„Centre de Santé“ der Clemensschwestern in Kaduha, Ruanda von

Transcrição

„Centre de Santé“ der Clemensschwestern in Kaduha, Ruanda von
Bernhard Tenckhoff
Don´t forget Rwanda
Die Missionsstation „Centre de Santé“
der Clemensschwestern in Kaduha, Ruanda
von 1973 bis 2011
Engel für Afrika (Monika Pichol)
1
Impressum
Herausgeber: Barmherzige Schwestern
(Clemensschwestern) e.V.
Gestaltung: Druckerei Stelljes, Münster
Druck: Druckerei Stelljes, Münster
Auflage:
Erscheinungsjahr:April 2012
2
Farben
Ruandas
Die Flagge Ruandas wurde offiziell am 25. April 2001
Blau symbolisiert Glück und Frieden. Das Volk des
eingeführt. Sie wurde von Alphonse Kirimobenecyo,
Landes muss um den Frieden kämpfen, welches ihnen
einem einheimischen Künstler und Techniker, entwor-
das Glück und eine stetige wirtschaftliche Entwicklung
fen:
bringen wird.
Grün symbolisiert die Hoffnung auf Wohlstand dank
Die goldenfarbene Sonne und ihre 24 Strahlen stehen
der ausgewogenen Nutzung der Kraft des Volkes
für das Licht, welches allmählich das gesamte Volk
Ruandas und der Ressourcen des Landes.
erleuchtet. Dies setzt sich in die Einheit, Transparenz
und Kampf gegen Ignoranz um.
Gelb steht für die wirtschaftliche Entwicklung.
3
4
Inhalt
Inhalt
• Vorwort. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
• Geben und empfangen - Gedanken zu einer Plastik aus Ruanda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
• Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
• 1. Teil: Ruanda
12
Geographie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Klima. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
Flüsse, Nilquellen, Geologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Religion und Religiosität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Bildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
Gesundheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Kultur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
Markt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Wohnen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
Ein Familientag auf dem Land . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Der Völkermord (Genozid) von 1994 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
Zeugnisse christlicher Glaubensstärke. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
• 2. Teil: Die Missionsstation der Clemensschwestern
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Der weite Weg nach Kaduha . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Wie alles begann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
Das Centre de Santé wird eingerichtet. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
5
Inhalt
Clemensschwestern nehmen die Arbeit auf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Ausbau des Centre de Santé. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Das neue Wohnhaus für die Schwestern wird errichtet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
Der Genozid erreicht Kaduha. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
Clemensschwestern verlassen Ruanda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
Wiederaufnahme der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49
Das Flüchtlingslager von Kaduha. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50
Der Tod von Schwester M. Agnetis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Waisenkinder im Centre de Santé . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Besuche aus der Heimat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56
Kernsanierung des gesamten Areals. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
Die Gesundheitsreform in Ruanda. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
• 3. Teil: Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
64
Übergabe des Centre de Santé an die Teresian Carmelites. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .80
Weitere Unterstützung durch die Clemensschwestern und Ruandafreunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
• Schlussworte aus Münster und Kerala. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
• Schlusswort des Autors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
• Literaturhinweis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
• Kurzbiographie Bernhard Tenckhoff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93
6
Vorwort
Vorwort
Es waren zwei Freunde unseres damaligen Direktors
Von 1973 bis 2010 war Schwester M. Milgitha dort;
Vienenkötter, Bischof Gahamanyi von Butare und Pa-
Schwester M. Ignatis mit zwischenzeitlicher Unter-
ter Bettentrup, die uns Clemensschwestern gebeten
brechung von 1973 bis 1982; Schwester M. Quirina,
haben, eine Missionsstation in Ruanda zu gründen,
ebenfalls mit kurzer Unterbrechung, von 1976 bis
um den von Armut geplagten Menschen in dem Land
1998; insgesamt acht Monate, von 1978 bis 1979, war
zu helfen. Da wir Clemensschwestern kein Missions-
Schwester M. Ferdinande in der Station. Sie kam spä-
orden waren und sind, wurde diese Bitte zunächst
ter noch einmal für zwei Monate; Schwester M. Gil-
eingehend diskutiert. Die Entscheidung für die Grün-
truda ein Jahr, von 1982 bis 1983, und Schwester M.
dung der Missionsstation fiel uns umso leichter, da
Agnetis von 1985, mit zweijähriger Unterbrechung, bis
sich Schwestern in unserer Gemeinschaft fanden, die
zu ihrem Tod am 31.10.1995.
bereit waren, nach Ruanda zu gehen. Eine neue Herausforderung in der Geschichte der Clemensschwes-
Darüber hinaus erhielten die Schwestern viel unter-
tern konnte beginnen.
stützenden Besuch aus der Heimat. Schwester M. Milgitha gehört heute nicht mehr unserer Gemeinschaft
Schwester M. Ignatis und Schwester M. Milgitha
an. Für ihren Einsatz sei ihr an dieser Stelle gedankt.
machten sich 1973, nachdem sie in Belgien einen
Ebenso gilt der Dank allen Schwestern, Helfern und
Französisch-Sprachkurs absolviert hatten, auf den
Helferinnen für ihre unermüdliche, uneigennützige
langen Weg in ein uns bis dahin weitestgehend unbe-
und vielfach ehrenamtliche Unterstützung. Nament-
kanntes Land. Nach ihrer Ankunft in Ruanda erlernten
lich benennen möchte ich unsere „Afrikabeauftragte“,
sie zunächst über sechs Monate in einer Schule der
Schwester Mariata, und ihr danken für all ihre Unter-
„Weißen Väter“ die Landessprache „Kinyarwanda“.
stützung mit Herz und mit Hand.
Mitte 1974 begannen sie die Arbeit im Centre de
Santé
(Gesundheitszentrum)
Kaduha.
Schwestern folgten in den nächsten Jahren.
Mehrere
Der demographische Wandel und der Zeitgeist machen auch vor uns Clemensschwestern nicht Halt. Der
daraus resultierende, fehlende Nachwuchs und eine
7
Vorwort
fortschreitende Überalterung stellen für viele Ordens-
die „Congregation of Teresian Carmelites“ künftig die
gemeinschaften eine große Herausforderung dar. So
lebensnotwendige medizinische Versorgung der Men-
müssen auch wir Clemensschwestern uns der Situati-
schen in dem kleinen Bergdorf weiter gewährleisten.
on stellen und uns von Einrichtungen trennen, die lan-
Wir Clemensschwestern beendeten damit im März
ge in unserer Obhut lagen. Ein schmerzlicher Prozess
2011, nach 38 Jahren, unseren Einsatz in dem schö-
ist dies besonders immer dann, wenn sich eine solche
nen, aber sehr armen Land. Wie wir es den indischen
Einrichtung in einer der ärmsten Regionen der Welt
Schwestern und unseren vielen Freunden in Ruanda
befindet. In unserem Fall ist es das Gesundheitszen-
versprochen haben, werden wir die Arbeit im Gesund-
trum „Centre de Santé“ in Kaduha. Die gesundheits-
heitszentrum Kaduha auch weiterhin beratend beglei-
und altersbedingte Ablösung von Sr. M. Milgitha stand
ten und mit Hilfe unseres Kreises der „Ruandafreun-
an. Eine Clemensschwester, die in der Lage und
de“ die Durchführung von sozialen Projekten finanziell
bereit war, nach Ruanda zu gehen, konnte aus den
unterstützen.
vorgenannten Altersgründen nicht gefunden werden.
