2 K 152/15

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2 K 152/15
FINANZGERICHT HAMBURG
Az.: 2 K 152/15
Urteil des Senats vom 25.11.2015
Rechtskraft: Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, Az. des BFH: IV B 119/15
Normen: InsO § 38, InsO § 55, EStG § 5a Abs. 1, EStG § 5a Abs. 4, GewStG § 7
Leitsatz: 1. Die Gewerbesteuer, die nach dem Verkauf eines der
Tonnagebesteuerung unterliegenden Schiffes durch den Insolvenzverwalter entsteht,
ist Masseverbindlichkeit.
2. Der mit der Auflösung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2 EStG
entstehende Gewerbesteueranspruch ist nicht bereits vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens begründet worden, denn auch insoweit gilt, dass ein durch
Auflösung stiller Reserven entstandener Steueranspruch eine Masseverbindlichkeit
darstellt, wenn der in den Einkünften enthaltene Veräußerungserlös aus der
Verwertung von Vermögensgegenständen zur Masse gelangt. Dies gilt auch dann,
wenn durch die Veräußerung nach Insolvenzeröffnung stille Reserven realisiert
worden sind, die bereits vor Insolvenzeröffnung entstanden sind.
3. Die Feststellung des Unterschiedsbetrags dient lediglich der Sicherung des
zukünftigen Besteuerungsverfahrens und steht nicht einer Realisierung stiller
Reserven gleich.
Überschrift:
Gewerbesteuer,
Insolvenzordnung:
Abgrenzung
von
Masseverbindlichkeit
und
Insolvenzforderung,
hier
Auflösung
des
Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die Geltendmachung einer Gewerbesteuerforderung,
soweit sie ihre Grundlage in der Auflösung des Unterschiedsbetrags gemäß § 5a
Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hat, als Masseverbindlichkeit.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A … GmbH & Co. KG (im
Folgenden Insolvenzschuldnerin). Bei der Insolvenzschuldnerin handelt es sich um
eine sogenannte Ein-Schiffs-Gesellschaft, deren Unternehmensgegenstand im
Erwerb und Betrieb des am … 2006 erworbenen Containerschiffes MS „BB“ im
internationalen Seeverkehr sowie aller damit im Zusammenhang stehender
Geschäfte bestand.
Seit dem 01.01.2007 ermittelte die Insolvenzschuldnerin ihren Gewinn im Wege der
pauschalen Gewinnermittlung nach § 5a EStG (Tonnagebesteuerung). Aus diesem
Grund stellte der Beklagte mit zuletzt am 16.09.2013 geändertem Bescheid auf den
31.12.2006 gemäß § 5a Abs. 4 EStG den Unterschiedsbetrag zwischen Buchwert
und Teilwert für das Handelsschiff in Höhe von … € und für zwei
Fremdwährungsverbindlichkeiten in Höhe von … € und … € gesondert und
einheitlich fest.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 23.01.2013 wurde über das
Vermögen der Insolvenzschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger
zum Insolvenzverwalter ernannt.
Am …08.2013 verkaufte der Kläger das Containerschiff MS „BB“.
Nachdem der Kläger keine Steuererklärungen für 2013 eingereicht hatte, schätzte
der Beklagte mit Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag vom 11.08.2014 die
Besteuerungsgrundlagen und setzte mit Änderungsbescheid vom 06.02.2015 den
Gewerbesteuermessbetrag unter Hinzurechnung eines Unterschiedsbetrages in
Höhe von … € auf … € fest.
Der Kläger hatte bereits am 15.09.2014 (Montag) fristgemäß gegen den
ursprünglichen Gewerbesteuermessbescheid Einspruch eingelegt, den der Beklagte
mit Einspruchsentscheidung vom 01.06.2015 als unbegründet zurückwies.
