Chaos im Quadrat - Anna

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Chaos im Quadrat - Anna
Created for Us
Anna-Lena Tsutsui
VIDEO
Portfolio 2008 - 2014
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Inhalt / Content / Sommaire
Chaos im Quadrat / Chaos Squared / Chaos au carré - Jördis Volkmann
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Einführung / Introduction / Introduction - Bianca Bozzeda
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Video / Video / Vidéo15
Fotografie / Photography / Photographie81
Intimitätsverhältnisse - Thomas D. Trummer
82
Objekt / Object / Objet117
Biografie / Biography / Biographie140
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Chaos im Quadrat
Chaos Squared
Wenn die Natur zu laut „Hurra!“ schreit, wird sie vom Menschen schnell
in Form gebracht, beschnitten, eingemauert, und so in ihre Schranken
verwiesen. Dann herrscht Chaos im Quadrat, Unordnung im Takt,
Tohuwabohu nach der Uhr und Krawall nach Vorschrift.
When nature shouts out ‚‚Hooray!‘‘ too loudly, it will be shaped,
trimmed, sealed and thus held at bay. Then chaos rules in squares,
disorder in the beat, hullabaloo in the ticking of the clock and ruckus
obeys the instructions.
Wie der Keim in der Erde, so wuchert die Hoffnung aus dem Stein,
atmet der Baum, die grüne Hölle im Regelmaß. Der Keim, wie die
Hoffnung, treibt. Er schießt ins Kraut, hoch und grün, lang. - Und knallt
mit voller Wucht an die Decke der Realität aus Beton.
As a sprout in the earth, hope grows from the stone, the tree breathes
and the green hell stretches out in standard dimensions. The sprout,
like hope, pullulates. It grows uncontrollably, high and green, long. And slams at full force against the reality of concrete.
Jördis Volkmann zur Arbeit von Anna-Lena Tsutsui, 2012
Jördis Volkman about the work of Anna-Lena Tsutsui, 2012
Chaos au carré
Lorsque la nature crie trop fort «Hourra! », l‘homme la met rapidement
en forme, la coupe, la contient et la remet ainsi à sa place. Maintenant
le chaos est mis au carré, le désordre est orchestré, le tohu-bohu est
ponctuel et le barouf marche au pas.
Comme le germe dans la terre, l‘espoir foisonne de la pierre, l‘enfer
vert respire. Le germe, comme l‘espoir, pousse. Il grandit, haut, vert
et long. - Et se heurte à toute volée contre le plafond de la réalité en
béton.
Jördis Volkmann sur le travail d‘Anna-Lena Tsutsui, 2012
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In einem Alltag aus Beton und Leuchtreklame zeigt Anna-Lena Tsutsui die Spuren
einer natürlichen Kraft auf, die menschliches Handeln zu purer Dekoration hat
verkommen lassen. Durch ihre Arbeiten beobachtet sie die Überbleibsel dieser Kraft,
wie sie in einer Gesellschaft vorkommen, die bereit ist, alles und jedes in Produkte
zu verwandeln. In Form von Videos oder Fotografien, zeugen die von der Künstlerin
vorgeschlagenen Bilder von dem, was wir heute aus dieser ursprünglichen Energie
machen, von ihren Spielarten und Formen. Fragend nach dem Nutzen des Künstlichen,
das aus dem Natürlichen entstand, stimuliert Tsutsui bei dem Betrachter ein Aufmerken,
das, bewusst oder unbewusst, zu einer Stellungnahme führt. Dies wird erreicht durch
ein ausgewähltes ästhetisches Register, das in freiwillig angenehme Kompositionen
mündet. Die formale Direktheit der Bilder erlaubt die volle Entfaltung im Thema. Humor
ist dabei allgegenwärtig: das Schöne, Absurde und das Komische werden paradoxer
Weise zu Mitteln, um sich der Ernsthaftigkeit des Themas, manchmal nahe am Drama,
anzunähern.
Die Videos in der Endlosschleife sind Perpetuum Mobiles, in denen der Sinn, geschrien
oder geflüstert, durch die Wiederholung unterstrichen wird. Ohne Übereifer und ohne
redundant zu sein lässt die Künstlerin die Bilder wiederholen, damit sich die Dinge
schrittweise enthüllen. Dies ist der Fall in Die Kugel, eine dreiteilige Videoarbeit, die sie
zwischen 2012 und 2013 realisiert hat. Der erste Teil zeigt das Rollen einer Masse aus
Beton in einer Lagerhalle. Gelbe Blumen sind furchtlos durch die Löcher gewachsen,
die die Künstlerin in der Kugel hergestellt hat. Regiert von einer anarchischen Kraft
zerquetscht die Kugel die Blumen auf ihrem Weg. Die gleiche Kugel ist Protagonist der
beiden anderen Videos: schwer, sperrig und blind setzt sich die Kugel gegenüber der
Natur durch indem sie sie einschließt und zerstört. In einem Kieswerk rollt die Kugel
schwindelerregend schnell einen Hügel hinunter. Im Herunterstürzen werden die rosa
Blumen offensichtlich abgeschnitten und aus der Kugel herausgeschleudert. Die Rolle
des Sisyphus spielend, lässt Anna-Lena Tsutsui die Kugel immer wieder den Hügel
hinunterrollen und die Blumen niederstrecken: Die Sinnlosigkeit und die Brutalität der
Geste wird so in all ihrer Kraft deutlich.
Wenn es in Die Kugel die Natur ist, die eingeschlosse­n, zerquetscht und letztlich getötet
wird, so ist die Situation in Panorama Boa Vista umgekehrt. Das Knäuel aus fliegenden
Plastiksäcken in diesem Videos scheint beinahe vor einer allgegenwärtigen und
allmächtigen Natur zu fliehen: In der Gewaltigkeit einer freien Erde hat das Künstliche
keine Daseinsberechtigung. Die Präsenz dieser anderen Kugel, nicht imposant,
sondern leicht und fliehend, wird zum Oxymoron: der Kontrast zwischen dem Objekt
und der Realität, in der es sich befindet, sind extrem. In Form eines vielfarbigen
Gespenstes irrt das Artefakt ohne Inne zu halten umher. Es flieht. Der Wind treibt es
immer weiter, fortzugehen von dieser Welt - als gäbe es eine andere Welt als die der
Büsche, Steine und des Sandes. Dieses Video scheint endlich das Ersticken der Natur
durch den urbanen Kontext zu rächen und die Rollen zu verkehren: Ausnahmsweise
ist der Eindringling das Plastik, die einfachen und leeren chemischen Farben, der
Überfluss an Produkten. Die Plastiksäcke haben keine Berechtigung in solch einer
Landschaft und sind verdammt für immer zu fliehen. So gelenkt zeigt sich das Artefakt
unsicher, grotesk und sinnlos. Und trotzdem ist der Flug des Objektes schön: er zeigt
uns weite Himmel, weißen Sand und hinterlässt keine Spuren.
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Vom Fliegen ist eine sowohl organische als auch fremde Form. Die Skulptur aus
Keramik setzt sich auf Grund ihrer ungewöhnlichen Erscheinung im Raum durch. Sie
überrascht und verdichtet in ihrer wunderlichen Form zwei Komponenten der Arbeit
von Anna-Lena Tsutsui: das Komische und das Tragische. Feststeckend, unbehaglich,
aber auch karikaturenhaft und amüsant durch ihre grobschlächtige Erscheinung ist
dieses orangefarbene Ding eine Allegorie der Lebensbedingungen in einer Stadt.
Festgefahren und auf gewisser Weise unterbrochen erinnert Vom Fliegen an die
Fotoarbeit Der Balkon (2011): Der Lebenselan ist verboten durch eine Präsenz von
außen, die eine volle Entfaltung verhindert. Wenn dieser Aspekt bereits in Arbeiten wie
Ein anderer Balkon 1 und Ein anderer Balkon 2 eingeführt wurde, so wird das Konzept
in Vom Fliegen weiter entwickelt. Die Skulptur hat eine organische, weiche Form. Ihr
Gewicht von etwa 30 Kg sowie ihre Größe lassen an eine körperliche Gestalt denken.
Über den rein formalen Aspekt hinaus - das Werk ist tatsächlich zweigeteilt - drückt
Vom Fliegen eine tiefer gehende Unsicherheit und Instabilität aus. In diesem Sinne
ruft die unangenehme Situation, in der sie sich befindet, ein beinahe existentielles,
menschliches Unbehagen hervor. Als unvollendeter Akt hängt sie im Raum. Vom
Fliegen hebt eine tragikomische Seite der menschlichen Realität hervor.
Wenn Vom Fliegen die menschliche Reichweite schließlich verdeutlicht, so entwickelt
Betonstruktur 1 diesen Gesichtspunkt auf definitive Art und Weise. Auch wenn sich
dieses Werk rein formal betrachtet von den anderen unterscheidet, so ist es doch
der konzeptuelle Höhepunkt. Die Struktur ist aus Beton, einem Material, das die
Künstlerin kritisiert, an das sie aber auch durch ein Bedürfnis des Ausdrucks und
Faszination gebunden ist. Hier ist sie Modell, in dem Figuren umher wandeln. Ohne
die Möglichkeit der Flucht oder des Vorwärtskommens erinnern die Figuren an eine
Art Prozession ohne Ausgang. Aus Keramik hergestellt, sind sie in einer imposanten
Struktur eingeschlossen, die eine Architektur andeutet. In Übereinstimmung mit
dem allegorischen Ansatz der Werke von Anna-Lena Tsutsui, sind die Figuren nicht
explizit anthropomorph. Trotzdem erinnern sie an eine bestimmte Morphologie, eine
Haltung, die sie als Menschen erkennen lässt. Es ist also nur natürlich sich in die Szene
hineinzuversetzen und Anteil an den, in einem absurden physischen oder mentalen
Raum, eingezwängten Wesen zu nehmen. Die Verbindung zwischen diesem Werk und
der Installation Baby Dolls wird offensichtlich: Als eine Verstümmelung des Natürlichen
– ob sie nun menschlich, pflanzlich oder tierisch ist – der Rahmen ist immer Unrecht.
Die menschliche Figur erscheint also nur selten im Werk von Anna-Lena Tsutsui. Seine
Erscheinungsform und seine Gegenwart werden von der formalen Offensichtlichkeit
ausgeschlossen. Trotzdem ist der Mensch immer da. Er steht am Ursprung der
Verzerrung und ist zugleich Opfer seiner Schöpfungen.
Bianca Bozzeda, 2013
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In a life made of concrete and blinking advertisement, Anna-Lena Tsutsui identifies the
traces of a natural force, in which human action has degenerated into pure decoration.
Through her work, she observes the residues of this force in a society that is ready to
transform everything into products. In the form of videos or photographs, the images
proposed by the artist are evidence of what we have made of this primordial energy,
of its variations and its forms. Questioning the use of the artificial made from the
natural, Anna-Lena Tsutsui stimulates an awareness that leads, consciously or not, to
taking a position. This is attained through a tended aesthetic spectrum, which gives
life to voluntarily enjoyable compositions. The direct form of the images allows the full
concentration on the theme. Humor is pervasive in the Tsutsui’s work: The beautiful,
the absurd and the comical become paradoxical instruments through which she
approaches the seriousness of the topic that is sometimes close to the drama.
