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Fight & Fitness
Fight & Fitness
Bereite dich auf
deinen
Kampf
vor!
TEIL II
Zunächst sollte man sich darüber im Klaren sein, dass
die körperliche Auseinandersetzung - also der Kampf insgesamt einen ziemlich kleinen Anteil hat. Nicht selten
behaupten Kämpfer, dass die Vorbereitung auf den Kampf
und der Weg zum Käfig oder Ring die anstrengendste
Phase darstellt. Letztendlich sind sie froh, wenn die
Ringglocke erklingt und der Kampf endlich beginnt. Ich
teile diese Meinung, denn das bestätigt immer wieder
meine Philosophie, welche sich wie ein roter Faden durch
mein komplettes Training zieht. Der eigentliche Kampf
findet im Kopf statt und der gefährlichste Gegner ist nicht
etwa mein Kontrahent im Ring, sondern ich selbst. Ob
man sich auf einen Kampf vorbereitet, einen Triathlon im
Auge hat oder an einem Golfturnier teilnehme möchte
- alles läuft zunächst nach einem ähnlichen Schema ab.
„Tag X“ rückt unweigerlich näher. An diesem Tag muss
man seine Höchstleistung auf Kommando abrufen.
Die Zeit, die einem bis zu diesem Tag bleibt, sollte man
effizient nutzen, um sich so gut wie möglich auf das
bevorstehende Ereignis vorzubereiten. Ich möchte an
dieser Stelle nochmals erwähnen, dass auch Sportler,
welche nur ins Fitnessstudio gehen und an keinem
Wettkampf teilnehmen, sich unbedingt Ziele setzen
sollten. „Sich seinen eigenen Tag X machen“ heißt die
Devise, sonst weiß man irgendwann selbst nicht mehr,
für was man sich die ganze Mühe eigentlich macht.
Zurück zum Thema:
Unser größter Gegner lebt in unserem Kopf und ist immer
allgegenwärtig. Zudem hat dieser den Vorteil, dich und
deine Gewohnheiten besser zu kennen als du es dir
bewusst bist. In den wichtigen Fragen - beispielsweise
„Was werde ich heute essen?“, „Soll ich heute überhaupt
ins Training?“ oder „Soll ich nicht besser gleich aufgeben?“,
wird dieser Teil in uns immer ein Wörtchen mitreden
wollen. Dieser Geist, der in jedem von uns lebt, ist schon
seit Jahrtausenden in asiatischen Kampfkünsten bekannt
– man schätzt und fürchtet sogleich seine Kraft. Erst, wenn
man seine komplette Aufmerksamkeit auf sich selbst lenkt
und anfängt, sich zu beobachten, wird man diesen Teil in
sich bemerken und entsprechend erziehen können. Es wird
allerdings nie möglich sein, ihn komplett auszulöschen.
Stattdessen sollte man versuchen, ihn zu bändigen und
sich ihn als Freund zu machen. Es ist ein langer Kampf, der
damit beginnt, seine persönlichen, positiven Attribute zu
stärken. Jeder wird sich bei diesem Kampf sich selbst stellen
müssen und zum Schluss wird die Frage aufkommen, wer
man eigentlich ist und was man darstellt. Es hat schon
seinen berechtigten Grund, warum die Mehrheit aller
Profisportler einen mentalen Trainer zu Rate zieht.
Hier die wichtigsten Aspekte im Leben, um gefestigt
jedem Kampf gegenüberstehen zu können:
Franco „Ortega“
De Leonardis
Ortega kämpfte selbst über
zehn Jahre als internationaler
MMA -Kämpfer in Ländern wie
z.B. Brasilien, USA, England,
Schweden oder Holland. Er war
unter anderem 2facher
Europameister im Grappling,
sowie Leichtgewichtsweltmeister im MMA (Shidokan
Japan). Seit ca. fünf Jahren
betreut er international
erfolgreiche MMA-Profikampfsportler beim
funktionalen Krafttraining und
in Ernährungsfragen. Aktuell ist
Franco Teil des „Dimitrenko
Athletic Teams“, welches den
Profiboxer Alexander
Dimitrenko in seinem
Trainingscamp in der Arena in
Aschaffenburg trainiert. Wie nur
sehr wenige Personen, besitzt
Ortega den Schwarzen Gürtel im
brasilianischen Jiujitsu von
Gracie Barra. Die Famile Gracie
gilt als Erfinder der „Ultimate
Fighting Championships“ (UFC),
welche 1993 von ihnen in den
USA gegründet wurde.
