Untitled - Klinik SGM
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Untitled - Klinik SGM
3 G a s t kom m e n ta r Not lehrt beten Spiritualität gewinnt in der Medizin zunehmend an Bedeutung. Spiritual Care als neuer Therapieansatz etabliert sich auch ausserhalb der Palliativmedizin. Vor zwei Jahren wurde in München eine Professur für Spiritual Care eingerichtet, nun will auch Zürich einen solchen Lehrstuhl. Was ist von diesem «spirituellen Aufbruch» zu halten? Werden geistliche Aspekte in der Medizin wieder relevant? Unter Fachleuten klaffen die Meinungen weit auseinander. Für die einen ist es ein Abgleiten der Medizin in die Esoterik, für die anderen ein dringend notwendiger Schritt zu einer ganzheitlichen und kostengünstigeren Medizin. Professor Hell, ehemaliger Direktor und Chefarzt der psychiatrischen Universitätsklinik in Zürich, plädiert für eine spirituelle Öffnung in der Psychiatrie: «Die psychiatrische und psychotherapeutische Praxis kann sich dem Seelisch-Geistigen nicht entziehen, will sie die Hilfe suchenden Menschen wirklich ernst nehmen. Deshalb sollen die religiösen Weisen des Erlebens im therapeutischen Gespräch unbedingt ernst genommen werden und offen zur Sprache kommen können.» Eine ähnliche Überzeugung vertritt Professor Thierry Carrel, der bekannte Berner Herzchirurg und Klinikdirektor: «Die heilsame Wirkung spiritueller Handlungen ist heute aufgrund empirischer Untersuchungen kaum mehr zu bezweifeln.» «Not lehrt beten.» Jeder chirurgische Eingriff ist eine existentielle Bedrohung. Viele Patientinnen und Patienten suchen in schweren körperlichen oder seelischen Krankheitssituationen Halt im Glauben und besinnen sich auf ihre religiösen Wurzeln. Krankheit ist damit eine Chance, geistlich zu wachsen. Ein gesunder, in der Person verankerter Glaube ist eine echte Ressource in der Krankheitsbewältigung. Das belegt eine zunehmende Anzahl wissenschaftlicher Studien. Der Glaube vermittelt Halt, Wert und Sinn und damit Grundlagen für eine positive Lebensgestaltung. Der Glaube kann aber nicht nur Hilfe, sondern auch Belastung sein. Die Überzeugung, dass die Krankheit eine Strafe Gottes ist, kann den Krankheitsverlauf ungünstig beeinflussen. Solche Überzeugungen wird der Patient aber erst im vertrauensvollen Gespräch mit dem Arzt, den Pflegenden oder dem Seelsorger äussern. Die Klinik SGM in Langenthal verfolgt seit ihrer Eröffnung vor 25 Jahren ein Behandlungskonzept, das gemäss dem Leitsatz «Gott sandte sein Wort und machte sie gesund» (Psalm 107,20) auch Gottes Wirken mit einschliesst. Krankheit und Heilung werden im Sinne eines christlichen Menschenbildes als vielschichtiges Geschehen mit biologischen, psychologischen, sozialen und spirituellen Anteilen verstanden. Als psychosomatisch tätiger Arzt bin ich zunehmend davon überzeugt, dass der Einbezug der Spiritualität in die medizinische Behandlung einen echten Mehrwert darstellt und längerfristig zu besseren Ergebnissen führt. Biblisch Ein Lieblingsbibelwort von Monika Wagner, Sängerin und Solistin am Gospelproject 2012 (www.gospelproject.ch). «Denn die Berge mögen weichen und die Hügel wanken, aber meine Gnade wird nicht von dir weichen und mein Friedensbund nicht wanken, spricht der Herr, dein Erbarmer.» (Jesaja 54,10) «Ich darf gewiss sein, dass nichts und niemand mich von Gottes Liebe trennen kann, und dass seine Liebe ewig währt. Unser Alltag ist von