II/2015 - Horizont

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II/2015 - Horizont
47
REPORT
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
www.horizont.net/report
AUTOMARKETING
II/2015
MESSE
INTERVIEW
WERBUNG
KLASSIK
Die 66. Internationale Automobilausstellung Frankfurt stellt die
mobile Zukunft in den Fokus
FCA-Group-Chef Henrik StarupHansen über den Spagat zwischen
den Marken Fiat, Alfa und Jeep
Wie die Hersteller versuchen,
Alleinstellungsmerkmale in der
Kommunikation umzusetzen
Old- und Youngtimer liefern Stoff
für Medien und dienen gleichzeitig als Marketinginstrument
SEITE 63
SEITE 80
SEITE 95
SEITE 118
ILLUSTRATION: CONTINENTAL AG
Zeig mir den Weg
HERSTELLER UND INTERNETUNTERNEHMEN
R I N G E N U M D I E D I G I TA L E V O R H E R R S C H A F T
I M AU TO
SEITE 58
Anzeige
50 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
ZUM THEMA
INHALT
Nebenwelten
MARKT UND TRENDS
MARKETING UND KREATION
Neuwagenmarkt: SUVs bleiben nach
wie vor die treibende Kraft.
52
Kampagnen: Autohersteller profilieren
sich rund ums Thema Technologie. 88
Alternative Antriebe: Plug-in-Hybride kommen bei Kunden nicht an.
56
Interview: Razorfish-CEO Sascha
Martini über selbstfahrende Autos. 90
Kartendienst: Mercedes, Audi und
BMW suchen Unabhängigkeit.
58
Musik: Popstars als Botschafter.
Der Verband der Automobilindustrie
(VDA) und die Messe Frankfurt rechnen
bei der 66. Auflage der Internationalen
Automobil-Ausstellung (IAA) wieder mit
hohem Besucherzuspruch von etwa
900000 Autofans. Auch bei der Zahl der
Weltpremieren – 219 und damit 60 mehr
als 2013 – und der Aussteller – 1103 aus 39
Ländern – schwelgen die Messemacher in
Superlativen. Die Show wird wieder zu
einem der weltweit wichtigsten Treffpunkte der Branche, das ist unbestritten.
Dennoch offenbart die 2015er Auflage
der IAA, dass sich das Messegeschäft in
der automobilen Welt im Umbruch befindet. So verzichtet mit Volvo nicht nur
erstmals eine wichtige Premiummarke
auf Frankfurt und investiert stattdessen
in permanent einsetzbare Show-Module
zum Einsatz etwa bei Segelevents, wo die
Schweden eine höhere Trefferquote in ihrer Zielgruppe vermuten (Seite 70). Andere Marken wie etwa Mercedes und
Mazda inszenieren ihre Fahrzeuge zusätzlich im Lifestyle-Umfeld von FashionShows oder Design- und Lifestylemessen.
Die deutschen Premiumanbieter zeigen
zwar bei der Heimmesse mit großem
Aufwand Flagge, aber auch sie suchen den
Publikumskontakt seit einigen Jahren zunehmend außerhalb klassischer Motorshows. Beispielsweise als Stammgast bei
der Consumer Electronics Show in Las
Vegas und dem Mobile World Congress
in Barcelona, wo es um Fragen der digitalen Zukunft auch von Autos geht.
Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des VDA, das Thema „New
Mobility World“ nicht nur als Beiwerk,
sondern als wichtiges Standbein der Messe mit etwa 200 Veranstaltungen neben
den klassischen Fahrzeugpräsentationen
zu etablieren, sicherlich ein Schritt in die
richtige Richtung, um die Relevanz für
Zukunftsfragen der Industrie zu sichern.
So bekommen auch Internetgiganten wie
Google mit Ambitionen im Automotive
Business erstmals auf der IAA einen eigenen Auftritt. 2017 wird diese digitale
Facette sicherlich noch stärker leuchten.
Jochen Zimmer
Ressortleitung Specials
Connectivity: Apple und Google wollen den Ton angeben.
59
Assistenzsystem: Opels Onstar im
Selbstversuch.
60
Carsharing: Autohersteller mischen
mit verschiedenen Konzepten mit. 62
HERSTELLER UND MARKEN
Interview: FCA-Chef Starup-Hansen
zum Spagat in der Markenfamilie. 80
Alfa Romeo: Mit neuem Modell und
bearbeitetem Profil in die Offensive. 82
Jaguar: Der F-Pace soll 2016 neues
Terrain erobern.
84
Toyota: Die Japaner setzen neuen Auris
mit Live-Format in Szene.
92
Quiz: Erkennen Sie die Fahrzeuge am
Rücklicht?
102
IAA: Insgesamt 210 Weltpremieren und
ein großes Rahmenprogramm.
63
Audi: Markenerlebnis in der Halle. 64
Messestände: Ausgewählte Auftritte. 68
Volvo: Warum die Schweden auf die
weltgrößte Autoschau verzichten.
70
Neuheiten: Auswahl quer durch die
Segmente sowie Studien.
71-79
Volkswagen
BMW Group
Pro Sieben
in Prozent*
Audi
24,6
10,5
und
104
Sponsoring: Nissan will Bekanntheit
mit Champions League steigern. 108
Jung von Matt: Mercedes-BenzKampagnen in der Rückschau.
110
Tankstellen: Grüne Energie spielt in
der Kommunikation keine Rolle. 120
Zeitschriften: Autotitel erweitern Angebot durch neue Ableger.
112
Interview: Tim Ramms von der MPS
über die veränderte Vermarktung. 114
Mobile: Immer mehr Autoportale bringen ihre Apps in Stellung.
116
Klassik: Oldtimer in Medien und
Marketing.
118-119
Know-how: Daten und Fakten. 122-124
Chefredaktion:
Dr. Uwe Vorkötter (V.i.S.d.P.),
Volker Schütz , Jürgen Scharrer
Ressortleitung:
Dr. Jochen Zimmer
Telefon 069/7595-2695
E-Mail: [email protected]
Redaktion: Bettina Sonnenschein, Klaus
Janke, Anna Lisa Lüft, Giuseppe Rondinella
Gesamtverantwortung HORIZONT:
Markus Gotta
Projektberatung „Automarketing“ und
Vermarktung:
Bernd Reisch
30,3
16,5
17,4
Sat 1
Sport 1
Tele 5
0,2
1,4
6,0
6,9
5,7
5,8
4,7
5,2
3,4
3,9
3,1
3,3
1,0
3,4
2,8
4,1
Bruttomedia in Mio. Euro
22,9
6,4
5,7
3,6
Kabel Eins
12,2
11,0
8,0
10,5
8,3
* Differenz zu 100 Prozent: Verteilung auf Viva/Comedy Central, N-TV, Pro Sieben Maxx, RTL Nitro, Vox, ZDF
Quelle: XAD
Leadmanagement: Hersteller
Händler lassen Potenzial liegen.
21,5
19,1
20,4
RTL
Das Erste
Motorsport: Die Deutschland-Rallye
als Gelegenheit zur Inszenierung. 103
FOTO: MATTHIAS RICHTER
TV-Mediabudgetverteilung 2. Quartal 2015
Dmax
Highlights: Lürzer’s Archive präsentiert Autowerbung ohne Autos.
100
Netzwerken für Automarketing
Drei Private sahnen ab
N24
Social Media: Autohersteller tummeln
sich auf Instagram und Co.
96
ist ein Sonderteil von HORIZONT, Zeitung für Marketing, Werbung und Medien
Die IAA-Premieren
Seite 63 bis 84
RTL 2
Exklusivumfrage: Audi steht für die
innovativste Werbekampagne.
95
HORIZONTREPORT
Im Fokus: TV-Mediasplit
Rund 138 Millionen Euro haben Autohersteller im
2. Quartal 2015 hierzulande in TV-Werbung investiert. Prozentual gesehen profitierten davon am
meisten die männeraffinen, reichweitenschwächeren Sender Sport 1 (14 Prozent), N 24 (11 Prozent)
und Dmax (10 Prozent), wobei davon auszugehen
ist, dass sie aufgrund ihres Rabattgefüges netto
weniger davon haben, als es den Anschein hat.
Betrachtet man den Sendersplit der drei deutschen
Marken, die in dem Zeitraum am meisten für TV
ausgegeben haben, ergibt sich ein differenzierteres
Bild: Nach einer Auswertung, die das MediaResearch-Unternehmen XAD für HORIZONT vorgenommen hat, spielen die genannten Sender für
Volkswagen, BMW und Audi zwar ebenfalls eine
Rolle, aber bei weitem nicht die wichtigste. Pro
Sieben, RTL und Sat 1 liegen deutlich höher im Kurs.
Auffallend ist zudem die recht unterschiedlich
ausfallende Aufteilung. Während VW und Audi
jeweils den größten Anteil bei Pro Sieben platzieren, setzt BMW dort nur den viertgrößten Anteil
seines Budgets ein. Einen vergleichsweise hohen
Anteil ließen die Münchner dagegen bei Kabel Eins.
Virtuelle Realität: 3D und PC-generierte Inhalte kommen zum Einsatz. 94
MEDIEN UND MEDIA
MESSE
Die Frankfurter Automobilmesse bietet alle zwei Jahre
der Branche eine Premierenbühne von weltweiter
Bedeutung. In diesem Jahr werden 122 Modelle und
Studien erstmals der Öffentlichkeit präsentiert. Nicht
jeder Schleier wird dabei in den Messehallen gelüftet.
Jaguar etwa lässt sein SUV F-Pace (siehe Seite 84) am
14.9. bereits vorab spektakuläre Loopings auf der
Frankfurter Rennbahn drehen.
93
HORIZONT 38/2015
Dass der HORIZONT Report Automarketing zur IAA wieder auf 80 Seiten Umfang den Trends
in der automobilen Kommunikation nachspürt, ist nicht zuletzt ein Verdienst von Projektberater Bernd Reisch (r.). Unter anderem als Executive Chairman der Signition Holding ist er
in der Agentur-, Marketing- und Medienszene bestens vernetzt. Hier etwa beim HORIZONT
Award mit Matthias Franzen, Media-Impact (l.), und Ex-Rennfahrer Peter Oberndorfer, Audi.
52 REPORT AUTOMARKETING
Am liebsten
mit Abschlag
Im deutschen Neuwagenmarkt geht
nichts ohne Rabatt / Gefragt sind vor allem
große Autos, SUV und Sportwagen
HORIZONT 38/2015
VW fährt vornweg, Mitsubishi wächst rasant
Top 25 Pkw-Neuzulassungen 2015 nach Marken
Rang Marke
1
VW
2
Mercedes
3
Audi
4
BMW
5
Opel
6
Ford
7
Škoda
8
Renault
9
Hyundai
Von Guido Schneider
W
FOTOS: OPEL, DAIMLER / MONTAGE: HORIZONT
ären die Automarken im
Entwickeln von Verkaufsstrategien so findig wie
beim Schönrechnen ihrer
Zulassungszahlen, dann wäre der deutsche Neuwagenmarkt wohl einer der dynamischsten überhaupt. So aber muss
man viel zwischen den Zahlen lesen, um
die seit Jahren eher flaue Nachfrage zu
erkennen. Schließlich sieht alles auf den
ersten Blick gut aus für BMW, VW, Toyota
und Co: Von Januar und bis August rollten laut Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
SUV wie der Opel Mokka
(links) sind seit Jahren die
beliebtesten Fahrzeuge –
ganz im Gegensatz zu Vans
wie der Mercedes B-Klasse,
die im Vergleich zum
Vorjahr im Minus liegt
rund 2,14 Millionen Neuwagen auf heimische Straßen, 5,6 Prozent mehr als im
gleichen Zeitraum des Vorjahres.
Weil viele Hersteller offenbar aber zu
viel produzieren, müssen sie überschüssige Autos über Händlerzulassungen und
Rabatte günstig in den Markt drücken
und riskieren damit ihren Markenwert.
Und gäbe es nicht die emsig ordernden
Flottenkunden, dann würde der Neuwagenmarkt hierzulande trotz florierender
Binnenkonjunktur wohl im Rückwärtsgang laufen. Nach Berechnungen von Da-
SUV und große Modelle gefragt
Neuzulassungen und Top-Modelle nach Segmenten (Januar bis August 2015)
Segment
Anzahl
Veränd. Jan. bis Aug.
2014 in Prozent
Kompaktklasse
563 363
Kleinwagen
Mittelklasse
SUV
Vans
Veränd. Jan. bis Aug.
2014 in Prozent
Nummer-1-Modell
Anzahl
7,5
VW Golf
179 267
309 624
4,0
VW Polo
46 091
8,0
283 427
10,4
VW Passat
65 449
35,6
221 601
14,5
Opel Mokka
21 089
21,7
181 246
–9,7
Mercedes B-Klasse
24 920
–4,2
Geländewagen
169 289
7,6
VW Tiguan
37 589
–14,8
Minis
158 639
6,6
VW Up
26 123
-8,5
Utilities
86 525
4,8
VW Transporter
22 493
9,2
Obere Mittelklasse
76 437
–8,0
Audi A6, S6, RS6
29 735
11,6
Sportwagen
30 878
11,5
Audi TT
6 381
157,3
Oberklasse
21 702
6,9
Mercedes S-Klasse
5 149
–11,8
2 135 459
5,6
Gesamt
Quelle: KBA
14,9
HORIZONT 38/2015
B
ei den Herstellern bauen die heimischen Automarken ihren Vorsprung auf die ausländischen Mitbewerber wieder etwas aus, was vor allem
VW zu verdanken ist, der in sechs von elf
Segmenten den Marktführer stellt. Bei
der Konzernschwester Audi steigen die
Neuzulassungen mit 5,3 Prozent dagegen
etwas schwächer als im Gesamtmarkt,
was auch daran liegt, dass sich ihr Volumenmodell A3 und der Mini-Rivale A1
schlechter verkaufen. Die auslaufende
Generation des A4 konnte das aber zum
Großteil ausgleichen. Dass das Mittelklassefahrzeug am Ende seines Modellzyklus noch ein 12-prozentiges Zulas-
Marktanteil
Veränd. zu
2015
Jan. bis Aug. 2014
in Prozent
in Prozent
Neuzulassungen von Januar bis August 2015
6,4
21,5
5,7
9,0
5,3
8,7
3,1
7,6
2,8
7,1
2,9
6,9
5,0
5,7
70 813
2,9
3,3
68 208
5,8
3,2
63 797
4,7
3,0
458 282
191 334
185 061
162 023
151 659
146 396
121 004
10 Seat
taforce stiegen die Zulassungen der Flottenmanager zwischen Januar und Juli um
9 Prozent auf 453000. Die Registrierungen
auf Privatkunden sind in den ersten sieben
Monaten dagegen um 0,8 Prozent auf
rund 670000 Einheiten gesunken.
Die Privatkäufer sind aber nicht weg aus
dem Automarkt. Sie lassen sich jedoch
mehr Zeit mit dem Erwerb eines Modells
und fragen dann verstärkt Vorführ- und
Jahreswagen nach, die ihnen Händler mit
hohen Preisabschlägen anbieten. Das legen
nicht nur die Zahlen des KBA nahe, auch
das CAR-Institut der Uni Duisburg-Essen
liefert Belege für die These. So liegt das
Durchschnittsalter der Pkw im Bestand inzwischen bei neun Jahren, im Jahr 1990
waren es 6,3 Jahre. Und wer dann doch
irgendwann den Weg ins Autohaus findet,
will ein Schnäppchen machen, wofür er
gute Chancen hat. Laut einer CAR-Auswertung lag der durchschnittliche Nachlass
bei Neuwagenvermittlern im Internet im
August bei 17,5 Prozent, das waren zwar 1,3
Prozentpunkte weniger als im Vorjahresmonat, doch Instituts-Chef Ferdinand Dudenhöffer ist sicher, dass der Rabatt bald
wieder steigt: „Die Autobauer werden im
September und Oktober mit neuen Rabattaktionen in den Markt gehen.“
Obwohl die Privatkunden ihren Neuen
möglichst billig vom Hof fahren wollen,
legen sie weiter Wert auf Status, PS und
Größe. So liegt der Durchschnittslistenpreis eines Neuwagens (ohne Zusatzausstattung) laut CAR aktuell mit 28153 Euro
24 Prozent höher als 2005. Auch ein Blick
in die Segmente zeigt den Trend zu höherwertigen Autos. So zählten die Sportwagen (plus11,5 Prozent) zusammen mit den
SUV (plus 14,5 Prozent) von Januar bis
August zu den wachstumsstärksten Segmenten im heimischen Neuwagenmarkt.
Vor allem kompakte SUV wie Opel Mokka, Ford Kuga, Škoda Yeti und Nissan
Qashqai haben zu diesem Plus beigetragen; bei den Sportwagen spurtete der neue
Audi TT auf Platz 1 im Segment und lässt
den Porsche 911 hinter sich. Auch Mittelklasse- und Kompaktmodelle fanden
überdurchschnittlich viele Käufer, während Kleinwagen nicht mit dem Marktwachstum mithalten können und ebenso
wie die Vans (minus 10 Prozent) Marktanteile verlieren; beide Segmente werden
zunehmend von kompakten oder großen
SUV substituiert.
17. September 2015
11 Fiat
50 024
4,6
2,3
12 Nissan
46 325
13,7
2,2
13 Toyota
42 617
–7,3
2,0
14 Mazda
37 861
2,7
1,8
15 Kia
36 648
0,3
1,7
16 Peugeot
36 385
–1,1
1,7
17 Citroën
35 660
–0,1
1,7
18 Dacia
31 893
–6,7
1,5
19 Mini
26 140
22,7
1,2
20 Smart
25 402
64,7
1,2
21 Mitsubishi
23 898
65,7
1,1
22 Volvo
22 719
11,2
1,1
23 Suzuki
21 318
19,5
1,0
24 Porsche
20 449
22,1
1,0
25 Honda
12 918
Gesamt
deutsche Marken
internationale Marken
2 135 459
1 366 746
757 669
0,6
5,6
6,1
5,3
100,0
64,0
35,5
HORIZONT 38/2015
Quelle: KBA
sungsplus schafft, führt Audi-Sprecher
Moritz Drechsel auf die hohe Nachfrage
bei Dienstwagenfahrern und Freiberuflern zurück, zudem soll der A4 von den
2014 eingeführten Ultra-Modellen profitiert haben, die weniger verbrauchen als
ihre Vorgänger.
Auf der IAA wird Audi den neuen A4
zur Schau stellen, der mit Leichtbauweise,
effizientem Antrieb, Assistenzsystemen
und Infotainment im Kampf gegen den
3er-BMW und die C-Klasse punkten soll.
Das aktuelle Absatzplus von Audi resultierte aber auch aus dem zweistelligen Zuwachs für die überarbeiteten A6 und A7,
der im Juni neue gestartete OberklassenSUV Q7 hat seine Zulassungszahlen bis
August bereits mehr als verdoppelt.
Konkurrent Mercedes-Benz sieht sich
im Heimatmarkt ebenfalls gut in Fahrt
und konnte in den ersten acht Monaten
5,7 Prozent zulegen. „Wir sind weiterhin
die Nummer 1 im deutschen Premiumsegment, obwohl einige unserer volumenstarken Baureihen am Ende ihres
Produktionszyklus stehen“, betont Koert
Groeneveld, Leiter Research & Development Communications bei Daimler, mit
Blick auf A- und E-Klasse, die demnächst
im neuen Gewand vorfahren.
Zusätzlichen Schwung erhofft sich
Groeneveld vom neuen Midsize-SUV
GLC, der den GLK ablöst, und den ebenfalls frisch auf den Markt gekommenen
Modellen GLE und GLE Coupé. Auch international läuft es für den Stern nach
schwierigen Jahren wieder besser. Die
Marke meldet Rekordabsätze und ist mit
der A-Klasse erfolgreich in die Kompaktklasse eingebrochen, in der einst die Volumenhersteller unter sich waren. Doch
auch Audi und BMW geben weiter Gas.
So will BMW mit dem überarbeiteten 3er
den Kreis der ebenfalls neuen C-Klasse
einengen und mit dem neuen 7er die SKlasse herausfordern. Mercedes wiederum wird sein neues C-Klasse Coupé ge-
–10,5
gen den A5 und den 4er-BMW in Stellung bringen.
U
nter den Importeuren sind die
Sieger ebenfalls in der Überzahl,
wobei die Zuwächse für Nischenmarken wie Lexus, Land Rover, Jeep
und Mitsubishi am deutlichsten ausfallen. Das 66-prozentige Plus von Mitsubishi ist dabei besonders erwähnenswert,
denn die Traditionsmarke aus Japan hat
ihren Marktanteil in Deutschland gegenüber dem Vorjahr von 0,7 auf 1,1 Prozent
erhöht. Dabei hilft ihr die 2014 geschlossene Vertriebskooperation mit der Emil
Frey Gruppe, weil sie zusätzliche Verkaufsstützpunkte in wichtigen Regionen
erschließt. Emil Frey, Chef der gleichnamigen Händlergruppe und des Importeurs MMD Automobile, sieht das Vertrauen in Mitsubishi wieder hergestellt
und glaubt, dass es die Marke auch durch
Verkaufsförderungsmaßnahmen
und
Kommunikation wieder „auf die Shoppingliste geschafft“ habe. Das verdankt
Mitsubishi aber auch der auf fünf Jahre
und 100000 Kilometer ausgeweiteten
Herstellergarantie und dem Fahrzeugangebot selbst. Der Kleinwagen Spacestar
konnte seine Neuzulassungen bis August
gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum auf rund 10000 Einheiten verdoppeln. Auch der ASX und der Geländewagenklassiker Pajero zogen deutlich mehr
Käufer an.
Weiter bergauf gehen könnte es, wenn
Mitsubishi im September drei weitere
Modelle herausbringt: Der neue Outlander und der neue Plug-in-Hybrid Outlander sollen dabei ebenso für den Markenkern stehen wie der Pick-up L200, für
den bei den Händlern laut Frey bereits
über 1000 Aufträge vorliegen. Viele davon
werden zwar als Vorführwagen dienen,
trotzdem ist Frey von der Nachfrage
überrascht, denn bislang war der Pick-up
nur im Internet zu sehen.
56 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
Die Autoindustrie forciert den
Plug-in-Hybrid, doch die Kunden wollen
die teuren Modelle nicht kaufen
D
as Auto und der Klimaschutz,
das sind zwei Themen, die zumindest in Europa seit Jahren
untrennbar miteinander verbunden sind. Denn die Europäische Union drängt die Pkw-Hersteller, ihre CO2Emissionen immer weiter zu reduzieren;
bis 2021 sollen sie den Ausstoß von Kohlendioxid bei Neuwagen auf 95 Gramm
zurückfahren. Wer diese Marke reißt,
dem drohen Strafzahlungen. Und weil
der Druck aus Brüssel hoch bleibt und die
Zeit knapp wird, versuchen die Autobauer nun, möglichst viele Modelle mit alternativen Antrieben auf den Markt zu drücken, schließlich emittieren die weniger
CO2 als konventionelle Diesel- und Benzinfahrzeuge.
Plug-in-Hybride sind dabei eine Besonderheit. Bei diesen Fahrzeugen wirkt
der Elektromotor unterstützend zum
Verbrennungsmotor, das heißt, mit ihnen
sind nur kurze Strecken rein elektrisch
zurückzulegen. Der Stromspeicher wird
über eine externe Steckdose wieder aufgeladen. Der Vollhybrid, wie ihn Toyota
mit dem Prius 1997 erstmals auf den
Markt gebracht hat, wird dagegen hauptsächlich elektrisch angetrieben und seine
Batterie lädt sich während der Fahrt immer wieder auf – eine Steckdose braucht
er nicht. Schließlich ist da noch das reine
Elektroauto, das wie der Tesla Model S
ausschließlich im Batteriebetrieb fährt.
Vollhybrid, Plug-in-Hybrid und Elektroauto haben hierzulande aber etwas gemeinsam: Sie finden bislang kaum Käufer. Laut Kraftfahrt-Bundesamt verirrten sich zwischen Januar
und Juli dieses Jahres gerade
mal 5625 reine Elektroautos
zur Zulassungsstelle, das entspricht einem Marktanteil
von kümmerlichen 0,3 Pro-
ILLUSTRATION: COLOURBOX
Korrekte
Ladenhüter
Von Guido Schneider
zent. Die Hybride brachten es zwar
auf annähernd 19000 registrierte Pkw
und ein Prozent Marktanteil, doch verglichen mit Diesel und Benziner sind
auch sie Exoten. Trotzdem will speziell die
deutsche Autoindustrie ihr Angebot an
Plug-in-Hybriden weiter ausbauen.
BMW bringt neben seinen Hybrid-Versionen des i3 und i8 in den nächsten Monaten auch den X5, den 3er und den 2er
Active Tourer mit einer Kombination aus
Elektro- und Verbrennungsmotor auf
den Markt. Beim Rivalen Mercedes-Benz
sollen bis Jahresende fünf Plug-in-Hybride verfügbar sein, während VW unter
dem Label GTE seine Volumenmodelle
Golf und Passat als Steckdosenhybride
auf die Straße zu bringen versucht.
Glaubt man Werner Frey, Geschäftsführer des Mitsubishi-Importeurs MMD
Automobile, ist der Plug-in-Hybrid „eine
perfekte Brückentechnologie“, die so lange dient, bis reine Elektroautos höhere
Reichweiten aufweisen. Auch Koert Groeneveld, Leiter Research & Development
Communications bei Daimler, wirbt für
den Plug-in-Hybrid und sieht in ihm
„den perfekten Kompromiss zwischen
Elektro- und konventioneller Mobilität“.
Der E-Antrieb unterstützt den Verbrennungsmotor dort, wo der Verbrenner ein
eher ungünstiges Verhalten zeigt, etwa im
Stadtverkehr.
Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des
CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen, sieht die Plug-in-Hybride
dagegen kritisch und fürchtet, dass sich
die hohen Investitionen für diese Antriebstechnik nicht auszahlen, weil die
Kunden sie nicht annehmen. Von den
rund 5000 Elektro- und Hybridfahrzeugen der sieben deutschen Marken, die bis
Mai zugelassen wurden, entfallen laut
Dudenhöffer nur 2900 auf private Käufer
oder Unternehmen, den Rest ließen Hersteller und Händler auf sich oder Mitarbeiter registrieren. Grund für die
schwache Nachfrage sei der
vergleichsweise preisgünstige Treibstoff: „Er macht Hybrid-, Plug-in-Hybrid- und Elektroautos zu Ladenhütern“,
sagt Dudenhöffer.
Mit Blick auf den Plug-in-Hybrid
räumt VW auch Probleme ein. Die hohen
Kosten für die Batterietechnik treiben den
Anschaffungspreis, erklärt Sprecherin
Nicolai Laude: „Die Kunden sind in der
Regel preissensibel und vielfach nur bedingt bereit, diesen Mehrpreis zu bezahlen. Sie entscheiden sich häufig noch für
ein verbrauchsarmes Modell mit konventioneller Antriebstechnik.“ Beispiel Golf
GTE: Der Plug-in-Hybrid ist rund 7000
Euro teurer als der Golf GTI mit Verbrennungsmotor. Kein Wunder, dass VW
von der Markteinführung im Jahr 2014
bis Mai 2015 lediglich rund 900 Golf GTE
zur Zulassungsstelle brachte, von denen
laut CAR 800 Eigenzulassungen waren.
Den Touareg-Hybrid hat VW wegen
schwacher Nachfrage in Amerika und
Deutschland inzwischen sogar vom
Markt genommen.
A
uch andere Hersteller tun sich
schwer. Toyota bietet derzeit nur
einen Plug-in-Hybrid für sein
Modell Prius an. Ausstattungsbereinigt
kostet er aber 8600 Euro mehr als der
klassische Vollhybrid des gleichen Modells. Da muss selbst Unternehmenssprecher Dirk Breuer nach einem plausiblen
Kaufgrund suchen. Den Mehrwert des
Plug-in-Prius sieht er für den Kunden darin, dass das Fahrzeug die extern aufladbare Batterie mit einem „effizienten Vollhybrid“ kombiniert. Wer fleißig lädt,
kann so einen Großteil der alltäglichen
Strecken rein elektrisch und damit emissionsfrei zurücklegen.
Mitsubishi besetzt das Thema Plugin-Hybrid dagegen offensiver. Zwischen
Januar und Juli konnte der Hersteller
rund 1400 Einheiten seines SUV Outlander mit dieser Antriebstechnik vermarkten. MMD-Geschäftsführer Frey geht davon aus, dass die Neuzulassungen mit
Auris führt bei Hybrid, Tesla schlägt Golf
Hybrid-König Toyota mit riesigem Vorsprung
Top 10 Modelle nach alternativen Antriebsarten
Pkw-Neuzulassungen 2014 nach Elektroantrieben (einschl. Hybrid) *
Rang Modell
Anzahl
HybridNeuz.
Anteil an
Hybrid-NZ
in Prozent
Rang Modell
Anzahl
ElektroNeuz.
Anteil an
Elektro-NZ
in Prozent
1
Toyota Auris
3 680
19,5
1
Tesla Model S
828
14,7
2
Toyota Yaris
3 499
18,5
2
VW Golf
783
13,9
3
VW Golf
1 424
7,5
3
Kia Soul
739
13,1
4
Mitsubishi Outlander
1 361
7,2
4
Nissan Leaf
679
12,1
Rang Marke
*Auswahl
25,3
1
Toyota
2
Renault
1,4
3
Volvo
1,4
4
Nissan
BMW
1,4
5
Audi A3
1 162
6,2
5
BMW i3-Reihe
573
10,2
5
6
Citroën C4/C4 Picasso
626
3,3
6
Renault Zoe
551
9,8
6
Mercedes-Benz
0,7
7
BMW i3-Reihe
610
3,2
7
Smart Fortwo
535
9,5
8
Toyota Prius Plus
574
3,0
8
VW Up
401
7,1
7
Peugeot
0,7
9
Peugeot 308
483
2,6
9
Mercedes-Benz B-Klasse
327
5,8
8
VW
0,4
Mercedes-Benz C-Klasse
478
2,5
10
Nissan NV 200
104
1,9
9
Citroën
0,4
Audi
0,3
10
Hybrid gesamt
Marktanteil Hybrid in Prozent
18 884
1,0
Elektroantrieb gesamt
Marktanteil Elektro in Prozent
5 625
0,3
10
1,1
Quelle: KBA Jahresbericht 02013/14
17. September 2015
5
10
15HORIZONT 38/2015
dem Modelljahr 2016 weiter steigen. „Ab
dann geben wir auf die Fahrbatterie eine
achtjährige Garantie bis 160000 Kilometer, das ist in Deutschland einmalig.“ Die
relativ hohe Nachfrage führt er auf die
stärkere Präsenz im Autohaus zurück:
„Wir bieten allen Händlern die Möglichkeit, unsere Plug-in-Hybride und Electric
Vehicles zu verkaufen.“
A
uch die Kommunikation zu den
Plug-in-Hybriden gibt immer
wieder Anlass zur Kritik, weil die
Hersteller potenziellen Käufern zu niedrige Verbrauchswerte vorgaukeln. Dass
die Industrie hier tricksen kann, liegt am
Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ).
Der ermittelt unrealistische Verbrauchswerte, weil er den Herstellern erlaubt, den
Stromverbrauch, der für die rein elektrisch zurückgelegte Strecke benötigt
wird, nicht miteinzurechnen. Um das
Problem zu beheben, soll ab 2017 der
neue, realistischere Standard WLTP
(Worldwide Harmonized Light Vehicles
Test Procedure) zur Verbrauchsermittlung herangezogen werden. ToyotaMann Breuer würde das begrüßen: „Der
WLTP führt zu Verbrauchsangaben, die
näher an der Realität der Kunden liegen.
Da der Strom ebenfalls von ihnen bezahlt
werden muss und bei der Erzeugung auch
CO2 entsteht, ist die Angabe ausschließlich zum Kraftstoffverbrauch beziehungsweise CO2-Ausstoß in gewisser
Weise irreführend.“
Um Hybride und Elektroautos hierzulande attraktiver zu machen, werden
immer wieder Kaufanreize diskutiert.
Dabei steht Kanzlerin Angela Merkel in
der Pflicht, die das Ziel ausgegeben hat,
bis 2020 eine Million Elektroautos auf
heimische Straßen zu bringen. Doch bislang fahren dort erst 130000 Elektro- und
Hybridmodelle. Für Mitsubishi-Manager
Frey braucht es „eine Förderung in monetärer Form – direkt oder indirekt, sei es
über Abschreibungen oder über den Erlass der Mehrwertsteuer“.
Immerhin sind für E-Autos und Hybride Vergünstigungen im Gespräch. Dazu zählt eine Sonderabschreibung für gewerbliche Nutzer und eine Steuerbefreiung für das von Arbeitgebern gewährte
kostenfreie oder verbilligte Aufladen privater Elektroautos. Für Daimler-Manager
Groeneveld gehen die Überlegungen in
die richtige Richtung. „Um der Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen,
bedarf es neben attraktiven Produkten
und der notwendigen Ladeinfrastruktur
auch wirksamer steuerlicher Anreize.“
Die könnten die Marktdurchdringung
beschleunigen, sind aber keine Dauerlösung, wie er betont. Elektroauto-Pionier Tesla steigert seine Absatzzahlen
auch ohne Stütze und spielt in den USA
und der Schweiz in der Oberklasse mit
seinem Model S bereits eine starke Rolle.
Dudenhöffer wertet diesen Erfolg als
Alarmsignal für die Etablierten: „Tesla
könnte der Beweis werden, dass Plug-inTechnik der falsche Weg ist, obwohl die
konventionellen Autobauer diese Technik
zu ihrem Königsweg machen wollen.“
58 REPORT AUTOMARKETING
Von Michael Reidel
und Leonie Rieth
Gemeinsam C
und jeder
für sich
Mit dem Kauf der Nokia-Tochter Here
machen sich Mercedes, Audi und BMW
unabhängiger von Google und Co
Als Konkurrent der Taxibranche sorgt Uber bereits global
für Schlagzeilen. In Deutschland hat das Frankfurter
Landgericht die Vermittlung
privater Fahrer verboten. Jetzt
fängt der Online-Fahrdienstvermittler an, die Autohersteller zu attackieren. Das
US-Unternehmen will den
Fahrer durch Technologien
ersetzen. Das Start-up kooperiert dafür mit der US-Universität Carnegie Mellon.
Zusammen gründeten sie das
Uber’s Advanced Technologies Center in Pittsburgh. Im
Fokus stehen Kartendienste
und Technologien. Erste
Modelle der Kooperationspartner werden bereits auf
den Straßen getestet. Ziel von
Uber ist es, Sicherheit zu
gewährleisten und Zeiteffizienz zu schaffen. Zudem
verkündete das Unternehmen,
es wolle alle 2020 gebauten
selbstfahrenden Autos von
Tesla kaufen. Das sollen über
500 000 Fahrzeuge sein.
äsar, Pompejus und Crassus
sind keine Freunde. Aber
machtbewusst. Im Jahr 60 vor
Christus bildeten sie das erste
römische Triumvirat. Ein Zweckbündnis,
damit, wie Schriftsteller Sueton es formulierte, „nichts im Staate geschehen solle,
was einem von den dreien missfiele“. Etwas Ähnliches treibt Dieter Zetsche, Rudi
Stadler und Harald Krüger. Die CEOs von
Daimler, Audi und BMW wollen den Erfolg und die Existenz ihrer Unternehmen
langfristig sichern. Anfang August kauften die drei Premiumhersteller gemeinsam für 2,8 Milliarden Euro Nokia Here.
Das kommt nicht von ungefähr. Here
stellt sehr präzise Straßenkarten her, die
für selbstfahrende Autos notwendig sind,
um sich im Verkehr zurechtzufinden. Der
Kauf wirkt daher wie ein Magnet. Schon
jetzt haben Conti und Bosch ihr Interesse
an einer Zusammenarbeit signalisiert,
ebenso weitere Autobauer. Hinzu
kommt: Autonomes Fahren ist das Megathema, das nicht nur branchenfremde
US-Konzerne anzieht wie eine Marmeladensemmel die Wespen. Auf der IAA
wird beispielsweise erstmals die Telekom
präsent sein. Unter dem Hashtag #Wird
EchtZeit stellt der Bonner Telekommunikationsriese fahrer- und fahrzeugbezogene Dienste vor und wie das Auto mit einer
App zum „Smart Car“ wird.
Der Bieterkampf um den Dienst in
den vergangenen Wochen zeigt aber noch
anderes: Die Rahmenbedingungen in der
Automobilindustrie verändern sich massiv. Längst stehen Audi, Mercedes-Benz
und BMW mit ihren Modellen und Innovationen nicht nur untereinander im
Wettbewerb und in Konkurrenz zu Marken wie Volvo, VW, Porsche und Tesla.
Vielmehr müssen sie sich stärker mit Firmen wie Uber auseinandersetzen, selbst
Facebook soll im Kreis der Here-Bieter zu
finden gewesen sein. Im Kampf um die
Kunden von heute und morgen sind
längst nicht mehr nur Design, die Marke,
Modellvarianten, Ausstattungen und After-Sales-Betreuung entscheidend, vielmehr gewinnen Vernetzung, Entertainment-Angebote und digitale Services
Die aktuellen Umstrukturierungen bei Google zeigen
erneut die vielfältigen Bereiche, in denen das Unternehmen tätig ist. Auch
selbstfahrende Autos entwickelt Google schon seit
Jahren. 2011 gründete der
Konzern die Tochterfirma
Google Auto, heute sind
bereits autonome Fahrzeuge
auf den amerikanischen
Straßen unterwegs. Software
und Rechenleistung ersetzen
Fahrer und klassische Bedienelemente gänzlich.
Die Prototypen lässt Google
von einer Partnerfirma
produzieren, da der Suchmaschinenriese vorrangig an
der Entwicklung der Technologie interessiert ist.
HORIZONT 38/2015
weiter an Bedeutung. VW-Konzernchef
Martin Winterkorn, zu dessen Reich auch
Audi gehört, spricht nicht zuletzt deshalb
auf einer internen Konzernveranstaltung
im Sommer von einem „historischen
Umbruch“. Daimler-CEO Zetsche glaubt
sogar an die „Neuerfindung des Automobils“. Wer dabei Freund ist und wer
Feind, ist aber längst nicht mehr so klar.
Mittlerweile sehen die Autohersteller
Google, Uber, Baidu und Apple als ernstzunehmende Wettbewerber. Das war
nicht immer so. „Lange Zeit waren die
IT-Konzerne für die Autobauer nur Zulieferer“, sagt Gabriel Seiberth. Der Managing Director verantwortet bei Accenture das Geschäftsfeld „Digital Mobility
and Automotive“ und hält den Kauf von
Here für entscheidend. „Wäre der Zusammenschluss nicht erfolgt, hätten Audi, BMW und Mercedes keine Chance
mehr gehabt. Jetzt halten sie das Rennen
zumindest offen.“ Die These mag für produktverliebte Automanager provokant
sein, doch sie beruht auf einer einfachen
Analyse. Derzeit sind vor allem Geschäftsmodelle erfolgreich, die auf Plattformen beruhen und datengetrieben
sind. Das Problem dabei: „Plattformen
tendieren zu Monopolen“, sagt Seiberth.
Die Suche ist die Domäne von Google, in
China von Baidu. Facebook beherrscht
Social Media, Amazon den Onlinehandel. Wer es hier schafft, sich zu etablieren,
der ist fast nicht mehr zu schlagen. Drastischer noch formuliert es Autoexperte
Ferdinand Dudenhöffer. „Premium wird
nicht mehr durch PS und dicke Reifen
definiert. Autonutzung und Konnektivität ist das Herz der neuen Marken. Und
das verstehen die Silicon Valley Stars um
Lichtjahre besser als die Autobauer.“
K
lar ist jedenfalls, durch die zunehmende Digitalisierung der Fahrzeuge wird das Auto zum rollenden Device. Und das ist eine Domäne der
IT-Riesen. Andererseits: Software können auch Daimler, Audi und BMW, aber
ebenso Volumenhersteller wie Volkswagen, Toyota und Opel: „Die Autohersteller sind, ohne es richtig zu bemerken, zu
Software-Unternehmen geworden“, sagt
Seiberth. 90 Prozent aller Innovationen
sind heute software-getrieben. Kameras,
die um die Ecke schauen, adaptive
Als eine der am häufigsten
aufgerufenen Websites in
China ist das 2000 gegründete Unternehmen Baidu auf
dem asiatischen Kontinent
gesetzt. In Deutschland hingegen ist der Suchmaschinen-Riese bislang kaum
bekannt. Das dürfte sich nun
bald ändern: Noch dieses
Jahr soll in Kooperation mit
dem deutschen Automobilhersteller BMW der Prototyp
eines selbstfahrenden Autos
vorgestellt und auf den chinesischen Straßen getestet
werden. Zudem erklärte Audi
im Mai, dass man mit der
Suchmaschine die OnlineVernetzung von Autos vorantreiben will.
17. September 2015
Scheinwerfer, Bremsassistenten, das
sprachgesteuerte Navigationssystem –
ohne IT undenkbar. So hat ein Auto heute
ungefähr 50 Millionen Programmierzeilen, eine Mercedes-S-Klasse sogar 100
Millionen. Zum Vergleich: Ein Jumbo
kommt gerade mal auf 14 Millionen Lines
of Code. „40 Prozent der Wertschöpfung
sind mittlerweile softwarebasiert. Das
wird beim autonomen Fahren bis zu 80
Prozent steigen“, prognostiziert Seiberth.
Diese Entwicklung trägt dazu bei, dass
Volkswagen mit 13,5 Milliarden US-Dollar (10,6 Milliarden Euro) die höchsten
Innovationsausgaben hat, vor Samsung,
vor Intel, vor Microsoft. Das zeigt eine
Studie von Strategy&. Allerdings steht in
der Liste der innovativsten Unternehmen
Apple an der Spitze. Der einzige Autobauer unter den Top 10 ist Tesla, das gerade mal 0,2 Milliarden Dollar in die Entwicklung steckt. Deutsche Autohersteller
fehlen hier gänzlich. Eine Erklärung dafür könnte sein, dass die Autohersteller
hierzulande vor allem auf erhaltende Innovationen setzen. Soll heißen: Sie optimieren ihre Produkte auf verschiedenen
Ebenen, vom Verbrauch über Antriebe
bis hin zum CO2-Ausstoß. Doch für Berater Seiberth ist das zu wenig. „Autobauer
müssen Innovationen für ihre Geschäftsmodelle entwickeln. Sie müssen disruptiv
agieren“, fordert er.
W
ohin die Richtung gehen
kann, zeigt beispielsweise
Daimler mit dem PlattformKonzept Mercedes-Me. Eine für jeden offene Plattform, die es dem Nutzer ermöglicht, auch als Nicht-Kunde verschiedene
Tools zu nutzen, und die sich ständig weiterentwickelt. „Autohersteller müssen
sich in der Zukunft über ein neues Produkt positionieren und das heißt Shared
Mobility“, ist sich Experte Dudenhöffer
sicher. Und das kann die Karten wieder
völlig neu mischen, auch beim PremiumTriumvirat. Im Interview mit dem Mittelstandsportal Deutsche Unternehmesbörse sagt Daimler-Boss Zetsche: „Eine Option könnte sein, dass die Autos in einem
Joint Venture entstehen und wir diese
dann bauen. Aber ich spreche hier rein
fiktiv.“ Das wird nicht jeden beruhigen.
Triumvirate, das zeigt das römische, können auch zerbrechen.
Gerüchte um das Projekt „Titan“, so der angebliche Codename für Apples iCar, gibt es
bereits seit einigen Monaten.
Ein eigenes Auto soll jedoch
nicht in Planung sein, stattdessen setzt Apple auf Kooperationen mit Herstellern. Das
Unternehmen wolle bestehende
Produkte verbessern, anstatt sie
zu ersetzen. Ziel ist vielmehr,
das iPhone mit dem Auto zu
verbinden. Sicherheitssysteme
von iOS könnten Daten der
Sensorik und Kameras am Auto
verwalten und auswerten. Derzeit soll das Unternehmen nach
einem Gelände suchen, um das
selbstfahrende Auto zu testen.
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 59
17. September 2015
Digitaler Antrieb
Auf dem Markt der
Connected Cars
kooperiert jeder mit
jedem. Doch Apple
und Google wollen von
den USA aus den Ton
angeben
E
Von Ulrike Langer
zufolge die neuen Spitzenreiter Apple Car
Play und Android Auto in 37 Millionen
beziehungsweise 40 Millionen Autos zu
finden sein. Aus solchen Aussagen und
Daten lässt sich zumindest die Tendenz
ableiten, dass für Käufer künftig die Frage
wichtiger sein könnte, ob das neue Auto
Apple- oder Android-kompatibel ist, als
die Frage, ob es ein Opel oder ein Mercedes sein soll.