W
enn sein Körper mitspielt, wird ein professioneller MMA
(„Mixed Martial Arts“) Kämpfer im Laufe seines Lebens
durchschnittlich ungefähr 30 Profikämpfe bestreiten
können. Ein MMA-Kampf ist natürlich nicht jedermanns Sache
und so wird sich nur eine „bestimmte Art Mensch“ diesem
Wettkampf widmen.
Der Wettkampf ist allerdings nur die „Spitze des Eisberges“
- den größten Teil machen das Training und die mentale
Vorbereitung aus. Das MMA Training ist eine hervorragende
Möglichkeit, um sich fit zu halten. Doch welchen Nutzen kann
man persönlich ziehen, wenn man sich mit dem Thema MMA
beschäftigt?
Von Franco de Leonardis
Disziplin
Motivation
Disziplin ist notwendig, um seine zuvor selbst
gestrickten Regeln einzuhalten. Oftmals steht man
in seinem Leben vor der Wahl zwischen „Gut“ und
„Böse“. Natürlich fällt es einem schwerer - anstatt
abends mit Freunden wegzugehen - früher ins Bett
zu steigen, damit man am nächsten Tag fitter für das
Training ist. Auch kann es anstrengend sein, selbst
zu kochen, anstatt unkompliziert und schnell essen
zu gehen. Überall, wo die Willenskraft getestet wird,
kommt auch die Disziplin mit ins Spiel. Sie sollte
nicht als Zwang gesehen werden, sondern als eigene,
feste Überzeugung. Sie schaltet sich bei tückischen
Entscheidungen automatisch ein. Natürlich ist es
auch grundlegend besser, früher schlafen zu gehen
und selbst gekochtes Essen zu sich zu nehmen. Die
eigene Logik steht der Disziplin stets zur Seite.
Eine gute Motivation ist ein sehr guter Antrieb
für das Training. Ob Wettkampf oder Training in
Eigenregie - es kann durchaus auch sein, dass sich
neue Trainingsklamotten oder ein Pulsmesser
motivierend auf das Training auswirken können.
Die beste Motivation bleibt aber ein gutes
Trainingsumfeld, welches man sehnsüchtig vermisst,
wenn man mal nicht dort sein kann. Jede materielle
Form der Motivation kostet erstens Geld, wird
zweitens bald verblassen und außerdem nach einer
gewissen Zeit seinen Reiz verlieren. Danach muss
wieder ein neuer Motivator her. Ein angepasstes,
mitwachsendes und ständig erweiterndes
Trainingssystem ist das, was einen motivieren sollte.
⁃
Konzentration
Ob man vor dem besagten „Tag X“ alle möglichen
Gefühlsschwankungen durchlebt oder
im
Kampf einen harten Treffer kassiert – durch geübte
Konzentration auf das Wesentliche wird man immer
wieder auf eine gefestigte Ebene zurückgeholt. Keine
äußeren oder inneren Einflüsse sollten einen von
seinem Ziel abbringen. Stattdessen ist es wichtig, das
fokussierte Ziel bis zum Ende zu verfolgen. Im Klartext:
kein Gefühl, Stress, Lärm oder Schmerz dieser Welt sollte
einen von dem ablenken, was man erreichen möchte.
Aufmerksamkeit und Achtsamkeit
Die Aufmerksamkeit ist eines der wichtigsten Attribute,
die man zur Verfügung hat. Wurde sie erst einmal
gezielt auf etwas gelenkt, wird sie sich nicht mehr so
schnell von dieser Sache abbringen lassen. Hat man sich
beispielsweise ein neues Auto gekauft, fängt man plötzlich
an zu bemerken, wie viele Autos des gleichen Typs „auf
einmal“ durch die Gegend fahren. Beim Einkaufen wird
die Aufmerksamkeit einen warnen, falls es unbewusst
mal wieder ein ungesundes Nahrungsmittel in den
Einkaufswagen geschafft hat. Nicht umsonst wird die
Aufmerksamkeit oft auch das sogenannte „dritte Auge“
genannt, welches einem immer unterstützend zur Seite steht.