Erschwerend kam hinzu, dass das Gesundheitsminis-
Es ist mir eine große Freude, dass unser Ruanda-
terium von Ruanda neue, weitergehende Anforderun-
freund, Prof. Bernhard Tenckhoff, sich bereit erklärte,
gen an die Arbeit in den Gesundheitszentren des Lan-
die „38 Jahre der Clemensschwestern in Ruanda“ in
des gestellt hat und wir diese neuen und erweiterten
einem Rückblick zusammenzufassen. Für seine en-
Aufgaben nicht mehr in vollem Umfang erfüllen konn-
gagierte, ehrenamtliche Unterstützung über viele Jah-
ten. Dem Gesundheitszentrum drohte deshalb die
re bis heute sei ihm gedankt.
Schließung durch das Ministerium. Das wollten wir mit
allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verhindern.
Münster, im Januar 2012
Überglücklich waren wir Clemensschwestern daher,
als es gelungen war, das Zentrum einer uns freundschaftlich verbundenen Ordensgemeinschaft aus In-
Schwester Charlotte Schulze Bertelsbeck
dien zu übergeben. Mit qualifizierten Schwestern wird
Generaloberin
8
Geben und Empfangen
Gedanken zu einer Plastik aus Ruanda
Der Empfangende greift nicht gierig zu, sondern würdig, zurückhaltend, so, als wolle er sich erst vergewis-
Zwei Menschen hocken am Boden. Der eine bietet
sern, dass er sich nichts vergibt und dass er mit der
eine Schale dar, der andere greift hinein – zögernd.
Aufnahme der Gabe seine Freiheit nicht verliert. Er ist
zurückgelehnt, aber gerade dadurch ganz offen für die
Die Figuren sind stilisiert. Alles Unwesentliche ist weg-
Bewegung des anderen.
gelassen. Sie können alt oder jung sein, Mann oder
Frau, arm oder reich. Es sind einfach zwei Menschen,
Bemerkenswert: Keiner sieht auf die Gabe.
verbunden durch eine Gabe. Aber die Haltung der bei-
Ist diese im Grunde nebensächlich?
den Menschen ist sehr ausdrucksstark.
Die eigentliche Begegnung dieser beiden Menschen
Schauen wir beide Figuren an:
findet oberhalb der Schale statt. Sie sehen einander
Derjenige, der die Schale anbietet, hat nicht die Hal-
ins Angesicht und begegnen sich mit den Augen.
tung eines Gebenden. Nicht von oben herab gibt er,
sondern von unten herauf. Er hat sich auf das Niveau
Der Gebende gibt sich selbst und er meint den an-
des Empfängers begeben. Ja, seine Haltung ist so de-
deren. Der Empfangende scheint zu fragen: Meinst
mütig, dass man ihn für einen Bettler halten könnte.
du mich? Und mit dem langsamen Griff in die Schale
empfängt er den anderen.
Wäre die Schale nicht gefüllt, so könnte man annehmen, der Gebende sei der Empfangende und der an-
Die beiden Gestalten sind eine Anfrage an uns:
dere würde etwas in die Schale hineinlegen.
Wie ist unsere Haltung, wenn wir Menschen etwas geben? Geben wir ein Almosen von oben herab? Sind
Gespannt, fast bang, schaut der Gebende den ande-
wir uns bewusst, dass bei einer Begegnung im Grunde
ren an, so, als hinge für ihn alles davon ab, ob der
jeder gibt und empfängt? Sehen wir, wenn wir geben,
andere zugreift und die Gabe wertschätzt.
das Angesicht des anderen? Meinen wir wirklich ihn?
9
Geben und Empfangen
Wahrscheinlich haben wir noch manches zu lernen,
im Geben und im Empfangen, damit wir Gastgeber
und Gäste sein können.
Begegnung zwischen der stellvertretenden Generaloberin,
Schwester Margret Trepmann, und Nathalie Mukamazimpaka,
die 1981 in Kibeho, Ruanda, mehrere Erscheinungen unserer
„Jungfrau und Gottesmutter Maria“ hatte.
Einführung
Einführung
Ein altes ruandisches Sprichwort sagt:
Ruanda vielfach wie im Paradies. Das Land vermittelt
dem Reisenden den Eindruck einer friedlichen Welt
„Ganz gleich, wo der liebe Gott sich tagsüber auf-
im Einklang von Mensch und Natur mit dem Schöpfer.
hält, nachts kommt er immer zum Schlafen nach
Auf den zweiten Blick erkennt man aber recht schnell
Ruanda.“
die ständige Präsenz der bitteren Armut, besonders
unter der Landbevölkerung. Mit ihrer tiefen Religiosi-
Wer einmal das landschaftlich wunderschöne Ruanda
tät besteht sie den täglichen Kampf ums Überleben.
bereist hat und in die strahlenden Augen der Kinder
Nur sehr langsam entwickelt sich unter der von vie-
blicken konnte, der versteht dieses Sprichwort nur zu
len Stammesfehden heimgesuchten Bevölkerung ein
gut. Fühlt man sich doch im ländlichen Bereich von
- für unsere Sichtweise der Grundbedürfnisse des
10
Menschen - entsprechender Lebensstandard. Der
notwendigen Übergabe der Station an eine indische
seit wenigen Jahren mit vielen Fremdmitteln erreichte
Ordensgemeinschaft konnte die Zukunft des Centre
Aufschwung in der Hauptstadt Kigali hat derzeit einen
de Santé zum Wohle der armen Landbevölkerung ge-
starken Preisanstieg zur Folge. Das führt indirekt zu
sichert werden.
einer weiteren Verarmung der Landbevölkerung, da
viele Güter für diese Menschen unerschwinglich wer-
Mit dieser Schrift soll versucht werden, das 38 Jahre
den. Sie erhalten im Gegenzug für ihre einfachen land-
dauernde segensreiche Wirken der Clemensschwes-
wirtschaftlichen Produkte aber nicht mehr Geld. Erst
tern auszugsweise zusammenzufassen. Zunächst soll
mit den Jahren, so ist zu hoffen, wird ein akzeptabler
dem Leser jedoch Ruanda mit seiner Landschaft, sei-
Wohlstand auch außerhalb der Hauptstadt ankommen.
nen Menschen, deren Religiosität und Kultur, näher
Die Landbevölkerung wird daher noch sehr lange auf
gebracht werden. Im zweiten Teil wird versucht , einen
fremde -unsere- Hilfe angewiesen sein. Erschwerend
repräsentativen Überblick über die Besonderheiten
zum genannten Entwicklungsprozess kommt noch die
des Centre de Santé Kaduha (in der Zeit ab 1973) zu
tiefe Kluft, welche der Völkermord (Genozid) von 1994
geben, um im dritten Teil die künftige Ausrichtung zu
zwischen den bedeutenden Stämmen des Landes
beschreiben.
aufgerissen hat.
