgehen, wenn nicht jeder Stadtbewohner ein eigenes Auto kauft, sondern sich in eine Google-Kugel setzt. Das ist richtig. Der Autoabsatz wird zumindest in den westlichen Ländern weiter sinken. Und ehrlich gesagt glaube ich, dass es den einen oder anderen Automobilhersteller in zehn Jahren nicht mehr geben wird oder er von einem Konkurrenten geschluckt wurde. Wie sehr in Schieflage wird die Digitalisierung die Beziehung zwischen Herstellern und Händlern bringen? Das fängt schon bei den Kundendaten an. Kernherausforderung für alle Hersteller ist, auch während der Besitzphase, also nach dem Autokauf, mit den Kunden in Kontakt zu bleiben. Hier macht die Besitzstandsdenke der Händler immer weniger Sinn. Früher oder später wird der Zeitpunkt kommen, an dem die Händler ihre Kundendaten mehr oder weniger freiwillig an die Hersteller weitergeben werden. Vermutlich eher später und eher weniger freiwillig. Es macht keinen Sinn, dass Händler das gesamte Ökosystem rund um den Kunden selbst aufbauen. Je mehr digitale Services die Hersteller anbieten, desto komplexer wird die dafür notwendige Infrastruktur und desto weniger können die Händler das anbieten. Ich weiß, die Händler hören das nicht gerne. Aber meine ganz private Meinung ist in diesem Punkt ziemlich radikal: In ihrer heutigen Funktion braucht die Händler kein Mensch. Viele sind mit der digitalen Transformation total überfordert. Im Onlineverkauf hapert es aber doch noch gewaltig. Die Car-Commerce-Projekte der Hersteller sind allenfalls zaghaft, die Umsätze bescheiden, um nicht zu sagen marginal. Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass der Online-Abschluss beim Autokauf schon sehr bald mehr oder weniger normal sein wird. Ich schätze, dass in fünf Jahren rund 20 Prozent der Neuwagenumsätze online generiert werden. Lassen Sie uns noch kurz über so altmodische Themen wie klassisches Digitalmarketing sprechen. Die Content-Flut im Netz wächst, gleichzeitig positionieren sich soziale Medien wie Facebook und Youtube immer stärker als PaidMedia-Kanäle. Ist Content Marketing im Sinne von Earned Media schon wieder out? Nein. Content Marketing ist im Sinne der Produktion relevanter Inhalte, die über eine klassische TV-Belegung hinausgehen, überhaupt nicht out. Entscheidend ist die Frage der richtigen Distribution. Für Pinterest müssen nun einmal andere Inhalte produziert werden als für Facebook. In diesem Punkt haben noch sehr viele Werbungtreibende, nicht nur in der Automobilindustrie, viel zu wenig Wissen und Erfahrung. Das ist ja nicht neu. Hinzu kommt aber nun, dass sich Werbungtreibende auch in den sozialen Medien Werbeplätze für ihre Spots einfach kaufen können. Das sollte aber genau nicht dazu verführen, wieder nur einen TV-Spot zu produzieren und im Netz zu platzieren. Um sich in der Content-Flut künftig Gehör zu verschaffen, sollte man dringend über einen neuen Budget-Split nachdenken: Statt wie bisher 90 Prozent in Media und nur 10 Prozent in die Content-Produktion zu investieren, sollte man deutlich mehr Geld in die Produktion der Inhalte stecken. Einen Split von 60 zu 40 halte ich für durchaus sinnvoll und machbar. Ihre Ex-Razorfish-Kollegen Sven Küster und Matthias Sinn, die heute mit Hi Res den Kunden BMW betreuen, haben in einem HORIZONT-Interview sinngemäß gesagt: Die Automobilbranche muss im Netz die Deutungshoheit von den Auto-Bloggern zurückerobern. Sehen Sie das auch so? Nein. Wenn damit gemeint ist, dass der Autohersteller selbst erst ziemlich weit unten auf irgendwelchen Ergebnislisten im Netz auftaucht, würde ich eine bessere Suchmaschinenoptimierung empfehlen. Wenn damit gemeint ist, dass Blogger eine bei den Verbrauchern hohe ContentRelevanz haben, zeigt das doch nur, was wir alle schon wissen: Die Verbraucher vertrauen bei solchen Informationen anderen Menschen einfach mehr als den Herstellern. In diesem Punkt muss sich die gesamte Werbeindustrie, nicht nur die der Automobilkonzerne, an die eigene Nase fassen: Viele Hersteller und Marken haben in der Vergangenheit durch Werbung massiv ihre Glaubwürdigkeit beim Verbraucher verspielt. FOTO: CARSTEN LINDSTEDT Harte Worte. Die Rolle der Händler wird sich verändern. Als Dienstleister, Werkstatt oder Auslieferstation werden sie auch künftig gebraucht. Doch Verkauf und Beratung kann man heute auf andere Art schon wesentlich besser machen. Sei es online, in Showrooms oder mit Callcentern. 92 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Zu Gast bei Toyota: Robin Schulz (r.), Axel Prahl, Jan Josef Liefers und Atze Schröder (l.u.) FOTO: TOYOTA Sevilay Gökkaya, Marketingchefin Toyota Deutschland It’s Showtime! Toyota setzt den Auris mit einem aufwendigen LiveFormat in Szene Beats für den Aygo Seit Mai ist der international erfolgreiche DJ Robin Schulz als Markenbotschafter für Toyota im Einsatz. Im Rahmen der zwölfmonatigen Partnerschaft soll er helfen, den Kleinstwagen Aygo bei der jungen Kundschaft bekannter und beliebter zu machen. Der Aygo hat unter anderem einen Auftritt im Video zum SchulzHit „Headlights“. Darin nimmt der DJ auf dem Beifahrersitz Platz und lässt sich von einer hübschen Blondine chauffieren – er selbst hat keinen Führerschein. Von Klaus Janke M an kann Toyota wirklich keine Angst vor innovativen Marketingideen vorwerfen. Zum Marktstart des neuen Auris hat der japanische Hersteller sogar ein Live-Entertainment-Format nach Vorbild klassischer TV-Shows auf die Beine gestellt. Die „Toyota Live Show“ war am vergangenen Samstag von 12 Uhr bis 13.45 Uhr bei rund 500 Autohändlern zu sehen, die Übertragung auf die Monitore in den Autohäusern erfolgte per Satellit. Hersteller und Händler hatten im Vorfeld mit TV-Werbung und im Internet eingeladen. Wer keine Zeit oder Lust hatte, im Autohaus bei Würstchen oder Kuchen dabei zu sein, konnte das Event auch im Internet als Livestream verfolgen. Beim Promi-Aufgebot hat Toyota keineswegs gegeizt: Die Moderatoren Nazan Eckes und Oliver Geissen konnten vor über 500 Zuschauern im Saal den Comedian Atze Schröder, die Band The Boss Hoss, DJ Robin Schulz, die Schauspielerin Christine Neubauer und Moderatorin Jana Ina Zarella begrüßen – bewährtes Personal, das man vorwiegend aus dem „richtigen“ Fernsehen kennt. Den neuen Auris fuhr Axel Prahl auf die Bühne, gemeinsam mit seinem „Tatort“-Kompagnon Jan Josef Liefers bewährtes Testimonial in der Toyota-Werbung. Routiniert plauderten die beiden auch gleich darüber, wie es denn so gelaufen ist bei den Dreharbeiten zum knapp vierminütigen Toyota-Roadtrip-Kurzfilm (HORIZONT 20/2015). Aber bei der „Toyota Live Show“ ging es nicht nur um Musik, Comedy und Entertainment, sondern auch um soziales Engagement. Toyota präsentierte gemeinnützige lokale Projekte, die von einzelnen Händlern unterstützt werden. Knapp 100 standen im Vorfeld der Show zur Online-Abstimmung im Internet. Die beiden Projekte mit den meisten Votings und zwei weitere, von einer Jury gekürte, wurden in der Show vorgestellt. Über den Gesamtsieger konnten die Zuschauer dann am Samstag live per SMS abstimmen. Am Ende siegte das vom Frankfurter Autohaus Nix vorgestellte Projekt, eine Einrichtung zur Kurzzeitbetreuung beeinträchtigter Kinder und Jugendlicher, und wurde mit einem Preisgeld von 20000 Euro belohnt. Die weiteren Kandidaten erhielten Prämien im Gesamtwert von 30000 Euro. Und damit niemand leer ausgeht, versprach ToyotaDeutschlandchef Tom Fux in der Show, dass sämtliche an den Start gegangenen Projekte mit einer Spende von 1000 Euro rechnen dürfen. Ein ziemlich ambitioniertes und aufwendiges Projekt also, das die Frankfurter Agentur Unique 1 für Toyota konzipiert hat – riskant war vor allem, den Schwerpunkt auf die Übertragung in den Autohäusern zu legen. Zwar hat Toyota die Show finanziert, aber die Händler mussten immerhin die Kosten für Technik und die Organisation vor Ort übernehmen – da war es nicht sicher, ob alle mitspielen (was sie mehrheitlich taten). Die zweite Frage ist noch offen: Wird die „Toyota Live Show“ ihre Kosten wieder einspielen? Sevilay Gökkaya, Marketingchefin Toyota Deutschland, zeigt sich bislang „sehr zufrieden“ (siehe Interview). Vor allem das Interesse im Internet und der lokale PR-Effekt für die Händler und ihre sozialen Projekte sei sehr hoch gewesen. In den Autohäusern war dagegen am Samstag teilweise nicht allzu viel los – die Aktivierung für Besuche vor Ort wird immer schwieriger, das zeigt auch diese Aktion. D abei ist es gerade zurzeit für Toyota wichtig, die Relevanz des Händlernetzes zu betonen, denn das Verhältnis ist angespannt. Ende Mai flatterte den rund 520 Händlern in Deutschland ein Schreiben des Herstellers ins Haus, in dem dieser das Vertragsverhältnis zum 31. Mai 2016 kündigt. Dann soll das Netz um etwa 100 Unternehmen reduziert werden. Gut 420 Händler, mit denen Toyota weiterarbeiten will, erhielten einen „Letter of Intent“ für einen neuen Vertrag mit veränderten Konditionen. Im Zuge der Verschlankung der Organisation soll auch die Struktur vereinfacht werden. Bislang gibt es noch ein zweistufiges Netz aus Gruppen- und Partnerhändlern. Während die rund 90 Gruppenhändler direkt von Toyota beliefert werden, beziehen die Partnerhändler ihre Fahrzeuge über die Gruppenhändler. Dieser indirekte Status soll künftig entfallen, was für die ehemaligen Partnerhändler laut Toyota eine höhere Rentabilität bedeuten soll. Der Umbau dürfte auf die Absatzzahlen drücken – vom ursprünglichen Verkaufsziel von 74000 Fahrzeugen hat man sich verabschiedet: „Die Umstrukturierung mit ihren Begleiterscheinungen er- fordert natürlich eine neue Planung“, erklärt Gökkaya. „Wenn wir, wie im Vorjahr, die Zahl 70000 erreichen würden, wären wir sehr begeistert.“ W ährend Toyota international bestens dasteht und sich mit VW ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel des weltweit größten Autobauers liefert, hat die deutsche Dependance mit starkem Druck zu kämpfen. Im vergangenen Jahr fiel die Zahl der Toyota-Neuzulassungen laut KraftfahrtBundesamt um gut 5 Prozent auf nur noch 70267 Fahrzeuge. In den ersten acht Monaten dieses Jahres liegt die Marke insgesamt 7,3 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Dies liegt vor allem an den Verlusten der beiden volumenstärksten Modelle: Der Kleinwagen Yaris sackte um gut 18 Prozent ab, der kompakte Auris, dessen neue Generation in diesem Monat gestartet ist, um 24 Prozent. Freude bereitet dagegen der Kleinstwagen Aygo: Der City-Flitzer, der mit unkonventionellen Aktionen im Rahmen der „Go Fun Yourself“-Kampagne (HORIZONT 39/ 2014) gepusht wird, verzeichnete bislang in diesem Jahr ein Plus von gut 24 Prozent auf 7708 Neuzulassungen. Weiteren Schwung soll nun die neue Generation des Kompaktklasse-Modells Auris bringen, das optisch aufgefrischt mit neuen Motoren und mehr Komfort seit vergangenem Wochenende auf dem Markt ist. Der Einstiegspreis bleibt mit 15990 Euro unverändert, die Hybrid-Variante startet bei 22990 Euro. Angeschoben wird der neue Auris mit einer klassischen Werbekampagne mit den Testimonials Prahl und Liefers, die am 21. September an den Start geht (Agentur: Saatchi & Saatchi, Düsseldorf). Für den Rest des Jahres wird sich die Werbung dann in erster Linie mit Dachkampagnen um die gesamte Modellrange von Toyota drehen. Das1. Quartal 2016 steht dann ganz im Zeichen des Kompakt-SUV RAV4, der als Hybrid auf den Markt kommt, vorgestellt schon jetzt auf der IAA. Publikumspremiere feiert dort auch die vierte Generation des Toyota Prius, der laut Hersteller den bisher größten Sprung in Sachen Kraftstoffverbrauch, Emissionen und Effizienz macht. Und die „Zukunft“ (japanisch: Mirai) bricht an – mit dem gleichnamigen Brennstoffzellenauto, das in Europa zunächst in Deutschland, Großbritannien und Dänemark auf den Markt kommt. „Ich würde eine 2plus geben“ Sevilay Gökkaya über den Erfolg der „Toyota Live Show“ Frau Gökkaya, die Show war ein sehr aufwendiges Projekt. Hat es sich gelohnt? Wir sind auf jeden Fall sehr zufrieden – ich würde die Note 2plus geben. Wir haben, auch im Vorfeld der Show, ein sehr starkes Echo im Internet gehabt. Mehrere Tausend Unique User haben den Livestream verfolgt. Und die Händler berichten von beträchtlichen PR-Effekten in den lokalen Medien. Daher hat sich Toyota entschlossen, die von den Händlern geförderten gemeinnützigen Projekte auch weiterhin zu unterstützen. Wie gut waren die Autohäuser zur Live Show besucht? Da ist das Bild durchwachsen. Ein Handelspartner berichtet von über 700 Besuchern, bei anderen wiederum waren es deutlich weniger. Dabei hat eine Rolle gespielt, inwiefern der Händler eigene Aktivierungsmaßnahmen zusätzlich zur nationalen Werbung für die Show durchgeführt hat. Wir sehen allgemein, dass es immer schwerer wird, die Leute in die Autohäuser zu ziehen. Diese Erfahrung werden wir beim nächsten Projekt dieser Art – und das wird es auf jeden Fall geben – berücksichtigen. Woran messen Sie den Erfolg der Live Show? An den Verkäufen des neuen Toyota Auris. Die Zahl der Online-Konfigurationen ist bereits deutlich gestiegen. Wir lagen in der vergangenen Woche 2500 Einheiten über den ansonsten üblichen wöchentlichen Zahlen. Daher hat die Show, für die wir ja auf einen Teil der klassischen Werbung verzichtet haben, ihre Aufgabe erfüllt. Toyota baut bis Mai 2016 das Händlernetz in Deutschland um. Wie kommen Sie voran? Bis Oktober dieses Jahres werden Vertragsgestaltung und Margenregelung feststehen. Wir sind zuversichtlich, zwischen November 2015 und März 2016 mit allen Händlern, mit denen wir weiterarbeiten wollen, entsprechende Verträge geschlossen zu haben. HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 93 17. September 2015 Let me entertain you Um bei den jungen Zielgruppen zu landen, setzen immer mehr Automarken auf Popstars als Markenbotschafter – wie vier aktuelle Beispiele aus diesem Jahr zeigen FOTO: MERCEDES Lana, Lena, Robbie 2015 setzen so viele Automarken auf Markenbotschafter aus dem PopBusiness wie nie zuvor. Der Trend wurde aber bereits vor einigen Jahren eingeläutet. So arbeitete zum Beispiel „Eurovision Song Contest“Gewinnerin Lena MeyerLandrut mit Opel (2010), Lana Del Rey trat für Jaguar in Erscheinung (2012), Robbie Williams war vor seinem Job als Volkswagen„Marketingleiter“ neben weiteren Engagements für Smart aktiv (2004). Lexus hat zudem vor einigen Wochen einen Werbedeal mit Will.i.am von den Black Eyed Peas abgeschlossen, um auch die Zielgruppe der Millennials zu erreichen. Volks- Kurz vor Weihnachten 2014 probte den ganz großen Knall: Der Wolfsburger Autobauer verpflichtete Superstar Robbie Williams. Und das nicht etwa als gewöhnliches Testimonial – sondern als (natürlich fiktiven) Marketingleiter, der seither in mehreren Kampagnenflights im TV und Online für die Sondermodelle Club & Lounge von Volkswagen wirbt. Das Besondere an dem Auftritt: Die Inthronisierung des Ex-Take-That-Sängers wurde über Wochen als großes Social-Media-Event realisiert. Angefangen mit einem inszenierten Bewerbungsvideo von Williams, der einen Job in Deutschland suche, über kurze Hinweis-Posts von Volkswagen auf Facebook bis zur Vorstellung des Popstars vor der „Tagesschau“ am Tag vor Heiligabend. Und auch nach dem Start der Kampagne unter dem Motto „Wie gut klingt das denn“ planten die Wolfsburger gemeinsam mit der Stammagentur Grabarz & Partner jeden Schritt beinahe in Echtzeit: „Wir justieren täglich die Kampagne neu, überlegen, welche Inhalte wir über welche Kanäle ausspielen“, so VW-Marketingleiter Lutz Kothe über das Riesenprojekt, das den Abverkauf der Sonderedition in der jüngeren Zielgruppe erhöhen soll. Die Chancen dafür dürften nicht schlecht stehen: Immerhin soll die ganzjährige Kampagne 150 Millionen Kontakte und eine Million Klicks in den sozialen Netzwerken generieren. wagen Mercedes-Benz Franz Beckenbauer, Boris Becker, Mika Häkkinen – seit Jahrzehnten arbeitet mit prominenten Markenbotschaftern zusammen. Aber erst seit kurzem setzt die Marke mit dem Stern im Zuge ihrer Verjüngung auf Promis, die vor allem das junge Publikum ansprechen sollen. Bestes Beispiel dafür ist Mainstream-Rapper Cro, seit 2013 Testimonial für den Autobauer. Dabei taucht der Musiker mit der Panda-Maske nicht in klassischen TV-Kampagnen auf, sondern darf sich auf ungewöhnliche Weise selbst inszenieren: Im Frühjahr war Cro elementarer Bestandteil der MercedesRoadshow durch deutsche Großstädte, für die er einen „CLA Street Style“ im individuellen, bunten Graffiti-Look designte. Als gebürtiger Stuttgarter steht Cro natürlich auch selbst auf die Mercedes-Karossen – für den Konzern ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl seiner Partner: „Alle unsere Markenbotschafter sind überzeugte Liebhaber unserer Fahrzeuge“, so Andreas von Wallfeld, Mitglied der Geschäftsleitung Mercedes-Benz Cars Vertrieb Deutschland. „Cro ist ein kreatives Musiktalent, der ein gutes Gespür für Trends und Kunst hat. Damit passt er bestens zur Marke Mercedes-Benz.“ FOTO: VOLKSWAGEN FOTO: VOLVO Volvo Für den schwedischen Hersteller ist es ein Neuanfang in der Kommunikation: „New Beginning“ heißt die europaweite Kampagne der Automarke, die im vergangenen Mai startete und mit der sich Volvo auf seine Stärken besinnen will – und dabei bewusst auf den Faktor Heimat setzt. Im Mittelpunkt steht der Stockholmer DJ und Produzent Avicii, der mit Hits wie „Wake Me Up“ und „Addicted To You“ internationale Bekanntheit erlangte. Der bildgewaltige Kampagnenfilm zeigt den Künstler auf einem Road-Trip im Volvo XC-90, der ihn durch seine Lieblingsorte in Schweden führt und dabei an seine Welttournee zurückerinnern lässt. „Die Kampagne spiegelt etwas wider, das gerade sowohl mit Avicii als auch mit der Marke Volvo geschieht“, sagt Alain Visser, Senior Vice President Sales, Marketing & Customer Service bei dem Autobauer. „Wir betreten ein neues Zeitalter und nennen die Kampagne daher auch ‚A New Beginning‘. Wir haben in den letzten Jahren viel investiert und unsere Marke weiterentwickelt.