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Kondition
Die Kondition ist ein „Transporter“. Mithilfe von
ausreichender Kondition werden im Wettkampf
Technik, Schnelligkeit und Konzentration über
die volle Rundenzeit transportiert. Fehlende
Kondition sollte nie der Faktor sein, welcher darüber
entscheidet, ob man ein Spiel, bzw. einen Kampf
gewinnt oder verliert. Aus diesem Grund gibt es
vor Wettkämpfen ein spezielles Konditionstraining,
welches die Athleten mit der notwendigen Kondition
ausstatten soll. Man sollte allerdings nie aus den
Augen verlieren, dass Kondition sich nicht nur auf
körperlicher Ebene abspielt. Nicht selten haben
durchtrainierte Athleten, welche eine gute körperliche
Kondition hatten, am Wettkampftag so ausgesehen,
als hätten sie kaum trainiert. Ohne die zusätzlich
ausgeprägte Ausdauer der Konzentration, die sich
ausschließlich auf geistiger Ebene abspielt, wird
man es im Kampf viel schwerer haben. Körper
und Geist sollten stets eine Einheit sein – eine
Weisheit, welche auch noch 2012 aktuell ist.
⁃
Fight & Fitness
Aufwärmen
W
Partnerübungen sind in vielen Kampfkünsten tief verwurzelt.
Man verliert so spielerisch die Angst vor Körperkontakt.
Zudem steht man bei Partnerübungen fast immer im direktem
Vergleich zu seinem Partner, was den Übungen einen
Wettkampfcharakter verleiht.
5 Ortega schießt blitzschnell
durch Gabriels Beine und versucht
sich dabei nicht mit den Händen
am Boden festzuhalten.
Anschließend startet die Sequenz
erneut, indem Ortega sich auf der
anderen Seite wieder umdreht.
3 Ortega landet
gleichzeitig mit beiden
Füßen auf der anderen
Seite.
1 Bockspringen
Nichts treibt den Puls so in die Höhe wie ein paar Runden Bockspringen. Der
permanente Wechsel von Sprüngen und schnellen, tiefen Schritten bringt wird selbst
den fittesten Athleten an seine Grenzen bringen. Der Pulsmesser wird dies bestätigen.
Respekt
Im Training sind alle gleich. Ob jung oder alt,
Wettkämpfer oder Hobbysportler - niemand sollte
sein eigenes Ich über ein anderes stellen. Die
Fähigkeit, von einem Kind noch etwas zu lernen geht
verloren, wenn man die Ansichten und die Person
eines Kindes nicht respektiert. Auch die fehlende
Bereitschaft Anfängern zu helfen, ist respektlos. Wo
wärst du heute, wenn sich in deinen Anfangszeiten
die Fortgeschrittenen zu gut gewesen wären, dir
etwas zu erklären? Schenke deinem Trainingsumfeld
Respekt und du wirst Respekt zurück bekommen.
Ehrenwertes Leben
„Ehrenwertes Leben“ bedeutet, sich nach den
ethischen und moralischen Werten unserer
Gesellschaft zu richten. Das heißt auch, sich
von negativen Menschen und Orten fern zu
halten. Dies lässt niemanden automatisch zu
einem besseren Sportler werden - ohne Zweifel
aber, wird derjenige, der ein ehrenwertes Leben
führt und z.B. keine Konfrontationen mit dem
Gesetz hat, einen viel klareren Kopf für das
Wesentliche haben. Das erlaubt ihm, viel mehr
Aufmerksamkeit und Energie in das Training zu
stecken und seine Fortschritte zu beschleunigen.
⁃
Ich hoffe, diese sieben „Säulen“ werden
dazu beitragen, dass sich das Training
positiv entwickelt und einen etwas
anderen Blickwinkel auf das komplette
Training wirft. „It`s all about the spirit“ mit diesen Worten widmen wir uns jetzt
den körperlichen, schweißtreibenden
Übungen dieser Ausgabe.
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1 Gabriel hat eine tiefe,
stabile Position
eingenommen und hält
so dem Gewicht von
Ortega stand. Sein Kinn
ist in Richtung Brust
eingezogen. Ortega
bereitet sich auf den
Sprung vor und
positioniert seine Hände
an Gabriels Hüfte.
4 Gabriel richtet sich auf und
ermöglicht es Ortega, durch seine
Beine hindurch zu schießen.
Ortega hat sich währenddessen auf
seinen Fersen gedreht und seine
Körperhöhe nach unten hin
verändert.
2 Guard Up
Diese Übung verlangt von beiden Partnern höchste Konzentration. Gabriel muss permanent eine stabile Haltung bewahren,
während Ortega sich bewegt. Dies erfodert eine hohe, isometrische Haltekraft, welche sich in Sekundenschnelle korrigieren lassen
muss. Ortega muss sich dabei mit seinen Beinen an Gabriel festklammern und seinen Oberkörper auf und ab bewegen.
1 Ortega hält sich drei
Sekunden oben.
2 Ortega taucht langsam ab
und hält sich drei Sekunden
unten, ohne den Boden zu
berühren. Anschließend
steigt er langsam wieder auf.