Nach dem Genozid war im Nationalmuseum zu lesen:
Wann kann Gott wieder
in Ruanda schlafen gehen?
Es bleibt zu hoffen, dass der eingeleitete Versöhnungsprozess den Stämmen auf längere Sicht ein Leben
miteinander ermöglicht. Das dürfte ein sehr langwieriger Prozess sein, der immer wieder von aufflammenden Zwistigkeiten unterbrochen werden könnte.
Die Missionsstation der Clemensschwestern ist von
diesen politischen Wirren nicht verschont geblieben.
Während des Genozids musste die Station für kurze
Zeit verlassen werden. Unmittelbar nach dem Krieg
wurde die Arbeit jedoch fortgesetzt. Durch den Genozid hat sich der Arbeitsalltag im Gesundheitszentrum
allerdings verändert. Die große Zahl der Flüchtlinge
in der Region Kaduha führte über einige Monate zu
einem kräftezehrenden Einsatz, der die Schwestern
an den Rand ihrer Belastungsfähigkeit brachte. Aller
Einsatz hat aber erkennbare Früchte getragen, denn
heute ist das Centre de Santé in der Region Kaduha
die „Hilfsstation“ in allen gesundheitlichen Angelegenheiten. Täglich kommen viele hilfsbedürftige Menschen dorthin. Oft gehen sie dafür weite Wege. Mit der
Das Leben der Landbevölkerung in der Region Kaduha
ist von Einfachheit und Armut geprägt.
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1. Teil: Ruanda
Ruanda, ein Land im Herzen Afrikas:
Sanfte, grüne Hügelketten durchziehen Ruanda, un-
Kaum größer als ein Herz, gemessen an der
terbrochen von weiten Flusstälern. Das Klima ist früh-
Größe dieses Kontinents.
linghaft mild, die Menschen sind sehr freundlich. Die
Ein Land, in dem einst Milch und Honig flossen.
vielen Kinder des Landes begegnen einem Fremden
- Und Blut -
immer mit einem lachenden Gesicht. Ruanda ist aber
(Hanna Jansen)
eben auch ein sehr armes Land, seine Bevölkerung
lebt fast ausschließlich von der Landwirtschaft. Die
winzigen bäuerlichen Betriebe reichen heute kaum zur
Selbstversorgung der Familie. Handwerk, Handel und
Industrie sind nur wenig entwickelt, Ruanda hat keine
nennenswerten Bodenschätze. Der einzige Reichtum
Ruandas sind seine Kinder. Durchschnittlich acht Kinder haben die ruandischen Familien; sie gelten noch
heute als Segen und Glück der Familie.
Die ruandischen Staatsgrenzen waren bereits vor
dem Auftreten der europäischen Kolonialmächte weitgehend gefestigt. Unter der Regentschaft von Kigeri
Rwabugiri, der von 1853 bis 1895 in Ruanda als König
herrschte, setzten sowohl begrenzte regionale Expansions- als auch staatliche Zentralisierungstendenzen
ein. Vormals autonome, kleinere Regionen im Westen
und Norden wurden dem Herrschaftsgebiet Rwabugiris einverleibt, die staatliche Macht zentralisiert. Außerdem begann innerhalb des Herrschaftsgebiets eine
stärkere Differenzierung der Bevölkerungsgruppen.
12
Ruanda
Ruanda
Dabei erlangte die überwiegend mit Viehzucht befasste
lonialherren banden die Tutsi als lokale Machtträger in
Volksgruppe Batutsi, „Tutsi“ genannt, die im 15. Jahr-
das System ihrer indirekten Herrschaft ein.
hundert von Nordosten eingedrungen war, mit ihren nur
12 % zunehmend Macht über die Ackerbauern Bahutu,
Im Verlauf des Ersten Weltkriegs übernahmen die Bel-
die als „Hutu“ bezeichnet werden, und mit etwa 87 %
gier nach einer Reihe begrenzter Gefechte faktisch die
die Mehrheit der Bevölkerung stellen. Die „Twa“ (1 %
Macht in Ruanda, noch bevor sie ihnen 1919 in der Pa-
der Bevölkerung) genannte, dritte Gruppe (Batwa), die
riser Friedenskonferenz offiziell zugestanden und Ru-
als Jäger und Sammler lebten, spielten bei dieser Ver-
anda 1923 vom Völkerbund zum Machtgebiet Belgiens
änderung der Herrschaftsbeziehungen keine Rolle. Im
erklärt wurde. Die Belgier setzten die indirekte Herr-
Reich Rwabugiris entwickelte sich der Begriff „Tutsi“
schaft fort. Auch sie hielten die ungleiche Machtvertei-
mehr und mehr zu einem Synonym für Angehörige
lung zwischen Hutu und Tutsi für das Ergebnis einer
der herrschenden Schicht eines sich herausbildenden
rassischen Überlegenheit der Tutsi. Die neuen Kolo-
Zentralstaats, während der Terminus „Hutu“ zum Na-
nialherren führten ein System der Zwangsarbeit ein,
men für die Gruppe der Beherrschten wurde.
mit dessen Hilfe sie das Land wirtschaftlich ausbeuten
wollten. Sie individualisierten zudem die Ansprüche
Mit Beginn ihrer Kolonialherrschaft (1899–1919) in-
ihrer Macht gegenüber den Einzelnen, indem sie den
terpretierten die Deutschen die abgestuften Sozialbe-
Einfluss von Clans durch Verwaltungsreformen zu-
ziehungen in Ruanda auf der Basis der rassistischen,
rückdrängten. Zu den folgenreichsten administrativen
in Europa entwickelten Hamitentheorie. Sie gingen
Maßnahmen der Belgier gehörte 1934 die Ausstellung
davon aus, die Tutsi seien vor Jahrhunderten in das
von Ausweispapieren im Gefolge einer Volkszählung.
Gebiet der Afrikanischen Großen Seen eingewander-
Diese Dokumente fixierten die ethnische Zugehörig-
te Niloten, die kaukasischen, und damit europäischen
keit jedes Einzelnen, war er nun Twa, Hutu oder Tutsi.