“ Im Ergebnis wolle Volvo Cars nun erneuert, effektiver und noch kundenfreundlicher sein. Mithilfe der emotionalen Story, die von „Epic Split“-Agentur Forsman & Bodenfors entwickelt wurde, erzeugt Volvo so eine enge Verknüpfung zwischen Auto und Testimonial – auch weil der Soundtrack, eine Neuinterpretation des Nina-Simone-Klassikers „Feeling Good“, eigens für die Kampagne aufgenommen wurde. FOTO: MAZDA Großen Stars gehören ja bekanntlich die großen Bühnen. Problem nur: Je erfolgreicher Musiker und Bands werden, desto weniger „anfassbar“ sind sie für ihre Fans. Die finnische Popband Sunrise Avenue um Sänger und „Voice of Germany“-Juror Samu Haber hat da im Juli eine Ausnahme gemacht – dank einer Kooperation mit . Unter dem Motto „Das Konzert deines Lebens“ verloste der japanische Autohersteller über Radiosender, Facebook und eine Landingpage insgesamt 200 Tickets für ein intimes Konzert der Band in Berlin, für das es sonst keine Karten zu kaufen gab. Laut Dino Damiano, Direktor Marketing bei Mazda Motors Deutschland, war die Aktion ein echter Erfolg, um die Marke bei der jungen Zielgruppe besser zu positionieren: „Mit über 7500 Bewerbungen für Tickets auf der von Mazda eigens eingerichteten Website, den über 11700 Bewerbern übers Radio sowie 24000 User-Interaktionen wie Klicks, Likes, Comments und Shares, die wir mit allen Maßnahmen auf Facebook generiert haben, ist diese Aktion mit Abstand die erfolgreichste.“ Mazda nutzte den Rahmen des Konzerts außerdem dazu, sein Modell MX-5 in einem prominenten Umfeld zu promoten. Mazda 94 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Zeigt mal her! Virtuelle Realität: Immer mehr Autobauer entdecken die Einsatzmöglichkeiten von 3D und computergenerierten Inhalten für Retail und Marketing – Showrooms als Kickstarter FOTO: AUDI FOTO: 3DEXCITE / CADILLAC Digital kennt keinen Geschäftsschluss – das ist der Ansatz der „24/7 Salesmen“-Demo von Cadillac. Der USAutobauer installierte 2014 ein interaktives Schaufenster, bei dem Kaufinteressenten über die Ladenöffnungszeiten hinaus ihr Wunschauto konfigurieren und anschließend über Social Media teilen können. Zum Einsatz kommt auch die VR-Brille Google Cardboard. Beim Einsatz von 3D-Technologien zur Simulation von Crash-Tests gehört Honda zu den Vorreitern. Mit der entsprechenden Software können fotorealistische Sequenzen generiert, Ansichten gedreht, Teile entfernt und einzelne Komponenten isoliert werden. Der japanische Autobauer ist von der Technik offenbar so überzeugt, dass er die Bilder aus der Simulation im vergangenen Jahr sogar für einen Werbespot seiner US-Marke Acura einsetzte. Von Fabian Müller D as Haus in 75 Piccadilly, London, ist von außen ein durchaus stattliches, aber doch eher unscheinbares Gebäude im viktorianischen Stil. Von innen ist es nicht weniger als die Keimzelle einer digitalen Revolution im Automobil-Marketing. Denn hier befindet sich seit Sommer 2012 die Audi City, damals der allererste virtuelle Showroom eines Autobauers. Mittlerweile hat die Konkurrenz mit eigenen virtuellen Schauräumen nachge- Ein Auto im Wohnzimmer? Was den Anschein einer speziellen Form des Falschparkens erweckt, ist in Wahrheit ein Paradebeispiel, um Einsatzmöglichkeiten von CGI in der Werbung zu verdeutlichen. Das Projekt mit dem Opel Adam stammt von der Agentur Flavor 3D und erschien 2014 im Magazin „Ramp“. zogen. Wenig verwunderlich, meint Roberto Schettler: „Virtuelle Realität ist nicht mehr nur eine Angelegenheit für die Pioniere der Industrie, es gehört auf die Tagesordnung jedes Anbieters“, sagt der Geschäftsführer von 3D Excite. Das Unternehmen bietet Software- und CGIDienstleistungen im High-End-Bereich, unter anderem für BMW, Harley-Davidson, Volkswagen, Porsche und andere Kunden aus der Automobilbranche. Moderne Showrooms haben den Einsatz digitaler Mittel wie Dreidimensionalität, Virtuelle Realitiät (VR) und Computer Generated Imagery (CGI) im Mar- keting und Retail von Autobauern sprichwörtlich salonfähig gemacht. Und nicht nur solche öffentlichkeitswirksamen Konzepte seien dafür prädestiniert, sagt Schettler: „Virtuelle Realität hat im digitalen Marketing ungemein großes Anwendungspotenzial.“ Dazu zählen im Prinzip nahezu alle Stufen einer Customer Journey, über die ein möglicher Käufer mit einem Produkt oder einer Marke in Kontakt kommen kann; beispielsweise Websites, Messen und Werbeanzeigen. Entscheidend dabei: „Jeder einzelne Berühungspunkt muss in eine bestimmte Erfahrung verwandelt werden“, betont FOTOS: OPEL / RAMP / 3DEXCITE FOTO: 3DEXCITE / HONDA Grundstein einer Revolution: Die erste Audi City eröffnete im Jahr 2012 in London und hält den Autobauern seitdem vor Augen, welche Möglichkeiten sie durch virtuelle Realität in Retail und Marketing haben. Mittlerweile betreiben die meisten Hersteller virtuelle Showrooms, darunter BMW, Mercedes und VW. die Italienerin Monica Menghini, Chief Strategy Officer des Softwareentwicklers Dassault Systèmes. Noch sind die vielfältigen Möglichkeiten, die VR und CGI dem Marketing bieten, allerdings nicht überall angekommen. Das hat diverse Gründe – die vergleichsweise hohen Kosten für Entwicklung und Umsetzung sind sicherlich einer davon. „Wir leben in einer dreidimensionalen Welt, wie kann man da erwarten, Kunden dauerhaft nur durch 2D-Darstellungen zu überzeugen?“, erinnert Schettler, der aber auch eine Entwicklung erkannt haben will. Viele Werbungtreiben- de steckten heute „mehr als nur den großen Zeh“ in die Materie. Auch Agenturen würden erkennen, dass sich die Kosten durch Mehrfachverwendung der 3D-Visualisierung besser skalieren ließen. Das ruft natürlich auch Spezialanbieter wie Flavor 3D auf den Plan. Die Agentur ist eine Tochter von Dassault Systèmes und hat sich auf die Integration von CGI in klassische Werbung spezialisiert. Das funktioniert in Print (siehe Opel-Case oben) genauso wie in Bewegtbild. Zum Start der ersten Audi City kreierte Flavor 3D etwa einen Launchfilm – emotional und alles andere als unscheinbar. HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 95 17. September 2015 Im Kopf geblieben Eine HORIZONT-Exklusivumfrage zeigt: VW steht für die beste Kampagne, Audi für die innovativste Technik Von Giuseppe Rondinella Platz 1 – Kampagnen: VW hat seinen Spitzenplatz als Marke mit der interessantesten Werbung Platz 1 – Innovation: Ein Transporter, beladen mit Audi-Sondermodellen, wird bei voller Fahrt Platz 3 – Kampagnen: Profisurfer Garrett McNamara, Topmodel Petra Nemcová, Formel-1-Welt- Platz 2 – Innovation: BMW hat sich das Ziel gesetzt, vor allem seinen technologischen Vorsprung beibehalten. Die Wolfsburger starteten jüngst eine großangelegte Werbekampagne mit dem Namen „Think New“ und wollen sich damit als innovativster Volumenhersteller positionieren. Das Besondere: Mit „Think New“ ist eine Kampagne angelaufen, in der zunächst kein Auto zu sehen ist (Kreation: DDB). Stattdessen geht es um Nutzwert. Den Zuschauern soll gezeigt werden, wie Assistenzsysteme, Vernetzung und Digitalisierung das Leben erleichtern können. Die Werbeoffensive knüpft an die vorherigen Kampagnen namens „Think Small“ und „Think Blue“ an. inmitten einer Großstadt von Ganoven gekapert und mittels Helikopter entführt. Die Polizei findet die Verbrecher in einer Lagerhalle – dank Ortungssystem in den gestohlenen Wagen. Die Technik als Retter der Stunde. Das einminütige Action-Spektakel von Audi (Agentur: Thjnk) kommt wie ein Hollywood-Blockbuster daher und bewirbt seit Mitte des Jahres die S Line Style Sonderedition. Die Ingolstädter beweisen als Partner der Berlinale wieder einmal ihre Nähe zur großen Leinwand, ein Jahr Entwicklungszeit steckt hinter dem Spot namens „The Coup“. meister Lewis Hamilton, Springreiterin Meredith Michaels-Beerbaum und Abenteurer Mike Horn. Alle sind sie prominente Botschafter der 360-Grad-SUV-Kampagne von Mercedes, die seit wenigen Wochen im TV zu sehen ist (Agentur: Jung von Matt). Mit der Storytelling-Kampagne geht der Autobauer bewusst neue Wege, inszeniert die Familie der Mercedes-Offroader in bildgewaltiger Sprache, statt einzelne Autos separat zu bewerben. Unter anderem diese Bilder bescheren der Marke mit dem Stern Platz 3 im Kampagnen-Ranking. Alle Marken verlieren an Boden Innovationskraft wird kritischer gesehen Welche der folgenden deutschen Automobilmarken steht für besonders interessante Werbekampagnen? Gesamt 2015 Gesamt 2014 Volkswagen 31,6 40,2 Audi 30,8 35,4 Mercedes 22,6 35,4 Opel 20,6 27,0 BMW 19,2 30,0 Mini 12,4 13,8 Ford 8,4 10,2 Smart Porsche keine davon 5,6 2,4 12,2 7,6 4,6 10,6 Männer Frauen 36,8 23,9 16,2 17,3 Welche der folgenden deutschen Automobilmarken steht für innovative, zukunftsgerichtete Technik? Gesamt 2015 Gesamt 2014 28,2 24,4 22,9 39,8 34,2 20,9 Audi 48,4 58,2 29,7 32,1 29,7 BMW 40,6 56,0 22,0 18,4 29,7 Mercedes 29,6 47,6 16,9 23,1 19,6 Volkswagen 29,2 40,8 Porsche 5,6 16,8 7,4 Opel 5,4 13,8 9,0 8,8 Ford 4,8 6,4 8,5 2,6 8,1 Smart 4,2 5,2 4,2 1,3 2,7 Mini 1,6 3,6 5,9 14,1 14,2 keine davon 7,2 5,4 27,1 13,7 24,6 15,3 14,1 7,1 9,8 6,8 8,1 15,0 3,4 Angaben in Prozent 18–29 Jahre 30–49 Jahre 50–69 Jahre 31,1 29,9 7,9 unter Beweis zu stellen. Die Markteinführung des i8, ein Plug-in-Hybrid Sportwagen, ist Anfang 2014 mit einer großen Online- und Offline-Kampagne flankiert worden. Der neue TV-Spot von Serviceplan, der nun seit April on Air ist, betont dabei vor allem die technische Raffinesse des Flitzers: eine effiziente Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor, aerodynamisches Design sowie ausgeklügelte Connectivity-Lösungen. Wem das nicht reicht, den überzeugen dann vielleicht die spektakulären Flügeltüren. 17,5 3,4 1,3 10,5 14,1 Wenn es um besonders interessante Werbekampagnen geht, führen die Marken Volkswagen und Audi ein Kopf-an-Kopf-Rennen an der Spitze. Mit dem besseren Ausgang für die Wolfsburger: 31,6 Prozent der Befragten wählten VW ganz nach oben. Vor allem bei den 18- bis 29-Jährigen kommen die Spots und Motive an, bei Audi gibt es keine Altersunterschiede. Auffällig ist: Alle deutschen Automarken Frauen 18–29 Jahre 30–49 Jahre 50–69 Jahre 40,2 42,5 38,5 31,2 27,8 23,7 55,6 50,0 49,6 45,3 39,0 41,9 39,9 28,8 22,6 41,2 28,8 32,5 24,3 8,6 7,6 5,1 4,7 5,3 5,6 4,1 5,6 2,6 6,0 0,4 3,0 6,4 8,1 4,2 6,4 4,7 8,5 4,7 2,0 6,8 3,8 2,7 0,8 1,3 2,7 3,4 9,0 7,4 2,1 35,5 Basis: 500 Online-Befragte ab 18 Jahren; Befragungszeitraum: August 2015; zwei Antworten möglich Basis: 500 Online-Befragte ab 18 Jahren; Befragungszeitraum: August 2015; zwei Antworten möglich Quelle: Link Institut für Markt- und Sozialforschung Männer Angaben in Prozent HORIZONT 38/2015 Quelle: Link Institut für Markt- und Sozialforschung verlieren im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Volkswagen knapp 10 Prozentpunkte, Mercedes fast 13. Mehr Befragte als im letzten Jahr gaben zudem an, keine Werbekampagne besonders interessant zu finden (12,2 Prozent) – kein Kompliment für die verantwortlichen Werbeagenturen. Auch, wenn es um innovative, zukunftsgerichtete Technik geht, lassen die deutschen Autobauer Federn. Wieder verlieren HORIZONT 38/2015 hier alle Marken teilweise deutlich. Audi (48,4 Prozent) führt das Ranking vor BMW (40,6 Prozent) und Mercedes (29,6 Prozent) an. Für diese drei haben die Männer jeweils mehr Lob als die Frauen. Porsche, im Vorjahr noch im stabilen Mittelfeld, findet sich plötzlich im Dunstkreis von Opel, Ford oder Smart wieder. Die Zuffenhausener verlieren über 11 Prozentpunkte. 96 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Fotos und Videos von Ford, Audi, Opel und VW: Hochwertige Optik ist auf den neuen sozialen Plattformen ein Muss FOTO: MAIK FLOEDER PHOTOGRAPHY Mehr als nur Spielwiese Auf den neuen sozialen Plattformen wie Instagram, Pinterest und Vine tummeln sich viele Autohersteller Die Foto-Plattform Instagram macht derzeit alle Anstrengungen, um in die regulären Mediapläne der großen Werbungtreibenden zu kommen. Seit April ist auch in Deutschland bezahlte Werbung möglich. Die Fotos der Werbungtreibenden tauchen dann in den Feeds auch von Nutzern auf, die den Marken nicht folgen. Sie können mittlerweile mit einem Shopnow-Button versehen werden, um direkt zu einem Onlineshop zu leiten. Gleichzeitig sollen die Targeting-Möglichkeiten in Kooperation mit dem Mutterkonzern Facebook verbessert werden. K Von Klaus Janke arl-Thomas Neumann, Vorstandschef von Opel, zählt nicht nur über 10000 Follower auf seinem persönlichen Twitter-Account, sondern hat sogar eine persönliche Seite auf dem Kurzvideo-Portal Vine. Die sechssekündigen Clips zeigen Neumann unter anderem beim Start eines Langstreckenlaufs und am Steuer eines Konzeptautos. Wo selbst der Chef so vernarrt in die neuen sozialen Netzwerke ist, zeigen sich natürlich die Marketing- und PR-Strategen mindestens genauso aufgeschlossen. Zum ständigen Programm gehören bei Opel längst nicht mehr nur die etablierten Plattformen Facebook, Youtube, Google Plus und Twitter. Opel ist darüber hinaus bereits seit Anfang 2013 bei Pinterest aktiv, wo der Hersteller unter anderem Konfiguratoren für Modelle wie den Adam platzierte. Daneben liefert Opel unter anderem attraktive optische Inhalte für Instagram, wo die Marke bereits 27000 Follower zählt. Auf Vine präsentiert sich für Opel nicht nur Neumann, sondern auch der Amerikaner Zach King, der sich auf bildbearbeitete Kurzvideos mit überraschenden, bizarren Inhalten spezialisiert hat. „Bei Social-Media-Aktivitäten sollte grundsätzlich der Unterhaltungscharakter im Vordergrund stehen“, erklärt Alexander Lengen, Manager Social Media & Broadcast bei Opel. Sogar mit dem neuen LivestreamingDienst Periscope hat Opel bereits Erfahrungen gesammelt: Die Pressekonferenz zur Einführung des neuen CarsharingAngebots Car Unity wurde dort in Echtzeit übertragen. Opel gehört damit zu den ersten Markenartiklern überhaupt, die Periscope nutzen. Ob der Kanal einen Stammplatz im Social-Media-Portfolio des Autoherstellers bekommen wird, ist laut Lengen allerdings noch unklar: „Periscope befindet sich noch im Experimentierstatus“, erklärt Lengen. Auch viele andere Autohersteller haben Spaß an den neueren Social-Plattformen wie Instagram, Pinterest, Vine, Snapchat und Periscope. Sie zeigen künstlerische Fotos, berichten von Events, veranstalten Foto- und Videowettbewerbe oder zeigen einfach Material aus einer aktuellen Werbekampagne – und hoffen dabei immer, virale Effekte zu erzeugen. Stringente Strategien sind hier noch nicht zu erkennen. Meist werden die neuen Plattformen in umfassendere Kampagnen eingebaut. Reichweite spielt dabei keine Rolle, sondern viel mehr PR und vor allem Image-Effekte, die die Autobauer in den jungen Zielgruppen dringend benötigen. Mittlerweile nehmen sie sogar Geld in die Hand, um bei in den innovativen Kanälen aufzufallen: Zu den ersten zahlenden Werbekunden von Instagram (siehe links) zählten im April unter anderem VW, Mercedes-Benz und Porsche. Natanael Sijanta, Leiter Marketing Kommunikation Mercedes-Benz Pkw, bezeichnet Instagram für sein Haus als „besondere Erfolgsgeschichte“. Der Hersteller veranstaltet dort unter anderem spezielle Instagram-Events wie „Nachts auf der IAA“ oder „Nachts im Europa-Park“. „Hierzu laden wir Fotografen und digitale Influencer ein, die ihre Bilder auf unseren Kanälen zeigen können“, so Sijanta. Die erste Paid-Kampagne lief für das Forschungsfahrzeug „F 015 Luxury in Motion“, mit dem viele Zukunftsaspekte der Mobilität wie etwa autonomes Fahren umgesetzt werden. Instagram eigne sich für MercedesBenz vor allem dafür, „unsere Produkte, ihre Emotionalität und das einzigartige Design authentisch zu präsentieren“, so Sijanta. „Nutzer können sich über das Hashtag #MBFanPhoto einbringen.“ Die neuen Paid-Formate dienen aber auch zur Generierung von Traffic, etwa für das aktuelle SUV-Special auf www.mercedesbenz.com/SUV. Auf Instagram liegt Mercedes-Benz laut Sijanta weltweit mit 11 Millionen Interaktionen pro Monat unter den Markenartiklern an zweiter Stelle hinter Nike. Auch mit Live-Formaten habe Mercedes-Benz gute Erfahrungen gemacht – mit Periscope-Videos und den „Stories“ bei Snapchat, also aufeinanderfolgenden Fotos, die sich gleich nach Betrachten löschen. Gezeigt wurden unter anderem die Weltpremiere des SUV-Modells GLC bei Hugo Boss in Metzingen sowie eine Produktpräsentation des Gran-TurismoCoupés Mercedes-AMG GT. A uch bei Ford kann man sich vorstellen, demnächst Paid-Werbung bei Instagram zu testen, erklärt Dorit Haas, Manager Interactive Consumer Marketing. Bislang interessiert es gut 1500 Abonnenten, was die Marke dort treibt. „Instagram hat aus unserer Sicht ein großes Zukunftspotenzial“, glaubt Haas. „Wir zeigen dort meist hochwertiges, überraschendes Material. Der Anspruch an das Bild ist hier deutlich höher als etwa auf Facebook.“ Ford hat zudem bereits 2013 erste Tests mit Vine gefahren, regelmäßig wird jedoch kein Inhalt dafür produziert. „Vine wird noch nicht so stark genutzt, dass es für uns zurzeit eine wirkliche strategische Bedeutung hat“, erklärt Haas. „Wir bespielen die Plattform in erster Linie, wenn wir User-generated Content abbilden wollen, zum Beispiel im Rahmen von Videowettbewerben.“ Ein weiteres interessantes Betäti- gungsfeld könne für Ford künftig auch Pinterest sein. Die Ausweitung auf Paid-Werbung bringt in der Regel organisatorische Veränderungen mit sich. Solange für die Social-Media-Aktivitäten keine Mediabudgets notwendig sind, werden sie bei Opel von der PR betreut. Paid-Maßnahmen müssen dagegen mit dem Marketing abgestimmt werden: „Sobald MarketingGelder in die Aktivitäten fließen, wird der Erfolg auch nach klassischen MarketingKPIs bewertet“, so Social-Media-Manager Lengen. Allerdings stellen die neuen Plattformen die Autohersteller auch vor Probleme. Bei Ford etwa hat man Bedenken, was Livestreaming auf Plattformen wie Periscope oder Meerkat angeht. Während man bei sonstigem Bewegtbildmaterial in Ruhe Qualität und vor allem auch die Persönlichkeitsrechte gefilmter Personen klären kann, ist dies bei Live-Übertragungen nicht möglich. Ein weiteres Problem sind die Werberegeln für Autohersteller. Haas: „Wenn wir etwa über Fahrzeugmodelle berichten wollen, dürfen wir aus rechtlichen Gründen gegebenenfalls nicht auf den Ausweis der CO2-Emissionswerte verzichten. Diese sind aber in bestimmten Formaten nicht darstellbar.“ Ein weiterer Hemmschuh: Das Datenmaterial, das die Betreiber der neuen Plattformen zur Verfügung stellen können, lässt noch zu wünschen übrig. Das macht es schwieriger, die neuen Kanäle in strategisch relevante Kommunikationsmaßnahmen einzubauen. „Die Informationen über die Nutzergruppen sowie über die Reichweiten sind noch sehr rudimentär“, bemängelt Ford-Managerin Haas. Teilweise tendieren sie sogar streng gegen null: „Snapchat ist ein totaler Blindflug“, weiß Lengen. „Da weiß man nur, dass die Nutzer jung sind.