The looped videos are perpetual motion machines in which the sense, cried out
or whispered, is brought out by its repetition. The artist repeats the images without
excess or redundancy in order to let the things reveal themselves progressively. This
is the case in The Sphere, a tripartite video work, which was realized in 2012 and 2013.
The first part shows the rolling of a mass made of concrete in a storehouse. Yellow
flowers have courageously grown through the holes created in the sphere. Governed
by an anarchic force, the ball bruises the flowers as it travels around. The same sphere
is the protagonist in the two other videos composing the piece: massive, bulky and
blind, the object prevails over nature by encasing and destroying it. In a gravel quarry,
the ball rolls vertiginously fast down a hill of grit. All the way down the rosy-colored
flowers are cut and visibly ejected. Playing the role of Sisyphus, Tsutsui uses the loop
and lets the ball go down again and again, smashing the flowers: The lack of sense in
the gesture and its brutality abound forcefully.
If in The Sphere it is nature that is imprisoned, crushed and finally even killed, the
situation is inverted in Panorama Boa Vista. The bunch of flying plastic bags in this
video almost seems to escape from an omnipresent and omnipotent nature: The
artifact has no reason in the immenseness of a free earth. The presence of this other
ball, not massive, but light and fleeing, becomes an oxymoron: the contrast between
the object and the reality in which it is living is extreme. In the form of a multicolored
phantom, the artifact strays without pausing; it is taking flight. The wind pushes it to roll
away, to leave this world as if there was a world other than bushes, stones and sand.
The video finally seems to retaliate upon the urban context for suffocating nature and
roles get reversed: For once the intruder is the plastic, the simple and chemical colors,
the abundance of products. These plastic bags have no excuse in such a landscape
and are condemned to flee forever. Alienated in this way, the artificial becomes weak,
grotesque and senseless. Nevertheless its flight is beautiful: Without leaving a trace, it
shows us wide skies, white sand and lunar-like landscapes.
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Vom Fliegen is an organic, but unfamiliar form. The ceramic sculpture asserts itself
in the space due to its particular aspect. It surprises, because it is strange and
condenses two components of the work by Anna-Lena Tsutsui, the comical and the
tragical. Transfixed, uneasy and disturbing, but also caricatural and amusing, because
raffish, this orange being is an allegory of the living condition in the city. Disabled and
somehow interrupted, Vom Fliegen recalls Tsutsui’s piece The Balcony, realized in
2011: The vigor of life is banned by an external presence that prohibits a full expansion.
If this aspect has already been introduced by works such as Another Balcony 1 and
Another Balcony 2, Vom Fliegen develops the concept to a greater extent. The
sculpture has an organic, soft form. Its weight of 30 kg as well as its dimensions recall
a physical configuration. Beyond its formal aspect, for which the piece is actually
disjoined, the sculpture expresses a deeper uncertainty and instability. Its arduous
situation provokes an almost existential, human, malaise. As an unfinished act, it hangs
in the space. Vom Fliegen underlines the tragicomic aspect of this human reality.
If Vom Fliegen finally elucidates the human range, then Concrete Structure 1 develops
this point definitively. If, from a formal point of view, this piece differs from the other
pieces, it nonetheless represents the conceptual climax. The structure is made of
concrete, a material that the artist criticizes, but to which she is attached by fascination
and an expressive need. Here it becomes the scenario in which figures walk around.
Without the possibility to escape or to advance, these introduced characters evoke
a sort of procession without exit. Made of ceramics, the figurines are encased in an
imposing architecture, even though just initiated. In accordance with the allegorical
approach of the pieces by Tsutsui, the characters are not explicitly anthropomorphic:
They still do evoke a certain morphology, a posture that makes us perceive them as
humans. After all, it is natural to project oneself into the scene and to feel with these
creatures that are caught in an absurd physical or mental enclosure. The link to the
installation Baby Dolls becomes evident: As a mutilation of the natural – be it human,
animal or vegetal – the bordering is always wrong.
The human figure appears only rarely in Tsutsui’s work: its image and its presence are
excluded from the formal evidence of the pieces. However, man is always there, at the
origin of the deformation and as victim of its creations.
Bianca Bozzeda, 2013
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Dans une quotidienneté faite en ciment et en néons intermittents, Anna-Lena Tsutsui
met en évidence les traces d’une puissance naturelle pure qu’une faute humaine
réduit à décoration. À travers ses travaux elle observe les résidus de cette force
dans une société prête à tout transformer en produit. Sous forme de vidéos ou bien
de photographies, les images proposées par l’artiste témoignent de ce qu’on fait
aujourd’hui de cette énergie primordiale, de ses manifestations et de ses formes.
Interrogeant l’usage que l’artificiel fait du naturel, Anna-Lena Tsutsui stimule chez
le spectateur une prise de conscience qui mène, de manière consciente ou pas,
à une prise de position. Cela est abouti à travers un registre esthétique soigné qui
donne vie à des compositions volontairement agréables. L’immédiateté formelle des
images permet le plein épanouissement du thème l’humour, toujours présent dans
les travaux de Tsutsui : en passant par le beaux, l’absurde et le burlesque deviennent
paradoxalement le moyen pour approcher le sérieux du sujet abordé, parfois proche
du drame.
Les vidéos en boucle sont des perpetuum mobile où le sens, crié ou chouchouté,
est souligné par la répétition. Sans excès ni redondance l’artiste laisse l’image se
répéter pour que les choses se dévoilent progressivement. C’est le cas de La Boule,
ensemble de trois vidéos réalisées entre 2012 et 2013. La première partie de la vidéo
montre le roulement d’une masse en béton dans un entrepôt. Des fleures jaunes ont
courageusement poussé à travers des trous réalisés dans la sphère. Gouvernée par
une force anarchique qui semble évoquer la fureur de la nature, la boule écrase les
fleures tout au long de son chemin. Cette même boule est protagoniste des deux
autres vidéos composant l’œuvre : lourd, encombrant et aveugle l’objet s’impose sur
la nature en l’emprisonnant ou en la détruisant. Dans le cadre d’une usine de gravier,
la boule descend vertigineusement d’une colline de cailloux. Tout le long de la chute,
les fleures roses sortant de la boule sont coupées et visiblement éjectées pendant
le roulement. Jouant ici le rôle de Sisyphe, Anna-Lena Tsutsui se sert de la boucle et
laisse la boule descendre de la colline sans arrêt, s’abattant sur les fleurs : le manque
de sens et la brutalité du geste surgissent alors dans toute leur force.
Si dans La Boule c’est la nature à être emprisonnée, écrasée sans cesse et puis même
abattue, dans Panorama Boa Vista la situation est inversée. La pelote en sachets
volant de cette vidéo paraît presque fuir d’une nature omniprésente et omnipuissante :
dans l’immensité d’une terre libre l’artifice n’a pas de raison. La présence de cette
autre boule, non plus imposante mais légère et fuyante, fait l’objet d’un oxymore : le
contraste entre l’objet et la réalité qu’il habite est extrême. Sous forme de fantôme
multicolore l’artifice erre sans cesse, il fuit. Le vent le pousse à rouler ailleurs, à s’en
aller de ce monde, comme s’il n’était d’autre monde possible que les buissons, les
pierres et le sable. Cette vidéo semble enfin venger l’étouffement de la nature par
le contexte urbain et renverser les rôles : pour une fois l’intrus c’est le plastique, les
couleurs simples et vides de la chimie, l’abondance des produits. Cette poubelle
dépourvue de déchets n’a pas d’excuse dans un paysage pareil et est destinée à fuir
à jamais. Dépaysé, l’artifice se fait faible, grotesque et insensé. Et pourtant le vol de
l’objet est beau : il nous montre des ciels immenses, du sable blanc, et défile sguidé
par le vent sans laisser trace.
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A la fois forme organique et étrangère, la sculpture en céramique Vom Fliegen
s’impose dans l’espace par son aspect insolite. Elle étonne parce que bizarre et
condense en soi les deux composantes du travail de Anna-Lena Tsutsui : le comique
et le tragique. Coincé, mal à l’aise et dérangeant, mais aussi caricatural et amusant
parce que grossier, cet être orange est une autre allégorie de la condition de la vie
dans la ville. Bloqué et en quelque sorte interrompu, Vom Fliegen rappelle l’œuvre
Le balcon réalisée en 2011 : l’élan vital est interdit par une présence extérieure qui
en empêche le plein épanouissement. Si cet aspect est déjà introduit par des travaux
tels que Un autre balcon 1 et Un autre balcon 2, Vom Fliegen développe le concept
davantage. La sculpture a une forme organique, moelleuse ; son poids de 30 kg ainsi
que ses dimensions évoquent une configuration corporelle et biomorphe. Au de-là de
l’aspect purement formel, pour lequel l’œuvre résulte effectivement « entre deux », la
sculpture exprime une incertitude et une instabilité plus profondes. Dans ce sens, la
situation pénible dans laquelle elle se trouve suscite un malaise presque existentiel,
humain. L’échec ne concerne alors pas seulement la condition de la nature dans un
contexte urbain, mais aussi la condition-même de l’être humain, limité et étouffé à son
tour. Comme inabouti et suspendu dans l’espace, Vom Fliegen met en évidence le
côté tragi-comique de cette réalité humaine.
Si Vom Fliegen explicite enfin la portée profondément humaine du travail de Tsutsui,
Structure en béton 1 (2013) développe cet aspect de manière définitive. Si d’un point
de vue purement formel cette œuvre se différencie par apport aux autres exposées,
elle représente néanmoins le climax conceptuel. La structure en béton, matériel que
l’artiste critique mais auquel elle est liée par un besoin expressif et une fascination
intrigants, se fait ici le scénario d’une déambulation figurée. Sans possibilité de fuite
ni de progression, les personnages introduits dans la scène évoquent une sorte de
procession sans sortie. Réalisése en céramique, les figurines sont renfermées dans
une architecture imposante quoique juste amorcée. Conformément à l’approche
allégorique des œuvres de Tsutsui, les personnages n’ont rien d’explicitement
anthropomorphe : ils évoquent toutefois une certaine morphologie, une posture qui
nous les fait percevoir comme humaines. Il est alors naturel de se projeter dans la
scène et de compatir ces présences coincées dans une enceinte absurde, physique
ou bien mentale qu’elle soit. Le lien entre cette œuvre et l’installation Baby Dolls se
fait alors évident : en tant que mutilation du naturel - humain, animal ou végétal qu’il
soit - le cadre a toujours tort.
La figure humaine n’apparaît que rarement des les travaux de Anna-Lena Tsutsui :
son aspect et sa présence son exclus de l’évidence formelle des œuvres. Pourtant,
l’homme est toujours là, à l’origine de la distorsion et ensemble victime de d’artifice
qu’il crée.
Bianca Bozzeda, 2013
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VIDEO
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Loops
video
25:46 min (loop)
sound in cooperation
with Woungteak Oh
2014
Alles dreht sich im Kreis: ein Drachenflieger rotiert endlos
in der Mitte des Bildes während im Hintergrund Autos
kreisförmig auf die Autobahn auffahren und im Mittelgrund
eine Person unscheinbar in Kreisen geht. Diese Person
scheint gefangen zu sein in endloser Wiederholung. Auch
ein mit der Stimme erzeugter Rhythmus, der Elemente des
rotierenden Bildes in Sound überträgt, dreht und dreht sich.