Völkern, verwandt seien. Dies begründe ihre Herr-
Die ethnische Zuordnung aller Ruander war fortan in
schaft über die als weniger hoch stehend wahrgenom-
Verwaltungsregistern festgeschrieben. Die Unterschei-
menen „negriden“ Ethnien Zentralafrikas, zu denen in
dung der Menschen nach sozialem Status und wirt-
den Augen der Deutschen die Hutu gehörten. Die Ko-
schaftlichen Aktivitäten wurde zu einer nach Rassen.
Ruanda
13
In der Zwischenkriegszeit förderte die katholische
Ruanda ist mit 349 Einw./km² der am dichtesten be-
Kirche in ihren Missionsschulen die Tutsi stärker als
völkerte Staat in Afrika (Deutschland 232 Einw./km²).
die Hutu. Diese schulische Ausbildung bot den Tutsi
Er grenzt an Burundi, die Demokratische Republik
die Perspektive, in die Landesverwaltung einzutreten,
Kongo, Uganda und Tansania.
denn der Unterricht in Französisch bereitete sie darauf vor. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wan-
Mit einer Größe von 26.338 km² ist Ruanda so groß
delte sich das Selbstverständnis der Missionare. Sie
wie das Saarland und Mecklenburg-Vorpommern zu-
verstanden sich zunehmend als Helfer und Sprach-
sammen (NRW 34.078 km²). Die inzwischen über 10
rohr der unterprivilegierten Hutu, nicht mehr als För-
Millionen Menschen (Stand 2010) leben überwiegend
derer der Tutsi-Elite. Die Schulen boten verstärkt auch
auf dem Land. Etwa zwölf Prozent (Stand 2010) der
für Hutu den Zugang zu westlicher Bildung. Der ent-
Bevölkerung leben in den Städten.
stehende Hutu-Klerus gehörte zur Elite der Hutu, die
zunehmend ein Gegengewicht zur Tutsi-Herrschaft
Die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und
bildete und auf politische Teilhabe und Demokratisie-
die medizinische Betreuung sind mit die größten Prob-
rung des Landes drängte.
leme Ruandas. Besonders bei der medizinischen Betreuung ist Ruanda auf die aktive Unterstützung durch
qualifizierte Kräfte aus dem Ausland angewiesen. Ein
14
Ruanda
großes gesundheitliches Problem ist Aids. Viele Men-
von diesem Aufschwung in der Hauptstadt bisher noch
schen fallen der Krankheit zum Opfer. Als eine der Fol-
nicht. Deshalb muss gesagt werden:
gen steigt die durch den Krieg bereits hohe Zahl von
Waisen- und Straßenkindern weiter an. Ein nationales
„Was Ruanda heute vorgibt zu sein,
Krankenversicherungssystem befindet sich derzeit im
und was Ruanda wirklich ist,
Aufbau. Dies wird zu einer Ausweitung und Verbesse-
sind immer noch zweierlei.“
rung der medizinischen Betreuung führen und letztlich
die Gesundheitsquote positiv beeinflussen.
Es bedarf noch der Aufbauarbeit vieler Jahre, bis das
Land eine volle Selbstständigkeit bei vertretbarem Le-
Inzwischen sind gut acht Prozent der Bevölkerung
bensstandard für alle Bürger hat. Die extreme Über-
mit elektrischem Strom versorgt, mit Wasser sind es
bevölkerung verlangsamt diesen Prozess sehr.
derzeit etwa neun Prozent (Stand 2010). Trotz dieser
erschreckend niedrigen Zahlen gehört Ruanda zu den
Da Ruanda ein fast reines Bergland ist, lassen sich
aufstrebenden Ländern in Afrika. Ruanda entwickelt
landwirtschaftliche Arbeiten nicht mit Maschinen
sich zur Finanzdrehscheibe von Zentralafrika. In der
durchführen. Somit wird alles in mühevoller Handar-
Hauptstadt Kigali eröffnen derzeit große internationa-
beit getätigt. Die Arbeit auf den Feldern erledigen fast
le Banken ihre Filialen. Es fehlt dem Land jedoch an
ausschließlich die Frauen. Die Kinder hüten das Vieh,
Investitionen durch ausländische Industrieunterneh-
holen Wasser und gehen in die Schule. Zum Spielen
men. Dies ist zum großen Teil Folge der seit Jahren
bleibt ihnen wenig Zeit. Für viele Eltern ist es schwer,
andauernden Energiekrise und der damit fehlenden
das Schulgeld zu bezahlen. Da sind die Menschen
Versorgungssicherheit. Die Landbevölkerung profitiert
auch auf Spenden aus dem Ausland angewiesen.
Das immer grüne Land der 1000 Hügel
Ruanda
15
Das Schulsystem befindet sich, als eine Folge der
Kolonialherrschaften, noch immer im Aufbau. Auch
hier ist das Land auf Hilfe von außen angewiesen.
Viele Menschen im Land leben von Gelegenheitsarbeit. Die Arbeitslosenquote liegt nach vorsichtigen Schätzungen bei über achtzig Prozent.
Das Bemühen der Regierung, Arbeitsplätze zu
schaffen, ist ein langwieriger Prozess. Trotz dieser
finanziellen Notlage und der hohen Arbeitslosigkeit
ist die Kriminalitätsrate gering. Fremde können sich
im Land sicher fühlen. Hauptsächlich die ungünstige
Lage und fehlende Attraktionen sind es, die Touristen
davon abhalten, nach Ruanda zu kommen. Auch hier
ist die Regierung um eine Verbesserung bemüht.
Berggorillas sind eine der wenigen touristischen
Attraktionen Ruandas.
Geographie
Klima
Der Großteil Ruandas ist ein Hochland mit einer
Aufgrund der Höhe ist das Klima trotz der Äquatornähe
durchschnittlichen Seehöhe von 1.500 Metern. Der
eher mild-feucht. Das heiße äquatoriale Tageszeiten-
gesamte Höhenbereich reicht von etwa 1.000 Metern
klima wird vom jahreszeitlichen ostafrikanischen Klima
bis zum 4.507 Meter hohen Karisimbi, einem der Vul-
überlagert und durch die große Höhenlage gemildert.
kanberge im Norden. Von der ostafrikanischen Küste
Die mittlere Tagestemperatur liegt bei 24 °C, in den
ist das Land 1.200 Kilometer entfernt, dient aber we-
Trockenzeiten bei 28 °C. Es gibt keine größeren Tem-
gen seines guten Straßennetzes dennoch dem Transit
peraturschwankungen übers Jahr, doch variieren die
für manche Exporte aus der Demokratischen Republik
Temperaturen mit der Höhenlage. Es gibt zwei Regen-
Kongo.
zeiten, entsprechend den ostafrikanischen Monsunregen etwa zwischen September und Dezember (durchschnittlich 27 % der Jahresniederschlagsmenge) sowie
zwischen Februar und Anfang Juni. Zwischen März
und Mai fallen 40 % der jährlichen Niederschläge. Das
Klima und vor allem die Niederschläge weisen jedoch
große Unregelmäßigkeiten auf. Anormale Trockenzeiten, überreichlich Regen und Hagel bedrohen immer
wieder die Ernten und sorgen für Hungersnöte. Ruanda liegt unmittelbar unter dem Äquator. Das bedeutet
eine Tag-und-Nacht-Gleiche mit Sonnenaufgang um
6.00 Uhr und Sonnenuntergang um 18.00 Uhr. Es gibt
keine Dämmerung: Mit dem Sonnenuntergang bricht
binnen Minuten die schwarze Dunkelheit herein, mit
Teilweise aktive Vulkane im Grenzgebiet zum Kongo
16
Ruanda
Sonnenaufgang ist heller Tag.