“ 100 REPORT AUTOMARKETING Darf’s denn auch mal ohne sein? HORIZONT 38/2015 Powered by Volvo AGENTUR: Grey, London CREATIVE DIRECTOR: Hollie Newton ART DIRECTORS: Hollie Newton, Rasmus Smith Bech COPYWRITER: Hollie Newton, Jonas Roth Internationale Printkampagnen zeigen: Um technische Innovationen von Autos zu bewerben, muss mitnichten ein Fahrzeug im Bild sein. Im Gegenteil – manchmal wird die Technik sogar spannender, wenn sie nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist Von Michael Weinzettl, Lürzer’s Archive Frischluft auch im Wageninneren? Mit Volvos Clean Zone Package werden allergie- und asthmaerregende Substanzen herausgefiltert Škoda AGENTUR: ACW Grey, Tel Aviv CREATIVE DIRECTORS: Tal Riven, Moti Rubinstein ART DIRECTOR: Ira Gimpelevich COPYWRITER: Danny Kamushevich FOTOGRAF: Yaron Itzhakov Volkswagen AGENTUR: Adam&Eve, London CREATIVE DIRECTORS: Aidan McClure, Laurent Simon ART DIRECTOR: Thomas Worthington COPYWRITER: Greg Ormrod FOTOGRAF: Milo Reid Nicht nur nachts sehen sich viele Autos ähnlich – Škodas Boarding Spots machen den Fahrer mit Licht auf sein Auto aufmerksam Für Fahrer eines elektrisch angetriebenen Golf erübrigt sich der Weg zur Tankstelle Smart AGENTUR: Contrapunto BBDO, Madrid CREATIVE DIRECTORS: Carlos Jorge, Félix del Valle ART DIRECTORS: Aurora Hidalgo, Raul Lopez COPYWRITERS: Aurora Hidalgo, Raul Lopez, Félix del Valle ILLUSTRATOR: Carles Marsal Ablenkung gibt es jede Menge – der Aufmerksamkeitsassistent von Mercedes führt zurück in die Spur 17. September 2015 Renault AGENTUR: Publicis, Mexico City CREATIVE DIRECTOR: Héctor Fernández Maldonado ART DIRECTORS: Rocky Flores, Carlos Contreras FOTOGRAF: Ale Burset Seine Arche kann Noah verkaufen – alle, die mitmüssen, passen in den den Renault Trafic 102 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 1 2 a) Infiniti b) Mercedes a) Audi b) Hyundai c) Porsche d) Renault c) Seat d) Alfa Romeo 3 4 Das Rücklichter-Quiz a) Mercedes b) Peugeot c) Mazda d) BMW Nicht selten sehen sich die Wagen der Kompaktklasse oder SUVs auf den ersten Blick sehr ähnlich. In bestimmten Details aber kann man doch die Design-Handschrift der Autoherstellererkennen–manmussbeispielsweisenureinenBlickauf die Rücklichter werfen. Das machen Sie sowieso? Dann dürfte unser Auto-Quiz keine große Herausforderung für Sie darstellen! Es gilt, die abgebildeten Rücklichter einer Marke zuzuordnen. Die Experten unter Ihnen können sogar versuchen, das Modell zum Scheinwerfer zu erraten. Die Auflösung finden Sie auf Seite 124 des Automarketing-Reports. Viel Spaß beim Rätseln! 5 a) Mitsubishi b) Suzuki c) Peugeot d) Maserati 7 6 a) Fiat a) Škoda b) Mini b) Ford c) Citroën c) Audi d) Jeep a) Nissan b) Ford c) Alfa Romeo d) Mazda 8 d) Subaru 9 10 a) Jaguar b) Seat a) Suzuki b) Cadillac a) Renault b) Ford c) Audi d) Kia c) Honda d) Mitsubishi c) Dacia d) Opel 11 12 13 a) Lexus b) Hyundai a) Volkswagen b) Seat a) Volkswagen b) Kia c) Toyota d) Volvo c) BMW d) Audi c) Bentley d) Citroën HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 103 17. September 2015 FOTO: MANUEL HECKEL Show ohne Helden Der spektakuläre Auftakt der Rallye Deutschland an der Porta Nigra in Trier Die Deutschland-Rallye bot den Automobilherstellern Gelegenheit, sich zu inszenieren. Den Konzernen fehlt jedoch ein wichtiges Element Z Von Manuel Heckel ur Römerzeit war sie das Bollwerk gegen Eindringlinge, an diesem Augustwochenende war jede Belagerung dagegen willkommen: Dicht an dicht drängten sich die Zuschauer um die Porta Nigra, das historische Stadttor von Trier. Eine Lichtshow tauchte das Gemäuer abwechselnd in Blau und Rot. Und unter dem Jubel tausender Fans durften die führenden Rallyesportler von einer Rampe durch die Innenstadt rollen – der Auftakt der ADAC Rallye Deutschland 2015 im Rahmen der FIA World Rally Championship (WRC) sorgte für strahlende Gesichter bei Fahrern, Fans und Marketingverantwortlichen der beteiligten Autohersteller. Vier Tage später, nach 21 Wertungsprüfungen und 350 Kilometern durch die Region, blieb das Fazit auf Herstellerseite positiv: „Mit der Entwicklung in Deutschland sind wir bislang ganz zufrieden, auch wenn wir sicher sind, dass das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist“, sagt VW-Motorsportdirektor Jost Capito. Denn eine große Herausforderung bleibt, ist von allen Herstellern zu hören: Über die eingeschworene, aber überschaubare Rallye-Community in Deutschland hinaus sorgen Veranstaltung und Disziplin nur für wenig Aufmerksamkeit – für die Massenwirkung fehlt ein deutscher Spitzenfahrer. Neben VW sind auch Hyundai und Citroën in der WRC sowie Škoda und Opel in der WRC2 mit Werksteams in der Weltmeisterschaft vertreten – und alle Vollgas auf allen Kanälen Rallyefahrer rasen mal über Asphalt, mal über Schotter, mal über Waldboden. Auch bei der medialen Verwertung der WRC wird diese Vielfalt immer sichtbarer: Pünktlich zur Deutschland-Rallye brachte das Multimedia-Unternehmen Laola 1 eine neue App für Smart-TV auf den Markt, die exklusiv über Amazon angeboten wird. Über das Programm können Fans auf das umfangreiche Bezahlangebot rund um die Rallye-Weltmeisterschaft zugreifen. Man führe die digitale Strategie fort, um das „Paid-Content-Modell WRC+ langfristig im Markt zu etablieren“, sagt Jona Siebel, Managing Director der WRC Promoter GmbH. Neben den 220000 Zuschauern vor Ort in Trier verfolgten in Deutschland zudem noch 90000 Menschen vor dem Fernseher das Event. So viele schalteten im Durchschnitt in die Highlight-Be- richterstattung von Sport 1 ein. In der Kernzielgruppe Männer zwischen14 und 49 Jahren reichte es dafür nach Senderangaben für einen Marktanteil von 1,0 Prozent. Der Heimspieleffekt blieb damit aus – Zuschauerzahl und Marktanteil lagen nur ganz knapp über dem Schnitt der sonstigen Rallye-Berichterstattung des Senders und sogar unter dem Zuschauerschnitt im August (1,6 Prozent). Dennoch sei die Übertragung ein wichtiges Element für Sport 1, sagt Olaf Schröder, VorsitzenderderGeschäftsführung:„MitdenRechtenander FIA WRC bis einschließlich 2016 unterstreichen wir unsere Positionierung als der Motorsportsender in Deutschland.“ Flankiert wurden die Sendungen im Free-TV mit Live-Übertragungen auf dem Pay-TVAbleger Sport 1+ und einem umfangreichen Angebot in den Online-Auftritten. nutzten die deutsche Traditionsveranstaltung ausgiebig zur Präsentation. Hoch über den Weinbergen der Mosel hatte etwa Škoda ein Hospitality-Zelt errichtet, auf den Absperrungen zahlreicher Spitzkehren prangte das Opel-Logo. Andere Hersteller fuhren in zahlreichen Kleinbussen und Limousinen VIP-Gäste, Händler, Kunden und Journalisten zwischen den abgelegenen Wertungsprüfungen hin und her. Dreh- und Angelpunkt war der Servicepark in Trier – in dieser temporären Boxengasse konnten auch Fans ganz nah ran an Autos und Fahrer. Selbstbewusst hatte hier Volkswagen seinen Auftritt mit dem Slogan „Easy to follow, hard to beat“ betitelt. Dabei war der Konzern mit einem besonderen Makel angereist: Der Hersteller, der mit überragendem Erfolg vor drei Jahren in die Serie einstieg, hatte ausgerechnet das Heimspiel bislang noch nie gewinnen können. „Dementsprechend groß war die Erwartungshaltung, gerade bei uns zuhause, in diesem Jahr vor heimischer Kulisse zu überzeugen“, sagt Capito – und in der Tat konnten die Rallye-Polos diesem Anspruch gerecht werden. Die VW-Piloten belegten direkt das gesamte Podium. A uch für Hyundai, dessen Fahrer sich mit der Rallyeversion des i20 als „best of the rest“ hinter VW in der Schlusswertung einreihten, hat die deutsche Rallye einen besonderen Stellenwert. Die Motorsport-Tochter des koreanischen Konzerns hat ihren Sitz im deutschen Alzenau, zudem sitzt die Europazentrale in Frankfurt. Das 2014 aufgenommene Engagement in der WRC war die richtige Entscheidung, sagt Stefan Ph. Henrich, der das Marketing von Hyundai-Motorsport verantwortet: „Der Fan kann sich einfach mit den seriennahen Fahrzeugen identifizieren. Und wir können bei Themen wie Begehrlichkeit oder Spaß dazulernen, die man noch nicht so sehr mit uns assoziiert.“ Das große Manko für alle Hersteller: Egal in welchem Fabrikat – aktuell fährt kein deutscher Fahrer ganz vorn um den WM-Titel mit. In und um Trier reichte es für Škoda-Pilot Fabian Kreim als bestem Deutschen nur für Platz 21. Hyundai konnte immerhin den Belgier Thierry Neuville aufbieten, der fließend deutsch spricht und im letzten Jahr die Deutschland-Rallye gewinnen konnte. Für die begeisterten Fans in Trier reichte das, für den großen medialen Durchbruch keineswegs. „Wir brauchen wieder einen deutschen Rallyefahrer von Weltformat. Gerne von der Güteklasse eines Walter Röhrl“, sagt Opel-Motorsportdirektor Jörg Schrott. Mit Argusaugen beobachten die Hersteller daher den Motorsport-Nachwuchs – und fördern ihn. Die Fahrer beim ADAC Opel Rallye Cup etwa durften im Rahmen der Deutschland-Rallye starten, auch vor den 40000 Zuschauern bei den Wertungsprüfungen auf der legendären „Panzerplatte“: „Hier fahren zu können, und das vor den Augen der Weltelite, das ist schon etwas ganz Besonderes – für die Teams, aber auch für die Marke Opel“, sagt Schrott. A uch Citroën – in der WRC im engen Duell mit Hyundai um Platz 2 in der Herstellerwertung – setzt in mehreren Ländern auf Nachwuchsserien im Rallyesport. In Deutschland fahren in der Rallye-Trophy in dieser Saison 17 Fahrzeuge mit und messen sich auf Strecken quer durch Deutschland und Österreich. Um ein Gefühl für die übernächste Fahrergeneration zu bekommen, nutzte Citroën in diesem Jahr auch den Rahmen der Deutschland-Rallye. Gemeinsam mit „Auto Bild-Sportcars“ hatte der Hersteller nach rennsportunerfahrenem Nachwuchs für den Wettbewerb „Sportpilot 2015“ gesucht. 14 ausgewählte junge Fahrer reisten nach Trier und durften einen Tag WRC-Luft schnuppern – mit Stippvisiten im Servicepark und bei einzelnen Wertungsprüfungen. Einen Tag später durfte sich der Nachwuchs selbst in einem Fahrsicherheitszentrum beweisen. Der Gewinner wird jetzt auf einen Lizenz-Lehrgang geschickt – und wird im Oktober bei der Rallye Baden-Württemberg seine Motorsport-Premiere feiern. Die Marken Hyundai (oben) und Volkswagen (unten) präsentieren sich auf und neben der Strecke Vorbereitung fürs Rennen: Das Werksteam tüftelt am Citroën 104 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 Schürfen nach Adress-Gold Fabian Guse, Iskander Business Partner Kundenanfragen sind ein wertvolles Gut. Aber das Leadmanagement der Hersteller und Händler lässt zu wünschen übrig Von Andreas Magner G FOTO: COLOURBOX uten Tag Herr Magner, vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne beraten wir Sie. Rufen Sie mich doch einfach an oder kommen Sie kurz in unserer Filiale vorbei. Da finden wir bestimmt das richtige Modell und den richtigen Termin für eine Probefahrt.“ Die Antwort auf die Anfrage zur Probefahrt ließ nicht lange auf sich warten. Weniger als drei Stunden. Geschrieben in einem freundlichen Ton. Die Handlungsaufforderung war drin. Alles richtig ge- Die Vielzahl von Leads aus verschiedenen Quellen ist nicht einfach zu bearbeiten macht? Das Gegenteil ist der Fall. Meist bricht hier der Kommunikationsprozess ab. Denn der Kunde wollte ja zunächst nicht ins Autohaus kommen, sondern die Kommunikation per E-Mail führen und bereits vor dem Weg zum Händler alle Eckpunkte festmachen. Dies wird in vielen Autohäusern und Werkstätten noch immer verkannt. Dabei ist das Leadmanagement nicht neu, sondern gewinnt in den vergangenen Jahren und Monaten deutlich an Fahrt. Wer dies nicht erkennt, kann den Kampf um Marktanteile gleich abschreiben. Mit den diversen Online-Optionen wie Hersteller- und Händler-Website sowie sozialen Netzwerken steigen die Dynamik und die Anforderungen an Automobilhersteller und ihre Vertriebspartner. Doch den neuen Herausforderungen sind längst nicht alle gewachsen. Laut einer jüngst veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung Iskander Business Partner brauchen die Hersteller im Durchschnitt anderthalb Tage, um auf eine Anfrage nach einer Probefahrt auf ihrer Website zu antworten – 36 Stunden, eine halbe Ewigkeit in Zeiten von LTE und VDSL. Dennoch kann Fabian Guse, der für die Studie verantwortlich ist, dem etwas Positives abgewinnen: „Die gute Nachricht: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Reaktionszeit deutlich verbessert.“ Vor zwölf Monaten, als Iskander Business Partner die Studie zum ersten Mal durchführte, ließ eine Antwort von den Herstellern durchschnittlich fünf Tage auf sich warten. Damit hat sich die Reaktionszeit deutlich verbessert. Doch besser ist noch lange nicht gut. Dabei schneiden die Automobilmarken im Rahmen der Studie, bei der 14 Hersteller je acht Anfragen erhielten, sehr unterschiedlich ab. Während Fiat, das sich mit seinen Händlern in den vergangenen Monaten vor Gericht stritt, gute Werte erzielte, kommen Hyundai, Dacia und Renault auf ein eher schlechtes Ergebnis. Entsprechend lohnt sich ein Blick hinter die Zahlen. Renault, einer der größten Importeure hierzulande, hat das Leadmanagement bereits vor einigen Jahren neu aufgestellt. Interessieren sich die Kunden für Broschüren, was in zwei Drittel der Anfragen der Fall ist, werden diese umgehend per E-Mail oder postalisch versandt. Fragen die Kunden nach einer Probefahrt, qualifiziert ein Callcenter den Lead. Der Wunsch des potenziellen Kunden nach Modell, Motorisierung und Termin wird mit den vorhandenen Möglichkeiten abgeglichen. Erst wenn ein Termin steht, bekommt der Händler den Lead eingespielt. „In 80 Prozent der Fälle schaffen wir den Prozess innerhalb von acht Stunden“, berichtet Stéphanie Lacoste, die bei Renault Deutschland für das CRM verantwortlich ist. Der Außendienstler prüft den Bearbeitungsstand beim Händler, der Kunde wird am Tag vor der Probefahrt nochmals kontaktiert. Lacoste ist mit dem Prozess zufrieden, die Kunden anscheinend auch: Laut der CRM-Managerin äußern sich 95 Prozent der Kunden in der Umfrage nach der Probefahrt zufrieden. Das heißt aber noch lange nicht, dass sich die Kunden auch für das Fahrzeug entscheiden: „Die Conversion Rate liegt bei Renault bei rund 4 Prozent“, erläutert Lacoste. „Bei Dacia ist sie etwa doppelt so hoch.“ Eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung spielen nach wie vor die Händler vor Ort. Denn in den mit Abstand meisten Fällen erfolgt der Kauf nicht im Internet, sondern im Autohaus. Doch da tauchen die Kunden meist nur noch einmal, höchstens zweimal vor dem Kauf ihres Neuwagens auf. Entsprechend wollen viele Verkäufer die Kunden möglichst in die teuren Showrooms holen. E in Fehler. „Gutes Leadmanagement ist heute ein entscheidender Erfolgsfaktor: Vier von fünf Kontaktpunkten mit Kunden sind schließlich online“, erläutert Daniel Breves. Der Commercial Director von Mobile.de weiß, wovon er spricht. Die Onlineplattform generiert mit ihrem Online-Konfigurator Monat für Monat zwischen 15000 und 20000 Neuwagen-Leads. Diese verkauft sie an die Händler weiter. „Viele unserer Nutzer stehen kurz vor dem Kauf. Das ist gut für den Handel“, ist Breves überzeugt. Am Ende liege die Umwandlungsquote bei Bestellfahrzeugen zwischen 5 und 10 Prozent. Im Leadmanagement gibt es also weiter Luft nach oben. Seit mehr als einem Jahrzehnt wird es genutzt, allerdings eben nicht immer professionell. „In dieser Zeit haben die schlechten Erfahrungen zu einer hohen Skepsis geführt“, so Breves. 17. September 2015 Das kommt bereits in den Basics zum Ausdruck: „Das Wichtigste ist, dass die Händler überhaupt reagieren.“ Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, doch „20 Prozent der Kunden erhalten gar keine Antwort“, so Breve. Damit verschenken die Händler nicht nur viel Potenzial, sondern stoßen bereits vorab jeden fünften möglichen Kunden vor den Kopf. Auch wenn sich die Händler zur Antwort entschließen, sieht der Online-Experte oft Nachholbedarf. „Viele Verkäufer schreiben schlicht zurück, wann der Kunde ins Autohaus kommen könne, oder ob er die Telefonnummer schicken könne. Damit ist die Kommunikation quasi beendet“, stellt Breves klar. „Dabei präferieren gerade Interessenten, die sich per Onlinelead melden, die Kommunikation via E-Mail oder Telefon.“ D och zu glauben, die Händler würden das Thema verkennen, ist falsch. Längst ist die Bedeutung des Leadmanagements auch hier angekommen. „Das spielt für uns eine extrem große Rolle und wird in Zukunft noch wichtiger“, betont Christian Voßkamp. Er verantwortet bei der AutohausGruppe Bleker, die zu den größten deutschen Autohändlern gehört, die Marke Citroën. Von den insgesamt sieben französischen und italienischen Marken, die es vertreibt, verkauft das Autohaus jedes Jahr rund 4500 Neuwagen. „Sich nur auf die klassische Zeitungswerbung und auf die ,normalen‘ Besucher in den Autohäusern zu verlassen“, so Voßkamp, „reicht in naher Zukunft sicher nicht mehr aus.