Hektik geprägt. In unserer schnelllebigen Zeit ist nichts von langer Dauer. Wenn in meinen Gedanken ein ziemliches Durcheinander herrscht oder wenn scheinbar alles ausser Kontrolle gerät, ist diese Bibelstelle ein Anker für mich. Sie gibt mir die Gewissheit, dass Gottes Liebe und seine Gnade bestehen bleiben, selbst wenn Berge plötzlich verschwinden und Hügel zu wanken beginnen.» Wörtlich «Wir wissen nicht, ob die Entstehung des Universums bloss eine Zufallserscheinung ist. Wir wissen aber, dass man, wenn man sämtliche Energie des Universums zusammenrechnet, positive und negative, auf null kommt. Das heisst, das Universum könnte tatsächlich aus dem Nichts entstanden sein.» Der an der Universität Zürich tätige Astrophysiker Ben Moore äusserte seine Annahme über die Entstehung des Universums gegenüber der «Weltwoche». Die Bibel spricht auch vom Nichts: «Durch den Glauben erkennen wir, dass die Welt durch Gottes Wort geschaffen ist, sodass alles, was man sieht, aus nichts geworden ist.» (Hebräer 11,3) RENÉ HEFTI Chefarzt der Klinik SGM Langenthal (www.klinik-sgm.ch) und Leiter des Forschungsinstitutes für Spiritualität und Gesundheit (www.fisg.ch). Reklame idea Spektrum 47.2012 P30965_s3_idea_spektrum_2012.indd 1 Bilder: (Titelseite): Fotolia/Stephan Marrosch; zvg (Seite 3) 19.11.12 16:42 4 BR E N N P U N K T Nachdenken über Wissen, Technik, Geld und Geist Gesundheit Das Schweizer Gesundheitswesen ist in Bewegung. Manch einer erachtet die Grundversorgung gar als bedroht. In Langenthal diskutierten Experten neue Wege. Auch die spirituellen Bedürfnisse des Menschen seien ernst zu nehmen. Ist Spiritualität in der Medizin ein weiterer Luxus oder gar eine Notwendigkeit? «Mut zur Endlichkeit» fordert der Theologe Fulbert Steffensky in seinem gleich lautenden Buch. Es trägt den Untertitel «Sterben in einer Gesellschaft der Sieger». Steffensky rechnet mit der Hightech-Medizin ab. Aufgrund deren Medienwirksamkeit gerate der langwierige und aufwendige Pflegeprozess im palliativen Bereich und die Begleitung Sterbender aus dem Blickfeld der Gesellschaft. Der Autor meint sogar, dass die Hochleistungsmedizin – ist sie einmal in Gang gesetzt – ein Sterben in Würde unter Umständen verhindern könne. Entscheidungen unter Druck Wenn der Rega-Helikopter auf dem Dach des Inselspitals in Bern landet, geht es um Leben und Tod. Jetzt muss alles schnell gehen. Thierry Carrell, Direktor und Chefarzt der Herzchirurgie am Inselspital, schildert Abläufe aus der Spitalpraxis. Bei seinen Worten spürt man förmlich die Dramatik auf einer Notfallstation. Die Patienten kommen oft als Nummern – «Notfall 4», «Notfall 5» – die Zeit für die Aufnahme der Personalien fehlt. Keiner kennt den Zustand eines reanimierten Herzinfarktopfers. Wie gravierend sind die Schäden? Stoppen oder weitermachen? Die Verantwortlichen treffen ihre Entscheidungen innerhalb weniger Augenblicke. Wurde reanimiert? Was ist betroffen? Welcher Eingriff verspricht den besten Erfolg? Und schon liegt der Verunfallte im OP. Das Skalpell blitzt auf. Der erste Schnitt wird gesetzt. Die Ärzte handeln nach bestem Wissen und Können. Ist die Entscheidung einmal gefallen, gibt es kein Zurück mehr. Auf A folgt B und dann C. Ein Blick in die Intensivstation. Den Patienten sieht man kaum. Apparate verdecken die Sicht auf ihn. Maschinen ersetzen seine ausgefallenen Organe wie Herz, Lungen oder Nieren. Der