2 Ortega springt aus dem
Stand heraus über
Gabriel. Dabei
positioniert er seine
Hände an Gabriels Hüfte,
um gegebenfalls die
Richtung korrigieren zu
können.
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Fight & Fitness
Fight & Fitness
Kraftübungen mit dem SnakeTrainer & Leder Kettlebell
Brasilianisches Jiujitsu – “The Gentle Art”
1 Turkish Get Up
Im Jiujitsu versucht man, mit so wenigen Schlägen wie möglich auszukommen. In dieser weichen Kampfkunst wird
der Gegner vor allem mit gefährlichen Griffen kampfunfähig gemacht. Käfigkämpfe bestätigen die Effektivität dieser
Kampfkunst. Nicht selten gewinnen Profis Kämpfe, ohne dabei einen einzigen Schlag ausgeführt zu haben.
Diese Übung stärkt vor allem den “Kern” des Körpers. Das ist der zentrale Punkt,
welcher den Ober- und Unterkörper miteinander verbindet. Egal wie aus ausgeprägt
die Muskulaturen dieser beiden Körperpartien sind - wenn die Verbindung
und Wechselwirkung nicht hergestellt und trainiert wird, ist sie nur die Hälfte
wert. Die “LeatherBell” ist eine KettleBell aus Leder, die mit Sand gefüllt ist. Der
Boden oder die Matte werden so geschont. Zudem kann die “LeatherBell” auch
mal auf den Fuss fallen, ohne dass ein Krankenwagen gerufen werden muss.
1 Ortega liegt auf seinem
Rücken. Seine Beine und die
Schulter heben vom Boden ab.
Mit ausgetrecktem Arm hält er
die LeatherBell über der Brust.
2 Ortega streckt seinen Arm mit
LeatherBell in Richtung Decke. Sein
linker Arm befindet sich stützend auf
dem Boden. Die Beine liegen
angewinkelt am Körper und sind
bereit, sich aufzurichten.
2 SnakeTrainer
Der Snake Trainer ist in wenigen Sätzen erklärt. Es handelt sich um
ein 15m langes, gut verarbeitetes, dickes Tau mit einem Durchmesser
von 40mm. Obwohl es 15 Meter lang ist, wiegt es dank seines
synthetischen Materials nur sehr wenig und lässt sich problemlos
transportieren. Den SnakeTrainer zieht man am besten durch zwei
Kettlebells hindurch, so dass man anschließend zwei gleich lange
Enden in der Hand hält. Durch die Bewegung der Arme und der
Hände kann man das Seil in Schwingungen versetzen. Die Muster/
Wellen sind dann abhängig von von den eigenen Bewegungen,
deren Frequenz und natürlich deren Stärke. Der SnakeTrainer ist
eine gute Kraft/Ausdauer-Übung für Schulter, Brust und Arme.
1 Standing RNC (“Rear Naked Choke”)
1 Gabriel und Ortega stehen sich in
Kampfstellung gegenüber.
3 Auf diesem Bild
richtet sich gerade
Ortega auf. Er folgt der
“Linie” der
ausgestreckten Hand.
Seine Beine sind noch
angewinkelt und sein
Rücken gerade.
2 Gabriel greift Ortega mit einer
Schlagtechnik an. Ortega kontert mit
einem Wechsel seiner Körperhöhe.
3 Ortega schießt blitzschnell nach vorne
und greift mit seinen Armen um Gabriels
Hüften, um diesen - zusätzlich zu seinem
eigenen Körpergewicht - zu belasten.
4 Ortega hat sich nun komplett
aufgerichtet. Sein Rücken ist
immernoch gerade. Die
elementare Kraft dieser
Bewegung kam aus der Hüfte.
Die Sequenz wird anschließend
beendet, indem Ortega die
Bewegung rückwärts abspielt.
Danach liegt er wieder auf dem
Boden – wie in der
Ausgangsposition auf Bild 1.
4 Ortega befindet sich hinter
Gabriel und greift mit seinem Arm
um dessen Hals. Ortega zieht
Gabriel nach hinten, so dass
dieser kein Gleichgewicht
herstellen kann.
5 Ortega nimmt nun
seine zweite Hand zur
Hilfe und schließt den
Griff. Der Griff heißt “Mata
Leao” (deutsch:
“Löwentöter”). Meister des
Jiujitsu brauchen nur
wenige Sekunden, um
ihren Gegner so
ohnmächtig zu würgen.
www.facebook.com/deleonardis1; www.myspace.com/de_leonardis
Fotos: Peter Hawk (www.peter-hawk.com)
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