“ „Beim Leadmanagement ist am Ende der Verkäufer entscheidend“, betont Voßkamp. Er steht in direktem Kontakt zum Kunden. Natürlich sind die Verkäufer für das Thema sensibilisiert und erhalten umfangreiche Schulungen. Dennoch gibt es individuelle Unterschiede. Er kann einen guten oder schlechten Tag erwischen. Zudem hat jeder seine eigene Art, mit den Anfragen umzugehen. Je nach Quelle des Leads und deren Vorqualifizierung ist vom Verkäufer viel Ausdauer nötig, um am Ende den potenziellen Kunden aus der Vielzahl an Leads zu identifizieren. Doch die Händler haben noch mit einem weiteren Aspekt zu kämpfen: „Wir bekommen so viele Leads aus zahlreichen verschiedenen Quellen, dass es schwierig ist, alle zu kanalisieren und richtig zu bearbeiten“, bedauert die Führungskraft eines Mehrmarkenhändlers, die namentlich nicht genannt werden will. So sammeln die Händler selbst in ihrer Region Adressen über das Internet und über Events, die Hersteller ihrer Fabrikate spielen ihnen zahlreiche Anfragen zu, von Onlineplattformen erhalten sie Angebote und nicht zuletzt prüfen häufig Tester und die Presse. Es ist ja einfach und geht schnell. Das fordert nicht gerade die Motivation der Verkäufer. Ach ja, die eingangs erwähnte Antwort des Automobilverkäufers liegt nun seit fünf Tagen unbeantwortet in meinem Postfach. Wieder ein Lead für den Verkäufer, der im Sande verlief. Sorry, war ja nur ein Test. „Verlorenes Potenzial“ Fabian Guse über die Ergebnisse der Studie zum Händler-Response Herr Guse, wer wartet anderthalb Tage auf eine Antwort bei einer Internetanfrage? Laut unserer Studie ist dies die Durchschnittszeit, die ein Kunde warten muss, wenn er auf der Website eines Automobilherstellers nach einer Probefahrt anfragt. Das ist schon erstaunlich, schließlich handelt es sich bei den Hersteller-Websites um den Kanal mit der größten Reichweite. Aber im Vergleich zum vergangenen Jahr hat sich die Reaktionszeit deutlich verbessert. Die Hersteller brauchten 2014 für eine Antwortmail oder den Rückruf durch ein Callcenter durchschnittlich fünf Tage. Wie haben denn die einzelnen Marken aktuell abgeschnitten? Mercedes-Benz konnte über alle Kategorien hinweg die beste Performance ablegen, gefolgt von Fiat und Opel. Ziemlich schlecht hingegen schnitten Renault, Dacia und Hyundai ab. Aber auch Škoda und BMW konnten nicht wirklich überzeugen. Bei den Social-Media-Anfragen sind die Ergebnisse deutlich besser, wenn die Hersteller antworten. Im Durchschnitt haben sie auf eine Facebook-Anfrage nach sechs Stunden ein Feedback gegeben. Was heißt „wenn die Hersteller antworten“? Auf unsere Anfragen auf Twitter war die Response-Quote 0 Prozent. Keine Antwort, von keinem Hersteller. Im Vorjahr haben sie noch auf zwei Drittel der Anfragen geantwortet. Hier hat ein deutliches Umdenken stattgefunden. Bei so langsamen Reaktionszeiten springt doch jeder Kunde ab, oder? Wir werden die Kunden im zweiten Teil der Studie nach ihren Erwartungen befragen. Aber schlimmer als die lange Reaktionszeit ist, dass jede fünfte Anfrage unbeantwortet bleibt. Hier geht ein großes Potenzial verloren. Dafür kann es verschiedene Gründe geben. Beispielsweise arbeiten Hersteller und Händler häufig mit unterschiedlichen Softwaresystemen, beim Übertragen kann da schnell ein Lead verloren gehen. Oder Händler priorisieren, indem sie Anfragen über die Händler-Website wesentlich schneller beantworten. Hier liegt die durchschnittliche Reaktionszeit bei gerade mal drei Stunden. Das ist gut. An den Händlern kann es doch dann nicht liegen. Wir sehen an der Schnittstelle zwischen Hersteller und Händler den größten Optimierungsbedarf. Der Multi-Channel-Gedanke muss konsequenter umgesetzt werden und bedarf einer besseren Integration. INTERVIEW: ANDREAS MAGNER 106 REPORT AUTOMARKETING Beam me to work, Scotty HORIZONT hat junge Marketingmanager gefragt, wie Mobilität im Jahr 2025 aussehen könnte Von Giuseppe Rondinella A uto, Bahn, Bus, E-Bike, Carsharing oder zu Fuß – es gibt viele Möglichkeiten, an den Arbeitsplatz zu gelangen. Laut Angaben der Stiftung für Zukunftsfragen fuhren im vergangenen Jahr 53 Prozent aller Befragten mit dem eigenen Pkw zur Arbeit, 16 Prozent mit dem öffentlichen Personennahverkehr (Bus und Bahn) und 14 Prozent waren zu Fuß unterwegs. Der Rest verteilt sich auf das Rad, Fahrgemeinschaften und den Zug. Doch wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Fahren wir alle in geräuschlosen, klimafreundlichen Wasserstoffautos durch die Gegend oder müssen wir gar keinen Finger mehr krümmen, um von A nach B zu gelangen? Apple, Google und diverse andere Hersteller tüfteln ja bereits an Fahrzeugen, die dank allerlei Technik und Daten vieles allein regeln. Beim Autokauf im Jahr 2025 heißt es dann vielleicht nicht „BMW oder Audi?“, sondern: „Android oder iOS?“ HORIZONT hat junge Marketingmanager gefragt, wie sie Tag für Tag zur Arbeit fahren und was sie an ihrem Fortbewegungsmittel schätzen und verfluchen. Die Befragten erklären zudem, wie sie sich die Mobilität der Zukunft im Jahr 2025 ausmalen. Eine geht sogar über die oben erwähnten Zukunftsszenarien hinaus. Ihre Idee: Beamen. Hauptsache schnell und entspannt Ich arbeite bei einem Automobilhersteller mit Stern und trotzdem besitze ich kein Auto. Zur Arbeit geht es mit den Öffentlichen. Das spart Geld und in der Staumetro- pole Stuttgart auch Zeit. Die Zeit in der Bahn kann ich nutzen, um Nachrichten zu lesen oder auch mal abzuschalten. Nervig wird es aber dann, wenn man länger als zehn Minuten auf den nächsten Bus oder die nächste Bahn warten muss. Da habe ich schon oft die Öffentlichen verflucht und mir HORIZONT 38/2015 ein Auto herbeigewünscht. Wenn ich Einkäufe transportieren oder unabhängig von Fahrplänen sein möchte, nutze ich das Carsharing-Angebot von Car2go. Der Weg zur Arbeit im Jahr 2025 soll schnell und entspannt erfolgen. Da ist es mir egal, ob ich in einer Bahn sitze, selbst das Steuer Anzeige Flugtaugliche Einzelkabinen Ich bin eine Person, die gerne unabhängig reist. Am liebsten mit dem Auto, jedoch auch gerne bei guten Zugverbindungen mit dem ICE, vorausgesetzt, er ist pünktlich. Ich arbeite in Aschaffenburg und lege meinen täglichen Arbeitsweg von 11 Kilometern einfach mit meinem Kleinwagen zurück. Sehr selten staut sich der Verkehr auf der Landstraße und ich bin meistens nach etwa 15 Minuten bei meinen Kollegen im Büro. Auch die Parkplatzsuche in der Innenstadt bereitet mir keine schlechte Laune. Direkt neben dem Bürogebäude in einem Parkhaus werden Parkplätze von unserer Geschäftsführung gestellt. Das ist wunderbar, nicht nur der kurze Fußweg zum Büro, auch im Winter das Auto nicht aus Schneemassen befreien oder die Scheiben kratzen zu müssen. Meine Vision von der Mobilität im Jahr 2025 lautet „nachhaltiges und stressfreies Reisen“. Dafür benötigen wir ein freies WLAN-Netz weltweit. Dadurch können wir via Handy jederzeit flugtaugliche Einzelkabinen anfordern. Wir geben nur den Wunschort an, den Rest übernimmt die von der Verkehrszentrale programmierte Einzelkabine selbst. Wir reisen dann nur noch mit den geräuschlosen elektrobetriebenen Einzelkabinen. Bei einem Mehrpersonentransport können die Kabinen sogar aneinanderandocken. Autos Bahn und Bus gehören dann der Vergangenheit an, ebenso Verkehrslärm, Abgase und Stress. Eva Kleinschmitt, Marketing Manager bei Walter Fries Überdachtes E-Bike schützt vor Erkältungen Mein Arbeitsweg ist 18 Kilometer lang und ich lege den Weg tagtäglich mit der S-Bahn zurück. Ich schätze besonders, dass ich nicht in Staus warten oder lange einen Parkplatz suchen muss. Auch mag ich es, während der Fahrt zu lesen oder nur aus dem Fenster zu schauen und mir dabei keine Gedanken über den Verkehr zu machen. Meistens muss ich auch nicht lange warten, bis eine S-Bahn kommt, denn das Verkehrsnetz in Hamburg ist gut ausgebaut. Ich ärgere mich allerdings auch, dass ich nicht immer einen Sitzplatz finde, da die Bahn überfüllt ist. Außerdem denke ich, dass ich mich in der vollen Bahn schneller mit Erkältungen anstecke. Besonders verfluche ich, dass die S-Bahn in Hamburg von den Streiks der Deutschen Bahn betroffen ist und es so zu längeren Wartezeiten kommt. Auch sind die Kosten für die Monatskarte relativ hoch. Für das Jahr 2025 kann ich mir vorstellen, mit einem überdachten E-Bike zur Arbeit zu fahren. Ich wäre damit vor Kälte und Regen geschützt, kann trotzdem Staus umfahren und benötige nur einen kleinen Parkplatz. Außerdem hätte ich immer einen Sitzplatz und bräuchte keine Angst zu haben, mich mit Erkältungen anzustecken. Auch wäre ich nicht von Streiks betroffen. Katrin Lüthje, Produktmarketing Berendsohn 17. September 2015 lenke oder gar meinen eigenen Chauffeur habe. Ideal wäre es, wenn ich aus einem Portfolio auswählen könnte – je nach Lust, Laune und Anforderung. Hendric J.R. Mostert, Produktmanagement & Marketing Mercedes-Benz HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 107 17. September 2015 Homeoffice wird zum normalen Alltag Meine Agentur liegt mitten in München am Goetheplatz, weshalb ich die öffentlichen Verkehrsmittel bevorzuge. Gerne fahre ich mit der U-Bahn zur Arbeit und habe dabei Zeit, ein Buch zu lesen und abzuschalten. Jedoch ist es nicht leicht, wenn man bereits in der Früh in viele mürrische Gesichter sieht oder rücksichtslos angerempelt wird – dann wünschte ich mir, lieber in einem Auto ganz allein zu sitzen. Mein Arbeitsweg im Jahr 2025 ist vielleicht gar nicht mehr weit. Sind wir nicht alle dann so vernetzt, dass Homeoffice zum Alltag wird? Um kreativ arbeiten zu können, wünsche ich mir einen flexiblen Arbeitsplatz, der auch einmal in freier Natur oder in einem Café ums Eck sein kann. Dann würde ich meinen Laptop einpacken und mit dem Fahrrad durch München fahren. Und wenn ich weiterspinne, stelle ich mir einen beweglichen, offenen Arbeitsplatz vor, der in einer festen Route durch München kreist, direkt bei mir vorbeifährt und von dem aus ich viele neue Eindrücke sammeln kann. Anna Kreilinger, Senior Art Director bei Synektar Anzeige Mit Teleporter zur Arbeit gebeamt Seit 2010 habe ich eine Kombination aus Bus, Fahrrad oder Auto sowie U-Bahn und Tram für mich als den besten Weg zu meinem Arbeitsplatz entdeckt. Dieser Weg kostet mich täglich etwa zwei Stunden und unterscheidet sich in der Sommer- und Winterzeit. Im Sommer fahre ich gerne mit dem Fahrrad zur nächstgelegenen U-BahnHaltestelle. Seit einem Jahr nehme ich die Trambahn für zwei Haltestellen, da ich hier noch einmal fünf Minuten sparen kann, wenn ich diese im Anschluss erwische. Im Winter nehme ich meist den Bus zur U-Bahn. Bei dieser Kette an unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln stehe ich immer unter Zeitdruck und hoffe, das nächste öffentliche Verkehrsmittel zu erwischen. Im Sommer finde ich es besonders störend, wenn man auf stickige Luft und viele Menschen auf engem Raum in der U-Bahn trifft. Im Winter ist es für mich zeitlich noch schwieriger, pünktlich zur Arbeit zu gelangen. Verpasse ich den Bus, dauert es 20 Minuten, bis ich den nächsten erwische und daher wähle ich oft die schnellere Variante mit dem Auto. Hier ist allerdings eine ganz andere Zeitbremse zu beachten. Erst mal Parkplatz suchen ist angesagt. In der UBahn angekommen, kann man meist vielen schniefenden und keuchenden Menschen nicht ausweichen. Einerseits sind die Flexibilität und die staufreie Zone der öffentlichen Verkehrsmittel toll. Andererseits bin ich jedes Jahr erstaunt, dass eine Preiserhöhung bei so vielen Verspätungen, Betriebsstörungen und Zugausfällen möglich ist! Idealerweise würde ich mich gerne im Jahr 2025 zu meinem Arbeitsplatz beamen und so dem Zeitdruck ein Ende machen. Einmal in die Finger geschnipst oder in den Teleporter zu Hause gestiegen, und schon finde ich mich an meinem Schreibtisch wieder. Daniela Müller, Bereich Marketing bei Anwaltskanzlei Noerr U- und S-Bahnen auf 20 Etagen In Großstädten müssen nach und nach die Autos verbannt werden. Auch wenn die Automobilindustrie aktuell wenig Anreize findet, alternative und ökologisch sowie ökonomisch sinnvolle Alternativen für die breite Bevölkerung anzubieten, gibt es ein weiteres Problem: Autokolonnen! Wohin mit all den Fahrzeugen in den Schwarmstädten der Zukunft, egal ob der Antrieb ökologisch sinnvoll ist oder nicht? Ich denke, dass hier neue Beförderungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen. Vielleicht ist dies auch erst in 100 Jahren der Fall, aber ich stelle mir U- und S-Bahnen vor, die auf verschiedenen Ebenen – vom Untergrund bis in die 20. Etage – parallel unterwegs sind und so eine ganzflächige und ganzheitliche Mobilitätsversorgung anbieten. Diese Bahnen fahren in einer Geschwindigkeit, die es erlaubt, an den Haltestellen „aufzuspringen“. Dadurch, dass man überall hinkommt und überall auf- und abspringen kann – wie auf einem Laufband – sind die Zeitersparnisse trotz der geringen Geschwindigkeit dennoch vorhanden. Die Dreiklassengesellschaft wird es allerdings den „reichen“ Mitbürgerinnen und bürgern ermöglichen, mit „Flugautos“ noch schneller und individueller ans Ziel zu kommen. An diesen „Flugautos“ wird ja nun auch schon seit Jahren geforscht mit aktuell noch mäßigem Erfolg. Anhand der Höhe der eigenen Wohnung innerhalb einer Stadt erkennt man dann zugleich die gesellschaftliche Stellung. Die Unterschicht fährt weiterhin auf den alten Straßen mit ihren Autos und wohnt auch in dieser Ebene bis hinunter in den Untergrund. Die Mittelschicht fährt über die Laufbänder und wohnt in der mittleren Ebene. Der Himmel über den Städten muss freigehalten werden für die Wohnungen und Flugautos der Reichen. Sicherlich habe ich vielleicht den einen oder anderen ScienceFiction-Film zu viel gesehen und diese Vision ist nicht in zehn Jahren erreichbar, aber ich bin davon überzeugt, dass dies in den nächsten 50 bis 100 Jahren kommen wird. Tobias Innig, Leiter Marketing/ Vertrieb Europäisches Bildungszentrum 108 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Mit den Champions ins Rampenlicht Nissan geht ins zweite Jahr seiner Partnerschaft mit der Königsklasse im Fußball- Die Japaner wollen ihre Bekanntheit steigern Von Ralph M. Meunzel D Fußball-Stars wie Iniesta und Thiago Silva zeigen für Nissan ihre technischen Fertigkeiten @ HORIZONT Seit 2014 kooperiert HORIZONT im Report Automarketing mit der Redaktion von „Autohaus“ aus dem Verlag Springer Automotive Media in München. Ralph M. Meunzel ist dort Verlagsleiter und Chefredakteur. ie positive Entwicklung im deutschen Automarkt hat sich im August fortgesetzt. Mit einem Plus von 13,7 Prozent ist Nissan auch in diesem Jahr stärker gewachsen als der Markt (Anteil 2,17). Die japanische Marke hat sich damit inzwischen auf Position 12 vor Toyota platziert und ist der sechstgrößte Importeur in Deutschland. Nissan konnte in Europa in diesem Jahr um rund 9 Prozent zulegen und führt die Verkaufsrangliste der japanischen Marken auf dem Kontinent an. Der Verkaufserfolg lässt sich in erster Linie mit der im September 2013 gestarteten Produktoffensive begründen. Note, Juke Nismo RS, Qashqai, e-NV 200 und X-Trail heißen unter anderem die Protagonisten. Allein mit attraktiven Autos kann das formulierte Ziel, bis 2020 „die begehrteste asiatische Marke“ zu sein, allerdings nicht erreicht werden: „Der Kunde denkt beim Autokauf nicht genug an Nissan. Wir müssen deshalb noch stärker auf die Shoppinglist“, sagt beispielsweise DeutschlandChef Thomas Hausch. „Der Kunde muss uns noch stärker wahrnehmen und die Beliebtheit der Marke muss intensiver wachsen“, ergänzt Bastien Schupp, Vice President Marketing bei Nissan Europa in Genf. Damit sind die Gründe formuliert, warum der 1933 gegründete Hersteller seit der vergangenen Saison in der Uefa Champions League (CL) spielt. Nissan ist 2014 für Ford eingesprungen und vertritt jetzt unter sieben weiteren Sponsoren exklusiv die Autobauer. Inzwischen wurde der Vertrag bis 2018 für drei Spielzeiten der Uefa CL verlängert. Zwischen 50 bis 60 Millionen Euro jährlich lässt Nissan sich das Sponsoring – unbestätigt – kosten. Damit hat man das Engagement in dieser Saison auf 40 Nationen, unter anderem Brasilien, China, Japan und die USA, erweitert. Die Champions League findet zwar nur in Europa statt. „Hier spielen aber die besten Fußballer der Welt und Fans gibt es überall auf dem Globus. Unser Engagement in der Königsklasse ist somit ein wichtiger Baustein in unserer Wachstumsstrategie“, ergänzt Schupp. Bei diesem Fußballereignis der Extraklasse finden von September bis Mai über 200 Spiele in 17 Matchwochen statt. Die begehrteste Liga der Welt lockt pro Spieltag laut europäischem Fußballverband im Durchschnitt 145 Millionen TV-Zu- schauer, davon 50 Prozent außerhalb von Europa, und ist damit das meistgeschaute Fernsehevent. .So hatte das Endspiel in Berlin mehr Zuschauer als der amerikanische Super Bowl. Die Teilnahme zahlt sich aber auch für die Vereine aus. Die Organisation verteilt pro Saison 1,25 Milliarden Euro an Gesamtprämien. Wer sein CL-Ticket in der vorherigen Saison gelöst hat, kann mit einem Geldsegen rechnen. Die hohen Budgets der Sponsoren und die astronomischen Kosten für die Übertragungsrechte machen es möglich. Das von Bastien Schupp verhandelte Package setzt sich im Schwerpunkt aus der Übertragungszeit, der Bandenwerbung während der Spiele und einem Kartenkontingent zusammen. Die Sponsoren würden hier allerdings eng zusammenarbeiten, sagt der Marketingexperte. Die Begehrlichkeit würde ja je nach Land deutlich schwanken. „Am interessantesten ist weiterhin der deutsche Markt“, so Schupp. D ie Vereinbarung mit der Uefa sieht auch die Bereitstellung einer Fahrzeugflotte von insgesamt 1100 Autos pro Saison vor, um die Funktionäre und Gäste der Sponsoren zu fahren. Allein beim Endspiel am 6. Juni 2015 in Berlin waren 120 Nissan Leaf EMobile im Einsatz. Dazu hat man 100 feste Ladestationen errichtet, die weiterhin in Betrieb sind. Mit Aktionen im „Fan Festival“ am Brandenburger Tor, wie die Fanmeile bei der CL heißt, konnten die Besucher auch zusätzlich angesprochen werden. Weitere Sponsorenbausteine sind die vielfache Präsenz in Form des Nissan-Logos und die exklusive Präsentation des „Goals of the week“ beispielsweise auf der Uefa-Homepage. Trotz der starken TV-Präsenz während der Spiele ist Bastien Schupp klar, dass das Ziel, ausschließlich mit Fernsehwerbung entsprechend wahrgenommen zu wer- den, aufgrund zunehmender TV-Abstinenz nicht erreicht werden kann. „Wir müssen uns deshalb viel stärker mit unserem Engagement im Internet präsentieren“, betont der Nissan-Manager. Das „Goal of the week“ sei dafür eine wichtige Maßnahme. F ür eine noch stärkere Aufmerksamkeit im Netz sorgen die vier Markenbotschafter, die Nissan „Engineer of Excitement“ nennt. Yaya Touré von Manchester City, Andrés Iniesta vom FC Barcelona, Thiago Silva von Paris Saint Germain und das deutsche Nachwuchstalent Max Meyer von Schalke 04 sind als beliebte Fußballspieler für das japanische Fabrikat aktiv. Welche Rolle die Markenbotschafter spielen könnten, zeige beispielsweise der Besuch von Thiago Silva und seinem Sohn auf dem NissanStand anlässlich der Motorshow in Paris. „Das Posten auf Twitter hat uns eine Resonanz gebracht, die wir sonst nie erreicht hätten“, erklärt Schupp. Sehr positiv reagiert auch der Handel auf das CL-Engagement. „Wir stehen voll hinter dem Sponsoring. Das sorgt für Kontinuität“, sagt Marlies Wegener vom Autohaus Wegener im Großraum Berlin. Die Gruppe verfügt über insgesamt sieben Betriebe. Am 19. September stehe der Champions Day als Kundenevent an, dann drehen sich alle Aktionen in den Häusern wieder um Fußball, so Wegener. Für Bastien Schupp hat die Konzentration auf das Leder noch einen weiteren Vorteil: „Wir verzetteln uns damit nicht, jede Ländergesellschaft würde sonst nach eigenen Vorstellungen andere Sportarten wie Skifahren oder Reiten unterstützen. Die klare Linie diszipliniert die Marketingaktionen“¸ meint der Experte. Das zahle sich aus. So habe man bereits nach dem ersten Jahr in der CL eine höhere Markenvertrautheit gemessen. 