Am Montag, den 06.07.2015 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung führt er
aus, dass der Gewerbesteuermessbescheid rechtswidrig sei, denn der aus der
Auflösung des Unterschiedsbetrags resultierende Gewerbesteueranspruch sei keine
Masseverbindlichkeit. Die auf der Grundlage des Gewerbesteuermessbetrags
festgesetzte Gewerbesteuer sei bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens
rechtlich begründet gewesen. Die Auflösung des Unterschiedsbetrags führe zu einer
Besteuerung von stillen Reserven, die sich vor dem Übergang zur Gewinnermittlung
nach der Tonnage angesammelt hätten und anlässlich des Wechsels der
Gewinnermittlungsart festgestellt worden seien. Der Tatbestand für die Begründung
des Gewerbesteueranspruchs sei damit bereits vollständig verwirklicht, nur die
Versteuerung werde auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Die im Zusammenhang mit der Aufdeckung von stillen Reserven ergangene
höchstrichterliche Rechtsprechung könne nicht ohne weiteres auf die hier streitige
Rechtsfrage übertragen werden, da sie nicht auf die mit der Tonnagebesteuerung
verbundenen Besonderheiten eingehe. In den auch vom Beklagten zitierten
Entscheidungen könnten die stillen Reserven lediglich auf der Grundlage der
Handelsbilanz ermittelt werden und seien nicht – wie hier - gesondert und einheitlich
festgestellt. Im Streitfall seien die stillen Reserven mit der Feststellung des
Unterschiedsbetrags vielmehr zu einem Zeitpunkt erfasst worden, der vor Eröffnung
des Insolvenzverfahrens liege, so dass die Besteuerung der stillen Reserven bereits
mit der Feststellung des Unterschiedsbetrags und dem Wechsel der
Gewinnermittlung nach § 5a EStG im Sinne des § 38 der Insolvenzordnung (InsO)
begründet worden sei. Die Feststellung der stillen Reserven erfolge mit dem Wechsel
der Gewinnermittlungsart, es bleibe lediglich der Zeitpunkt der Besteuerung der
stillen Reserven ungewiss, der jedoch für die Qualifikation als Insolvenzforderung
nicht maßgeblich sei. Dass die steuerliche Entstehung des Gewerbesteueranspruchs
auf den Unterschiedsbetrag gemäß § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 1 bis 3 EStG zeitlich
verschoben werde, könne nicht zu einer abweichenden Beurteilung dieses
Anspruchs als Insolvenzforderung führen. Die Entstehung des steuerlichen
Anspruchs sei für die Begründung einer Insolvenzforderung unbeachtlich. Die mit
dem Wechsel der Gewinnermittlungsart verbundene Feststellung des
Unterschiedsbetrages sei mit dem Verkauf des Schiffes vergleichbar, da in beiden
Fällen stille Reserven aufgedeckt würden, so dass der Gesetzgeber deren
Besteuerung auch im Zeitpunkt der Feststellung des Unterschiedsbetrages hätte
vornehmen können.
Aus der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 13.12.2007 (IV R 92/05)
werde zudem deutlich, dass die Feststellung des Unterschiedsbetrags bereits zur
Gewinnrealisation führe, da nach der gesetzlichen Regelung feststehe, dass der
Unterschiedsbetrag dem Gewinn hinzuzurechnen sei und es auf die Absichten des
Steuerpflichtigen nicht mehr ankomme. Die Hinzurechnung erfolge in jedem Fall,
lediglich der Zeitpunkt der Versteuerung werde verschoben. Mit der Feststellung des
Unterschiedsbetrags sei der Gewerbesteueranspruch dem Grunde und der Höhe
nach konkretisiert. Auf Grund der in § 5a Abs. 4 S. 3 EStG abschließend normierten
Tatbestandsalternativen sei auch der Zeitraum bestimmbar.
Im insolvenzrechtlichen Schrifttum werde überwiegend die Meinung vertreten, dass
Steueransprüche aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern als Insolvenzforderung
zur Tabelle anzumelden seien, soweit die aufgedeckten stillen Reserven vor
Insolvenzeröffnung
angesammelt
und
begründet
worden
seien.
Der
Gewerbesteueranspruch auf den Unterschiedsbetrag sei daher Insolvenzforderung,
auch wenn der Steueranspruch erst aufgrund des Verkaufs des Schiffes entstanden
sei. Die zeitliche Verlagerung der Besteuerung führe nicht dazu, dass der
Steueranspruch, der aus der Aufdeckung der stillen Reserven resultiere, eine
Masseverbindlichkeit darstelle, denn für die insolvenzrechtliche Einordnung sei eine
steuerrechtliche Betrachtungsweise gerade nicht maßgebend.