Patient ist im Koma. Der Arzt weiss nicht, wie dessen Entwicklung verläuft. Die Geräte dienen als Bilder: Fotolia/S. Kobold; Klinik SGM P30965_s4_5_7_idea_spektrum_2012.indd 1 Erschütterungen durch Unfälle und Krankheiten werfen Fragen auf. Ein Patient braucht neben optimaler medizinischer Betreuung auch Zuwendung. Überbrückung. Was ist jetzt sinnvoll? Bekommt er einen technischen Herzersatz, kommt es zu einer Herzverpflanzung? Kehrt der Patient nach drei Wochen in die Realität zurück, hat er keine Ahnung, was mit ihm passiert ist und was man an seinem Körper gemacht hat. Er war ja wie jeden Morgen ins Büro gegangen. Dann der Zusammenbruch und von diesem Moment an weiss er nichts mehr. Die Ärzte müssen ihm erklären, dass sein Leben nie mehr wie früher sein wird. Die hochspezialisierte Medizin ist effizient, kostenintensiv und anspruchsvoll für alle – und sie ist nicht erst seit der TV-Serie «Dr. House» medienwirksam. Sie vermag seltenen Krankheiten zu begegnen und komplexe Behandlungen mit der Unterstützung modernster Technologie auszuführen. Doch hat es in dieser hochkonzentrierten, von Hightech dominierten Umgebung überhaupt Platz für die Dimension der Spiritualität? Professor Carrell: «Manchmal gibt es dafür Zeit, manchmal gar nicht.» Generell dominierten Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit das Gesundheitswesen. Spirituelle Aspekte würden zudem vom Krankenversicherungsgesetz nicht beachtet. Technik und Geist versöhnen Grosses Interesse: Gehört Spiritualität in den Bereich der Medizin? Carrell warnt vor zu hohen Erwartungen an die Medizin. Es gelte, die Endlichkeit zu akzeptieren. Er erstaunt mit der Nennung von Büchern, auf die er immer wieder einmal zurückgreife. Es sind Titel wie «Gott und das Leid», eine Auseinandersetzung mit der Theodizee oder auch das schon erwähnte, kritische Werk «Mut zur Endlichkeit». Damit müsse man sich auseinandersetzen, meint Thierry Carrell. Der hochdotierte Herzspezialist offenbart die Realität. «Vielleicht stirbt der Patient wegen eines technischen Versagens, vielleicht kurz vor der Organverpflanzung an einem Infekt oder ein halbes Jahr nach der Verpflanzung, weil idea Spektrum 47.2012 19.11.12 16:44 BR E N N P U N K T 5 Thierry Carrell: «Technik und Geist versöhnen.» Barbara Hochstrasser: «Den spirituellen Bezug verloren.» Werner Kübler: «Klare Werte helfen bei Entscheidungen.» Theresa Scherer: «Spiritualität ist ein Thema in der Ausbildung.» der Körper das neue Herz abstösst.» Man dürfe dem Patienten durchaus Hoffnung vermitteln, müsse ihm aber auch offen schildern, in welch ernster Situation er sich befinde. Und – gerade in einer solchen Situationen könne es einen Unterschied machen, in welchem Umfeld ein Patient lebe und ob er einen «starken Glauben» habe, der ihm helfe, sein Ergehen zu tragen. So Carrells Beobachtung. Menschen schöpften aus dem Glauben Kraft, und zwar vor und nach einer Operation. Studien zeigten auch, dass religiöse Menschen älter werden, rascher genesen und das Krankenhaus schneller verlassen. Es gelte, Technik und Geist zu versöhnen. Die Medizin müsse sich neu als soziale Praxis verstehen. Anlass zur Sorge. Die Grundversorgung ist bedroht. Es fehlt an Personal, während die Kosten und auch die Ansprüche steigen. Die SAMW skizziert fünf Faktoren, welche ihrer Meinung nach Gesundheitswesen unter Druck sprächstherapeut, ist der Gründer der Langenthaler