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Everything is turning : A kite is rotating endlessly in the
center of the image while cars are driving up a circular
highway in the background. In the middle ground a person
is walking inconspicuously in circles. This person seems to
be imprisoned in an endless repetition. At the same time, a
looped voice-generated sound that translates elements of
the image keeps rotating.
Tout est en train de tourner: un cerf-volant tourne sans cesse
au centre de l’image pendant que des voitures entrent
une autoroute par une montée circulaire. Au second plan
une personne marche subrepticement en cercles. Elle est
enfermée dans la répétition. En même temps un son en
boucle crée par la voix traduit des éléments de l’image et
continue à tourner.
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SeMA Nanji Exhibition Hall, Seoul, 2014
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Unter Brücken
Under the Bridge
Sous le pont
video
7:47 min
2014
In einer enldosen Reihe fahren Autos über die
Autobahnbrücke, unter welcher man eine Art Schattentheater
beobachten kann. Durch ein kleines Fenster, das durch
Autos und Beton begrenzt ist, sieht man Personen, die
an den in Korea üblichen Sportmaschinen trainieren.
Sie suchen gesunden körperlichen Ausgleich, doch die
hektischen, regelmäßigen Bewegungen lassen sie selbst
maschinenähnlich erscheinen.
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In an endless line cars are driving over a highway bridge,
under which the audience can see through a little window
a shadow theater of moving persons. In an environment
composed of concrete and cars they are training with sports
machines that are commonly used in Korea. The trainees are
looking for physical balance, but because of the predefined
movements they become machine-like themselves.
Des voitures roulent sans cesse sur un pont d’autoroute,
sous laquelle on peut observer un theatre d’ombres par
une fenêtre. Dans un environnement faite du béton et des
voitures, il y a des personnes qui s’entrainent avec des
machines habituellement utilisées en Corée. Ils cherchent
ainsi de la balance physique, mais à cause des mouvements
prédéfinis eux-mêmes semblent fonctionner comme des
machines.
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Panorama Boa Vista
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Video
3:09 min (Loop)
2013
A huddle of multi-colored waste becomes the plaything of
the wind, which carries it through wild territories. The contrast
between the flighty volatility of the ball and the monumental
and immobile landscape is evident. At this place, the plastic
bags with their cheap, chemical colors are inappropriate and
fleeting.
Eine bunte Müllkugel wird zum Spielball des Windes, der sie
ziellos durch naturbelassene Gegenden treibt. Es herrscht ein
starker Kontrast zwischen der flatterhaften Künstlichkeit des
Plastikballs und der schroffen, tausendjährigen Landschaft.
Die Plastiktüten sind hier deplaziert und flüchtig.
Un amoncellement de déchets multicolores devient le jouet
du vent, qui l’entraîne à travers des territoires sauvages. Le
contraste entre la superficialité papillonnante de la boule en
plastique et le paysage imposant et immuable est énorme.
Les sacs plastiques y sont déplacés, fuyants.
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Die Kugel
The Sphere
La Boule
6 Videos
2:15 min (Loop)
2:23 min (Loop)
0:17 min (Loop)
0:04 min (Loop)
0:01 min (Loop)
1:00 min (Loop)
2013
Eine aus Beton gegossene Kugel ist in allen sechs Videos Protagonistin.
Sie ist ein absurdes Objekt: Sie hat Löcher aus denen Blumen
herausragen und zum Licht streben. Diesen Blumen bietet die Kugel
Schutz und Lebensraum, gleichzeitig schließt sie sie aber auch ein.
In dem Moment, in dem die Kugel losrollt und unkontrollierbar wird,
tötet sie die Pflanzen, in dem sie sie brutal niederwalzt. Nun erlangt
sie eine Art Eigenleben. Dabei sind alle Orte, an denen die Kugel in
Aktion tritt, Orte an denen natürliche Ressourcen abgebaut werden
oder im Rohzustand nach ihrer Gewinnung gelagert werden. Die dazu
nötigen Strukturen, die möglichst effizient gebaut sind, treten hier in
den Vordergrund. Zu den besonders effizienten Baustoffen gehören
heute vor allem Metall und Beton. Beton ist ein künstlich hergestelltes
Trümmergestein, dass günstig ist, sich in jede Form gießen lässt, schnell
fest wird und Lebewesen wie Pflanzen und Pilzen das Wachstum
unmöglich macht oder zumindest extrem erschwert.
Aus Beton ist auch die Kugel, die eine Idealform bildet, die
für Endlosigkeit und Ganzheit steht, für die Erde, den Kosmos und den
Mikrokosmos.
Die Kugel oder analog der Kreis sind in dieser Arbeit omnipräsent. Die
Präsentation mit sechs Projektionen umrundet den Betrachter
visuell und akustisch raumfüllend. Auch der Betrachter muss
sich im Kreis drehen, um alle Videos wahrnehmen zu können.
Durch die Endlosschleifen der einzelnen Videos bilden auch die
Handlungsverläufe eine Kreisbewegung. Ende und Anfang fallen
unbemerkt zusammen. Das, was hier in Gang gesetzt wurde, dreht
sich immer weiter, kein Stop scheint möglich. Die stampfenden,
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kratzenden, rauschenden und klickenden Geräusche summieren
sich zu einem Rhythmus, der dem einer laufenden Maschine gleicht.
Diese zerstörerische Unkontrollierbarkeit und die Ausweglosigkeit, der
in Gang gebrachten Aktion bezieht sich auf die Ausweglosigkeit
aus, die daraus resultiert natürliche Ressourcen immer effektiver
abbauen zu müssen, um größtmöglichen Wohlstand für einen Teil der
Bevölkerung zu generieren. In unserem Wirtschaftssystem ist eine
Verlangsamung nicht möglich, obwohl wir um die zerstörerische Kraft
des Raubbaus an der Natur (zu der wir selbst auch gehören) wissen.
Die Absurdität und die Tragik dieser Situation spiegeln sich in dem
Objekt der Kugel wieder.
The sphere is an absurd object. Made of concrete it offers a living space
as well as protection for the flowers that emerge from it. However, at
the moment it starts to roll, it squashes what it has been sheltering.
While crushing the plants, the sphere itself almost seems to be alive,
because of its uncontrollable and autonomous movement.
All places where the sphere appears are places where natural
resources are being exploited or stored right afterwards. The
structures, that are necessary to make the exploitation as efficient as
possible come to the fore. Metal and concrete are especially being
used to create these structures today, because they are very efficient
construction materials. Concrete is a low-priced artificial detrital rock,
that can be casted in any form, that hardens quickly and that makes
it nearly impossible for plants and mushrooms to grow. The sphere is
also made of concrete, casted in an ideal form, which stands for infinity,
wholeness, the earth, the cosmos and the microcosmos. The sphere
and the circle are omnipresent in this work. The presentation with six
projections orbits the spectator visually and acoustically: The viewer
needs to go in circles to watch all the videos. Because of the infinite
loops of each video the actions are also creating circles. What has
been set in motion continues turning ; a stop seems to be impossible.
The stamping, scraping, rustling and clicking sounds accumulate to a
unpleasant rhythm, that resembles a running machine.
The hopelessness of the destruction and uncontrollable action refers
to the feeling of helplessness regarding our economic system where
a slowdown of exploitation seems to be impossible, even though
everybody knows about the destructive force due to exhaustive
exploitation. The absurdity and the tragedy of this situation is reflected
through the sphere.
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Peng Mainz, 2013
La boule est un objet absurde. Fabriquée en béton elle offre un
espace vitale ainsi qu’un abri aux fleurs qui émergent d’elle. En
revanche, au moment où elle commence à rouler, elle écrase ce
qu’elle héberge. Tout en broyant ces plantes, elle semble ellemême être presque vivante grâce à son mouvement incontrôlable
et autonome.
Tous les endroits où la boule apparaît, sont des endroits où des
ressources naturelles sont exploitées ou entreposées directement
après. Les structures qui sont nécessaires pour rendre l’exploitation
le plus efficace possible sont mises en avant. Aujourd’hui le métal
et le béton sont les matériaux les plus souvent utilisés pour
construire ces structures grâce à leur propre efficacité : le béton est
un agglomérat artificiel à bas prix, qui peut être coulé en n’importe
quelle forme, qui durcit rapidement et qui rend le développement des
plantes et des champignons impossible ou au moins extrêmement
difficile. La boule, elle-aussi, est faite de béton, qui a été coulé dans
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cette forme idéale, qui représente l’infinité, la totalité, la terre, le
cosmos et le microcosme. La sphère où par analogie le cercle sont
omniprésents dans ce travail. La présentation avec six projections
encercle le spectateur de manière visuel et sonore : Il doit tournoyer
pour regarder toutes les vidéos. Comme chaque vidéo tourne en
boucle les actions font aussi des mouvements en cercles. Ce qui
a été mis en action continue à tourner. Un stop semble impossible.
En même temps on entend des sons foulants, grattants, bruissant
et cliquant qui s’additionnent et deviennent un rythme désagréable
qui ressemble à une machine tournante.
L’impossibilité de sortir d’une action destructive et devenue
incontrôlable qui a été commencé volontairement fait référence à
un désespoir ressenti face à un système économique qui demande
d’exploiter toujours plus et où une décélération semble impossible,
même si les personnes agissantes sachent de la force destructive
de l’exploitation abusive. L’absurdité et le tragique de cette situation
sont reflétés par la boule.
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Teil 1 / part 1 / partie 1
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Teil 2 / part 2 / partie 2
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Teil 3 / part 3 / partie 3
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Teil 4 / part 4 / partie
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Teil 5 / part 5 / partie 5
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Teil 6 / part 6 / partie 6
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Blackbeetle
video
2:22 min (loop)
2012
Die Kamera folgt einem Insekt, das sich auf einer Karte
befindet, die aus weißen Quadraten besteht. Es ist rund
und schwarz mit weißen Punkten. Orientierungslos rennt es
ohne inne zu halten über das nicht enden wollende Gebiet.
Eingeschlossen in der endlosen Leere müht es sich erfolglos
ab dieser zu entkommen.
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The camera follows the insect, which is black with white
dots and almost round. It is on a card that is made of white
squares determined by black lines. Without orientation or
rest the bug is running on this endless terrain. Imprisoned in
this endless void it tries to escape in vain.
La caméra suit un insecte noir et rond avec des points blancs
qui se trouve sur une carte faite de carrés blancs. Sans
orientation et sans repos il court sur ce terrain mort. Enfermé
dans ce vide interminable il cherche à en sortir sans succès.
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video
3 min
2011
Looking through a glass pane smudged with grease, into a
cage, one sees a bamboo garden and a dirt track. A group
of children approaches the pane and excitedly discusses the
animal that they are observing. Through this discussion one
can imagine the animal that won‘t appear in the video.
At first, there is admiration for the caged animal. The children
continue analyzing the animal and come to the conclusion
that they feel sorry for it, and then run towards the next
attraction.
Durch eine Glasscheibe, auf der Fettspuren zu sehen sind,
schaut man in einen Käfig. Darin ist eine Art Bambusgarten
angelegt.