Diese Befürchtung teilen auch die Autobauer. Sie setzen deshalb zunehmend
auf Kooperationen mit Apple und Google
und vermarkten Kompatibilität offensiv
als Vorzug. „Für die meisten von uns sind
Smartphones essenziell. Indem wir Partnerschaften mit Apple und Google für
einen immer größeren Teil unserer Flotte
eingehen, demokratisieren wir die Tech-
Software-Entwicklungsstandort, als digitales Infrastrukturangebot und auch in
der Werbevermarktung. Mit ihren jeweiligen Monopolen bewirken die Tech-Giganten Lock-in-Effekte. Das kann für Autohersteller bedeuten: Wer sich als potenzieller Autokäufer an die iOS- oder
Android-Welt gebunden hat und sich
dort wohl fühlt, will seine Investitionen in
Hardware und Apps auch im Auto nutzen
können und dort den von Apple oder
Google gewohnten Bedienungskomfort
vorfinden.
„Mobilgeräte beeinflussen, was kaum
verwundern kann, sehr weitreichend, wie
ihre Nutzer sich während einer Autofahrt
verhalten und was sie von ihrem Auto
erwarten“, sagt Colin Bird, Chefanalyst
für Software, Apps and Services in der
Automobilsparte der Unternehmensberatung IHS Automotive im US-Bundesstaat Colorado, mit kaum verhohlenem
Seitenhieb auf die größtenteils immer
noch viel zu umständlich zu bedienenden
Navigations- und Unterhaltungssysteme
der Fahrzeughersteller.
nologie, die unseren Kunden wichtig ist”,
betonte General-Motors-Chefin Mary
Barra jüngst bei der Vorstellung neuer
Chevrolet-Modelle mit Konnektivität.
Man kann das als Huldigung der Marktmächte im Silicon Valley auffassen. Oder
als puren Pragmatismus.
ordnen müssen. Wer dabei nicht mitmacht, bleibt ebenso außen vor wie die
App-Anbieter, die Apple aus seiner Plattform iTunes aussperrt. Die ersten Autohersteller beklagen sich insgeheim heute
schon über das rigide Denken in Cupertino. Für Apple-Fans, denen Automarken
egal sind, dürfte das Apple-optimierte
Fahrzeug allerdings ein Traum sein.
D
agegen zeigt sich Google viel offener gegenüber den Wünschen
der Autohersteller, hat aber auch
weitreichendere Ambitionen. Vernetzte
Fahrzeuge dürften für den Konzern ein
technologischer Zwischenschritt sein,
selbstfahrende von Google das Ziel. Auf
diesen Zukunftsmarkt drängen auch Tesla und Uber, aber Google hat sich mit
ILLUSTRATION: CADILLAC
ine Spielfilmlänge – rund 90 Minuten – verbringt ein durchschnittlicher Amerikaner laut
der Stiftung für Verkehrssicherheit der American Automobile Association täglich in seinem Auto. Zwar ist es
unwahrscheinlich, dass diese Zeit tatsächlich einem Spielfilm gewidmet wird, obwohl die Staus in amerikanischen Großstädten immer länger werden. Aber Musik hören, Facebook aktualisieren, Videoclips anschauen, Instant Messaging und
Online-Shopping – das alles wird zunehmend während einer Autofahrt erledigt.
Zusätzlich natürlich zu allem, was verkehrsbezogen mit oder ohne Zutun des
Denn vernetzte Autos gelten als eines der
am schnellsten wachsenden Segmente im
Internet der Dinge. Nach einer Prognose
des US-Marktforschungsinstituts SNS
Research werden mit Software für Connected Cars bis zum Jahr 2020 weltweit
Umsätze in Höhe von 40 Milliarden USDollar generiert. Bis dahin, so schätzt das
Institut IHS Automotive, wird die Zahl
der vernetzten Fahrzeuge von 23 Millionen im Jahr 2014 auf 152 Millionen ansteigen.
Dass Automobilhersteller mit eigenen
Betriebssystemen für Kinetik und Infotainment-Anwendungen die SoftwareGiganten von diesem Wachstumsmarkt
erfolgreich fernhalten werden, ist unwahrscheinlich. Zu groß ist der technologische Vorsprung des Silicon Valley als
Software für vernetzte
Autos hat großes
Wachstumspotenzial
Fahrers im vernetzten Auto geschieht –
Navigation, Flotten-Management, Ferndiagnosen, automatische Updates des Betriebssystems, Sicherheits-Features, Verkehrsstromlenkung und automatische
Übermittlung von Daten an die Kfz-Versicherer.
Wenig verwunderlich ist deshalb, dass
Apple und Google, die gemeinsam fast
den gesamten Markt der SmartphoneBetriebssysteme unter sich aufgeteilt haben, auch den künftigen Milliardenmarkt
Connected Cars kontrollieren wollen.
Touchscreen und Bluetooth sind gewünscht
Welche dieser Features hätten Sie gerne in Ihrem nächsten Auto?
Gesamt
USA
Großbritannien
Deutschland
Angaben in Prozent
China
Touchscreen für Entertainment,
Navigation und
Fahrzeug-Informationen
48,0
Bluetooth für freihändiges
Telefonieren
41,0
Heads-up-Display mit
Fahrzeug-Informationen
24.0
23,5
21,0
Audio-System mit Display
24,0
22,0
20,5
19,5
Smartphone-Apps über das
Auto nutzen können
15,0
AUX-Anschluss für meinen
MP3-Player oder mein Handy
Quelle: IHS Automotive
40,5
34,5
34,0
27,5
51,0
28,0
36,0
48,0
31,0
27,0
27,5
45,0
34,0
22,0
21,0
23,0
18,5
23,5
Bluetooth Audio Streaming
0,5
Basis: 4009 potenzielle Neuwagen-Käufer
35,0
33,0
Kabelloses High-Speed-Internet
(z. B. 4G LTE)
F
35,0
32,0
24,0
47,0
49,0
48,0
49,0
46,0
31,5
Kommunikations-System
wie Onstar
54,0
31,0
32,0
31,5
USB-Anschluss, damit ich
meinen MP3-Player oder
mein Handy anschließen kann
Keines der genannten
52,5
53,0
54,5
12,0
5,0
5,5
6,0
16,0
15,0
19,0
9,0
HORIZONT 38/2015
ür den aktuellen Report „Apps in
the Car 2015“ befragte IHS Automotive 4000 angehende Autokäufer in den USA, Großbritannien,
Deutschland und China, auf welche
Funktionen sie in ihrem nächsten Fahrzeug am meisten Wert legen. In allen
Märkten wurde ein Touchscreen für Unterhaltungs-, Navigations- und Wartungsfunktionen am häufigsten genannt.
Rund jeder zweite Befragte möchte ein
Auto mit diesem Feature. Die Option, ein
Telematik-System eines Fahrzeugherstellers wie Onstar von General Motors nutzen zu können, bleibt dahinter weit zurück – in Deutschland etwa ist sie nur für
28 Prozent mit kaufentscheidend.
Eine weitere Erkenntnis aus der Studie: Der jetzt noch dominierende Standard Mirror Link, der in diesem Jahr in1,1
Millionen Fahrzeuge eingebaut wird,
wird entscheidende Marktanteile verlieren. Im Jahr 2020 werden der Prognose
D
ie GM-Tochterfirma Chevrolet
will 14 ihrer für 2016 angekündigten neuen Modelle sowohl
mit Car Play als auch mit Android Auto
kompatibel anbieten, darunter unter anderem den Spark Malibu, Camaro und
Corvette jeweils mit Dach und als Cabrio,
Tahoe und Suburban. Auch der neue
Cruze Compact wird im kommenden
Jahr sowohl Car Play als auch Android
Auto bieten. GM ist damit der erste Konzern, der Konnektivität auch in Mittelklassewagen einsetzt und damit für die
breite Masse der Autofahrer erschwinglich macht. Exklusiver vermarktet Hyundai sein erstes Connected Car. Der neue
Sonata ist das weltweit erste Auto mit
eingebauter Android-Software, die sich
per Stimme steuern lässt. Mit der Vorstellung des Modells kamen die Koreaner
GM einen Tag zuvor. Allerdings gibt es
Konnektivität im Sonata nicht als serienmäßigen Standard, sondern nur als Teil
eines Navigationssystems zum Aufpreis
von 4100 US-Dollar.
Momentan ist es das Bestreben von
Apple und Google, in möglichst vielen
verschiedenen Fahrzeugen vertreten zu
sein. Die Autobauer wiederum gehen auf
Nummer sicher und bieten lieber beide
Plattformen an, statt auf ein künftiges
Monopol zu wetten. Doch die Einigkeit
ist trügerisch. Apple und Google verstehen unter einem Connected Car nicht
dasselbe wie traditionelle Autohersteller.
Apple verdient am Verkauf der Endgeräte
für seine in sich geschlossene Informations- und Unterhaltungswelt. Für den
Konzern in Cupertino ist ein Auto letztlich nichts weiter als ein rollendes RieseniPhone, dem sich alle anderen funktionellen und strategischen Aspekte unter-
seinen Fahrzeugen schon weit vorn positioniert. Wenn Autohersteller auf dem
umkämpften Markt der Connected Cars
nicht geschickt navigieren, könnten sie
dieselbe Erfahrungen machen wie vor 30
Jahren IBM mit Microsoft. Dann bauen
sie nur noch die Blechhüllen und werden
als Marken austauschbar, während Apple
und Google mit der Software das Herz
und das Hirn der Fahrzeuge ausmachen.
Dann heißt es nicht mehr „Fährst Du
Mercedes oder Opel?“, sondern: „Fährst
Du Car Play oder Android Auto?“
Android überholt Apple
Anzahl Autos, die Android Auto oder Apple Carplay
nutzen oder voraussichtlich nutzen werden (in Mio.)
Apple Car Play
Android Auto
2015
1,0
0,8
2016
4,0
4,0
2017
8,0
9,0
2018
16,0
17,5
2019
26,0
27,0
2020
37,2
Quelle: IHS, BI Intelligence Estimates
40,0
HORIZONT 38/2015
Die Funktionsweise
Die mobilen Systeme für Fahrzeuge von Apple und
Google sind zusätzliche Software, die über eine
Schnittstelle mit dem Auto und externen Servern
Daten austauscht – nicht zu verwechseln mit den
internen Betriebssystemen der Fahrzeughersteller.
Mirror Link ist ein übergreifender Standard, der vor
allem Android-Geräte von HTC, Samsung und Sony
mit dem Auto verbindet. Nutzer schließen in bisherigen Versionen von Car Play und Android Auto ihr
Smartphone per USB-Anschluss an und können
dann ihre Apps inklusive solchen von Drittanbietern wie Spotify oder iHeart auf dem Monitor am
Armaturenbrett sehen und per Touch, Stimme (im
Wesentlichen basierend auf Siri oder Google Now)
und Lenkradeinstellungen steuern. Künftig werden Connected-Car-Systeme auch ohne Umweg
über das Smartphone zu nutzen sein.
60 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
FOTOS: OPEL/KAREN HUTCH
Das Kind kommt zu
früh? Eine Adresse ist
nicht zu finden? Das
Auto wurde gestohlen?
Die Mitarbeiter von
Opel Onstar sind per
Knopfdruck rund um
die Uhr verfügbar und
schicken Hilfe
Was kann ich für Sie tun?
Connectivity im Selbstversuch: Opel Onstar
hilft in vielen Lebenslagen, macht Autofahrer aber auch ein bisschen unselbstständiger
Von Bettina Sonnenschein
W
enn es dem Kunden hilft,
singt Kreshan auch ein
„Happy Birthday“. Die
Bitte sei zwar schon ein
bisschen überraschend gewesen, erzählt
er leicht amüsiert, es seien allerdings genau diese Momente, die ihm bestätigen,
sich für den richtigen Job entschieden zu
haben: „Ich habe zuvor schon neun Jahre
im Customer Service gearbeitet“, erzählt
mir Kreshan. „Aber mit einem normalen
Callcenter hat das hier nichts zu tun. Das
geht weit darüber hinaus.“
Mit „das hier“ meint Kreshan seinen
Arbeitsplatz in der Zentrale des ServiceCenters von Opel Onstar im englischen
Luton, etwa 50 Kilometer nördlich von
London. Dort kümmert sich der Familienvater, der ursprünglich aus Mauritius
stammt, als einer von derzeit 62 telefonischen Advisorn um Opelfahrer in ganz
Europa, die per Knopfdruck aus ihrem
Auto um Hilfe bitten. Das Geburtstagsständchen war dabei eine kleine Zugabe:
Eine Mutter hatte ihn um die Route zum
nächstgelegenen Supermarkt gebeten, als
er aus dem Hintergrund eine Kinderstimme hörte. Die schrie lauthals: „Ich
habe heute Geburtstag!“ Die Feststellung
der Mutter, dass sich die Kleine sicher
über einen gesungenen Glückwunsch
freuen würde, wollte Kreshan nicht so stehen lassen. Er holte Luft und sang.
Die Episode, wenngleich etwas rührig,
verdeutlicht gut die persönliche Komponente hinter dem Online- und ServiceAssistenten Onstar, den Opel seit Ende
August nach und nach in 13 europäischen
Märkten einführt. Sie zeigt: Wer sich für
Onstar entscheidet, hat es mit Menschen
zu tun, nicht mit Computern.
Das beginnt schon bei der Wahl der
Sprache. Englisch, Deutsch, Französisch,
Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Niederländisch und Polnisch werden abgedeckt, jeder Servicemitarbeiter muss
mindestens drei davon fließend beherr-
schen. Ein Grund, warum die Wahl für
den Centerstandort auf Luton fiel: In dem
Städtchen herrscht eine große ethnische
Vielfalt, mehrsprachige Mitarbeiter zu
finden, war dort relativ einfach. Nicht wenige der Angestellten sind allerdings auch
für den Job nach Luton umgezogen.
Dass die Kommunikation mit ihnen
tatsächlich funktioniert, davon kann ich
mir Mitte August zusammen mit zahlreichen Journalisten und Bloggern aus ganz
Europa einen Eindruck verschaffen. Opel
hat uns nach England eingeladen, damit
wir das Assistenzsystem selbst ausprobieren. Nach einer kurzen Einführung auf
dem Parkplatz eines Flughafenhotels in
London Heathrow verteilen wir uns also
paarweise auf eine Reihe von Opel Insignia und drücken ein ums andere Mal den
blauen Knopf über uns in der Mitte: Blau
bedeutet, wir haben eine Frage, eine Bitte,
ein Anliegen. Der Verbindungsaufbau
ähnelt dem eines Telefonats, dank der
Einstellung in unserem Auto, das auf
Deutsch gepolt ist, meldet sich gleich eine
freundliche Dame, die uns fragt, womit
sie weiterhelfen kann. Wir möchten zum
Mittagessen in ein bestimmtes Restaurant. Innerhalb kurzer Zeit hat die Mitarbeiterin die Adresse gefunden, sendet
uns die Route auf das Navi im Auto.
S
o weit, so gut. Aber hätten wir die
Adresse nicht selbst eingeben können? Hätten wir. Nur dazu hätten
wir erst irgendwo anhalten müssen, um
uns ganz auf die Eingabe zu konzentrieren. Und als wir etwas später mitten auf
der Autobahn unterwegs sind und den
Notfall simulieren, indem wir behaupten,
jetzt sofort ein Krankenhaus zu benötigen, ist dieser Auftrag ebenso bei 70 Meilen die Stunde in Kürze erfüllt. Unser
Fahrzeug wird geortet, das der Strecke am
nächsten liegende Hospital genannt, die
Route erneut gesendet. In zehn Minuten
könnten wir dort sein. Dass das Navi später einen neugebauten Kreisverkehr nicht
erkennt, mir mein Mitfahrer aber nicht
glauben will, dass er auch einfach dem
M1-Schild folgen könnte – daran kann
dann allerdings auch die neuerlich angerufene Mitarbeiterin nichts ändern.
Für echte Gefahren sieht Onstar sowieso den roten Button vor: Bei einem
Unfall oder medizinischen Notfall wird
über ihn eine prioritäre Verbindung hergestellt, der Mitarbeiter stellt sich auf die
Ausnahmesituation ein, fragt, ob nur das
Auto einen Schaden hat oder es Verletzte
gibt, und sendet dank einer Verbindung
zu den entsprechenden Notdiensten im
jeweiligen Land die nötige Hilfe.
Dieser Aspekt erscheint mir schnell als
der interessanteste. Die 365 Tage währende, rund um die Uhr mögliche Ansprache, Fragen nach dem Weg, Hilfe beim
Finden eines Hotelzimmers, die Möglichkeit, das Fahrzeug jederzeit und von überall per App zu verriegeln, die Diebstahlsperre, der Wlan-Hotspot für sieben Devices im Auto – all das ist nett, suggeriert
mir aber, als Autofahrer deutlich unselbstständiger zu sein, als ich in Wahrheit bin. „Onstar wird das Autofahren
leichter machen“, hatte uns Projektleiterin Sarah Nicholson bei der Einführung
gesagt. Möglich – wenn man es als schwer
empfindet. Was ich nicht tue.
Der Notfall-Knopf dagegen könnte ein
Segen sein. Denn der Gedanke, nachts
mit geplatztem Reifen oder noch schlimmeren Schäden irgendwo im Nirgendwo
liegen zu bleiben, verliert einiges von seinem Schrecken, wenn man weiß, dass per
Knopfdruck Hilfe kommt. Dank der
Übertragung von Unfalldaten meldet sich
Onstar im Fall der Fälle sogar von sich
aus. Fragt ins Auto hinein, ob alle bei
Bewusstsein sind.
Fragt ins Auto hinein? Ein heikler
Punkt, gerade im deutschen Markt. Denn
das System steht und fällt mit einer GPSOrtung, die nicht jeder skeptische Bürger
als angenehm empfindet. Für diesen Fall
lässt sich Onstar aber auch offline schalten. Nur wenn der Airbag ausgelöst wird,
startet eine automatische Standortsuche.
In der Testphase seien schwere Unfälle
zum Glück selten vorgekommen, sagt
Kreshan. „Wenn es passiert, leuchtet es
rot auf dem Bildschirm und ich weiß,
dass es jetzt vielleicht um Leben und Tod
gehen kann.“ Auch damit haben andere
Callcenter-Mitarbeiter eher seltener zu
tun.
W
ährend unseres Aufenthaltes
im Service-Center bleibt es
ebenso ruhig: Aus Darmstadt
kommt die Bitte, ein Kegel-Zentrum ausfindig zu machen, in der Provence sucht
jemand nach einer Übernachtungsmöglichkeit. Routine. 90000 Anrufe erwartet
Europa-Manager Brian McCreavy bis Ende des Jahres, bis zu 400000 sollen es 2016
werden. Diese Schätzungen basieren auf
Erfahrungen in den USA, wo die OpelMutter General Motors schon seit 1996
mit dem System arbeitet. Seiner Zeit etwas voraus – schließlich waren die digitalen Infrastrukturen vor 20 Jahren ganz
andere – kommt der Dienst in den USA,
Kanada, Mexiko und China inzwischen
auf rund 7 Millionen Kunden, die täglich
185000 Anfragen und monatlich mehr als
100000 Notrufe absetzen.
In Europa, wo auch BMW bereits einen ganz ähnlichen Assistenten anbietet,
gehen die Rüsselsheimer damit nun in die
Offensive: Ein automatisches Notrufsystem wird ab 2018 in Neuwagen sowieso
zur Pflicht, zusammen mit dem Assistenzdienst, der ab sofort nicht nur für die
höheren Klassen, sondern für einen
Großteil der Modellpalette verfügbar ist,
will Opel zu den Vorreitern in Sachen
Connectivity gehören. Der Erfolg wird
auch von den Gesamtkosten abhängen:
Die ersten zwölf Monate bleiben die Onstar-Dienste kostenlos, danach fallen 99
Euro jährlich an. Noch offen ist, was der
Wlan-Hotspot zusätzlich ausmachen
wird. Mithilfe geschickter Markenbindungsmaßnahmen könnte eine Verbreitung aber durchaus gelingen. Denn eines
steht für mich nach dem Selbstversuch
fest: Obwohl ich den Dienst rational für
Schnickschnack halte, hätte ich ihn doch
zu gern zur Verfügung.
62 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Ein Ziel, vieleWege
Die Autohersteller
mischen mit sehr
unterschiedlichen
Konzepten beim Carsharing-Boom mit
S
Von Klaus Janke
chon Anfang 2014 wurde sie angekündigt, seit Juni ist die Elefantenhochzeit von Flinkster und Car2go
perfekt: Kunden des jeweils einen
Unternehmens können nun auch auf die
Fahrzeuge des anderen zugreifen, ohne
sich gesondert registrieren zu lassen. Die
Deutsche-Bahn-Tochter und das Joint
Venture von Daimler und Europcar ha-
ben zusammen nun fast 7000 Autos im
Angebot. Die Kooperation dürfte dem
Thema Carsharing in Deutschland zusätzlichen Schub geben.
Rückenwind genießt Carsharing ohnehin: Die rund 150 Anbieter registrierten Anfang des Jahres laut Bundesverband Carsharing über eine Million Nutzer, 37,4 Prozent mehr als im Vorjahr. Das
Wachstum verdankt sich vor allem den
stationsunabhängigen Anbietern wie
Car2go und Drivenow, dem Joint Venture
von BMW und Sixt. Die „Free Floating“Services verzeichneten im vergangenen
Jahr einen Nutzerzuwachs von 437000
auf 660000.
Mittlerweile sind zahlreiche Autohersteller mit Carsharing-Angeboten im
Markt aktiv – mit sehr unterschiedlichen
Strategien. Während sich Daimler und
BMW in zahlreichen Großstädten mit
Free Floating profilieren, belässt es VW
mit seiner Marke Quicar bislang beim
Standort Hannover. Ford will lieber klei-
ne Städte und den ländlichen Raum erobern und betreibt in Kooperation mit
Flinkster ein stationsabhängiges Angebot
im Händlernetzwerk. Ebenfalls in Zusammenarbeit mit seinen Händlern bietet Peugeot den Mobilitäts-Service Mu by
Peugeot an. Citroën dagegen versucht in
Berlin, den Kunden über die CarsharingMarke Multicity Elektroautos schmackhaft zu machen. Auch die Späteinsteiger
Opel, Volvo und Audi überraschen mit
eigenständigen Ansätzen.
Tina Müller (Foto) ist überzeugt: „Es
wird in Zukunft immer wichtiger, sich
vom reinen Produkthersteller zum
Mobilitätsdienstleister mit perfekter
Vernetzung zu entwickeln“, so die
Opel-Marketingchefin. Ein Schritt in
diese Richtung ist Car Unity, eine
innovative Carsharing-Community, die
der Hersteller im Juni gestartet hat.
Über die Car-Unity-App kann man
sowohl Fahrzeuge mieten als auch
vermieten. Dabei spielt es keine Rolle,
ob es sich um einen Opel oder ein
Fabrikat der Konkurrenz handelt.
Jeder Nutzer entscheidet selbst, wer
das eigene Auto mieten darf. Die Opel
Bank hat ein Paket für den Versicherungsschutz entwickelt. Das Marketing
für Car Unity konzentriert sich unter
dem Motto „Wer teilt, fährt besser“
zunächst auf das Rhein-Main-Gebiet.
Ende Juli meldete Opel über 5000
Nutzer und ein Angebot von rund
1500 Autos auf der Plattform.
„Schwedenflotte“ heißt der Service,
den Volvo im Januar gemeinsam mit
dem Mobilitätsdienstleister CC Unirent System gestartet hat. Dabei bieten
Volvo-Händler Kurz- und Langzeitmiete von Fahrzeugen für Privat- und
Gewerbekunden an. Volvo will damit
auf den Rückzug vieler großer Autovermieter aus der Fläche reagieren.
Rund 100 Volvo-Händler stellen bundesweit bislang 260 Fahrzeuge zur
Verfügung. Abgerechnet wird komplett elektronisch über eine App, die
auch zur Anmeldung und Reservierung von Fahrzeugen dient. Das
Konzept sieht für die Kurzzeitmiete
ein Free-Floating-System vor. Wer für
einen längeren Zeitraum buchen will,
holt den Wagen beim Händler ab und
bringt ihn auch dorthin zurück. Der
Startschuss fiel im Juli auf der Nordseeinsel Sylt: Hier stehen für Urlauber
20 neue Volvo XC 90 an sieben über
die Insel verteilte Stationen zur Verfügung. Die „Schwedenflotte“ soll bis
zum Jahresende 2015 auf über 1000
Fahrzeuge ausgebaut werden.
Mit einem besonderen Angebot der „Premium-Mobilität“ für etwas
betuchtere Nutzer wartet Audi auf: Kunden des Standorts Audi City in
Berlin können seit April 2014 Audi Select nutzen und sich damit für viel
Abwechslung entscheiden. Für Preise ab 1000 Euro pro Monat kann man
ein Jahr lang hintereinander bis zu drei verschiedene Audi-Modelle fahren. Die Tarife richten sich nach den Modellen, die Palette reicht vom A3
Sportback E-Tron bis zum Sportwagen R8. Im Preis sind Zulassung,
Steuern, Versicherung und Wartung eingeschlossen. Das Angebot richtet
sich insbesondere an Fahrer, die je nach Saison zwischen verschiedenen
Modellen wählen wollen, etwa ein Cabrio im Sommer und ein SUV im
Winter. Zielgruppe sind auch Dienstwagennutzer, die häufiger das Modell wechseln wollen. Audi Select geht nach dem Start in Berlin nun in
die nächste Phase: Seit August ist der Service nach Unternehmensangaben bei „einer mittleren zweistelligen Zahl“ an Händlern in ganz
Deutschland erhältlich. Innerhalb der nächsten zwölf Monate werde eine
„weitere Skalierung“ vorbereitet.
HORIZONT 38/2015
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REPORT AUTOMARKETING 63
Mobilität für alle: Auf der
IAA kommen die Verspielten, die Kleinen, die
Mutigen und die Zukunftsorientierten zum Zug
Wo die Reise hingeht
Die 66. IAA ist nicht
nur Plattform für 210
Weltpremieren, sie
wartet auch mit einem
großem Rahmenprogramm auf
Von Bettina Sonnenschein
F
ahrzeuge ohne Ende – damit ist
auf der alle zwei Jahre stattfindenden Internationalen AutomobilAusstellung in Frankfurt (IAA)
immer zu rechnen. Aber Modellpremieren und Herstellerstände sind bei aller
Vielfalt längst nicht alles: Für das, was es
außerdem zu sehen, testen und erleben
tätslösungen für die Zukunft Gedanken
machen. Aufgeteilt ist die Ausstellungsfläche in fünf schwerpunktartige Themenbereiche: Connected Car, Automated
Driving, E-Mobility, Urban Mobility und
Mobility Services. Wer künftig ein Auto
kauft, so VDA-Präsident Wissmann, will
damit auch eine mobile Online-Kommunikationsplattform. Zudem würden Vernetzung und Automatisierung das Autofahren noch sicherer machen. Staus
könnten vermieden werden, Auffahrunfälle gehörten der Vergangenheit an: „Das
ist unsere Vision“, so Wissmann. „Sie
wird nicht über Nacht Realität. Aber konkrete Schritte auf dem Weg dorthin werden auf der IAA sichtbar.“
Die zugehörigen zentralen Veranstaltungen der New Mobility World wenden
sich an Presse- und Fachbesucher, doch
auch während der Publikumstage vom
19. bis 27. September gibt es zahlreiche
Vorträge und Diskussionsrunden.
● Elektromobilität: Sie ist aus Sicht von
gibt, könnten allein mehrere Tage eingeplant werden. „Der Wunsch der Menschen nach individueller Mobilität ist
weltweit steigend“, sagt Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie, der die IAA veranstaltet.
„Und das Auto befindet sich mitten in
einer beschleunigten digitalen Evolution.“ Ein Grund, warum das Motto der
diesjährigen Messe „Mobility connects“
lautet. Vernetzung, automatisiertes Fahren, alternative Antriebe – um diesen
Themen gerecht zu werden, wurde die
Veranstaltung um eine Neuheit erweitert,
die vermutlich eines der zahlreichen
Highlights bilden wird:
● New Mobility World: Auf insgesamt
30000 Quadratmetern in Halle 3.1 sowie
auf der Freifläche davor versuchen die
Veranstalter, sämtliche Aspekte der Verknüpfung von Mobilität und digitaler
Welt abzubilden. Zusätzlich zu ihren
Markenständen trifft hier eine Vielzahl
von Autoherstellern und Zulieferern auf
Unternehmen aus der Informations- und
Kommunikationstechnologie sowie aus
Branchen, die sich ebenfalls um Mobili-
Wissmann ein Kernbereich der diesjährigen Messe. Das Thema wird daher zum
einen – wie oben bereits erwähnt – auf
der New Mobility World besetzt: In der
dortigen sogenannten E-Galery präsentieren die Hersteller BMW, Ford, Audi,
Kia, Opel, Daimler, Nissan und Mitsubishi ihre entsprechenden Fahrzeuge, auf
der „Electric Vehicle Plaza“ sind die Antriebs- und Ladetechniken dazu zu sehen.
Zum anderen werden viele Hersteller und
Zulieferer ihre technologischen Beiträge
zu dem Thema präsentieren. „Gerade im
urbanen Bereich haben Elektrofahrzeuge
enorme Vorteile“, sagt Wissmann. „Sie
fahren lokal emissionsfrei – und haben
zudem deutlich geringere Nutzungskosten.“ Der VDA-Präsident nutzt die Messeplattform aber auch für eine Forderung: Die Rahmenbedingungen müssten
stimmen und hier sei die Politik gefragt,
entsprechende Impulse zu setzen.
Wunschmodell einmal ausprobieren
möchte. Aber erstens gehören solche Termine zu denen, die man dann doch immer auf ein anderes Mal verschiebt, zweitens wird im Rahmen der IAA einfach ein
viel größeres Erlebnis daraus. Unter anderem weil vor und nach der Probefahrt
direkte Vergleiche mit der Konkurrenz
möglich sind. Acht Aussteller (Citroën,
DS Automobiles, Hyundai, Kia, Maserati,
Renault, Toyota und VW Nutzfahrzeuge)
bieten während der Messe Probefahrten
im öffentlichen Straßenverkehr. Eine vorherige Anmeldung ist allerdings auch hier
notwendig.
● Geländewagen-Teststrecke: Mit dem
sportgeschichte ist die diesjährige Sonderausstellung historischer Automobile
gewidmet, die der Automobilclub von
Deutschland, kurz AvD, ausrichtet. Auf
900 Quadratmetern geht es um alte Flitzer aus 111 Jahren, darunter Rennwagen
aus den 1930ern ebenso wie einen einsitzigen Formel-3-Renner, Tourenwagen,
Rallye-Autos sowie das Prunkstück der
Sonderschau, den Benetton B194 von Michael Schumacher.
SUV zur Arbeit fahren, mag bequem sein
– doch es hat nichts damit zu tun, was in
einem echten Geländewagen wirklich
steckt. Eine Fahrt über den Off-RoadParcours auf dem Freigelände der Messe
vermittelt da einen sehr realen Eindruck.
Wenn gerade keine Sanddüne oder ausgetrocknetes Wadi in der Nähe ist, eine
durchaus annehmbare Alternative.
● Probefahrten: Natürlich, eine Verab-
redung mit dem Händler ist eigentlich
jederzeit möglich, wenn man sein
Weltweiter Spezialist für den Zuliefermarkt
Jetzt also auch noch auf königlichem Boden: Vom
7. bis 9. Juni 2016 findet erstmals eine Automechanika in Birmingham statt, „die erste Veranstaltung in der erfolgreicheninternationalen Entwicklung der
Messe Frankfurt, die
das Unternehmen im Vereinigten Königreich von
Großbritannien und Nordirland organisiert“, wie
Detlef Braun kürzlich bekannt gab. Der Geschäftsführer der Messe Frankfurt ist stolz darauf, auch
weil die größte internationale Messemarke für den
automobilen Zuliefermarkt und Aftermarket damit
auf 15 Veranstaltungen weltweit anwächst.
In der Heimatstadt Frankfurt wechselt sich die
Veranstaltung im Zweijahresrhythmus mit der IAA
ab, schon jetzt laufen die Vorbereitungen für 2016.
Bereits Ende Juli waren 65 Prozent der Ausstellungsfläche für den 13. bis 17. September 2016
belegt, mehr als 1700 Aussteller aus 59 Ländern
haben ihre Teilnahme bis dahin schon bestätigt.
Mehr denn je wird es bei der Automechanika
darum gehen, sich als
Plattform für Innovationen und zukunftsweisende Lösungen
zu präsentieren. Aus diesem Grund wird in der
FrankfurterFesthalle,alsoeinerderexponiertesten
Stellen der Messe, die After-Sales-Welt von morgen zu sehen sein: Mit „Tomorrow’s Service &
Mobility“ tragen die Veranstalter der Entwicklung
Rechnung, dass sich die Kundenbedürfnisse sowie
die Anforderungen an Fahrzeuge durch automatisierte Prozesse verändern. Connectivity, alternative Antriebe, automatisiertes Fahren und Mobility
Services stehen darum dort im Mittelpunkt – sowohl in Form existenter Lösungen als auch als
Zukunftsvision.
● Oldtimer-Sonderschau: Der Renn-
● Carrera Minirennstrecke: Für viele
Erwachsene ist ein Auto nichts anderes als
ein großes Spielzeug – eine Spielzeugrennbahn wiederum nehmen viele Erwachsene sehr ernst. Da ist es nur logisch,
dass Carrera zum wiederholten Mal eine
seiner Rennbahnen auf die Messe bringt.
Und die ist, auch wenn sie sich Mini
nennt, bestimmt deutlich größer als das,
was in den üblichen heimischen Keller
passt.
● Unterhaltung für Kinder: Apropos
Spielzeug – nicht jedes Kind findet es
nach Stunden immer noch so spannend
auf dem Messegelände wie seine Eltern.
Etwas Abwechslung bietet zum einen das
IAA-Kinderkino in Halle 4.2. (Raum Brillanz). Dort gibt es ein Programm für Kinder ab fünf Jahren. Und wenn sie doch
etwas Lust auf Fahrspaß haben, können
sie auf dem Freigelände in der LegolandFahrschule erste Versuche unternehmen.
Im Mini Elektro-Hyundai können 3- bis
13-Jährige sogar ihre erste Führerscheinprüfung ablegen.
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HORIZONT 38/2015
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Intendierter Tunnelblick
Die Agenturen Schmidhuber
und Mutabor wollen den
IAA-Besuchern auf dem AudiMessestand ein Markenerlebnis
für alle Sinne bieten
Hebt sich schon von
außen ab: Audis
Messestand ist ein
temporäres Gebäude
Das dreistöckige temporäre
Messe-Bauwerk von Audi
entsteht auf einer Grundfläche
von 70 mal 55 Metern auf der
Agora-Freifläche. Insgesamt
wurden hierfür mehr als 200
Kilometer Kabel verlegt und
knapp 700 Quadratmeter
LED-Fläche verbaut. Der
Ausstellungsbereich im
Inneren des Gebäudes bietet
Platz für 33 Automobile. Für
Konzeption und Umsetzung
sind die Agenturen Schmidhuber + Partner sowie Mutabor
Design verantwortlich.
D
ie Premiummarken Audi,
BMW und Mercedes-Benz
liefern sich alle zwei Jahre einen inoffiziellen Wettstreit
um den spektakulärsten IAA-Messeauftritt. Dabei muss sich Audi besonders anstrengen, denn die Budgets der Konkurrenten aus München und Stuttgart dürften um einiges höher sein. Zudem hat der
Ingolstädter Konzern die eigene Messlatte
bereits vor vier Jahren auf Rekordhöhe
gelegt: Damals faszinierte die Marke mit
dem „Audi-Ring“, einem Fahrparcours,
der sich über zwei Ebenen kreisförmig
erstreckte und schließlich in einer multimedialen Show mündete.
Dieses Jahr werden die Autos zwar
nicht fahren, dafür verspricht Audi den
Besuchern, die Marke mit allen Sinnen
erleben zu können. Wie in den vergangenen Jahren hat der Autobauer auf der
zentralen Agora-Freifläche des Frankfurter Messegeländes gebaut – oder genauer
gesagt: bauen lassen. Seit vielen Jahren
konzipiert und realisiert die Münchner
Agentur Schmidhuber + Partner die IAAPräsenz der Volkswagen-Konzerntochter.
Einen besseren Partner könnte sich Audi
nicht wünschen: Die Experten für Kommunikation im Raum wurden gerade
zum dritten Mal in Folge zum kreativsten
Dienstleister ihrer Zunft gekürt. Das geht
aus dem gemeinsamen Ranking von Famab, „W&V“ und HORIZONT hervor.
Schmidhuber ist allerdings nicht allein
am Werk: Die Agentur hat das IAA-Gesamtkunstwerk, bei dem es sich weniger
um einen Messestand als um ein temporäres Gebäude handelt, zusammen mit
Mutabor entwickelt. Die Hamburger
Agentur löst damit das Münchner Designbüro KMS Team ab, das in den vergangenen Jahren große kreative Erfolge
mit Schmidhuber und Audi feiern konnte. Mutabor wiederum war zwischen
2003 und 2010 schon einmal für die Ingolstädter aktiv. Dieses Jahr kommen vor
allem das Motion Design und die grafischen Inszenierungen von den Hamburgern, während sich Schmidhuber um
die haptischen, räumlichen und materiellen Elemente gekümmert hat.
Die Idee basiert auf den vier Fokusthemen von Audi: Sport, Quattro, Technologies und Ultra. Dabei seien die In-
novationen von Audi noch nie zuvor so
detailliert erklärt worden wie auf der IAA
2015, sagt Luca de Meo, Vorstand für Vertrieb und Marketing bei Audi. „Und
gleichzeitig werden wir unseren Besuchern mehr Erlebnis denn je bieten. Diese
Verbindung ist einzigartig.“
Die Besucher betreten die Audi-Welt
via Rolltreppe und werden anschließend
durch den sogenannten Experience Walk
geführt. Dabei handelt es sich um eine
organisch vernetzte Leichtbauskulptur,
die sich aus der Fassade des freistehenden
Gebäudekubus entwickelt. Die rund 100
Meter lange Strecke führt durch die vier
Themenwelten und bietet dabei höchst
unterschiedliche Erlebnisse, die alle Sinne
ansprechen sollen. So handelt es sich bei
der Quattro-Welt um einen Raum aus
Eis, die Sport-Welt ist laut und dynamisch, im Ultra-Universum dreht sich alles um Effizienz, bei Technologies steht
das Innovationsportfolio im Fokus. Hier
sind die Materialien weich, der Gang ist
akustisch gedämmt.
„Die Markenaufladung erreichen wir,
indem wir das übrige Messegeschehen
vor dem Eintritt in die Audi-Ausstellung
ausblenden und den Besucher in einem
geschlossenen Gang einmal um den
Stand herum führen. In diesem Kommunikationstunnel wird er mit den Kernthemen konfrontiert. Das Warten vor
dem Pavillon wird zum emotionalen Einschwören auf Audi genutzt“, erklärt Mutabor-Chef Johannes Plass. „Der Besucher erlebt und ,begreift‘ die vier Fokusthemen und begegnet anschließend Marke und Produkt im Zusammenspiel“,
ergänzt Michael Ostertag, Kreativgeschäftsführer von Schmidhuber.
D
er große Star dieses Erlebniskinos ist der neue Audi A4. Das
meistverkaufte Modell der Marke wird mittig auf einer Drehplattform
präsentiert, die Teil eines überdimensionalen Kompasses ist. Dreht sich der
Kompass in eine der vier Himmelsrichtungen, wechselt die mediale Ausstellung
zwischen den vier Themenwelten. Zu
den weiteren Highlights zählt die Weltpremiere des Audi e-tron quattro concept. Das sportliche SUV soll einen Ausblick auf das erste Großserien-Elektroauto der Marke geben.
„Noch nie haben wir einen Messeauftritt thematisch so stringent entwickelt
wie diesen“, resümiert de Meo. Er und
sein Team haben die vier Themenfelder
vor zwei Jahren definiert, um die unterschiedlichen Zielgruppen differenzierter
anzusprechen. Früher standen vor allem
die aus dem Claim „Vorsprung durch
Technik“ resultierenden Kernwerte Progressivität, Dynamik und Hochwertigkeit
im Fokus. Natürlich ist „Vorsprung durch
Technik“ weiterhin das zentrale Motto
der Marke. Nur wird das heute mit den
Themen Sport, Quattro, Technologies
und Ultra verbunden, die jeweils für eine
eigene Welt und ein bestimmtes Lebensgefühl stehen. „Ich kenne nur wenige
Kunden, die auch ihre Anforderungen an
den Messeauftritt einem Gesamtkonzept
unterordnen können“, sagt Plass. „Das
macht am Ende aber den Impact aus.“
FOTOS: KELLER-FOTOGRAFIE.DE
Die Eckdaten
Von Bärbel Unckrich
Sowohl während des Experience Walk
als auch auf der eigentlichen Ausstellungsfläche wird der Besucher mit zahlreichen Medienflächen konfrontiert.
Ostertag ist überzeugt, dass „der Umgang
mit der Medientechnik Benchmarks
setzt.“ Und zwar, „indem Filmbespielung, Produkte und Architektur eine Einheit bilden und dem Besucher auf diese
Weise ein beeindruckendes, multimediales Erlebnis bieten.“ Ein Beispiel dafür: In
der Fahrzeughalle befinden sich auf riesigen schräg gestellten LED-Wänden echte
Autos, die sich drehen können. Diese werden in die Medienbespielung integriert.
Wenn etwa der berühmte QuattroSchanzenfilm läuft, wird das reale Auto
zum Bestandteil des im Hintergrund ablaufenden Videos. „Man kann sich das
wie ein überdimensionales 360-Grad-Erlebniskino vorstellen“, erklärt Ostertag.
Vier Themenwelten
gliedern den Messeauftritt. Die QuattroWelt aus Eis (oben) ist
einer davon. Auf
zahlreichen Medienflächen werden verschiedene Modelle in
Szene gesetzt
68 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
In Szene
gesetzt
Mit ausgefallenen Standkonzepten
und interaktiven Features wollen
Hersteller den IAA-Besuchern im
Gedächtnis bleiben
Mit mehr als 12000 Quadratmetern Fläche, zwei bebauten Ebenen und einer deutlich
erweiterten Fahrbahn ist der diesjährige Stand der bislang größte der BMW-Gruppe
(Kreation: Meiré und Meiré). Eine spezielle BMW-IAA-App bietet die Möglichkeit, hinter
die Kulissen des Auftritts zu blicken und dank eines Audioguides und Augmented-RealityFeatures vertiefende Inhalte zu Fahrzeugen und Innovationen zu entdecken. Neben der
Vorstellung des neuen BMW 7er zählt auch die Weltpremiere des runderneuerten BMW
X1 zu den Highlights: Um den Allrounder perfekt in Szene zu setzen, erhebt sich ein
Felsmassiv von 50 Quadratmetern aus der Standarchitektur über beide Ebenen des
Messestandes hinweg.
Redaktion: Anna Lisa Lüft
Der Stand von Kia Motors ist wieder größer geworden. Auf rund 2200
Quadratmetern ist Platz für insgesamt 17 Fahrzeuge, darunter die neue Generation
des Kompakt-SUV Kia Sportage und der Limousine Kia Optima. Thematisch stehen
bei Kia alle Zeichen auf Fußball. Der Partner von Fifa und Uefa stimmt auf die 2016
anstehende Europameisterschaft in Frankreich ein und präsentiert am letzten
Messe-Wochenende beispielsweise den EM-Pokal.
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17. September 2015
REPORT AUTOMARKETING 69
In der Frankfurter Festhalle inszenieren die Agenturen Atelier Markgraph und Jangled
Nerves auf über 9000 Quadratmetern und drei Ausstellungsebenen die MercedesProdukte in verschiedenen Themenräumen. Die Besucher gleiten auf Rolltreppen im
Zentrum der Gesamtinszenierung 13 Meter in die Höhe. Von den Rängen bieten sich neue
Perspektiven auf das 450 Quadratmeter große Bühnen-Setup, wo fahrende Automobile,
Film, Live-Bild, Musik und Moderationen präsentiert werden. Fahrbewegungen werden
wie bei Sport-Übertragungen live von einer Spider-Cam eingefangen.
Citroën stellt gleich zwei Studien vor: Zum einen wird in einer Europapremiere der
SUV Aircross, zum anderen das Concept Car Cactus M, das vom legendären Strandauto
Méhari inspiriert ist, vorgestellt. Mit dem neuen DS 4 und dem DSV-01, einem Formel-ERennwagen, mit dem das neu gegründete DS Virgin Racing Team in die kommende Saison
der Formel E-Weltmeisterschaft einsteigen wird, feiert auch DS Automobiles
zwei Weltpremieren.