Die rechtliche Einordnung des Gewerbesteueranspruchs auf den Unterschiedsbetrag
als Insolvenzforderung ergebe sich zudem aus der Tatsache, dass eine
korrespondierende handelsrechtliche Gewerbesteuerrückstellung ebenfalls als
Insolvenzforderung einzuordnen wäre. Die Bildung einer handelsrechtlichen
Gewerbesteuerrückstellung auf den Unterschiedsbetrag sei zwingend geboten und in
der Überschuldungsbilanz zu berücksichtigen, denn Rückstellungen seien in der
Überschuldungsbilanz zu passivieren, wenn eine Inanspruchnahme tatsächlich
drohe. Da die Passivierung der Gewerbesteuerrückstellung bereits zur
Überschuldung der Gesellschaft und damit zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens
führe, sei es nur konsequent, wenn die aus der Rückstellung resultierende Forderung
als Insolvenzforderung qualifiziert werde. Sowohl die Erstellung der
Überschuldungsbilanz als auch die Qualifikation als Insolvenzforderung bestimme
sich nach den insolvenzrechtlichen Vorschriften, so dass auch an die
insolvenzrechtliche
Begründung
des
Gewerbesteueranspruchs
keine
unterschiedlichen Maßstäbe gestellt werden dürften.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid für 2013 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 06.02.2015 und
die Einspruchsentscheidung vom 01.06.2015 dahingehend zu ändern, dass der
Gewerbesteuermessbetrag auf 0 € festgesetzt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der
Beklagte
vertritt
die
Auffassung,
dass
der
angefochtene
Gewerbesteuermessbescheid rechtmäßig sei. Er stützt seine Rechtsauffassung auf
die Rechtsprechung des BFH, wonach für die Einordnung eines Steueranspruchs als
Masseverbindlichkeit allein auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des gesetzlichen
Besteuerungstatbestandes abzustellen und der Zeitpunkt der Entstehung der stillen
Reserven irrelevant sei. Mit den im Schrifttum dagegen geäußerten Bedenken habe
der BFH sich bereits auseinander gesetzt und diesen Überlegungen eine klare
Absage erteilt.
Diese höchstrichterliche Rechtsprechung sei auch auf den vorliegenden Sachverhalt
übertragbar, da es sich bei dem Unterschiedsbetrag nach § 5a Abs. 4 EStG gerade
um stille Reserven handle. Das reine Halten von stillen Reserven erfülle kein
Besteuerungsmerkmale. Folglich könne auch nicht von einem – wie auch immer
gearteten – begründeten Vermögensanspruch im Sinne des § 38 InsO gesprochen
werden. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Urteil des BFH vom 13.12.2007, da
es auf den „Grund der Entstehung“ der stillen Reserven nicht ankomme.
Entscheidend sei der Zeitpunkt der Gewinnrealisation.
Die Rückschlüsse des Klägers aus einer seiner Auffassung nach zu bildenden
handelsrechtlichen Gewerbesteuerrückstellung seien nicht nachvollziehbar. Die
Abgrenzungskriterien für das Vorliegen einer Insolvenzforderung oder einer
Masseverbindlichkeit seien den §§ 38, 55 InsO zu entnehmen, nicht jedoch
handelsrechtlichen Buchführungsvorschriften. Zudem teile er nicht die Auffassung
des Klägers, dass die Bildung einer Gewerbesteuerrückstellung auf den
Unterschiedsbetrag zulässig sei. Im Streitfall fehle es an einer hinreichenden
Konkretisierung der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung; insbesondere sei es im
Zeitpunkt der Bildung des Unterschiedsbetrages völlig offen, ob es bei der weiteren
Gewinnermittlung überhaupt zu einer Gewerbesteuerzahlung komme. Denkbar sei
insoweit auch, dass der Unterschiedsbetrag über die Jahre „abgeschmolzen“ werde.
Die Entstehung der Steuerverbindlichkeit hänge vielmehr von der zukünftigen
tatsächlichen Entwicklung ab.
Dem Gericht haben die Sachakten des Beklagten zu den Steuernummern -1 sowie 2 vorgelegen.
Entscheidungsgründe:
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist die einmonatige Klagefrist gemäß § 47 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) eingehalten worden. Die Einspruchsentscheidung vom
01.06.2015 gilt gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) am 04.06.2015
als bekannt gegeben, so dass die Klagefrist gemäß § 54 Abs. 2 FGO, § 222 der
Zivilprozessordnung (ZPO) in Verbindung mit § 188 Abs. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) am Montag, den 06.07.2015 ablief.
II.
Die Klage hat jedoch keinen Erfolg. Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid
ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Der Beklagte hat rechtsfehlerfrei den aus der Auflösung des Unterschiedsbetrags
resultierenden Gewinn in die Ermittlung des Gewerbeertrags einbezogen und auf
dieser Grundlage den Gewerbesteuermessbetrag errechnet, denn bei der danach zu
ermittelnden Gewerbesteuer handelt es sich um eine Masseverbindlichkeit im Sinne
von § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
1. Sonstige Masseverbindlichkeiten i. S. des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind unter
anderem Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters oder in
anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse
begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören.