Eine Gruppe Kinder kommt und unterhält sich aufgeregt
über das Tier, das sie beobachten. Zunächst gibt es
Bewunderungsschreie, dann wird er etwas analysiert, bald
kommen sie zu dem Schluss, dass er ihnen Leid tut und
laufen zur nächsten Attraktion.
Währenddessen sieht der Betrachter weder die Kinder noch das
beobachtete Tier. Es entsteht die Lust den Panther wie im Zoo zu
sehen. Diese wird aber enttäuscht.
Par une vitrine sur laquelle il y a des traces de graisse, on
regarde dans une cage. À l‘intérieur, quelques bambous
ont été plantés. Un groupe d‘enfants arrive et ils discutent
tout excités par l‘animal observé. Dans un premier temps, on
entend des cris d‘admiration, puis ils l‘analysent un peu et en
viennent à la conclusion qu‘il fait peine à voir. En regardant la
vidéo, on ne voit ni l‘animal en question ni les enfants, mais
seulement le cage, la réflexion sur la fenêtre et le dialogue
qui est visualisé au milieu de l‘image.
Chinesischer Panther
Chinese Panther
Panthère de Chine
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Baby Dolls
Videoinstallation
Loop
2008
Die Boxen werden lebensgroß projiziert.
Ihre Anzahl (12 - 35) und damit die Größe der Installation
hängt vom Ausstellungsort ab.
The boxes are projected life-sized.
Their number (12-35) and thus the size of the installation
depend on the exhibition space.
Les boîtes sont projetées en échelle un.
Leur nombre (12-35) et donc la taille de l’installation
dépend de l’espace d’exposition.
Die Installation “Baby Dolls” (2008) von Anna-Lena Tsutsui setzt sich mit aggressiver Buntheit
im Straßenbild durch. Die Arbeit bedient sich genau derselben Strategien wie die Werbung,
um Aufmerksamkeit herzustellen: neonbunte Farben, grelles Licht, schnelle Bewegungen
und die emotionale Wirkung süßer, niedlicher Hundewelpen bestimmen diese Arbeit.
Tatsächlich stammen die Bilder ja auch aus einem Geschäft, einer Tierhandlung in Japan.
Dort werden eben diese Mittel eingesetzt, um den Kaufanreiz zu wecken. Die jungen Hunde
werden wie jede andere Ware so präsentiert, dass sie möglichst viel Interesse auf sich
ziehen. Anna-Lena Tsutsui hat die einzelnen Boxen abgefilmt und im Maßstab 1:1 zu einer
Videowand zusammenmontiert, die den Maßen des Schaufensters entspricht und dabei
die originale Präsentation in Japan bei weitem übertrifft. So eingepasst in die Architektur
steigert sich die Starrheit der fast quadratischen Boxen ebenso ins Unerträgliche wie die im
heftigen Gegensatz dazu stehende Ruhelosigkeit der manischen, ungelenken Bewegungen
der Welpen. Gefangen in dieser festgezurrten Form verlieren die Tiere alle Kennzeichen
von etwas Selbstbestimmten: Ihre Bewegungen werden zur reinen Mechanik, zu einem
absurden Ballett fremdgesteuerter Marionetten. Der leere Aktionismus lebendiger Wesen
verwandelt sich in abstrakte Bewegungsmuster.
Dazu hören wir Geräusche, von denen sich der sanfte weibliche Gesang irgendeines
Popsongs, menschliche Stimmen, geschäftiges Klappern und Tierlaute unterscheiden
lassen. Zunächst wirken die Geräusche wie der gewöhnliche Klangteppich in einem
Einkaufszentrum, bis sich nähere Beziehungen zu den Bildern herstellen. Die Tierlaute
entpuppen sich als herzzerreißendes Jaulen. Immer deutlicher setzt sich ein seltsames
Klopfen durch, als dessen Urheber schließlich ein besonders hektisch in seinem Gefängnis
herumhopsender kleiner schwarzer Hund identifiziert wird. Das anfangs bunte und lustige
Bild und die einlullenden Geräusche verändern sich in der Wahrnehmung: Sie bleiben an
sich zwar gleich, weil sich die kurzen Sequenzen mit der sogenannten Loop-Technik wie
in einer Endlosschleife permanent wiederholen, aber durch die Struktur der Wiederholung
entsteht eine Art Gegenbewegung. Wie die Tiere in den Boxen bleibt die Geräuschkulisse
in sich gefangen, sie dreht sich im Kreis. Es gibt kein vor und zurück.
Der Eindruck der Isolation wird auch dadurch verstärkt, dass jede Box ihr eigenes Timing
hat, ihre eigene Dynamik in der Schnittfolge. Dadurch, dass die Boxen von innen beleuchtet
sind, erinnern sie an Bildschirme in bunten Gehäusen. Die verzweifelten Versuche der Tiere,
aus den Käfigen herauszukommen, wirken wie Darbietungen zur Belustigung der Zuschauer.
Extrem gegensätzliche Gefühle, Mitleid, Fürsorge und Belustigung, wechseln sich ab.
Einerseits identifizieren wir uns mit den Tieren und empfinden ihre Leiden emphatisch mit,
andererseits gibt es diese Distanz – in der Projektion durch das rigide Raster der Käfige
visualisiert – die es uns ermöglicht, uns die Tiere physisch und psychisch vom Leib zu halten.
Bei “Baby Dolls” verdichtet sich die Realität je nach den räumlichen Gegebenheiten des
Projektionsortes in einem fest zusammengefügten Bild, in dem sich die Empfindung des
Eingeschlossensein potenziert. Dieses Eingepasste fordert den Widerstand gegen die
unverrückbaren Strukturen geradezu heraus. Indem sich die Installation mit dem Ort gemein
macht, gewinnt sie an Glaubwürdigkeit und Relevanz.
Sabine Elsa Müller, 2013
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The installation “Baby Dolls” (2008) by Anna-Lena Tsutsui dominates the street scenery
through its aggressive tawdriness. To attract attention, the work uses strategies found in
advertising: fluorescent colors, glaring light, fast movements and the emotional impact
of cute dog puppies determine this work. In fact, the images originate from a store, a
pet shop in Japan. There, these instruments are applied to initiate the buying incentive.
The young dogs are presented as if they were any other product for sale, to attract as
much attention as possible.
Tsutsui has shot the boxes one by one and assembled them to a wall of videos on a 1:1
scale. The installation corresponds to the dimensions of the showcase and far exceeds
the original presentation in Japan. Fitted into this architecture, the rigidity of the almost
squared boxes raises to the unbearable as well as the restlessness of the maniacal and
clumsy movements of the puppies, which are in intense opposition to the boxes. Caught
in this tied form, the animals lose every sign of self-determination: Their movements
become purely mechanic, an absurd ballet of externally controlled marionettes. The
blank action of living beings mutates into abstract patterns of movement.
Thereby we hear sounds, of which a female softly singing some pop song, human
voices, busy chatter and animal sounds can be distinguished. At first, these sounds
appear to be the usual sounds of a commercial center, until the relations to the images
get closer. The animal sounds turn out to be heartbreaking whining. A strange knocking
becomes more and more distinct and a dog that is particularly hectically bouncing in
his prison is identified as its author. The perception of the image that was at first sensed
colorful and amusing as well as the lulling sounds changes: In principle, they stay the
same, because the short sequences are repeating permanently in an infinite loop, but
because of this structure of repetition, a kind of counter-movement occurs. Just like
the animals in the boxes, the sound itself is trapped; it goes in circles. There is no way
forwards or backwards.
The impression of isolation is enforced by the fact that each box has its own timing, its
own dynamic in the editing. As the boxes are illuminated from the inside, they recall
screens with colorful cases. The desperate attempts of the animals to break out look
like performances in order to amuse the spectators. Extremely opposed feelings such
as compassion, care and amusement, alternate. On the one hand, we identify with the
animals and feel their suffering in an empathic way, on the other hand there is this
distance – in the projection visualized by the rigid grid of the cages – that makes it
possible to keep the animals at bay as well physically and mentally.
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L’installation Baby Dolls (2008) d’Anna-Lena Tsutsui s’impose par la bigarrure agressive
dans l’image de la rue. La pièce se sert exactement des mêmes stratégies que la publicité
pour attirer l’attention: des couleurs voyantes, une lumière forte, des mouvement rapides
et l’impact émotionnel qu’ont les chiots, définissent ce travail. Effectivement les images
proviennent d’une boutique, d’une animalerie japonaise. Ces moyens y sont employés pour
stimuler l’envie d’achat. Les jeunes chiens y sont présentés comme n’importe quel produit
afin d’attirer un maximum d’intérêt.
Anna-Lena Tsutsui a filmé chaque cage individuellement pour faire le montage d’un
mur de vidéos grandeur nature et à la mesure de la vitrine. L’installation dépasse de
loin la présentation originale au Japon. Ainsi encastrées dans l’architecture, les boîtes
rigides quasiment carrées se multiplient, jusqu’à l’insupportable, en même temps que
les mouvements maniaques, gauches et incessants des petits chiens, qui s’y opposent.
Emprisonnés dans cette forme brêlée les animaux perdent toute ressemblance avec des
êtres autodéterminés : leurs mouvements deviennent mécanique pure, un ballet absurde
de marionnettes dirigées par autrui. L’actionnisme vide des êtres vivants se transforme en
motif abstrait du mouvement.
Cependant on entend des bruits dans lesquels on peut distinguer le chant féminin d’un
chanson pop, des voix humaines, des cliquetis affairés et des bruits d’animaux. Dans un
premier temps ces sons ressemblent au fond sonore habituel des centres commerciaux. Au
moment où on fait le lien avec les images, les bruits d’animaux se révèlent gémissements
déchirants. Un battement étrange s’impose de plus en plus. On finit par identifier en tant
qu’auteur du bruit un petit chien noir, qui saute d’une manière particulièrement frénétique
contre le plafond de sa prison. L’image bariolée qui avait été vue d’abord avec amusement,
de même que les sons berçants changent dans la perception du spectateur : En soi ils restent
les mêmes, parce que les séquences courtes se répètent en boucles continuellement, mais
grâce à la structure répétitive, une sorte de contre-mouvement se crée. Comme les animaux
dans les boîtes, le fond sonore reste emprisonné en lui-même, il tourne en rond. Il n’est
possible ni d’avancer ni de reculer.
L’impression d’isolation est aussi renforcée par le fait que chaque boîte a son propre timing,
sa propre dynamique dans le montage. Comme les boîtes sont éclairées de l’intérieur, elles
rappellent des écrans dans des caisses colorées. Les tentatives désespérées des animaux
pour sortir de leurs cages font penser aux représentations théâtrales destinées à amuser
les spectateurs. Des sentiments contradictoires comme la pitié, la sollicitude et l’amusement
alternent. D’une côté on s’identifie avec ces animaux et on sent leurs souffrances par
empathie, de l’autre il y a cette distance
– visualisée dans la projection par le cadre rigide des cages – qui permet de tenir les
animaux à distance physiquement et psychiquement.
“Baby Dolls” is a stringent conceptual work, in which the reality, with respect to the
location, is concentrated to a firmly assembled image, and the feeling of imprisonment is
exponentiated. This tightly fitted image virtually challenges the resistance to immovable
structures. By making itself common with the location, the installation gains credibility
and relevance.