Flüsse, Nilquellen und Geologie
gischen Kolonialzeit) und seit 1994 Englisch, das vor
In einer Höhe von 3.000 - 4.000 Metern verläuft die af-
allem von den aus Tansania und Uganda zurückkeh-
rikanische Hauptwasserscheide zwischen den Quell-
renden Langzeitflüchtlingen eingeführt wurde. In den
gebieten des Weißen Nil und des Kongo. Den größten
Handelszentren wird auch das ebenfalls zu den Ban-
Teil von Ruandas Westgrenze bildet der Kiwusee, der
tusprachen gehörende Kisuaheli gesprochen, das in
zum System der ostafrikanischen Grabenbrüche ge-
Ruanda aber nur als Fremdsprache erlernt wird.
hört und daher sehr tief ist. Im Grenzgebiet zum Kongo und zu Uganda liegen die bis 4.500 Meter hohen
Im Oktober 2008 erklärte die Regierung, dass in den
Virunga-Vulkane, auf denen in mittlerer Höhe die sel-
kommenden Jahren der Schwerpunkt im ruandischen
tenen Berggorillas leben. Im Osten bilden die ausge-
Bildungswesen vom Französischen auf das Englische
dehnten Akagera-Sümpfe und eine lange Reihe von
verlagert werden solle. 2009 wurde dies umgesetzt.
Seen eine natürliche Grenze zum heutigen Tansania.
Schulprüfungen und Unterricht finden beispielsweise
in englischer Sprache statt. Damit wird angestrebt,
Ruanda wird von zwei Nilzuflüssen geprägt, dem vom
das Land politisch und wirtschaftlich enger an Ostafri-
Burundi-Grenzgebiet kommenden Akanyaru und dem
ka zu binden.
im südwestlichen Bergland entspringenden Nyabarongo. Letzterer entspringt als Rukarara auf 2.700 Metern
Seehöhe nahe der Wasserscheide zum Kongo und
Religion und Religiosität
fließt wie sein Nebenfluss Mwogo zunächst von Süd
Religion
nach Nord, um sich dann unweit der Virunga-Vulkane
Der einheimische Ahnenkult - Ryangombe - tritt zwar
nach Südosten zur Hauptstadt Kigali zu wenden. Die-
öffentlich nicht in Erscheinung, wird jedoch neben den
se abrupte Laufänderung erklärt die Geologie durch
später eingeführten Religionen von einem beträcht-
tektonische Verschiebungen der Erdkruste bei der
lichen Teil der Bevölkerung weiterhin praktiziert. Es
Entstehung des Ostafrikanischen Grabens und der
handelt sich dabei ebenfalls um eine monotheisti-
Virunga-Vulkane.
sche Religion mit einem Schöpfergott - Imana - und
einer großen Persönlichkeit - Ryangombe -, der ein
Der bei Kigali bereits schiffbare Nyabarongo und der
Mittler und irdischer Repräsentant Gottes war. Wegen
Akanyaru vereinigen sich südlich der Stadt auf etwa
der gewissen Parallelen zu Jesus waren die Ruander
1.500 Metern Höhe zum Akagera, der das Land nach
während der Kolonialzeit vergleichsweise leicht für
Osten durchquert und nach Passage des Rugwero-
den christlichen Glauben zu gewinnen. Im Norden des
Sees auf etwa 250 Kilometer die Landesgrenze zu
Landes - wie auch in Uganda und der Demokratischen
Tansania bildet. Der hier nordwärts gerichtete Fluss
Republik Kongo - gibt es noch den Nyabingi-Kult, in
knickt am Dreiländereck zu Tansania und Uganda
dessen Mittelpunkt eine Frau steht.
abermals scharf nach Osten ab, um später in den riesigen Victoriasee zu fließen.
Protestanten, gegenwärtig bis zu 38 %, sind durch
zahlreiche verschiedene Kirchen vertreten (darunter
Anglikaner, Presbyterianer, Adventisten, Methodisten
Sprache
sowie Baptisten).
Die Muttersprache nahezu aller Ruander ist die Bantusprache Kinyarwanda. Etwa 88 % der Einwohner
Schon seit der deutschen, vor allem aber seit der
beherrschen ausschließlich diese Sprache. Weitere,
belgischen Kolonisation nach dem Ersten Weltkrieg,
offizielle Amtssprachen sind Französisch (seit der bel-
wurde das Land christlich missioniert, was zu einer
Ruanda
17
Dominanz des Katholizismus führte, dem kurz vor
Aber auch andächtig:
dem Völkermord etwa zwei Drittel der Bevölkerung
In den Reihen sitzen dicht gedrängt Männer, Frauen,
angehörten, gegenwärtig bis zu 55 %. Charismatische
Jugendliche und Kinder. Die Kirchenlieder kennen
Gruppen und viele neue Kirchen (Wiedergeborene
schon die Jüngeren auswendig und singen kräftig mit.
Christen und Erweckungskirchen) hingegen konnten
Die Menschen haben ein Verlangen nach Religion, die
sich seit dem Völkermord im Land ausbreiten.
Kirchen sind gefüllt. In den Gemeinden der Hauptstadt
Erste Muslime kamen mit arabischen Sklavenhändlern
gibt es bis zu fünf Messen am Sonntag. In vielen Ge-
Ende des 19. Jahrhunderts ins Land, doch erst mit der
meinden müssen die Menschen vor der Tür stehen,
deutschen Kolonialmacht ließen sich ostafrikanische
weil die Kirche zu klein ist.
Muslime nieder. Zum Islam bekennen sich inzwischen
mindestens 4 % der Ruander.