Mini präsentiert sich auf der IAA erstmalig komplett im neuen Corporate Design. Im
Mittelpunkt des Auftritts steht die Weltpremiere des Mini Clubman. Mit der Neuauflage des
Erfolgsmodells tritt Mini erstmals in die nächsthöhere Fahrzeugklasse ein. Unter dem Leitgedanken „The Clubman Dialogues“ sind die Besucher unter anderem dazu eingeladen, das
9 Meter hohe digitale Schaufenster in der Standfassade durch Twitter-Botschaften mitzugestalten und die Produkt-Features an interaktiven Exponaten zu entdecken. Im Mini Lifestyle
Shop gibt es sogar vom Clubman inspirierte Accessoires wie Hüte, Brillen, Schuhe und Düfte.
70 REPORT AUTOMARKETING
A
lle zwei Jahre im September
versammelt sich die Autowelt
in Frankfurt, wenn mit der IAA
die größte Fahrzeugmesse ihre
Pforten öffnet. Die gesamte Autowelt?
Nein, denn in diesem Jahr bleibt mit Volvo erstmals ein wichtiger Player der bedeutendsten europäischen Pkw-Schau
fern. Was auf den ersten Blick wie ein
verzweifelter Tritt eines kriselnden Herstellers auf die Kostenbremse aussieht,
entpuppt sich bei der schwedischen Premiummarke als konsequente Marketingentscheidung mit Kalkül.
Denn Alain Visser, President Global
Brand Marketing der Volvo Group in der
Göteborger Unternehmenszentrale, hat
2014 entschieden, dass Volvo künftig weltweit nur noch auf drei Messen pro Jahr
Flagge zeigen wird in Genf, Detroit sowie
im jährlichen Wechsel in Peking beziehungsweise Shanghai. „Wir haben bei
großen Messen Millionen ausgegeben,
nur um zu zeigen, dass wir kleiner sind als
Audi, BMW und Mercedes“, sagt Visser.
Dies sei keine clevere Strategie.
„Auf einer Messe nicht präsent zu sein,
ist ein mutiger Schritt“, findet Göran Göring, Geschäftsführender Gesellschafter
der Agentur Stagg & Friends in Düsseldorf.
Dadurch würden jedoch Ressourcen frei,
um auch einmal kommunikative Experimente zu suchen (HORIZONT 16/2015).
Und so will Visser das Wachstum der Marke mit Investitionen in andere Marketingmaßnahmen weiter anschieben, keineswegs jedoch die Messebudgets einfach einsparen. Denn nachdem 2014 weltweit ein
Rekordabsatzvon465866verkauftenFahrzeugenvermeldetwurde,soll2015dieMarke von 500000 und 2020 von 800000 erreicht werden. Ohne Kommunikationsoffensive lassen sich die ambitionierten Ziele
indes nicht erreichen.
Nun mag es für Fans der schwedischen
Marke in Asien und Amerika verschmerzbar sein, die Objekte der Begierde nicht in Frankfurt aus der Nähe betrachten zu können. Für Volvo Deutschland jedoch bricht mit dem Verzicht auf
die IAA eine wichtige Begegnungsstätte
mit der Marke aus dem Plan. Denn von
den knapp 900000 IAA-Besuchern, so
Volker Brien, Geschäftsleiter Marketing
Communications, würden sich immerhin 90000 mit der Marke Volvo auseinandersetzen. Deshalb haben Brien und Thomas Bauch, der seit Februar 2014 die Geschäfte von Volvo Car Germany führt,
mit Hochdruck an einem Alternativkonzept gearbeitet, um das deutsche Publikum mit Volvo in Kontakt zu bringen.
B
Schwedenstil inklusive Kaffeebar und
Lounge. Im 1. Stock stehen bereits optisch
mit weißen Fliesen und großen Touchscreens Technikthemen im Vordergrund,
nicht zuletzt, um den Innovationsanspruch der Premiummarke zu demonstrieren, der laut Brien in der Markenwahrnehmung noch zu kurz komme. Die
Anmutung entspricht der neuen Showroom-CI „Volvo Retail Experience“, die
schrittweise bis spätestens 2020 bei den
Händlern umgesetzt wird.
Nach Sylt machte das Volvo Forum bereits bei der Hanse Sail in Rostock und den
Cruise Days in Hamburg Station, insgesamt stehen in diesem Jahr 15 Stationen
auf der Agenda, die laut Bauch 3,6 Millionen Bruttokontakte bringen sollen.
„2016 streben wir 4,5 Millionen Bruttokontakte mit 30 bis 40 Stationen des Volvo
Forums an, das sind fünfmal mehr als bei
der IAA“, rechnet Bauch vor. Abgesehen
Volvo verzichtet auf die IAA und sucht Kundenkontakt stattdessen
mit einem modularen Ausstellungskonzept
Volvo im Vorwärtsgang
Die schwedische Premiummarke hat als Teil des
chinesischen Geely-Konzerns einen Lauf. Der weltweite Absatz kletterte 2014 auf die Rekordmarke
von 465866 Fahrzeugen. In Deutschland stiegen
die Zulassungen von 25795 im Jahr 2010 auf
31919 im Jahr 2014. Von Januar bis August 2015
wurden hierzulande 22719 Volvo zugelassen, 11,2
Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bestseller
ist das Mittelklasse-SUV XC 60, gefolgt von den
Limousine-/Kombi-Reihen 40, 60 und 70. Das TopModell XC 90 liegt aktuell 2015 60 Prozent im Plus.
von Events im maritimen Umfeld, bei denen die Marke auch an ihr Segelsport-Engagement im Volvo Ocean Race anknüpfen kann, zählen Freizeitmessen, Kunstevents und kulinarische Veranstaltungen
zu den ausgesuchten Bühnen. „Auch ein
Architektenkongress ist für uns ein hochinteressantes Umfeld“, sagt Marketingchef
Brien. „Von 3000 Teilnehmern interessiert
sich dort jeder fünfte für Volvo, das ist eine
deutlich höhere Kontaktqualität.“ Man
habe intensiv analysiert, wo Volvo seiner
spezifischen Zielgruppe am besten begegnen könne. So dürfte ein Forum beispielsweise in einer Münchner Fußgängerzone
zu den weniger treffsicheren Auftritten
zählen. Den genauen Forum-Kalender
kommuniziert Volvo allerdings nicht,
schon allein, um Wettbewerber nicht
frühzeitig auf die Spur zu locken.
Markentempel: Dank
Modulkonzept kann sich
Volvo auf vielen Events
präsentieren
D
Mazda sucht die Nähe zu Mode, Design & Lifestyle
Auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas
und der Mobile World in Barcelona avancieren
Mercedes, Audi, BMW, Ford und Co seit 2013
zunehmend zu Stammgästen, um ihre Konnektivitäts- und Mobilitätskonzepte der Zukunft zu inszenieren. Mazda Deutschland hingegen begibt
sich seit 2014 außerhalb der klassischen Autoshows gezielt in die Welt von Mode, Design und
Lifestyle, um seine Marke in ein interessantes Licht
zurückenundmitZielgruppeninKontaktzutreten,
die in der Regel kein Benzin im Blut haben. Den
Auftakt bildete im Juli 2014 die Modemesse Bread
& Butter inBerlin, wo die Japaner ihre Designstudie
Hazumi präsentierten (HORIZONT 28/2014). Im
Frühjahr 2015 bildete der Mazda Design Space im
Rahmen der Milan Design Week einen Showroom
der besonderen Art, in dem Inszenierungen rund
um das markentypische Kodo-Design-Konzept
stattfanden. Neben Mode- und Designshows waren die Mazda-Auftritte auf der Eurobike in Friedrichshafen, der Food & Life in München sowie der
IFA in Berlin zu finden. Dort stand Anfang Septem-
ber dieses Jahres der neue Roadster im Rampenlicht, ausgestattet mit einem Bose Soundsystem.
Im Vergleich zu den generierten Leads auf einer
Automesse wie die AMI Leipzig, der Mazda 2014
fernblieb, hätte laut Marketingdirektor Dino Damiano Mazda-Präsenz auf der Bread & Butter, IFA,
EurobikeundFood&LifeeineverdoppelteZahlvon
Anfragen gebracht. Vor diesem Hintergrund wird
der Importeur an dem eingeschlagenen Weg raus
aus klassischen Automessen und rein in neue
JOZ
Themenumfelder auch 2016 festhalten.
FOTOS: MAZDA
ereits im Juli 2015 konnte das Volvo Forum genannte modulare
Ausstellungskonzept im Rahmen
des Surf Weltcups auf Sylt Premiere feiern. „Uns war wichtig, noch vor der IAA
zu zeigen, wie wir uns künftig den Kunden außerhalb der Autohäuser präsentieren“, sagt Bauch, zumal Volvo rund um
die IAA-Zeit weitgehend auf Kommunikation verzichte. Auf der Westerländer
Strandpromenade konnten Flaneure die
L-Version des Forums begutachten, die
mit neun Modulen in Standard-Container-Größe auf drei Ebenen und einer Fläche von 120 Quadratmetern und 9 Metern Höhe eine unübersehbare Landmark
darstellt, insbesondere mit dem „Jewel
Cube“, einem Schaukasten auf Ebene 3,
welcher das Top-Modell in Szene setzt.
Die Module M und S sind jeweils zweistöckig gestaltet, während das XS-Modul
mit zwölf Quadratmetern Grundfläche
als Anhänger gezogen und von Händlern
für kleinere Events gebucht werden kann.
Im Erdgeschoss erwartet die Besucher
eine
Wohnzimmeratmosphäre
im
Allein auf
weiter Flur
17. September 2015
FOTOS: VOLVO
Von Jochen Zimmer
HORIZONT 38/2015
Mazda fährt nicht nur auf Automessen vor, sondern präsentiert sein Kodo-Designkonzept im April 2015 beispielsweise auf der Milan Design Week
ie Koordination der Events liegt
bei Volvo Car Germany, die Auftritte vor Ort werden in enger
Zusammenarbeit mit Volvo-Partnern
durchgeführt. Diese können – auf eigene
Kosten – auch direkt auf die Module zugreifen und für Veranstaltungen im lokalen Umfeld nutzen, was sie laut Brien
auch rege in Anspruch nehmen. „Wir investieren für das Volvo Forum pro Jahr
1,7 Millionen Euro, also den Betrag, den
Volvo Car Germany bislang nur alle zwei
Jahre für die IAA aufgewendet hat“, umreißt Brien auch die finanzielle Größenordnung des Projekts.
Dadurch erhöhe sich auch der Anteil
von Events im Kommunikationsmix auf
ein Drittel, die damit ein ebenso wichtiges Standbein wie klassische und digitale
Maßnahmen bildeten. Selbstredend wird
der Zulauf zu den Volvo Foren dabei
nicht dem Zufall überlassen, sondern die
Auftritte im Vorfeld und im regionalen
Umfeld der Events gezielt kommuniziert.
Insgesamt ist das Projekt zunächst auf
fünf Jahre angelegt, wobei es natürlich
elementarer Bestandteil der langfristigen
Marketingstrategie ist. Und dies nicht
nur für Deutschland, wie auch Visser betont. Wenn sich das Konzept bewähre,
werde es sicher auch in anderen Ländern
eingeführt.
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 71
17. September 2015
Neu auf der
IAA
Vor allem die deutschen
Hersteller, aber auch viele
Importeure werden in
Frankfurt mit zahlreichen
frischen Modellen und
technischen Innovationen
aufwarten. HORIZONT
stellt die interessantesten
neuen Limousinen, SUVs
und Cabrios vor
Gegenwind
für den Golf
KompaktKlasse
Die Kompaktklasse bleibt heftig umkämpft
Mit saftigen Rabatten hat Volkswagen in
den vergangenen Monaten den Golf
angepriesen. Will man potenzielle Käufer
noch im letzten Moment davon abhalten,
sich für den neuen Opel Astra zu interessieren? Oder kriselt es allgemein in der
Kompaktklasse? Zumindest der Absatz
lässt sich nach wie vor sehen: Das bei
weitem wichtigste Segment im deutschen
Markt wuchs in den ersten acht Monaten
des Jahres auf über 563000 Neuzulassungen, ein Plus von 7,5 Prozent. Zum Vergleich: Im Gesamtjahr 2014 standen
unterm Strich lediglich 3,6 Prozent Steigerung. Doch im umkämpftesten Segment muss man auch mit geringen Margen und hartem Wettbewerb leben. VW
wird den Golf Anfang 2016 auffrischen,
ein Jahr später soll der Golf VIII
folgen – so lange muss die
Konkurrenz in Schach
gehalten werden. Auf
den Markt kom-
Im Jahr 2001 lief der letzte
Suzuki Baleno vom Band. Pünktlich zum
35-jährigen Jubiläum des japanischen
Herstellers in Deutschland feiert der
Kompaktwagen nun seine Wiedergeburt,
unter anderem mit innovativer Technologie wie einer Direkteinspritzung, um
Kraftstoff zu sparen und den Fahrspaß zu
erhöhen. Der Baleno ist die Serienversion
des Concept Car iK-2, das bereits auf dem
diesjährigen Genfer Autosalon vorgestellt
wurde.
VW Golf mit Abstand vorn
Top 5 Neuzulassungen in der Kompaktklasse
Neuzulas- Veränd. zu Neuzusungen
Vorjahres- lassungen
Jan. bis Aug. zeitraum
2014
2015
in Prozent gesamt
VW Golf
179 267
14,9
255 042
Audi A3, S3, RS3
39 950
–8,0
65 199
Škoda Octavia
38 250
7,7
52 620
Opel Astra
36 918
15,7
46 193
Ford Focus
34 441
–4,7
49 494
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
HORIZONT 38/2015
Assistenzsysteme, Komfortextras,
Frontkameras. Was eigentlich nur in
Premiumautos zu finden ist, steckt nun
auch im neuen Opel Astra. Dass die
Rüsselsheimer mit dem Flitzer die
Oberklasse ärgern möchten, zeigt auch
die von André Kemper und Scholz &
Friends erdachte Kampagne, in der der
Astra mittels Rampe Fahrzeuge von
Mercedes, Audi und Jaguar „überfliegt“.
Nach der IAA steht er bei den Händlern.
Redaktion:
Klaus Janke, Anna Lisa Lüft,
Giuseppe Rondinella
men dann auch der neue Ford Focus und
eventuell schon der nächste BMW 1er,
erstmals mit Frontantrieb. Zudem hat
Toyota gerade den Auris in überarbeitetem Design auf den Markt gebracht
(siehe Seite 88).
Weitere Konkurrenten in der Kompaktklasse geben sich auf der IAA mit
Novitäten die Ehre. So hat MercedesBenz der A-Klasse ein Facelift spendiert,
das Auto steht mit frischem Erscheinungsbild ab Ende September bei den
Händlern. PSA stellt den Peugeot 308
GTi vor, einen Kompaktsportler in Ausführungen mit 250 und 272 PS – er
könnte dem Golf GTI Käufer abjagen.
Komplett neu im Segment ist der Infiniti
Q30 der Premium-Schwestermarke von
Nissan. Auf Basis des GLA von Kooperationspartner Mercedes-Benz fährt der
Q30 mit bekannter Technik, wirkt aber
optisch wie ein SUV und liegt damit voll
im Trend.
Dynamisches Design und eine neue
Lichtsignatur an Front und Heck – das
fällt bei der vierten Generation des
Renault Mégane sofort auf. Selbstbewusst prangt das Markenemblem auf
dem breiten Kühlergrill und verbindet
optisch die beiden Scheinwerfer. Der
französische Hersteller will damit endlich
den Abstand auf den VW Golf wieder
verringern. Das Modell wird Anfang 2016
bei den Händlern erhältlich sein, ebenso
wie eine sportliche GT-Version.
Unter der vor fünf Jahren wiederbelebten
Marke DS Automobiles präsentiert PSA
eine neue Version der Premium-Kompaktlimousine DS 4. Mit schickem Design,
erneuerter Frontpartie, leistungsstarken
Motoren und erweiterten Variationsmöglichkeiten im Innenraum soll der DS 4
den „avantgardistischen Geist“ der Marke
unterstreichen, so PSA. Den DS gibt es nun
auch in einer zweiten Ausführung: Die
Crossback-Version (Foto), 30 Millimeter
höher und im SUV-Look, spricht Käufer
an, die es sportlicher mögen.
72 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
Mehr Technik,
mehr Raum
Mittel- bis
Oberklasse
Mittel- und Oberklasse mit optimierten Modellen
Mit dem Ghibli greift Maserati seit 2013 mit
einer Premium-Businesslimousine in der oberen
Mittelklasse an. Auf der IAA stellt der Sportwagenhersteller aus Modena neue Ausstattungsfeatures und verbesserte Technik vor,
in deren Genuss Ghibli-Käufer seit Juli ohne
Auspreis kommen. Dazu gehören verbrauchsärmere Euro-6-Motoren und eine serienmäßige
Start-Stop-Funktion. Auf Wunsch gibt es zudem
eine Totwinkel-Überwachung sowie einen
Siri-Assistenten. Darüber hinaus ist ein Ausstattungspaket für den Innenraum zu haben,
das in Kooperation mit dem italienischen
Modehaus Ermenegildo Zegna kreiert wurde.
Die Händler öffnen die Order-Bücher für
den neuen Audi A4. Kunden können
sowohl die Limousine als auch den
Avant ab sofort bestellen. In beiden
Mittelklassemodellen bietet die Marke
mit den vier Ringen neueste Antriebstechnologien sowie Infotainment- und
Fahrerassistenzsysteme. Seit 2007 fährt
sein Vorgänger durch die Straßen, 2011
gab es einige Retuschen. Nach dem A3
und vor dem A6 ist der A4 nach Neuzulassungen die zweitwichtigste
Modellreihe der Ingolstädter. Vielleicht
hat Audi deshalb eine große DesignÄnderung vermieden, vieles erinnert
äußerlich an den Vorgänger.
Sie haben es nicht einfach, die Limousinen
oberhalb der Kompaktklasse. Das Kostenbewusstsein der Fahrer steigt und macht ihnen
kleinere Modelle schmackhaft. Diese strecken
sich gleichzeitig in Technik und Ausstattung
nach oben und stellen die Vorteile
der Mittel- und Oberklasse infrage. Für deren Hersteller wird
es immer schwieriger, zusätzliche Features zu finden, um den
höheren Preis zu rechtfertigen.
Zudem sorgt der Kostendruck in
vielen Unternehmen dafür, dass die neue
Firmenwagen-Generation auch mal etwas
kleiner ausfallen kann. Und: Die betuchteren
Kunden ziehen immer häufiger SUVs vor.
Dennoch schlagen sich die Modelle in
diesem Jahr bislang tapfer: In der Mittelklasse
beträgt das Zulassungsplus in den ersten acht
Monaten des Jahres laut Kraftfahrt-Bundesamt 10,4 Prozent, in der Oberklasse 6,9 Prozent. Nur dazwischen, in der oberen Mittelklasse, ging es 8 Prozent bergab. In der Mittelklasse besetzt nach wie vor der VW Passat den
Spitzenplatz, gefolgt von der Mercedes CKlasse und dem Audi A4, die alle in diesem
Jahr deutlich zulegen konnten. Auf der IAA
wird unter anderem ein neuer A4 präsentiert,
der leichter und sparsamer als sein Vorgänger
ist. Darüber hinaus stellt Renault den Talisman
als Limousine und Kombi vor, dem Nachfolger
des Laguna. Mit sportlichem Heck, aber dennoch viel Stauraum, kommt er Anfang 2016 in
den Handel. Ebenfalls geräumiger soll die
neue Generation des Kia Optima werden. Gar
als „Raumriese“ wird zudem der Škoda Superb
Combi angekündigt, der in Frankfurt erstmals
auf einer Messe gezeigt wird.
Die obere Mittelklasse dominiert Audi klar
mit dem A6 vor dem BMW 5er und der Mercedes E-Klasse, deren grundlegend veränderte
Version in Frankfurt zu bestaunen ist. Mercedes-Benz beherrscht dagegen die luxuriöse
Oberklasse. Hier regiert die S-Klasse, die aber
in diesem Jahr Einbußen hinnehmen muss. Sie
bekommt im Oktober Konkurrenz von der
sechsten Generation des BMW 7er: Diese
bietet – nicht zuletzt mit Gestensteuerung – Technologie der
Superlative.
Mittelpunkt am BMW-Stand ist die sechste
Generation des 7er. Er ist das erste Fahrzeug,
das sich über Sprache, Touchscreen, Controller
und sogar Gesten steuern lässt. Die vielleicht
größte technische Innovation ist „Carbon
Core“: In die Rohkarosserie ist eine Art Rückgrat aus Kohlefaser eingearbeitet. So konnte
das Gewicht deutlich reduziert werden. Das
merkt man beim Fahren und Tanken, denn der
neue 7er ist um bis zu 20 Prozent sparsamer als
sein Vorgänger.
Platzhirsche dominieren
Top 5 Neuzulassungen Mittel- bis Oberklasse
Neuzulas- Veränd. zu Neuzusungen
Vorjahres- lassungen
Jan. bis Aug. zeitraum
2014
2015
in Prozent gesamt
Mittelklasse
VW Passat
65 449
35,6
72 153
Mercedes C-Klasse
46 464
28,9
60 350
48 278
Audi A4, S4, RS4
36 832
12,2
BMW 3er
27 531
–30,4
55 681
BMW 4er
14 344
30,9
16 513
39 596
Obere Mittelklasse
Audi A6, S6, RS6
29 735
11,6
BMW 5er
21 701
–19,6
38 733
Mercedes E-Klasse
20 682
–16,9
37 117
Volvo 70
2 508
9,8
3 476
Jaguar XF
1 460
–18,2
2 466
Mercedes S-Klasse
5 149
–11,8
8 688
Mercedes CLS
3 630
36,3
4 456
Audi A7, S7, RS7
3 244
60
3 059
Audi A8, S8
2 507
–1,5
3 590
BMW 6er
1 540
–10
2 291
Oberklasse
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Das Traditionsmodell der Schwaben, die Mercedes E-Klasse, ändert
sich Anfang 2016 grundlegend: Die kommende Generation wird länger,
leichter und komfortabler. Viele neue Hightech-Extras sollen die
Baureihe zudem zum „sichersten und fortschrittlichsten Auto der Welt“
machen. Einsteigen und Ausparken wird zukünftig über das Smartphone geregelt. Mit einem Chip wird es zum Türöffner und mit einer
App zur Fernbedienung, mithilfe derer die E-Klasse in eine Parklücke
ferngesteuert werden kann. Neu ist auch „Pre-Safe Sound“: Um das
Trommelfell im Falle eines Unfalls vor Schäden zu schützen, spielt das
Soundsystem künftig ein Rauschen ein, bevor es knallt. Die meisten
anderen Features wie „Intelligent Drive“ sind Weiterentwicklungen der
Sicherheitssysteme aus den aktuellen E- und S-Klasse-Modellen und
sollen den Fahrer spürbar entlasten.
76 REPORT AUTOMARKETING
Ganz große Hoffnungen setzt Ford in das Boom-Thema
SUV. Bis Ende 2016 sollen in diesem Segment allein in
Europa pro Jahr 200000 Fahrzeuge
verkauft werden, was eine Verdreifachung
gegenüber 2013 bedeuten würde. Um
die Angebotspalette nach oben
abzurunden, stellt der USHersteller nach dem kompakten
Eco-Sport und dem mittelgroßen Kuga nun den Ford
Edge vor, die dritte Säule des
europäischen SUV-Programms. Das Modell soll mit
besonderer Kraftstoffeffizienz
und vergleichsweise niedrigen CO2-Emissionen
punkten. Die Markteinführung
ist für Mitte 2016 geplant.
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Elektrisches Fahren soll Fahrspaß bedeuten, nicht Verzicht. Diese Botschaft will Audi auf der IAA mit dem E-tron Quattro Concept vermitteln.
Die Studie ist Vorbote des Q6, der 2017 als Elektroauto auf den Markt
kommen soll. Das SUV verfolgt das „Aerosthetics“-Konzept: weniger
Luftwiderstand und kreative Designlösungen. Der Wagen wirkt dynamisch, bietet im großzügigen Innenraum für vier Personen Platz und liegt
in der Länge zwischen den Modellen Q5 und Q7. Die Reichweite beträgt
beeindruckende 500 Kilometer.
Mit dem Bentayga bringt die VW-Tochter Bentley erstmals einen SUV ins
Programm. Er soll den Boom sportlicher Geländewagen in die Luxusklasse
tragen – und das macht sich auch am Preis bemerkbar: Etwa 200000 Euro
muss man für den Wagen berappen. Das Design des braunen Riesen ist
etwas gefälliger als bei der Studie EXP9F, die Bentley als Vorbote des
Serienmodells vor gut drei Jahren auf dem Genfer Autosalon präsentierte.
Dennoch kommt der Bentayga mit pfannengroßen Scheinwerfern und
superbreitem Kühlergrill als echte Wuchtbrumme daher. Und trotzdem
verrät das Datenblatt spektakuläre Zahlen: in 4,1 Sekunden von null auf
hundert und eine Höchstgeschwindigkeit von 301 Stundenkilometern.
Beim Head-up-Display, dem Navigations- und Infotainmentsystem sowie
dem Assistenzsystem bedienen sich die Briten aus dem Teileregal des
VW-Konzerns. Die Auslieferung des Bentayga soll Anfang 2016 starten.
Über 2,2 Millionen Exemplare des Lexus RX wurden bislang verkauft
– er ist damit das meistverkaufte Modell in der 26-jährigen Geschichte der Marke. In Frankfurt feiert die vierte Generation des
Premium-SUV Premiere. Die Version ist wahlweise mit neu entwickeltem Hybridantrieb oder Vierzylinder-Turbomotor erhältlich. Sie
soll im frisch gestalteten Innenraum mit einer ausgewogenen Balance
aus Funktionalität und luxuriösem Ambiente überzeugen. Neu sind
überdies Sicherheits- und Assistenzsysteme wie das Lexus Safety
System sowie weitere Technik- und Komfort-Features. Die aktuelle
Version des Lexus RX steht ab Januar 2016 bei den Händlern.
Das Erscheinungsbild des Mitsubishi
Outlander sei bislang „nicht sehr sexy“
gewesen, erklärte sogar ein PR-Manager
des japanischen Herstellers. Deshalb gibt
es das Midsize-SUV nun mit komplett
überarbeiteter Karosserie. Vor allem das
modernisierte Frontdesign, neu gestaltet
nach dem „Dynamic Shield“-Prinzip von
Mitsubishi, sticht ins Auge. Darüber
hinaus soll die aktuelle Version, die Ende
September in den Handel kommt, unter
anderem mit einem aufgewerteten
Innenraum, besserer Geräuschisolierung
und einem optimierten Rangiersystem
Käufer locken. Der Outlander ist als
Benziner, Diesel und Plug-in-Hybrid
erhältlich.
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
SUV
Mit der Entwicklung des Vorgängermodells war BMW 2009schneller als die Konkurrenz – weder
Audi noch Mercedes hatten zum damaligen Zeitpunkt einen
Kompakt-SUV im Portfolio – und unglaublich erfolgreich. Die
zweite Generation des X1 soll sich ähnlich gut schlagen. Das
neue Modell bietet mehr Platz und bessere Technik. Bei den
Assistenzsystemen hat BMW ordentlich nachgelegt, die
Serienausstattung wurde beispielsweise um das Bediensystem iDrive, Regensensor und Fahrerlebnisschalter erweitert. Außerdem ist er mit einem Verbrauch von bestenfalls
4,1 Litern um 17 Prozent sparsamer als der erste X1. Der BMW
X1 startet im Anschluss an die IAA im Oktober 2015.
REPORT AUTOMARKETING 77
Run auf die
Robusten
Das SUV-Segment bekommt noch mehr Zuwachs
Sie verkörpern Sport, Abenteuer und einen
aktiven Lifestyle – und treffen damit seit Jahren genau den Zeitgeist: SUVs und Geländewagen sind das Pendant zur Cargo-Hose, in
die der Banker am Wochenende schlüpft, um
sich bodenständig zu geben. Die Umweltschutz-Diskussion prallt wirkungslos am
Boom-Segment ab, und so steht auch in diesem Jahr wieder ein fettes Plus unter der Absatzstatistik: Laut Kraftfahrt-Bundesamt
wurden von Januar bis August gut 221000
SUVs neu zugelassen, ein Plus von 14,5
Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Zudem wurden knapp
170000 Geländewagen abgesetzt, was einer Steigerung
von 7,6 Prozent entspricht.
Das kontinuierliche SUVWachstum ist vor allem den
kompakten Modellen wie
Opel Mokka, Ford Kuga,
Nissan Qashqai und Škoda
Yeti zu verdanken.
Auf der IAA wird unter anderem
die neue Generation des Platzhirschs VW
Tiguan vorgestellt, der seit mittlerweile acht
Jahren gebaut wird und das Segment beherrscht. Herausgefordert wird er unter anderem von der Hyundai Kia Automotive Group
in Südkorea. Hyundai hat den Nachfolger des
iX 35 bereits auf den Markt gebracht, der nun
wieder den früheren Namen Hyundai Tucson
trägt. Kia stellt in Frankfurt die neue Generation des Sportage erstmals vor, die vor allem
mit einem größeren Gepäckraum und
neuen Motoren überzeugen soll.
Auch die Premium-Hersteller geben sich in Frankfurt
mit neuen Entwicklungen die
Ehre: Mercedes-Benz setzt mit
dem GLC auf kurvige Sportlichkeit, BMW bietet mit dem
erneuerten X1 deutlich mehr
Platz, und Jaguar steigt mit dem
F-Pace erstmals ins florierende
Segment ein. Und: Die VW-Tochter Bentley
entert mit dem Bentayga die Luxusklasse. Mit
einem Einstiegspreis von rund 200000 Euro
dürfte er zum teuersten Geländewagen der
Welt werden.
Für Spannung dürfte vor allem das Comeback der Marke Borgward sorgen. Das gleichnamige Bremer Unternehmen produzierte
von 1924 bis zum Konkurs 1961 über eine
Million Fahrzeuge und war zeitweise drittgrößter Autohersteller Deutschlands. Haupteigner des heute in Stuttgart ansässigen Nachfolgeunternehmens ist ein chinesischer Nutzfahrzeughersteller. Borgward stellt auf der IAA
ein mittelgroßes, rund 4,70 Meter langes SUV
unter dem Namen BX-7 vor. Gebaut wird es in
China, wo auch im nächsten Jahr die ersten
Exemplare zu kaufen sind. Der Marktstart für
Deutschland wird für 2017 erwartet.
Vor acht Jahren stellte Volkswagen seinen Kompaktklasse-SUV Tiguan auf der IAA erstmals vor. Seitdem
rangiert er bei den deutschen SUV-Zulassungszahlen
regelmäßig ganz oben. Im Vergleich zu seinem Vorgänger wird der Nachfolger ein paar Zentimeter länger,
breiter und kantiger. Trotzdem hat er rund 60 Kilogramm abgespeckt. Die Technik teilt sich der VW Tiguan
zu großen Teilen mit dem Passat und dem Golf: Auch er
basiert auf dem MQB genannten modularen Querbaukasten und ist als Frontantriebs- sowie Allradversion zu
bekommen. Ebenfalls neu ist eine Vielzahl von modernen Sicherheitsassistenten wie beispielsweise einem
Stauassistenten. Der Tiguan kommt im Frühjahr 2016 in
den Handel.
Kompakte fahren voraus
Der Nachfolger des Mercedes GLK trägt
den Namen GLC und kommt deutlich
eleganter daher: Die harten Kanten
sind nun rund, außerdem ist der
Geländewagen in der zweiten
Generation 80 Kilogramm leichter
und deutlich länger. Für Sicherheit sorgen Fahrerassistenzsysteme, die schon aus der C-, Eund S-Klasse bekannt sind, wie
zum Beispiel ein Lenk-Assistent
und ein Kollisionswarner. Besonders stolz ist man bei Mercedes
darauf, den Wagen auch als
Plug-in-Hybrid anbieten zu können:
Ein 115 PS starkes Elektromodul
unterstützt den Turbobenziner
während der Fahrt.
Top 5 Neuzulassungen SUV/Geländewagen
Neuzulas- Veränd. zu Neuzusungen
Vorjahres- lassungen
Jan. bis Aug. zeitraum
2014
2015
in Prozent gesamt
VW Tiguan
37 589
–14,8
61 947
Opel Mokka
21 089
21,7
27 693
Ford Kuga
18 722
11
25 751
Nissan Qashqai
18 073
10,4
24 558
Hyundai ix 35
16 710
41,5
18 678
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
HORIZONT 38/2015
Der Name ist Programm: Alle Designelemente der
Studie 20V20 von Seat sollen innerhalb der nächsten
15 Jahre bei den Serienmodellen zu finden sein. Das
Concept Car wurde erstmals auf dem diesjährigen
Genfer Autosalon vorgestellt und sorgte dort vor allem
wegen seines Designs für Furore. Das Kompakt-SUV ist
4,66 Meter lang, unter der Hülle steckt die Technik der
nächsten Generation des VW Tiguan. Die Studie
wartet noch mit einer weiteren Besonderheit auf:
Wenn der „Veinte Veinte“ tatsächlich mal liegen
bleibt, kann man dem Kofferraum das E-Zweirad
„Hovertrax“ entnehmen und weiterfahren. Der Seat
20V20 hat den Designpreis Automotive Brand Contest
in der Kategorie „Concepts“ gewonnen, der im Rahmen
der IAA verliehen wurde.
78 REPORT AUTOMARKETING
Cabriolets
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Die Rückkehr
der Offenheit
Hersteller setzen wieder verstärkt auf Cabrios
Offen für alles durch die Landschaft rauschen –
das ist die ganz besondere Fahrfreude, für die
schon immer das Cabriolet steht. Aber die Faszination der Dachlosigkeit hat in den vergangenen
Jahren etwas nachgelassen. Wer „das Abenteuer“
sucht, steigt immer häufiger auf ein SUV um.
Zudem gilt es vielen als überflüssiger Luxus, ein
Cabrio als Zweitwagen in der Garage stehen zu
haben. Insgesamt 76641 Cabriolets wurden laut
Kraftfahrt-Bundesamt im vergangenen Jahr neu
zugelassen, gut zwei Drittel davon zählen zu den
Family Cabriolets, der Rest sind Roadster. Insgesamt bedeutete das ein Minus von 5,1 Prozent
gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auch in diesem Jahr ist der Abwärtstrend bislang nicht zu
stoppen: Von Januar bis Juli wurden 3,5 Prozent
weniger Cabrios neu zugelassen als im Vorjahreszeitraum. Während sich die Family Cabriolets
hielten, erwischte es vor allem die Roadster mit
einem Minus von 12,8 Prozent.
Aber mittlerweile glauben die Hersteller
an ein Comeback der Freiluftkultur, was
am großen Angebot auf der IAA
abzulesen ist: Mercedes zeigt ein
Cabrio der S-Klasse,
BMW den Rolls-
Royce
Dawn, und
VW hat dem
offenen Golf ein dezentes Facelift verpasst.
Frische Impulse will zudem
Mazda setzen. Der japanische Hersteller brachte vor 25 Jahren den Mazda
MX5 auf den Markt, der einen neuen RoadsterKult entfachte und den Blick vieler Konkurrenten
überhaupt erst wieder auf das Segment lenkte. In
diesem Monat kommt mit der vierten Generation
eine abermals leichtere, effizientere und puristischere Version auf den Markt. In Frankfurt präsentieren sich darüber hinaus die offenen Sportwagen Ferrari 488 Spider und Lamborghini
Hurácan Spyder.
Anfang der 70er Jahre gab es zuletzt eine S-Klasse als Cabrio. 44
Jahre danach nimmt Mercedes einen neuen Anlauf und präsentiert
das erste S-Klasse-Cabrio der Neuzeit. Dabei setzen sich die
Schwaben hohe Ansprüche: Die S-Klasse soll das komfortabelste
Cabriolet der Welt sein. Der Viersitzer behütet seine Passagiere zwar
nur mit einem traditionellen faltbaren Stoffverdeck. Die Zeichen
stehen sonst aber ganz auf S-Klasse. Marktstart ist pünktlich zur
Saison im Frühjahr 2016.
Für die Studie Cactus M, die Citroën auf der IAA vorstellt,
kreuzen die Franzosen zwei ihrer originellsten Modelle: den
C4 Cactus und das legendäre Strandauto Citroën Méhari.
Heraus kommt ein robuster Kleinwagen, der perfekt ist für
jegliche Outdoor-Aktivität: Durch Neopren-Sitze und Abflüsse im Fußraum lässt sich der Innenraum der Studie leicht
mit einem Wasserstrahl reinigen, die Dachreling eignet sich
bestens für den Transport eines Surfbretts oder anderen
Freizeitgeräts. Den Fahrgastraum kann man leicht in eine
Liegefläche und das Verdeck zum Zelt umbauen.
„Lebensfreude in der Stadt“ soll sie nach Herstellerangaben bieten, die neue, mittlerweile dritte Generation des Smart Cabrio. Dafür steht das Konzept „Drei
Autos in einem“. Der geschlossene Zweisitzer lässt sich
auf Knopfdruck zu einem Auto mit großem Faltschiebedach oder zu einem komplett offenen Cabrio
verwandeln. Dafür sorgen das Tritop-Faltverdeck und
die herausnehmbaren Dachholme. Das Smart Cabrio
führt die Linie seiner Vorgänger fort, die bislang laut
Hersteller 220000 Käufer fanden. Das Design wirkt
etwas dynamischer, die Spitzengeschwindigkeit wurde
auf 155 Stundenkilometer erhöht. Bestellt werden kann
das Smart Cabrio ab November, rechtzeitig zur OpenAir-Saison rollt es im Februar 2016 zu den Händlern.
Beetle gibt kräftig Gas
Top 5 Neuzulassungen Cabriolets
So sieht Ultra-Luxus aus: Rolls-Royce Dawn heißt die CabrioVersion des spektakulären Edel-Coupés Wraith. Der Viersitzer
bietet nicht nur das leiseste Stoffverdeck der Welt, sondern soll
bei geschlossenem Verdeck genauso geräuscharm sein wie die
Wraith-Limousine. Aber letztlich geht es beim „sexiest RollsRoyce ever built“ (Markenchef Torsten Müller-Ötvös) nicht um
Details, sondern das Gesamtbild: Alles ist hier am Maximum,
von der edlen Innenausstattung bis zu den 571 PS, mit denen
man standesgemäß schnell vom Fleck kommt. Mit einem
Verkaufspreis von rund 330000 Euro liegt die „Sommeryacht
auf Rädern“ („Spiegel“) beim Rennen um das teuerste Auto auf
der IAA ganz vorn.
Titel
Neuzulas- Veränd. zu Neuzusungen
Vorjahres- lassungen
Jan. bis Aug. zeitraum
2014
2015
in Prozent gesamt
VW Beetle
7290
28,7
6940
VW Golf
6855
0
7707
BMW 2er
5153
k.V.m.*
0
BMW 4er
4610
5,4
5730
Audi A3
4587
16,5
5105
* k.V.m.: kein Vergleich möglich
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt
HORIZONT 38/2015
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Übers
Ziel
hinaus
Auf der IAA werden wieder
Konzeptfahrzeuge präsentiert, die einen Blick in die
Zukunft des Automobils ermöglichen. HORIZONT
stellt eine Auswahl der
interessantesten Studien vor
REPORT AUTOMARKETING 79
„Koeru“ ist japanisch und bedeutet „etwas übertreffen“. Die
gleichnamige Studie von Mazda legt die Messlatte also relativ
hoch. Es handelt sich dabei um ein Crossover-SUV-Konzeptfahrzeug, mit dem die Japaner die Nische der SUVCoupés erobern wollen – das lässt zumindest eine erste Skizze
vermuten. Optisch orientiert sich Mazda an der bekannten
Designsprache Kodo. Unter dem Blechkleid stecken außerdem die neuesten Skyactive-Technologien des Autobauers.
A. Lüft und G. Rondinella
Sollten Autos zukünftig geräuschlos
unterwegs sein, etwa elektronisch,
werden Klänge immer wichtiger.
„Fractal“ heißt eine Studie von Peugeot, die neben dem visuellen und
haptischen auch den auditiven Sinn
ansprechen soll. „Stel Lab“, eine
Forschungseinrichtung von PSA, hat
das innovative Soundsystem 9.1.2
entwickelt, das etwa Subwoofer in die
Rückenlehne integriert, sodass Musik
direkt durch den Körper wabert. Fast
jede Aktion des Fahrers, etwa Blinker
setzen, wird mit einem passenden
Geräusch untermalt. Die komplette
von Klangdesigner Amon Tobin
entwickelte Soundsignatur der Studie
entspricht dem Ambiente eines
Konzertsaals oder Aufnahmestudios.
Unter dem Namen Hyundai N präsentieren die
Südkoreaner eine neue Hochleistungssparte.
Aufbauend auf den Motorsport-Erfolgen, wird N
leistungsorientierte und sportliche Fahrzeuge auf
den Markt bringen. Auf der IAA werden nun
erstmals die aktuellen Produktentwicklungen
präsentiert. Im Falle des Hyundai N 2025 Vision
Gran Turismo wird der Sportwagen seine ersten
Runden ebenfalls im Playstation-Spiel „Gran
Turismo“ drehen. Er gebe „einen Ausblick auf die
Vision der Marke und ihre zukünftigen Leistungsmerkmale“, heißt es bei Hyundai.
„IAA“ – Intelligent Aerodynamic
Automobile – heißt die Designstudie,
die Mercedes-Benz am Montag auf
der Frankfurter Messe präsentierte.
Wegen seiner besonders aerodynamischen Tropfenform gilt der Viersitzer
als Fahrzeug mit dem geringsten
Strömungswiderstandskoeffizienten
der Welt (cw-Wert: 0,25). Die Verkleidung der Felgen verändert ab
einem Tempo von 80 Stundenkilometern ihre Form, um noch besser
durch den Wind zu gleiten. Außerdem
schieben sich acht Luftleichtbleche
elektrisch aus dem Heck, verlängern
die Sportlimousine um 40 Zentimeter
und bringen den Wagen noch näher
an die Tropfenform.
80 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
„Nicht im Showroom warten“
FOTO: FIAT
FCA-Germany-CEO
Henrik Starup-Hansen
über den Spagat, Alfa
Romeo als Premiummarke neben Jeep neu
zu starten, ohne die
Volumenmarke Fiat zu
vernachlässigen
Von Jochen Zimmer
D
er neue Deutschland-Chef
der FCA Group hat eine volle
Agenda. Vor allem der Angriff
der Traditionsmarke Alfa Romeo darf nicht ins Leere laufen und soll
im Verbund mit dem erfolgreichen SUVSpezialisten Jeep diesmal gelingen. Doch
auch die hauptsächlich vom 500 lebende
Volumenmarke Fiat soll ihr Terrain mit
neuen Modellen und intensiverer Kooperation mit den Händlern verteidigen.
Gibt es bereits einen Fahrplan für die
Einführungskampagne?
Unsere Kommunikationsoffensive werden wir erst starten, wenn wir im 1.
Quartal 2016 im Produktionsanlauf sind.
Ohne die Produkte auf der Straße zu haben, wäre ein Werbefeuerwerk nicht sehr
effizient. TV wird für Alfa Romeo nur
eine untergeordnete Rolle spielen – Fernsehen ist zwar wichtig für Awareness,
aber ich glaube nicht, dass mein Kind
unbedingt wissen muss, dass wir eine
Giulia anbieten. Stattdessen wollen wir
uns viel stärker an den Geschäftskunden
orientieren und in dieser Richtung kommunizieren. Wir brauchen einen intensiven, langfristigen Werbedruck bei der
Zielgruppe.
Alfa Romeo stellt nach langer Durststrecke auf der IAA die Limousine Giulia vor. Wie herausfordernd ist es denn
für FCA Germany, die Neupositionierung der Marke in die Tat umzusetzen?
Zunächst muss ich betonen, dass es bei
uns ja nicht allein um Alfa Romeo geht,
sondern um eine große Produktoffensive
bei Fiat Chrysler Automobiles im Allgemeinen. Für Fiat, Fiat Professional, Jeep,
Abarth und eben Alfa Romeo haben wir
jeweils ambitionierte Fünfjahrespläne
formuliert, um die Volumen bei FCA
weltweit deutlich zu steigern.
Der Mehrmarken-Chef
Seit Februar 2015 steht Henrik
Starup-Hansen als Nachfolger
von Eric Laforge an der Spitze
von FCA Germany und verantwortet die Entwicklung der
Marken Fiat, Fiat Professional,
Jeep, Alfa Romeo, Abarth
sowie Lancia, das sich 2016
vom deutschen Markt zurückzieht, und der Zubehörsparte
Mopar. Der 51-Jährige leitete
bislang in der Turiner Konzernzentrale die Transportersparte
Fiat Professional in der Region
EMEA. Den deutschen Markt
kennt er aus seiner Zeit als
Marketingmanager der
Lastwagenmarke Iveco in den
Jahren 2005 bis 2010. Seine
Karriere startete der gebürtige
Däne 1989 nach dem Studium
der Finanzwirtschaft bei Iveco
in Dänemark.