95 Prozent der Leute würden die Marke inzwischen gestützt gefragt kennen. Nissan will sich stärker im Netz präsentieren – eine Maßnahme ist das „Goal of the week" „Unser Engagement in der Königsklasse ist ein wichtiger Baustein in unserer Wachstumsstrategie“ Bastien Schupp, Nissan International 110 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Zum Abschied Fast zehn Jahre hat die Hamburger Agentur Jung von Matt Mercedes-Benz betreut. Jetzt kommt die Trennung. Eine Rückschau in Kampagnen Von M. Reidel und K. Gattenlöhner K Mercedes hängt Porsche ab? Geht nie! Geht doch. Im Februar 2015 lässt Jung von Matt/Spree im Auftritt für den neuen AMG GT mal eben einen 911er, die Sportwagen-Ikone schlechthin, rechts liegen. Das überrascht und sorgt für Gesprächsstoff. Doch „Handcrafted by Racers“ wartet noch mit einer anderen Überraschung auf. In weiteren drei Kurz-Spots kann der Zuschauer in den Werbeblöcken in Echtzeit die Beschleunigung des GT erleben, sprich in 3,8 Sekunden auf 100 km/h. Das ist satt. Und steht für Tempo und Performance, das Auto selbst für Design. napp zehn Jahre prägte eine Agentur das Bild von Mercedes-Benz in der Öffentlichkeit. Jung von Matt. Seit diesem Sommer ist das vorbei. Zwar arbeiten die Kreativen noch an einzelnen Projekten, aber künftig hat bei Mercedes in der Kreation ein anderer das Sagen: Antoni. Für den Hamburger Dienstleister JvM, der seit 2006 für die Stuttgarter Edelmarke gearbeitet hat, war der Verlust im vergangenen November ein herber Schlag. Jetzt knüpft Jung von Matt wieder zarte Bande mit anderen Autoherstellern, BMW etwa und Kia. Zeit, nochmals eine kleine Rückschau auf einige Arbeiten der Agentur zu halten, die in der Branche für Diskussionen, Beifall oder auch Missmut gesorgt haben. „Werbung muss aus der Reihe tanzen“, sagte kürzlich der Ex-Mercedes-Marketer und heutige VW-Marketing-Mann Anders Sundt Jensen in HORIZONT. In diesem Sinne: Drehen Sie ein paar Runden. Das Setting wirkt stimmig. Ein verschneiter Wald, dunkle Bäume, Schnee. Auf der Straße fährt eine einsame E-Klasse. Auf dem Beifahrersitz sitzt plötzlich Gevatter Tod. Das wirkt ziemlich gruselig. Doch der eingebaute Bremsassistent schlägt dem Sensenmann ein Schnippchen. 2010 sorgt Mercedes-Benz gemeinsam mit Jung von Matt/Neckar mit „Sorry“ für Gesprächsstoff, nicht nur der makabren Story wegen. User sagten in verschiedenen Foren dem unerwünschten Beifahrer, gespielt von Andreas Wellano, eine Ähnlichkeit mit dem damaligen Aufsichtsratschef von Volkswagen, Ferdinand Piëch, nach. Wir schreiben das Jahr 2010. Eine Winterlandschaft. Auf einer Landstraße blockiert ein Sonntagsfahrer die Straße. Da kann man sich auch als gelassener Finne schon mal etwas aufregen, dieses Schleichen, das einen zum Überholen reizt. Die amüsante Geschichte, die kurz vor Weihnachten on Air geht, ist der Höhepunkt der Kampagne für den Allradantrieb 4Matic. Mit der richtigen Ausstattung kann man problemlos einen SL Pagode mit einem E-Klasse T-Modell und einer G-Klasse überholen, ist die Botschaft hinter dem Spot. Und dass die hängen bleibt, dafür sorgen die Formel-1-Granden Michael Schumacher und Mika Häkkinen sowie Markenbotschafter Franz Beckenbauer mit ihren Rentnerund Sonntagsfahrer-Frotzeleien. Fußball und Autos – wenige Branchen harmonieren so gut. Für die Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz wollten Jung von Matt/Spree und Mercedes ganz hoch hinaus. Und schickten die National-Elf auf das Matterhorn, das 2015 wieder im Brennpunkt steht. Der Berg der Berge feiert den 150. Jahrestag der Erstbesteigung. Im Stil der 20er Jahre erzählt der TV-Spot von Teamgeist, Zusammenhalt und dem Slogan: „Vor euch liegt ein schwerer Weg, aber ihr geht ihn nicht allein.“ Der Streifen zur EM-Kampagne glänzte vor allem durch seine liebevolle Gestaltung. Kostüme, Qualität der Aufnahme, Musik und Zwischentitel fangen den Charme des Stummfilms gekonnt ein. Er hebt sich durch seine stimmungsvolle Ausarbeitung von der damaligen Konkurrenz ab. Den Aufstieg nach ganz oben schaffte die DFB-Elf 2008 aber nicht. Im Finale unterlag die deutsche Mannschaft Spanien. Wenn eine Gruppe Hühner als Testimonials begeistert, steckt entweder eine Parodie dahinter oder eine brillante Idee. Beim TV-Spot „Magic Body Control“ war Letzteres der Fall. Hier sollen die gefiederten Werbestars demonstrieren, wie das aktive Fahrwerk und der Straßen-Scan Bodenwellen erkennen und ausgleichen. Die Hennen machen ihren Job tierisch gut. Zu Diana Ross’ „Upside Down“ werden sie gedreht, geschaukelt, gewippt und gewiegt. Dennoch bleiben die gelb-orangen Augen stets auf die Kamera fokussiert, keines verwackelt, niemand tanzt aus der Reihe. Perfekte Harmonie und Balance. Dafür ging in Cannes Bronze an Jung von Matt/Neckar. Eine Hommage zum Abschied: horizont.net/ mbjvm3815 HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 111 17. September 2015 W elche Bedeutung messen Sie Print im Vergleich zu digitalen Medien bei und welche Angebote nutzen Sie persönlich zur Information über alles rund ums Automobil? Christian Rätsch, Chief Executive Officer Saatchi & Saatchi Deutschland Joachim Bader, Vice President Sapient Nitro Kontinentaleuropa Matthias Schönwandt, Vorsitzender der Geschäftsführung Medienhaus Deutschland Frank Vogel, Mitglied der Geschäftsleitung G+J EMS I D R G n den letzten 15 Jahren haben sich die Auswahlmöglichkeiten einer Automarke extrem verändert. Früher gab es ein Referenzmodell im Autohaus, das auf Basis von Broschüren entsprechend individuell ausgestattet wurde. Das ist heute anders. Mein derzeitiges Geschäftsfahrzeug ist ein Lexus GS 405h. Die Marke und ich mussten uns erst einmal richtig kennenlernen, damit ich eine Beziehung zu ihr aufbauen konnte – vor allem zu ihrer innovativen Technologie. Diese ließ sich nur über Print nicht vollständig erschließen. Die Lexus „Vollhybrid“Technologie erweckte in mir ein so starkes Interesse, dass ich mehr darüber erfahren wollte. Also besuchte ich die Web-Angebote von Lexus und nutzte verschiedene virtuelle Probekonfigurationen, um das neue Fahr- und Technikgefühl kennenzulernen und zu erleben. Das zeigt, wie sich die Bedeutung von Print und Online im Automobilmarketing verändert hat. Print inspiriert den Konsumenten, die entscheidenden Kaufimpulse erhält er aber im Web. er Zeitraum, in dem sich der Käufer für ein Modell entscheidet, hat sich in den letzten Jahren von vier auf zwei Monate halbiert. Für die Automobilhersteller heißt das erstens, dass den Marken deutlich weniger Zeit bleibt, um die Kunden für sich zu gewinnen. Zweitens – und entscheidend: In diesem Kampf um die Aufmerksamkeit potenzieller Käufer hat sich ein Paradigmenwechsel ergeben. Der „Connected Consumer“ lässt sich bei seinem Autokauf nicht mehr von TV-Spots oder Printanzeigen zum Händler locken, wo er eine Testfahrt macht und anschließend vielleicht das Fahrzeug kauft. Heute nimmt er das Steuer selbst in die Hand. Der mündige Konsument bildet sich seine Meinung in einem äußerst fragmentierten Entscheidungs- und Kaufprozess, in dem nicht nur die klassischen Kommunikations-, sondern digitale Kampagnen, Social Media und vor allem Online-Konfiguratoren sein Urteil bestimmen. Print ist noch ein Teil dieses Entscheidungsprozesses, aber längst nicht mehr der entscheidende. Es zählt die ganzheitliche „Experience“. egionale Qualitätszeitungen liefern entlang der Customer Journey zum Automobilkauf an mehreren Punkten wertvolle Impulse. Zum einen wird durch das hochwertige journalistische Umfeld bereits eine kaufkräftige und kaufbereite Zielgruppe angesprochen, zum anderen leistet die Abonnementzeitung einen starken Aktivierungsimpuls zum Kauf. Dabei ist festzustellen, dass aufgrund der hohen Einkommensklassen innerhalb der Zeitungsleserschaft überproportional Neuwagenanschaffungen stattfinden, während digitale Kanäle und Börsen im Schwerpunkt den Gebrauchtwagenmarkt ansprechen. Ich persönlich nutze nach erster Modellbeschreibung und Tests in der Tageszeitung zunächst die Konfiguratoren der Hersteller und mache mir auf den Onlinebörsen ein Bild über den Markt für mein favorisiertes Modell. Erst danach geht es für ein Gespräch zum Händler meines Vertrauens. rundsätzlich ergänzen sich Print und Digital im Rahmen einer Automobilkampagne hervorragend. Heute geht es immer weniger darum, ob ich meine Zielgruppe erreiche, sondern in welcher Verfassung ich den Konsumenten erreiche und ob er in dem jeweiligen Moment eine Offenheit für die Werbebotschaft hat. Dabei steht Print innerhalb des Verfassungsmarketings für Deep-Diving-Momente, in denen der Konsument in Ruhe in die Inhalte eintaucht – im Gegensatz zum allgegenwärtigen schnellen und digital getriebenen Info-Snacking über den Tag. Print ist das einzige Medium, das anfassbar ist und innerhalb des multisensorischen Marketings über Ad Specials einen berührbaren Ankerpunkt für jede Marke liefert. Besonders wirkungsvoll ist jede PZ-Kampagne sicherlich im Konzert mit digitalen Lösungen, die interaktiv, mobil und location based bis zum Händler im Umkreis ausgesteuert werden können. Ich persönlich lasse mich durchaus crossmedial inspirieren – finde dann aber die Probefahrt in der realen Welt letztlich am spannendsten! Mehrspurig unterwegs Neben Magazinen gibt es heute viele Kanäle, über die man sich zum Thema Auto informieren kann. HORIZONT fragt nach, welche Medien am beliebtesten sind Redaktion: Anna Lisa Lüft Sabine Knöpfel-Ruth, Managing Director PHD Germany Olivier Korte, Managing Director Fuel@Vivaki Konrad Weßner, Geschäftsführer Puls Marktforschung F D B ür Enthusiasten stellen Automagazine nach wie vor ein wichtiges Vehikel dar; sie interessieren sich generell für Autos oder bestimmte Marken und informieren sich entsprechend regelmäßig, häufig über PrintAbonnements ihrer Lieblingstitel. Allerdings haben selbst die größten Magazine mit zurückgehenden Auflagen zu kämpfen – ein Fingerzeig, dass sich Informationsbeschaffung und das Auseinandersetzen mit der Marke mehr und mehr ins Netz verlagern. Etwas differenzierter ist die Mediennutzung, wenn es darum geht, sich ein Auto zu kaufen und dafür Informationen zu sammeln beziehungsweise wenn schon eine zeitnahe Kaufabsicht vorhanden ist. Hierbei ist es besonders wichtig, in welcher Stufe des Entscheidungsprozesses man sich befindet. Zu Beginn werden in der Regel Suchmaschinen und Marken-Websites als primäre Informationsquelle genutzt, vermehrt auch mobil. Video-Content im (Social) Web spielt für die emotionale Komponente im Entscheidungsprozess durchaus eine wichtige Rolle. Am Ende des Prozesses stellen der Service und die Informationen direkt beim Händler die entscheidenden Weichen für die Kaufentscheidung. Persönlich informiere ich mich online über neue Modelle und nutze Videos, um erste Eindrücke zu bekommen. urch die zunehmende Fragmentierung der Medienlandschaft und die permanente technologische Evolution der Kommunikation haben sich natürlich auch die Bezugsquellen zur Information verändert. Insbesondere im finalen Entscheidungsprozess haben die digitalen Medien massiv an Bedeutung dazugewonnen. Günstige und zielgenaue Informationsbeschaffung funktioniert online einfacher und ist zudem kostengünstiger als über Print. In kurzer Zeit sind unterschiedlichste Quellen wie zum Beispiel Herstellerwebsites, Autobörsen und Vergleichsseiten ansteuerbar. Diese Informationsvielfalt ist nur digital gegeben. Ein weiterer Aspekt ist die Neutralität der Informationen im Netz. Ich persönlich bin bei meiner Informationsbeschaffung sicherlich weniger repräsentativ, da mir als Berater im Bereich Automobil mehr Quellen zur Verfügung stehen. So ist ein regelmäßiges Screening der „AMS“ und „Auto Bild“ (Print und Online) Pflicht, um sich einen Überblick zu verschaffen. Bei meinem kürzlich getätigten Autokauf war ich zudem sehr stark auf Herstellerund Händlerwebsites sowie Automobilbörsen unterwegs, um Preise und Ausstattungsmerkmale zu vergleichen. Den Kauf habe ich ganz traditionell und konservativ nach einer Probefahrt beim Händler getätigt. ei der Frage nach den Informationsmedien vor dem Autokauf dürfen wir uns nicht allein auf die Customer Journey fixieren. Die dort ausgewiesenen Kontaktpunkte führen „Händler/Probefahrt“ knapp vor dem Internet. Erst auf Platz 6 folgt klassische Werbung, unter anderem in Print. Würde man sich allein darauf verlassen, würden Investments in Printmedien deutlich zurückgefahren. Wie wir aus unserer Studie „Autokäufer berühren“ wissen, wäre dies ein fataler Fehler, weil sich die Customer Journey und die dort ausgewiesenen „Moments of Truth“ häufig erst aus lange davor aufgebauten Marken- bzw. Modellpräferenzen ergeben. Deren Wirkung zu messen, ist eine Herausforderung, der wir uns in der Marktforschung stellen müssen. Aus unseren Werbetrackings für Automobilmarken wissen wir, dass Imagewerbung in klassischen Printmedien deutlich vor Online liegt, wenn es um den Aufbau erster Markenpräferenzen geht. Je näher der Autokauf rückt, desto wichtiger werden dann Hersteller- und Händlerwebsites, Online-Fahrzeugkonfiguratoren, Videoportale und soziale Netzwerke. Entscheidend sind auch crossmediale Kampagnen, bei denen zum Beispiel über Printkampagnen auf Werbeaktivitäten und Angebote im Internet hingewiesen wird. 112 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 17. September 2015 Aufpoliert und runderneuert Autozeitschriften unterziehen sich Relaunches und erweitern ihr Angebot durch neue Ableger. Das stärkt die Medienmarken, garantiert aber keinen Erfolg im Vertriebsmarkt F Mit Ablegern versuchen Verlage, die Gesamtreichweite zu vergrößern Wie „Auto Bild“ seine Print-Familie ausgebaut hat Von Roland Karle ür Autoliebhaber gibt es immer was zu tun. Polieren, schrauben, tunen – ihr Gefährt soll schließlich in Bestform sein. Den Machern von Autozeitschriften geht es ähnlich. Auch ihnen kribbelt es in den Fingern, sie haben Ideen, wollen Gutes besser machen. Aber selten passiert es, dass so viele Titel in kurzer Zeit einem Relaunch unterzogen werden wie derzeit und zudem neue Ableger in den Markt kommen. Aktuellstes Beispiel ist „Auto Motor und Sport“ von der Motor Presse Stuttgart (MPS), die heute runderneuert erscheint (siehe Seite 114). Bemerkenswert ist neben einer Reihe von inhaltlichen und optischen Veränderungen vor allem das reduzierte Coverkonzept. Schon im Mai vergangenen Jahres präsentierte sich „Auto Bild“ neu. „Für uns ist dieser Relaunch die größte Veränderung seit der Einführung des Hefts“, kündigte Hans H. Hamer, Verlagsgeschäftsführer der Auto-, Computer- und Sport-Gruppe bei Axel Springer, damals an. Das Layout wurde aufgeräumt, der Wechsel von kurzen Stücken, in die Tiefe gehenden Texten und großen Fotostrecken frisch komponiert. Rubriken wie „Historische Autos“ und „Tagebuch“ wurden eingeführt, der Einsatz von Augmented Reality verstärkt. Experten attestieren dem Titel gute Fortschritte. Im jüngsten Media-Check von HORIZONT (36/2015) landete „Auto Bild“ von neun Zeitschriften, die eine Renovierung hinter sich haben, auf Rang 3. Mit der Gesamtnote 2,36 liegt Axel Springers wöchentliches Automagazin nur knapp hinter Testsieger „Spiegel“ (Note 2,27) und „Capital“ (2,33). Es sei „moderner geworden, sich aber trotzdem treu geblieben“, lobt Beate Rybarz, Gruppen- Im kommenden Jahr feiert „Auto Bild“ seinen 30. Geburtstag. Der Single von damals hat inzwischen eine stattliche Medienfamilie um sich versammelt: Fünf weitere Zeitschriften, jeweils spezialisiert auf Geländewagen, Sportfahrzeuge, Oldund Youngtimer, Motorsport und Reisemobile, tragen „Auto Bild“ im Namen. Hinzukommt „Auto Test“, das als Einkaufsberater von „Auto Bild“ auftritt. Allein zwischen 2001 und 2008 kamen vier Abkömmlinge zur Welt, jüngster Familienspross ist „Auto Bild Reisemobile“. Der Titel habe sich in diesem Jahr so positiv weiterentwickelt, dass die Frequenz im kommenden Jahr von vier auf sechs Ausgaben erhöht werde, sagt Hans H. Hamer, Verlagsgeschäftsführer Auto-, Computer- und Sport-Gruppe: „Diese Erfolgsgeschichte zeigt uns, dass intelligente und zielgruppengerechte Angebote nach wie vor im Zeitschriftenmarkt funktionieren.“ leiterin Print Competence Center von Zenith Optimedia. Die Nachfrage im Vertriebsmarkt zog nach dem Relaunch an, doch inzwischen hat sich das Plus schon wieder pulverisiert und die Auflagenkurve neigt sich. Sprich: Der Titel kann sich dem allgemeinen Trend nicht entziehen. Selbst vielgelobte Verbesserungen reichen nicht, die Lust auf Printkäufe dauerhaft zu steigern. Dennoch, behauptet Hamer, sei das Interesse am Thema Automobil ungebrochen. „In den vergangenen zehn Jahren hat sich unsere Gesamtreichweite über alle Titel und Kanäle hinweg mehr als verdoppelt.“ Doch im Zuge des Medienwandels, darauf verweist Hamer, „verändert sich natürlich auch die Rolle von Zeitschriften wie ,Auto Bild‘“. Auch wenn es im Vertrieb hin und wieder klemmt, nimmt die gesamte Motorpresse im Zeitschriftenmarkt doch eine führende Position ein. Mit einem Anteil von rund 22 Prozent der Gesamtauflage verkaufen sich die Printmedien für PSInteressierte am besten von allen Segmenten. Die Programmzeitschriften folgen mit einer Quote von rund 20 Prozent, dann klafft eine größere Lücke zu den wöchentlichen Frauenzeitschriften und den Wohn- und Gartenmagazinen. sagt Springer-Manager Hamer und verweist auf das 360-Grad-Spektrum der „Auto Bild“-Familie – sowohl über alle Titel als auch über diverse Kanäle hinweg, ob Print, Mobil oder Bewegtbild. im 2. Quartal 2014, allerdings entspricht die Auflage von 47431 gerade mal 30 Prozent der abgesetzten Exemplare der „Auto Zeitung“. Die unterschiedliche Entwicklung ist für Bauer kein Grund, einen Gang zurückzuschalten, wie am Launch eines weiteren Ablegers zu sehen ist: Am 15. April schickte der Verlag „Auto Zeitung Sport & Luxury Cars“ in einer Druckauflage von 80000 Exemplaren ins Rennen, knapp drei Monate später folgte Heft Nummer 2. „Die ersten beiden Ausgaben stimmen uns sehr zufrieden“, lautet das I m laufenden Jahr bis einschließlich Juli hat die gesamte Kfz-Branche ihre Werbeausgaben gegenüber den ersten sieben Monaten 2014 um 6,3 Prozent auf gut 1,2 Milliarden Euro gedrosselt. Der Pkw-Markt allein – auf ihn entfällt ein Anteil von 78 Prozent der von Nielsen Motorpresse fährt vornweg Auflagenanteile nach Zeitschriftensegmenten Verkaufte Auflage II/2015 in Prozent Motorpresse 21,7 Programmzeitschriften 20,1 Wöchentliche Frauenzeitschriften 10,5 Wohn-/Gartenzeitschriften 10,1 Aktuelle Zeitschriften und Magazine 7,6 Monatliche Frauenzeitschriften 6,5 Sonstige 23,6 * Anteil an verkaufter Gesamtauflage aller Zeitschriften (ohne Supplements, Kundenzeitschriften, Luft-/Raumfahrtzeitschriften) Quelle: IVW, PZ-Online HORIZONT 38/2015 ie „Auto Bild“, das im 2. Quartal 2015 einen rund 11 Prozent niedrigeren Verkauf als im Vorjahreszeitraum aufweist, hat die ebenfalls – vor ziemlich genau einem Jahr – reformierte „Auto Zeitung“ an Absatz eingebüßt. Mit einem Minus von 20 Prozent war der Titel der Bauer Media Group im Frühjahr größter Verlierer im Segment. Die im Zuge des Relaunches verfolgte Absicht, „einen faszinierenden Spannungsbogen zwischen harten Fakten und emotionalen Geschichten“ (Chefredakteur Volker Koerdt) zu schaffen, hat die Zielgruppe offensichtlich nicht genügend goutiert. Immerhin hat die „Auto Zeitung Classic Cars“ gut 8 Prozent mehr verkauft als Fazit von Verlagsleiter Roman Trunz. Zwar nennt er keine konkreten Zahlen, doch sowohl im Vertriebs- als auch im Anzeigenmarkt laufe der Neuling so ansprechend, dass „wir eine Fortsetzung im kommenden Jahr planen“. Durch die gestiegene Auswahl an (digitalen) Werbeträgern haben es Printtitel schwerer, sich im Wettbewerb um Mediabudgets zu behaupten. Es geht nicht mehr nur darum, eine Anzeige zu verkaufen, sondern „nach der passenden Lösung für die Kommunikation des Kunden zu suchen“, sagt Tim Ramms von der Motor Presse Stuttgart. Dabei kommt es besonders auf eine sinnvolle Verzahnung von Maßnahmen an. „Werbekunden suchen die Kombination aus hochwertigem redaktionellen Umfeld und innovativen Plattformen. Entscheidend ist die Absenderschaft einer starken Medienmarke“, berechneten Bruttowerbeinvestitionen – bewegt sich hingegen auf gleichem Niveau. Laut Statistik landet rund ein Drittel des Werbegelds bei Zeitungen und Zeitschriften, ein weiteres Drittel beim Fernsehen und der Rest vor allem bei Online (15,9 Prozent) und Hörfunk (13,7 Prozent). Werbungtreibende haben gedruckte Medien durchaus im Blick, bekräftigt Hamer. „Kampagnen in Print sind nach wie vor sehr begehrt, das spüren wir in der aktuellen Buchungslage rund um die IAA wieder besonders.