Dans Baby Dolls la réalité se condense en accord avec les données du lieu de projection en
une image fortement agrégée, dans laquelle le sentiment d’emprisonnement se potentialise.
Cet emboîtement provoque l’opposition aux structures immuables.
En faisant corps avec son lieu, l’installation gagne crédibilité et pertinence.
Sabine Elsa Müller, 2013
Sabine Elsa Müller, 2013
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Kunsthalle Mainz
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Radevormwald, 2013
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Vor allem Hunde und Katzen.
Primarily Dogs and Cats.
Principalement les chiens et les chats.
Videoinstallation + Hefte
video installation + booklets
installation vidéo + livrets
Loop (20 min)
2011
Ganz langsam zieht eine endlose Reihe von kleinen Gräbern
vorbei. Sie haben die Größe von Kindergräbern und sind
mit Blumen, kleinen Gedenktafeln, Spielzeug oder Bildern
geschmückt. Bei genauerem Hinschauen sieht man, dass es sich
um Gräber von Haustieren handelt.
Außerdem gibt es kleine Hefte, in denen man auf jeder Seite
einen kurzen Text lesen kann. Es sind Sätze, die die Besucher
des Friedhofs über ihren Bezug zu dem begrabenen Tier, den
Friedhof oder Tiere im allgemeineren Sinne gesagt haben.
An diesem Ort wird kein Unterschied zwischen Mensch und
Haustier gemacht. Das Tier gehört als vollwertiges Mitglied zur
Familie oder wird zu deren Ersatz.
In all ihrer Tragik nimmt die Situation absurde Züge an. Gleichzeitig
weist die endlose Reihe von kleinen Gräbern darauf hin, dass es
sich hierbei nicht um verrückte Einzelfälle handelt, sondern um ein
gesellschaftliches Phänomen.
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An endless row of little graves passes by very slowly. They
are the size of children‘s graves and are carefully decorated
with flowers, small memorial tablets, toys or photographs.
Upon closer observation, one can see that these are actually
the graves of pets.
Furthermore, you will find small booklets in which one short
text is written on each page. These comments have been
made by the visitors of the cemetery, about their relationship
to their burried pets, the cemetery or animals in a more
general sense.
At this site, no difference is made between human beings
and pets. The animal is as an equal member of the family
or becomes its substitute. While being tragic, the situation
becomes often absurd. At the same time, the endless row
of little graves refers to the fact that many people need such
relations.
Tout doucement, des petites tombes défilent. Elles ont la taille
des tombes pour enfants et sont décorées avec des fleurs, des
plaques commémoratives, des jouets ou des photographies. En
regardant plus précisément, on remarque qu‘il s‘agit de tombes
d‘animaux domestiques.
À l‘intérieur de la salle de projection des petits livrets sont exposés.
Sur chaque page on découvre un petit texte d‘une ou deux
phrases prononcées par les visiteurs du cimetière concernent
leur relation avec leur animal enterré, le cimetière animalier ou les
animaux d‘une façon plus générale.
Ici, aucune différence n‘est faite entre un être-humain et un animal.
L‘animal devient un membre à part entière de la famille.
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Examples for the texts in the booklet:
She was our baby. We had five children. When they left the house, we stuck more to her.
He had lived a healthy life for ten years and then he died due to an innecessary surgical procedure. I
‘ll say it like this: The vet didn‘t do what had to be done.
She had diabetes. I injected her insulin every 12 hours.
We lived 15 years together and I would like to be next to him in eternity.
I wish we could entomb him in our family grave.
She never disappointed us.
There are some older people, who can‘t move anymore. So they ask us to take care of their graves.
We place flowers on the graves and then we then send them a picture.
As long as I live, I will come to visit him.
Installation 1,5 x 5 m
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I LOVE YOU! TELL ME ! TELL ME I LOVE YOU !
I LOVE YOU !
Video 2:20 min (Loop)
2011
Playing a maniacal game, dog owners hold their animals and
try to make them say, “I love you”. The dogs actually imitate
the human sounds. The video might be at first funny, but
soon enough it gets extremely annoying. It is absurd to try
to teach a human language to a dog and even more to ask
for a human declaration of love, but this is only revealed to
be a problem when the game turns into obsessive coercion.
I LOVE YOU! TELL ME ! TELL ME I LOVE YOU !
In einem manischen Spiel halten Hundebesitzer ihre Tiere fest
und reden auf die ein. Sie wollen ihre Lieblinge dazu bringen
„I love you“ zu sagen. Die Hunde versuchen tatsächlich die
menschlichen Laute zu imitieren. In diesem schreiend-komisch
bis extrem nervlichen Video wird die komplexe Beziehung, die
viele Menschen zu ihren Haustieren haben, thematisiert. Die
Beziehungen sind oft sehr eng. Während der Hund total vom
Menschen abhängt und von diesem dominiert wird, fühlt sich dieser
mehr oder weniger stark mit dem Tier verbunden und liebt dieses.
Auch der Hund ist mit seinem Herrchen emotional verbunden. Nun
ist es absurd, einem Hund die menschliche Sprache beibringen
zu wollen oder gar ein meschliches Liebesgeständnis von ihm
einzufordern. Wirklich daran stören tut man sich aber erst, wenn
aus dem Spiel manischer Zwang wird.
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I LOVE YOU! TELL ME ! TELL ME I LOVE YOU !
Jouant un jeu maniaque des détenteurs de chiens retiennent
leurs animaux et les tiraillent. Ils veulent qu‘ils leurs disent
„I love you“. En effet les chiens essaient d‘imiter les sons
humains. Dans cette video agaçante et comique à la fois,
c’est de la relation complexe qu’entretiennent beaucoup de
maîtres avec leurs animaux domestiques dont il est question.
Ces relations sont souvent très intimes. Alors que l‘animal est
totalement dépendant de l‘homme, celui-ci se sent plus ou
moins connecté avec l‘animal et l‘aime à sa façon. Le chien,
lui aussi, s‘attache émotionnellement à son propriétaire.
S’il est absurde d’essayer d’apprendre à parler à un chien
comme d’en exiger une déclaration d’amour, ces relations
ne se révèlent véritablement problématiques qu’au moment
où le jeu devient coercition obsessive.
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4 Uhr
4 o’clock
À 4 heures
Video
8 min
2011
Mitten in der Nacht begleiten wir Elisabeth auf ihrer üblichen Tour.
Jede Nacht, seit 13 Jahren, verlässt sie um 4h morgens das Haus,
um die streunenden Katzen ihres Viertels zu füttern. Auf dem Weg
erzählt sie uns von ihrer Liebe zu den Tieren, ihrer Angst diese
zu verlieren und den möglichen Gefahren, die ihr in der Nacht
begegnen könnten.
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In the middle of the night we accompany Elisabeth on her
usual tour. Every night, for the past 13 years, she gets up for
feeding the stray cats in her neighborhood. On the way she
tells us about her love for these animals, about her fear to
lose them and the potential dangers that may occur in the
night.
Au milieu de la nuit on accompagne Elisabeth sur son tour
habituel. Chaque nuit, depuis 13 ans, elle sort à 4h pour faire
manger les chats errants de son quartier. Sur le chemin elle
nous parle de son amour pour ces animaux, de sa peur de
les perdre et des dangers éventuels de son parcours.
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COCORICOOO !
Soundinstallation
zwei Lautsprecher
2011
Der Hahnenschrei wird von 25 Personen, die aus den
unterschiedlichsten Ländern kommen, in ihrer jeweiligen Sprache
gerufen.
In einer Zeit in der Frankreich einen starken Rechtsruck erlebt und
die Zuwanderung eingeschränkt werden soll, werden 10 Tage
lang, von 8 – 11h morgens, diese Schreie links und rechts in der
Mitte der „Pont des Arts“, Paris, abgespielt. Die Rufe scheinen sich
über die Fußgängerbrücke hinweg zu antworten. Diese liegt im
Zentrum von Paris. Wenn man auf ihr steht, hat man einen Blick auf
insgesamt 9 französische Fahnen.
Seit der Römerzeit ist der Hahn (Gallus) Symbol für die Gallier.
Während der französischen Revolution wurde er offizielles
Nationalsymbol. Obwohl er dies heute nicht mehr ist ist er weiterhin
ein wichtiges Symbol der nationalen Identität Frankreichs.
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Twenty-five people of different countries annunciate the
rooster’s crow in their own language.
For 10 days, between 8:00 and 11:00 in the morning, these
sounds were set up on the right and left sides of the midpoint
of the „Pont des Arts“ in Paris, France.
Since Roman times, the rooster has been a symbol for the
Gaulles. During the French revolution, it officially became a
national French symbol. Today, it no longer is, but the French
still identify with the male chicken. He remains an important
symbol of the national identity.
The bridge is situated in the center of Paris. Standing on the
bridge, you have a wonderful view of the city and 9 French
flags.
Le chant du coq a été prononcé par vingt-cinq personnes qui
viennent de différents pays, dans leur propre langue.
Pendant dix jours, entre huit et onze heures du matin, ces
sons ont été installés sur les côtés droit et gauche du „Pont
des Arts“, au centre de Paris.
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Mein Marktplatz
My Market Place
Ma place de marché
Video
6:28 min
2009
Passanten werden gebeten den Ort zu beschreiben, an dem sie
sich befinden, indem sie in Worte fassen, was sie unmittelbar
sehen. Der Bildausschnitt ist dabei so gewählt, dass der Betrachter
nur die Personen, nicht aber den Ort sehen kann. Also kann er
sich nur durch die Beschreibung der verschiedenen Personen ein
Bild von diesem machen.
Obwohl alle den gleichen Ort beschreiben, ist jede Beschreibung
einzigartig. Jeder Gefragte nimmt den Ort anders wahr, hat andere
Bezugspunkte, andere Wichtigkeiten.
Es ergibt sich so eine Reihe von 6 Portraits, in denen Aussehen,
Gestik, Mimik und vor allem die Wahrnehmung jedes einzelnen im
Vergleich zu den anderen zu beobachten ist.
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Passersbys are asked to describe the locality around them
by putting into words what they spot instantaneously. The
image detail of the video is thereby chosen so that the viewer
isn‘t able to watch the described situation. Thus he can only
picture it by the description of the different persons. Even
though all of them describe the same place, every description
is unique. Everyone perceives the place differently, has
different points of reference, different interests.
Altogether a serial of portraits has resulted in which
appearance, gesture, mimic and personal perception can be
observed.
Des passants sont priés de dépeindre le lieu où ils se trouvent
en exprimant en quelques mots ce qu’ils voient autour d’eux.
Le plan est choisi de telle façon que le spectateur ne peut
pas voir le lieu décrit. Donc il peut seulement se faire une
idée de celui-ci à travers des descriptions des différentes
personnes.
Bien que toutes les personnes décrivent le même lieu,
chaque description est unique.
Chacun a une perception différente, différents points de
référence, et accorde une importance différente à chaque
aspect de l’espace qui l’entoure.
De l’ensemble résulte une série de portaits tissée de gestes,
de mimiques et surtout de façons uniques de voir le monde.