Klinik SGM. Er erinnert an die 1980er Jahre. Damals hiess es in Ärztekreisen: «Wer an Gott glaubt, hat eine Psychose.» Er selbst stürzte damals auf zwei Ebenen in eine Krise: Einmal, weil er kaum Zeit fand für seine grosse Familie und zum anderen wegen der untragbaren Zustände im Krankenhaus. Dr. Blatter: «Die Patienten starben im Badezimmer. Es fehlte einfach an allem.» Die Not trieb den gläubigen Chirurgen ins Gebet. Er suchte nach von Gott inspirierten Lösungen, begann entsprechende Schriften zu verfassen, gründete einen Hauskreis für gestrandete Menschen und einen Gebetskreis fürs Pflegepersonal. Bis ihm das verboten wurde. Blatter eckte mit seinen Ideen an. Man drohte ihm mit Berufsverbot. Die Suche nach neuen Wegen führte schliesslich zur Gründung der «Stiftung für ganzheitliche Medizin» und 1987 zur Eröffnung der Klinik SGM. «In den 1970er und 1980er Jahren wurde in der Medizin die Psychosomatik noch weit geringer geachtet als heute. Mir fehlte der Einbezug des ganzen Menschen mit Leib, Seele und Geist», erzählt Kurt Blatter. Er habe nicht «nur Organe behandeln» wollen. Er wollte den Geist, die Spiritualität, in die Behandlung integrieren. Schon in den Zeiten seiner chirurgischen Tätigkeit sei es ihm wichtig gewesen, «vor jeder Operation still zu beten». Was Kurt Blatter vor 25 Jahren als Pionier in der Klinik SGM für Psychosomatik aufbaute, ist ein Ansatz, der heute unter dem Begriff der «Spiritual Care» breit diskutiert wird. Die Spitzenmedizin Fachveranstaltung Professor Carrell spricht im Rahmen einer Fachveranstaltung in der Klinik SGM Langenthal. Der Nachmittag steht unter dem Titel «Spiritualität in der Medizin – Luxus oder Notwendigkeit?». Der Anlass wurde von René Hefti, Chefarzt der Klinik SGM, im Rahmen des 25-jährigen Klinikjubiläums organisiert und geleitet. Im Publikum sitzen Fachpersonen aus Medizin, Psychologie, Theologie, Pflege und anderen Gesundheitsberufen, dazu Verwalter und interessierte Laien. Am gleichen Tag, an dem sich dieser interessierte Kreis in Langenthal zum Austausch trifft, erscheint in der Schweizerischen Ärztezeitung das Positionspapier «Nachhaltige Medizin». Die Schweizerische Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) schreibt darin: Das Gesundheitswesen der Schweiz gibt idea Spektrum 47.2012 P30965_s4_5_7_idea_spektrum_2012.indd 2 Das Gesundheitswesen ist in Bewegung. Die Budgets sind unter Druck. Die Ansprüche steigen. Jetzt ist es wichtig, neben der Machbarkeit und den Finanzen Die medizinische Versorgung kommt an ihre Belastungsgrenze. Weise Entscheidungen und visionäre Beiträge sind jetzt gefragt. die Nachhaltigkeit der Medizin infrage stellen: •Der Nutzen medizinischer Interventionen ist nicht immer vorhanden, oft wird er überschätzt bzw. falsch interpretiert. •Die Medizin weckt unrealistische Erwartungen – und ist auch mit solchen konfrontiert. •Die Ressourcen an Gesundheitsfachleuten sind nicht gesichert. •Die finanziellen Ressourcen des Gesundheitswesens sind nicht unbegrenzt. •Das Gesundheitswesen setzt oft falsche Anreize auch über ethische und geistige Fragen zu diskutieren. Noch immer können viele Mediziner mit Geistigem wenig anfangen. Sie wollen nicht wahrhaben, dass es vermehrt repräsentative Studien gibt, die zeigen, dass gläubige Menschen gesünder sind und Krankheiten besser bewältigen. Das die Wissenschaft prägende, materialistische Weltbild lässt aber