Gilt das auch für Jeep, wo Sie bei Grand
Cherokee, Cherokee und Renegade stärker im TV Präsenz gezeigt hatten?
Auch bei Jeep haben wir jüngst die Kommunikation in Richtung gewerbliche
Kunden verstärkt, nicht zuletzt mit speziellen Leasingangeboten. Jeep hatte aber
auch bislang schon einen relativ hohen
Anteil gewerblicher Kunden, auch ohne
systematische Bearbeitung des Terrains.
Wir werden das jetzt aktivieren, zumal
unser Portfolio für die Zielgruppe ja auch
mit den neuen Alfa-Romeo-Modellen
abgerundet wird.
Aber den weitesten Weg haben Sie angesichts aktuell marginaler Verkaufszahlen doch mit Alfa Romeo vor sich?
Das liegt auch daran, dass wir Alfa Romeo
stärker als Premiummarke profilieren
möchten – gemeinsam mit Jeep, das sich
in dieser Hinsicht bereits sehr erfolgreich
entwickelt hat. Während die US-Traditionsmarke für Offroad-Kompetenz steht,
setzt Alfa die sportlichen Akzente. Nach
der Giulia werden in den nächsten Jahren
acht bis neun neue Modelle diesen Anspruch mit Leben erfüllen. Dabei knüpfen wir an erfolgreiche Vorgängermodelle
in oberen Segmenten an, wie etwa Alfa
159 und 166. Wir waren hier längere Zeit
nicht vertreten, sehen aber gerade deshalb enormes Potenzial.
Wie können Sie denn die gegenwärtig
gebeutelten Händler von Zukunftsinvestitionen überzeugen?
Wir haben den Händlern vor kurzem im
Alfa-Romeo-Museum in Arese einen
Blick in die Zukunft der Marke gegönnt
und konnten mit den neuen Modellen
begeistern. Zudem führen die AlfaHändler in der Regel auch Jeep im Portfolio und repräsentieren die beiden Premiummarken – in eigenständigen Showrooms. Einige vertreten zusätzlich Fiat,
aber dies auf getrennter Fläche.
Eine neue Showroom-Optik wird aber
nicht genügen, um den Premiumanspruch einzulösen.
Deshalb legen wir sehr großen Wert darauf, unsere Verkäufer zu schulen und
insbesondere in den Großstädten mit viel
Potenzial dezidierte Premiumverkäufer
zu haben – jeweils für Jeep und Alfa. Der
Einsatz von Software-Support und iPads
gehört dabei wie bei den Wettbewerbern
zum Standard.
Warum beschränken Sie sich auf den
Doppelpass zwischen Jeep und Alfa?
Mit Maserati haben Sie doch eine weitere Nobelmarke im Portfolio, die zudem nun auch technisch mit Alfa Romeo Verbindung hat. Das wäre doch ein
schönes Premium-Trio.
Maserati hat sein Eigenleben, manchmal
mit Ferrari, manchmal ohne. Aber Maserati ist eine eigenständige Marke und
wird total getrennt von Alfa und Jeep geführt. Das bleibt auch so.
Die Alfa-Fans sehnen sich nach neuen
schen in Deutschland gemeinsam mit
Mercedes das Feld. Aber ich bin überzeugt, dass wir mit unseren italienischen
Qualitäten in Bezug auf Performance und
Style punkten werden. Die ersten intern
präsentierten Kampagnenmotive sind
sehr vielversprechend.
Können Sie dabei Synergien mit Fiat
Professional nutzen, das mit Nutzfahrzeugen wie Dobló und Ducato ein etablierter Player im Markt ist?
Das können wir vertriebstechnisch sicherlich tun, kommunikationstechnisch
eher weniger. Der Weg von Fiat Professional, Produkte zu verkaufen, ist sehr rational und faktenbasiert. Beim Jeep
Grand Cherokee, aber auch bei einem Alfa Romeo Giulia kommt es selbst im Flottengeschäft sehr auf Emotionen an.
Modellen. Aber hat Alfa noch Strahlkraft über diesen engen Kreis hinaus?
Wir hatten nach der Weltpremiere Ende
Juni in Arese bereits 1000 Kaufinteressenten allein in Deutschland. Europaweit
waren es 4000.
Wie halten Sie die Interessenten bei der
Stange?
Wir kommunizieren direkt mit ihnen via
Internet und über ein Callcenter. Wir halten sie mit Produktinformationen,
Newslettern und Terminen auf dem Laufenden, laden sie etwa zur IAA ein.
Reicht das aus, um dem Neustart den
nötigen Schwung zu verleihen?
In der Tat hat Alfa Romeo aufgrund des
derzeit noch geringen Produktangebots
zuletzt an Awareness verloren. Diese wollen wir wieder erhöhen, aber sehr fokussiert auf die relevanten Zielgruppen und
ausgerichtet an deren Mediennutzungsund Konsumverhalten. Dabei legen wir
sehr großen Wert auf den direkten Produktbezug. So setzen wir auf den Flughäfen in München, Frankfurt, Düsseldorf
und Hamburg von September bis mindestens Mitte nächsten Jahres den 4C und
nach der IAA die Giulia auf Stellflächen in
Szene. Auch Pop-Up-Stores kann ich mir
beispielsweise gut vorstellen.
Seit gut zwei Jahren ziert das Alfa-Logo
das Trikot von Eintracht Frankfurt. Ist
ein Fußball-Engagement mit der neuen
Ausrichtung von Alfa noch vereinbar?
Das ist sicherlich nicht genug. Auf Konzernebene arbeiten wir an einer übergeordneten Sponsoring-Strategie, um die
Marke nicht nur in Deutschland, sondern
überall zu unterstützen – auch hier auf
die Zielgruppen gerichtet. Motorsport
wird dabei sicherlich eine gewisse Rolle
spielen.
Bei der Offroad-Marke Jeep ist die Positionierung klar, Alfa hingegen konkurriert mit seiner sportlichen Note
stark mit den deutschen Premiumanbietern. Wie wollen Sie da den Unterschied machen?
BMW und Audi zählen sicherlich zu den
direkten Wettbewerbern, und sie beherr-
Kommt bei Ihrem Fokus auf Alfa und
Jeep Ihre Kernmarke Fiat nicht zu kurz?
Schließlich ist FCA Germany eine überschaubare Unit und kann nicht gleichzeitig auf allen Hochzeiten tanzen.
Für uns stehen alle Marken gleichermaßen im Fokus. Nur weil wir die Giulia in
den Markt bringen, verkaufen wir nicht
weniger Fiat. Wenn Sie das Werbebudget
unserer Kernmarke reduzieren, verlieren
Sie Volumen – das ist kein sinnvoller Weg.
Umso mehr, als wir auch bei Fiat neue
Modelle bringen: Im November wird etwa der neue 124 Spider in den USA präsentiert, der 2016 bei uns starten wird.
Nach den Zahlen der aktuellen Zulassungsstatistik scheint Fiat Pkw aber
hierzulande nur noch vom 500 zu leben.
Punto und Panda haben stark verloren.
Ist das für einen Volumenanbieter nicht
zu einseitig?
Wir haben über die Jahre in der Tat sehr
stark auf den 500 gesetzt. Wobei wir jetzt
mit drei separaten Baureihen eine kleine
500er-Familie am Start haben: der Minivan 500L und der Kompakt-SUV 500X
brauchen in ihren neuen Segmenten
noch etwas Zeit, um sich zu etablieren.
Panda und Punto haben zuletzt verloren,
ziehen im Moment aber wieder an, da wir
in diesem preisintensiven Segment mit
taktischen Aktionen unterwegs sind.
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 81
17. September 2015
Jeep stellt Italiener in den Schatten
Neuzulassungen ausgewählter Modelle der Fiat-Chrysler-Gruppe in Deutschland
Welche Kommunikationskanäle stehen
denn dabei im Vordergrund?
Das hängt vom Produkt ab. Den Fiat 500,
dessen Käufer häufig Frauen Mitte 40
sind, hatten wir stark im TV beworben.
Jetzt sprechen wir die Kunden auch mit
Anzeigen in Modemagazinen an. Für den
500X interessieren sich überdurchschnittlich viele technikaffine Männer ab
60 Jahren, deshalb sind wir in Autozeitschriften präsent. Den Panda-Kunden
wiederum erreichen wir eher mit rationalen Preisargumenten. Zwar sind wir
2015 überproportional im TV unterwegs,
aber wir haben eine bessere Balance zwischen Markenimage und Abverkaufszielen – bezogen auf die gesamte Produktrange.
Welchen Stellenwert haben digitale Medien in Ihrem Kommunikationsmix?
Wir legen sehr viel Wert auf digitale Kommunikation – in Deutschland wie auf
Konzernebene. 70 Prozent der Käufer haben sich im Internet informiert, bevor sie
in den Showroom kommen. Die Suchphase ist für den Kunden sehr wichtig,
und deshalb investieren wir sehr stark in
digitale Instrumente. Wir haben allein in
Deutschland fünf Berater von Accenture
für dieses Terrain im Dauereinsatz, und
auch Turin baut die Internet-Infrastruktur massiv aus.
Eines der Buzzwörter ist zurzeit Content Marketing, um mit eigenen Inhalten mit der Zielgruppe im Dialog zu
Fiat gesamt inkl. Sonstige
500
Ducato
Panda
Punto
Abarth**
Jeep gesamt inkl. Sonstige
Grand Cherokee
Compass / Cherokee
Wrangler
Alfa Romeo gesamt inkl. Sonstige
Giulietta
Mito
Lancia gesamt inkl. Sonstige
Voyager
Ypsilon
2015
(Jan. bis Aug.)
2014
2013
2012
2011
2010
50 024
21 867
17 565
4 389
1 751
1 054
9 641
3 072
1 743
1 554
1 966
1 617
345
629
566
58
68 103
29 920
19 851
7 357
4 760
1 128
10 268
4 110
2 784
1 884
3 391
2 585
805
1 262
821
317
67 753
29 024
17 721
9 529
5 556
1 110
6 899
3 931
1 318
1 648
3 625
2 547
1 050
1 606
786
420
72 755
20 018
17 252
15 965
10 244
1 162
6 614
3 134
1 405
2 061
7 502
5 138
1 777
2 979
844
1 068
80 125
16 929
15 152
16 025
22 206
1 181
3 992
1 390
1 000
1 272
10 480
6 332
2 200
2344
531*
1 032
78 190
17 707
11 567
23 638
15 106
1 136
2 296
767
398
609
8 621
2 521
3 083
1 463
769*
386
* inkl. Chrysler Voyager **Abarth-Versionen auch bei jeweiligen Modellreihen (500, Punto) ausgewiesen
Quelle: KBA / Motor Presse Stuttgart
Die Wachstumsdynamik der FCA Group wird derzeit fast ausschließlich vom
überragenden Erfolg der Marke Jeep getragen. Von 2010 bis 2014 haben sich
die Zulassungszahlen der US-Geländewagen in Deutschland mehr als vervierfacht. 2015 bringt bis August einen noch stärkeren Schub um zwei Drittel
zum Vorjahreszeitraum. Neben Grand Cherokee und Cherokee hat sich der 2014
lancierte Kompakt-SUV Renegade zum Bestseller entwickelt. Dessen Schwestermodell Fiat 500X soll nun auch der Kernvolumenmarke Fiat frischen
Schwung verleihen. Zuletzt haben die Italiener auf dem deutschen Markt an
Boden verloren und stützen sich weitgehend auf zwei Volumenbringer: Der
Kleinwagen 500 und der Transporter Ducato stehen für drei Viertel der Zulassungen. 2016 startet mit dem Cabriolet Spider wieder ein Fiat fürs Herz. Es
resultiert aus einer Kooperation mit Mazda und soll auch in einer AbarthVersion auf den Markt kommen. Die Tuningschmiede von Fiat soll damit einen
weiteren Schritt nach vorne machen. Keine Ambitionen hegen die Italiener mehr
mit Lancia. 2016 wird sich die Marke zurückziehen und nur noch auf dem italienischen Heimatmarkt angeboten. Den größten Sprung erwartet FCA-Chef Sergio
Marchionne allerdings von Alfa Romeo: Bis 2018 soll der Absatz auf jährlich
400000 Fahrzeuge weltweit steigen.
MEHR ZUR ALFA-OFFENSIVE:
SEITE 82
HORIZONT 38/2015
bleiben. Für welche Marken aus dem
FCA-Portfolio bietet sich das an?
Mit Sicherheit für Alfa Romeo, wo wir
den Neustart der Marke mit Inhalten begleiten. Auch Jeep hat eine Plattform, auf
der wir mit Kunden kommunizieren können, selbst wenn sie kein Kaufinteresse
haben. Wir sind in allen sozialen Netzwerken, aber eine große interne Redaktion haben wir nicht. Für uns ist viel
wichtiger, die Händler in unsere Kommunikation stärker einzubinden.
Wie soll das geschehen?
Wir bauen unsere Kommunikationsstrategie so um, dass wir näher am Händler
sein können, um ihn zu unterstützen. Wir
fordern aber im Gegenzug, bei unserer
Planung mitzuwirken und haben dafür
konkrete, zunächst dreimonatige Marketingplanungen eingeführt. Denn selbst
wenn wir als Zentrale gut kommunizieren, werden wir nicht den möglichen Return on Invest erzielen, wenn die Händler
nicht mitziehen. Wir haben über die
Frankfurter Agentur Signition/Facts seit
kurzem sechs Trademarketing-Spezialisten im Einsatz, die sich beim Händler um
den Internetauftritt, Kampagnenumsetzung und die Optimierung von Marketingmaßnahmen kümmern. Das bauen
wir noch weiter aus.
Und die Händler spielen dabei mit?
Diese haben doch das gleiche Interesse
wie wir: Sie wollen Kunden in die Showrooms bekommen und von unseren Pro-
dukten überzeugen. Allerdings ist es nicht
damit getan, im Showroom zu warten, bis
der Kunde reinkommt. Denn die Fahrt
zum Autohändler steht aus verschiedenen Gründen immer weniger auf dessen
Prioritätenliste.
Bedeutet das nicht auch, dass Sie mit
klassischen Maßnahmen, etwa in Zeitung und Hörfunk einen Tag der offenen Tür des Händlers zu bewerben,
nicht mehr weiterkommen?
Diese klassischen Maßnahmen bleiben
auf der To-do-Liste, sie müssen aber
kombiniert werden. Denn Kunden haben
immer weniger Zeit. Wenn ich einen Outdoor-Freak erreichen will, muss ich dort
sein, wo er seine Freizeit verbringt und
nicht warten, bis er bei uns reinkommt.
Mit dem Kombi Doblò etwa, der insbesondere Händler und Handwerker anspricht, haben wir 240 lokale Events
durchgeführt, wo diese anzutreffen sind:
bei Metro- und Baumärkten. Auch ein
Flughafen ist ein interessanter Begegnungsort: Wo ein Kunde auf den Abflug
wartet, schaut er sich gerne unsere Produkte an, wenn wir dort Flagge zeigen.
Wie stark ist diese neue Herangehensweise denn schon bei den Händlern angekommen?
Wir reden von einem Kulturwandel vom
Push- zum Pull-Marketing. Das braucht
natürlich seine Zeit, aber wir sind schon
mitten in der Umsetzung und auf einem
guten Weg.
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82 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
Die Schlange
greift an
17. September 2015
Neues Modell, neues Logo, neuer Marketingschlachtplan: Alfa
Romeo geht mit verändertem Markenprofil in die Offensive
Von Giuseppe Rondinella
A
lfa Romeo ist zurück. Auf den
Tag genau 105 Jahre nach der
Konzerngründung präsentierte
der Traditionshersteller Ende
Juni im italienischen Arese vor Hunderten Medienvertretern die neue Giulia.
Unter Blitzlichtgewitter und musikalischer Begleitung von Opernstar Andrea
Bocelli rollte der rote Flitzer vor die Linsen der Fotografen. Dichtes Gedränge.
Alfas Strahlkraft, sie hat nach einer jahrelangen Durststrecke scheinbar kaum an
Wirkung eingebüßt.
Tags drauf war das Modell in aller
Munde. „Giulia“ fand sich unter den
Top-10-Suchbegriffen bei Google wieder,
zahlreiche italienische Zeitungen lichteten sie auf der Titelseite ab, auch in amerikanischen und asiatischen Blättern
wurde viel Platz freigeräumt. Nun steht
das Mittelklasse-Modell für jedermann
sichtbar auf der IAA. Die Weltpremiere in
Frankfurt ist für den angeschlagenen Autobauer der Startschuss für eine komplette Neuausrichtung der Marke (HORIZONT 27/2015).
Auf der IAA fängt Alfa in einem ersten
Schritt an, die Marketingtrommel zu
rühren. „Wir zeigen dem Publikum, dass
Alfa Romeo wieder zurück ist“, sagt Stefan Moldaner, seit Mitte des Jahres Brand
Country Manager für Alfa, Jeep und Lancia in Deutschland. Als Vorgeschmack
präsentieren die Italiener ihre Giulia bereits seit Ende letzter Woche auf den
wichtigsten Werbeflächen am Frankfurter Flughafen. So läuft etwa das erste offizielle Video des Flitzers auf einer LED-
Das neue Alfa-Logo
kommt aufgeräumter
und moderner daher
Wand, außerdem ist für die Kampagne
die so genannte Premium-Wall am Abflug-Gate 17 gebucht.
Händler, Investoren und Alfa-Clubmitglieder sind in die Mainmetropole
eingeladen worden, um mit der neu ausgerichteten Marke und der Giulia in Kontakt zu kommen. Welchen Stellenwert die
IAA in den Plänen des Konzerns hat, erkennt man daran, dass FCA-Chef Sergio
Marchionne höchstpersönlich vor Ort ist
und eine Pressekonferenz abhält – eine
von insgesamt nur zwei in diesem Jahr,
die andere gilt Ferrari. „Das zeigt, welche
Bedeutung Alfa Romeo innerhalb FCA
besitzt“, so Sprecher Sascha Wolfinger.
Nach der IAA und bis zum Launch der
Giulia im Frühling 2016 bleibt das Marketing indes auf Sparflamme, wird aber
pünktlich zum Genfer Autosalon im
März verstärkt. Möglicherweise, so munkelt man bei Alfa, soll in der Schweiz dann
gleich das nächste Fahrzeug, ein SUV,
Weltpremiere feiern. Geplant sind laut
Modellplan weitere sieben Wagen bis
2018: eine Kombiversion, ein weiteres
SUV, ein Oberklassefahrzeug, zwei Kompaktmodelle und ein Cabrio. Alfa will
pünktlich zur Genfer Automesse in die
Werbung gehen. „TV, Print und Digital
werden eine zentrale Rolle dabei spielen“,
kündigt Moldaner an, ohne konkreter zu
werden. Noch sei man in der Budgetplanung. Große Verschiebungen im Mediamix werde es nicht geben.
I
n die klassischen Medien zu gehen, ist
für Jürgen Gietl von der Managementberatung Brand Trust ein zweischneidiges Schwert: „Solche Aktivitäten
steigern die Bekanntheit, nicht die Be-
Stylisch-sportliches Image hat gelitten
Das Markenprofil von Alfa Romeo im Zehnjahrestrend
Angaben in Prozent
2014
2013
2012
2011
2010
2009
2008
2007
2006
2005
Gutes Aussehen/Styling
26
28
30
33
32
35
34
36
45
35
Baut sportliche Autos
21
20
21
25
25
26
25
27
40
33
Macht gute Werbung
4
5
6
6
4
7
3
5
4
4
15
17
17
18
17
19
17
18
24
19
Ich mag die Marke
Lesebeispiel: 26 Prozent aller Befragten im Jahr 2014 fanden, dass Alfa Romeo für gutes Aussehen bzw. Styling steht.
Quelle: Motorpresse Stuttgart, Best Cars 2005 bis 2014; Basis: alle Befragten
HORIZONT 38/2015
gehrlichkeit“, sagt er. Gerade an Letzterem müssten die Italiener aber arbeiten,
um das ramponierte Image aufzupolieren. Aus einer Befragung der Motor Presse Stuttgart geht etwa hervor, dass der
Traditionshersteller in den Kategorien
Style und Sportlichkeit – zentrale Elemente der Marke – im Laufe der Zeit teils
deutliche Verluste verzeichnet hat (siehe
Tabelle). „Alfa Romeo muss sowohl die
Charakteristik der Marke, etwa durch das
besondere Fahrgefühl und das spezielle
Design, zum Leben erwecken und gleichzeitig die heutigen Qualitätsstandards erfüllen“, empfiehlt der Markenstratege.
Er ist skeptisch, ob Alfa die gegebenen
Voraussetzungen für einen Neuanfang
nutzt, zu oft habe man in der Vergangenheit Fehler gemacht, wie etwa mit der
Einführung des 156er Kombi im Jahr
1997 oder des Sportwagens Brera 2005.
Auch in der Kategorie „Macht gute
Werbung“ befinden sich die Italiener in
der „Best Cars“-Befragung auf konstant
niedrigem Niveau. Darauf angesprochen,
gelobt Moldaner Besserung: „Es wird in
der Kommunikation definitiv eine andere Ansprache geben.“ Der Fokus solle unter anderem auf Businesskunden liegen.
Die Händler sind derweil weitaus optimistischer als Markenspezialist Gietl. Vor
zwei Jahren wurden ihre Verträge gekündigt, nun sollen 120 von ihnen neue Papiere unterschreiben. Bei einer Veranstaltung in Las Vegas vor zwei Wochen feierten angeblich 7000 Händler aus aller Welt
die neue Markenstrategie mit Standing
Ovations, so Moldaner. Sie sehnen sich
scheinbar nach Neuheiten, hatte Alfa mit
der kompakten Giulietta und dem Kleinwagen Mito doch zuletzt nur noch zwei
Modellreihen im Angebot und verlor einen Großteil seiner Kundenbasis.
Damit die Kultmarke zum globalen
Player im Premiumsegment aufsteigt,
wird nun auch parallel eine neue Corporate Identity ausgerollt (siehe Seite 80/
81). Größte Veränderung: Alfa bekommt
einen separaten Showroom; hat ein
Händler Alfa und Jeep im Angebot, gibt
es zwei voneinander getrennte Markenwelten. Der Premiumanspruch soll durch
neues Mobiliar, Themenwelten mit Info-
screens oder Serviceecken betont werden.
Zusätzlich wird der Verkaufsprozess umgekrempelt: Die Händler werden mit
Blick auf ein verbessertes Kundenkontaktmanagement geschult – die Beratung
mittels Tablet-PC soll etwa das hochwertige Image befördern. Alfa investiert für
die neue CI etwa 10 Millionen Euro.
M
oldaner setzt bei der Bewerbung der neuen Giulia vor allem auf das Thema Experience
Marketing. Bei Events oder Roadshows
sollen Kunden die Modelle direkt erleben,
Testfahrten durchführen oder mit Händlern in Kontakt kommen. Angesprochen
werden soll eine Zielgruppe, die national,
aber auch lokal für jeden Händler bespielbar ist. Erste Event-Luft schnupperte
Alfa etwa bei einem Rennsportevent vor
wenigen Tagen in Frankfurt – nicht ohne
Grund im Umfeld der IAA, um die Aufmerksamkeit zu verstärken. Für Alfa war
es eine erfolgreiche Premiere, weitere
Events sollen eventuell folgen.
Letzten Endes ist das Ziel klar: Autos
verkaufen. 400000 weltweit sollen es bis
2018 sein, so die Vorgabe von Marchionne, das Sechsfache der Verkäufe von 2014.
Für Gietl ist der Fokus auf die nackten
Zahlen nicht zielführend. „Das ist die falsche Denke. Eine Marke wie Alfa Romeo
sollte sich auf die Ursachen des zukünftigen Erfolgs und die Wertschöpfung konzentrieren. Die Absatzmenge ist dabei der
falsche Erfolgsmaßstab.“ Lob hat der
Brand-Trust-Experte für das neue Logo.
Es sei eine zeitgenössische Interpretation
dessen, wofür die Marke traditionell
steht: Eleganz und Sportlichkeit.
Dieser Markenkern ist seit neuestem
auch wieder auf dem altehrwürdigen Betriebsstandort in Arese zu spüren, wo das
Museum sowie die Alfa- und Jeep-Showrooms überarbeitet wurden. Zusammen
mit einer kleinen Teststrecke entsteht
dort eine Erlebniswelt, ähnlich wie bei
Volkswagen in Wolfsburg oder bei BMW
in München. „Für viele langjährige AlfaClub-Mitglieder stand das unrenovierte,
verfallende Werksgelände in Arese sinnbildlich für die Marke“, sagt Wolfinger.
Nun erstrahlt dort alles in neuem Glanz.
FOTO: ALFA ROMEO
Willkommensgruß am
Frankfurter Flughafen
für IAA-Besucher: Alfas
neue Giulia
84 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Sprung
Auf dem
Jaguar prescht nach vorn: Nach
XE und XF 2015 soll der F-Pace 2016
neues Terrain erobern
Von Jochen Zimmer
A
Das Mittelklasse-SUV F-Pace feiert nach ersten CameoAuftritten als Begleitfahrzeug des Team Sky bei der Tour
de France auf der IAA offizielle Weltpremiere. In diesem
Boom-Segment soll die fünfte Modellreihe von Jaguar
einen weiteren Volumenschub bringen. Technisch
bedient sich der Jaguar-Geländewagen bei der Schwestermarke Land Rover, er interpretiert seine Rolle aber
sportlich-dynamisch und dürfte künftig eher in Städten
als off-road zu sichten sein. Wie beim Range Rover
Evoque und beim Jaguar XE ebnen die Briten dem
Markteintritt in ein völlig neues Segment mit langem
kommunikativen Vorlauf den Weg. Bereits jetzt wird
online im F-Pace Circle kommuniziert. Die mit einem
Looping-Stunt inszenierte Enthüllung am 14. September war unter dem Hashtag #FPACE live zu verfolgen.
Bis zum Markt- und Kampagnenstart im kommenden
Jahr wird die Dialogintensität erhöht.
uf dem IAA-Stand von Jaguar
Land Rover (JLR) sichert sich
Jaguar dieses Mal den Löwenanteil. Denn mit der Weltpremiere des F-Pace wagt die Marke nicht
nur den Sprung in das für sie völlig neue
SUV-Segment. Gleichzeitig können die
Besucher die Ende September in die
Showrooms kommende zweite Generation der Obere-Mittelklasse-Limousine XF
unter die Lupe nehmen. Und mit dem XE
wird ein weiteres taufrisches, im Juni eingeführtes Mittelklassemodell die Blicke
auf sich ziehen. Angesichts des Neuheitenfeuerwerks hält sich die in den vergangenen Jahren mit frischen Modellen
auf strammem Eroberungskurs fahrende
Schwestermarke Land Rover diesmal mit
News vornehm zurück.
„Wir können nicht jede Nische besetzen, aber dafür die Fahrzeuge bauen, die
uns Spaß machen“, umreißt JLR-CEO
Ralf Speth die im Vergleich zu deutschen
Premiumanbietern begrenzten Modellspielräume des britischen Herstellers, der
seit 2008 zum indischen Tata-Konzern gehört. Nach dem 2013 mit dem Sportwagen F-Type gesetzten Ausrufezeichen soll
der F-Pace nun eine besonders sportliche
Duftmarke im SUV-Segment hinterlassen, einem Terrain, das der Konzern mit
Land Rover bereits bestens bedient.
Für JLR-Deutschland-Chef Peter Modelhart ist der F-Pace dennoch enorm
wichtig, um die Produktpalette von Jaguar im dynamischsten Wachstumssegment
abzurunden. „Mit nun fünf Modellreihen
haben wir das Fundament der Marke
nachhaltig erweitert, sodass dass uns die
Auslaufphase eines Volumenbringers wie
Anfang des Jahres die erste Generation
des XF künftig nicht mehr so stark tangieren wird“, sagt Modelhart und ist sich
sicher, den anfänglichen Durchhänger bei
den Zulassungen bis zum Jahressende in
ein zweistelliges Plus zu wenden.
Besondere Angriffslust zeigt Modelhart dabei im Geschäftskundensegment,
wo JLR in den vergangenen vier Jahren
mit dem Aufbau von Business-Centern
die nötigen Marktbearbeitungsstukturen
geschaffen habe: „Auch im Kommunikationsmix – sei es Print, TV oder Online –
werden wir diese Zielgruppe stärker ins
Visier nehmen, ebenso mit unseren Roadshows.“ Mit den eher rationalen und in
der Total-Cost-of-Ownership sowie im
Auf allen Terrains im Vorwärtsgang
Neuzulassungen ausgewählter Modelle von Jaguar und Land Rover in Deutschland
2015
(Jan. bis Aug.)
2014
2013
2012
Jaguar gesamt
3541
4229
4160
3197
XF-Reihe
1460
2466
2803
2324
F-Type
1096
1259
723
–
176
274
342
427
XJ-Reihe
Land Rover gesamt
12254
14679
12425
11113
Range Rover Evoque
4100
5720
5027
5046
Range Rover Sport
3135
3984
2247
2093
Discovery Sport*
1560
1412
1828
1557
*ab 10/2014; Vorgängermodell: Freelander
Quelle: KBA / Motorpresse Stuttgart
HORIZONT 38/2015
Design „erreichbaren“ Produkten XE und
XF habe man nun im Dialog mit Flottenmanagern bessere Argumente.
„Wir müssen bei Jaguar weg von dem
exklusiven Image im Sinne von teuer. Ich
darf die Anschaffung nicht rechtfertigen
müssen, weder beim Preis, noch beim Design.“ Mit dem inzwischen wie in den
50er und 60er Jahren wieder sportlichen
und modernen Auftritt habe man in dieser Hinsicht bessere Erfolgsvoraussetzungen als mit dem in der Vergangenheit lange prägenden staatstragenden, barocken
Erscheinungsbild. „Bei den Imagewerten
haben wir zuletzt mit Land Rover, aber
noch stärker mit Jaguar, einen deutlichen
Schritt nach vorn gemacht“, sieht sich der
Deutschland-Chef bestätigt. Dies gelte
insbesondere für die Kategorien Design
und Sportlichkeit, während bei den Kriterien Innovation und Fortschrittlichkeit
weiterhin Nachholbedarf bestehe.
D
eshalb ziele die aktuelle Marketingstrategie auch darauf, die Innovationskraft wie etwa mit den
neuen Infotainment-Systemen in den
Vordergrund zu stellen, ebenso niedrige
Verbrauchswerte, die für deutsche Autofahrer eine wichtige Rolle spielten. „Um
diese technischen Kompetenzen zu untermauern und die volumenträchtigeren
Fahrzeuge bekannt zu machen, benötigen
wir einen stärkeren Anteil an Above-theLine-Kommunikation inklusive TV“, erläutert Modelhart. Dies sei insbesondere
bei dem XE der Fall, in dem die neue
Fahrzeugarchitektur, Motortechnik und
das Infotainmentsystem der Marke Premiere hatte. Da man mit dem XE 90 Prozent Neukundeneroberung anstrebe, sei
es nötig gewesen, mit höheren Werbeinvestitionen Aufmerksamkeit zu schaffen.
Ein solch breiter Aufschlag bleibe jedoch
die Ausnahme. „Je spitzer und exklusiver
ein Modell positioniert ist, umso wichtiger werden Events im Marketingmix.“
Die Gangart der vergangenen Jahre, so
Modelhart, zahle sich nicht nur bei
Imagewerten und Verkaufszahlen aus,
auch das Durchschnittsalter der JaguarKäufer sei niedriger. Inzwischen liege es
bei knapp über 50 Jahren. 2010 hatte die
Marke mit 56,5 Jahren noch vor Mercedes
(56,1 Jahre) die älteste Käuferstruktur aller Automarken in Deutschland.
Die Kampagnen von XF und XE:
horizont.net/jaguar3815
Nach dem Aus für den eher schlecht
beleumundeten X-Type im Jahr 2009
besetzt Jaguar mit dem Mitte Juni in
Deutschland eingeführten XE wieder das
Mittelklasse-Segment. Damit er seiner
zugewiesenen Rolle als Volumentreiber
auch gerecht wird, schiebt JLR das Modell
bereits seit Februar mit einer aufwendigen
Werbekampagne in TV, Print und Online
unter dem Motto „British Intelligence“ an.
Selbstredend sind die Protagonisten, die
Kinostars Tom Hiddleston und Nicholas
Hoult, Briten. Der XE soll mit seiner dem
größeren Bruder XF folgenden Linie vor
allem im Businesskunden-Segment
punkten; eine Kombiversion dürfte wie
beim XF folgen.
Die 1. Generation der 2008 eingeführten
Oberklasse-Limousine XF läutete damals
die radikale Abkehr von der traditionellen
Jaguar-Designlinie ein und reanimierte die
sportlichen Gene aus den 50er/60er Jahren.
Exterieur-Designchef Adam Hatton, der mit
Chefdesigner Ian Callum bereits 2008
mitwirkte, schärft angesichts des XFErfolgs die „dramatischen Proportionen“
der coupéhaften Limousine auch nur
dezent nach. Die Mitte September startende Einführungskampagne steht unter dem
Motto „No business as usual“ und will statt
mit Klischees mit technischen Innovationen
wie etwa Leichtbau und ConnectivitySystemen die Kernzielgruppe der Geschäftskunden beeindrucken. Neben TV
sind die Kanäle Online und Print gesetzt.
88 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Der Motor der Marke
Automobilhersteller
profilieren sich
immer öfter mit
innovationsgetriebenen Kampagnen rund
um das Thema
Technologie
Von Santiago Campillo-Lundbeck
K
larer als das Werbefestival
Cannes Lions in diesem Frühjahr hat wohl niemand diesen
Trend auf den Punkt gebracht:
In der Werbung ist der ultimative Beweis
von Kreativität eine innovative Technologie. In einem eigenen Innovations-Programm konnten sich Agenturvertreter
und Werbungtreibende über die neuesten Tech-Trends und ihr Potenzial für die
Markeninszenierung informieren. Und
der Titanium-Preis an den Pizzaliefer-
dienst Domino’s für die Einführung eines
Pizza-Emojis als direkte Bestellfunktion
auf Twitter illustrierte anschaulich, dass
neue Technologie nicht nur als Werbeträger, sondern auch als integraler Bestandteil der Werbebotschaft fungieren kann.
In der Praxis tun sich allerdings viele
Marken mit dieser Vision noch schwer. In
der Bierbranche gibt es immer wieder interessante Ansätze wie etwa Heinekens
digitale Bierflasche Ignite, der Teletransporter der argentinischen Marke Andes
und die Virtuelle-Realitäts-Kampagne
von Dos Equis. Doch allzu oft liefern die
für die Kampagnen entwickelten Ideen
keine Technologien, die einen realen Bezug zu den alltäglichen Anforderungen
der Marke haben. Nicht umsonst hat Nike mit seiner Fitness-Plattform Nike Fuel
bis heute eine Ausnahmestellung. Außer
Nike kann praktisch keine Marke von sich
behaupten, über eine Innovation einen
neuen Kommunikationsansatz gefunden
und gleichzeitig die Produktrelevanz der
Marke erhöht zu haben.
Hier befinden sich die AutomobilMarketer in einer glücklichen Ausnahmesituation. Zentrales Kommunikationsziel
ihrer Werbung war ohnehin schon immer die Visualisierung der Technikkom-
petenz ihrer Marke. Wer hier einen Weg
findet, über echte Innovationen Geschichten zu erzählen, macht nicht nur
seine Werbung wirksamer, sondern stärkt
auch direkt den USP seiner Marke. Denn
anders als beispielsweise Unternehmen
aus der FMCG-Branche verfügen alle Autohersteller über einen großen Stamm
von Ingenieuren, deren Wissen sie direkt
für technologische Marketingprojekte
nutzen können. Wie weit hier die Spannbreite zwischen origineller Neuinterpretation bestehender Technik und visionärem Griff nach den Sternen ist, soll diese
Auswahl aktueller Beispiele zeigen.
Lexus Hoverboard:
Wohl nie wurde der
Claim von Toyotas Premiummarke Lexus „Amazing in Motion“ faszinierender umgesetzt als
bei dem Lexus Hoverboard, das im Rahmen
der Online-ContentMarketingkampagne
entwickelt wurde. Bei der
Idee greift der japanische
Hersteller zwar auf die
Kompetenz der deutschen
Unternehmen IFW Dresden und Evico zurück,
nutzt aber gleichzeitig
geschickt den InternetHype der „Zurück in die
Zukunft“-Fans, die getreu
der Filmhandlung auf die
Ankunft des Hoverboard
fahrenden Helden Marty
McFly am 21. Oktober
warten. Der Wermutstropfen dabei: Das Hoverboard ist zwar tatsächlich nutzbar, aber nur auf
einer Spezialfläche, die
den magnetischen Schwebeeffekt erst ermöglicht.
Audi Lunar
Quattro: Der Quattro-
Allrad-Antrieb ist nicht
nur eine historisch markenprägende Technologie
der VW-Tochter aus
Ingolstadt, sondern auch
für Fahrzeuge auf dem
Erdtrabanten relevant.
Audi liefert seine Technologie als Sponsor des
deutschen Teams Part
Time Scientists, das im
Rahmen des Google XPrize versucht, ein Forschungsfahrzeug auf den
Mond zu bringen. Die
Vorteile: Im Erfolgsfall
könnte der Raketenstart
zum Event auf Augenhöhe mit Red Bulls „Projekt Stratos“ werden.
Darüber hinaus wäre
Audi der einzige Hersteller, der seine Technologie als „Mond getestet“ branden könnte.
VW Baby Stroller:
Der Bremsassistent und
der Abstandhalter des VW
Golf sind zwar nützliche
Technologien, werden
aber in Werbespots in der
Regel sehr vorausschaubar
inszeniert. Der niederländischen Kreativagentur
Achtung gelang der Coup,
indem sie den selbstfahrenden Babywagen mit
den genannten Features
erfand. Das Resultat wird
zwar nicht in den Handel
kommen, der Wagen
macht aber die wahre
Größe der Innovationen
der Technologien wieder
erlebbar, die als Feature
eines VW Golf von Vielen
als alltäglich und wenig
bemerkenswert empfunden werden.
Toyota „Fueled by
Anything“: Wenige
Themen sind so abstrakt
wie der Wasserstoff-Motor.
Toyota stellt sich zusammen mit seiner Agentur
Droga 5 in der ContentKampagne „Fueled by
Anything“ der Herausforderung und zeigt, wie
sich aus den kuriosesten
Rohmaterialien Wasserstoff
gewinnen lässt. Damit wird
die Flexibilität des Antriebs
in der Rohstoff-Frage auch
zum Motor des Storytellings. Die erste Folge „Fueled by Bullshit“ stach besonders heraus, die eine
Bemerkung des TeslaGründers Elon Musk, dass
Wasserstoff-Motore „Bullshit“ seien, als Inspiration
nutzte.
90 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
„Google Car ist eine
Mini-S-Bahn“
Sascha Martini, CEO
der Agentur Razorfish,
über selbstfahrende
Autos, die Aufholjagd
der Hersteller und
verzichtbare Händler
S
Von Anja Sturm
eit 2008 betreut Sascha Martini
mit der Agentur Razorfish das Digitalmarketing von Audi. Dem
44-Jährigen gehen in der Branche
viele Entwicklungen nicht schnell genug.
Dem Onlinevertrieb von Neuwagen verspricht er eine große Zukunft, klassischer
TV-Werbung eher nicht.
Beim Thema Automobilmarketing reden alle nur noch über Car Connectivity, autonomes Fahren und neue Geschäftsmodelle wie Carsharing. Worüber reden Sie bei Razorfish, wenn es um
die Zukunft der Autoindustrie geht?
Das Interessante an Ihrer Frage ist, dass
wir über die Themen, die Sie gerade genannt haben, schon seit einigen Jahren
sehr intensiv sprechen, dass aber die Automobilindustrie erst jetzt wirklich konkret beginnt, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen. Vieles ist in seiner
Dringlichkeit von den Herstellern viel zu
lange gar nicht verstanden worden.
Inzwischen aber ändert sich das massiv.
Ist es für die Automobilhersteller spät
oder zu spät?
Sascha Martini
Seit 2008 ist Sascha Martini,
44, bei Razorfish, seit gut zwei
Jahren als Deutschlandchef.
Zu den wichtigsten Kunden
der Agentur, die seit 2009 zum
Publicis-Network gehört,
zählen Audi, McDonald’s und
Nestlé. Martini ist ein erfahrener Auto-Werber. Vor Razorfish und der Übernahme des
Audi-Etats betreute er als Chef
der Agentur Bassier, Bergmann & Kindler unter anderem den Kunden Porsche.
Es ist ziemlich spät. Zumal es nicht nur
um fahrzeugspezifische Entscheidungen
geht. Digitale Transformation meint ja
auch und gerade die Entwicklung neuer
Services und Dienstleistungen. Hier müssen die Autokonzerne sehr schnell sehr
stark aufholen. Es gibt neben Google ja
auch noch eine Menge anderer Angreifer.
Seien es Start-ups, die gerade den Gebrauchtwagenbereich online aufmischen,
oder neue digitale Services, die für eine
extrem hohe Kostentransparenz bei freien Werkstätten sorgen.
Also ist es zu spät?
Noch ist es aufholbar. Aber man muss
jetzt schnell sein. Automobilhersteller
müssen neue Services und Dienstleistungen nicht nur als moderne Kundenbindungsinstrumente begreifen, sondern
konsequent als neue Business-relevante
Geschäftsmodelle. Hier steigt der Druck
auf die Automobilhersteller derzeit ganz
enorm.
Können oder wollen die Automobilhersteller nicht schneller in neuen Kategorien denken?
Es ist weniger eine Frage des Neudenkens,
sondern mehr eine Frage des Loslassens
von alten Sicht- und Herangehensweisen.
Es ist doch sehr bemerkenswert, wenn
Volkswagen-Chef Martin Winterkorn
erst auf der Aktionärsversammlung
2015 die Digitalisierung als einen zentralen Faktor für den langfristigen
Erfolg des Konzerns erwähnt. Das
bedeutet aber auch, dass die Unternehmen erst jetzt richtig begreifen, dass sie heute nicht nur
Ingenieure, sondern auch ITSpezialisten einstellen müssen.
Diese Spezialisten zu finden, ist
unheimlich schwer. Und ich
glaube, die Automobilkonzerne vertun sich, wenn sie denken, dass sie für IT-Spezialisten als Arbeitgeber genauso
attraktiv sind wie für Ingenieure. IT-Spezialisten gehen
im Zweifel vielleicht doch lieber zu Amazon, Google oder
den Start-ups.
Ein gutes Stichwort: Wie dramatisch
schätzen Sie die Entwicklung rund um
autonomes Fahren ein – werden Google
und Co oder die klassischen Automobilhersteller das Rennen machen?
Das ist keine Entweder-oder-Frage. Beide
Modelle basieren auf völlig unterschiedlichen Nutzungsszenarien. Google Car
wird ein alternatives Mobilitätskonzept
für urbanes Leben sein und damit eine
Ergänzung zum öffentlichen Personennahverkehr. Google Car ist im Prinzip eine Mini-S-Bahn. Bei den Selbstfahrkonzepten von Audi und anderen Herstellern
geht es darum, auf langen Strecken autonom von A nach B zu kommen und weiterhin Spaß am eigenen Auto zu haben.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass
künftig beide Konzepte, also das von
Google und das der Automobilhersteller,
nebeneinander existieren werden.
Die Neuwagenverkäufe dürften dann
aber dennoch weiter zurückgehen,
wenn nicht jeder Stadtbewohner ein eigenes Auto kauft, sondern sich in eine
Google-Kugel setzt.
Das ist richtig. Der Autoabsatz wird zumindest in den westlichen Ländern weiter sinken. Und ehrlich gesagt glaube ich,
dass es den einen oder anderen Automobilhersteller in zehn Jahren nicht
mehr geben wird oder er von einem Konkurrenten geschluckt wurde.
Wie sehr in Schieflage wird die Digitalisierung die Beziehung zwischen Herstellern und Händlern bringen?
Das fängt schon bei den Kundendaten an.
Kernherausforderung für alle Hersteller
ist, auch während der Besitzphase, also
nach dem Autokauf, mit den Kunden in
Kontakt zu bleiben. Hier macht die Besitzstandsdenke der Händler immer weniger Sinn. Früher oder später wird der
Zeitpunkt kommen, an dem die Händler
ihre Kundendaten mehr oder weniger
freiwillig an die Hersteller weitergeben
werden.