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Sumaurakoen
Video
12:25 min
2008
„Sumaurakoen“ ist der Name eines alten Vergnügungsparks für
Kinder in Sumaura. Er ist völlig verlassen und dennoch läuft die
Vergnügungsmaschinierie noch. Lustige Musik spielt, künstliche
Bäche plätschern vor sich hin, Spielzeugautos in Form von
bekannten japan-ischen Mangafiguren rufen mit quietschigen
Stimme nach nach den nicht vorhandenen Kindern. Die
Atmosphäre in diesem Park ist alles andere als vergnüglich.Ein
beklemmendes Gefühl entsteht, das durch den ständigen Wind
und die Krähen, die die einzigen hier sichtbaren Lebewesen sind,
noch verstärkt wird.
In dem Video wird mit einer langsamen Abfolge von Bildern
gearbeitet, die meist fast Standbilder sind. Selten gibt es Sequenzen
in denen Bewegung die Bewegungslosigkeit und Stille, die sonst
herrscht, unterbricht und damit noch deutlicher macht. Die Bilder
sind starr im Aufbau und das Motiv von Gitterstäben und Raster
kehrt immer wieder.
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„Sumaurakoen“ is the name of an old amusement park for
children in Sumaura. Even though it‘s completely deserted,
it‘s still running: Funny music is playing, artificial streams are
splashing along, toy cars in the form of famous Japanese
manga characters are calling with their screeching voices for
the non-existent children to come and amuse themselves.
Everything has rusted and the atmosphere is not pleasurable
at all. An oppressive feeling arises, which is enforced by the
constant wind and the crows that are the only living creatures
at this place.
The video consists of a slow succession of images that are
often almost still images. From time to time mechanic motion
interrupts the silence that becomes through this even more
perceptible. The images are rigid in their composition and
the theme of lattice bars and grids recurs again and again.
„Sumaurakoen“ est le nom d’un vieux parc d’attraction pour
les enfants à Sumaura au Japon. Déserté de tous, il continue
pourtant de fonctionner. Sur une musique joyeuse mêlée au
gazouillement des ruisseaux artificiels, des personnages de
manga japonais transformés en voitures jouets appellent de
leurs cris aigus des enfants absents. Néanmoins l’ambiance
dans ce parc est loin d‘être amusante. Un sentiment
oppressant se fait jour, intensifié par le vent fort et incessant.
La vidéo se constitue d’une lente suite d‘images, presque
des images fixes. Ce n’est que rarement que le mouvement
casse l’akynésie, ne la rendant que plus évidente. Dans la
raideur de ces images, l’espace apparait de plus en plus
quadrillé alors que les grilles et les barreaux se multiplient.
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Montag
Monday
Lundi
Video
3:40 min (Loop)
2008
Man sieht eine Straßenecke, die beinahe ausschließlich aus
Beton besteht. Verkleidete und bunt gekleidete Menschen laufen
von Zeit zu Zeit durch die graue Szene.
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A common city scenery is filmed. Its elements are mostly
made of concrete and straight lines. From time to time
strangely dressed people walk through the image. Their
colorful disguises demonstrate a will for a life that seems to
be not at its place in this gray environment.
On voit un coin de rue faite entièrement du béton. Des gens
déguisés et vêtus de manière très colorée traversent de
temps en temps cette scène grise.
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FOTOGRAFIE
PHOTOGRAPHY
PHOTOGRAPHIE
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Intimitiätsverhältnisse
Einführungsrede anlässlich der Ausstellung von Anna-Lena Tsutsui in der Reihe „Kunst
im Abgeordnetenbüro“, Landtag Mainz
Wenn wir über Intimität sprechen, denken wir an Sphären der Privatheit, an Rundund Umräume, in denen andere Gesetze gelten als im öffentlichen Raum. Politische
Räume sind ebenfalls Teilungsräume, jedoch zweifellos weiter gefasst. Zumindest
für die Griechen war den politische Raum jener der Polis, der Austausch zwischen
meinungsfähigen Bürgern. Während in diesen Andersartigkeit, Seinlassen, teilweise
sogar Allianzen mit Gegnern zugelassen werden, zumindest wenn es sich um
demokratische handelt, sind wir in Intimbeziehungen empfindlicher. Toleranzschwellen
sind niedriger, Nähe wird bedeutsam, Zuneigung, aber auch Initiativen des Schutzes
wie Protektionismus, Clandenken, Familiendünkel und Eifersucht. Intimsphären sind
Schutzräume, undurchsichtig und ohne Rand. Interessanterweise stellen wir sie uns
als Umgebungsfelder vor, als rundliche Hüllen, die sich um uns bilden. Wenn sie sich
hart ausnehmen, wie die Kugel aus Beton, die in dem Video von Anna-Lena Tsutui zu
sehen, dann flößen sie uns Angst ein, erscheinen als unberechenbares Subjekt, gerade
weil sie die Tulpenblüten, die außen verletzlich an der Oberfläche sitzen, mit dem
eigenen Bewegungsdrang zerstören. Intimfelder sind Filter rund um unser Individuum,
das ja dem Namen nach teilungsunfähig ist, aber sich nichts mehr wünscht, als einen
seelenverwandtes Gegenüber zu finden, stets auf der Suche nach bereichernden
Komplementären, Gegenstücken. Intimräume sind nämlich semipermeabel, öffnen
sich vorsichtig zu Freunden und Gleichgesinnten und vertrauenswürdigen Partnern
hin. Vielleicht ist Liebe nichts anderes als erhitzte Ergänzungsfantasie. Es scheint, dass
wir Menschen uns nur zufrieden stellen, wenn uns Sehnen reziprok beantwortet wird,
nämlich von Exemplaren gleicher Art und Gattung.
Doch können wir auch andere Existenzen lieben, Tiere zum Beispiel, die Natur natürlich,
wobei wir uns leichter tun, wenn wir einen Rest der Ebenbildlichkeit annehmen.
Auch Götter können wir lieben. Der kulturhistorische Erfinder der Intimität ist ein
Tiefgläubiger, in dem die Subjektivität auf der Suche nach ihrer inneren Gottesspur ist.
Sie verfolgt den Ausweg aus ihrer eigenen, nichtigen Natur und den Aufstieg in eine
Substanz, die von dem Höchsten erwidert und damit belohnt wird. Augustinus nützt
die Empfindung, um von einem Dasein als Kreatur los zu kommen, und sich selbst zu
erhöhen zu einem Abglanz, ja man möchte sagen, zu einem Spiegel des Göttlichen,
der dennoch immer suchend und damit teilblind bleibt. Augustinus` Einbeziehung des
Göttlichen in den Intimraum ist nicht nur die Vorbereitung für viele schwüle Theo-Erotik
der folgenden Jahrhunderte, sie bietet natürlich auch die Erklärung, warum wir nach
dem Wort der Bibel Gott ebenbildlich sind. Allein aus dem Grund, weil wir uns auch ihn
als einen Liebenden konzipieren, von dem wir erhoffen, er möge uns gegenüber die
selbe Sehnsucht verspüren, die wir ihm gegenüber entfalten. Doch die Enttäuschung
ist groß, weil seine transzendente Unerreichbarkeit eine Entfremdung, ja ein Alleinsein
zurücklässt und die Erkenntnis, das uns Mangelwesen die paradiesische Koexistenz
unmöglich ist. Daher müssen wir uns mit anderen Wesen begnügen, solchen die den
Spiegelcharakter der Ergänzungsfantasie von sich aus und freimütig beantworten, -
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dafür hat sich in letzter Zeit der Ausdruck „Lebensmensch“ etabliert – oder schlicht
solchen, die sich nicht wehren können. Sie schafft ein Übertragungsprinzip für das
Begehren nach intimer Resonanz, indem es Umweltbedingungen baut, die der eigenen
Sphäre Vertrautheit, unentfremdetes Wohlsein bieten, aber die andere Kreatur in
lebensferne Bedingungen zwingt. Ich spreche – Sie ahnen es schon – von anderen
Lebewesen, nicht „Lebens-Menschen“, sondern „Lebens-Tieren“, „Lebenspflanzen“.
Anne-Lena Tsutsui führt sie uns vor. Kleine Schoßhunde, die zwischen Kuscheltieren
auf Fellen ihr Leben fristen. Balkonpflanzen, die Höhenmaße sprengen, schließlich
Tulpen in Vorgartenbeeten, die niedlich gesäumt sind. Alle diese Kreaturen sind
nicht nur Teile der Natur, botanische oder zoologische Exempel, sie sind schon gar
keine Nutztiere oder dienen dem landwirtschaftlichen Anbau, nein ich würde sogar
bezweifeln, dass sie der ästhetischen Verbesserung dienen. Vielmehr sind es
Seelenwesen, die Intimbedürfnisse befriedigen, indem sie reziproke Verhältnisse
für unsere primäre Einsamkeiten bieten. Deshalb, weil wir dies wissen, weil wir in
ihnen Sehnsuchtsbeantworter und Begehrensreflektoren sehen, entdecken wir
auch die Melancholie, die Traurigkeit, die sich in solchen Bedürfnissen spiegelt. Wir
finden sie nicht nur in den Fotos, die Anna-Lena Tsutsui in Paris und hier in Mainz
macht, wir finden sie, und - dies ist höchst beunruhigend - auch in uns. Denn nicht
zuletzt stammen sie aus dem Enthusiasmus eines Begehrens, dass das Leben
vor dem Tod sichert. Am nachdenklichsten stimmt das Bild mit den Tulpenbeeten.
Tulpen sind schöne, elegante Blumen, die in Holland schon seit dem 17. Jahrhundert
für immense Preise versteigert werden. Es sind keine Pflanzen im engen Sinne des
Wortes, vielmehr sind es Zurichtungswesen, Züchtungserfolge, artifizielle Gestalten,
die Vorstellungen von Ästhetik fast mehr geformt haben, als ihre eigene Genetik. Sie
sind menschliche Schöpfungen, die nicht auf Ebenbildlichkeit aber Wunschbefriedung
zielen. Und dennoch, von ihrem seidig fettigen Glanz verblühen sie recht rasch, und
wir wissen, dass sie vergehen. Denn alle diese Ergänzungsfantasien gehen letztlich
um den Fortbestand des Lebens, um die Vorstellung von einem Intimraum durch die
Zeiten hinweg. Vielleicht sind die deshalb in Altenheimen so beliebt, weil sie zwar
vergehen, die Eleganz der Jugend und eine geschminkte Farbigkeit rasch wieder
verlieren, rascher als andere Gewächse, aber ihre Zwiebel überwintern. Damit können
sie etwas, was gottesfürchtige und innige Liebende nicht können, nämlich wieder zur
Welt kommen, und neu aufblühen.