keinen Spielraum für Transzendenz. Gott gilt als Erfindung der Schwachen, der Tod als Schlusspunkt des Lebens. Der Pionier Kurt Blatter, Chirurg und Ge- Jede Operation ist eine existentielle Bedrohung, jede Krankheit eine Kränkung für den Menschen. Werden in unseren Spitälern die geistlichen Bedürfnisse der Patienten wahrgenommen? Fortsetzung auf Seite 7 Bilder: idea/rh; Fotolia/Inna Felker 19.11.12 16:44 BR E N N P U N K T Fortsetzung von Seite 5 braucht Ergänzung und Begrenzung. Der Mensch in Krankheit und Not hat noch ganz andere Fragen und Bedürfnisse. Diese haben oft einen Bezug zu Religiosität und Spiritualität. Gefühl der Gottverlassenheit Barbara Hochstrasser ist Chefärztin in der Privatklinik Meiringen und betreut die Aussenstation auf dem Hasliberg. Das Haus ist bekannt für die Behandlung von depressiven und an Burnout oder Suchtmittelabhängigkeit leidenden Menschen. An der Tagung in bleme und Verzweiflung gehe. Eine schwere Depression sei verknüpft mit dem Verlust des spirituellen Bezugs – man kann nicht mehr beten, nicht mehr vertrauen: «Ein Gefühl der Unwürdigkeit und der Gottverlassenheit macht sich breit», so Dr. Hochstrasser. Somit sei eine geistliche, spirituelle Begleitung gefordert. Es gehe um die Grundfragen des Leben: «Wie kommt es, dass ich bin? Wer bin ich? Wo komme ich her? Wo gehe ich hin? Welchen Sinn macht das Leben?» Und dann verwies sie auf einen brisanten Aspekt: Krankheit als Chance zu spirituellem Wachstum. «Zum Beispiel dadurch, dass ich nach dem Wesen suche, dem ich mein Leben verdanke und mit dem ich in Beziehung stehe.» Heilung vollziehe sich durch die Erfahrung von Beziehung – zu sich selbst, zu Menschen und zum Göttlichen. Spiritualität in der Ausbildung Kurt Blatter: «Mir wurde mit dem Berufsverbot gedroht.» Langenthal erläuterte sie die verschiedenen spirituellen Aspekte bei psychischen Störungen. In einfachen Worten erklärte die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, dass es im Kern um Selbstentfremdung, Orientierungslosigkeit, Beziehungspro- Wenn geistliche Aspekte wichtig sind, sollten sie in der Ausbildung der Gesundheitsberufe integriert sein. Theresa Scherer von der Berner Fachhochschule für Gesundheit fragte in verschiedenen Fachbereichen ihrer Schule nach. Werden die Studierenden darauf vorbereit, das spirituelle Profil eines Patienten zu erkennen? Wie reagieren sie, wenn ein Patient um ein Gebet bittet? Die Antworten ergaben, dass Spiritualität durchaus thematisiert wird. Theresa Scherer erwähnte aber auch, dass die Auszubildenden ein ganz unterschiedliches Interesse am Thema zeigten, bis hin zur Ablehnung. Trotzdem erkannte die Hochschullehrerin Handlungsbedarf. Man wolle Klinik SGM Die Klinik SGM Langenthal ist eine anerkannte, christliche Fachklinik für Psychosomatik, Psychiatrie und Psychotherapie mit 36 Betten, 15 Plätzen in der Tagesklinik und ambulanten Behandlungsangeboten. In diesem Jahr feiert sie ihr 25-jähriges Bestehen. Die Einrichtung geht zurück auf die Initiative von Dr. med. Kurt Blatter. Er wollte eine Klinik betreiben, in der Leib, Seele und Geist in die Behandlung integriert werden. Seit dem 30. August 2012 ist idea Spektrum 47.2012 P30965_s4_5_7_idea_spektrum_2012.indd 3 Dr. med. René Hefti Chefarzt und ärztlicher Leiter. www.klinik-sgm.ch das Thema in Zukunft bewusster angehen. Reagieren auch andere Schweizer Ausbildungsstätten auf den wachsenden