Insbesondere wegen der Art und Weise ihrer Geltendmachung und ihrer
Anspruchsbefriedigung sind diese von den Insolvenzforderungen (§§ 35 Abs. 1, 38,
87, 174 ff., 187 ff. InsO) abzugrenzen. Insolvenzforderungen sind nach § 38 InsO
solche Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet
waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten
richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung.
Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es
dagegen nicht an (ständige Rechtsprechung, BFH-Urteile vom 09.12.2014 X R
12/12, BFH/NV 2015, 988; vom 16.05.2013 IV R 23/11, BStBl II 2013, 759; vom
18.05.2010 X R 60/08, BStBl II 2011, 429; vom 16.11.2004 VII R 75/03, BStBl II
2006, 193).
Entscheidend ist nach der Rechtsprechung des BFH, wann der Rechtsgrund für den
Anspruch gelegt wurde (BFH-Beschlüsse vom 18.12.2014 X B 89/14, BFH/NV 2015,
470; vom 01.04.2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925, jeweils m. w. N.; BGHBeschluss vom 12.01.2006 IX ZB 239/04, NJW 2006, 1127). Der Rechtsgrund für
einen (abstrakten) Steueranspruch ist gelegt, wenn der gesetzliche
Besteuerungstatbestand verwirklicht wird. Ob und wann ein Besteuerungstatbestand
nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich
begründet ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des
Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen (ständige
Rechtsprechung des BFH, z. B. Urteil vom 16.11.2004, VII R 75/03, BStBl II 2006,
193; vom 29.08.2007 IX R 4/07, BStBl II 2010, 145, m. w. N.; vom 29.01.2009 V R
64/07, BStBl II 2009, 682; Beschluss vom 18.12.2014 X B 89/14, BFH/NV 2015,
470).
Hinsichtlich der Einkommensteuer kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung
der
Steuerforderung
darauf
an,
ob
der
einzelne
(unselbständige)
Besteuerungstatbestand - insbesondere die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG - vor
oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde (BFH, Urteil vom 16.05.2013 IV R
23/11, BStBl II 2013, 759 m. w. N.). Wann dies der Fall ist, hängt auch von der Art
der Gewinnermittlung ab (BFH, Urteil vom 09.12.2014 X R 12/12, NFH/NV 2015,
988). Ein durch Auflösung stiller Reserven entstandener Steueranspruch stellt eine
Masseverbindlichkeit dar, wenn der in den Einkünften enthaltene Veräußerungserlös
aus der Verwertung von Vermögensgegenständen zur Masse gelangt ist. Dies gilt
auch dann, wenn durch die Veräußerung nach Insolvenzeröffnung stille Reserven
realisiert worden sind, die bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden
sind (BFH, Urteil vom 29.03.1984, IV R 271/83, BStBl II 1984, 602). An dieser bereits
zur Konkursordnung ergangen Rechtsprechung hat der BFH entgegen der im
insolvenzrechtlichen Schrifttum vorgebrachten Kritik weiterhin festgehalten (vgl. BFH,
Urteil vom 16.05.2013, IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759). Für die Erfüllung des
Besteuerungstatbestandes komme es nicht auf die Entstehung des Wertzuwachses
an. Vielmehr unterliege der Wertzuwachs erst dann der Besteuerung, wenn es durch
einen steuerauslösenden Tatbestand zur Gewinnrealisierung komme. Trennlinie
zwischen sonstigen Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen sei, ob der
Rechtsgrund der Entstehung der Forderung im Augenblick vor Verfahrenseröffnung
bereits gelegt gewesen sei. Das sei dann der Fall, wenn der anspruchsbegründende
Tatbestand vor Verfahrenseröffnung materiell abgeschlossen gewesen sei (BFHUrteil vom 16.05.2013, IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759).
Dieser zur Einkommensteuer ergangenen Rechtsprechung schließt sich der Senat
auch für den Streitfall an. Insbesondere hat der Kläger keine neuen Gesichtspunkte
vorgetragen, die ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung nahelegen.