Einige Pfarreien in Ruanda haben bis zu 50.000
Christen. Da die Bevölkerung im Land ständig wächst,
werden auch immer mehr Kirchen erforderlich. Zum
Religiosität
Glück gibt es viele Berufungen und somit jedes Jahr
In Gott verwurzelt:
eine große Zahl von Neupriestern. Doch die Kirchen in
Alltag in den Dorfkirchen von Ruanda: Es herrscht ein
Ruanda leben auch vom Engagement der Gläubigen.
reges Kommen und Gehen in der Kirche. Die Seiten-
Zahlreiche Menschen sind in das christliche Leben
türen der einfachen Backsteinkirchen stehen während
eingebunden. Viele haben sich christlichen Gemein-
des gesamten Gottesdienstes offen. Von draußen
schaften angeschlossen. Einige Gruppen treffen sich
dringen der Geruch von Feuer, das Meckern von Zie-
regelmäßig zum Gebet in der Kirche. Andere sind als
gen und das Lachen von Kindern hinein. Wenn ein
Katecheten tätig und übernehmen verschiedene Auf-
Handy klingelt, verlässt der Besitzer zum Telefonieren
gaben innerhalb der kleinen Basisgemeinden: Sie sind
die Kirche und kommt kurze Zeit später zurück. Frau-
als Gruppenleiter tätig, unterweisen die Menschen im
en wickeln in den Bänken ihre Babys, Kinder laufen
christlichen Glauben, helfen bei der Lösung von Kon-
vor die Tür und klettern auf oder unter den Jeep des
flikten und organisieren Hilfe für Witwen und Waisen.
Pfarrers. Es geht lebhaft zu im Gottesdienst in den
Dorfkirchen von Ruanda.
Bildung
Besonders die jungen Menschen in Ruanda sind sehr
intelligent und wissbegierig. Sie nutzen jede sich bietende Möglichkeit, zur Aus- oder Weiterbildung, erhoffen sie sich davon doch eine Verbesserung der
Lebensqualität für sich und ihre Familien sowie einen
sicheren Arbeitsplatz.
Die öffentlichen Bildungsausgaben betrugen 4,1 %
des Bruttoinlandsproduktes im Jahr 2008. 70 % der
erwachsenen Bevölkerung kann lesen und schreiben,
wobei der Anteil an Analphabeten bei den Frauen höher liegt. Öffentliche Grundschulen sind gebührenfrei
Bei den Gottesdiensten am Sonntag sind die Kirchen stets bis
zum letzten Platz gefüllt.
18
Ruanda
geworden. 94 % aller Jungen und 97 % aller Mädchen
besuchen wenigstens für einige Jahre die Grund-
Gesundheit
Da eine Frau, wie bereits gesagt, um die acht Kinder
zur Welt bringt, bestehen Pläne auf politischer Ebene zur Einführung einer „Drei-Kinder-Politik“. Das fällt,
gemäß der Grundeinstellung der katholischen Kirche,
den kirchlichen Gesundheitszentren schwer. Die katholischen Bischöfe von Ruanda haben gegen das nationale Projekt ihr Veto eingelegt.
„Kinder zählen bringt Unglück“,
sagt ein ruandisches Sprichwort, und
„Wo sieben satt werden,
reicht es auch für ein achtes.“
Aber eben diese völlig überalterte Einstellung beschert
nicht nur Ruanda, sondern ganz Afrika zunehmend
Die Schüler müssen immer in der Schuluniform zum
Unterricht erscheinen. Mittags gibt es in den
Sekundarschulen ein einfaches Essen.
Probleme. Mehr als zwei Drittel der Bürger in Ruanda
sind unter 18 Jahre! Diese Jugend braucht eine reelle Perspektive. Wird, was zu erwarten ist, in Ruanda
schule (Stand 2010). Für die sechs Jahre dauernde
nicht die Produktivität nennenswert gesteigert, so wird
Grundschule besteht inzwischen Schulpflicht. Daran
mit den Jahren aus der Jugendarmut eine Altersarmut
anschließend besteht die Möglichkeit eines Besuches
mit allen gesellschaftlichen und sozialen Folgen ent-
der drei bis sechs Jahre dauernden Sekundarschule,
stehen. In mehreren Ländern Afrikas geht dazu die
welche entweder zum Besuch einer
Universität berechtigt oder eher berufsbildenden Charakter hat. Da die
Sekundarschule schulgeldpflichtig ist,
kann sie nur von wenigen Kindern besucht werden. Die Schulklassen sind
mit bis zu 50 Kindern völlig überfüllt.
Die Kinder sind verpflichtet, eine einheitliche Schuluniform zu tragen. Für
die Schulkleidung und das Lernmaterial müssen die Eltern aufkommen. Das
ist gerade in den armen ländlichen
Regionen vielen Eltern nicht möglich.
Es gibt eine Universität und eine Technische Hochschule, an der der Autor
dieser Dokumentation über Jahre das
Themenfeld „Ingenieurmanagement“
lehrte.
Kinder werden im ländlichen Bereich noch immer als
der Reichtum der Familien angesehen.
Ruanda
19
Jugend bereits auf die Straße. Sie fordert verstärkt ein Recht auf angemessenen Wohlstand
durch Arbeit.
Unerlässlich ist ein Umdenken dahingehend,
dass Ruanda zunehmend die psychologischen
und sozialen Werte der Kinder empfindet, statt
von ihnen vornehmlich einen ökonomischen
Nutzen zu erwarten. Nicht möglichst viele, sondern möglichst gebildete, im Leben erfolgreiche
stärken das Ansehen und die soziale Sicherheit
der Eltern. Schlüsselworte dazu lauten: Familienplanung und Bildung. Ruanda hat mit der
Bildungs- und Gesundheitsreform hierzu einen
guten Weg eingeschlagen. Die Regierung hat
die Gesundheitszentren in die Pflicht genommen, sich verstärkt in eine zukunftsweisende
Patienten werden in den ländlichen Krankenhäusern immer
durch Angehörige betreut und verpflegt.
Familienplanung einzubringen. Den Gesundheitszentren und den Bildungseinrichtungen
schen werden von der Zahlung des Beitrags befreit.
fällt damit für die Zukunft Ruandas eine Schlüsselrol-
Alle weiteren Bürger des Landes zahlen jährlich 3.000
le zu. Nur über Familienplanung und Bildung hat das
RWF, das entspricht etwa 3,70 €. Aber selbst dieser
völlig überbevölkerte Ruanda auch eine Überlebens-
geringe Beitrag ist für die vielen kinderreichen Famili-
chance.
en noch unerschwinglich. Mit der Einführung der Gesundheitsreform stehen auch die Gesundheitszentren
Auf einen Arzt kommen etwa 18.000 Menschen. Die
vor neuen, großen Herausforderungen. Das soll am
durchschnittliche Lebenserwartung beträgt rund 57
Beispiel des Centre de Santé Kaduha nachfolgend
Jahre für Männer, für Frauen 58 Jahre. 31 % der
näher dargestellt werden. Das Gesundheitsministeri-
Frauen nehmen Gesundheitsdienste bei der Geburt
um sieht die Reform als eine Möglichkeit, der Welt zu
in Anspruch. 18 % der unter 5-jährigen Kinder sind
beweisen, dass das Land auf dem Weg zu Wohlstand
fehlernährt (Stand 2010). Die Sterblichkeit der unter
und Stabilität ist.