Vermutlich eher später und eher weniger freiwillig.
Es macht keinen Sinn, dass Händler das
gesamte Ökosystem rund um den Kunden selbst aufbauen. Je mehr digitale Services die Hersteller anbieten, desto komplexer wird die dafür notwendige Infrastruktur und desto weniger
können die Händler das anbieten. Ich weiß, die Händler hören das nicht gerne. Aber meine ganz
private Meinung ist in
diesem Punkt ziemlich radikal: In ihrer
heutigen Funktion
braucht die Händler kein Mensch.
Viele sind mit der
digitalen Transformation total
überfordert.
Im Onlineverkauf hapert es aber doch
noch gewaltig. Die Car-Commerce-Projekte der Hersteller sind allenfalls zaghaft, die Umsätze bescheiden, um nicht
zu sagen marginal.
Ich gebe Ihnen Brief und Siegel, dass der
Online-Abschluss beim Autokauf schon
sehr bald mehr oder weniger normal sein
wird. Ich schätze, dass in fünf Jahren rund
20 Prozent der Neuwagenumsätze online
generiert werden.
Lassen Sie uns noch kurz über so altmodische Themen wie klassisches Digitalmarketing sprechen. Die Content-Flut
im Netz wächst, gleichzeitig positionieren sich soziale Medien wie Facebook
und Youtube immer stärker als PaidMedia-Kanäle. Ist Content Marketing
im Sinne von Earned Media schon wieder out?
Nein. Content Marketing ist im Sinne der
Produktion relevanter Inhalte, die über
eine klassische TV-Belegung hinausgehen, überhaupt nicht out. Entscheidend
ist die Frage der richtigen Distribution.
Für Pinterest müssen nun einmal andere
Inhalte produziert werden als für Facebook. In diesem Punkt haben noch sehr
viele Werbungtreibende, nicht nur in der
Automobilindustrie, viel zu wenig Wissen und Erfahrung.
Das ist ja nicht neu. Hinzu kommt aber
nun, dass sich Werbungtreibende auch
in den sozialen Medien Werbeplätze für
ihre Spots einfach kaufen können.
Das sollte aber genau nicht dazu verführen, wieder nur einen TV-Spot zu produzieren und im Netz zu platzieren. Um
sich in der Content-Flut künftig Gehör zu
verschaffen, sollte man dringend über einen neuen Budget-Split nachdenken:
Statt wie bisher 90 Prozent in Media und
nur 10 Prozent in die Content-Produktion zu investieren, sollte man deutlich
mehr Geld in die Produktion der Inhalte
stecken. Einen Split von 60 zu 40 halte ich
für durchaus sinnvoll und machbar.
Ihre Ex-Razorfish-Kollegen Sven Küster
und Matthias Sinn, die heute mit Hi Res
den Kunden BMW betreuen, haben in
einem HORIZONT-Interview sinngemäß gesagt: Die Automobilbranche
muss im Netz die Deutungshoheit von
den Auto-Bloggern zurückerobern. Sehen Sie das auch so?
Nein. Wenn damit gemeint ist, dass der
Autohersteller selbst erst ziemlich weit
unten auf irgendwelchen Ergebnislisten
im Netz auftaucht, würde ich eine bessere
Suchmaschinenoptimierung empfehlen.
Wenn damit gemeint ist, dass Blogger eine bei den Verbrauchern hohe ContentRelevanz haben, zeigt das doch nur, was
wir alle schon wissen: Die Verbraucher
vertrauen bei solchen Informationen anderen Menschen einfach mehr als den
Herstellern. In diesem Punkt muss sich
die gesamte Werbeindustrie, nicht nur
die der Automobilkonzerne, an die eigene
Nase fassen: Viele Hersteller und Marken
haben in der Vergangenheit durch Werbung massiv ihre Glaubwürdigkeit beim
Verbraucher verspielt.
FOTO: CARSTEN LINDSTEDT
Harte Worte.
Die Rolle der
Händler wird
sich
verändern.
Als
Dienstleister,
Werkstatt
oder Auslieferstation
werden sie auch künftig gebraucht. Doch
Verkauf und Beratung kann man heute
auf andere Art schon wesentlich besser
machen. Sei es online, in Showrooms
oder mit Callcentern.
92 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Zu Gast bei Toyota:
Robin Schulz (r.),
Axel Prahl, Jan Josef
Liefers und Atze
Schröder (l.u.)
FOTO: TOYOTA
Sevilay Gökkaya,
Marketingchefin
Toyota Deutschland
It’s Showtime!
Toyota setzt den
Auris mit einem
aufwendigen LiveFormat in Szene
Beats für den Aygo
Seit Mai ist der international
erfolgreiche DJ Robin Schulz
als Markenbotschafter für
Toyota im Einsatz. Im Rahmen
der zwölfmonatigen Partnerschaft soll er helfen, den
Kleinstwagen Aygo bei der
jungen Kundschaft bekannter
und beliebter zu machen. Der
Aygo hat unter anderem einen
Auftritt im Video zum SchulzHit „Headlights“. Darin nimmt
der DJ auf dem Beifahrersitz
Platz und lässt sich von einer
hübschen Blondine chauffieren – er selbst hat keinen
Führerschein.
Von Klaus Janke
M
an kann Toyota wirklich
keine Angst vor innovativen Marketingideen vorwerfen. Zum Marktstart
des neuen Auris hat der japanische Hersteller sogar ein Live-Entertainment-Format nach Vorbild klassischer TV-Shows
auf die Beine gestellt. Die „Toyota Live
Show“ war am vergangenen Samstag von
12 Uhr bis 13.45 Uhr bei rund 500 Autohändlern zu sehen, die Übertragung auf
die Monitore in den Autohäusern erfolgte
per Satellit. Hersteller und Händler hatten im Vorfeld mit TV-Werbung und im
Internet eingeladen. Wer keine Zeit oder
Lust hatte, im Autohaus bei Würstchen
oder Kuchen dabei zu sein, konnte das
Event auch im Internet als Livestream
verfolgen.
Beim Promi-Aufgebot hat Toyota keineswegs gegeizt: Die Moderatoren Nazan
Eckes und Oliver Geissen konnten vor
über 500 Zuschauern im Saal den Comedian Atze Schröder, die Band The Boss
Hoss, DJ Robin Schulz, die Schauspielerin Christine Neubauer und Moderatorin
Jana Ina Zarella begrüßen – bewährtes
Personal, das man vorwiegend aus dem
„richtigen“ Fernsehen kennt. Den neuen
Auris fuhr Axel Prahl auf die Bühne, gemeinsam mit seinem „Tatort“-Kompagnon Jan Josef Liefers bewährtes Testimonial in der Toyota-Werbung. Routiniert
plauderten die beiden auch gleich darüber, wie es denn so gelaufen ist bei den
Dreharbeiten zum knapp vierminütigen
Toyota-Roadtrip-Kurzfilm (HORIZONT
20/2015).
Aber bei der „Toyota Live Show“ ging
es nicht nur um Musik, Comedy und Entertainment, sondern auch um soziales
Engagement. Toyota präsentierte gemeinnützige lokale Projekte, die von einzelnen Händlern unterstützt werden.
Knapp 100 standen im Vorfeld der Show
zur Online-Abstimmung im Internet.
Die beiden Projekte mit den meisten Votings und zwei weitere, von einer Jury
gekürte, wurden in der Show vorgestellt.
Über den Gesamtsieger konnten die Zuschauer dann am Samstag live per SMS
abstimmen. Am Ende siegte das vom
Frankfurter Autohaus Nix vorgestellte
Projekt, eine Einrichtung zur Kurzzeitbetreuung beeinträchtigter Kinder und
Jugendlicher, und wurde mit einem Preisgeld von 20000 Euro belohnt. Die weiteren Kandidaten erhielten Prämien im
Gesamtwert von 30000 Euro. Und damit
niemand leer ausgeht, versprach ToyotaDeutschlandchef Tom Fux in der Show,
dass sämtliche an den Start gegangenen
Projekte mit einer Spende von 1000 Euro
rechnen dürfen.
Ein ziemlich ambitioniertes und aufwendiges Projekt also, das die Frankfurter
Agentur Unique 1 für Toyota konzipiert
hat – riskant war vor allem, den Schwerpunkt auf die Übertragung in den Autohäusern zu legen. Zwar hat Toyota die
Show finanziert, aber die Händler mussten immerhin die Kosten für Technik und
die Organisation vor Ort übernehmen –
da war es nicht sicher, ob alle mitspielen
(was sie mehrheitlich taten). Die zweite
Frage ist noch offen: Wird die „Toyota
Live Show“ ihre Kosten wieder einspielen? Sevilay Gökkaya, Marketingchefin
Toyota Deutschland, zeigt sich bislang
„sehr zufrieden“ (siehe Interview). Vor
allem das Interesse im Internet und der
lokale PR-Effekt für die Händler und ihre
sozialen Projekte sei sehr hoch gewesen.
In den Autohäusern war dagegen am
Samstag teilweise nicht allzu viel los – die
Aktivierung für Besuche vor Ort wird immer schwieriger, das zeigt auch diese Aktion.
D
abei ist es gerade zurzeit für
Toyota wichtig, die Relevanz des
Händlernetzes zu betonen, denn
das Verhältnis ist angespannt. Ende Mai
flatterte den rund 520 Händlern in
Deutschland ein Schreiben des Herstellers ins Haus, in dem dieser das Vertragsverhältnis zum 31. Mai 2016 kündigt.
Dann soll das Netz um etwa 100 Unternehmen reduziert werden. Gut 420
Händler, mit denen Toyota weiterarbeiten will, erhielten einen „Letter of Intent“
für einen neuen Vertrag mit veränderten
Konditionen. Im Zuge der Verschlankung der Organisation soll auch die
Struktur vereinfacht werden. Bislang gibt
es noch ein zweistufiges Netz aus Gruppen- und Partnerhändlern. Während die
rund 90 Gruppenhändler direkt von
Toyota beliefert werden, beziehen die
Partnerhändler ihre Fahrzeuge über die
Gruppenhändler. Dieser indirekte Status
soll künftig entfallen, was für die ehemaligen Partnerhändler laut Toyota eine höhere Rentabilität bedeuten soll.
Der Umbau dürfte auf die Absatzzahlen drücken – vom ursprünglichen Verkaufsziel von 74000 Fahrzeugen hat man
sich verabschiedet: „Die Umstrukturierung mit ihren Begleiterscheinungen er-
fordert natürlich eine neue Planung“, erklärt Gökkaya. „Wenn wir, wie im Vorjahr, die Zahl 70000 erreichen würden,
wären wir sehr begeistert.“
W
ährend Toyota international
bestens dasteht und sich mit
VW ein Kopf-an-Kopf-Rennen um den Titel des weltweit größten
Autobauers liefert, hat die deutsche Dependance mit starkem Druck zu kämpfen. Im vergangenen Jahr fiel die Zahl der
Toyota-Neuzulassungen laut KraftfahrtBundesamt um gut 5 Prozent auf nur
noch 70267 Fahrzeuge. In den ersten acht
Monaten dieses Jahres liegt die Marke insgesamt 7,3 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Dies liegt vor allem an den Verlusten der beiden volumenstärksten Modelle: Der Kleinwagen Yaris sackte um gut
18 Prozent ab, der kompakte Auris, dessen neue Generation in diesem Monat
gestartet ist, um 24 Prozent. Freude bereitet dagegen der Kleinstwagen Aygo:
Der City-Flitzer, der mit unkonventionellen Aktionen im Rahmen der „Go Fun
Yourself“-Kampagne (HORIZONT 39/
2014) gepusht wird, verzeichnete bislang
in diesem Jahr ein Plus von gut 24 Prozent
auf 7708 Neuzulassungen.
Weiteren Schwung soll nun die neue
Generation des Kompaktklasse-Modells
Auris bringen, das optisch aufgefrischt
mit neuen Motoren und mehr Komfort
seit vergangenem Wochenende auf dem
Markt ist. Der Einstiegspreis bleibt mit
15990 Euro unverändert, die Hybrid-Variante startet bei 22990 Euro. Angeschoben wird der neue Auris mit einer klassischen Werbekampagne mit den Testimonials Prahl und Liefers, die am 21. September an den Start geht (Agentur:
Saatchi & Saatchi, Düsseldorf). Für den
Rest des Jahres wird sich die Werbung
dann in erster Linie mit Dachkampagnen
um die gesamte Modellrange von Toyota
drehen.
Das1. Quartal 2016 steht dann ganz im
Zeichen des Kompakt-SUV RAV4, der als
Hybrid auf den Markt kommt, vorgestellt
schon jetzt auf der IAA. Publikumspremiere feiert dort auch die vierte Generation des Toyota Prius, der laut Hersteller
den bisher größten Sprung in Sachen
Kraftstoffverbrauch, Emissionen und Effizienz macht. Und die „Zukunft“ (japanisch: Mirai) bricht an – mit dem gleichnamigen Brennstoffzellenauto, das in Europa zunächst in Deutschland, Großbritannien und Dänemark auf den Markt
kommt.
„Ich würde eine
2plus geben“
Sevilay Gökkaya über den Erfolg
der „Toyota Live Show“
Frau Gökkaya, die Show war ein
sehr aufwendiges Projekt. Hat es
sich gelohnt?
Wir sind auf jeden Fall sehr zufrieden – ich würde die Note 2plus geben. Wir haben, auch im Vorfeld
der Show, ein sehr starkes Echo im
Internet gehabt. Mehrere Tausend
Unique User haben den Livestream
verfolgt. Und die Händler berichten von beträchtlichen PR-Effekten
in den lokalen Medien. Daher hat
sich Toyota entschlossen, die von
den Händlern geförderten gemeinnützigen Projekte auch weiterhin
zu unterstützen.
Wie gut waren die Autohäuser zur
Live Show besucht?
Da ist das Bild durchwachsen. Ein
Handelspartner berichtet von über
700 Besuchern, bei anderen wiederum waren es deutlich weniger.
Dabei hat eine Rolle gespielt, inwiefern der Händler eigene Aktivierungsmaßnahmen zusätzlich zur
nationalen Werbung für die Show
durchgeführt hat. Wir sehen allgemein, dass es immer schwerer wird,
die Leute in die Autohäuser zu ziehen. Diese Erfahrung werden wir
beim nächsten Projekt dieser Art –
und das wird es auf jeden Fall geben
– berücksichtigen.
Woran messen Sie den Erfolg der
Live Show?
An den Verkäufen des neuen Toyota Auris. Die Zahl der Online-Konfigurationen ist bereits deutlich gestiegen. Wir lagen in der vergangenen Woche 2500 Einheiten über
den ansonsten üblichen wöchentlichen Zahlen. Daher hat die Show,
für die wir ja auf einen Teil der klassischen Werbung verzichtet haben,
ihre Aufgabe erfüllt.
Toyota baut bis Mai 2016 das
Händlernetz in Deutschland um.
Wie kommen Sie voran?
Bis Oktober dieses Jahres werden
Vertragsgestaltung und Margenregelung feststehen. Wir sind zuversichtlich, zwischen November 2015
und März 2016 mit allen Händlern,
mit denen wir weiterarbeiten wollen, entsprechende Verträge geschlossen zu haben.
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 93
17. September 2015
Let me entertain you
Um bei den jungen Zielgruppen zu landen, setzen immer mehr Automarken
auf Popstars als Markenbotschafter – wie vier aktuelle Beispiele aus diesem Jahr zeigen
FOTO: MERCEDES
Lana, Lena, Robbie
2015 setzen so viele Automarken auf Markenbotschafter aus dem PopBusiness wie nie zuvor. Der
Trend wurde aber bereits vor
einigen Jahren eingeläutet.
So arbeitete zum Beispiel
„Eurovision Song Contest“Gewinnerin Lena MeyerLandrut mit Opel (2010),
Lana Del Rey trat für Jaguar
in Erscheinung (2012),
Robbie Williams war vor
seinem Job als Volkswagen„Marketingleiter“ neben
weiteren Engagements für
Smart aktiv (2004). Lexus
hat zudem vor einigen
Wochen einen Werbedeal
mit Will.i.am von den Black
Eyed Peas abgeschlossen,
um auch die Zielgruppe der
Millennials zu erreichen.
Volks-
Kurz vor Weihnachten 2014 probte
den ganz großen Knall: Der Wolfsburger Autobauer verpflichtete Superstar Robbie
Williams. Und das nicht etwa als gewöhnliches
Testimonial – sondern als (natürlich fiktiven)
Marketingleiter, der seither in mehreren Kampagnenflights im TV und Online für die Sondermodelle Club & Lounge von Volkswagen wirbt. Das
Besondere an dem Auftritt: Die Inthronisierung des
Ex-Take-That-Sängers wurde über Wochen als
großes Social-Media-Event realisiert. Angefangen
mit einem inszenierten Bewerbungsvideo von
Williams, der einen Job in Deutschland suche, über
kurze Hinweis-Posts von Volkswagen auf Facebook
bis zur Vorstellung des Popstars vor der „Tagesschau“ am Tag vor Heiligabend. Und auch nach
dem Start der Kampagne unter dem Motto „Wie
gut klingt das denn“ planten die Wolfsburger
gemeinsam mit der Stammagentur Grabarz &
Partner jeden Schritt beinahe in Echtzeit: „Wir
justieren täglich die Kampagne neu, überlegen,
welche Inhalte wir über welche Kanäle ausspielen“, so VW-Marketingleiter Lutz Kothe über das
Riesenprojekt, das den Abverkauf der Sonderedition in der jüngeren Zielgruppe erhöhen soll. Die
Chancen dafür dürften nicht schlecht stehen:
Immerhin soll die ganzjährige Kampagne 150
Millionen Kontakte und eine Million Klicks in den
sozialen Netzwerken generieren.
wagen
Mercedes-Benz
Franz Beckenbauer, Boris Becker, Mika Häkkinen – seit Jahrzehnten arbeitet
mit prominenten Markenbotschaftern zusammen. Aber erst seit kurzem setzt die Marke mit dem Stern im Zuge ihrer Verjüngung auf
Promis, die vor allem das junge Publikum ansprechen sollen. Bestes Beispiel dafür ist Mainstream-Rapper Cro, seit 2013
Testimonial für den Autobauer. Dabei taucht der Musiker mit der Panda-Maske nicht in klassischen TV-Kampagnen auf,
sondern darf sich auf ungewöhnliche Weise selbst inszenieren: Im Frühjahr war Cro elementarer Bestandteil der MercedesRoadshow durch deutsche Großstädte, für die er einen „CLA Street Style“ im individuellen, bunten Graffiti-Look designte.
Als gebürtiger Stuttgarter steht Cro natürlich auch selbst auf die Mercedes-Karossen – für den Konzern ein wichtiges Kriterium bei der Auswahl seiner Partner: „Alle unsere Markenbotschafter sind überzeugte Liebhaber unserer Fahrzeuge“, so
Andreas von Wallfeld, Mitglied der Geschäftsleitung Mercedes-Benz Cars Vertrieb Deutschland. „Cro ist ein kreatives
Musiktalent, der ein gutes Gespür für Trends und Kunst hat. Damit passt er bestens zur Marke Mercedes-Benz.“
FOTO: VOLKSWAGEN
FOTO: VOLVO
Volvo
Für den schwedischen Hersteller
ist es ein Neuanfang
in der Kommunikation: „New Beginning“ heißt die europaweite
Kampagne der Automarke, die im vergangenen Mai startete und
mit der sich Volvo auf seine Stärken besinnen will – und dabei
bewusst auf den Faktor Heimat setzt. Im Mittelpunkt steht der
Stockholmer DJ und Produzent Avicii, der mit Hits wie „Wake Me
Up“ und „Addicted To You“ internationale Bekanntheit erlangte.
Der bildgewaltige Kampagnenfilm zeigt den Künstler auf einem
Road-Trip im Volvo XC-90, der ihn durch seine Lieblingsorte in
Schweden führt und dabei an seine Welttournee zurückerinnern
lässt. „Die Kampagne spiegelt etwas wider, das gerade sowohl
mit Avicii als auch mit der Marke Volvo geschieht“, sagt Alain
Visser, Senior Vice President Sales, Marketing & Customer Service
bei dem Autobauer. „Wir betreten ein neues Zeitalter und nennen
die Kampagne daher auch ‚A New Beginning‘. Wir haben in den
letzten Jahren viel investiert und unsere Marke weiterentwickelt.“
Im Ergebnis wolle Volvo Cars nun erneuert, effektiver und noch
kundenfreundlicher sein. Mithilfe der emotionalen Story, die von
„Epic Split“-Agentur Forsman & Bodenfors entwickelt wurde,
erzeugt Volvo so eine enge Verknüpfung zwischen Auto und
Testimonial – auch weil der Soundtrack, eine Neuinterpretation
des Nina-Simone-Klassikers „Feeling Good“, eigens für die
Kampagne aufgenommen wurde.
FOTO: MAZDA
Großen Stars gehören ja bekanntlich die großen Bühnen. Problem
nur: Je erfolgreicher Musiker und Bands werden, desto weniger
„anfassbar“ sind sie für ihre Fans. Die finnische Popband Sunrise
Avenue um Sänger und „Voice of Germany“-Juror Samu Haber hat da
im Juli eine Ausnahme gemacht – dank einer Kooperation mit
. Unter dem Motto „Das Konzert deines Lebens“ verloste
der japanische Autohersteller über Radiosender, Facebook und eine
Landingpage insgesamt 200 Tickets für ein intimes Konzert der Band
in Berlin, für das es sonst keine Karten zu kaufen gab. Laut Dino
Damiano, Direktor Marketing bei Mazda Motors Deutschland, war
die Aktion ein echter Erfolg, um die Marke bei der jungen Zielgruppe
besser zu positionieren: „Mit über 7500 Bewerbungen für Tickets auf
der von Mazda eigens eingerichteten Website, den über 11700
Bewerbern übers Radio sowie 24000 User-Interaktionen wie Klicks,
Likes, Comments und Shares, die wir mit allen Maßnahmen auf
Facebook generiert haben, ist diese Aktion mit Abstand die erfolgreichste.“ Mazda nutzte den Rahmen des Konzerts außerdem dazu,
sein Modell MX-5 in einem prominenten Umfeld zu promoten.
Mazda
94 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Zeigt mal her!
Virtuelle Realität: Immer mehr Autobauer
entdecken die Einsatzmöglichkeiten von 3D
und computergenerierten Inhalten für Retail
und Marketing – Showrooms als Kickstarter
FOTO: AUDI
FOTO: 3DEXCITE / CADILLAC
Digital kennt keinen
Geschäftsschluss – das
ist der Ansatz der
„24/7 Salesmen“-Demo
von Cadillac. Der USAutobauer installierte
2014 ein interaktives
Schaufenster, bei dem
Kaufinteressenten über
die Ladenöffnungszeiten hinaus ihr
Wunschauto konfigurieren und anschließend über Social
Media teilen können.
Zum Einsatz kommt
auch die VR-Brille
Google Cardboard.
Beim Einsatz von 3D-Technologien zur Simulation
von Crash-Tests gehört Honda zu den Vorreitern.
Mit der entsprechenden Software können fotorealistische Sequenzen generiert, Ansichten gedreht,
Teile entfernt und einzelne Komponenten isoliert
werden. Der japanische Autobauer ist von der
Technik offenbar so überzeugt, dass er die Bilder
aus der Simulation im vergangenen Jahr sogar für
einen Werbespot seiner US-Marke Acura einsetzte.
Von Fabian Müller
D
as Haus in 75 Piccadilly, London, ist von außen ein durchaus stattliches, aber doch eher
unscheinbares Gebäude im
viktorianischen Stil. Von innen ist es
nicht weniger als die Keimzelle einer digitalen Revolution im Automobil-Marketing. Denn hier befindet sich seit Sommer
2012 die Audi City, damals der allererste
virtuelle Showroom eines Autobauers.
Mittlerweile hat die Konkurrenz mit
eigenen virtuellen Schauräumen nachge-
Ein Auto im Wohnzimmer? Was den Anschein einer speziellen
Form des Falschparkens
erweckt, ist in Wahrheit
ein Paradebeispiel, um
Einsatzmöglichkeiten
von CGI in der Werbung zu verdeutlichen.
Das Projekt mit dem
Opel Adam stammt
von der Agentur Flavor
3D und erschien 2014
im Magazin „Ramp“.
zogen. Wenig verwunderlich, meint Roberto Schettler: „Virtuelle Realität ist
nicht mehr nur eine Angelegenheit für die
Pioniere der Industrie, es gehört auf die
Tagesordnung jedes Anbieters“, sagt der
Geschäftsführer von 3D Excite. Das Unternehmen bietet Software- und CGIDienstleistungen im High-End-Bereich,
unter anderem für BMW, Harley-Davidson, Volkswagen, Porsche und andere
Kunden aus der Automobilbranche.
Moderne Showrooms haben den Einsatz digitaler Mittel wie Dreidimensionalität, Virtuelle Realitiät (VR) und Computer Generated Imagery (CGI) im Mar-
keting und Retail von Autobauern sprichwörtlich salonfähig gemacht. Und nicht
nur solche öffentlichkeitswirksamen
Konzepte seien dafür prädestiniert, sagt
Schettler: „Virtuelle Realität hat im digitalen Marketing ungemein großes Anwendungspotenzial.“ Dazu zählen im
Prinzip nahezu alle Stufen einer Customer Journey, über die ein möglicher Käufer mit einem Produkt oder einer Marke
in Kontakt kommen kann; beispielsweise
Websites, Messen und Werbeanzeigen.
Entscheidend dabei: „Jeder einzelne Berühungspunkt muss in eine bestimmte
Erfahrung verwandelt werden“, betont
FOTOS: OPEL / RAMP / 3DEXCITE
FOTO: 3DEXCITE / HONDA
Grundstein einer Revolution: Die erste Audi City
eröffnete im Jahr 2012 in
London und hält den Autobauern seitdem vor Augen,
welche Möglichkeiten sie
durch virtuelle Realität in
Retail und Marketing haben. Mittlerweile betreiben
die meisten Hersteller virtuelle Showrooms, darunter
BMW, Mercedes und VW.
die Italienerin Monica Menghini, Chief
Strategy Officer des Softwareentwicklers
Dassault Systèmes.
Noch sind die vielfältigen Möglichkeiten, die VR und CGI dem Marketing bieten, allerdings nicht überall angekommen. Das hat diverse Gründe – die vergleichsweise hohen Kosten für Entwicklung und Umsetzung sind sicherlich einer
davon. „Wir leben in einer dreidimensionalen Welt, wie kann man da erwarten,
Kunden dauerhaft nur durch 2D-Darstellungen zu überzeugen?“, erinnert Schettler, der aber auch eine Entwicklung erkannt haben will. Viele Werbungtreiben-
de steckten heute „mehr als nur den großen Zeh“ in die Materie. Auch Agenturen
würden erkennen, dass sich die Kosten
durch Mehrfachverwendung der 3D-Visualisierung besser skalieren ließen.
Das ruft natürlich auch Spezialanbieter wie Flavor 3D auf den Plan. Die Agentur ist eine Tochter von Dassault Systèmes
und hat sich auf die Integration von CGI
in klassische Werbung spezialisiert. Das
funktioniert in Print (siehe Opel-Case
oben) genauso wie in Bewegtbild. Zum
Start der ersten Audi City kreierte Flavor
3D etwa einen Launchfilm – emotional
und alles andere als unscheinbar.
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 95
17. September 2015
Im Kopf geblieben
Eine HORIZONT-Exklusivumfrage zeigt:
VW steht für die beste Kampagne, Audi für die
innovativste Technik
Von Giuseppe Rondinella
Platz 1 – Kampagnen: VW hat seinen Spitzenplatz als Marke mit der interessantesten Werbung
Platz 1 – Innovation: Ein Transporter, beladen mit Audi-Sondermodellen, wird bei voller Fahrt
Platz 3 – Kampagnen: Profisurfer Garrett McNamara, Topmodel Petra Nemcová, Formel-1-Welt-
Platz 2 – Innovation: BMW hat sich das Ziel gesetzt, vor allem seinen technologischen Vorsprung
beibehalten. Die Wolfsburger starteten jüngst eine großangelegte Werbekampagne mit dem Namen „Think New“ und
wollen sich damit als innovativster Volumenhersteller positionieren. Das Besondere: Mit „Think New“ ist eine Kampagne angelaufen, in der zunächst kein Auto zu sehen ist (Kreation: DDB). Stattdessen geht es um Nutzwert. Den
Zuschauern soll gezeigt werden, wie Assistenzsysteme, Vernetzung und Digitalisierung das Leben erleichtern können.
Die Werbeoffensive knüpft an die vorherigen Kampagnen namens „Think Small“ und „Think Blue“ an.
inmitten einer Großstadt von Ganoven gekapert und mittels Helikopter entführt. Die Polizei findet die Verbrecher in
einer Lagerhalle – dank Ortungssystem in den gestohlenen Wagen. Die Technik als Retter der Stunde. Das einminütige
Action-Spektakel von Audi (Agentur: Thjnk) kommt wie ein Hollywood-Blockbuster daher und bewirbt seit Mitte des
Jahres die S Line Style Sonderedition. Die Ingolstädter beweisen als Partner der Berlinale wieder einmal ihre Nähe zur
großen Leinwand, ein Jahr Entwicklungszeit steckt hinter dem Spot namens „The Coup“.
meister Lewis Hamilton, Springreiterin Meredith Michaels-Beerbaum und Abenteurer Mike Horn. Alle sind sie prominente Botschafter der 360-Grad-SUV-Kampagne von Mercedes, die seit wenigen Wochen im TV zu sehen ist (Agentur: Jung von Matt). Mit der Storytelling-Kampagne geht der Autobauer bewusst neue Wege, inszeniert die Familie der
Mercedes-Offroader in bildgewaltiger Sprache, statt einzelne Autos separat zu bewerben. Unter anderem diese Bilder
bescheren der Marke mit dem Stern Platz 3 im Kampagnen-Ranking.
Alle Marken verlieren an Boden
Innovationskraft wird kritischer gesehen
Welche der folgenden deutschen Automobilmarken steht für besonders interessante Werbekampagnen?
Gesamt 2015 Gesamt 2014
Volkswagen
31,6
40,2
Audi
30,8
35,4
Mercedes
22,6
35,4
Opel
20,6
27,0
BMW
19,2
30,0
Mini
12,4
13,8
Ford
8,4
10,2
Smart
Porsche
keine davon
5,6
2,4
12,2
7,6
4,6
10,6
Männer
Frauen
36,8
23,9
16,2
17,3
Welche der folgenden deutschen Automobilmarken steht für innovative, zukunftsgerichtete Technik?
Gesamt 2015 Gesamt 2014
28,2
24,4
22,9
39,8
34,2
20,9
Audi
48,4
58,2
29,7
32,1
29,7
BMW
40,6
56,0
22,0
18,4
29,7
Mercedes
29,6
47,6
16,9
23,1
19,6
Volkswagen
29,2
40,8
Porsche
5,6
16,8
7,4
Opel
5,4
13,8
9,0
8,8
Ford
4,8
6,4
8,5
2,6
8,1
Smart
4,2
5,2
4,2
1,3
2,7
Mini
1,6
3,6
5,9
14,1
14,2
keine davon
7,2
5,4
27,1
13,7
24,6
15,3
14,1
7,1
9,8
6,8
8,1
15,0
3,4
Angaben in Prozent
18–29 Jahre 30–49 Jahre 50–69 Jahre
31,1
29,9
7,9
unter Beweis zu stellen. Die Markteinführung des i8, ein Plug-in-Hybrid Sportwagen, ist Anfang 2014 mit einer großen
Online- und Offline-Kampagne flankiert worden. Der neue TV-Spot von Serviceplan, der nun seit April on Air ist, betont
dabei vor allem die technische Raffinesse des Flitzers: eine effiziente Kombination aus Elektro- und Verbrennungsmotor, aerodynamisches Design sowie ausgeklügelte Connectivity-Lösungen. Wem das nicht reicht, den überzeugen
dann vielleicht die spektakulären Flügeltüren.
17,5
3,4
1,3
10,5
14,1
Wenn es um besonders interessante Werbekampagnen geht, führen die Marken
Volkswagen und Audi ein Kopf-an-Kopf-Rennen an der Spitze. Mit dem besseren
Ausgang für die Wolfsburger: 31,6 Prozent der Befragten wählten VW ganz nach
oben. Vor allem bei den 18- bis 29-Jährigen kommen die Spots und Motive an, bei
Audi gibt es keine Altersunterschiede. Auffällig ist: Alle deutschen Automarken
Frauen
18–29 Jahre 30–49 Jahre 50–69 Jahre
40,2
42,5
38,5
31,2
27,8
23,7
55,6 50,0
49,6
45,3
39,0
41,9
39,9
28,8
22,6
41,2
28,8
32,5
24,3
8,6
7,6
5,1
4,7
5,3
5,6
4,1
5,6
2,6
6,0
0,4
3,0
6,4
8,1
4,2
6,4
4,7
8,5
4,7
2,0
6,8
3,8
2,7
0,8
1,3
2,7
3,4
9,0
7,4
2,1
35,5
Basis: 500 Online-Befragte ab 18 Jahren; Befragungszeitraum: August 2015; zwei Antworten möglich
Basis: 500 Online-Befragte ab 18 Jahren; Befragungszeitraum: August 2015; zwei Antworten möglich
Quelle: Link Institut für Markt- und Sozialforschung
Männer
Angaben in Prozent
HORIZONT 38/2015
Quelle: Link Institut für Markt- und Sozialforschung
verlieren im Vergleich zum Vorjahr deutlich. Volkswagen knapp 10 Prozentpunkte,
Mercedes fast 13. Mehr Befragte als im letzten Jahr gaben zudem an, keine Werbekampagne besonders interessant zu finden (12,2 Prozent) – kein Kompliment für
die verantwortlichen Werbeagenturen. Auch, wenn es um innovative, zukunftsgerichtete Technik geht, lassen die deutschen Autobauer Federn. Wieder verlieren
HORIZONT 38/2015
hier alle Marken teilweise deutlich. Audi (48,4 Prozent) führt das Ranking vor BMW
(40,6 Prozent) und Mercedes (29,6 Prozent) an. Für diese drei haben die Männer
jeweils mehr Lob als die Frauen. Porsche, im Vorjahr noch im stabilen Mittelfeld,
findet sich plötzlich im Dunstkreis von Opel, Ford oder Smart wieder. Die Zuffenhausener verlieren über 11 Prozentpunkte.
96 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Fotos und Videos von
Ford, Audi, Opel und
VW: Hochwertige Optik
ist auf den neuen
sozialen Plattformen
ein Muss
FOTO: MAIK FLOEDER PHOTOGRAPHY
Mehr als
nur
Spielwiese
Auf den neuen sozialen
Plattformen wie
Instagram, Pinterest
und Vine tummeln sich
viele Autohersteller
Die Foto-Plattform Instagram
macht derzeit alle Anstrengungen, um in die regulären
Mediapläne der großen
Werbungtreibenden zu
kommen. Seit April ist auch in
Deutschland bezahlte Werbung möglich. Die Fotos der
Werbungtreibenden tauchen
dann in den Feeds auch von
Nutzern auf, die den Marken
nicht folgen. Sie können
mittlerweile mit einem Shopnow-Button versehen werden,
um direkt zu einem Onlineshop zu leiten. Gleichzeitig
sollen die Targeting-Möglichkeiten in Kooperation mit dem
Mutterkonzern Facebook
verbessert werden.
K
Von Klaus Janke
arl-Thomas Neumann, Vorstandschef von Opel, zählt
nicht nur über 10000 Follower
auf seinem persönlichen Twitter-Account, sondern hat sogar eine persönliche Seite auf dem Kurzvideo-Portal
Vine. Die sechssekündigen Clips zeigen
Neumann unter anderem beim Start eines Langstreckenlaufs und am Steuer eines Konzeptautos.
Wo selbst der Chef so vernarrt in die
neuen sozialen Netzwerke ist, zeigen sich
natürlich die Marketing- und PR-Strategen mindestens genauso aufgeschlossen.
Zum ständigen Programm gehören bei
Opel längst nicht mehr nur die etablierten Plattformen Facebook, Youtube,
Google Plus und Twitter. Opel ist darüber
hinaus bereits seit Anfang 2013 bei Pinterest aktiv, wo der Hersteller unter anderem Konfiguratoren für Modelle wie den
Adam platzierte. Daneben liefert Opel
unter anderem attraktive optische Inhalte
für Instagram, wo die Marke bereits
27000 Follower zählt. Auf Vine präsentiert sich für Opel nicht nur Neumann,
sondern auch der Amerikaner Zach King,
der sich auf bildbearbeitete Kurzvideos
mit überraschenden, bizarren Inhalten
spezialisiert hat. „Bei Social-Media-Aktivitäten sollte grundsätzlich der Unterhaltungscharakter im Vordergrund stehen“, erklärt Alexander Lengen, Manager
Social Media & Broadcast bei Opel.
Sogar mit dem neuen LivestreamingDienst Periscope hat Opel bereits Erfahrungen gesammelt: Die Pressekonferenz
zur Einführung des neuen CarsharingAngebots Car Unity wurde dort in Echtzeit übertragen. Opel gehört damit zu
den ersten Markenartiklern überhaupt,
die Periscope nutzen. Ob der Kanal einen
Stammplatz im Social-Media-Portfolio
des Autoherstellers bekommen wird, ist
laut Lengen allerdings noch unklar: „Periscope befindet sich noch im Experimentierstatus“, erklärt Lengen.
Auch viele andere Autohersteller haben Spaß an den neueren Social-Plattformen wie Instagram, Pinterest, Vine,
Snapchat und Periscope. Sie zeigen
künstlerische Fotos, berichten von
Events, veranstalten Foto- und Videowettbewerbe oder zeigen einfach Material
aus einer aktuellen Werbekampagne –
und hoffen dabei immer, virale Effekte zu
erzeugen. Stringente Strategien sind hier
noch nicht zu erkennen. Meist werden die
neuen Plattformen in umfassendere
Kampagnen eingebaut. Reichweite spielt
dabei keine Rolle, sondern viel mehr PR
und vor allem Image-Effekte, die die Autobauer in den jungen Zielgruppen dringend benötigen.
Mittlerweile nehmen sie sogar Geld in
die Hand, um bei in den innovativen Kanälen aufzufallen: Zu den ersten zahlenden Werbekunden von Instagram (siehe
links) zählten im April unter anderem
VW, Mercedes-Benz und Porsche. Natanael Sijanta, Leiter Marketing Kommunikation Mercedes-Benz Pkw, bezeichnet
Instagram für sein Haus als „besondere
Erfolgsgeschichte“. Der Hersteller veranstaltet dort unter anderem spezielle Instagram-Events wie „Nachts auf der IAA“
oder „Nachts im Europa-Park“. „Hierzu
laden wir Fotografen und digitale Influencer ein, die ihre Bilder auf unseren Kanälen zeigen können“, so Sijanta. Die erste Paid-Kampagne lief für das Forschungsfahrzeug „F 015 Luxury in Motion“, mit dem viele Zukunftsaspekte der
Mobilität wie etwa autonomes Fahren
umgesetzt werden.
Instagram eigne sich für MercedesBenz vor allem dafür, „unsere Produkte,
ihre Emotionalität und das einzigartige
Design authentisch zu präsentieren“, so
Sijanta. „Nutzer können sich über das
Hashtag #MBFanPhoto einbringen.“ Die
neuen Paid-Formate dienen aber auch
zur Generierung von Traffic, etwa für das
aktuelle SUV-Special auf www.mercedesbenz.com/SUV. Auf Instagram liegt Mercedes-Benz laut Sijanta weltweit mit 11
Millionen Interaktionen pro Monat unter den Markenartiklern an zweiter Stelle
hinter Nike.
Auch mit Live-Formaten habe Mercedes-Benz gute Erfahrungen gemacht –
mit Periscope-Videos und den „Stories“
bei Snapchat, also aufeinanderfolgenden
Fotos, die sich gleich nach Betrachten löschen. Gezeigt wurden unter anderem die
Weltpremiere des SUV-Modells GLC bei
Hugo Boss in Metzingen sowie eine Produktpräsentation des Gran-TurismoCoupés Mercedes-AMG GT.
A
uch bei Ford kann man sich vorstellen, demnächst Paid-Werbung
bei Instagram zu testen, erklärt
Dorit Haas, Manager Interactive Consumer Marketing. Bislang interessiert es gut
1500 Abonnenten, was die Marke dort
treibt. „Instagram hat aus unserer Sicht
ein großes Zukunftspotenzial“, glaubt
Haas. „Wir zeigen dort meist hochwertiges, überraschendes Material. Der Anspruch an das Bild ist hier deutlich höher
als etwa auf Facebook.“ Ford hat zudem
bereits 2013 erste Tests mit Vine gefahren,
regelmäßig wird jedoch kein Inhalt dafür
produziert. „Vine wird noch nicht so
stark genutzt, dass es für uns zurzeit eine
wirkliche strategische Bedeutung hat“,
erklärt Haas. „Wir bespielen die Plattform in erster Linie, wenn wir User-generated Content abbilden wollen, zum Beispiel im Rahmen von Videowettbewerben.“ Ein weiteres interessantes Betäti-
gungsfeld könne für Ford künftig auch
Pinterest sein.
Die Ausweitung auf Paid-Werbung
bringt in der Regel organisatorische Veränderungen mit sich. Solange für die Social-Media-Aktivitäten keine Mediabudgets notwendig sind, werden sie bei Opel
von der PR betreut. Paid-Maßnahmen
müssen dagegen mit dem Marketing abgestimmt werden: „Sobald MarketingGelder in die Aktivitäten fließen, wird der
Erfolg auch nach klassischen MarketingKPIs bewertet“, so Social-Media-Manager Lengen.
Allerdings stellen die neuen Plattformen die Autohersteller auch vor Probleme. Bei Ford etwa hat man Bedenken,
was Livestreaming auf Plattformen wie
Periscope oder Meerkat angeht. Während
man bei sonstigem Bewegtbildmaterial in
Ruhe Qualität und vor allem auch die
Persönlichkeitsrechte gefilmter Personen
klären kann, ist dies bei Live-Übertragungen nicht möglich. Ein weiteres Problem
sind die Werberegeln für Autohersteller.
Haas: „Wenn wir etwa über Fahrzeugmodelle berichten wollen, dürfen wir aus
rechtlichen Gründen gegebenenfalls
nicht auf den Ausweis der CO2-Emissionswerte verzichten. Diese sind aber in
bestimmten Formaten nicht darstellbar.“
Ein weiterer Hemmschuh: Das Datenmaterial, das die Betreiber der neuen
Plattformen zur Verfügung stellen können, lässt noch zu wünschen übrig. Das
macht es schwieriger, die neuen Kanäle
in strategisch relevante Kommunikationsmaßnahmen einzubauen. „Die Informationen über die Nutzergruppen sowie über die Reichweiten sind noch sehr
rudimentär“, bemängelt Ford-Managerin Haas. Teilweise tendieren sie sogar
streng gegen null: „Snapchat ist ein totaler
Blindflug“, weiß Lengen. „Da weiß man
nur, dass die Nutzer jung sind.“
100 REPORT AUTOMARKETING
Darf’s denn
auch mal
ohne sein?
HORIZONT 38/2015
Powered by
Volvo
AGENTUR:
Grey, London
CREATIVE DIRECTOR:
Hollie Newton
ART DIRECTORS:
Hollie Newton,
Rasmus Smith Bech
COPYWRITER:
Hollie Newton, Jonas Roth
Internationale Printkampagnen zeigen: Um technische
Innovationen von Autos zu bewerben, muss mitnichten
ein Fahrzeug im Bild sein. Im Gegenteil – manchmal
wird die Technik sogar spannender, wenn sie nicht auf
den ersten Blick zu erkennen ist
Von Michael Weinzettl,
Lürzer’s Archive
Frischluft auch im Wageninneren?