Insoweit ergeben sich aus der von dem Kläger für die abweichende Auffassung
angeführte Literatur keine neuen Gesichtspunkte. Zwar ist der im Insolvenzrecht
angelegte Gedanke nachvollziehbar, dass bereits vor der Insolvenzeröffnung
entstandene stille Reserven das Vermögen vermehrt haben und damit bei Eröffnung
des Insolvenzverfahrens grundsätzlich zur Deckung der Insolvenzforderungen zur
Verfügung stehen (vgl. Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 8. Aufl. 2014, S. 153
ff.). Dennoch ist maßgebend für die Zuordnung des Steueranspruch als
Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung, ob der Rechtsgrund der Entstehung
der Forderung bei Verfahrenseröffnung bereits gelegt war (vgl. BFH-Urteil vom
16.05.2013, IV R 23/11, BStBl. II 2013, 759). Für einen Steueranspruch ist der
Rechtsgrund gelegt, wenn der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht ist,
der im vorliegenden Fall die Veräußerung des Wirtschaftsgutes und damit die
Aufdeckung der stillen Reserven erfordert. Auch wenn in der Nicht-Besteuerung der
stillen Reserven bis zu einem Realisationstatbestand eine Art Kreditierung des
Steuerpflichtigen gesehen werden mag (vgl. Roth, Aufdeckung stiller Reserven im
Insolvenzverfahren, FR 2014, 441), so ist der Fiskus in seiner rechtlichen Stellung
nicht mit anderen Gläubigern vergleichbar, die einem Insolvenzschuldner über Jahre
hinweg Darlehen gewährt haben. Denn nach den steuerrechtlichen Grundsätzen
entsteht der Steueranspruch des Fiskus erst durch einen Realisationstatbestand. Ob
und in welcher Höhe ein Steueranspruch hinsichtlich der im Vermögen
angesammelten stillen Reserven entstehen wird, ist bis zur Verwirklichung des
Besteuerungstatbestands offen. Dem entsprechend hat der Fiskus – anders als
andere Gläubiger - keine Möglichkeit, seinen Anspruch früher geltend zu machen
oder zu besichern.
2. Diese Grundsätze sind auf die Gewerbesteuer übertragbar, denn der
Gewerbeertrag im Sinne von § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) als
Ausgangspunkt für die Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages beruht auf dem
Gewinn aus Gewerbebetrieb im Sinne von § 15 EStG und mithin ebenso auf der
Verwirklichung der einzelnen, unselbständigen Besteuerungstatbestände nach der
jeweiligen Gewinnermittlungsart (vgl. Knof/Sinz in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14.
Auflage 2015, § 38 Rn. 91).
Nach Maßgabe dieser Rechtsprechung hat der Beklagte die auf der Auflösung des
Unterschiedsbetrages
resultierende
Gewerbesteuer
zutreffend
als
Masseverbindlichkeit
qualifiziert
und
dem
entsprechend
den
Gewerbesteuermessbetrag festgesetzt.
Als Gewerbeertrag, der Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist, gilt auch
der gemäß § 5a EStG ermittelte Gewinn (§ 7 S. 3 GewStG). Neben dem zwischen
den Beteiligten unstreitig entstandenen Gewinn nach § 5a Abs. 1 EStG ist diesem
der Unterschiedsbetrag gemäß § 5a Abs. 4 S. 3 EStG hinzurechnen. Nach § 5a
Abs. 4 EStG ist zum Schluss des Wirtschaftsjahres, das der erstmaligen Anwendung
des Absatzes 1 vorangeht, für jedes Wirtschaftsjahr das unmittelbar dem Betrieb von
Handelsschiffen im internationalen Verkehr dient, der Unterschiedsbetrag zwischen
Buchwert und Teilwert in ein besonderes Verzeichnis aufzunehmen und gesondert
festzustellen. Der Unterschiedsbetrag ist nach § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2 EStG in dem
Jahr, in dem das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausscheidet oder in dem
es nicht mehr unmittelbar dem Betrieb vom Handelsschiffen im internationalen
Verkehr dient, dem Gewinn hinzuzurechnen.
Die Voraussetzungen dieses Besteuerungstatbestandes sind erst nach
Insolvenzeröffnung verwirklicht worden. Denn erst am ...08.2013 ist das
Handelsschiff durch den Kläger verkauft und damit das Ausscheiden aus dem
Betriebsvermögen bewirkt worden. Der Verkaufserlös, auch soweit er auf der
Realisation stiller Reserven beruht, ist zur Masse gelangt, so dass der entstandene
Steueranspruch eine Masseverbindlichkeit darstellt.
3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der mit der Auflösung des
Unterschiedsbetrags entstehende Gewerbesteueranspruch nicht bereits vor
Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet gewesen. Die Feststellung des
Unterschiedsbetrages auf den 31.12.2006 begründet noch keinen Steueranspruch,
der lediglich durch § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 2 EStG auf einen späteren Zeitpunkt
verschoben wird.