5-jährigen Kinder beträgt etwa 7,6 %. Die HIV-Prävalenz an der Gesamtbevölkerung wird mit 2,9 % angegeben; sie ist in den sexuell aktiven Bevölkerungstei-
Kultur
len jedoch höher.
Musik, Tanz und Poesie in einheimischer Sprache
sind wichtige Kunstformen in Ruanda. Die Menschen
In Ruanda wird mit deutscher Hilfe ein neues Kran-
lieben es, bei allen Gelegenheiten zu singen und zu
kenkassensystem aufgebaut. Dadurch ist künftig für
tanzen. Oft geschieht dies ganz spontan als Zeichen
alle Menschen eine notwendige medizinische Be-
des Dankes und der Freude. Prosa, Theater und bil-
treuung gewährleistet. Der Anteil der gesetzlich kran-
dende Künste sind traditionell weniger ausgeprägt. An
kenversicherten Bevölkerung hat sich dadurch in den
Kunsthandwerk sind zum Teil sehr fein ausgearbeitete
letzten Jahren stark vergrößert und liegt bei derzeit
Flechtarbeiten typisch. In jüngerer Zeit werden auch
91 %. (Stand 2010). Alle als arm eingestuften Men-
Werke von Malern verbreitet.
20
Ruanda
Ein Grund zum Tanzen findet sich immer.
Der bis zu 10 km weite Weg zum Markt wird gerne in
Kauf genommen.
Besonders für die einfachen Leute, die auf den Hügeln
Schuhe werden repariert. Der Markt ist natürlich Um-
wohnen und nicht viel Gelegenheit zum Feiern haben,
schlagplatz für die neusten Nachrichten, alles, was
ist das Singen und Tanzen während des Gottesdiens-
in der Gemeinde passiert ist, wird weitschweifig dis-
tes von sehr großem Wert.
kutiert. Erst am späten Nachmittag kehren die Menschen mit den nicht verkauften oder neu erstandenen
Produkten nach Hause zurück.
Markt
Ein großes Ereignis für jede Familie ist der ein- bis
zweimal wöchentlich stattfindende Markt in den Ge-
Wohnen
meinden. Aus allen Ecken der Region kommt die Be-
Etwa 12 % der Menschen in Ruanda leben in den
völkerung schon früh am Morgen auf dem Marktplatz
Städten. Sie wohnen in einfachen Häusern, die dicht
zusammen, um ihre Waren anzubieten oder die Dinge
aneinander gebaut werden, um die verfügbare Fläche
zu kaufen, die zu Hause nicht selber hergestellt wer-
optimal zu nutzen. Täglich versuchen Menschen, vom
den können. An diesen Tagen sind Wege und Straßen
Land in die Städte zu ziehen, da sie sich dort Arbeit
gesäumt von Menschen, die über viele Kilometer ihr
und ein besseres Leben erhoffen. Meist werden sie
Produkt auf dem Kopf zum Markt tragen. Meist können
jedoch enttäuscht und ziehen nach einiger Zeit wieder
nur ein Korb voller Maniok oder Süßkartoffeln, eine
zurück aufs Land.
Bananenstaude oder einige Eier verkauft werden, da
die kleinbäuerlichen Betriebe nur geringe Überschüs-
Auf dem Land gibt es nur wenige Siedlungen wie in
se erwirtschaften. Auf dem Markt werden die Waren
Europa. Alle Versuche der Regierung, die Menschen
auf dem Boden ausgebreitet und dann beginnt das
in Siedlungen zusammenzuführen, sind bisher ge-
geduldige Warten auf Kunden. „Fliegende Händler“,
scheitert. Damit ist der Aufbau einer Infrastruktur für
Schneider und Schuster, bieten auf dem Markt ihre
die Landbevölkerung sehr schwer realisierbar. Auf
Dienste an; schnell wird ein Kleidungsstück geändert,
dem Land leben die Menschen seit ewigen Zeiten in
Ruanda
21
Die meisten Menschen leben am Stadtrand in engen Häusern.
Kaum vorstellbar, dass in dem Haus eine ganze Familie lebt!
und einen Tisch, in den Schlafräumen meist nur für
die Eltern ein Bett. Viele Kinder schlafen mit Bastmatten auf dem Fußboden, oft ohne Decke. Die Kinder
drängen sich zu mehreren auf einer Matte aneinander
und wärmen sich gegenseitig. Das Leben der Familie
spielt sich im Wesentlichen vor dem Haus auf dem
Hof ab.
Ein Familienalltag auf dem Land
Der Morgen dämmert, Uwimana, die Frau des Bauern Munyakazi, hat gerade ihr jüngstes Kind gestillt
und erhebt sich von ihrem Lager, um die fünf älteren
Häuser auf dem Land werden mit selbstgeformten Ziegeln
erstellt. Später werden sie von außen verputzt, damit die
Familie nicht als arm gilt.
Kinder zu wecken. Mukamusoni, ihre älteste Tochter,
kehrt das Haus und den Hof, während der 12-jährige
Kagabo und der 8-jährige Niyonsaba mit dem Wasserbehälter zur Quelle gehen. Die beiden müssen sich
schlichten Häusern inmitten ihrer Felder. Nahezu alle
beeilen, denn um 8 Uhr beginnt die Schule, und bis
Gehöfte, die fast immer das Wohnhaus, ein kleines
dahin sind noch 6 km Fußmarsch. Uwimana will heute
Nebenhaus zum Kochen und für Vorräte, sowie einen
mit ihrer ältesten Tochter auf dem Feld Süßkartoffeln
kleinen Stall umfassen, sind eingerahmt von Hecken
pflanzen. Die 6-jährige Mukasine und der 4-jährige
und Bananenhainen, so dass jede Familie praktisch
Gahungu bleiben bei der Schwiegermutter, die schon
für sich lebt. Die meisten Häuser sind nur zu Fuß über
lange nicht mehr auf den Feldern arbeiten kann. Heute
schmale Pfade zu erreichen. Die Einrichtung ist ex-
wird sie während des Mattenflechtens die Kleinen ver-
trem einfach, im Wohnzimmer gibt es einige Stühle
sorgen und auf die drei Ziegen aufpassen. Uwimana,
22
Ruanda
nen Teller. Später geht Munyakazi noch zu seinem
Nachbarn, der seinen Freund zum Bananenbier eingeladen hat. Es ist dunkel geworden. Uwimana sitzt
im Hof, zwei Nachbarinnen sind für einen Augenblick
vorbeigekommen. Morgen ist Markttag, die Frauen
verabreden, gemeinsam zu gehen. Uwimana will fünf
Eier und Süßkartoffeln verkaufen, denn sie braucht
Geld für Petroleum, ein Stück Seife und etwas Salz.
Der Mond steht höher, es ist Zeit zum Schlafen, denn
morgen ist wieder ein ereignisreicher Tag.