“ Ähnliches berichtet Bauer-Mann Trunz. Leser der „Auto Zeitung“ beispielsweise würden als Meinungsbildner wahrgenommen, seien dadurch eine wichtige Zielgruppe für Werbungtreibende und „weiterhin ein fester Bestandteil im Marketingmix der Automobilindustrie“. Die anderen Ableger erscheinen monatlich – mit Ausnahme der „Auto Bild Motorsport“. „Auto Test“ (197882 verkaufte Exemplare) und „Auto Bild Klassik“ (103246) erzielen die höchsten Auflagen. Lässt man das „Motorsport“- Supplement außen vor, so kommen die Nachwuchstitel zusammen auf einen Verkauf von 474807 Stück pro Erscheinen – und übertreffen somit die Mutter, die zuletzt 424560 Exemplare (II/2015) absetzen konnte. Wobei der Vergleich natürlich hinkt: Schließlich erscheint „Auto Bild“ wöchentlich und verkauft hochgerechnet rund 1,9 Millionen Hefte im Monat. Die Ableger sind fast alle deutlich teurer als die Kernmarke: „Auto Bild“ kostet 1,70 Euro am Kiosk, teuerster Titel ist „Auto Bild Klassik“ mit einem Copypreis von 4,20 Euro. Verlagsmanager Hamer betont gerne, dass sämtliche „Auto Bild“-Titel Marktführer in ihren Segmenten seien. Ehe sie in Serie gehen, werden sie in aller Regel als Sonderheft getestet. Stimmt die Nachfrage, wird der Rhythmus gesteigert. Ein Ansatz, der sich bewährt hat. „Deshalb werden wir unsere Augen und Ohren auch zukünftig offenhalten, um neue Marktchancen zu erkennen und schnell zu handeln“, kündigt Hamer an. Auch wenn derzeit von einem konkreten Vorhaben keine Rede ist: Es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch weiteren Zuwachs bei „Auto Bild“ geben wird. W Eine große Familie Titel unter der Dachmarke „Auto Bild” Titel Verkaufte Auflage II/2015 davon Abos davon Einzelverkauf Frequenz Copypreis in Euro Startjahr Auto Bild 424 560 104 676 247 678 wöchentlich 1,70 1986 Auto Bild Motorsport* 369 566 k. A. k. A. wöchentlich 1,50 2001 Auto Test - der Kaufberater von Auto Bild 197 882 101 160 52 786 monatlich 2,20 1996 Auto Bild Klassik 103 246 18 738 84 464 monatlich 4,20 2007 Auto Bild Sportscars 68 342 6 525 48 177 monatlich 3,50 2008 Auto Bild Reisemobil 53 600** k. A. k. A. vierteljährlich 3,90 2014 Auto Bild Allrad 51 737 5 711 43 001 monatlich 3,80 2002 * Heft-im-Heft (Supplement) von "Auto Bild", erscheint wöchentlich während der Motorsport-Saison (41 Ausgaben/Jahr) ** Verlagsangabe; k. A. = keine Angabe Quelle: IVW HORIZONT 38/2015 114 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 „Potenzial ausschöpfen“ Nielsen weist für „Auto Motor und Sport“ brutto ein kleines Minus aus, tatsächlich liegen wir netto bisher aber über Plan und Vorjahr. Insgesamt reden wir bei der Motor Presse Stuttgart über ein stabiles Geschäft im Vertrieb ebenso wie im Werbemarkt. Wir haben keinen Grund, pessimistisch zu sein. Liegt das auch daran, dass Sie in den vergangenen Jahren im Digitalen kräftig gesät haben – und nun ernten können? Unser digitales Werbegeschäft, speziell auch von Auto-motorund-sport.de, läuft tatsächlich hervorragend. Die Erlöse sind höher als im Vorjahr und liegen über unseren Erwartungen. Tim Ramms, Leiter des Geschäftsbereichs Automobil bei MPS, über neue Ideen, das Digitale und die veränderte Vermarktung chmelzende Auflagen sind Realität, und Tim Ramms redet nicht drumherum. „Daran wird sich mittelfristig wenig ändern“, räumt der Verlagsmanager der Motor Presse Stuttgart (MPS) ein. Aber das Medienunternehmen dreht an etlichen Stellschrauben, um sich auf Veränderungen einzustellen. Dazu gehört: Leser enger an sich binden, neue (digitale) Angebote schaffen, redaktionelle Qualität sichern, Nischen ausschöpfen. Herr Ramms, Ihr wichtigster Titel „Auto Motor und Sport“ feiert nächstes Jahr 70. Geburtstag. Schon heute erscheint er runderneuert. Sind Veränderungen so dringend nötig? Es ist einfach an der Zeit, sichtbare Akzente zu setzen. Unsere Chefredakteure und ihre Mannschaft arbeiten ständig daran, die Zeitschrift noch besser zu machen. Auch durch engen Kontakt zu unseren Lesern haben wir Erkenntnisse gewonnen, die sich im aktuellen Relaunch niederschlagen. Den werden wir übrigens mit einer großen Werbekampagne in Print, TV, Online und Plakat unterstützen und dafür einen Bruttomediawert von rund 5 Millionen Euro investieren. Auch Ihre Mitbewerber „Auto Bild“ und „Auto Zeitung“ haben einen Relaunch hinter sich. Die Auflagen gehen trotzdem weiter zurück. Lässt sich der Trend nicht stoppen? Im 2. Quartal dieses Jahres hat „Auto Motor und Sport“ gegenüber dem Vorjahreszeitraum 0,6 Prozent an Auflage eingebüßt, das Minus des gesamten Segments liegt bei rund 4 Prozent. Wir entwickeln uns also besser als der Markt, was erfreulich ist. Es stimmt aber auch, dass Printmedien im Vertrieb weiter unter Druck stehen. Ich fürchte, das wird sich mittelfristig nicht ändern. Ab wann wird dieser Trend für die MPS zur wirtschaftlichen Bedrohung? Davon sind wir ganz weit entfernt. „Auto Motor und Sport“ verkauft derzeit alle zwei Wochen annähernd 350000 Hefte. Das ist eine echte Hausnummer, damit gehört der Titel zu den Bestsellern unter den Qualitätsmagazinen. Unser Stammpublikum schätzt nach wie vor die Kernkompetenz des Magazins, die hervorragende Kaufberatung und -empfehlung. Aber anhaltende Auflagenverluste gehen an die Substanz. Nach wie vor bildet Print das Rückgrat unserer Medienmarken, für „Auto Motor und Sport“ gilt das ganz besonders. Sie dürfen nicht vergessen: Mit den gedruckten Medien erzielen wir durch Vertrieb und Anzeigengeschäft immer noch 80 Prozent unseres gesamten Umsatzes. Ein Grund mehr, sich Sorgen zu machen angesichts rückläufiger Auflagen und Anzeigenerlöse. Noch mal: Unsere Titel stehen prima da, sie verdienen gutes Geld, wir gewinnen Marktanteile. Aber selbstverständlich stemmen wir uns gegen den allgemeinen Trend und wollen unser Stammpublikum halten. Abonnenten zum Beispiel machen wir Mehrwert-Angebote, indem sie verbilligt oder gratis Sonderhefte, EMagazine und Apps erhalten. „Auto Motor und Sport“ bringt in unregelmäßigen Abständen sogenannte Editionen heraus, zuletzt zu „40 Jahre BMW 3er“. Wie entwickelt sich das Geschäft? Die Editionen sind ein schönes Beispiel, wie man neue Printobjekte erfolgreich lancieren kann und davon die gesamte Medienmarke profitiert. Eine Edition kostet jeweils 7,90 Euro. Bei Verkäufen zwischen rund 10000 bis 25000 Exemplaren plus Anzeigengeschäft rechnet sich das gut für uns. Und unsere Abonnenten erhalten die Edition vergünstigt für 4,50 Euro, das meine ich mit Mehrwert. Ist der Markt für solche Sonderpublikationen nicht arg begrenzt? Ich glaube, wir haben das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft. Seit 2013 sind insgesamt neun Editionen erschienen, dieses und vergangenes Jahr jeweils vier. Zur IAA kommt nun unter dem Label von „Auto Motor und Sport“ die Edition „25 Jahre Mazda MX-5“ in einer Druckauflage von 35000 Stück, wovon Mazda rund ein Viertel abnimmt und jedem seiner Neukäufer ein Heft schenkt. Wenn sich Print besonderen Themen widmet, wie etwa Jubiläen von Marken und Modellen, kann es seine Stärken ausspielen. Daran arbeiten wir. Nicht nur neue Autos wecken Interesse, in den vergangenen Jahren sind verstärkt Old- und Youngtimer in den Blickpunkt gerückt. Davon haben Verlage mit entsprechenden Zeitschriften profitiert, die MPS mit „Motor Klassik“. Ist das ein Wachstumsfeld? Die „Motor Klassik“ ist mit mehr als 31000 Abos fest im Segment verankert und macht uns richtig Freude. Im vergangenen Quartal hat sie noch mal leicht zugelegt – und das gegen den Trend. Denn im Markt sind Zeichen von Sättigung erkennbar. Mit guter Qualität kann man in Nischen noch punkten, wie wir das mit dem Sonderheft „Youngtimer“ tun, das seit 2014 alle zwei Monate erscheint. Im kommenden Jahr erhöhen wir die Frequenz auf acht Ausgaben. Tim Ramms, 42, kam nach Stationen bei Axel Springer und Gruner + Jahr 2006 zur Motor Presse Stuttgart. Im Oktober 2013 übernahm der DiplomKaufmann die Leitung des Geschäftsbereichs Automobil. Mehr Meinung, mehr Abwechslung „Auto Motor und Sport“ will seine Technik-Kompetenz leichter vermitteln Ein Blick genügt: Das Cover von „Auto Motor und Sport“ (AMS) wirkt deutlich aufgeräumter als bisher. Eigentlich ein Verstoß gegen die praktizierte Regel, wonach die Absatzchancen steigen, je mehr Modelle auf dem Titel sind. Dadurch ähneln sich die Titelseiten der großen Generalisten jedoch sehr. „Reduktion drückt höhere Wertigkeit aus, das bestätigen auch befragte Leser“, so Verlagsmanager Tim Ramms. Chefredakteur Ralph Alex will „die herausragende Stellung von ,Auto Motor und Sport‘ noch spür- und erlebbarer machen“. Zum Beispiel werden Titelgeschichten zu echten Reports über Marken- und Modelltrends aufgebohrt. „Den Tests geben wir durch zusätzliche doppelseitige Technikfotos mit zahlreichen Info-Boxen mehr Länge und Bedeutung“, kündigt Alex an. Mehr Entertainment und Emotion bringen ungewöhnlich fotografierte und geschriebene Fahrkultur-Storys. Zudem werden Kommentare ausgebaut. Der Werbemarkt für Klassik-Autos scheint aber schwierig zu sein. Er funktioniert anders. Es werden keine Neufahrzeuge beworben, das Geschäft wird durch Handel gemacht. Da gibt es einige größere Händler, daneben Auktionshäuser, die vermehrt Anzeigen schalten, außerdem laufen Kleinanzeigen gut. Die Zeitschriften haben laut NielsenStatistik bis einschließlich Juli gegenüber dem Vorjahreszeitraum rund 4 Prozent an Bruttowerbeeinnahmen verloren, netto sollen die Zahlen deutlich schlechter aussehen. Wie läuft es bei Ihnen? FOTO: MOTOR PRESSE STUTTGART S Von Roland Karle 17. September 2015 Der Relaunch soll mehr Wertigkeit signalisieren Art Director Michael Heinz war es wichtig, „die Leserführung zu optimieren“. Es gibt neue Formate wie „Das besondere Bild“, „Ahnengalerie“ und „Wer fährt was?“, um mehr optische Abwechslung zu bieten. Inhaltsverzeichnis und Nachrichten wurden luftiger gestaltet, Infografiken weiterentwickelt, das Schriftbild modernisiert. Dabei stöhnen viele Medienleute darüber, dass die Preise für Onlinewerbung im Keller sind und es kaum was zu verdienen gibt. Was machen Sie anders? Wir haben viel Zeit und Energie verwendet, um unsere digitalen Datenbanken zu befüllen und auszubauen. Noch sind wir nicht fertig damit, haben aber inzwischen ein richtig umfassendes Angebot. Im Gegensatz zu newsgetriebenen Inhalten, die von der Aktualität leben und folglich eine geringe Haltbarkeit haben, verfügen wir über sogenannte Long-Tail-Inhalte, die für unsere Nutzer weit über den Tag hinaus interessant bleiben. Ist das nicht eine prächtige Voraussetzung, um stärker auf Paid Content zu setzen? Da muss man differenzieren. Wir haben zum Beispiel sämtliche Testberichte bis zurück in die 1950er Jahre in einer Datenbank gesammelt. Die stehen zum Download bereit – für den normalen Nutzer gegen Entgelt, für Abonnenten unserer Titel gratis. Da kommt unser Mehrwert-Prinzip für Stammkunden wieder zum Tragen. Punktuell funktioniert Paid Content, aber nach unseren Erkenntnissen im Autosegment nicht als ausschließliches Konzept. Wird digitale Werbung in absehbarer Zeit stärker sein als die Printvermarktung? Digital wächst weiter, aber nicht mehr so stürmisch wie in den vergangenen Jahren. Zuwächse von rund 5 Prozent im Jahr sind aber sicher drin. Wir erwirtschaften heute mit all unseren werbefinanzierten Digitalangeboten eine prozentual zweistellige Ergebnisrendite. Bei unserer größten Medienmarke „Auto Motor und Sport“ macht digitale Werbung inzwischen rund 15 Prozent des Umsatzes aus. Das ist ein toller Erfolg. Autohersteller schichten ihre Budgets um, der Anteil von Print wird geringer. Wie reagiert Ihre Vermarktung darauf? Wir haben vor drei Jahren unser Vermarktungsmodell auf den Prüfstand gestellt mit dem Ergebnis, dass wir nun viel stärker im direkten Dialog mit unseren Kunden sind und mit ihnen zusammen nach den besten Ideen und der passenden Lösung für ihre Kommunikation suchen. Daraus ergeben sich ganz neue Ansätze, wie etwa die Leser-Test-Drives. Dazu wird im Magazin aufgerufen, Leser können sich bewerben und dann werden 20 bis 30 Personen zu diesem Event eingeladen. Sind das Einzelerfolge oder wird da mehr draus? Solche Kommunikationsformen sind meist Teil von größeren Vermarktungspaketen. Wir haben uns mittlerweile so aufgestellt, dass wir engeren Kundenkontakt pflegen, individuellere Angebote und neue Konzepte entwickeln. Das läuft schon sehr gut. 116 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 Autoportale bringen ihre Apps in Stellung, denn immer mehr Käufer informieren sich auf dem Smartphone „Wir sind uns der weiter wachsenden Bedeutung von Mobile bewusst“ Christian Brinkmann, Head of Advertising Mobile.de D Von Sara Weber er Autokauf verlagert sich zunehmend ins Internet. Und weil das mittlerweile in der Hosentasche immer dabei ist, gewinnen Smartphones sowie Tablets an Bedeutung – auch beim Kauf von Neuund Gebrauchtwagen. Das zeigt der Auto CB 2015 Local Report, eine aktuelle Studie von Google. Wer sich ein neues Auto zulegen möchte, informiert sich im Netz: 87 Prozent aller Neuwagenkäufer recherchieren online, bevor sie sich für ein Auto entscheiden. Knapp die Hälfte davon – 45 Prozent – nutzen das Smartphone, um sich zu informieren, 23 Prozent das Tablet. 8 Prozent schauen sogar nur auf ihr Handy und nicht auf den Computer, wenn sie sich nach einem neuen Auto umsehen. Und wirft man einen Blick auf alle, die online recherchieren, so fällt auf, dass etwa 40 Prozent der gesamten Zeit, in der sich potenzielle Autokäufer im Netz informieren, vom Smartphone aus nach dem neuen Auto gesucht wird. Alles in allem sind es vor allem junge Nutzer, die zum Handy greifen, wenn sie sich über ein neues Auto informieren: 74 Prozent der unter 25-Jährigen, 65 Prozent der 25- bis 34-Jährigen. Eine Zielgruppe, deren Bedeutung und Kaufkraft in den kommenden Jahren zunehmen wird. Wie die Internetnutzung insgesamt wird also auch der Autokauf zunehmend mobil. Und auf diese Entwicklung müssen sich die Autoportale einstellen. Eine funktionierende mobile Website und Apps für Smartphones sind da ein Muss. Autoscout24 bietet kostenlose Apps für Apple, Android und Windows Phone an, Mobile.de für Apple und Android, Pkw.de ebenfalls. Und auch wenn es keine offiziellen Download-Zahlen gibt, geben die Nutzungszahlen, die von der Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung (Agof) gemessen werden, Aufschluss über die Bedeutung von mobilen Angeboten. Das Portal Mobile.de erreichte den Digital Facts der Agof zufolge im Juni knapp 4,8 Millionen Unique User mit seinen mobilen Angeboten, die mobile Reichweite von Autoscout24 lag bei 3,62 Millionen Unique Usern. Zum Vergleich: Die klassische Website von Mobile.de hatte laut Agof im selben Zeitraum 7,13 Millionen Besucher. Autoscout24 weist seine Zahlen für den Desktop nicht gesondert aus, Pkw.de ist nicht bei der Agof gelistet. Doch der Trend ist klar: Es geht aufs Handy! Das wissen auch die Autoportale. „Wir sind uns der immer weiter wachsenden Bedeutung von Mobile bewusst und fokussieren uns auch in der Produktentwicklung entsprechend“, sagt Christian Brinkmann, Head of Advertising bei Mobile.de. „Vor allem unsere Android- und iOS-Apps können eine sehr hohe mobile Reichweite aufweisen.“ Bei Mobile.de kommen nach eigenen Angaben mittlerweile 63 Prozent des gesamten Traffics über mobile Endgeräte. Mehr als zwei Drittel der Nutzer, die Mobile.de über Desktop-PCs nutzen, greifen parallel auch auf die mobilen Angebote des Portals zu. „Unsere Nutzer surfen immer öfter mit ihrem Smartphone oder Tablet“, sagt auch Marc Hundacker, Vice President Sales & Operations Scout24 Media. Rund 50 Prozent des Traffics kommen bei Autoscout24 inzwischen über Apps und die mobile Webseite. „Natürlich setzen wir einen großen Teil unseres Marketingbudgets mobil ein“, so Hundacker. Die mobile Nutzung nehme immer weiter zu, daher steige auch die Bedeutung von mobilen Werbemöglichkeiten: „Sie spielen eine tragende Rolle“, sagt er. „Unser klares Ziel ist qualifizierter Traffic für die mobile Seite und unsere Apps.“ B eim Gebrauchtwagenportal Pkw.de machen App und mobile Website laut Geschäftsführer Boris Polenske mehr als 60 Prozent des Traffics aus. „Insbesondere unsere Apps haben absolute Priorität“, so Polenske. Die mobile Website sei nur ein Zwischenschritt vom ersten Besuch zur Installation der App. Neue Features würden daher in Zukunft vor allem mobil implementiert. FOTO: COLOURBOX, MONTAGE: HORIZONT App in den Shop 17. September 2015 „Wir investieren derzeit primär in die bile.de hat in einer Studie festgestellt, dass jeder zweite Nutzer der Android-Apps Apps“, so Polenske. Doch dabei ist einiges zu beachten. So unter 39 Jahre alt ist. Damit sind Anunterscheidet sich die Nutzung auf PC droid-Nutzer die jüngste mobile Nutzervon der beim Smartphone. „Wir sehen, gruppe, die im Schnitt 13700 Euro für ihr dass die Nutzer insbesondere Apps und neues Fahrzeug ausgeben möchten, iPhoDesktop-Website parallel nutzen: Apps ne-Nutzer wollten durchschnittlich etwa abends vor dem Fernseher und tagsüber 19500 Euro in den Fahrzeugkauf investieDesktop, wenn man einen Autohändler ren, der klassische Desktop-Nutzer plant kontaktieren möchte”, so Polenske. Die Ausgaben in Höhe von etwa 16600 Euro. meisten Verkäufe auf Pkw.de fänden jeichtig ist es, auf die Nutzungsdoch weiterhin über die Desktop-Website statt. gewohnheiten von Mobile zu achten. Laut Hundacker von Brinkmann von Mobile.de hat Ähnliches zu berichten: „Die mobilen Kanäle Autoscout24 teilen Nutzer potenzielle spielen insbesondere in frühen Phasen Angebote gerne mit dem Partner, mit Bedes Kaufentscheidungsprozesses eine er- kannten oder Verwandten. „Eine zweite Meinung ist ihnen wichhebliche Rolle – iPhone, tig, deshalb bieten wir iPad und Co werden vor verschiedene Sharingallem zum Stöbern genutzt.