Mit Volvos Clean Zone Package
werden allergie- und
asthmaerregende Substanzen
herausgefiltert
Škoda
AGENTUR:
ACW Grey, Tel Aviv
CREATIVE DIRECTORS:
Tal Riven, Moti Rubinstein
ART DIRECTOR:
Ira Gimpelevich
COPYWRITER:
Danny Kamushevich
FOTOGRAF: Yaron Itzhakov
Volkswagen
AGENTUR: Adam&Eve, London
CREATIVE DIRECTORS:
Aidan McClure, Laurent Simon
ART DIRECTOR: Thomas Worthington
COPYWRITER: Greg Ormrod
FOTOGRAF: Milo Reid
Nicht nur nachts sehen sich
viele Autos ähnlich –
Škodas Boarding Spots
machen den Fahrer mit
Licht auf sein Auto
aufmerksam
Für Fahrer eines elektrisch
angetriebenen Golf erübrigt sich
der Weg zur Tankstelle
Smart
AGENTUR:
Contrapunto BBDO, Madrid
CREATIVE DIRECTORS:
Carlos Jorge, Félix del Valle
ART DIRECTORS:
Aurora Hidalgo, Raul Lopez
COPYWRITERS:
Aurora Hidalgo, Raul Lopez,
Félix del Valle
ILLUSTRATOR:
Carles Marsal
Ablenkung gibt es jede Menge – der
Aufmerksamkeitsassistent von
Mercedes führt zurück in die Spur
17. September 2015
Renault
AGENTUR: Publicis, Mexico City
CREATIVE DIRECTOR: Héctor Fernández Maldonado
ART DIRECTORS: Rocky Flores, Carlos Contreras
FOTOGRAF: Ale Burset
Seine Arche kann Noah verkaufen – alle, die mitmüssen,
passen in den den Renault Trafic
102 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
1
2
a) Infiniti
b) Mercedes
a) Audi
b) Hyundai
c) Porsche
d) Renault
c) Seat
d) Alfa Romeo
3
4
Das Rücklichter-Quiz
a) Mercedes
b) Peugeot
c) Mazda
d) BMW
Nicht selten sehen sich die Wagen der Kompaktklasse oder
SUVs auf den ersten Blick sehr ähnlich. In bestimmten Details
aber kann man doch die Design-Handschrift der Autoherstellererkennen–manmussbeispielsweisenureinenBlickauf
die Rücklichter werfen. Das machen Sie sowieso? Dann dürfte
unser Auto-Quiz keine große Herausforderung für Sie darstellen! Es gilt, die abgebildeten Rücklichter einer Marke
zuzuordnen. Die Experten unter Ihnen können sogar versuchen, das Modell zum Scheinwerfer zu erraten. Die Auflösung finden Sie auf Seite 124 des Automarketing-Reports.
Viel Spaß beim Rätseln!
5
a) Mitsubishi
b) Suzuki
c) Peugeot
d) Maserati
7
6
a) Fiat
a) Škoda
b) Mini
b) Ford
c) Citroën
c) Audi
d) Jeep
a) Nissan
b) Ford
c) Alfa Romeo
d) Mazda
8
d) Subaru
9
10
a) Jaguar
b) Seat
a) Suzuki
b) Cadillac
a) Renault
b) Ford
c) Audi
d) Kia
c) Honda
d) Mitsubishi
c) Dacia
d) Opel
11
12
13
a) Lexus
b) Hyundai
a) Volkswagen
b) Seat
a) Volkswagen
b) Kia
c) Toyota
d) Volvo
c) BMW
d) Audi
c) Bentley
d) Citroën
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 103
17. September 2015
FOTO: MANUEL HECKEL
Show
ohne Helden
Der spektakuläre
Auftakt der Rallye
Deutschland an der
Porta Nigra in Trier
Die Deutschland-Rallye
bot den Automobilherstellern Gelegenheit,
sich zu inszenieren.
Den Konzernen fehlt
jedoch ein wichtiges
Element
Z
Von Manuel Heckel
ur Römerzeit war sie das Bollwerk gegen Eindringlinge, an
diesem Augustwochenende war
jede Belagerung dagegen willkommen: Dicht an dicht drängten sich
die Zuschauer um die Porta Nigra, das
historische Stadttor von Trier. Eine Lichtshow tauchte das Gemäuer abwechselnd
in Blau und Rot. Und unter dem Jubel
tausender Fans durften die führenden
Rallyesportler von einer Rampe durch die
Innenstadt rollen – der Auftakt der
ADAC Rallye Deutschland 2015 im Rahmen der FIA World Rally Championship
(WRC) sorgte für strahlende Gesichter
bei Fahrern, Fans und Marketingverantwortlichen der beteiligten Autohersteller.
Vier Tage später, nach 21 Wertungsprüfungen und 350 Kilometern durch die
Region, blieb das Fazit auf Herstellerseite
positiv: „Mit der Entwicklung in
Deutschland sind wir bislang ganz zufrieden, auch wenn wir sicher sind, dass
das Potenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist“, sagt VW-Motorsportdirektor Jost Capito. Denn eine große Herausforderung bleibt, ist von allen Herstellern
zu hören: Über die eingeschworene, aber
überschaubare Rallye-Community in
Deutschland hinaus sorgen Veranstaltung und Disziplin nur für wenig Aufmerksamkeit – für die Massenwirkung
fehlt ein deutscher Spitzenfahrer.
Neben VW sind auch Hyundai und
Citroën in der WRC sowie Škoda und
Opel in der WRC2 mit Werksteams in der
Weltmeisterschaft vertreten – und alle
Vollgas auf allen Kanälen
Rallyefahrer rasen mal über Asphalt, mal über
Schotter, mal über Waldboden. Auch bei der medialen Verwertung der WRC wird diese Vielfalt
immer sichtbarer: Pünktlich zur Deutschland-Rallye brachte das Multimedia-Unternehmen Laola 1
eine neue App für Smart-TV auf den Markt, die
exklusiv über Amazon angeboten wird. Über das
Programm können Fans auf das umfangreiche
Bezahlangebot rund um die Rallye-Weltmeisterschaft zugreifen. Man führe die digitale Strategie
fort, um das „Paid-Content-Modell WRC+ langfristig im Markt zu etablieren“, sagt Jona Siebel,
Managing Director der WRC Promoter GmbH.
Neben den 220000 Zuschauern vor Ort in Trier
verfolgten in Deutschland zudem noch 90000
Menschen vor dem Fernseher das Event. So viele
schalteten im Durchschnitt in die Highlight-Be-
richterstattung von Sport 1 ein. In der Kernzielgruppe Männer zwischen14 und 49 Jahren reichte
es dafür nach Senderangaben für einen Marktanteil von 1,0 Prozent. Der Heimspieleffekt blieb
damit aus – Zuschauerzahl und Marktanteil lagen
nur ganz knapp über dem Schnitt der sonstigen
Rallye-Berichterstattung des Senders und sogar
unter dem Zuschauerschnitt im August (1,6 Prozent). Dennoch sei die Übertragung ein wichtiges
Element für Sport 1, sagt Olaf Schröder, VorsitzenderderGeschäftsführung:„MitdenRechtenander
FIA WRC bis einschließlich 2016 unterstreichen wir
unsere Positionierung als der Motorsportsender in
Deutschland.“ Flankiert wurden die Sendungen im
Free-TV mit Live-Übertragungen auf dem Pay-TVAbleger Sport 1+ und einem umfangreichen Angebot in den Online-Auftritten.
nutzten die deutsche Traditionsveranstaltung ausgiebig zur Präsentation. Hoch
über den Weinbergen der Mosel hatte etwa Škoda ein Hospitality-Zelt errichtet,
auf den Absperrungen zahlreicher Spitzkehren prangte das Opel-Logo. Andere
Hersteller fuhren in zahlreichen Kleinbussen und Limousinen VIP-Gäste,
Händler, Kunden und Journalisten zwischen den abgelegenen Wertungsprüfungen hin und her. Dreh- und Angelpunkt
war der Servicepark in Trier – in dieser
temporären Boxengasse konnten auch
Fans ganz nah ran an Autos und Fahrer.
Selbstbewusst hatte hier Volkswagen
seinen Auftritt mit dem Slogan „Easy to
follow, hard to beat“ betitelt. Dabei war
der Konzern mit einem besonderen Makel angereist: Der Hersteller, der mit
überragendem Erfolg vor drei Jahren in
die Serie einstieg, hatte ausgerechnet das
Heimspiel bislang noch nie gewinnen
können. „Dementsprechend groß war die
Erwartungshaltung, gerade bei uns zuhause, in diesem Jahr vor heimischer Kulisse zu überzeugen“, sagt Capito – und in
der Tat konnten die Rallye-Polos diesem
Anspruch gerecht werden. Die VW-Piloten belegten direkt das gesamte Podium.
A
uch für Hyundai, dessen Fahrer
sich mit der Rallyeversion des i20
als „best of the rest“ hinter VW in
der Schlusswertung einreihten, hat die
deutsche Rallye einen besonderen Stellenwert. Die Motorsport-Tochter des koreanischen Konzerns hat ihren Sitz im
deutschen Alzenau, zudem sitzt die Europazentrale in Frankfurt. Das 2014 aufgenommene Engagement in der WRC
war die richtige Entscheidung, sagt Stefan
Ph. Henrich, der das Marketing von Hyundai-Motorsport verantwortet: „Der
Fan kann sich einfach mit den seriennahen Fahrzeugen identifizieren. Und
wir können bei Themen wie Begehrlichkeit oder Spaß dazulernen, die man noch
nicht so sehr mit uns assoziiert.“
Das große Manko für alle Hersteller:
Egal in welchem Fabrikat – aktuell fährt
kein deutscher Fahrer ganz vorn um den
WM-Titel mit. In und um Trier reichte es
für Škoda-Pilot Fabian Kreim als bestem
Deutschen nur für Platz 21. Hyundai
konnte immerhin den Belgier Thierry
Neuville aufbieten, der fließend deutsch
spricht und im letzten Jahr die Deutschland-Rallye gewinnen konnte.
Für die begeisterten Fans in Trier
reichte das, für den großen medialen
Durchbruch keineswegs. „Wir brauchen
wieder einen deutschen Rallyefahrer von
Weltformat. Gerne von der Güteklasse eines Walter Röhrl“, sagt Opel-Motorsportdirektor Jörg Schrott. Mit Argusaugen beobachten die Hersteller daher den
Motorsport-Nachwuchs – und fördern
ihn. Die Fahrer beim ADAC Opel Rallye
Cup etwa durften im Rahmen der
Deutschland-Rallye starten, auch vor den
40000 Zuschauern bei den Wertungsprüfungen auf der legendären „Panzerplatte“: „Hier fahren zu können, und das vor
den Augen der Weltelite, das ist schon
etwas ganz Besonderes – für die Teams,
aber auch für die Marke Opel“, sagt
Schrott.
A
uch Citroën – in der WRC im engen Duell mit Hyundai um Platz 2
in der Herstellerwertung – setzt in
mehreren Ländern auf Nachwuchsserien
im Rallyesport. In Deutschland fahren in
der Rallye-Trophy in dieser Saison 17
Fahrzeuge mit und messen sich auf Strecken quer durch Deutschland und Österreich. Um ein Gefühl für die übernächste
Fahrergeneration zu bekommen, nutzte
Citroën in diesem Jahr auch den Rahmen
der Deutschland-Rallye.
Gemeinsam mit „Auto Bild-Sportcars“ hatte der Hersteller nach rennsportunerfahrenem Nachwuchs für den Wettbewerb „Sportpilot 2015“ gesucht. 14 ausgewählte junge Fahrer reisten nach Trier
und durften einen Tag WRC-Luft
schnuppern – mit Stippvisiten im Servicepark und bei einzelnen Wertungsprüfungen. Einen Tag später durfte sich
der Nachwuchs selbst in einem Fahrsicherheitszentrum beweisen. Der Gewinner wird jetzt auf einen Lizenz-Lehrgang
geschickt – und wird im Oktober bei der
Rallye Baden-Württemberg seine Motorsport-Premiere feiern.
Die Marken Hyundai (oben) und Volkswagen
(unten) präsentieren sich auf und neben der Strecke
Vorbereitung fürs Rennen: Das Werksteam tüftelt am Citroën
104 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
Schürfen nach
Adress-Gold
Fabian Guse, Iskander
Business Partner
Kundenanfragen sind ein wertvolles Gut. Aber das Leadmanagement
der Hersteller und Händler lässt zu wünschen übrig
Von Andreas Magner
G
FOTO: COLOURBOX
uten Tag Herr Magner, vielen
Dank für Ihre Anfrage. Gerne
beraten wir Sie. Rufen Sie
mich doch einfach an oder
kommen Sie kurz in unserer Filiale vorbei. Da finden wir bestimmt das richtige
Modell und den richtigen Termin für eine
Probefahrt.“
Die Antwort auf die Anfrage zur Probefahrt ließ nicht lange auf sich warten.
Weniger als drei Stunden. Geschrieben in
einem freundlichen Ton. Die Handlungsaufforderung war drin. Alles richtig ge-
Die Vielzahl von Leads
aus verschiedenen
Quellen ist nicht einfach
zu bearbeiten
macht? Das Gegenteil ist der Fall. Meist
bricht hier der Kommunikationsprozess
ab. Denn der Kunde wollte ja zunächst
nicht ins Autohaus kommen, sondern die
Kommunikation per E-Mail führen und
bereits vor dem Weg zum Händler alle
Eckpunkte festmachen.
Dies wird in vielen Autohäusern und
Werkstätten noch immer verkannt. Dabei
ist das Leadmanagement nicht neu, sondern gewinnt in den vergangenen Jahren
und Monaten deutlich an Fahrt. Wer dies
nicht erkennt, kann den Kampf um
Marktanteile gleich abschreiben. Mit den
diversen Online-Optionen wie Hersteller- und Händler-Website sowie sozialen
Netzwerken steigen die Dynamik und die
Anforderungen an Automobilhersteller
und ihre Vertriebspartner. Doch den neuen Herausforderungen sind längst nicht
alle gewachsen.
Laut einer jüngst veröffentlichten Studie der Unternehmensberatung Iskander
Business Partner brauchen die Hersteller
im Durchschnitt anderthalb Tage, um auf
eine Anfrage nach einer Probefahrt auf
ihrer Website zu antworten – 36 Stunden,
eine halbe Ewigkeit in Zeiten von LTE
und VDSL. Dennoch kann Fabian Guse,
der für die Studie verantwortlich ist, dem
etwas Positives abgewinnen: „Die gute
Nachricht: Im Vergleich zum Vorjahr hat
sich die Reaktionszeit deutlich verbessert.“ Vor zwölf Monaten, als Iskander
Business Partner die Studie zum ersten
Mal durchführte, ließ eine Antwort von
den Herstellern durchschnittlich fünf Tage auf sich warten. Damit hat sich die
Reaktionszeit deutlich verbessert. Doch
besser ist noch lange nicht gut.
Dabei schneiden die Automobilmarken im Rahmen der Studie, bei der 14
Hersteller je acht Anfragen erhielten, sehr
unterschiedlich ab. Während Fiat, das
sich mit seinen Händlern in den vergangenen Monaten vor Gericht stritt, gute
Werte erzielte, kommen Hyundai, Dacia
und Renault auf ein eher schlechtes Ergebnis. Entsprechend lohnt sich ein Blick
hinter die Zahlen.
Renault, einer der größten Importeure
hierzulande, hat das Leadmanagement
bereits vor einigen Jahren neu aufgestellt.
Interessieren sich die Kunden für Broschüren, was in zwei Drittel der Anfragen
der Fall ist, werden diese umgehend per
E-Mail oder postalisch versandt. Fragen
die Kunden nach einer Probefahrt, qualifiziert ein Callcenter den Lead.
Der Wunsch des potenziellen Kunden
nach Modell, Motorisierung und Termin
wird mit den vorhandenen Möglichkeiten abgeglichen. Erst wenn ein Termin
steht, bekommt der Händler den Lead
eingespielt. „In 80 Prozent der Fälle schaffen wir den Prozess innerhalb von acht
Stunden“, berichtet Stéphanie Lacoste,
die bei Renault Deutschland für das CRM
verantwortlich ist.
Der Außendienstler prüft den Bearbeitungsstand beim Händler, der Kunde
wird am Tag vor der Probefahrt nochmals
kontaktiert. Lacoste ist mit dem Prozess
zufrieden, die Kunden anscheinend auch:
Laut der CRM-Managerin äußern sich 95
Prozent der Kunden in der Umfrage nach
der Probefahrt zufrieden. Das heißt aber
noch lange nicht, dass sich die Kunden
auch für das Fahrzeug entscheiden: „Die
Conversion Rate liegt bei Renault bei
rund 4 Prozent“, erläutert Lacoste. „Bei
Dacia ist sie etwa doppelt so hoch.“
Eine entscheidende Rolle bei der Umwandlung spielen nach wie vor die Händler vor Ort. Denn in den mit Abstand
meisten Fällen erfolgt der Kauf nicht im
Internet, sondern im Autohaus. Doch da
tauchen die Kunden meist nur noch einmal, höchstens zweimal vor dem Kauf ihres Neuwagens auf. Entsprechend wollen
viele Verkäufer die Kunden möglichst in
die teuren Showrooms holen.
E
in Fehler. „Gutes Leadmanagement ist heute ein entscheidender
Erfolgsfaktor: Vier von fünf Kontaktpunkten mit Kunden sind schließlich
online“, erläutert Daniel Breves. Der
Commercial Director von Mobile.de
weiß, wovon er spricht. Die Onlineplattform generiert mit ihrem Online-Konfigurator Monat für Monat zwischen
15000 und 20000 Neuwagen-Leads. Diese
verkauft sie an die Händler weiter. „Viele
unserer Nutzer stehen kurz vor dem Kauf.
Das ist gut für den Handel“, ist Breves
überzeugt. Am Ende liege die Umwandlungsquote bei Bestellfahrzeugen zwischen 5 und 10 Prozent.
Im Leadmanagement gibt es also weiter Luft nach oben. Seit mehr als einem
Jahrzehnt wird es genutzt, allerdings eben
nicht immer professionell. „In dieser Zeit
haben die schlechten Erfahrungen zu einer hohen Skepsis geführt“, so Breves.
17. September 2015
Das kommt bereits in den Basics zum
Ausdruck: „Das Wichtigste ist, dass die
Händler überhaupt reagieren.“ Eigentlich
eine Selbstverständlichkeit, doch „20 Prozent der Kunden erhalten gar keine Antwort“, so Breve. Damit verschenken die
Händler nicht nur viel Potenzial, sondern
stoßen bereits vorab jeden fünften möglichen Kunden vor den Kopf.
Auch wenn sich die Händler zur Antwort entschließen, sieht der Online-Experte oft Nachholbedarf. „Viele Verkäufer
schreiben schlicht zurück, wann der Kunde ins Autohaus kommen könne, oder ob
er die Telefonnummer schicken könne.
Damit ist die Kommunikation quasi beendet“, stellt Breves klar. „Dabei präferieren gerade Interessenten, die sich per Onlinelead melden, die Kommunikation via
E-Mail oder Telefon.“
D
och zu glauben, die Händler
würden das Thema verkennen,
ist falsch. Längst ist die Bedeutung des Leadmanagements auch hier angekommen. „Das spielt für uns eine extrem große Rolle und wird in Zukunft
noch wichtiger“, betont Christian Voßkamp. Er verantwortet bei der AutohausGruppe Bleker, die zu den größten deutschen Autohändlern gehört, die Marke
Citroën. Von den insgesamt sieben französischen und italienischen Marken, die
es vertreibt, verkauft das Autohaus jedes
Jahr rund 4500 Neuwagen. „Sich nur auf
die klassische Zeitungswerbung und auf
die ,normalen‘ Besucher in den Autohäusern zu verlassen“, so Voßkamp, „reicht
in naher Zukunft sicher nicht mehr aus.“
„Beim Leadmanagement ist am Ende
der Verkäufer entscheidend“, betont
Voßkamp. Er steht in direktem Kontakt
zum Kunden. Natürlich sind die Verkäufer für das Thema sensibilisiert und erhalten umfangreiche Schulungen. Dennoch
gibt es individuelle Unterschiede. Er kann
einen guten oder schlechten Tag erwischen. Zudem hat jeder seine eigene Art,
mit den Anfragen umzugehen. Je nach
Quelle des Leads und deren Vorqualifizierung ist vom Verkäufer viel Ausdauer nötig, um am Ende den potenziellen Kunden aus der Vielzahl an Leads zu identifizieren.
Doch die Händler haben noch mit einem weiteren Aspekt zu kämpfen: „Wir
bekommen so viele Leads aus zahlreichen
verschiedenen Quellen, dass es schwierig
ist, alle zu kanalisieren und richtig zu bearbeiten“, bedauert die Führungskraft eines Mehrmarkenhändlers, die namentlich nicht genannt werden will. So sammeln die Händler selbst in ihrer Region
Adressen über das Internet und über
Events, die Hersteller ihrer Fabrikate spielen ihnen zahlreiche Anfragen zu, von
Onlineplattformen erhalten sie Angebote
und nicht zuletzt prüfen häufig Tester
und die Presse. Es ist ja einfach und geht
schnell. Das fordert nicht gerade die Motivation der Verkäufer.
Ach ja, die eingangs erwähnte Antwort
des Automobilverkäufers liegt nun seit
fünf Tagen unbeantwortet in meinem
Postfach. Wieder ein Lead für den Verkäufer, der im Sande verlief. Sorry, war ja
nur ein Test.
„Verlorenes
Potenzial“
Fabian Guse über die Ergebnisse
der Studie zum Händler-Response
Herr Guse, wer wartet anderthalb
Tage auf eine Antwort bei einer
Internetanfrage?
Laut unserer Studie ist dies die
Durchschnittszeit, die ein Kunde
warten muss, wenn er auf der Website eines Automobilherstellers nach
einer Probefahrt anfragt. Das ist
schon erstaunlich, schließlich handelt es sich bei den Hersteller-Websites um den Kanal mit der größten
Reichweite. Aber im Vergleich zum
vergangenen Jahr hat sich die Reaktionszeit deutlich verbessert. Die
Hersteller brauchten 2014 für eine
Antwortmail oder den Rückruf
durch ein Callcenter durchschnittlich fünf Tage.
Wie haben denn die einzelnen
Marken aktuell abgeschnitten?
Mercedes-Benz konnte über alle Kategorien hinweg die beste Performance ablegen, gefolgt von Fiat und
Opel. Ziemlich schlecht hingegen
schnitten Renault, Dacia und Hyundai ab. Aber auch Škoda und BMW
konnten nicht wirklich überzeugen.
Bei den Social-Media-Anfragen
sind die Ergebnisse deutlich besser,
wenn die Hersteller antworten. Im
Durchschnitt haben sie auf eine
Facebook-Anfrage nach sechs Stunden ein Feedback gegeben.
Was heißt „wenn die Hersteller
antworten“?
Auf unsere Anfragen auf Twitter war
die Response-Quote 0 Prozent. Keine Antwort, von keinem Hersteller.
Im Vorjahr haben sie noch auf zwei
Drittel der Anfragen geantwortet.
Hier hat ein deutliches Umdenken
stattgefunden.
Bei so langsamen Reaktionszeiten
springt doch jeder Kunde ab, oder?
Wir werden die Kunden im zweiten
Teil der Studie nach ihren Erwartungen befragen. Aber schlimmer
als die lange Reaktionszeit ist, dass
jede fünfte Anfrage unbeantwortet
bleibt. Hier geht ein großes Potenzial verloren. Dafür kann es verschiedene Gründe geben. Beispielsweise
arbeiten Hersteller und Händler
häufig mit unterschiedlichen Softwaresystemen, beim Übertragen
kann da schnell ein Lead verloren
gehen. Oder Händler priorisieren,
indem sie Anfragen über die Händler-Website wesentlich schneller beantworten. Hier liegt die durchschnittliche Reaktionszeit bei gerade mal drei Stunden. Das ist gut.
An den Händlern kann es doch
dann nicht liegen.
Wir sehen an der Schnittstelle zwischen Hersteller und Händler den
größten Optimierungsbedarf. Der
Multi-Channel-Gedanke muss konsequenter umgesetzt werden und
bedarf einer besseren Integration.
INTERVIEW: ANDREAS MAGNER
106 REPORT AUTOMARKETING
Beam
me to
work,
Scotty
HORIZONT hat junge
Marketingmanager gefragt,
wie Mobilität im Jahr 2025
aussehen könnte
Von Giuseppe Rondinella
A
uto, Bahn, Bus, E-Bike, Carsharing oder zu Fuß – es gibt
viele Möglichkeiten, an den Arbeitsplatz zu gelangen. Laut
Angaben der Stiftung für Zukunftsfragen
fuhren im vergangenen Jahr 53 Prozent
aller Befragten mit dem eigenen Pkw zur
Arbeit, 16 Prozent mit dem öffentlichen
Personennahverkehr (Bus und Bahn)
und 14 Prozent waren zu Fuß unterwegs.
Der Rest verteilt sich auf das Rad, Fahrgemeinschaften und den Zug.
Doch wie sieht die Mobilität der Zukunft aus? Fahren wir alle in geräuschlosen, klimafreundlichen Wasserstoffautos durch die Gegend oder müssen wir
gar keinen Finger mehr krümmen, um
von A nach B zu gelangen? Apple, Google
und diverse andere Hersteller tüfteln ja
bereits an Fahrzeugen, die dank allerlei
Technik und Daten vieles allein regeln.
Beim Autokauf im Jahr 2025 heißt es
dann vielleicht nicht „BMW oder Audi?“,
sondern: „Android oder iOS?“
HORIZONT hat junge Marketingmanager gefragt, wie sie Tag für Tag zur Arbeit
fahren und was sie an ihrem Fortbewegungsmittel schätzen und verfluchen. Die
Befragten erklären zudem, wie sie sich die
Mobilität der Zukunft im Jahr 2025 ausmalen. Eine geht sogar über die oben erwähnten Zukunftsszenarien hinaus. Ihre
Idee: Beamen.
Hauptsache schnell
und entspannt
Ich arbeite bei einem Automobilhersteller mit Stern und trotzdem
besitze ich kein Auto. Zur Arbeit
geht es mit den Öffentlichen. Das
spart Geld und in der Staumetro-
pole Stuttgart auch Zeit. Die Zeit
in der Bahn kann ich nutzen, um
Nachrichten zu lesen oder auch
mal abzuschalten. Nervig wird es
aber dann, wenn man länger als
zehn Minuten auf den nächsten
Bus oder die nächste Bahn warten
muss. Da habe ich schon oft die
Öffentlichen verflucht und mir
HORIZONT 38/2015
ein Auto herbeigewünscht.
Wenn ich Einkäufe transportieren
oder unabhängig von Fahrplänen
sein möchte, nutze ich das Carsharing-Angebot von Car2go.
Der Weg zur Arbeit im Jahr 2025
soll schnell und entspannt erfolgen. Da ist es mir egal, ob ich in
einer Bahn sitze, selbst das Steuer
Anzeige
Flugtaugliche Einzelkabinen
Ich bin eine Person, die gerne unabhängig reist. Am liebsten
mit dem Auto, jedoch auch gerne bei guten Zugverbindungen mit dem ICE, vorausgesetzt, er ist pünktlich. Ich arbeite
in Aschaffenburg und lege meinen täglichen Arbeitsweg von
11 Kilometern einfach mit meinem Kleinwagen zurück.
Sehr selten staut sich der Verkehr auf der Landstraße und
ich bin meistens nach etwa 15 Minuten bei meinen Kollegen
im Büro. Auch die Parkplatzsuche in der Innenstadt bereitet
mir keine schlechte Laune. Direkt neben dem Bürogebäude
in einem Parkhaus werden Parkplätze von unserer Geschäftsführung gestellt. Das ist wunderbar, nicht nur der
kurze Fußweg zum Büro, auch im Winter das Auto nicht
aus Schneemassen befreien oder die Scheiben kratzen zu
müssen. Meine Vision von der Mobilität im Jahr 2025 lautet „nachhaltiges und stressfreies Reisen“. Dafür benötigen
wir ein freies WLAN-Netz weltweit. Dadurch können wir
via Handy jederzeit flugtaugliche Einzelkabinen anfordern.
Wir geben nur den Wunschort an, den Rest übernimmt die
von der Verkehrszentrale programmierte Einzelkabine
selbst. Wir reisen dann nur noch mit den geräuschlosen
elektrobetriebenen Einzelkabinen. Bei einem Mehrpersonentransport können die Kabinen sogar aneinanderandocken. Autos Bahn
und Bus gehören dann
der Vergangenheit an,
ebenso Verkehrslärm,
Abgase und Stress.
Eva Kleinschmitt,
Marketing Manager bei
Walter Fries
Überdachtes E-Bike schützt vor
Erkältungen
Mein Arbeitsweg ist 18 Kilometer lang und ich lege den Weg
tagtäglich mit der S-Bahn zurück. Ich schätze besonders,
dass ich nicht in Staus warten oder lange einen Parkplatz
suchen muss. Auch mag ich es, während der Fahrt zu lesen
oder nur aus dem Fenster zu schauen und mir dabei keine
Gedanken über den Verkehr zu machen. Meistens muss ich
auch nicht lange warten, bis eine S-Bahn kommt, denn das
Verkehrsnetz in Hamburg ist gut ausgebaut. Ich ärgere
mich allerdings auch, dass ich nicht immer einen Sitzplatz
finde, da die Bahn überfüllt ist. Außerdem denke ich, dass
ich mich in der vollen Bahn schneller mit Erkältungen anstecke. Besonders verfluche ich, dass die S-Bahn in Hamburg von den Streiks der Deutschen Bahn betroffen ist und
es so zu längeren Wartezeiten kommt. Auch sind die Kosten
für die Monatskarte relativ hoch.
Für das Jahr 2025 kann ich mir vorstellen, mit einem überdachten E-Bike zur Arbeit zu fahren. Ich wäre damit vor
Kälte und Regen geschützt, kann trotzdem Staus umfahren
und benötige nur einen kleinen Parkplatz. Außerdem hätte
ich immer einen Sitzplatz und bräuchte keine Angst zu
haben, mich mit Erkältungen anzustecken. Auch wäre ich
nicht von Streiks betroffen.
Katrin Lüthje, Produktmarketing Berendsohn
17. September 2015
lenke oder gar meinen
eigenen Chauffeur habe.
Ideal wäre es, wenn ich aus
einem Portfolio auswählen könnte
– je nach Lust, Laune und Anforderung.
Hendric J.R. Mostert,
Produktmanagement &
Marketing Mercedes-Benz
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 107
17. September 2015
Homeoffice wird zum
normalen Alltag
Meine Agentur liegt mitten in München am Goetheplatz, weshalb ich
die öffentlichen Verkehrsmittel bevorzuge. Gerne fahre ich mit der
U-Bahn zur Arbeit und habe dabei
Zeit, ein Buch zu lesen und abzuschalten. Jedoch ist es nicht leicht,
wenn man bereits in der Früh in
viele mürrische Gesichter sieht oder
rücksichtslos angerempelt wird –
dann wünschte ich mir, lieber in
einem Auto ganz allein zu sitzen.
Mein Arbeitsweg im Jahr 2025 ist
vielleicht gar nicht mehr weit. Sind
wir nicht alle dann so vernetzt, dass
Homeoffice zum Alltag wird? Um
kreativ arbeiten zu können, wünsche
ich mir einen flexiblen Arbeitsplatz,
der auch einmal in freier Natur oder
in einem Café ums Eck sein kann.
Dann würde ich meinen Laptop
einpacken und mit dem Fahrrad
durch München fahren. Und wenn
ich weiterspinne, stelle ich
mir einen beweglichen,
offenen Arbeitsplatz vor, der in
einer festen Route durch München
kreist, direkt bei mir vorbeifährt und
von dem aus ich viele neue Eindrücke
sammeln kann.
Anna Kreilinger, Senior
Art Director bei Synektar
Anzeige
Mit Teleporter zur
Arbeit gebeamt
Seit 2010 habe ich eine Kombination aus Bus,
Fahrrad oder Auto sowie U-Bahn und Tram für
mich als den besten Weg zu meinem Arbeitsplatz
entdeckt. Dieser Weg kostet mich täglich etwa
zwei Stunden und unterscheidet sich in der Sommer- und Winterzeit. Im Sommer fahre ich gerne
mit dem Fahrrad zur nächstgelegenen U-BahnHaltestelle. Seit einem Jahr nehme ich die Trambahn für zwei Haltestellen, da ich hier noch einmal fünf Minuten sparen kann, wenn ich diese
im Anschluss erwische. Im Winter nehme ich
meist den Bus zur U-Bahn. Bei dieser Kette an
unterschiedlichen Fortbewegungsmitteln stehe
ich immer unter Zeitdruck und hoffe, das nächste öffentliche Verkehrsmittel zu erwischen. Im
Sommer finde ich es besonders störend, wenn
man auf stickige Luft und viele Menschen auf
engem Raum in der U-Bahn trifft. Im Winter ist
es für mich zeitlich noch schwieriger, pünktlich
zur Arbeit zu gelangen. Verpasse ich den Bus,
dauert es 20 Minuten, bis ich den nächsten erwische und daher wähle ich oft die schnellere Variante mit dem Auto. Hier ist allerdings eine ganz
andere Zeitbremse zu
beachten. Erst mal
Parkplatz suchen ist
angesagt. In der UBahn angekommen,
kann man meist vielen schniefenden und
keuchenden Menschen nicht ausweichen. Einerseits sind
die Flexibilität und
die staufreie Zone der
öffentlichen Verkehrsmittel toll. Andererseits bin ich
jedes Jahr erstaunt,
dass eine Preiserhöhung bei so vielen Verspätungen,
Betriebsstörungen
und Zugausfällen
möglich ist!
Idealerweise würde
ich mich gerne im
Jahr 2025 zu meinem
Arbeitsplatz beamen
und so dem Zeitdruck ein Ende machen. Einmal in die
Finger geschnipst
oder in den Teleporter zu Hause gestiegen, und schon finde ich mich
an meinem Schreibtisch wieder.
Daniela Müller,
Bereich Marketing bei Anwaltskanzlei Noerr
U- und S-Bahnen
auf 20 Etagen
In Großstädten müssen nach und nach die
Autos verbannt werden. Auch wenn die
Automobilindustrie aktuell wenig Anreize
findet, alternative und ökologisch sowie
ökonomisch sinnvolle Alternativen für die
breite Bevölkerung anzubieten, gibt es ein
weiteres Problem: Autokolonnen! Wohin
mit all den Fahrzeugen in den Schwarmstädten der Zukunft, egal ob der Antrieb
ökologisch sinnvoll ist oder nicht? Ich denke, dass hier neue Beförderungsmöglichkeiten geschaffen werden müssen. Vielleicht ist dies auch erst in 100 Jahren der
Fall, aber ich stelle mir U- und S-Bahnen
vor, die auf verschiedenen Ebenen – vom
Untergrund bis in die 20. Etage – parallel
unterwegs sind und so eine ganzflächige
und ganzheitliche Mobilitätsversorgung
anbieten. Diese Bahnen fahren in einer
Geschwindigkeit, die es erlaubt, an den
Haltestellen „aufzuspringen“. Dadurch,
dass man überall hinkommt und überall
auf- und abspringen kann – wie auf einem
Laufband – sind die Zeitersparnisse trotz
der geringen Geschwindigkeit dennoch
vorhanden. Die Dreiklassengesellschaft
wird es allerdings den „reichen“ Mitbürgerinnen und bürgern ermöglichen, mit
„Flugautos“ noch schneller und individueller ans Ziel zu kommen. An diesen
„Flugautos“ wird ja nun auch schon seit
Jahren geforscht mit aktuell noch mäßigem Erfolg. Anhand der Höhe der eigenen Wohnung innerhalb einer Stadt
erkennt man dann zugleich die gesellschaftliche Stellung. Die Unterschicht
fährt weiterhin auf den alten Straßen mit
ihren Autos und wohnt auch in dieser
Ebene bis hinunter in den Untergrund.
Die Mittelschicht fährt über die Laufbänder und wohnt in der mittleren Ebene. Der
Himmel über den Städten muss freigehalten werden für die Wohnungen und Flugautos der Reichen. Sicherlich habe ich
vielleicht den einen oder anderen ScienceFiction-Film zu viel gesehen und diese
Vision ist nicht in zehn Jahren erreichbar,
aber ich bin davon überzeugt, dass dies in
den nächsten 50 bis 100 Jahren kommen
wird.
Tobias Innig, Leiter Marketing/ Vertrieb
Europäisches Bildungszentrum
108 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Mit den
Champions ins
Rampenlicht
Nissan geht ins zweite Jahr seiner Partnerschaft mit der Königsklasse im Fußball- Die Japaner wollen ihre Bekanntheit steigern
Von Ralph M. Meunzel
D
Fußball-Stars wie
Iniesta und Thiago Silva
zeigen für Nissan ihre
technischen Fertigkeiten
@ HORIZONT
Seit 2014 kooperiert HORIZONT im Report
Automarketing mit der Redaktion von
„Autohaus“ aus dem Verlag Springer
Automotive Media in München.
Ralph M. Meunzel ist dort Verlagsleiter und
Chefredakteur.
ie positive Entwicklung im
deutschen Automarkt hat sich
im August fortgesetzt. Mit einem Plus von 13,7 Prozent ist
Nissan auch in diesem Jahr stärker gewachsen als der Markt (Anteil 2,17). Die
japanische Marke hat sich damit inzwischen auf Position 12 vor Toyota platziert
und ist der sechstgrößte Importeur in Deutschland.
Nissan konnte in Europa in
diesem Jahr um rund 9 Prozent zulegen und führt die
Verkaufsrangliste der japanischen Marken auf dem
Kontinent an.
Der Verkaufserfolg lässt
sich in erster Linie mit der
im September 2013 gestarteten Produktoffensive begründen. Note, Juke Nismo
RS, Qashqai, e-NV 200 und
X-Trail heißen unter anderem die Protagonisten. Allein mit attraktiven Autos
kann das formulierte Ziel,
bis 2020 „die begehrteste
asiatische Marke“ zu sein,
allerdings nicht erreicht
werden: „Der Kunde denkt
beim Autokauf nicht genug
an Nissan. Wir müssen deshalb noch stärker auf die
Shoppinglist“, sagt beispielsweise DeutschlandChef Thomas Hausch. „Der
Kunde muss uns noch stärker wahrnehmen und die
Beliebtheit der Marke muss
intensiver wachsen“, ergänzt
Bastien Schupp, Vice President Marketing bei Nissan Europa in Genf.
Damit sind die Gründe formuliert,
warum der 1933 gegründete Hersteller
seit der vergangenen Saison in der Uefa
Champions League (CL) spielt. Nissan ist
2014 für Ford eingesprungen und vertritt
jetzt unter sieben weiteren Sponsoren exklusiv die Autobauer. Inzwischen wurde
der Vertrag bis 2018 für drei Spielzeiten
der Uefa CL verlängert. Zwischen 50 bis
60 Millionen Euro jährlich lässt Nissan
sich das Sponsoring – unbestätigt – kosten. Damit hat man das Engagement in
dieser Saison auf 40 Nationen, unter anderem Brasilien, China, Japan und die
USA, erweitert. Die Champions League
findet zwar nur in Europa statt. „Hier
spielen aber die besten Fußballer der Welt
und Fans gibt es überall auf dem Globus.
Unser Engagement in der Königsklasse ist
somit ein wichtiger Baustein in unserer
Wachstumsstrategie“, ergänzt Schupp.
Bei diesem Fußballereignis der Extraklasse finden von September bis Mai über
200 Spiele in 17 Matchwochen statt. Die
begehrteste Liga der Welt lockt pro Spieltag laut europäischem Fußballverband
im Durchschnitt 145 Millionen TV-Zu-
schauer, davon 50 Prozent außerhalb von
Europa, und ist damit das meistgeschaute
Fernsehevent. .So hatte das Endspiel in
Berlin mehr Zuschauer als der amerikanische Super Bowl. Die Teilnahme zahlt
sich aber auch für die Vereine aus. Die
Organisation verteilt pro Saison 1,25 Milliarden Euro an Gesamtprämien. Wer
sein CL-Ticket in der vorherigen Saison
gelöst hat, kann mit einem Geldsegen
rechnen. Die hohen Budgets der Sponsoren und die astronomischen Kosten für
die Übertragungsrechte machen es möglich.
Das von Bastien Schupp verhandelte
Package setzt sich im Schwerpunkt aus
der Übertragungszeit, der Bandenwerbung während der Spiele und einem Kartenkontingent zusammen. Die Sponsoren würden hier allerdings eng zusammenarbeiten, sagt der Marketingexperte.
Die Begehrlichkeit würde ja je nach Land
deutlich schwanken. „Am interessantesten ist weiterhin der deutsche Markt“, so
Schupp.
D
ie Vereinbarung mit der Uefa
sieht auch die Bereitstellung einer Fahrzeugflotte von insgesamt 1100 Autos pro Saison vor, um die
Funktionäre und Gäste der Sponsoren zu
fahren. Allein beim Endspiel am 6. Juni
2015 in Berlin waren 120 Nissan Leaf EMobile im Einsatz. Dazu hat man 100
feste Ladestationen errichtet, die weiterhin in Betrieb sind. Mit Aktionen im „Fan
Festival“ am Brandenburger Tor, wie die
Fanmeile bei der CL heißt, konnten die
Besucher auch zusätzlich angesprochen
werden. Weitere Sponsorenbausteine
sind die vielfache Präsenz in Form des
Nissan-Logos und die exklusive Präsentation des „Goals of the week“ beispielsweise auf der Uefa-Homepage.
Trotz der starken TV-Präsenz während
der Spiele ist Bastien Schupp klar, dass das
Ziel, ausschließlich mit Fernsehwerbung
entsprechend wahrgenommen zu wer-
den, aufgrund zunehmender TV-Abstinenz nicht erreicht werden kann. „Wir
müssen uns deshalb viel stärker mit unserem Engagement im Internet präsentieren“, betont der Nissan-Manager. Das
„Goal of the week“ sei dafür eine wichtige
Maßnahme.
F
ür eine noch stärkere Aufmerksamkeit im Netz sorgen die vier Markenbotschafter, die Nissan „Engineer of Excitement“ nennt. Yaya Touré
von Manchester City, Andrés Iniesta vom
FC Barcelona, Thiago Silva von Paris
Saint Germain und das deutsche Nachwuchstalent Max Meyer von Schalke 04
sind als beliebte Fußballspieler für das japanische Fabrikat aktiv. Welche Rolle die
Markenbotschafter spielen könnten, zeige beispielsweise der Besuch von Thiago
Silva und seinem Sohn auf dem NissanStand anlässlich der Motorshow in Paris.
„Das Posten auf Twitter hat uns eine Resonanz gebracht, die wir sonst nie erreicht hätten“, erklärt Schupp.
Sehr positiv reagiert auch der Handel
auf das CL-Engagement. „Wir stehen voll
hinter dem Sponsoring. Das sorgt für
Kontinuität“, sagt Marlies Wegener vom
Autohaus Wegener im Großraum Berlin.
Die Gruppe verfügt über insgesamt sieben Betriebe. Am 19. September stehe der
Champions Day als Kundenevent an,
dann drehen sich alle Aktionen in den
Häusern wieder um Fußball, so Wegener.
Für Bastien Schupp hat die Konzentration auf das Leder noch einen weiteren
Vorteil: „Wir verzetteln uns damit nicht,
jede Ländergesellschaft würde sonst nach
eigenen Vorstellungen andere Sportarten
wie Skifahren oder Reiten unterstützen.
Die klare Linie diszipliniert die Marketingaktionen“¸ meint der Experte. Das
zahle sich aus. So habe man bereits nach
dem ersten Jahr in der CL eine höhere
Markenvertrautheit gemessen. 95 Prozent der Leute würden die Marke inzwischen gestützt gefragt kennen.
Nissan will sich stärker im Netz präsentieren – eine Maßnahme ist das „Goal of the week"
„Unser Engagement in
der Königsklasse ist
ein wichtiger Baustein
in unserer Wachstumsstrategie“
Bastien Schupp,
Nissan International
110 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Zum Abschied
Fast zehn Jahre hat die Hamburger Agentur Jung von Matt Mercedes-Benz
betreut. Jetzt kommt die Trennung. Eine Rückschau in Kampagnen
Von M. Reidel und
K. Gattenlöhner
K
Mercedes hängt Porsche ab? Geht nie! Geht doch. Im
Februar 2015 lässt Jung von Matt/Spree im Auftritt für den neuen
AMG GT mal eben einen 911er, die Sportwagen-Ikone schlechthin,
rechts liegen. Das überrascht und sorgt für Gesprächsstoff. Doch
„Handcrafted by Racers“ wartet noch mit einer anderen Überraschung auf. In weiteren drei Kurz-Spots kann der Zuschauer in
den Werbeblöcken in Echtzeit die Beschleunigung des GT erleben,
sprich in 3,8 Sekunden auf 100 km/h. Das ist satt. Und steht für
Tempo und Performance, das Auto selbst für Design.
napp zehn Jahre prägte eine
Agentur das Bild von Mercedes-Benz in der Öffentlichkeit.
Jung von Matt. Seit diesem
Sommer ist das vorbei. Zwar arbeiten die
Kreativen noch an einzelnen Projekten,
aber künftig hat bei Mercedes in der Kreation ein anderer das Sagen: Antoni. Für
den Hamburger Dienstleister JvM, der
seit 2006 für die Stuttgarter Edelmarke
gearbeitet hat, war der Verlust im vergangenen November ein herber Schlag.