Thomas D. Trummer, 24. September 2013
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Berge und Blumen
Mountains and Flowers
Montagnes et fleurs
serial of photos
2014
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One Stone, 2014
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Der Balkon, The Balcony, Le balcon, 2012
90
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Der Garten, The Garden, Le jardin, 2012, 70 x 120
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93
Ein anderer Balkon I, Another Balcony I, Un autre balcon I, 2012
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Ein anderer Balkon II, Another Balcony II, Un autre balcon II, 2013
95
Spring Series
2012
5 photographs
each 20 x 30 cm
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Im Park
In the Parc
Au parc
2012
98
99
Blumen, Flowers, Fleurs, 2011, 5 photographs on aluminium
100
101
Flussbirke, Bouleau de Rivière, 2011, projection of a single slide, ca. 1,20 x 1,80 m
102
103
∞
2012
ink-jet print
ca. 3 x 4 m
104
105
The point of view, 2011
106
Kokons, Cocoons, Cocons, 2011
107
Hunde in der Stadt, Dogs in town, Des chiens en ville, 2011, 50 photographs
108
109
Kuscheltiere, Cuddly Toys, Doudous, 2011
110
111
Ohne Titel, No Title, Sans titre, 2009
112
113
Möbelstücke
2009, gerahmte Fotografien
114
Pieces of Furniture
2009, framed photographs
Meubles
2009, photographies cadrées
115
OBJEKTE
OBJECTS
OBJETS
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Nester / Nests
Nids
2013
verschiedene wilde Vogelnester, Edelstahl
je 35 cm + Kette
various wild bird’s nests, stainless steel
each 35 cm + chain
différents nids sauvages, inox
chaque 35 cm + chaîne
Von Wildvögeln gebaute Nester sind in Edelstahlkäfige eingeschlossen.
Die Käfige haben keine Tür, bilden also isolierte Räume, in denen
sich je ein individuelles Nest befindet. Der Vogelkäfig ist ein vom
Mensch entworfenes Gefängnis, und zugleich ein Ausstellungsraum
in dem Tiere eingesperrt werden, die wir seit jeher mit einem Gefühl
von Freiheit verbinden. Das Vogelnest dagegen ist ein vom Altvogel
gebautes Haus zur Brut und Aufzucht der Küken. Aus gefundenem
natürlichem Material wie Zweigen, Haaren und Moosen gebaut,
bietet es Sichtschutz und Wärme. In Kombination mit dem Käfig büßt
das natürliche Haus seinen Sichtschutz ein. In Augenhöhe hängen
die Vogelkäfige nun da und jeder Ausstellungsbesucher kann in die
fremde Wohnung hineinschauen. Die Grundstruktur der Käfige folgt einer vorher willkürlich festgelegten
Norm. So sind sie alle gleich hoch, die Stäbe sind gleich dick und
die Kuppe der Käfige hat immer die gleiche Form. Im Bereich
der eingesetzten Nester sind aber Abweichungen möglich. Die Käfige
passen sich hier der Form der eingeschlossenen Nester an, sie werden
dicker, dünner, sind mal rund, meist aber unregelmäßig geformt. Die
Nester sitzen an dieser Stelle fest, kein zusätzlicher Umraum wird
ihnen geschenkt.
Die hier vorgegebene strukturelle Norm kann im übertragenen Sinne
als gesellschaftliche Norm verstanden werden, die das Leben jedes
Menschen bestimmt. Individuelle Abweichungen sind auch hier
bedingt möglich, solange der Rahmen gewahrt wird.
118
11 nests that have been made by wild birds are enclosed in metal cages.
The cages don’t have doors, thus each of them creates an isolated
space for one individual nest. Bird cages are man-made prisons and
at the same time exhibition spaces conceived for animals that we link
to a feeling of freedom. The bird nest, in contrast, is a house made by
the bird to breed and bring up chicks. Made of found natural materials
such as branches, hair, and moss, it offers camouflage and warmth.
In combination with the cage the houses lose these qualities. Being
displayed at eye level every visitor of the exhibition can look into the
foreign houses.
The basic structure of the cages follows an arbitrarily determined norm.
They all have the same height, the metal bars have the same radius
and the summit always has the same shape. In contrast, variations are
possible at the place where the nests are enclosed. The cages fit to
the nest’s forms : they become thicker, thinner, sometimes they are
round shaped, but mostly they have an irregular form. At this place no
additional space is given to the nests. In a figurative sense, this given
structural norm can be understood as the social norm that determines
the life of every person living in a society. As for the nests, individual
variations are possible but limited, as long as the frame is being
maintained.
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Betonstruktur
Concrete Structure
Structure en béton
2013
60 x 60 x 60 cm
Beton, Keramik
concrete, ceramics
béton, céramique
Die Struktur ist aus Beton, einem Material, das die Künstlerin
kritisiert, an das sie aber auch durch ein Bedürfnis des
Ausdrucks und Faszination gebunden ist. Hier ist sie Modell,
in dem Figuren umher wandeln. Ohne die Möglichkeit der
Flucht oder des Vorwärtskommens erinnern die Figuren an
eine Art Prozession ohne Ausgang. Aus Keramik hergestellt,
sind sie in einer imposanten Struktur eingeschlossen, die
eine Architektur andeutet. In Übereinstimmung mit dem
allegorischen Ansatz der Werke von Anna-Lena Tsutsui, sind
die Figuren nicht explizit anthropomorph. Trotzdem erinnern
sie an eine bestimmte Morphologie, eine Haltung, die sie
als Menschen erkennen lässt. Es ist also nur natürlich sich
in die Szene hineinzuversetzen und Anteil an den, in einem
absurden physischen oder mentalen Raum, eingezwängten
Wesen zu nehmen.
(Ausschnitt aus der Einführung von Bianca Bozzeda)
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The structure is made of concrete, a material that the artist
criticizes, but to which she is attached by fascination and
an expressive need. Here it becomes the scenario in which
figures walk around. Without the possibility to escape or
to advance, these introduced characters evoke a sort of
procession without exit. Made of ceramics, the figurines
are encased in an imposing architecture, even though
just initiated. In accordance with the allegorical approach
of the pieces by Tsutsui, the characters are not explicitly
anthropomorphic: They still do evoke a certain morphology,
a posture that makes us perceive them as humans. After
all, it is natural to project oneself into the scene and to feel
with these creatures that are caught in an absurd physical or
mental enclosure.
(Excerpt of the introduction by Bianca Bozzeda)
La structure en béton, matériel que l’artiste critique mais
auquel elle est liée par un besoin expressif et une fascination
intrigants, se fait ici le scénario d’une déambulation figurée.
Sans possibilité de fuite ni de progression, les personnages
introduits dans la scène évoquent une sorte procession sans
sortie. Réalisés en céramique, les figurines sont renfermées
dans une architecture imposante quoique juste amorcée.
Conformément à l’approche allégorique des œuvres
de Tsutsui, les personnages n’ont rien d’explicitement
anthropomorphe : ils évoquent toutefois une certaine
morphologie, une posture qui nous les fais percevoir comme
humaines. Il est alors naturel de se projeter dans la scène
et de compatir ces présences coincées dans une enceinte
absurde, physique ou bien mentale qu’elle soit.
(Extrait de l’introduction par Bianca Bozzeda)
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Vom Fliegen
(About Flying)
(Du vol)
2013
320 x 130 x 120 cm
Keramik, Holz, Stoff
ceramics, wood, fabric
céramique, bois, tissu
Vom Fliegen ist eine sowohl organische als auch fremde Form. Die Skulptur
aus Keramik setzt sich auf Grund ihrer ungewöhnlichen Erscheinung im
Raum durch. Sie überrascht und verdichtet in ihrer wunderlichen Form
zwei Komponenten der Arbeit von Anna-Lena Tsutsui: das Komische und
das Tragische. Feststeckend, unbehaglich, aber auch karikaturenhaft und
amüsant durch ihre grobschlächtige Erscheinung ist dieses orangefarbene
Ding eine Allegorie der Lebensbedingungen in einer Stadt. Festgefahren
und auf gewisser Weise unterbrochen erinnert Vom Fliegen an die
Fotoarbeit Der Balkon (2011): Der Lebenselan ist verboten durch eine
Präsenz von außen, die eine volle Entfaltung verhindert. Wenn dieser
Aspekt bereits in Arbeiten wie Ein anderer Balkon 1 und Ein anderer
Balkon 2 eingeführt wurde, so wird das Konzept in Vom Fliegen weiter
entwickelt. Die Skulptur hat eine organische, weiche Form. Ihr Gewicht
von etwa 30 Kg sowie ihre Größe lassen an eine körperliche Gestalt
denken. Über den rein formalen Aspekt hinaus - das Werk ist tatsächlich
zweigeteilt - drückt Vom Fliegen eine tiefer gehende Unsicherheit und
Instabilität aus. In diesem Sinne ruft die unangenehme Situation, in der
sie sich befindet, ein beinahe existentielles, menschliches Unbehagen
hervor. Als unvollendeter Akt hängt sie im Raum. Vom Fliegen hebt eine
tragikomische Seite der menschlichen Realität hervor.
(Ausschnitt aus der Einführung von Bianca Bozzeda)
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Vom Fliegen is an organic, but unfamiliar form. The ceramic sculpture
asserts itself in the space due to its particular aspect. It surprises, because
it is strange and condenses two components of the work by Anna-Lena
Tsutsui, the comical and the tragical. Transfixed, uneasy and disturbing,
but also caricatural and amusing, because raffish, this orange being
is an allegory of the living condition in the city. Disabled and somehow
interrupted, Vom Fliegen recalls Tsutsui’s piece The Balcony, realized in
2011: The vigor of life is banned by an external presence that prohibits a
full expansion. If this aspect has already been introduced by works such
as Another Balcony 1 and Another Balcony 2, Vom Fliegen develops the
concept to a greater extent. The sculpture has an organic, soft form. Its
weight of 30 kg as well as its dimensions recall a physical configuration.
Beyond its formal aspect, for which the piece is actually disjoined, the
sculpture expresses a deeper uncertainty and instability. Its arduous
situation provokes an almost existential, human, malaise. As an unfinished
act, it hangs in the space. Vom Fliegen underlines the tragicomic aspect
of this human reality.
(Excerpt of the introduction by Bianca Bozzeda)
A la fois forme organique et étrangère, la sculpture en céramique Vom
Fliegen s’impose dans l’espace par son aspect insolite. Elle étonne parce
que bizarre et condense en soi les deux composantes du travail de AnnaLena Tsutsui : le comique et le tragique. Coincé, mal à l’aise et dérangeant,
mais aussi caricatural et amusant parce que grossier, cet être orange
est une autre allégorie de la condition de la vie dans la ville. Bloqué et
en quelque sorte interrompu, Vom Fliegen rappelle l’œuvre Le balcon
réalisée en 2011 : l’élan vitale est interdit par une présence extérieure qui
en empêche le plein épanouissement. Si cet aspect est déjà introduit par
des travaux tels que Un autre balcon 1 et Un autre balcon 2, Vom Fliegen
développe le concept davantage. La sculpture a une forme organique,
moelleuse ; son poids de 30 kg ainsi que ses dimensions évoquent
une configuration corporelle. Au de-là de l’aspect purement formel,
pour lequel l’œuvre résulte effectivement « entre deux », la sculpture
exprime une incertitude et une instabilité plus profonde. Dans ce sens, la
situation pénible dans laquelle elle se trouve suscite un malaise presque
existentiel, humain. L’échec ne concerne alors pas seulement la condition
de la nature dans un contexte urbain, mais aussi la condition-même de
l’être humain, limitée et étouffée à son tour. Comme inabouti et suspendu
dans l’espace, Vom Fliegen met en évidence le côté tragi-comique de
cette réalité humaine.