“ Möglichkeiten an, um den Austausch zu er„Die Autosuche ist ein leichtern.“ Insgesamt seiProzess, der sich über en die Erwartungen der zwei bis drei Monate zieht“, erklärt HundNutzer an die Inhalte jedoch relativ gleich, ledigacker von Autoscout24. lich die Aufbereitung sei Da es sich meist um eine gerätespezifisch. Die Megrößere Investition handele, wollten die Kunden nüführung etwa werde in der App platzbedingt andie richtige Entscheiders gestaltet. Zudem dung treffen. Allerdings „Wir setzen einen bietet die App weitere wüssten viele am Anfang großen Teil unseres noch nicht genau, was Möglichkeiten, wie die Marketingbudgets Integration der Kamerafür ein Fahrzeug sie wolund Lokalisierungsfunklen. „In dieser Phase der mobil ein“ Marc Hundacker, Vice President tion. So kann etwa GPS ersten Orientierung beginnen Nutzer tenden- Sales & Operations Scout24 Media genutzt werden, um Fahrzeuge in der Umgeziell, sich über die Website oder per Smartphone und Tablet über bung anzuzeigen. Suchanfragen können die mobile Seite zu informieren“, so über mehrere Geräte synchronisiert werHundacker. Die App komme meist erst den, Push-Benachrichtigungen können ins Spiel, wenn der Autokäufer schon et- den Autokäufer über Preisänderungen was involvierter in die Suche ist und tiefer bei Fahrzeugen von seinem Merkzettel in den Selektionsprozess einsteigt. „Ist die informieren. „Die Nutzer unserer mobilen Website Orientierungsphase abgeschlossen und kommt man einer Entscheidung näher, zeigen sich darüber hinaus besonders ofsehen sich die Autokäufer Inserate gerne fen zum Beispiel für Finanzierungsmögnoch mal am Desktop genauer an“, so lichkeiten sowie Angebote von KfzVersicherungen“, sagt Brinkmann von Hundacker. Wo und wie sich ein potenzieller Käu- Mobile.de. Werbungtreibende sollten fer informiert, hat auch Einfluss auf den deshalb beide Kanäle in ihrer KampaPreis, den er bereit ist, zu zahlen: Mo- gnenplanung berücksichtigen. W 118 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 Die Nachfrage nach OldtimerMagazinen stagniert. Mit besonderen Akzenten soll das Interesse wieder geweckt werden Alte Begierde wecken Vom gestiegenen Interesse an Oldtimern haben einschlägige Zeitschriften profitiert, doch jetzt stellt sich Sättigung ein Von Roland Karle D er Härtegrad ihrer Auflage kann sich mehr als sehen lassen: 98 Prozent der insgesamt 542422 Hefte, die die Top 10 der Oldtimer-Zeitschriften im 2. Quartal 2015 verkauften, fanden über Abonnements oder den Einzelhandel ihren Weg zum Käufer. Eine bessere Quote an sogenannter harter Auflage findet sich kaum irgendwo im deutschen Zeitschriftenmarkt. Auffallend dabei ist der starke Anteil des Einzelverkaufs, der fast drei Viertel der gesamten Absatzmenge ausmacht. In den vergangenen Jahren gesellte sich zur bemerkenswerten Struktur der Auflage noch verlässlicher Zuwachs im Vertrieb. Dort ist nun aber klar ein Stoppschild zu erkennen. „Der Markt für Oldtimer-Magazine scheint insgesamt gesät- Zwei Titel verkaufen sechsstellig Auflagen der Auto-Klassik-Magazine Titel Verlag Verkaufte Auflage II/2015 Veränderung zum Vorjahr in Prozent Oldtimer Markt VF Verlagsgesellschaft 120 580 –7,00 Auto Bild Klassik Axel Springer 103 246 1,48 Oldtimer Praxis VF Verlagsgesellschaft 91 530 6,32 Motor Klassik Motor Presse Stuttgart 73 116 0,86 Auto Zeitung Classic Cars Bauer Media Group 47 431 8,21 Auto Classic Geramond Verlag 42 527 3,50 Traktor Classic Geramond Verlag 37 504* k. A. Oldtimer Traktor VF Verlagsgesellschaft 32 204 –1,87 Motorrad Classic Motor Presse Stuttgart 19 984 1,48 British Classics VF Verlagsgesellschaft 11 804 –8,76 * Verlagsangabe; k. A. = keine Angabe Quelle: IVW HORIZONT 38/2015 tigt“, sagt Hans H. Hamer, Verlagsgeschäftsführer der Auto-, Computer- und Sport-Gruppe bei Axel Springer. Nicht anders klingt die Einschätzung von Michael Kaiser: „2014 wurden, wenn man IVW-geprüfte Titel vergleicht, erstmals seit Jahren weniger Exemplare verkauft als im Jahr zuvor“, berichtet der stellvertretende Verlagsleiter und Anzeigenleiter der VF Verlagsgesellschaft. Womöglich wird das Publikum wählerischer. In der Regel kaufen Leser gerne alles über ihre Lieblingsfahrzeuge, neben der favorisierten Zeitschrift nehmen sie dazu auch den Nachbartitel mit, der mit einem interessanten Thema auf dem Cover aufmacht. HORIZONT vorliegende Daten aus der noch nicht in Gänze veröffentlichten „Oldtimer-Studie 2015/16“ des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) zeigen, dass die Zahl dieser Koppelkäufe leicht rückläufig ist. Das kann durchaus daran liegen, dass der Informationsbedarf der AutoklassikFans nicht mehr so hoch und die Erwartung gesunken ist, wirklich Neues in den Zeitschriften für sich zu entdecken. „Einige Zeitschriften spielen ständig die Klaviatur der beliebtesten 50 Fahrzeugtypen rauf und runter. Das wird in einem Marktsegment, das nicht wächst, wohl immer weniger ankommen“, vermutet Kaiser. Oldtimerfans verreisen auch gern Redaktionell geht es also darum, über die Grundversorgung hinaus besondere Akzente zu setzen. Tim Ramms, Leiter des Geschäftsbereichs Automobil bei der Mo- tor Presse Stuttgart (MPS), ist überzeugt, dass „man mit guter Qualität in Nischen noch punkten kann“ (siehe Seite 114). Das Sonderheft „Youngtimer“, das seit 2014 alle zwei Monate erscheint, sei dafür ein gutes Beispiel. Aufgrund der starken Nachfrage wird die Frequenz im kommenden Jahr auf acht Ausgaben erhöht. Derweil hält „Motor Klassik“ seine vordere Position im Segment. Mit mehr als 31000 Abonnenten ist das vor 31 Jahren gestartete Magazin hinter „Oldtimer Markt“ (34401) der stärkste Abotitel im Segment. Den naheliegenden Gedanken, dass KlassikFahrer nicht nur gerne mit ihrem Gefährt auf die Straße gehen, sondern damit auch verreisen, hat der VF Verlag aufgenommen und daraus ein neues Magazin entwickelt: In diesem Jahr kam „Oldtimer & Reisen“ in einer Auflage von 80000 Stück heraus. „Wir wollen als Spezialist weitere Nischen besetzen“, sagt Anzeigenleiter Kaiser. Das Thema Reise biete dabei ein überschaubares Potenzial. Anders als für Motorradfahrer gebe es nur sehr wenige Oldtimer-Hotels, die auf Klassiker-Fahrer zugeschnittene Pakete anbieten. „Vielleicht tragen wir ja dazu bei, dass sich hier etwas entwickelt.“ Im kommenden Jahr sind zwei weitere Ausgaben von „Oldtimer & Reisen“ geplant. Eine generell nachlassende Aufmerksamkeit für Old- und Youngtimer ist nicht auszumachen. Laut aktueller Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) sagen 3,45 Millionen Menschen, dass sie das Thema „ganz besonders interessiert“ finden – das entspricht einem Anteil von 5 Prozent an der deutschsprachigen Bevölkerung. 2011 lag dieser Wert nur ganz geringfügig höher Der VW Bulli ist einer der beliebtesten Oldtimer 17. September 2015 bei 5,1 Prozent. Hingegen hat das ausgeprägte Interesse an Autos und Autotest generell etwas deutlicher nachgelassen – von 16,1 Prozent vor vier Jahren auf nun 13 Prozent. „Auffällig ist zudem eine Zunahme der Experten“, betont VF-Verlagsmanager Kaiser mit Blick auf die AWA-Ergebnisse. Der Anteil jener, die „öfter Ratschläge und Tipps geben“, weil sie als fachkundig gelten, ist von 2,7 auf 3,1 Prozent gestiegen. Für Werbungtreibende und Mediaplaner gut zu wissen: Die vier auflagenstärksten Titel „Oldtimer Markt“, „Auto Bild Klassik“, „Oldtimer Praxis“ und „Motor Klassik“ decken fast den gesamten Lesermarkt ab. Laut Kaiser zeigen Zahlen aus der Oldtimer-Studie 2015/16, dass die Top-4-Titel insgesamt 95 Prozent der Zielgruppe erreichen. Wanderungsbewegungen und Substitutionseffekte durch das Internet, wie sie bei anderen Printmedien teilweise deutlich zu erkennen sind, sind bei OldtimerZeitschriften kaum festzustellen. So konnten sich reine Oldtimer-Portale bis heute nicht durchsetzen. Wenn im Internet nach Informationen über Oldund Youngtimer gesucht wird, dann werden laut Studie bekannte Portale wie Ebay, Mobile.de und Autoscout.de am häufigsten genutzt, dahinter folgen die Onlineseiten der bekannten AutoklassikTitel. Die Analyse zeigt laut Kaiser: „Leser von Oldtimer-Zeitschriften nutzen das Internet deutlich intensiver als Nichtleser, aber für die Zielgruppe ist Print immer noch der wichtigste Informationskanal.“ Events als Verlängerung von Print Typischerweise engagieren sich die Klassik-Zeitschriften bei Events und Rallyes, loben zudem eigene Preise aus, wie etwa „Auto Bild Klassik“ das „Goldene Klassik-Lenkrad“ und Motor Presse Stuttgart den „Motor Klassik Award“. Direkten Kontakt zu Lesern und Oldtimer-Freunden ermöglichen die von Verlagen (mit) veranstalteten Rallyes, deren Zahl in den vergangenen Jahren gestiegen ist. „Unsere Auto-Bild-Rallyes erfreuen sich immer größerer Beliebtheit“, sagt Axel-SpringerManager Hamer (siehe Seite 119). „Das hat gerade erst wieder die Hamburg-Berlin-Klassik unter Beweis gestellt, die bei Teilnehmern, Sponsoren und auch den Zuschauern an der Strecke großartig ankommt.“ HORIZONT 38/2015 REPORT AUTOMARKETING 119 17. September 2015 Route der Veteranen Traditionspflege zahlt sich aus: Mit History Marketing schlagen Hersteller den Bogen zum Neugeschäft Steigende Kundenzahlen „Besitzen Sie oder jemand anderer in Ihrem Haushalt einen Oldtimer, also ein Auto, das 30 Jahre oder älter ist?“ in Millionen 1,16 1,21 2012 2013 1,27 1,39 22 2014 2015 Anmerkung: 2012: 27 104 Befragte ab 14 Jahren, hochger. auf 70,21 Mio. Pers. 2013: 25 677 Befragte ab 14 Jahren, hochger. auf 70,33 Mio. Pers. 2014: 25 363 Befragte ab 14 Jahren, hochger. auf 70,52 Mio. Pers. 2015: 25 140 Befragte ab 14 Jahren, hochger. auf 69,24 Mio. Pers. Quelle: IfD Allensbach/Statista HORIZONT 38/2015 R Von Uwe Förster iesentrubel am Hamburger Fischmarkt. Zwischen den Reihen der Oldtimer, die gerade die letzte Etappe der Rallye „Hamburg-Berlin-Klassik“ hinter sich gebracht haben, wuselt ein buntes Völkchen umher. Es ist schwer auszumachen, wer wegen der Fahrzeuge gekommen ist und wer, um einen Blick auf Promis wie Eislauflegende Katarina Witt und Schauspielerin Esther Schweins zu erhaschen. Doch letztlich sind es die alten Vehikel, um die die Besucher an diesem Augustsamstag teils staunend, teils fachsimpelnd kreisen. Mittendrin Robert Wagenheimer aus München mit seinem Volvo PV544 Sports, Baujahr 1963. Der Mann ist ein Routinier in Sachen Klassik-Rallyes: Achtmal war er in den vergangenen fünf Jahren bei solchen Wettbewerben am Start. Er investiert in sein Hobby deutlich mehr als nur Zeit. „Die Werkstatt des Autos ist in Duisburg“, berichtet er. „Das Auto wird, wenn es was hat, im November auf den Hänger geladen und dort zu einer Spezialwerkstatt gebracht, und im Frühjahr wird er wieder geliefert.“ Zudem besitzt er einen alten Saab. Fast wäre Wagenheimer der Prototyp des mar- kenaffinen Oldtimer-Fans. Fast, denn inzwischen ist er, der früher eben auch Volvo- und Saab-Pkw fuhr, im Alltag auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen. Sein Beispiel zeigt: Ein sich veränderndes Verständnis von Mobilität, in dem ein eigenes Auto kein Must-have mehr ist, und der Traum von einem Classic Car widersprechen sich nicht. Autos wecken nicht mehr die Begehrlichkeiten, die sie in den 60er und 70er Jahren entfacht haben. Gerade deshalb versuchen Automobilbauer, mit der Geschichte ihrer Produkte zu werben: „Die Begeisterung für historische Fahrzeuge in Deutschland hat in den zurückliegenden Jahren stark zugenommen“, ist Otto F. Wachs, Chef der Volkswagen-Autostadt in Wolfsburg, überzeugt. „Ich spreche hier von der persönlichen Begeisterung und dem großen Engagement, alte Fahrzeuge zu erhalten, und nicht von spekulativen Finanzanlagen mit Oldtimern. Insofern ist unsere gezielte Unterstützung bestimmter historischer Formate nach wie vor ein sehr gutes Marketinginstrument. Denn schlussendlich stärkt die Freude an Oldtimern auch das Interesse an aktuellen Fahrzeugen.“ History Marketing als Kommunikationsform Der Wert, den die Hersteller dem Geschichtsmarketing beimessen, kommt in ihren Museumstempeln wie dem „Zeithaus“ der VW-Autostadt oder dem Mercedes-Benz-Museum zum Ausdruck. Großen Zulauf haben aber auch die Automuseen in rollender Form. Mittlerweile können die Konzerne aus einer großen Bandbreite von Rallyes und Events diejenigen als Kommunikationsplattform wählen, die die meisten Zuschauer am Streckenrand anziehen und das größte Medieninteresse wecken. „Über das Jahr verteilt sind wir auf verschiedenen historischen Rallyes oder Messen präsent. Von der Techno Classica in Essen über die Classic Days auf Schloss Dyk und die Deutschland Klassik, im Süden die Paul Pietsch Classic, bis hin zu spezifischen Veranstaltungen wie dem Eifel Rallye Festival, bei dem historischer Motorsport im Mittelpunkt steht“, berichtet Wachs. Sponsor der achten Tour Berlin-Hamburg, die von Axel Springers „Auto Bild“ veranstaltet wird (siehe Seite 112), ist die Autostadt von Anfang an gewesen: Hier zählt vor allem das Argument der regionalen Verankerung im Norden. Auch für BMW war diese Rallye nur eine von zahlreichen nationa- len und internationalen Veranstaltungen, bei denen die Münchner als Sponsor auftreten. Nahezu zeitgleich beteiligten sie sich am Zandvoort Historic Grand Prix in den Niederlanden, zu dem Medienberichten zufolge mehr als 52000 Zuschauer kamen. Aktuell ist die BMW Group Classic als Hauptsponsor bei der noch bis 20. September laufenden Youngtimer-Rallye „Creme 21“ von Ludwigshafen nach Leipzig unterwegs. Der Promi-Auflauf, mit dem Marken nicht selten an den Start gehen, schmeckt dabei nicht jedem eingefleischten, auf Authentizität bedachten Oldtimer-Fan. Aber Witt und Co seien eben auch solchen Medien einen Beitrag wert, die ohne den Promifaktor eher nicht über die Veranstaltung berichtet hätten, lautet die so einfache wie nüchterne Erklärung des Chefs der BMW Group Classic, Ulrich Knieps. Allerdings bekommt nicht jeder „Star“ eine Mitfahrgelegenheit. „Die Auswahlkriterien sind vielfältig“, sagt Knieps. „Wichtig für uns ist unter anderem eine glaubwürdige Kombination: Einem Prinz Leopold von Bayern, der viele Jahre mit BMW im Tourenwagensport engagiert war, kauft man sofort das sprichwörtliche Benzin im ,blauen‘ Blut ab.“ Mit diesem Mix aus Tradition und Emotion können deutsche Hersteller gegen viele ausländische Konkurrenten punkten. Die Kunst liegt darin, die positiven Markeneffekte ins Alltagsgeschäft mitzunehmen. „Wir schlagen mit unserer Historie immer den Bogen zur Gegenwart beziehungsweise in die Zukunft“, sagt Harald Hamprecht, ab Oktober stellvertretender Geschäftsführer Kommunikation der Opel Group. „Ein gutes Beispiel ist der Monza, den wir auf der IAA Auf der Strecke bleiben die OldtimerFans unter sich, im Ziel werden sie von Schaulustigen erwartet 2013 zu neuem Leben erweckt haben. Nicht als Retromodell, sondern als ein Konzeptauto, das unsere Vision in Sachen Design und Konnektivität zeigt.“ BMW bringt alte Fahrzeuge in die Präsentation neuer Modelle ein, etwa bei der Vorstellung des neuen BMW 3er im vergangenen Juli. Und umgekehrt: „Veranstaltungen der BMW Group Classic bieten eine ideale Bühne, um potenziellen Kunden ein neues Modell zu präsentieren“, sagt Knieps. Als ein Beispiel für diese Synergien zwischen Traditionsabteilung und Vertrieb neuer Automobile führt er den Concorso d’Eleganza Villa d’Este am Comer See an. „Im Rahmen dieses ,Schönheitswettbewerbs‘ für klassische Automobile wurden potenzielle Kunden eingeladen, den neuen BMW 7er in einem Closed Room lange vor der eigentlichen Markteinführung ausführlich zu betrachten.“ Ausstellungen können Neukunden anlocken Eine ungefähre Vorstellung davon, inwiefern das History Marketing zum Neukundengeschäft beiträgt, liefert die VWAutostadt. Dort spielt das Klassik-Segment eine zentrale Rolle im Kontext des Hauptthemas Mobilität. „Aus unserer Marktforschung wissen wir, dass die Autostadt der Ort ist, an dem weltweit die meisten Kaufentscheidungen für ein Konzernprodukt getroffen werden“, erläutert Wachs. „Bei einer sehr konservativen Annahme von 0,5 Prozent Umwandlungsrate entspricht das einem Volumen von 10000 Einheiten jährlich.