Jetzt knüpft Jung von Matt wieder zarte
Bande mit anderen Autoherstellern,
BMW etwa und Kia. Zeit, nochmals eine
kleine Rückschau auf einige Arbeiten der
Agentur zu halten, die in der Branche für
Diskussionen, Beifall oder auch Missmut
gesorgt haben. „Werbung muss aus der
Reihe tanzen“, sagte kürzlich der Ex-Mercedes-Marketer und heutige VW-Marketing-Mann Anders Sundt Jensen in HORIZONT. In diesem Sinne: Drehen Sie ein
paar Runden.
Das Setting wirkt stimmig. Ein verschneiter
Wald, dunkle Bäume, Schnee. Auf der Straße
fährt eine einsame E-Klasse. Auf dem Beifahrersitz sitzt plötzlich Gevatter Tod. Das wirkt ziemlich gruselig. Doch der eingebaute Bremsassistent
schlägt dem Sensenmann ein Schnippchen. 2010
sorgt Mercedes-Benz gemeinsam mit Jung von
Matt/Neckar mit „Sorry“ für Gesprächsstoff,
nicht nur der makabren Story wegen. User sagten
in verschiedenen Foren dem unerwünschten
Beifahrer, gespielt von Andreas Wellano, eine
Ähnlichkeit mit dem damaligen Aufsichtsratschef
von Volkswagen, Ferdinand Piëch, nach.
Wir schreiben das Jahr 2010. Eine Winterlandschaft. Auf
einer Landstraße blockiert ein Sonntagsfahrer die Straße. Da kann
man sich auch als gelassener Finne schon mal etwas aufregen,
dieses Schleichen, das einen zum Überholen reizt. Die amüsante
Geschichte, die kurz vor Weihnachten on Air geht, ist der Höhepunkt der Kampagne für den Allradantrieb 4Matic. Mit der richtigen Ausstattung kann man problemlos einen SL Pagode mit einem
E-Klasse T-Modell und einer G-Klasse überholen, ist die Botschaft
hinter dem Spot. Und dass die hängen bleibt, dafür sorgen die
Formel-1-Granden Michael Schumacher und Mika Häkkinen
sowie Markenbotschafter Franz Beckenbauer mit ihren Rentnerund Sonntagsfahrer-Frotzeleien.
Fußball und Autos – wenige Branchen harmonieren so gut. Für
die Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz wollten
Jung von Matt/Spree und Mercedes ganz hoch hinaus. Und schickten die
National-Elf auf das Matterhorn, das 2015 wieder im Brennpunkt steht.
Der Berg der Berge feiert den 150. Jahrestag der Erstbesteigung. Im Stil
der 20er Jahre erzählt der TV-Spot von Teamgeist, Zusammenhalt und
dem Slogan: „Vor euch liegt ein schwerer Weg, aber ihr geht ihn nicht
allein.“ Der Streifen zur EM-Kampagne glänzte vor allem durch seine
liebevolle Gestaltung. Kostüme, Qualität der Aufnahme, Musik und
Zwischentitel fangen den Charme des Stummfilms gekonnt ein. Er hebt
sich durch seine stimmungsvolle Ausarbeitung von der damaligen Konkurrenz ab. Den Aufstieg nach ganz oben schaffte die DFB-Elf 2008 aber
nicht. Im Finale unterlag die deutsche Mannschaft Spanien.
Wenn eine Gruppe Hühner als Testimonials begeistert, steckt entweder eine Parodie dahinter oder eine brillante
Idee. Beim TV-Spot „Magic Body Control“ war Letzteres der Fall. Hier sollen die gefiederten Werbestars demonstrieren,
wie das aktive Fahrwerk und der Straßen-Scan Bodenwellen erkennen und ausgleichen. Die Hennen machen ihren Job
tierisch gut. Zu Diana Ross’ „Upside Down“ werden sie gedreht, geschaukelt, gewippt und gewiegt. Dennoch bleiben die
gelb-orangen Augen stets auf die Kamera fokussiert, keines verwackelt, niemand tanzt aus der Reihe. Perfekte Harmonie
und Balance. Dafür ging in Cannes Bronze an Jung von Matt/Neckar.
Eine Hommage
zum Abschied:
horizont.net/
mbjvm3815
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 111
17. September 2015
W
elche
Bedeutung
messen Sie
Print im Vergleich
zu digitalen Medien bei
und welche Angebote
nutzen Sie persönlich
zur Information
über alles rund ums
Automobil?
Christian Rätsch, Chief Executive Officer
Saatchi & Saatchi Deutschland
Joachim Bader, Vice President
Sapient Nitro Kontinentaleuropa
Matthias Schönwandt, Vorsitzender der
Geschäftsführung Medienhaus Deutschland
Frank Vogel,
Mitglied der Geschäftsleitung G+J EMS
I
D
R
G
n den letzten 15 Jahren haben sich die
Auswahlmöglichkeiten einer Automarke extrem verändert. Früher gab
es ein Referenzmodell im Autohaus, das
auf Basis von Broschüren entsprechend
individuell ausgestattet wurde. Das ist
heute anders. Mein derzeitiges Geschäftsfahrzeug ist ein Lexus GS 405h. Die Marke und ich mussten uns erst einmal richtig kennenlernen, damit ich eine Beziehung zu ihr aufbauen konnte – vor allem
zu ihrer innovativen Technologie. Diese
ließ sich nur über Print nicht vollständig
erschließen. Die Lexus „Vollhybrid“Technologie erweckte in mir ein so starkes Interesse, dass ich mehr darüber
erfahren wollte. Also besuchte ich die
Web-Angebote von Lexus und nutzte
verschiedene virtuelle Probekonfigurationen, um das neue Fahr- und Technikgefühl kennenzulernen und zu erleben. Das zeigt, wie sich die Bedeutung
von Print und Online im Automobilmarketing verändert hat. Print inspiriert den
Konsumenten, die entscheidenden Kaufimpulse erhält er aber im Web.
er Zeitraum, in dem sich der
Käufer für ein Modell entscheidet, hat sich in den letzten Jahren
von vier auf zwei Monate halbiert. Für
die Automobilhersteller heißt das erstens,
dass den Marken deutlich weniger Zeit
bleibt, um die Kunden für sich zu gewinnen. Zweitens – und entscheidend: In
diesem Kampf um die Aufmerksamkeit
potenzieller Käufer hat sich ein Paradigmenwechsel ergeben. Der „Connected
Consumer“ lässt sich bei seinem Autokauf nicht mehr von TV-Spots oder
Printanzeigen zum Händler locken, wo er
eine Testfahrt macht und anschließend
vielleicht das Fahrzeug kauft. Heute
nimmt er das Steuer selbst in die Hand.
Der mündige Konsument bildet sich
seine Meinung in einem äußerst fragmentierten Entscheidungs- und Kaufprozess, in dem nicht nur die klassischen
Kommunikations-, sondern digitale
Kampagnen, Social Media und vor allem
Online-Konfiguratoren sein Urteil bestimmen. Print ist noch ein Teil dieses
Entscheidungsprozesses, aber längst
nicht mehr der entscheidende. Es zählt
die ganzheitliche „Experience“.
egionale Qualitätszeitungen
liefern entlang der Customer
Journey zum Automobilkauf an
mehreren Punkten wertvolle Impulse.
Zum einen wird durch das hochwertige
journalistische Umfeld bereits eine kaufkräftige und kaufbereite Zielgruppe
angesprochen, zum anderen leistet die
Abonnementzeitung einen starken Aktivierungsimpuls zum Kauf. Dabei ist
festzustellen, dass aufgrund der hohen
Einkommensklassen innerhalb der Zeitungsleserschaft überproportional
Neuwagenanschaffungen stattfinden,
während digitale Kanäle und Börsen im
Schwerpunkt den Gebrauchtwagenmarkt ansprechen. Ich persönlich nutze
nach erster Modellbeschreibung und
Tests in der Tageszeitung zunächst die
Konfiguratoren der Hersteller und mache mir auf den Onlinebörsen ein Bild
über den Markt für mein favorisiertes
Modell. Erst danach geht es für ein Gespräch zum Händler meines Vertrauens.
rundsätzlich ergänzen sich Print
und Digital im Rahmen einer
Automobilkampagne hervorragend. Heute geht es immer weniger
darum, ob ich meine Zielgruppe erreiche, sondern in welcher Verfassung ich
den Konsumenten erreiche und ob er in
dem jeweiligen Moment eine Offenheit
für die Werbebotschaft hat. Dabei steht
Print innerhalb des Verfassungsmarketings für Deep-Diving-Momente, in
denen der Konsument in Ruhe in die
Inhalte eintaucht – im Gegensatz zum
allgegenwärtigen schnellen und digital
getriebenen Info-Snacking über den Tag.
Print ist das einzige Medium, das anfassbar ist und innerhalb des multisensorischen Marketings über Ad Specials einen
berührbaren Ankerpunkt für jede Marke
liefert. Besonders wirkungsvoll ist jede
PZ-Kampagne sicherlich im Konzert mit
digitalen Lösungen, die interaktiv, mobil
und location based bis zum Händler im
Umkreis ausgesteuert werden können.
Ich persönlich lasse mich durchaus crossmedial inspirieren – finde dann aber die
Probefahrt in der realen Welt letztlich am
spannendsten!
Mehrspurig unterwegs
Neben Magazinen
gibt es heute viele
Kanäle, über die
man sich zum
Thema Auto
informieren kann.
HORIZONT fragt
nach, welche
Medien am
beliebtesten sind
Redaktion: Anna Lisa Lüft
Sabine Knöpfel-Ruth, Managing Director
PHD Germany
Olivier Korte,
Managing Director Fuel@Vivaki
Konrad Weßner, Geschäftsführer
Puls Marktforschung
F
D
B
ür Enthusiasten stellen Automagazine nach wie vor ein wichtiges Vehikel dar; sie interessieren
sich generell für Autos oder bestimmte
Marken und informieren sich entsprechend regelmäßig, häufig über PrintAbonnements ihrer Lieblingstitel. Allerdings haben selbst die größten Magazine mit zurückgehenden Auflagen zu
kämpfen – ein Fingerzeig, dass sich Informationsbeschaffung und das Auseinandersetzen mit der Marke mehr und mehr
ins Netz verlagern. Etwas differenzierter
ist die Mediennutzung, wenn es darum
geht, sich ein Auto zu kaufen und dafür
Informationen zu sammeln beziehungsweise wenn schon eine zeitnahe Kaufabsicht vorhanden ist. Hierbei ist es
besonders wichtig, in welcher Stufe des
Entscheidungsprozesses man sich befindet. Zu Beginn werden in der Regel Suchmaschinen und Marken-Websites als
primäre Informationsquelle genutzt,
vermehrt auch mobil. Video-Content im
(Social) Web spielt für die emotionale
Komponente im Entscheidungsprozess
durchaus eine wichtige Rolle. Am Ende
des Prozesses stellen der Service und die
Informationen direkt beim Händler die
entscheidenden Weichen für die Kaufentscheidung. Persönlich informiere ich
mich online über neue Modelle und
nutze Videos, um erste Eindrücke zu
bekommen.
urch die zunehmende Fragmentierung der Medienlandschaft
und die permanente technologische Evolution der Kommunikation
haben sich natürlich auch die Bezugsquellen zur Information verändert.
Insbesondere im finalen Entscheidungsprozess haben die digitalen Medien
massiv an Bedeutung dazugewonnen.
Günstige und zielgenaue Informationsbeschaffung funktioniert online einfacher und ist zudem kostengünstiger als
über Print. In kurzer Zeit sind unterschiedlichste Quellen wie zum Beispiel
Herstellerwebsites, Autobörsen und
Vergleichsseiten ansteuerbar. Diese Informationsvielfalt ist nur digital gegeben.
Ein weiterer Aspekt ist die Neutralität der
Informationen im Netz. Ich persönlich
bin bei meiner Informationsbeschaffung
sicherlich weniger repräsentativ, da mir
als Berater im Bereich Automobil mehr
Quellen zur Verfügung stehen. So ist ein
regelmäßiges Screening der „AMS“ und
„Auto Bild“ (Print und Online) Pflicht,
um sich einen Überblick zu verschaffen.
Bei meinem kürzlich getätigten Autokauf
war ich zudem sehr stark auf Herstellerund Händlerwebsites sowie Automobilbörsen unterwegs, um Preise und Ausstattungsmerkmale zu vergleichen. Den
Kauf habe ich ganz traditionell und
konservativ nach einer Probefahrt beim
Händler getätigt.
ei der Frage nach den Informationsmedien vor dem Autokauf
dürfen wir uns nicht allein auf die
Customer Journey fixieren. Die dort
ausgewiesenen Kontaktpunkte führen
„Händler/Probefahrt“ knapp vor dem
Internet. Erst auf Platz 6 folgt klassische
Werbung, unter anderem in Print. Würde man sich allein darauf verlassen,
würden Investments in Printmedien
deutlich zurückgefahren. Wie wir aus
unserer Studie „Autokäufer berühren“
wissen, wäre dies ein fataler Fehler, weil
sich die Customer Journey und die dort
ausgewiesenen „Moments of Truth“
häufig erst aus lange davor aufgebauten
Marken- bzw. Modellpräferenzen ergeben. Deren Wirkung zu messen, ist
eine Herausforderung, der wir uns in der
Marktforschung stellen müssen. Aus
unseren Werbetrackings für Automobilmarken wissen wir, dass Imagewerbung
in klassischen Printmedien deutlich vor
Online liegt, wenn es um den Aufbau
erster Markenpräferenzen geht. Je näher
der Autokauf rückt, desto wichtiger
werden dann Hersteller- und Händlerwebsites, Online-Fahrzeugkonfiguratoren, Videoportale und soziale Netzwerke. Entscheidend sind auch crossmediale Kampagnen, bei denen zum
Beispiel über Printkampagnen auf Werbeaktivitäten und Angebote im Internet
hingewiesen wird.
112 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
17. September 2015
Aufpoliert und
runderneuert
Autozeitschriften unterziehen sich Relaunches und erweitern ihr Angebot durch neue
Ableger. Das stärkt die Medienmarken, garantiert aber keinen Erfolg im Vertriebsmarkt
F
Mit Ablegern versuchen
Verlage, die Gesamtreichweite zu vergrößern
Wie „Auto Bild“
seine Print-Familie
ausgebaut hat
Von Roland Karle
ür Autoliebhaber gibt es immer
was zu tun. Polieren, schrauben,
tunen – ihr Gefährt soll schließlich in Bestform sein. Den Machern von Autozeitschriften geht es ähnlich. Auch ihnen kribbelt es in den
Fingern, sie haben Ideen, wollen Gutes besser machen. Aber selten passiert es, dass so viele Titel in kurzer
Zeit einem Relaunch unterzogen werden wie derzeit und zudem neue Ableger in den Markt kommen.
Aktuellstes Beispiel ist „Auto Motor und Sport“ von der Motor Presse
Stuttgart (MPS), die heute runderneuert erscheint (siehe Seite 114).
Bemerkenswert ist neben einer Reihe
von inhaltlichen und optischen Veränderungen vor allem das reduzierte
Coverkonzept.
Schon im Mai vergangenen Jahres
präsentierte sich „Auto Bild“ neu.
„Für uns ist dieser Relaunch die
größte Veränderung seit der Einführung des Hefts“, kündigte Hans H.
Hamer, Verlagsgeschäftsführer der
Auto-, Computer- und Sport-Gruppe bei Axel Springer, damals an. Das
Layout wurde aufgeräumt, der
Wechsel von kurzen Stücken, in die
Tiefe gehenden Texten und großen
Fotostrecken frisch komponiert.
Rubriken wie „Historische Autos“
und „Tagebuch“ wurden eingeführt, der Einsatz von Augmented
Reality verstärkt.
Experten attestieren dem Titel gute
Fortschritte. Im jüngsten Media-Check
von HORIZONT (36/2015) landete „Auto
Bild“ von neun Zeitschriften, die eine Renovierung hinter sich haben, auf Rang 3.
Mit der Gesamtnote 2,36 liegt Axel Springers wöchentliches Automagazin nur
knapp hinter Testsieger „Spiegel“ (Note
2,27) und „Capital“ (2,33). Es sei „moderner geworden, sich aber trotzdem treu
geblieben“, lobt Beate Rybarz, Gruppen-
Im kommenden Jahr feiert „Auto Bild“
seinen 30. Geburtstag. Der Single von
damals hat inzwischen eine stattliche
Medienfamilie um sich versammelt: Fünf
weitere Zeitschriften, jeweils spezialisiert
auf Geländewagen, Sportfahrzeuge, Oldund Youngtimer, Motorsport und Reisemobile, tragen „Auto Bild“ im Namen.
Hinzukommt „Auto Test“, das als Einkaufsberater von „Auto Bild“ auftritt.
Allein zwischen 2001 und 2008 kamen
vier Abkömmlinge zur Welt, jüngster
Familienspross ist „Auto Bild Reisemobile“. Der Titel habe sich in diesem Jahr so
positiv weiterentwickelt, dass die Frequenz im kommenden Jahr von vier auf
sechs Ausgaben erhöht werde, sagt Hans
H. Hamer, Verlagsgeschäftsführer Auto-,
Computer- und Sport-Gruppe: „Diese
Erfolgsgeschichte zeigt uns, dass intelligente und zielgruppengerechte Angebote
nach wie vor im Zeitschriftenmarkt funktionieren.“
leiterin Print Competence Center von Zenith Optimedia.
Die Nachfrage im Vertriebsmarkt zog
nach dem Relaunch an, doch inzwischen
hat sich das Plus schon wieder pulverisiert und die Auflagenkurve neigt sich.
Sprich: Der Titel kann sich dem allgemeinen Trend nicht entziehen. Selbst vielgelobte Verbesserungen reichen nicht, die
Lust auf Printkäufe dauerhaft zu steigern.
Dennoch, behauptet Hamer, sei das Interesse am Thema Automobil ungebrochen. „In den vergangenen zehn Jahren
hat sich unsere Gesamtreichweite über alle Titel und Kanäle hinweg mehr als verdoppelt.“ Doch im Zuge des Medienwandels, darauf verweist Hamer, „verändert
sich natürlich auch die Rolle von Zeitschriften wie ,Auto Bild‘“.
Auch wenn es im Vertrieb hin und wieder klemmt, nimmt die gesamte Motorpresse im Zeitschriftenmarkt doch eine
führende Position ein. Mit einem Anteil
von rund 22 Prozent der Gesamtauflage
verkaufen sich die Printmedien für PSInteressierte am besten von allen Segmenten. Die Programmzeitschriften folgen mit
einer Quote von rund 20 Prozent, dann
klafft eine größere Lücke zu den wöchentlichen Frauenzeitschriften und den
Wohn- und Gartenmagazinen.
sagt Springer-Manager Hamer und verweist auf das 360-Grad-Spektrum der
„Auto Bild“-Familie – sowohl über alle
Titel als auch über diverse Kanäle hinweg,
ob Print, Mobil oder Bewegtbild.
im 2. Quartal 2014, allerdings entspricht
die Auflage von 47431 gerade mal 30 Prozent der abgesetzten Exemplare der „Auto
Zeitung“. Die unterschiedliche Entwicklung ist für Bauer kein Grund, einen Gang
zurückzuschalten, wie am Launch eines
weiteren Ablegers zu sehen ist: Am 15.
April schickte der Verlag „Auto Zeitung
Sport & Luxury Cars“ in einer Druckauflage von 80000 Exemplaren ins Rennen, knapp drei Monate später folgte Heft
Nummer 2. „Die ersten beiden Ausgaben
stimmen uns sehr zufrieden“, lautet das
I
m laufenden Jahr bis einschließlich
Juli hat die gesamte Kfz-Branche ihre
Werbeausgaben gegenüber den ersten
sieben Monaten 2014 um 6,3 Prozent auf
gut 1,2 Milliarden Euro gedrosselt. Der
Pkw-Markt allein – auf ihn entfällt ein
Anteil von 78 Prozent der von Nielsen
Motorpresse fährt vornweg
Auflagenanteile nach Zeitschriftensegmenten
Verkaufte Auflage II/2015
in Prozent
Motorpresse
21,7
Programmzeitschriften
20,1
Wöchentliche Frauenzeitschriften
10,5
Wohn-/Gartenzeitschriften
10,1
Aktuelle Zeitschriften und Magazine
7,6
Monatliche Frauenzeitschriften
6,5
Sonstige
23,6
* Anteil an verkaufter Gesamtauflage aller Zeitschriften (ohne Supplements,
Kundenzeitschriften, Luft-/Raumfahrtzeitschriften)
Quelle: IVW, PZ-Online
HORIZONT 38/2015
ie „Auto Bild“, das im 2. Quartal 2015 einen rund 11 Prozent
niedrigeren Verkauf als im
Vorjahreszeitraum aufweist, hat die ebenfalls – vor ziemlich genau einem Jahr –
reformierte „Auto Zeitung“ an Absatz
eingebüßt. Mit einem Minus von 20 Prozent war der Titel der Bauer Media Group
im Frühjahr größter Verlierer im Segment. Die im Zuge des Relaunches verfolgte Absicht, „einen faszinierenden
Spannungsbogen zwischen harten Fakten
und emotionalen Geschichten“ (Chefredakteur Volker Koerdt) zu schaffen, hat
die Zielgruppe offensichtlich nicht genügend goutiert.
Immerhin hat die „Auto Zeitung Classic Cars“ gut 8 Prozent mehr verkauft als
Fazit von Verlagsleiter Roman Trunz.
Zwar nennt er keine konkreten Zahlen,
doch sowohl im Vertriebs- als auch im
Anzeigenmarkt laufe der Neuling so ansprechend, dass „wir eine Fortsetzung im
kommenden Jahr planen“.
Durch die gestiegene Auswahl an (digitalen) Werbeträgern haben es Printtitel
schwerer, sich im Wettbewerb um Mediabudgets zu behaupten. Es geht nicht mehr
nur darum, eine Anzeige zu verkaufen,
sondern „nach der passenden Lösung für
die Kommunikation des Kunden zu suchen“, sagt Tim Ramms von der Motor
Presse Stuttgart. Dabei kommt es besonders auf eine sinnvolle Verzahnung von
Maßnahmen an. „Werbekunden suchen
die Kombination aus hochwertigem redaktionellen Umfeld und innovativen
Plattformen. Entscheidend ist die Absenderschaft einer starken Medienmarke“,
berechneten Bruttowerbeinvestitionen –
bewegt sich hingegen auf gleichem Niveau. Laut Statistik landet rund ein Drittel des Werbegelds bei Zeitungen und
Zeitschriften, ein weiteres Drittel beim
Fernsehen und der Rest vor allem bei Online (15,9 Prozent) und Hörfunk (13,7
Prozent).
Werbungtreibende haben gedruckte
Medien durchaus im Blick, bekräftigt Hamer. „Kampagnen in Print sind nach wie
vor sehr begehrt, das spüren wir in der
aktuellen Buchungslage rund um die IAA
wieder besonders.“ Ähnliches berichtet
Bauer-Mann Trunz. Leser der „Auto Zeitung“ beispielsweise würden als Meinungsbildner wahrgenommen, seien dadurch eine wichtige Zielgruppe für Werbungtreibende und „weiterhin ein fester
Bestandteil im Marketingmix der Automobilindustrie“.
Die anderen Ableger erscheinen monatlich – mit Ausnahme der „Auto Bild
Motorsport“. „Auto Test“ (197882 verkaufte Exemplare) und „Auto Bild Klassik“ (103246) erzielen die höchsten Auflagen. Lässt man das „Motorsport“-
Supplement außen vor, so kommen die
Nachwuchstitel zusammen auf einen
Verkauf von 474807 Stück pro Erscheinen
– und übertreffen somit die Mutter, die
zuletzt 424560 Exemplare (II/2015) absetzen konnte.
Wobei der Vergleich natürlich hinkt:
Schließlich erscheint „Auto Bild“ wöchentlich und verkauft hochgerechnet
rund 1,9 Millionen Hefte im Monat. Die
Ableger sind fast alle deutlich teurer als
die Kernmarke: „Auto Bild“ kostet 1,70
Euro am Kiosk, teuerster Titel ist „Auto
Bild Klassik“ mit einem Copypreis von
4,20 Euro. Verlagsmanager Hamer betont
gerne, dass sämtliche „Auto Bild“-Titel
Marktführer in ihren Segmenten seien.
Ehe sie in Serie gehen, werden sie in aller
Regel als Sonderheft getestet. Stimmt die
Nachfrage, wird der Rhythmus gesteigert.
Ein Ansatz, der sich bewährt hat. „Deshalb werden wir unsere Augen und Ohren
auch zukünftig offenhalten, um neue
Marktchancen zu erkennen und schnell
zu handeln“, kündigt Hamer an. Auch
wenn derzeit von einem konkreten Vorhaben keine Rede ist: Es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch weiteren Zuwachs bei „Auto Bild“ geben wird.
W
Eine große Familie
Titel unter der Dachmarke „Auto Bild”
Titel
Verkaufte
Auflage II/2015
davon
Abos
davon
Einzelverkauf
Frequenz
Copypreis
in Euro
Startjahr
Auto Bild
424 560
104 676
247 678
wöchentlich
1,70
1986
Auto Bild Motorsport*
369 566
k. A.
k. A.
wöchentlich
1,50
2001
Auto Test - der Kaufberater von Auto Bild
197 882
101 160
52 786
monatlich
2,20
1996
Auto Bild Klassik
103 246
18 738
84 464
monatlich
4,20
2007
Auto Bild Sportscars
68 342
6 525
48 177
monatlich
3,50
2008
Auto Bild Reisemobil
53 600**
k. A.
k. A.
vierteljährlich
3,90
2014
Auto Bild Allrad
51 737
5 711
43 001
monatlich
3,80
2002
* Heft-im-Heft (Supplement) von "Auto Bild", erscheint wöchentlich während der Motorsport-Saison (41 Ausgaben/Jahr)
** Verlagsangabe; k. A. = keine Angabe
Quelle: IVW
HORIZONT 38/2015
114 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
„Potenzial
ausschöpfen“
Nielsen weist für „Auto Motor und
Sport“ brutto ein kleines Minus aus, tatsächlich liegen wir netto bisher aber über
Plan und Vorjahr. Insgesamt reden wir
bei der Motor Presse Stuttgart über
ein stabiles Geschäft im Vertrieb
ebenso wie im Werbemarkt. Wir
haben keinen Grund, pessimistisch zu sein.
Liegt das auch daran, dass Sie
in den vergangenen Jahren im
Digitalen kräftig gesät haben
– und nun ernten können?
Unser digitales Werbegeschäft,
speziell auch von Auto-motorund-sport.de, läuft tatsächlich
hervorragend. Die Erlöse sind
höher als im Vorjahr und liegen
über unseren Erwartungen.
Tim Ramms, Leiter des Geschäftsbereichs
Automobil bei MPS, über neue Ideen, das Digitale
und die veränderte Vermarktung
chmelzende Auflagen sind Realität, und Tim Ramms redet nicht
drumherum. „Daran wird sich
mittelfristig wenig ändern“,
räumt der Verlagsmanager der Motor
Presse Stuttgart (MPS) ein. Aber das Medienunternehmen dreht an etlichen Stellschrauben, um sich auf Veränderungen
einzustellen. Dazu gehört: Leser enger an
sich binden, neue (digitale) Angebote
schaffen, redaktionelle Qualität sichern,
Nischen ausschöpfen.
Herr Ramms, Ihr wichtigster Titel „Auto Motor und Sport“ feiert nächstes Jahr
70. Geburtstag. Schon heute erscheint er
runderneuert. Sind Veränderungen so
dringend nötig?
Es ist einfach an der Zeit, sichtbare Akzente zu setzen. Unsere Chefredakteure
und ihre Mannschaft arbeiten ständig daran, die Zeitschrift noch besser zu machen. Auch durch engen Kontakt zu unseren Lesern haben wir Erkenntnisse gewonnen, die sich im aktuellen Relaunch
niederschlagen. Den werden wir übrigens
mit einer großen Werbekampagne in
Print, TV, Online und Plakat unterstützen und dafür einen Bruttomediawert
von rund 5 Millionen Euro investieren.
Auch Ihre Mitbewerber „Auto Bild“
und „Auto Zeitung“ haben einen Relaunch hinter sich. Die Auflagen gehen
trotzdem weiter zurück. Lässt sich der
Trend nicht stoppen?
Im 2. Quartal dieses Jahres hat „Auto Motor und Sport“ gegenüber dem Vorjahreszeitraum 0,6 Prozent an Auflage eingebüßt, das Minus des gesamten Segments
liegt bei rund 4 Prozent. Wir entwickeln
uns also besser als der Markt, was erfreulich ist. Es stimmt aber auch, dass
Printmedien im Vertrieb weiter unter
Druck stehen. Ich fürchte, das wird sich
mittelfristig nicht ändern.
Ab wann wird dieser Trend für die MPS
zur wirtschaftlichen Bedrohung?
Davon sind wir ganz weit entfernt. „Auto
Motor und Sport“ verkauft derzeit alle
zwei Wochen annähernd 350000 Hefte.
Das ist eine echte Hausnummer, damit
gehört der Titel zu den Bestsellern unter
den Qualitätsmagazinen. Unser Stammpublikum schätzt nach wie vor die Kernkompetenz des Magazins, die hervorragende Kaufberatung und -empfehlung.
Aber anhaltende Auflagenverluste gehen an die Substanz.
Nach wie vor bildet Print das Rückgrat
unserer Medienmarken, für „Auto Motor
und Sport“ gilt das ganz besonders. Sie
dürfen nicht vergessen: Mit den gedruckten Medien erzielen wir durch Vertrieb
und Anzeigengeschäft immer noch 80
Prozent unseres gesamten Umsatzes.
Ein Grund mehr, sich Sorgen zu machen
angesichts rückläufiger Auflagen und
Anzeigenerlöse.
Noch mal: Unsere Titel stehen prima da,
sie verdienen gutes Geld, wir gewinnen
Marktanteile. Aber selbstverständlich
stemmen wir uns gegen den allgemeinen
Trend und wollen unser Stammpublikum halten. Abonnenten zum Beispiel
machen wir Mehrwert-Angebote, indem
sie verbilligt oder gratis Sonderhefte, EMagazine und Apps erhalten.
„Auto Motor und Sport“ bringt in unregelmäßigen Abständen sogenannte
Editionen heraus, zuletzt zu „40 Jahre
BMW 3er“. Wie entwickelt sich das Geschäft?
Die Editionen sind ein schönes Beispiel,
wie man neue Printobjekte erfolgreich
lancieren kann und davon die gesamte
Medienmarke profitiert. Eine Edition
kostet jeweils 7,90 Euro. Bei Verkäufen
zwischen rund 10000 bis 25000 Exemplaren plus Anzeigengeschäft rechnet sich
das gut für uns. Und unsere Abonnenten
erhalten die Edition vergünstigt für 4,50
Euro, das meine ich mit Mehrwert.
Ist der Markt für solche Sonderpublikationen nicht arg begrenzt?
Ich glaube, wir haben das Potenzial noch
lange nicht ausgeschöpft. Seit 2013 sind
insgesamt neun Editionen erschienen,
dieses und vergangenes Jahr jeweils vier.
Zur IAA kommt nun unter dem Label
von „Auto Motor und Sport“ die Edition
„25 Jahre Mazda MX-5“ in einer Druckauflage von 35000 Stück, wovon Mazda
rund ein Viertel abnimmt und jedem seiner Neukäufer ein Heft schenkt. Wenn
sich Print besonderen Themen widmet,
wie etwa Jubiläen von Marken und Modellen, kann es seine Stärken ausspielen.
Daran arbeiten wir.
Nicht nur neue Autos wecken Interesse,
in den vergangenen Jahren sind verstärkt Old- und Youngtimer in den
Blickpunkt gerückt. Davon haben Verlage mit entsprechenden Zeitschriften
profitiert, die MPS mit „Motor Klassik“.
Ist das ein Wachstumsfeld?
Die „Motor Klassik“ ist mit mehr als
31000 Abos fest im Segment verankert
und macht uns richtig Freude. Im vergangenen Quartal hat sie noch mal leicht
zugelegt – und das gegen den Trend.
Denn im Markt sind Zeichen von Sättigung erkennbar. Mit guter Qualität kann
man in Nischen noch punkten, wie wir
das mit dem Sonderheft „Youngtimer“
tun, das seit 2014 alle zwei Monate erscheint. Im kommenden Jahr erhöhen
wir die Frequenz auf acht Ausgaben.
Tim Ramms, 42,
kam nach Stationen
bei Axel Springer und Gruner
+ Jahr 2006 zur Motor Presse Stuttgart.
Im Oktober 2013 übernahm der DiplomKaufmann die Leitung des Geschäftsbereichs Automobil.
Mehr Meinung,
mehr Abwechslung
„Auto Motor und Sport“ will seine
Technik-Kompetenz leichter vermitteln
Ein Blick genügt: Das Cover von „Auto
Motor und Sport“ (AMS) wirkt deutlich aufgeräumter als bisher. Eigentlich
ein Verstoß gegen die praktizierte
Regel, wonach die Absatzchancen steigen, je mehr Modelle auf dem Titel
sind. Dadurch ähneln sich die Titelseiten der großen Generalisten jedoch
sehr. „Reduktion drückt höhere Wertigkeit aus, das bestätigen auch befragte Leser“, so Verlagsmanager Tim
Ramms.
Chefredakteur Ralph Alex will „die
herausragende Stellung von ,Auto
Motor und Sport‘ noch spür- und erlebbarer machen“. Zum Beispiel werden Titelgeschichten zu echten Reports über Marken- und Modelltrends
aufgebohrt. „Den Tests geben wir
durch zusätzliche doppelseitige Technikfotos mit zahlreichen Info-Boxen
mehr Länge und Bedeutung“, kündigt
Alex an. Mehr Entertainment und
Emotion bringen ungewöhnlich fotografierte und geschriebene Fahrkultur-Storys. Zudem werden Kommentare ausgebaut.
Der Werbemarkt für Klassik-Autos
scheint aber schwierig zu sein.
Er funktioniert anders. Es werden keine
Neufahrzeuge beworben, das Geschäft
wird durch Handel gemacht. Da gibt es
einige größere Händler, daneben Auktionshäuser, die vermehrt Anzeigen schalten, außerdem laufen Kleinanzeigen gut.
Die Zeitschriften haben laut NielsenStatistik bis einschließlich Juli gegenüber dem Vorjahreszeitraum rund
4 Prozent an Bruttowerbeeinnahmen
verloren, netto sollen die Zahlen deutlich schlechter aussehen. Wie läuft es bei
Ihnen?
FOTO: MOTOR PRESSE STUTTGART
S
Von Roland Karle
17. September 2015
Der Relaunch soll mehr Wertigkeit signalisieren
Art Director Michael Heinz war
es wichtig, „die Leserführung zu optimieren“. Es gibt neue Formate wie
„Das besondere Bild“, „Ahnengalerie“
und „Wer fährt was?“, um mehr optische Abwechslung zu bieten. Inhaltsverzeichnis und Nachrichten wurden
luftiger gestaltet, Infografiken weiterentwickelt, das Schriftbild modernisiert.
Dabei stöhnen viele Medienleute
darüber, dass die Preise für Onlinewerbung im Keller sind und es kaum
was zu verdienen gibt. Was machen Sie
anders?
Wir haben viel Zeit und Energie verwendet, um unsere digitalen Datenbanken zu
befüllen und auszubauen. Noch sind wir
nicht fertig damit, haben aber inzwischen
ein richtig umfassendes Angebot. Im Gegensatz zu newsgetriebenen Inhalten, die
von der Aktualität leben und folglich eine
geringe Haltbarkeit haben, verfügen wir
über sogenannte Long-Tail-Inhalte, die
für unsere Nutzer weit über den Tag hinaus interessant bleiben.
Ist das nicht eine prächtige Voraussetzung, um stärker auf Paid Content zu
setzen?
Da muss man differenzieren. Wir haben
zum Beispiel sämtliche Testberichte bis
zurück in die 1950er Jahre in einer Datenbank gesammelt. Die stehen zum
Download bereit – für den normalen
Nutzer gegen Entgelt, für Abonnenten
unserer Titel gratis. Da kommt unser
Mehrwert-Prinzip für Stammkunden
wieder zum Tragen. Punktuell funktioniert Paid Content, aber nach unseren
Erkenntnissen im Autosegment nicht als
ausschließliches Konzept.
Wird digitale Werbung in absehbarer
Zeit stärker sein als die Printvermarktung?
Digital wächst weiter, aber nicht mehr so
stürmisch wie in den vergangenen Jahren. Zuwächse von rund 5 Prozent im
Jahr sind aber sicher drin. Wir erwirtschaften heute mit all unseren werbefinanzierten Digitalangeboten eine prozentual zweistellige Ergebnisrendite. Bei
unserer größten Medienmarke „Auto
Motor und Sport“ macht digitale Werbung inzwischen rund 15 Prozent des
Umsatzes aus. Das ist ein toller Erfolg.
Autohersteller schichten ihre Budgets
um, der Anteil von Print wird geringer.
Wie reagiert Ihre Vermarktung darauf?
Wir haben vor drei Jahren unser Vermarktungsmodell auf den Prüfstand gestellt mit dem Ergebnis, dass wir nun viel
stärker im direkten Dialog mit unseren
Kunden sind und mit ihnen zusammen
nach den besten Ideen und der passenden
Lösung für ihre Kommunikation suchen.
Daraus ergeben sich ganz neue Ansätze,
wie etwa die Leser-Test-Drives. Dazu
wird im Magazin aufgerufen, Leser können sich bewerben und dann werden 20
bis 30 Personen zu diesem Event eingeladen.
Sind das Einzelerfolge oder wird da
mehr draus?
Solche Kommunikationsformen sind
meist Teil von größeren Vermarktungspaketen. Wir haben uns mittlerweile so
aufgestellt, dass wir engeren Kundenkontakt pflegen, individuellere Angebote und
neue Konzepte entwickeln. Das läuft
schon sehr gut.
116 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
Autoportale bringen
ihre Apps in Stellung,
denn immer mehr
Käufer informieren
sich auf dem
Smartphone
„Wir sind uns der
weiter wachsenden
Bedeutung von Mobile
bewusst“
Christian Brinkmann, Head of
Advertising Mobile.de
D
Von Sara Weber
er Autokauf verlagert sich zunehmend ins Internet. Und
weil das mittlerweile in der
Hosentasche immer dabei ist,
gewinnen Smartphones sowie Tablets an
Bedeutung – auch beim Kauf von Neuund Gebrauchtwagen. Das zeigt der Auto
CB 2015 Local Report, eine aktuelle Studie von Google. Wer sich ein neues Auto
zulegen möchte, informiert sich im Netz:
87 Prozent aller Neuwagenkäufer recherchieren online, bevor sie sich für ein Auto
entscheiden. Knapp die Hälfte davon – 45
Prozent – nutzen das Smartphone, um
sich zu informieren, 23 Prozent das Tablet. 8 Prozent schauen sogar nur auf ihr
Handy und nicht auf den Computer,
wenn sie sich nach einem neuen Auto
umsehen. Und wirft man einen Blick auf
alle, die online recherchieren, so fällt auf,
dass etwa 40 Prozent der gesamten Zeit,
in der sich potenzielle Autokäufer im
Netz informieren, vom Smartphone aus
nach dem neuen Auto gesucht wird. Alles
in allem sind es vor allem junge Nutzer,
die zum Handy greifen, wenn sie sich
über ein neues Auto informieren: 74 Prozent der unter 25-Jährigen, 65 Prozent
der 25- bis 34-Jährigen. Eine Zielgruppe,
deren Bedeutung und Kaufkraft in den
kommenden Jahren zunehmen wird.
Wie die Internetnutzung insgesamt
wird also auch der Autokauf zunehmend
mobil. Und auf diese Entwicklung müssen sich die Autoportale einstellen. Eine
funktionierende mobile Website und
Apps für Smartphones sind da ein Muss.
Autoscout24 bietet kostenlose Apps für
Apple, Android und Windows Phone an,
Mobile.de für Apple und Android,
Pkw.de ebenfalls. Und auch wenn es keine
offiziellen Download-Zahlen gibt, geben
die Nutzungszahlen, die von der Arbeitsgemeinschaft Onlineforschung (Agof)
gemessen werden, Aufschluss über die
Bedeutung von mobilen Angeboten.
Das Portal Mobile.de erreichte den Digital Facts der Agof zufolge im Juni knapp
4,8 Millionen Unique User mit seinen
mobilen Angeboten, die mobile Reichweite von Autoscout24 lag bei 3,62 Millionen Unique Usern. Zum Vergleich: Die
klassische Website von Mobile.de hatte
laut Agof im selben Zeitraum 7,13 Millionen Besucher. Autoscout24 weist seine
Zahlen für den Desktop nicht gesondert
aus, Pkw.de ist nicht bei der Agof gelistet.
Doch der Trend ist klar: Es geht aufs
Handy!
Das wissen auch die Autoportale. „Wir
sind uns der immer weiter wachsenden
Bedeutung von Mobile bewusst und fokussieren uns auch in der Produktentwicklung entsprechend“, sagt Christian
Brinkmann, Head of Advertising bei Mobile.de. „Vor allem unsere Android- und
iOS-Apps können eine sehr hohe mobile
Reichweite aufweisen.“ Bei Mobile.de
kommen nach eigenen Angaben mittlerweile 63 Prozent des gesamten Traffics
über mobile Endgeräte. Mehr als zwei
Drittel der Nutzer, die Mobile.de über
Desktop-PCs nutzen, greifen parallel
auch auf die mobilen Angebote des Portals zu.
„Unsere Nutzer surfen immer öfter
mit ihrem Smartphone oder Tablet“, sagt
auch Marc Hundacker, Vice President
Sales & Operations Scout24 Media. Rund
50 Prozent des Traffics kommen bei Autoscout24 inzwischen über Apps und die
mobile Webseite. „Natürlich setzen wir
einen großen Teil unseres Marketingbudgets mobil ein“, so Hundacker. Die mobile Nutzung nehme immer weiter zu,
daher steige auch die Bedeutung von mobilen Werbemöglichkeiten: „Sie spielen
eine tragende Rolle“, sagt er. „Unser klares Ziel ist qualifizierter Traffic für die
mobile Seite und unsere Apps.“
B
eim
Gebrauchtwagenportal
Pkw.de machen App und mobile
Website laut Geschäftsführer Boris
Polenske mehr als 60 Prozent des Traffics
aus. „Insbesondere unsere Apps haben
absolute Priorität“, so Polenske. Die mobile Website sei nur ein Zwischenschritt
vom ersten Besuch zur Installation der
App. Neue Features würden daher in Zukunft vor allem mobil implementiert.
FOTO: COLOURBOX, MONTAGE: HORIZONT
App in
den Shop
17. September 2015
„Wir investieren derzeit primär in die bile.de hat in einer Studie festgestellt, dass
jeder zweite Nutzer der Android-Apps
Apps“, so Polenske.
Doch dabei ist einiges zu beachten. So unter 39 Jahre alt ist. Damit sind Anunterscheidet sich die Nutzung auf PC droid-Nutzer die jüngste mobile Nutzervon der beim Smartphone. „Wir sehen, gruppe, die im Schnitt 13700 Euro für ihr
dass die Nutzer insbesondere Apps und neues Fahrzeug ausgeben möchten, iPhoDesktop-Website parallel nutzen: Apps ne-Nutzer wollten durchschnittlich etwa
abends vor dem Fernseher und tagsüber 19500 Euro in den Fahrzeugkauf investieDesktop, wenn man einen Autohändler ren, der klassische Desktop-Nutzer plant
kontaktieren möchte”, so Polenske. Die Ausgaben in Höhe von etwa 16600 Euro.
meisten Verkäufe auf Pkw.de fänden jeichtig ist es, auf die Nutzungsdoch weiterhin über die Desktop-Website
statt.
gewohnheiten von Mobile zu
achten. Laut Hundacker von
Brinkmann von Mobile.de hat Ähnliches zu berichten: „Die mobilen Kanäle Autoscout24 teilen Nutzer potenzielle
spielen insbesondere in frühen Phasen Angebote gerne mit dem Partner, mit Bedes Kaufentscheidungsprozesses eine er- kannten oder Verwandten. „Eine zweite
Meinung ist ihnen wichhebliche Rolle – iPhone,
tig, deshalb bieten wir
iPad und Co werden vor
verschiedene Sharingallem zum Stöbern genutzt.“
Möglichkeiten an, um
den Austausch zu er„Die Autosuche ist ein
leichtern.“ Insgesamt seiProzess, der sich über
en die Erwartungen der
zwei bis drei Monate
zieht“, erklärt HundNutzer an die Inhalte jedoch relativ gleich, ledigacker von Autoscout24.
lich die Aufbereitung sei
Da es sich meist um eine
gerätespezifisch. Die Megrößere Investition handele, wollten die Kunden
nüführung etwa werde in
der App platzbedingt andie richtige Entscheiders gestaltet. Zudem
dung treffen. Allerdings „Wir setzen einen
bietet die App weitere
wüssten viele am Anfang großen Teil unseres
noch nicht genau, was
Möglichkeiten, wie die
Marketingbudgets
Integration der Kamerafür ein Fahrzeug sie wolund Lokalisierungsfunklen. „In dieser Phase der mobil ein“
Marc Hundacker, Vice President tion. So kann etwa GPS
ersten Orientierung beginnen Nutzer tenden- Sales & Operations Scout24 Media genutzt werden, um
Fahrzeuge in der Umgeziell, sich über die Website oder per Smartphone und Tablet über bung anzuzeigen. Suchanfragen können
die mobile Seite zu informieren“, so über mehrere Geräte synchronisiert werHundacker. Die App komme meist erst den, Push-Benachrichtigungen können
ins Spiel, wenn der Autokäufer schon et- den Autokäufer über Preisänderungen
was involvierter in die Suche ist und tiefer bei Fahrzeugen von seinem Merkzettel
in den Selektionsprozess einsteigt. „Ist die informieren.