Bedarf an spirituellem Wissen im Bereich der Pflege? Werte und Entscheidungen Was sagt der Verwalter einer grossen Klinik zum Thema? Werner Kübler leitet seit fünf Jahren das Unispital Basel. Seine Glaubenshaltung bezeichnet er als «christlich-biblisch». Das kam auch zum Ausdruck, indem er seine Arbeitsethik und Mitarbeiterführung, seine Werte und seine Inspiration auf Aussagen der Bi- 7 Keine Fallpauschale integriert geistliche Aspekte. Für menschliche Zuwendung bleibt im Spital kaum Zeit. Wie soll es zur spirituellen Wende kommen, solange eine Gesellschaft den modernen Göttern namens «Wissenschaft» und «Geld» nachfolgt? Von Expertenseite antwortete Barbara Hochstrasser so, dass es eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung brauche und einen breiten Diskurs. Dazu Zeit und Menschen als Vorbilder. Welche Art von Spiritualität soll beachtet und gefördert werden, welche ist gesundheitsfördernd? Aus dem Publikum wurde auf Der Mensch in Krankheit und Not hat nicht nur medizinische Bedürfnisse. Seine Fragen nehmen auch Bezug zur Transzendenz. bel bezog. Kübler: «Um entscheiden zu können, brauche ich klare Werte und Inspiration.» Die medizinische Versorgung komme an ihre Belastungsgrenze. Die Finanzierung werde zum Spielball der Politik. Die Gesundheitsinstitutionen gerieten unter Druck. Jetzt seien weise Entscheidungen und visionäre Beiträge gefragt und dazu viel Ausdauer und Kraft. Da mache eine spirituell motivierte Denk- und Handlungsweise «den gewissen Unterschied aus». Kübler selbst findet Ruhe und Kraft im Bibellesen und Beten, im Gespräch mit Menschen. Welche Spiritualität? Ist Spiritualität mit Religiosität gleichzusetzen? Mit der Definition des eher neuen und unscharfen Begriffs der Spiritualität tat man sich schwer. Barbara Hochstrasser erklärte, damit sei die Grundeinstellung gegenüber der Transzendenz gemeint, die über dem einzelnen Menschen stehe. Spiritualität umfasse auch die Lebensführung und äussere sich in unterschiedlichen Formen. Werner Kübler meinte, Spiritualität bezeichne die Beziehung des Menschen zur Transzendenz, ohne diese weiter zu definieren, ob zum Göttlichen oder zum personalen Gott. Wir müssten mit diesem weit gefassten Begriff leben. Projekte in den USA verwiesen, in deren Rahmen Christen ehrenamtlich in Spitälern mithelfen. Aber da waren auch Stimmen, die wollten, dass Geistheiler angestellt würden. Kurt Blatter wiederum ist überzeugt, dass die Bibel das beste psychoanalytische Buch ist. So sei beispielsweise beim Burnout die Entschleunigung ein Thema, das von der Bibel aufgegriffen werde: «Ein gelassenes Herz ist des Leibes Leben». Die Diskussion ist angestossen Die Fachveranstaltung in der Klinik SGM in Langenthal stiess einen Themenbereich an, der noch lange nicht ausdiskutiert ist. Einig war man sich, dass die aktuellen Modelle nicht genügen. Die Diskussion zeigte aber auch auf, dass christlichen Fachkräften im Gesundheitswesen eine wichtige Bedeutung zukommt. Ihre Haltung vermag Menschen auf der geistlichen Ebene zu berühren. Und – Freiwilligenarbeit im Spital könnte schon bald aktuell werden. Sind Christen darauf vorbereitet? Menschen suchen die Transzendenz, der sie sich verdanken. «Wenn es still wird im Spital und im Gang die Lichter ausgehen, dann zünde ich manchmal eine Kerze an», verriet Professor Thierry Carrell. ROLF HÖNEISEN Bilder: idea/rh; Klinik SGM 19.11.12 16:44