“ Deutsche Hersteller dominieren Rangliste Pkw mit Oldtimer-Kennzeichen in Deutschland nach Marken* 2015 2014 75 344 Daimler (D) 67 105 58 229 Volkswagen (D) Porsche (D) 19 277 Ford (D, UK, USA) 18 275 16 138 Opel (D) 11 229 BMW (D) 52 152 16 746 16 091 14 815 9 947 Fiat (I) 9 123 Alfa Romeo (I) 8 242 7 635 GM (USA, CND, CH) 7 372 7 243 Triumph (GB) 6 533 6 651 7 975 * Gesamtbestand Pkw mit H-Kennzeichen 310.694 zum Jahreswechsel 2014/15; Bestand jeweils 1. Januar Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt/VDA HORIZONT 38/2015 120 REPORT AUTOMARKETING HORIZONT 38/2015 FOTO: COLORBOX GrünesSchweigen 17. September 2015 Alternative Kraftstoffe spielen in der Kommunikation der großen Energiekonzerne noch keine Rolle Von Giuseppe Rondinella E ine neue Tankstelle ist eigentlich keine Besonderheit. Jedoch sehr wohl, wenn der Mineralölriese Shell eine Wasserstoff-Tankstelle in Hamburg an der Schnackenburgallee eröffnet, so geschehen im März dieses Jahres. Dann geben sich gerne einmal Geschäftsführer, Parlamentarische Staatssekretäre und Senatoren vor Ort die Hand und posieren für die Energiewende. Die Tankstelle ist für das Unternehmen bundesweit erst die dritte ihrer Art und soll unter anderem den deutschen Autofahrern alternative Antriebe schmackhafter machen. Dass der Markt für grüne Kraftstoffe nach wie vor nur langsam Fahrt aufnimmt, ist auch dem Ölkonzern bekannt. Aus einer Studie, die Shell in Kooperation mit dem Forschungsunternehmen Prognos durchführte und Ende letzten Jahres präsentierte, geht hervor, dass im Jahr 2040 immer noch der Großteil aller privaten Fahrzeuge auf deutschen Straßen Diesel oder Benzin tanken werden. Alternative Antriebe bleiben also auch in Zukunft im Hintertreffen. Kein Wunder, dass Erdgas, Wasserstoff und Co auch in der werblichen Kommunikation bislang keinen Platz gefunden haben, richten sich die Marketingpläne der Konzerne doch nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden. „Dabei achten wir darauf, dass wir möglichst viele Autofahrer erreichen und relevante Angebote für eine breite Masse entwickeln“, sagt Shell-Sprecherin Cornelia Wolber. Ein Paradebeispiel für diese Strategie sei etwa die Kampagne zur Preisgarantie an den knapp 2000 Shell-Tankstellen, die Mitte des Jahres anlief (HORIZONT 23/2015). Auch beim französischen Ölriesen Total, der hierzulande 1150 Tankstellen betreibt (siehe Tabelle unten), sieht man das ähnlich: „Strategisch wäre es in Bezug auf unseren Absatzmarkt sehr unklug, sich auf den Promillebereich der zugelassenen Fahrzeuge zu konzentrieren, wenn die Musik woanders spielt“, sagt Sprecher Manuel Fuchs. In einer großangelegten Total-Markenkampagne, die Ende letzten Jahres mit dem überarbeiteten Slogan „Engagement für bessere Energie“ anrollte, werden alternative Kraftstoffe nicht erwähnt. Das Tankstellennetz für alternative Antriebe ist noch eher weitmaschig, wenn auch kontinuierlich im Wachstum be- lialen Ladesäulen auf, an denen Kunden die Batterien ihrer Elektroautos kostenlos aufladen können. Was auf den ersten Blick keinen Sinn ergibt, entpuppt sich aber als öffentlichkeitswirksamer Coup. Offiziell begründet die Supermarktkette das Angebot damit, man wolle „einen Beitrag zur Energiewende“ leisten und „die Elektromobilität in Deutschland fördern“. Die Tankstellenbetreiber sehen das anders. „Aus unserer Sicht handelt es sich dabei um eine Marketingmaßnahme von Aldi“, heißt es auf Nachfrage bei Aral. findlich. Total ist mit 310 Tankstellen Vorreiter bei Autogas und hat im Bereich Elektromobilität mit 20 Schnellladesäulen ebenfalls die Nase vorn. Der deutsche Marktführer Aral hat mit 193 Stationen die meisten Erdgas-Tankstellen im Portfolio. Wer bei Aral aber sein Brennstoffzellen-Fahrzeug mit Wasserstoff auftanken möchte, sucht hierzulande vergebens. Viel eher sieht die BP-Tochter in Erdgas eine Energie der Zukunft und versucht sie inzwischen am Point of Sale stärker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. In Zusammenarbeit mit der Initiative Erdgas Mobil ist etwa Ende 2014 ein einheitliches Branding für Erdgastankstellen entstanden, auch ein CorporateDesign-Manual für Tankstellen gibt es inzwischen. Die Konkurrenten Shell und Total versuchen derweil, vor allem im Bereich Wasserstoff Fuß zu fassen. Die beiden Mineralölunternehmen sind Teil der Clean Energy Partnership (CEP), eines der international bedeutendsten Vorhaben zur Erprobung von Wasserstoff als Kraftstoff. Sie hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2023 insgesamt 400 H2-Tankstellen in Deutschland zu bauen und dieser Energieform zum Durchbruch zu verhelfen. Mit dabei sind unter anderem BMW, Daimler, Ford und EnBW. Sieben der bislang 18 bundesweit öffentlich zugänglichen H2-Stationen betreibt Total, Shell hat drei im Portfolio – die Bemühungen sind also noch im Anfangsstadium. „In jedem Fall sind Brennstoffzellenfahrzeuge aufgrund ihrer deutlich höheren Reichweite aber eine echte Alternative zu EAutos“, sagt Shell-Sprecherin Wolber. T A nders als Wasserstoff oder Autogas, spielt Elektromobilität in den Plänen von Shell keine wichtige Rolle – der Ölkonzern hat keine solche Ladestation im Angebot. Die Gunst der Stunde nutzt mittlerweile Tesla und stürmt in den Markt. Mit über 200 Stromstationen in Deutschland deckt der Elektrofahrzeughersteller aus den USA die wichtigsten Autobahnverbindungen hierzulande ab und läuft den großen Tankstellenbetreibern in diesem Segment davon. „Germany, we’ve got you covered“, kommunizierte Tesla Mitte des Jahres fröhlich. Und ein ganz anderer Player hat erst vor wenigen Wochen den Markt betreten: Aldi Süd. Der Discounter baut gerade an 50 Fi- Das Tankstellennetz mit alternativen Kraftstoffen wächst Die „großen Zwei“ an der Spitze Aral hat das größte Netz Deutsche lieben Verbrennungsmotoren Kraftstoff-Absatzmarktanteile Anzahl der Straßentankstellen in Deutschland nach Marken Pkw-Bestand in Deutschland nach Kraftstoffarten Angaben in Prozent Hybrid 2500 27,9 10,5 31,5 Sonstiges 9,0 Gesamt: 44,4 Millionen 1500 Benzin 500 HORIZONT 38/2015 1,6 2011 2012 Quelle: EID / Stand: 1. Januar 2015 2013 2014 2015 HORIZONT 38/2015 67,2 Erdgas 11,6 2,7 0,5 Alternative 70,2 1000 7,5 Stand: 30. Juni 2015 Quelle: EID; Schätzung 15,0 2000 20,0 Angaben in Prozent Diesel 31,2 21,5 atsache ist, dass sich der Markt für Elektromobilität nach wie vor im Promillebereich bewegt – von 44,4 Millionen zugelassenen Pkw waren laut Kraftfahrt-Bundesamt zu Beginn des Jahres nur knapp 19000 mit Elektroantrieb ausgestattet (siehe Chart). Laut einer vor kurzem veröffentlichten Aral-Studie, planen nur 2 Prozent aller Autofahrer als nächsten Wagen ein Elektrofahrzeug, am beliebtesten sind nach wie vor die Verbrenner. Das hält die Mineralölunternehmen aber nicht davon ab, weiterhin in die Infrastruktur für grüne Energie zu investieren. Im Rahmen der CEP ist erst im Mai wieder ein rotes Band vor einer Tankstelle feierlich durchtrennt worden. Wieder keine Besonderheit, wenn es sich nicht um die erste Wasserstofftankstelle an einer deutschen Autobahn handeln würde. Das Projekt ist von Total, Daimler und dem Gaskonzern Linde in die Wege geleitet worden und steht an der A3 zwischen Würzburg und Nürnberg. Im Jahr 1835 nahm bekanntermaßen ganz in der Nähe die erste Lokomotive „Adler“ zwischen Nürnberg und Fürth ihren Betrieb auf. Künftig sollen dort Wasserstoffautos das Straßenbild prägen. Elektro Sonstige (z.B. Wasserstoff) Flüssiggas Stand: 1. Januar 2015 Quelle: KBA HORIZONT 38/2015 122 REPORT AUTOMARKETING Händler spielen im Entscheidungsprozess der Kunden eine untergeordnete Rolle. Käufer informieren sich lieber online Die Kombination macht’s Videos werden gern geschaut Online- und Offline-Quellen beim Autokauf Welche Art von Videos haben Sie während des Kaufprozesses geschaut? Angaben in Prozent keine Recherche 5 alle Käufer 5 55 50 nur online 22 Online-Werbevideos 81 79 23 online und offline 83 22 Videos von unabhängigen Dritten Von Anna Lisa Lüft D Angaben in Prozent Käufer von Luxuswagen Videos der Autohersteller 7 nur offline ie Deutschen haben ihre Liebe zum Automobil wiederentdeckt – und sind entscheidungsfreudig wie nie. Das zeigt die diesjährige Neuwagenkäuferstudie von Google. Während die Informationsphase 2014 noch acht Wochen dauerte, beträgt die Zeit vom Beginn der Recherche bis zur Entscheidung für ein Fahrzeug nun weniger als sechs Wochen. Das Internet spielt eine wichtige Rolle in dieser Phase: Neun von zehn Befragten informieren sich im Netz über Hersteller und Marken. Das gilt vor allem für jüngere Käufer und solche, die sich für Luxuswagen interessieren. 60 Prozent der Befragten geben an, zu Beginn der Recherche unentschlossen hinsichtlich Marke und Modell zu sein. Jeder zehnte Käufer entscheidet sich erst im Laufe seiner Recherche für ein Modell. Die Online-Recherche hilft also, die Awareness einzelner Marken zu steigern. Eine Möglichkeit, bei potenziellen Kunden im Gedächtnis zu bleiben, sind Onlinevideos. Fünf von zehn Befragten erachten sie als hilfreich, über die Hälfte greift in der Suchphase mittlerweile auf Werbevideos der Hersteller oder Erfahrungsberichte von Nutzern zurück. Der Händler hingegen verliert weiterhin an Relevanz – für 12 Prozent ist die Kaufentscheidung bereits vor dem Händlerbesuch gefallen. Diesen Trend unterstreicht auch eine aktuelle Yahoo-Studie zum Thema Autokauf. Danach ist das Internet zur wichtigsten Entscheidungshilfe aufgestiegen, jeder Dritte kann sich sogar vorstellen, den Autokauf ausschließlich online abzuwickeln. Die Käufer schätzen vor allem Flexibilität und Kostenvorteile im Netz. Die Motivation, ein Autohaus zu besuchen, beschränkt sich für 53 Prozent der Befragten auf Reparatur- und Wartungszwecke. Das meistgenutzte Recherchetool stellen Suchmaschinen dar. Für 90 Prozent sind sie eine zuverlässige Grundlage für Infos rund ums Auto. Hiervon profitieren besonders Werbungtreibende: Jeder Dritte schenkt Autowerbung im Netz Beachtung, 61Prozent haben Gefallen daran. 17. September 2015 ILLUSTRATION: ARSDIGITAL / FOTOLIA; HORIZONT Ins Netz gegangen HORIZONT 38/2015 Fernsehwerbung, online geschaut Basis: Neuwagen-Käufer, die das Internet nutzen, n = 500 HORIZONT 38/2015 Quelle: Auto CB 2015 Videos von Konsumenten 39 20 21 18 22 Basis: Neuwagenkäufer, die das Internet nutzen und während des Kaufprozesses Onlinevideos geschaut haben Neun von zehn Autokäufern suchen online nach Informationen. Die Mehrheit der Interessenten (77 Prozent) sitzt dabei an einem Computer. Die Zahl derer, die ihr Smartphone zur Recherche nutzen, steigt indes und beträgt nun 45 Prozent. Die Suchphase findet aber nur bei einem geringen Teil der Befragten ausschließlich online statt: 83 Prozent nutzen sowohl Online- als auch Offlinequellen. HORIZONT 38/2015 Quelle: Auto CB 2015 Besonders junge Menschen suchen online Über die Hälfte der potenziellen Autokäufer bemühen während der Informationsphase Onlinevideos. Das gilt vor allem für unter 25-Jährige, Erstkäufer und solche, die sich für Luxuswagen interessieren. Letztere zeigen sich Werbung gegenüber etwas aufgeschlossener als der Durchschnitt, vertrauen aber auch auf Erfahrungsberichte Dritter. Am beliebtesten sind in beiden Gruppen jedoch Videos der Hersteller. Online-Recherche vor dem Kauf nach Altersgruppen Angaben in Prozent 97 93 87 Händler bleibt relevant 87 Welche Rolle spielt der Händler für Ihre Kaufentscheidung? 81 Angaben in Prozent Der Händler ist meine Hauptinformationsquelle 44 Der Händler ist eine von mehreren Quellen und wichtig, um eine Entscheidung zu treffen Ich informiere mich online, der Händler organisiert nur den Papierkram 37 12 Basis: Neuwagenkäufer, die das Internet nutzen und Kontakt zu Händlern haben HORIZONT 38/2015 Quelle: Auto CB 2015 unter 25 Jahre 25–34 Jahre 35–44 Jahre 45–54 Jahre ab 55 Jahre Basis: Neuwagenkäufer, die das Internet nutzen HORIZONT 38/2015 Quelle: Auto CB 2015 Die Online-Recherche vor einem Autokauf ist unter den Jüngeren am beliebtesten. Insbesondere die unter 25-Jährigen sind zu Beginn ihrer Suche unentschlossen und erfahren erst während der Informationsphase mehr über einzelne Hersteller und Modelle. Bei 92 Prozent von ihnen steigt währenddessen die Awareness. Obwohl die meisten Autokäufer mittlerweile im Netz nach Informationen suchen, sind auch Händler noch gefragt. Zwar ist das Autohaus nur noch für weniger als die Hälfte Hauptinformationsquelle. In der letzten Phase vor dem Kauf spielt es trotzdem noch eine wichtige Rolle: Bevor es zu einer Entscheidung kommt, finden im Durchschnitt 2,4 Händlerbesuche und 1,3 Testfahrten statt. Händler müssen digitaler werden An welchen der folgenden Einrichtungen, falls überhaupt, wären Sie zur häufigeren Nutzung in Autohäusern interessiert? Rabatt-Aktionen ziehen Angaben in Prozent Warum haben Sie sich dafür entschieden, bei einem Händler zu kaufen? Angaben in Prozent 44 Preis, Aktionen 43 Gute Erfahrungen 39 Kundenservice 24 Bequemlichkeit Besseres Inventar HORIZONT 38/2015 Acht von zehn der Befragten kaufen ihren Neuwagen bei einem konzessionierten Händler. Für 44 Prozent sind gute Preise und Rabattaktionen ausschlaggebend für diese Entscheidung, aber auch gute Erfahrungen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, und ein guter Kundenservice spielen eine Rolle. Die Zahl derer, die ihren Wagen online kaufen, ist noch sehr gering – aber sie wächst. 68 Interaktives Präsentationssystem 49 Digitale Animationen von Hightech-Funktionen 45 Kostenlose WiFi-Hotspots 40 Möglichkeit, mit Vertriebsmitarbeiter online Kontakt aufzunehmen 39 Tablets für Zugriff auf Produktspezifikationen 18 Basis: Neuwagenkäufer, die das Internet nutzen und ihren letzten Wagen offline kauften Quelle: Auto CB 2015 Kosten-Kalkulationssimulatoren 36 Basis: Besitzer mit Kaufabsicht, n = 818 Online-User ab 18 Jahren in Deutschland Quelle: Yahoo Autokauf-Studie 2015 HORIZONT 38/2015 Um die Gunst der potenziellen Autokäufer zu gewinnen, müssen sich die Händler entschiedener digital aufstellen und selbst Angebote übers Netz machen. Sieben von zehn Befragten wünschen sich Simulatoren zur Kostenkalkulation, fast jeder Zweite legt Wert auf ein interaktives Präsentationssystem und digitale Animationen von Hightech-Funktionen. Kostenlose WiFi-Hotspots ködern zusätzlich. 124 REPORT AUTOMARKETING Vor dem Hintergrund enger werdender Märkte wird die Bedeutung eines ganzheitlichen Marketings deutlich steigen Von Anna Lisa Lüft D ie zunehmende Marktsättigung, die wachsende Zahl von Marken und Modellen sowie die Digitalisierung der Kundenbeziehungen stellen die Automobilhersteller in Zukunft vor neue Herausforderungen. In der 6. Auflage seines Buchs „Automobilmarketing“ kommt IFA-Direktor Willi Dietz zu dem Schluss, Hersteller müssten sich im Wettbewerb noch stärker profilieren und differenzieren. Einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Korn Ferry zufolge nimmt das vor allem künftige Führungskräfte in die Pflicht: Um Erfolg zu haben, müssen Veränderungen auf dem Markt schnell erkannt und umgesetzt werden. Auch ein Gespür für Innovationen und Begeisterungsfähigkeit ist den befragten Managern zufolge von Bedeutung, um das eigene Produkt stärker von denen der Konkurrenz abgrenzen zu können. Das stützen auch die Ergebnisse der diesjährigen Aral Studie zu Trends im Autokauf. Im Vergleich beliebter Marken nähern sich die Hersteller im Mittelfeld immer mehr an. Nur Volkswagen gelingt es, sich von den übrigen Automobilmarken zu distanzieren. Es darf mehr sein VW ist am beliebtesten Welcher Marke wird Ihr nächster Pkw voraussichtlich sein? Durchschnittliche Basislisten- und Transaktionspreise* in Prozent Hersteller Basislistenpreis Transaktionspreis VW Porsche 86600 € 101300 € BMW 42800 € 48900 € Audi 39600 € 45900 € Mercedes-Benz 40000 € 44100 € Volkswagen 24300 € 24900 € Peugeot 22800 € 21800 € Seat 23800 € 21800 € Ford 23600 € 21300 € Škoda 21100 € 20400 € Toyota 21400 € 19700 € Opel 20000 € 18900 € Hyundai 18100 € 17400 € Renault 18500 € 17000 € weiß nicht 15 sonstige 17 8 italienische Marke französische Marke Opel 8 79 1 3 koreanische Marke 25 8 5 725 Mercedes-Benz BMW 8 4 Škoda japanische Marke 8 8 Audi Ford Basis: n = 300, nächster Wagen NW/JW HORIZONT 38/2015 Quelle: Aral Studie 2015 Bei der Wahl des nächsten Autos steht VW wieder ganz oben: Das zeigt die Aral Studie zu den Trends beim Autokauf 2015. Die Wolfsburger verteidigen diese Position nun schon seit 2003, der Abstand sinkt aber. Seit dem Spitzenwert von 22 Prozent im Jahr 2009 nimmt er stetig ab. Allerdings sind sich nicht alle Befragten so sicher: Die zweitgrößte Gruppe bei der Markensuche (15 Prozent) weiß nicht, für welche Marke sie sich entscheiden soll. * 2014 bis I/2015, Zahlen gerundet Quelle: TNS Infratest 2015 Wieder mit Bargeld ins Autohaus Werden Sie Ihren neuen Pkw voraussichtlich bar bezahlen, finanzieren oder leasen? Angaben in Prozent Gesamt Männer 10 Leasing 7 bis 39 Jahre 56 30 Finanzierung Weiß nicht Frauen 53 Barzahlung 17. September 2015 FOTO: COLOURBOX Abgrenzen ist alles HORIZONT 38/2015 48 24 10 44 37 10 40 Jahre + 60 38 10 11 5 23 9 7 8 Basis: n = 300, nächster Wagen NW/JW Quelle: Aral Studie 2015 HORIZONT 38/2015 Der von vielen Autoherstellern bemühte Begriff Premium macht sich in der Regel auch im Preis bemerkbar. TNS Infratest hat untersucht, welche Marken wirklich Premiumpreise erzielen, die ausreichend Marge und Deckungsbeiträge sicherstellen. In einer Langzeitstudie vergleicht das Institut diese Transaktionspreise mit den Basislistenpreisen. Das Ergebnis: Nur wenigen deutschen Herstellern gelingt es, darüber zu kommen, die meisten Marken realisieren für ihre Modelle Transaktionspreise, die inklusive des Preises für Sonderausstattungen unter dem Grundlistenpreis liegen – sie werden der skizzierten Premiumlinie nicht gerecht. HORIZONT 38/2015 Das positive Konsumklima und das niedrige Zinsniveau haben einen immensen Einfluss auf die Zahlungsart: Mehr als die Hälfte der Befragten wollen das nächste Auto bar bezahlen. Ein ähnliches Niveau gab es zuletzt vor zehn Jahren. Die Umverteilung geht zulasten der Finanzierung, der Anteil der Leasing-Interessierten stagniert. Unterschiede bei der bevorzugten Zahlungsart zeigen sich insbesondere nach Altersgruppen. Gefragt sind wendige Strategen Fähigkeiten, die Top-Führungskräfte in der Automobilindustrie haben sollten Des Rätsels Lösung Die Lösungen des Auto-Quiz auf Seite 102: 1b Mercedes C300, 2a Audi A3, 3d BMW Z4, 4c Peugeot 308, 5a Fiat 500X, 6d Mazda CX3, 7a Škoda Octavia, 8b Seat Leon Cupra 290, 9a Suzuki Vitara,10d Opel Meriva,11c Toyota Auris,12a VW Golf, 13d Citroën C4 Picasso 13 Richtige: Hoppla, wer sind Sie denn – der König der Rücklichter? Wir verneigen uns voller Ehrfurcht, kommen aber nicht umhin, uns zu fragen, was Sie in Ihrer Freizeit so treiben. 10 bis 12 Richtige: Nicht schlecht. Sie sind im Straßenverkehr aber wohl so schnell unterwegs, dassSienichtalleRücklichterzusehenbekommen. Treten Sie auch mal auf die Bremse, dann klappt es beim nächsten Quiz noch besser. 6 bis 9 Richtige: Irgendjemand muss ja auch Mittelmaß sein. Weil Übung aber bekanntlich den Meister macht, empfehlen wir einen RechercheBesuch auf der IAA oder die erneute Lektüre unseres Reports. 3 bis 5 Richtige: Schade, das geht besser. Verzichten Sie im nächsten Stau auf „Ich sehe was, was du nicht siehst“ und studieren Sie lieber die Rücklichter Ihres Vordermanns. 0 bis 2 Richtige: Das war wohl nichts, Sie sind scheinbar eher Fußgänger. Falls Sie bis zum nächsten Quiz ein bisschen üben möchten: Die Rücklichter befinden sich hinten am Auto … in Prozent 83 strategische Agilität 74 Innovation fördern 69 Umgang mit Unsicherheit 63 andere begeistern kulturelle Anpassungsfähigkeit 62 Mut 61 60 Kreativität 53 Lernagilität 50 Einfallsreichtum Aufgaben delegieren Quelle: Korn Ferry 40 HORIZONT 38/2015 Vier von fünf Topmanagern in der Automobilbranche sind überzeugt: Strategische Wendigkeit ist die Kompetenz, die für künftige Spitzenkräfte am wichtigsten ist. Das geht aus einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Korn Ferry hervor, das weltweit 52 Führungskräfte in persönlichen Interviews befragt hat. Die Digitalisierung und Automatisierung, die Entwicklung neuer Antriebe, die Forderung nach Service-Mobilität, der Einstieg von IT-Firmen in die Autobranche – all dies ist innerhalb weniger Jahre vonstatten gegangen. Künftige Manager von Autokonzernen können also nicht mehr lange im Voraus planen, sondern müssen Veränderungen schnell erkennen und noch gezielter darauf reagieren. Die 6. Auflage des Standardwerks „Automobil-Marketing“ von Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft (IFA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in Nürtingen-Geislingen, behandelt die Grundlagen einer ganzheitlichen Marketingkonzeption. Vor dem Hintergrund der relevanten Trends zeigt Dietz zudem die wichtigsten Herausforderungen und Handlungsfelder für das Automobilmarketing der Zukunft auf.