Die Besonderheiten der Gewinnermittlung nach § 5a EStG rechtfertigen nicht eine
insolvenzrechtlich abweichende Behandlung der vor dem Wechsel der
Gewinnermittlungsart entstandenen und im Unterschiedsbetrag festgestellten stillen
Reserven. Abweichend von der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG oder § 4
Abs. 3 EStG regelt § 5a Abs. 4 EStG, dass die stillen Reserven auf den Zeitpunkt
des Wechsels der Gewinnermittlungsart gesondert festgestellt werden. Zweck dieser
Regelung ist es, diejenigen stillen Reserven, die sich vor dem Übergang zur
Tonnagebesteuerung angesammelt haben, festzuhalten, um deren spätere
Besteuerung sicherzustellen. Hintergrund ist, dass die Gewinnermittlung nach § 5a
EStG pauschal erfolgt und die Aufdeckung von stillen Reserven keine Auswirkung
auf die Besteuerung haben würde. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen jedoch
stille Reserven, die außerhalb des Zeitraums der Tonnagebesteuerung und damit vor
der begünstigen Besteuerung angesammelt worden sind, weiterhin der Besteuerung
unterliegen, zumal sie regelmäßig mit im selben Zeitraum entstandenen und
festgestellten
Verlusten
korrelieren.
Die
gesonderte
Feststellung
des
Unterschiedsbetrages stellt lediglich die verfahrensmäßige Erfassung des
Wertzuwachses dar, weil sich die Höhe der vor dem Wechsel der
Gewinnermittlungsart vorhandenen stillen Reserven nachträglich nur noch schwer
ermitteln lässt. § 5a Abs. 4 S. 1 und 2 EStG dient damit lediglich der Sicherung des
zukünftigen Besteuerungsverfahrens, ist jedoch nicht mit einer Realisierung der
stillen Reserven gleichzustellen. Allein mit der Feststellung des Unterschiedsbetrags
ist der Rechtsgrund für den Steueranspruch noch nicht erfüllt. Hierfür bedarf es
weiterer Handlungen, die zur tatsächlichen Aufdeckung der stillen Reserven führen,
wie in § 5a Abs. 4 S. 3 Nr. 1 bis 3 EStG festgelegt.
Insoweit unterscheidet sich die Besteuerung der durch Unterschiedsbetrag
festgestellten stillen Reserven nicht von anderen Tatbeständen, mit denen stille
Reserven besteuert werden, auch soweit der Wertzuwachs vor Insolvenzeröffnung
entstanden ist. Allein der Umstand des „Einfrierens“ der stillen Reserven anlässlich
des Wechsels der Gewinnermittlungsart (vgl. BFH-Urteil vom 13.12.2007 IV R 92/05,
BStBl II 2008, 583) begründet nicht den Steueranspruch im insolvenzrechtlichen
Sinne, wenn der Zeitpunkt der Erfüllung eines Besteuerungstatbestands noch völlig
ungewiss ist. Dieser Sachverhalt ändert sich auch nicht dadurch, dass auf Grund der
Besonderheiten der Tonnagebesteuerung der festgestellte Unterschiedsbetrag nach
§ 5a Abs. 4 EStG grundsätzlich durch Hinzurechnung einer Besteuerung unterworfen
werden soll. Ob und in welcher Höhe ein Steueranspruch im Zeitpunkt der
Verwirklichung des Besteuerungstatbestands tatsächlich entsteht, steht bei
Feststellung des Unterschiedsbetrags noch nicht fest.
Es kann letztlich dahinstehen, ob tatsächlich handelsrechtlich
Gewerbesteuerrückstellung auf den Unterschiedsbetrag zu bilden wäre.
eine
Für die Frage, ob eine Masseverbindlichkeit oder eine Insolvenzforderung vorliegt,
kann der Bildung einer Rückstellung gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 des
Handelsgesetzbuches (HGB) keine Bedeutung zukommen, denn diese Abgrenzung
ist auf der Grundlage von §§ 38 und 55 InsO vorzunehmen.
Im Übrigen bestehen keine Anhaltspunkte, dass die Höhe des ermittelten
Gewerbeertrags und damit der Gewerbesteuermessbetrag fehlerhaft sein könnte.
Auch der Kläger hat hiergegen keine Einwände erhoben.
4. Der Kläger hat gemäß § 135 Abs. 1 FGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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