(Extrait de l’introduction par Bianca Bozzeda)
131
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Limbo
2014
80 x 140 cm
Aquarell auf Papier
watercolor on paper
aquarelle sur papier
Architekturähnliche, geometrische Objekte schweben im
leeren Raum wie Planeten mit ihrer eigenen Schwerkraft. Es
sind persönliche, vom Geist erschaffene, Welten, die kein
Außenstehender betreten kann. Mit jedem dieser Objekte
schwebt eine vereinfachte Figur, die Relation zu ihnen tritt.
Jedes Gemälde ist in Gedanken an eine bestimmte, auf ihre
eigene Art einsame, Person entstanden. Sie können deshalb
als Portraits oder als ein bestimmtes Gefühl in Gedanken an
eine Person gelesen werden.
134
Constructions with related simplified persons are floating in
the empty space like planets with their own gravity. They are
personal worlds formed by the mind that no one else can
access. Each of them refers to a particular person – lonely
persons, each in their own way. The drawings might be read
as their portraits or as a feeling about them.
Des constructions avec des personnes simplifiées flottent
dans l’espace vide comme des planètes avec leur propre
gravité. Ce sont des mondes personnels formés par l’esprit et
que personne de l’extérieur ne peut accéder. Chaque dessin
fait référence à une personne particulière et solitaire de sa
façon. Les dessins peuvent être lus comme leurs portraits ou
alors comme des sentiments pensant à eux.
135
SeMA Nanji Exhibition Hall, Seoul, 2014
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Anna-Lena Tsutsui
geborene Gremme, 1985 in Mainz
lebt und arbeitet in Paris
+33 (0) 68 17 59 05 9
[email protected]
www.annalenatsutsui.net
Ausbildung
2006 - 2013 Kunststudium an der Ensba Paris und der Kunsthochschule Mainz:
Diplôme national supérieur d‘arts plastiques (DNSAP), 2013
Meisterschülerin von Prof. Dieter Kiessling, 2013
2005-2012 Studium Kunst, Französisch und Bildungswissenschaften
an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Examen 2012;
Zusatzqualifikation Japanstudien, 2009
Förderung
2014 SeMA Nanji Residency, Seoul Museum of Art, Süd-Korea
2013 Ankauf durch die Sammlung des Landes Rheinland-Pfalz
140
Ausstellungen und Festivals (Auswahl)
2014 Lucie Mercadal unf Anna-Lena Tsutsui, Kunstverein Schwerin
Circular Hands, Centripetal Eyes, Seoul Museum of Art - Nanji Exhibition Hall, Seoul, Sudkorea
Open-Expo, Ausstellung internationaler Klangkunst, TuFa Trier
Prix Icart - Artistik Rezo, Espace Pierre Cardin, Paris, Frankreich
La nuit de l‘Instant, Marseille, Frankreich
2013
Filmschau Großregion, KuBa Saarbrücken
LichtBild, Interventionen im öffentlichen Raum, mit Lisa Weber
Festival Internacional de Video Arte - Camagüey, Kuba
Buddleia ! Ecobox, Paris
Kunst im Abgeordnetenbüro, Landtag, Mainz
Sabine, es kommt noch schlimmer. Peng, Mainz
2012
Expanded - Medien im Raum, 25. Stuttgarter Filmwinter
Au-delà des chlichés, Maison du Japon, Paris
Ausstellung zum Förderpreis der Stadt Mainz
Traverse Video, Toulouse
Die Sprache ist das Haus in dem wir leben, Kunstfilmtag, Düsseldorf
2011
X Wohnungen, eine Kooperation des HAU Berlin und des Nationaltheaters Mannheim, Mannheim
Was ist das Tier? Internationale Nacht der Museen, Musée de la Chasse
et de la Nature, Paris
Bring your own Shadow, Caos Art Gallery, Venedig
Emy-Röder-Preis 2011, Kunstverein Ludwigshafen
4. Festival für junge Kunst, Peking
2010
Qui Vive? II Moscow International Biennale for Young Art, NCCA, Moskau
Les Instants Video, Marseille
III Festival Internacional de Video Arte - Camagüey, Kuba
Bestiary - The Animal in Contemporary Art, Manifest - Creative Research Gallery and Drawing Center, Cincinnati, Ohio
Videomedeja, Museum of Contemporary Art of Vojvodina, Novi Sad
2009
VideoZone, Kunsthalle Mainz
Interventionen. Aktionen und Projekte von Studenten, Videonale 12, Bonn
Full House, Projektraum Satellit der Galerie Anita Beckers, Frankfurt a. M.
Sabine, das geht gar nicht. Ausstellung mit Carola Ali Oussalah, Peng, Mainz
Sumaurakoen bei Souvenirs from Earth TV
141
Anna-Lena Tsutsui
née Gremme in Mainz, Germany, 1985
lives and works in Paris
+33 (0) 68 17 59 05 9
[email protected]
www.annalenatsutsui.net
Education
2006 - 2013 studies of fine arts at the Kunsthochschule Mainz (class of Dieter Kiessling)
and at the Ecole nationale supérieure des beaux-arts de Paris (atelier Marie-José Burki)
„Meisterschülerin“ of Dieter Kiessling in 2013
Dnsap (MFA), Paris, 2013
2005-2012 studies of fine arts, french and educational science at the Johannes
Gutenberg-University Mainz: Master of education in 2012; additional studies of the
japanese language and culture at the Johannes Gutenberg-University Mainz: diploma
in 2009
Official support
2014 2013
SeMA Nanji Residency, Seoul Museum of Art, South Korea
aquisition of the collection of the Landesmuseum Rheinland-Pfalz
Exhibitions and Festivals (selection)
2014 Lucie Mercadal and Anna-Lena Tsutsui, Kunstverein Schwerin, Germany
Circular Hands, Centripetal Eyes, Seoul Museum of Art - Nanji Exhibition Hall, Seoul, South Korea
Open-Expo, international sound art, TuFa, Trier, Germany
Prix Icart - Artistik Rezo, Espace Pierre Cardin, Paris, France
La nuit de l‘instant, Marseille, France
2013
2012
Filmschau Großregion, KuBa Saarbrücken, Germany
LichtBild, with Lisa Weber, Radevormwald, Germany
5. Festival Internacional de Video Arte - Camagüey, Cuba
Buddleia! Ecobox, Paris
Sabine, es kommt noch schlimmer. Peng, Mainz
Art in the House of Deputies and 3x Klingeln, Mainz
2011
X Apartments, a cooperation of the Hebbel am Ufer, Berlin,
and the National Theater Mannheim, Mannheim, Germany
Who are the animals? Night of the museums 2011, Musée de la Chasse et de la Nature, Paris
Emy-Röder-Preis 2011, Kunstverein Ludwigshafen, Germany
4th Festival for Young Art, Beijing, China
25 Stuttgarter Filmwinter, exhibition in the section „Expanded Media“,
Filmhaus Stuttgart, Germany
Au délà des clichés, Maison du Japon, Paris
exhibition of the grant for young artists of the city of Mainz
Traverse Video Faut Voir, Goethe Institut, Toulouse, France
Kunstfilmtag, Düsseldorf, Germany
2010 Qui Vive? II Moscow International Biennale for Young Art, NCCA, Moscow,Russia
Frames from the Edge, collective exhibition at the gallery Marion Scharmann, Cologne
Les Instants Vidéo, Marseille, France
III Festival Internacional de Video Arte - Camagüey, Cuba
Bestiary - The Animal in Contemporary Art, Manifest - Creative Research Gallery and Drawing Center, Cincinnati
Videomedeja, Museum of Modern Art Vojvodina, Novi Sad, Serbia
2009
142
VideoZone, Kunsthalle Mainz
Full House, exhibition of the class of Dieter Kiessling at the project space of the gallery Anita Beckers, Frankfurt, Germany
Sabine, das geht gar nicht. with Carola Ali Oussalah, Pengland, Mainz
Sumaurakoen at Souvenirs from Earth
143
Anna-Lena Tsutsui
née Gremme, en 1985 à Mayence, Allemagne
vit et travaille à Paris
+33 (0) 68 17 59 05 9
[email protected]
www.annalenatsutsui.net
Education
2006 - 2013 études des beaux arts à la Kunsthochschule Mainz (atelier Dieter Kiessling)
et à l‘Ecole nationale supérieure des beaux-arts de Paris (atelier Marie-José Burki) :
Diplôme national supérieure des beaux-arts en 2013,
„Meisterschülerin“ de Dieter Kiessling en décembre 2013
2005-2012 études des arts plastiques, du français et de la pédagogie à la Johannes
Gutenberg-Universität Mainz : Examen (master of education) en 2012 ;
études additionnelles de la langue et de la culture japonaise à la Johannes GutenbergUniversität Mainz : diplômée en 2009
Support officiel
2014
2013
SeMA Nanji Residency, Seoul Museum of Art, Corée du Sud
acquisition par la collection du Landesmuseum Rheinland-Pfalz
Expositions et festivals (sélection)
2014 Lucie Mercadal et Anna-Lena Tsutsui, Kunstverein Schwerin, Allemagne
Circular Hands, Centripetal Eyes, Seoul Museum of Art - Nanji Exhibition Hall, Séoul, Corée du Sud
Open-Expo, international sound art, TuFa, Trier, Allemagne
Prix Icart - Artistik Rezo, Espace Pierre Cardin, Paris
La niut de l‘instant, Marseille
2013 Sabine, es kommt noch schlimmer. Peng, Mayence, Allemagne
La grande région en images, KuBa Sarrebruck, Allemagne
LichtBild, avec Lisa Weber, Radevormwald, Allemagne
5. Festival Internacional de Video Arte - Camagüey, Kuba
Ecobox, jardin collectif, Paris
L‘ Art dans la chambre des députés et 3x Klingeln, Mayence
2012
25 Stuttgarter Filmwinter, exposition dans la section „Expanded Media“,
Filmhaus Stuttgart, Allemagne
Au délà des clichés, Maison du Japon, Paris
exposition du prix des jeunes artistes de la ville de Mayence
Traverse Video Faut Voir, Goethe Institut, Toulouse
Kunstfilmtag, Düsseldorf, Allemagne
2011
X Apartements, une coopération du Hebbel am Ufer, Berlin,
et du Théâtre national de Mannheim, Mannheim, Allemagne
Qui sont les animaux? Nuit des musées 2011,
Musée de la Chasse et de la Nature, Paris
Emy-Röder-Preis 2011, Kunstverein Ludwigshafen, Allemagne
4th Festival for Young Art, Pékin, Chine
2010 Qui Vive? II Moscow International Biennale for Young Art, NCCA, Moscou, Russie
Frames from the Edge, exposition collective à la galérie Marion Scharmann, Cologne
Les Instants Vidéo, Marseille, France
III Festival Internacional de Video Arte - Camagüey, Cuba
Bestiary - The Animal in Contemporary Art, Manifest - Creative Research Gallery and Drawing Center, Cincinnati, États-Unis
Videomedeja, Musée de l‘art contemporain de Vojvodina, Novi Sad, Serbie
2009 VideoZone, Kunsthalle Mainz, Allemagne
Interventionen. Activités et projets des étudiants, Videonale 12, Bonn, Allemagne
Full House, Satellit - espace projet de la galérie Anita Beckers, Francfort
Sabine, das geht gar nicht. avec Carola Ali Oussalah, Pengland, Mayence
Sumaurakoen chez Souvenirs from Earth
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