„Die Nutzer unserer mobilen Website
Orientierungsphase abgeschlossen und
kommt man einer Entscheidung näher, zeigen sich darüber hinaus besonders ofsehen sich die Autokäufer Inserate gerne fen zum Beispiel für Finanzierungsmögnoch mal am Desktop genauer an“, so lichkeiten sowie Angebote von KfzVersicherungen“, sagt Brinkmann von
Hundacker.
Wo und wie sich ein potenzieller Käu- Mobile.de. Werbungtreibende sollten
fer informiert, hat auch Einfluss auf den deshalb beide Kanäle in ihrer KampaPreis, den er bereit ist, zu zahlen: Mo- gnenplanung berücksichtigen.
W
118 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
Die Nachfrage nach OldtimerMagazinen stagniert. Mit besonderen Akzenten soll das Interesse wieder geweckt werden
Alte Begierde
wecken
Vom gestiegenen Interesse an Oldtimern haben einschlägige
Zeitschriften profitiert, doch jetzt stellt sich Sättigung ein
Von Roland Karle
D
er Härtegrad ihrer Auflage
kann sich mehr als sehen lassen: 98 Prozent der insgesamt
542422 Hefte, die die Top 10
der Oldtimer-Zeitschriften im 2. Quartal
2015 verkauften, fanden über Abonnements oder den Einzelhandel ihren Weg
zum Käufer. Eine bessere Quote an sogenannter harter Auflage findet sich
kaum irgendwo im deutschen Zeitschriftenmarkt. Auffallend dabei ist der starke
Anteil des Einzelverkaufs, der fast drei
Viertel der gesamten Absatzmenge ausmacht.
In den vergangenen Jahren gesellte
sich zur bemerkenswerten Struktur der
Auflage noch verlässlicher Zuwachs im
Vertrieb. Dort ist nun aber klar ein Stoppschild zu erkennen. „Der Markt für Oldtimer-Magazine scheint insgesamt gesät-
Zwei Titel verkaufen sechsstellig
Auflagen der Auto-Klassik-Magazine
Titel
Verlag
Verkaufte Auflage
II/2015
Veränderung zum
Vorjahr in Prozent
Oldtimer Markt
VF Verlagsgesellschaft
120 580
–7,00
Auto Bild Klassik
Axel Springer
103 246
1,48
Oldtimer Praxis
VF Verlagsgesellschaft
91 530
6,32
Motor Klassik
Motor Presse Stuttgart
73 116
0,86
Auto Zeitung Classic Cars
Bauer Media Group
47 431
8,21
Auto Classic
Geramond Verlag
42 527
3,50
Traktor Classic
Geramond Verlag
37 504*
k. A.
Oldtimer Traktor
VF Verlagsgesellschaft
32 204
–1,87
Motorrad Classic
Motor Presse Stuttgart
19 984
1,48
British Classics
VF Verlagsgesellschaft
11 804
–8,76
* Verlagsangabe; k. A. = keine Angabe
Quelle: IVW
HORIZONT 38/2015
tigt“, sagt Hans H. Hamer, Verlagsgeschäftsführer der Auto-, Computer- und
Sport-Gruppe bei Axel Springer. Nicht
anders klingt die Einschätzung von Michael Kaiser: „2014 wurden, wenn man
IVW-geprüfte Titel vergleicht, erstmals
seit Jahren weniger Exemplare verkauft
als im Jahr zuvor“, berichtet der stellvertretende Verlagsleiter und Anzeigenleiter
der VF Verlagsgesellschaft.
Womöglich wird das Publikum wählerischer. In der Regel kaufen Leser gerne
alles über ihre Lieblingsfahrzeuge, neben
der favorisierten Zeitschrift nehmen sie
dazu auch den Nachbartitel mit, der mit
einem interessanten Thema auf dem Cover aufmacht. HORIZONT vorliegende Daten aus der noch nicht in Gänze veröffentlichten „Oldtimer-Studie 2015/16“ des
Instituts für Demoskopie Allensbach
(IfD) zeigen, dass die Zahl dieser Koppelkäufe leicht rückläufig ist.
Das kann durchaus daran liegen, dass
der Informationsbedarf der AutoklassikFans nicht mehr so hoch und die Erwartung gesunken ist, wirklich Neues in
den Zeitschriften für sich zu entdecken. „Einige Zeitschriften spielen
ständig die Klaviatur der beliebtesten
50 Fahrzeugtypen rauf und runter. Das
wird in einem Marktsegment, das nicht
wächst, wohl immer weniger ankommen“, vermutet Kaiser.
Oldtimerfans verreisen
auch gern
Redaktionell geht es also darum, über die
Grundversorgung hinaus besondere Akzente zu setzen. Tim Ramms, Leiter des
Geschäftsbereichs Automobil bei der Mo-
tor Presse Stuttgart (MPS),
ist überzeugt, dass „man mit
guter Qualität in Nischen
noch punkten kann“ (siehe
Seite 114).
Das
Sonderheft
„Youngtimer“, das seit
2014 alle zwei Monate erscheint, sei dafür ein gutes Beispiel. Aufgrund
der starken Nachfrage
wird die Frequenz im
kommenden Jahr auf
acht Ausgaben erhöht.
Derweil hält „Motor
Klassik“ seine vordere
Position im Segment.
Mit mehr als 31000
Abonnenten ist das
vor 31 Jahren gestartete Magazin hinter
„Oldtimer Markt“
(34401) der stärkste
Abotitel im Segment.
Den naheliegenden Gedanken, dass KlassikFahrer nicht nur gerne mit ihrem Gefährt
auf die Straße gehen, sondern damit auch
verreisen, hat der VF Verlag aufgenommen und daraus ein neues Magazin entwickelt: In diesem Jahr kam „Oldtimer &
Reisen“ in einer Auflage von 80000 Stück
heraus. „Wir wollen als Spezialist weitere
Nischen besetzen“, sagt Anzeigenleiter
Kaiser. Das Thema Reise biete dabei ein
überschaubares Potenzial. Anders als für
Motorradfahrer gebe es nur sehr wenige
Oldtimer-Hotels, die auf Klassiker-Fahrer zugeschnittene Pakete anbieten. „Vielleicht tragen wir ja dazu bei, dass sich hier
etwas entwickelt.“ Im kommenden Jahr
sind zwei weitere Ausgaben von „Oldtimer & Reisen“ geplant.
Eine generell nachlassende Aufmerksamkeit für Old- und Youngtimer ist
nicht auszumachen. Laut aktueller Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse (AWA) sagen 3,45 Millionen Menschen, dass sie das Thema „ganz besonders interessiert“ finden – das entspricht
einem Anteil von 5 Prozent an der
deutschsprachigen Bevölkerung. 2011 lag
dieser Wert nur ganz geringfügig höher
Der VW Bulli ist
einer der beliebtesten Oldtimer
17. September 2015
bei 5,1 Prozent. Hingegen hat das ausgeprägte Interesse an Autos und Autotest
generell etwas deutlicher nachgelassen –
von 16,1 Prozent vor vier Jahren auf nun
13 Prozent. „Auffällig ist zudem eine Zunahme der Experten“, betont VF-Verlagsmanager Kaiser mit Blick auf die
AWA-Ergebnisse. Der Anteil jener, die
„öfter Ratschläge und Tipps geben“, weil
sie als fachkundig gelten, ist von 2,7 auf
3,1 Prozent gestiegen.
Für Werbungtreibende und Mediaplaner gut zu wissen: Die vier auflagenstärksten Titel „Oldtimer Markt“, „Auto
Bild Klassik“, „Oldtimer Praxis“ und
„Motor Klassik“ decken fast den gesamten Lesermarkt ab. Laut Kaiser zeigen
Zahlen aus der Oldtimer-Studie 2015/16,
dass die Top-4-Titel insgesamt 95 Prozent
der Zielgruppe erreichen.
Wanderungsbewegungen und Substitutionseffekte durch das Internet, wie sie
bei anderen Printmedien teilweise deutlich zu erkennen sind, sind bei OldtimerZeitschriften kaum festzustellen. So
konnten sich reine Oldtimer-Portale bis
heute nicht durchsetzen. Wenn im Internet nach Informationen über Oldund Youngtimer gesucht wird, dann werden laut Studie bekannte Portale wie
Ebay, Mobile.de und Autoscout.de am
häufigsten genutzt, dahinter folgen die
Onlineseiten der bekannten AutoklassikTitel. Die Analyse zeigt laut Kaiser: „Leser
von Oldtimer-Zeitschriften nutzen das
Internet deutlich intensiver als Nichtleser,
aber für die Zielgruppe ist Print immer
noch der wichtigste Informationskanal.“
Events als Verlängerung
von Print
Typischerweise engagieren sich die Klassik-Zeitschriften bei Events und Rallyes,
loben zudem eigene Preise aus, wie etwa
„Auto Bild Klassik“ das „Goldene Klassik-Lenkrad“ und Motor Presse Stuttgart
den „Motor Klassik Award“. Direkten
Kontakt zu Lesern und Oldtimer-Freunden ermöglichen die von Verlagen (mit)
veranstalteten Rallyes, deren Zahl in den
vergangenen Jahren gestiegen ist. „Unsere
Auto-Bild-Rallyes erfreuen sich immer
größerer Beliebtheit“, sagt Axel-SpringerManager Hamer (siehe Seite 119). „Das
hat gerade erst wieder die Hamburg-Berlin-Klassik unter Beweis gestellt, die bei
Teilnehmern, Sponsoren und auch den
Zuschauern an der Strecke großartig ankommt.“
HORIZONT 38/2015
REPORT AUTOMARKETING 119
17. September 2015
Route der Veteranen
Traditionspflege zahlt
sich aus: Mit History
Marketing schlagen
Hersteller den Bogen
zum Neugeschäft
Steigende Kundenzahlen
„Besitzen Sie oder jemand anderer in Ihrem
Haushalt einen Oldtimer, also
ein Auto, das 30 Jahre oder älter ist?“
in Millionen
1,16
1,21
2012
2013
1,27
1,39
22
2014
2015
Anmerkung:
2012: 27 104 Befragte ab 14 Jahren, hochger. auf 70,21 Mio. Pers.
2013: 25 677 Befragte ab 14 Jahren, hochger. auf 70,33 Mio. Pers.
2014: 25 363 Befragte ab 14 Jahren, hochger. auf 70,52 Mio. Pers.
2015: 25 140 Befragte ab 14 Jahren, hochger. auf 69,24 Mio. Pers.
Quelle: IfD Allensbach/Statista
HORIZONT 38/2015
R
Von Uwe Förster
iesentrubel am Hamburger
Fischmarkt. Zwischen den Reihen der Oldtimer, die gerade die
letzte Etappe der Rallye „Hamburg-Berlin-Klassik“ hinter sich gebracht
haben, wuselt ein buntes Völkchen umher. Es ist schwer auszumachen, wer wegen der Fahrzeuge gekommen ist und
wer, um einen Blick auf Promis wie Eislauflegende Katarina Witt und Schauspielerin Esther Schweins zu erhaschen.
Doch letztlich sind es die alten Vehikel,
um die die Besucher an diesem Augustsamstag teils staunend, teils fachsimpelnd
kreisen.
Mittendrin Robert Wagenheimer aus
München mit seinem Volvo PV544
Sports, Baujahr 1963. Der Mann ist ein
Routinier in Sachen Klassik-Rallyes: Achtmal war er in den vergangenen fünf Jahren bei solchen Wettbewerben am Start.
Er investiert in sein Hobby deutlich mehr
als nur Zeit. „Die Werkstatt des Autos ist
in Duisburg“, berichtet er. „Das Auto
wird, wenn es was hat, im November auf
den Hänger geladen und dort zu einer
Spezialwerkstatt gebracht,
und im Frühjahr wird
er wieder geliefert.“
Zudem besitzt er
einen alten Saab.
Fast wäre Wagenheimer der
Prototyp
des mar-
kenaffinen Oldtimer-Fans. Fast, denn inzwischen ist er, der früher eben auch Volvo- und Saab-Pkw fuhr, im Alltag auf öffentliche Verkehrsmittel umgestiegen.
Sein Beispiel zeigt: Ein sich veränderndes Verständnis von Mobilität, in dem ein
eigenes Auto kein Must-have mehr ist,
und der Traum von einem Classic Car
widersprechen sich nicht. Autos wecken
nicht mehr die Begehrlichkeiten, die sie in
den 60er und 70er Jahren entfacht haben.
Gerade deshalb versuchen Automobilbauer, mit der Geschichte ihrer Produkte
zu werben: „Die Begeisterung für historische Fahrzeuge in Deutschland hat in den
zurückliegenden Jahren stark zugenommen“, ist Otto F. Wachs, Chef der Volkswagen-Autostadt in Wolfsburg, überzeugt. „Ich spreche hier von der persönlichen Begeisterung und dem großen Engagement, alte Fahrzeuge zu erhalten,
und nicht von spekulativen Finanzanlagen mit Oldtimern. Insofern ist unsere
gezielte Unterstützung bestimmter historischer Formate nach wie vor ein sehr
gutes
Marketinginstrument.
Denn
schlussendlich stärkt die Freude an Oldtimern auch das Interesse an aktuellen
Fahrzeugen.“
History Marketing als
Kommunikationsform
Der Wert, den die Hersteller dem Geschichtsmarketing beimessen, kommt in
ihren Museumstempeln wie dem „Zeithaus“ der VW-Autostadt oder dem Mercedes-Benz-Museum zum Ausdruck.
Großen Zulauf haben aber auch die Automuseen in rollender Form. Mittlerweile
können die Konzerne aus einer großen
Bandbreite von Rallyes und Events diejenigen als Kommunikationsplattform
wählen, die die meisten Zuschauer am
Streckenrand anziehen und das größte
Medieninteresse wecken.
„Über das Jahr verteilt sind wir auf
verschiedenen historischen Rallyes oder
Messen präsent. Von der Techno Classica
in Essen über die Classic Days auf Schloss
Dyk und die Deutschland Klassik, im Süden die Paul Pietsch Classic, bis hin zu
spezifischen Veranstaltungen wie dem Eifel Rallye Festival, bei dem historischer
Motorsport im Mittelpunkt steht“, berichtet Wachs. Sponsor der achten Tour
Berlin-Hamburg, die von Axel Springers
„Auto Bild“ veranstaltet wird (siehe Seite
112), ist die Autostadt von Anfang an gewesen: Hier zählt vor allem das Argument
der regionalen Verankerung im Norden.
Auch für BMW war diese Rallye nur
eine von zahlreichen nationa-
len und internationalen Veranstaltungen,
bei denen die Münchner als Sponsor auftreten. Nahezu zeitgleich beteiligten sie
sich am Zandvoort Historic Grand Prix in
den Niederlanden, zu dem Medienberichten zufolge mehr als 52000 Zuschauer kamen. Aktuell ist die BMW
Group Classic als Hauptsponsor bei der
noch bis 20. September laufenden Youngtimer-Rallye „Creme 21“ von Ludwigshafen nach Leipzig unterwegs.
Der Promi-Auflauf, mit dem Marken
nicht selten an den Start gehen, schmeckt
dabei nicht jedem eingefleischten, auf
Authentizität bedachten Oldtimer-Fan.
Aber Witt und Co seien eben auch solchen Medien einen Beitrag wert, die ohne
den Promifaktor eher nicht über die Veranstaltung berichtet hätten, lautet die so
einfache wie nüchterne Erklärung des
Chefs der BMW Group Classic, Ulrich
Knieps. Allerdings bekommt nicht jeder
„Star“ eine Mitfahrgelegenheit. „Die Auswahlkriterien sind vielfältig“, sagt Knieps.
„Wichtig für uns ist unter anderem eine
glaubwürdige Kombination: Einem Prinz
Leopold von Bayern, der viele Jahre mit
BMW im Tourenwagensport engagiert
war, kauft man sofort das sprichwörtliche
Benzin im ,blauen‘ Blut ab.“
Mit diesem Mix aus Tradition und
Emotion können deutsche Hersteller gegen viele ausländische Konkurrenten
punkten. Die Kunst liegt darin, die positiven Markeneffekte ins Alltagsgeschäft
mitzunehmen. „Wir schlagen mit unserer
Historie immer den Bogen zur Gegenwart beziehungsweise in die Zukunft“,
sagt Harald Hamprecht, ab Oktober stellvertretender Geschäftsführer Kommunikation der Opel Group. „Ein gutes Beispiel ist der Monza, den wir auf der IAA
Auf der Strecke
bleiben die OldtimerFans unter sich, im
Ziel werden sie von
Schaulustigen
erwartet
2013 zu neuem Leben erweckt haben.
Nicht als Retromodell, sondern als ein
Konzeptauto, das unsere Vision in Sachen
Design und Konnektivität zeigt.“
BMW bringt alte Fahrzeuge in die Präsentation neuer Modelle ein, etwa bei der
Vorstellung des neuen BMW 3er im vergangenen Juli. Und umgekehrt: „Veranstaltungen der BMW Group Classic bieten eine ideale Bühne, um potenziellen
Kunden ein neues Modell zu präsentieren“, sagt Knieps. Als ein Beispiel für diese Synergien zwischen Traditionsabteilung und Vertrieb neuer Automobile
führt er den Concorso d’Eleganza Villa
d’Este am Comer See an. „Im Rahmen
dieses ,Schönheitswettbewerbs‘ für klassische Automobile wurden potenzielle
Kunden eingeladen, den neuen BMW 7er
in einem Closed Room lange vor der eigentlichen Markteinführung ausführlich
zu betrachten.“
Ausstellungen können
Neukunden anlocken
Eine ungefähre Vorstellung davon, inwiefern das History Marketing zum Neukundengeschäft beiträgt, liefert die VWAutostadt. Dort spielt das Klassik-Segment eine zentrale Rolle im Kontext des
Hauptthemas Mobilität. „Aus unserer
Marktforschung wissen wir, dass die Autostadt der Ort ist, an dem weltweit die
meisten Kaufentscheidungen für ein
Konzernprodukt getroffen werden“, erläutert Wachs. „Bei einer sehr konservativen Annahme von 0,5 Prozent Umwandlungsrate entspricht das einem Volumen
von 10000 Einheiten jährlich.“
Deutsche Hersteller dominieren Rangliste
Pkw mit Oldtimer-Kennzeichen in Deutschland nach Marken*
2015
2014
75 344
Daimler (D)
67 105
58 229
Volkswagen (D)
Porsche (D)
19 277
Ford (D, UK, USA)
18 275
16 138
Opel (D)
11 229
BMW (D)
52 152
16 746
16 091
14 815
9 947
Fiat (I)
9 123
Alfa Romeo (I)
8 242
7 635
GM (USA, CND, CH)
7 372
7 243
Triumph (GB)
6 533
6 651
7 975
* Gesamtbestand Pkw mit H-Kennzeichen 310.694 zum Jahreswechsel 2014/15; Bestand jeweils 1. Januar
Quelle: Kraftfahrt-Bundesamt/VDA
HORIZONT 38/2015
120 REPORT AUTOMARKETING
HORIZONT 38/2015
FOTO: COLORBOX
GrünesSchweigen
17. September 2015
Alternative Kraftstoffe spielen in der Kommunikation
der großen Energiekonzerne noch keine Rolle
Von Giuseppe Rondinella
E
ine neue Tankstelle ist eigentlich
keine Besonderheit. Jedoch sehr
wohl, wenn der Mineralölriese
Shell eine Wasserstoff-Tankstelle
in Hamburg an der Schnackenburgallee
eröffnet, so geschehen im März dieses
Jahres. Dann geben sich gerne einmal Geschäftsführer, Parlamentarische Staatssekretäre und Senatoren vor Ort die Hand
und posieren für die Energiewende. Die
Tankstelle ist für das Unternehmen bundesweit erst die dritte ihrer Art und soll
unter anderem den deutschen Autofahrern alternative Antriebe schmackhafter
machen.
Dass der Markt für grüne Kraftstoffe
nach wie vor nur langsam Fahrt aufnimmt, ist auch dem Ölkonzern bekannt.
Aus einer Studie, die Shell in Kooperation
mit dem Forschungsunternehmen Prognos durchführte und Ende letzten Jahres
präsentierte, geht hervor, dass im Jahr
2040 immer noch der Großteil aller privaten Fahrzeuge auf deutschen Straßen
Diesel oder Benzin tanken werden. Alternative Antriebe bleiben also auch in Zukunft im Hintertreffen.
Kein Wunder, dass Erdgas, Wasserstoff
und Co auch in der werblichen Kommunikation bislang keinen Platz gefunden
haben, richten sich die Marketingpläne
der Konzerne doch nach den Bedürfnissen und Wünschen der Kunden. „Dabei
achten wir darauf, dass wir möglichst viele Autofahrer erreichen und relevante
Angebote für eine breite Masse entwickeln“, sagt Shell-Sprecherin Cornelia
Wolber. Ein Paradebeispiel für diese Strategie sei etwa die Kampagne zur Preisgarantie an den knapp 2000 Shell-Tankstellen, die Mitte des Jahres anlief (HORIZONT 23/2015).
Auch beim französischen Ölriesen Total, der hierzulande 1150 Tankstellen betreibt (siehe Tabelle unten), sieht man das
ähnlich: „Strategisch wäre es in Bezug auf
unseren Absatzmarkt sehr unklug, sich
auf den Promillebereich der zugelassenen
Fahrzeuge zu konzentrieren, wenn die
Musik woanders spielt“, sagt Sprecher
Manuel Fuchs. In einer großangelegten
Total-Markenkampagne, die Ende letzten
Jahres mit dem überarbeiteten Slogan
„Engagement für bessere Energie“ anrollte, werden alternative Kraftstoffe nicht erwähnt.
Das Tankstellennetz für alternative
Antriebe ist noch eher weitmaschig, wenn
auch kontinuierlich im Wachstum be-
lialen Ladesäulen auf, an denen Kunden die Batterien ihrer Elektroautos kostenlos
aufladen können. Was auf
den ersten Blick keinen Sinn
ergibt, entpuppt sich aber
als öffentlichkeitswirksamer
Coup. Offiziell begründet
die Supermarktkette das
Angebot damit, man wolle
„einen Beitrag zur Energiewende“ leisten und „die
Elektromobilität
in
Deutschland fördern“. Die
Tankstellenbetreiber sehen
das anders. „Aus unserer
Sicht handelt es sich dabei
um eine Marketingmaßnahme von Aldi“, heißt es
auf Nachfrage bei Aral.
findlich. Total ist mit 310 Tankstellen Vorreiter bei Autogas und hat im Bereich
Elektromobilität mit 20 Schnellladesäulen ebenfalls die Nase vorn. Der deutsche
Marktführer Aral hat mit 193 Stationen
die meisten Erdgas-Tankstellen im Portfolio.
Wer bei Aral aber sein Brennstoffzellen-Fahrzeug mit Wasserstoff auftanken
möchte, sucht hierzulande vergebens.
Viel eher sieht die BP-Tochter in Erdgas
eine Energie der Zukunft und versucht sie
inzwischen am Point of Sale stärker in
den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken. In Zusammenarbeit mit der Initiative Erdgas Mobil ist etwa Ende 2014 ein
einheitliches Branding für Erdgastankstellen entstanden, auch ein CorporateDesign-Manual für Tankstellen gibt es inzwischen.
Die Konkurrenten Shell und Total
versuchen derweil, vor allem im Bereich
Wasserstoff Fuß zu fassen. Die beiden
Mineralölunternehmen sind Teil der
Clean Energy Partnership (CEP), eines der international bedeutendsten
Vorhaben zur Erprobung von Wasserstoff als Kraftstoff. Sie hat sich
zum Ziel gesetzt, bis 2023 insgesamt
400 H2-Tankstellen in Deutschland
zu bauen und dieser Energieform
zum Durchbruch zu verhelfen.
Mit dabei sind unter anderem
BMW, Daimler, Ford und EnBW.
Sieben der bislang 18 bundesweit
öffentlich zugänglichen H2-Stationen betreibt Total, Shell hat
drei im Portfolio – die Bemühungen sind also noch im Anfangsstadium. „In jedem Fall
sind Brennstoffzellenfahrzeuge aufgrund ihrer deutlich
höheren Reichweite aber eine echte Alternative zu EAutos“, sagt Shell-Sprecherin Wolber.
T
A
nders als Wasserstoff oder Autogas, spielt Elektromobilität in den Plänen von Shell keine
wichtige Rolle – der Ölkonzern hat keine solche Ladestation im
Angebot. Die Gunst
der Stunde nutzt
mittlerweile
Tesla
und stürmt in den
Markt. Mit über 200 Stromstationen in
Deutschland deckt der Elektrofahrzeughersteller aus den USA die wichtigsten
Autobahnverbindungen
hierzulande ab und läuft den
großen Tankstellenbetreibern in
diesem Segment davon. „Germany, we’ve got you covered“,
kommunizierte Tesla Mitte des
Jahres fröhlich.
Und ein ganz anderer Player
hat erst vor wenigen Wochen den
Markt betreten: Aldi Süd. Der
Discounter baut gerade an 50 Fi-
Das Tankstellennetz mit
alternativen Kraftstoffen
wächst
Die „großen Zwei“ an der Spitze
Aral hat das größte Netz
Deutsche lieben Verbrennungsmotoren
Kraftstoff-Absatzmarktanteile
Anzahl der Straßentankstellen in Deutschland nach Marken
Pkw-Bestand in Deutschland nach Kraftstoffarten
Angaben in Prozent
Hybrid
2500
27,9
10,5
31,5
Sonstiges
9,0
Gesamt:
44,4 Millionen
1500
Benzin
500
HORIZONT 38/2015
1,6
2011
2012
Quelle: EID / Stand: 1. Januar 2015
2013
2014
2015
HORIZONT 38/2015
67,2
Erdgas
11,6
2,7
0,5
Alternative
70,2
1000
7,5
Stand: 30. Juni 2015
Quelle: EID; Schätzung
15,0
2000
20,0
Angaben in Prozent
Diesel
31,2
21,5
atsache ist, dass
sich der Markt für
Elektromobilität
nach wie vor im Promillebereich bewegt – von
44,4 Millionen zugelassenen Pkw waren laut
Kraftfahrt-Bundesamt
zu Beginn des Jahres nur
knapp 19000 mit Elektroantrieb ausgestattet
(siehe Chart). Laut einer
vor kurzem veröffentlichten Aral-Studie, planen nur 2 Prozent aller
Autofahrer als nächsten
Wagen ein Elektrofahrzeug, am beliebtesten
sind nach wie vor die
Verbrenner.
Das hält die Mineralölunternehmen
aber nicht davon ab,
weiterhin in die Infrastruktur für grüne Energie zu investieren. Im
Rahmen der CEP ist erst im
Mai wieder ein rotes Band vor einer
Tankstelle feierlich durchtrennt worden.
Wieder keine Besonderheit, wenn es sich
nicht um die erste Wasserstofftankstelle
an einer deutschen Autobahn handeln
würde. Das Projekt ist von Total, Daimler
und dem Gaskonzern Linde in die Wege
geleitet worden und steht an der A3 zwischen Würzburg und Nürnberg. Im Jahr
1835 nahm bekanntermaßen ganz in der
Nähe die erste Lokomotive „Adler“ zwischen Nürnberg und Fürth ihren Betrieb
auf. Künftig sollen dort Wasserstoffautos
das Straßenbild prägen.
Elektro
Sonstige
(z.B.
Wasserstoff)
Flüssiggas
Stand: 1. Januar 2015
Quelle: KBA
HORIZONT 38/2015
122 REPORT AUTOMARKETING
Händler spielen im Entscheidungsprozess der Kunden eine
untergeordnete Rolle. Käufer
informieren sich lieber online
Die Kombination macht’s
Videos werden gern geschaut
Online- und Offline-Quellen beim Autokauf
Welche Art von Videos haben Sie während des Kaufprozesses geschaut?
Angaben in Prozent
keine Recherche
5
alle Käufer
5
55
50
nur online
22
Online-Werbevideos
81
79
23
online und offline
83
22
Videos von unabhängigen Dritten
Von Anna Lisa Lüft
D
Angaben in Prozent
Käufer von Luxuswagen
Videos der Autohersteller
7
nur offline
ie Deutschen haben ihre Liebe
zum Automobil wiederentdeckt – und sind entscheidungsfreudig wie nie. Das
zeigt die diesjährige Neuwagenkäuferstudie von Google. Während die Informationsphase 2014 noch acht Wochen
dauerte, beträgt die Zeit vom Beginn der
Recherche bis zur Entscheidung für ein
Fahrzeug nun weniger als sechs Wochen.
Das Internet spielt eine wichtige Rolle in
dieser Phase: Neun von zehn Befragten
informieren sich im Netz über Hersteller
und Marken. Das gilt vor allem für
jüngere Käufer und solche, die sich für
Luxuswagen interessieren. 60 Prozent der
Befragten geben an, zu Beginn der
Recherche unentschlossen hinsichtlich
Marke und Modell zu sein. Jeder zehnte
Käufer entscheidet sich erst im Laufe seiner Recherche für ein Modell. Die Online-Recherche hilft also, die Awareness
einzelner Marken zu steigern.
Eine Möglichkeit, bei potenziellen
Kunden im Gedächtnis zu bleiben, sind
Onlinevideos. Fünf von zehn Befragten
erachten sie als hilfreich, über die Hälfte
greift in der Suchphase mittlerweile auf
Werbevideos der Hersteller oder Erfahrungsberichte von Nutzern zurück.
Der Händler hingegen verliert weiterhin
an Relevanz – für 12 Prozent ist die Kaufentscheidung bereits vor dem Händlerbesuch gefallen.
Diesen Trend unterstreicht auch eine
aktuelle Yahoo-Studie zum Thema Autokauf. Danach ist das Internet zur wichtigsten Entscheidungshilfe aufgestiegen,
jeder Dritte kann sich sogar vorstellen,
den Autokauf ausschließlich online abzuwickeln. Die Käufer schätzen vor allem
Flexibilität und Kostenvorteile im Netz.
Die Motivation, ein Autohaus zu besuchen, beschränkt sich für 53 Prozent
der Befragten auf Reparatur- und Wartungszwecke.
Das
meistgenutzte
Recherchetool stellen Suchmaschinen
dar. Für 90 Prozent sind sie eine zuverlässige Grundlage für Infos rund ums
Auto. Hiervon profitieren besonders
Werbungtreibende: Jeder Dritte schenkt
Autowerbung im Netz Beachtung, 61Prozent haben Gefallen daran.
17. September 2015
ILLUSTRATION: ARSDIGITAL / FOTOLIA; HORIZONT
Ins
Netz
gegangen
HORIZONT 38/2015
Fernsehwerbung, online geschaut
Basis: Neuwagen-Käufer,
die das Internet nutzen, n = 500
HORIZONT 38/2015
Quelle: Auto CB 2015
Videos von Konsumenten
39
20
21
18
22
Basis: Neuwagenkäufer, die das Internet nutzen und während des Kaufprozesses Onlinevideos
geschaut haben
Neun von zehn Autokäufern suchen online nach Informationen.
Die Mehrheit der Interessenten (77 Prozent) sitzt dabei an einem
Computer. Die Zahl derer, die ihr Smartphone zur Recherche nutzen, steigt
indes und beträgt nun 45 Prozent. Die Suchphase findet aber nur bei
einem geringen Teil der Befragten ausschließlich online statt: 83 Prozent
nutzen sowohl Online- als auch Offlinequellen.
HORIZONT 38/2015
Quelle: Auto CB 2015
Besonders junge Menschen suchen online
Über die Hälfte der potenziellen Autokäufer bemühen während der
Informationsphase Onlinevideos. Das gilt vor allem für
unter 25-Jährige, Erstkäufer und solche, die sich für Luxuswagen
interessieren. Letztere zeigen sich Werbung gegenüber etwas aufgeschlossener als der Durchschnitt, vertrauen aber auch auf Erfahrungsberichte Dritter. Am beliebtesten sind in beiden Gruppen
jedoch Videos der Hersteller.
Online-Recherche vor dem Kauf nach Altersgruppen
Angaben in Prozent
97
93
87
Händler bleibt relevant
87
Welche Rolle spielt der Händler für Ihre Kaufentscheidung?
81
Angaben in Prozent
Der Händler ist meine
Hauptinformationsquelle
44
Der Händler ist eine von mehreren Quellen
und wichtig, um eine Entscheidung zu treffen
Ich informiere mich online, der Händler
organisiert nur den Papierkram
37
12
Basis: Neuwagenkäufer, die das Internet nutzen und Kontakt zu Händlern haben
HORIZONT 38/2015
Quelle: Auto CB 2015
unter 25
Jahre
25–34
Jahre
35–44
Jahre
45–54
Jahre
ab 55
Jahre
Basis: Neuwagenkäufer, die das Internet nutzen
HORIZONT 38/2015
Quelle: Auto CB 2015
Die Online-Recherche vor einem Autokauf ist
unter den Jüngeren am beliebtesten. Insbesondere die
unter 25-Jährigen sind zu Beginn ihrer Suche unentschlossen und erfahren erst während der Informationsphase mehr über einzelne Hersteller und Modelle. Bei 92
Prozent von ihnen steigt währenddessen die Awareness.
Obwohl die meisten Autokäufer mittlerweile im Netz nach Informationen suchen, sind auch Händler noch gefragt. Zwar ist das
Autohaus nur noch für weniger als die Hälfte Hauptinformationsquelle. In der letzten Phase vor dem Kauf spielt es
trotzdem noch eine wichtige Rolle: Bevor es zu einer Entscheidung
kommt, finden im Durchschnitt 2,4 Händlerbesuche und 1,3
Testfahrten statt.
Händler müssen digitaler werden
An welchen der folgenden Einrichtungen, falls überhaupt,
wären Sie zur häufigeren Nutzung in Autohäusern interessiert?
Rabatt-Aktionen ziehen
Angaben in Prozent
Warum haben Sie sich dafür entschieden, bei einem Händler zu kaufen?
Angaben in Prozent
44
Preis, Aktionen
43
Gute Erfahrungen
39
Kundenservice
24
Bequemlichkeit
Besseres Inventar
HORIZONT 38/2015
Acht von zehn der Befragten kaufen ihren Neuwagen bei einem
konzessionierten Händler. Für 44 Prozent sind gute Preise und
Rabattaktionen ausschlaggebend für diese Entscheidung, aber auch
gute Erfahrungen, die in der Vergangenheit gemacht wurden, und
ein guter Kundenservice spielen eine Rolle. Die Zahl derer, die ihren
Wagen online kaufen, ist noch sehr gering – aber sie wächst.
68
Interaktives Präsentationssystem
49
Digitale Animationen
von Hightech-Funktionen
45
Kostenlose WiFi-Hotspots
40
Möglichkeit, mit Vertriebsmitarbeiter
online Kontakt aufzunehmen
39
Tablets für Zugriff
auf Produktspezifikationen
18
Basis: Neuwagenkäufer, die das Internet nutzen und ihren letzten Wagen offline kauften
Quelle: Auto CB 2015
Kosten-Kalkulationssimulatoren
36
Basis: Besitzer mit Kaufabsicht, n = 818 Online-User ab 18 Jahren in Deutschland
Quelle: Yahoo Autokauf-Studie 2015
HORIZONT 38/2015
Um die Gunst der potenziellen Autokäufer zu gewinnen, müssen sich
die Händler entschiedener digital aufstellen und selbst
Angebote übers Netz machen. Sieben von zehn Befragten wünschen
sich Simulatoren zur Kostenkalkulation, fast jeder Zweite legt Wert auf
ein interaktives Präsentationssystem und digitale Animationen von
Hightech-Funktionen. Kostenlose WiFi-Hotspots ködern zusätzlich.
124 REPORT AUTOMARKETING
Vor dem Hintergrund enger
werdender Märkte wird die Bedeutung eines ganzheitlichen
Marketings deutlich steigen
Von Anna Lisa Lüft
D
ie zunehmende Marktsättigung, die wachsende Zahl von
Marken und Modellen sowie
die Digitalisierung der Kundenbeziehungen stellen die Automobilhersteller in Zukunft vor neue Herausforderungen. In der 6. Auflage seines
Buchs „Automobilmarketing“ kommt
IFA-Direktor Willi Dietz zu dem Schluss,
Hersteller müssten sich im Wettbewerb
noch stärker profilieren und differenzieren. Einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Korn Ferry zufolge nimmt
das vor allem künftige Führungskräfte in
die Pflicht: Um Erfolg zu haben, müssen
Veränderungen auf dem Markt schnell
erkannt und umgesetzt werden. Auch ein
Gespür für Innovationen und Begeisterungsfähigkeit ist den befragten Managern zufolge von Bedeutung, um das eigene Produkt stärker von denen der Konkurrenz abgrenzen zu können. Das
stützen auch die Ergebnisse der diesjährigen Aral Studie zu Trends im Autokauf.
Im Vergleich beliebter Marken nähern
sich die Hersteller im Mittelfeld immer
mehr an. Nur Volkswagen gelingt es, sich
von den übrigen Automobilmarken zu
distanzieren.
Es darf mehr sein
VW ist am beliebtesten
Welcher Marke wird Ihr nächster Pkw voraussichtlich sein?
Durchschnittliche Basislisten- und Transaktionspreise*
in Prozent
Hersteller
Basislistenpreis
Transaktionspreis
VW
Porsche
86600 €
101300 €
BMW
42800 €
48900 €
Audi
39600 €
45900 €
Mercedes-Benz
40000 €
44100 €
Volkswagen
24300 €
24900 €
Peugeot
22800 €
21800 €
Seat
23800 €
21800 €
Ford
23600 €
21300 €
Škoda
21100 €
20400 €
Toyota
21400 €
19700 €
Opel
20000 €
18900 €
Hyundai
18100 €
17400 €
Renault
18500 €
17000 €
weiß nicht
15
sonstige
17
8
italienische Marke
französische Marke
Opel
8
79
1
3
koreanische Marke
25
8
5
725
Mercedes-Benz
BMW
8
4
Škoda
japanische Marke
8
8
Audi
Ford
Basis: n = 300, nächster Wagen NW/JW
HORIZONT 38/2015
Quelle: Aral Studie 2015
Bei der Wahl des nächsten Autos steht VW wieder ganz oben: Das zeigt die Aral
Studie zu den Trends beim Autokauf 2015. Die Wolfsburger
verteidigen diese Position nun schon seit 2003, der Abstand sinkt aber. Seit
dem Spitzenwert von 22 Prozent im Jahr 2009 nimmt er stetig ab. Allerdings
sind sich nicht alle Befragten so sicher: Die zweitgrößte Gruppe bei der Markensuche (15 Prozent) weiß nicht, für welche Marke sie sich entscheiden soll.
* 2014 bis I/2015, Zahlen gerundet
Quelle: TNS Infratest 2015
Wieder mit Bargeld ins Autohaus
Werden Sie Ihren neuen Pkw voraussichtlich bar bezahlen, finanzieren oder leasen?
Angaben in Prozent
Gesamt
Männer
10
Leasing
7
bis 39 Jahre
56
30
Finanzierung
Weiß nicht
Frauen
53
Barzahlung
17. September 2015
FOTO: COLOURBOX
Abgrenzen
ist alles
HORIZONT 38/2015
48
24
10
44
37
10
40 Jahre +
60
38
10
11
5
23
9
7
8
Basis: n = 300, nächster Wagen NW/JW
Quelle: Aral Studie 2015
HORIZONT 38/2015
Der von vielen Autoherstellern bemühte
Begriff Premium macht sich in der
Regel auch im Preis bemerkbar. TNS Infratest
hat untersucht, welche Marken wirklich
Premiumpreise erzielen, die ausreichend
Marge und Deckungsbeiträge sicherstellen.
In einer Langzeitstudie vergleicht das Institut
diese Transaktionspreise mit den Basislistenpreisen. Das Ergebnis: Nur wenigen
deutschen Herstellern gelingt es, darüber zu
kommen, die meisten Marken realisieren für
ihre Modelle Transaktionspreise, die inklusive des Preises für Sonderausstattungen
unter dem Grundlistenpreis liegen – sie
werden der skizzierten Premiumlinie nicht
gerecht.
HORIZONT 38/2015
Das positive Konsumklima und das niedrige Zinsniveau haben einen immensen Einfluss
auf die Zahlungsart: Mehr als die Hälfte der Befragten wollen das nächste Auto
bar bezahlen. Ein ähnliches Niveau gab es zuletzt vor zehn Jahren. Die Umverteilung
geht zulasten der Finanzierung, der Anteil der Leasing-Interessierten stagniert. Unterschiede bei der bevorzugten Zahlungsart zeigen sich insbesondere nach Altersgruppen.
Gefragt sind wendige Strategen
Fähigkeiten, die Top-Führungskräfte in der Automobilindustrie haben sollten
Des Rätsels Lösung
Die Lösungen des Auto-Quiz auf Seite 102: 1b
Mercedes C300, 2a Audi A3, 3d BMW Z4, 4c
Peugeot 308, 5a Fiat 500X, 6d Mazda CX3, 7a
Škoda Octavia, 8b Seat Leon Cupra 290, 9a Suzuki
Vitara,10d Opel Meriva,11c Toyota Auris,12a VW
Golf, 13d Citroën C4 Picasso
13 Richtige: Hoppla, wer sind Sie denn – der
König der Rücklichter? Wir verneigen uns voller
Ehrfurcht, kommen aber nicht umhin, uns zu fragen, was Sie in Ihrer Freizeit so treiben.
10 bis 12 Richtige: Nicht schlecht. Sie sind im
Straßenverkehr aber wohl so schnell unterwegs,
dassSienichtalleRücklichterzusehenbekommen.
Treten Sie auch mal auf die Bremse, dann klappt es
beim nächsten Quiz noch besser.
6 bis 9 Richtige: Irgendjemand muss ja auch
Mittelmaß sein. Weil Übung aber bekanntlich den
Meister macht, empfehlen wir einen RechercheBesuch auf der IAA oder die erneute Lektüre unseres Reports.
3 bis 5 Richtige: Schade, das geht besser. Verzichten Sie im nächsten Stau auf „Ich sehe was,
was du nicht siehst“ und studieren Sie lieber die
Rücklichter Ihres Vordermanns.
0 bis 2 Richtige: Das war wohl nichts, Sie sind
scheinbar eher Fußgänger. Falls Sie bis zum nächsten Quiz ein bisschen üben möchten: Die Rücklichter befinden sich hinten am Auto …
in Prozent
83
strategische Agilität
74
Innovation fördern
69
Umgang mit Unsicherheit
63
andere begeistern
kulturelle Anpassungsfähigkeit
62
Mut
61
60
Kreativität
53
Lernagilität
50
Einfallsreichtum
Aufgaben delegieren
Quelle: Korn Ferry
40
HORIZONT 38/2015
Vier von fünf Topmanagern in der Automobilbranche sind überzeugt:
Strategische Wendigkeit ist die Kompetenz, die für künftige Spitzenkräfte
am wichtigsten ist. Das geht aus einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Korn Ferry hervor, das weltweit 52 Führungskräfte in
persönlichen Interviews befragt hat. Die Digitalisierung und Automatisierung, die Entwicklung neuer Antriebe, die Forderung nach Service-Mobilität, der Einstieg von IT-Firmen in die Autobranche – all dies ist innerhalb
weniger Jahre vonstatten gegangen. Künftige Manager von Autokonzernen können also nicht mehr lange im Voraus planen, sondern müssen
Veränderungen schnell erkennen und noch gezielter darauf reagieren.
Die 6. Auflage des Standardwerks
„Automobil-Marketing“ von
Willi Diez, Direktor des Instituts für Automobilwirtschaft
(IFA) an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt (HfWU) in
Nürtingen-Geislingen, behandelt die Grundlagen einer ganzheitlichen Marketingkonzeption. Vor dem Hintergrund der relevanten Trends zeigt Dietz zudem die wichtigsten Herausforderungen
und Handlungsfelder für das Automobilmarketing der Zukunft auf.

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