Der Völkermord (Genozid) von 1994
Am 20. April 1994 um 20.30 Uhr wird das Flugzeug
Auch beim Wäschewaschen ist die Frau
von ihren Kindern umgeben.
des ruandischen Staatspräsidenten Juvenal Habyarimana beim Landeanflug in Kigali von zwei Raketen
getroffen. Er, sowie der mitreisende Präsident von Bu-
den Jüngsten auf dem Rücken, und ihre Tochter ma-
rundi und weitere sieben hohe Beamte kommen bei
chen sich auf den Weg zum Feld. Jede transportiert ein
diesem Attentat ums Leben. Unbeschreibliche Gewalt
Büschel Setzlinge auf dem Kopf und eine Hacke auf
bricht in Kigali und im ganzen Land aus. Die Präsiden-
der Schulter. Munyakazi hat schon bei Morgengrauen
tengarde und die Volksmilizen bringen alle um, die sie
das Haus verlassen. Der Zaun um das Gehöft muss
als Feinde bezeichnen: Angehörige der Volksgruppe
repariert werden. Nun schlägt er mit der Machete das
der Tutsi sowie andere, die sie als Verräter ansehen.
nötige Holz in einem Eukalyptuswäldchen. Uwimana
und ihre Tochter haben hart gearbeitet, das Süßkar-
Ruanda hat vor dem 07.04.1994 etwa 7,5 Millionen
toffelfeld ist bestellt. In 4 Monaten kann man auf eine
Einwohner. Über 50 % davon sind Katholiken, 20 %
gute Ernte hoffen. Am frühen Nachmittag kommen
gehören anderen christlichen Konfessionen an, 2 %
Mutter und Tochter nach Hause, es wird Zeit für die
sind Muslime und der Rest gehört zur traditionellen,
Hausarbeiten. Mukamusoni geht nicht mehr zur Schu-
animistischen Religion. Heute sieht die Bilanz des
le. Sie musste in der 3. Klasse die Schule verlassen,
Grauens etwa so aus: Um die 1 Million Menschen sind
um der Mutter im Haushalt und bei den Feldarbeiten
umgekommen, grausam ermordet oder den Kriegs-
zu helfen. Jetzt wäscht Mukamusoni noch einige Klei-
handlungen zum Opfer gefallen. Über 2 Millionen sind
dungsstücke, während Uwimana mit den drei jüngsten
in die Nachbarländer geflohen, die größte Gruppe da-
Kindern auf Brennholzsuche geht. Zurückgekommen
von nach Goma in Zaire (dem heutigen Kongo), wo
bereiten Mutter und Tochter das Abendessen vor. Ge-
Zehntausende an Epidemien gestorben sind. Gut 2,5
kocht wird auf einer Feuerstelle über drei Steinen, auf
Millionen sind vertriebene Inlandsflüchtlinge, die in
denen ein Tonkrug mit den Zutaten steht. Zu essen
elenden Lagern dahinvegetieren, gut 800.000 davon in
gibt es heute Bohnen, Süßkartoffeln und Maniokblät-
der Region Kaduha. Ein Teil der Bevölkerung wird von
ter. Vor dem Dunkelwerden hat sich die Familie wieder
der FPR (Tutsi-dominierte Armee) in Überwachungs-
vollständig versammelt. Gemeinsam wird das Abend-
lagern gehalten, vielleicht mehr als eine halbe Million.
essen eingenommen. Für die Kinder steht in der Mitte
Die Zahl der Waisenkinder überschreitet sicher auch
eine hölzerne Schüssel, die Eltern haben ihren eige-
eine halbe Million.
Ruanda
23
Drei Bischöfe, über 100 Priester und über 250 Ordens-
Bildung einer Übergangsregierung unter Beteiligung
leute (Schwestern, Brüder, Mitglieder von Laieninstitu-
der FPR vorsah. Diese Regierung kam nie zustande,
ten) wurden umgebracht.
da die politischen Parteien in einen regierungsfreundlichen und einen FPR feindlichen Block gespalten wa-
Wie konnte es zu diesem grausamen Drama von Ge-
ren. Die Jugendverbände der ehemaligen Einheitspar-
walt kommen? Es gibt dafür wohl keine logische Erklä-
tei MRND, die Interahamwe, und die der extremsten
rung, die das Ausmaß des Grauens erklärlich machen
Hutupartei, der CDR, die Abahujumugambi, wurden
kann. Noch viel weniger sollte man versuchen, das
immer radikaler.
Geschehene zu beschönigen oder gar zu entschuldigen. Einige Hintergründe können aber helfen, die
Über Radio Television Libre de Mille Collines „RTLM“
Wurzeln dieser Ereignisse besser zu erkennen.
wurden die Leute lange genug vorbereitet und ihnen
die Überzeugung eingeredet, dass der Konflikt zwi-
Seit über vier Jahrhunderten leben in Ruanda die
schen Tutsi und Hutu bestehe. Das heißt, man hat,
Hutu, Tutsi und Twa zusammen. Sie sprechen diesel-
vereinfacht gesagt, den Kampf um die Macht auf
be Sprache und haben in vielem die gleiche Kultur.
Stammesebene heruntergeholt. So hat man die alten
Die Volksgruppe der Tutsi hat es erreicht, durch eine
Domänen geweckt, denen jeder der Bauern im letzten
straff organisierte, absolute Monarchie das Land zu
Winkel des Landes ausgeliefert ist. Die jugendlichen
regieren. Der König und die wichtigsten Chefs kom-
Kampfgruppen existierten beim MRND und CDR. Sie
men aus ihren Reihen. Die Mehrheit der Bevölkerung,
waren die Sammelstellen von ideologisch geschulten
die Hutu, erklären in einem Manifest, dass sie mit der
jungen Leuten, welche auch militärisch geschult wur-
allgemeinen Rolle des Dienens nicht mehr zufrieden
den, indem man sie genügend Erfahrungen sammeln
sind. Sie wurden in ihrem Bemühen von der katho-
ließ bei Demonstrationen, Attentaten und Terrorismus
lischen Kirche und der belgischen Kolonialregierung
gegen Oppositionelle. Keiner wurde dafür je verurteilt
unterstützt. Es kam zu blutigen Unruhen, bei denen
und bestraft.
Tausende von Tutsi getötet wurden. Ein Teil von ihnen floh ins Ausland, vor allem nach Uganda. Der
Seit dem 7./8. April 1994 machten die Milizen zusam-
König und führende Politiker gingen ins Exil. Bei den
men mit der Präsidentengarde Jagd auf die Oppositi-
ersten freien Wahlen 1960 wurde eine Regierung mit
on und daraufhin auf alle Tutsi ohne Unterschied, auf
Hutu-Mehrheit gebildet. Seitdem haben die Tutsi vom
Männer, Frauen und Kinder. Zur Belohnung durften
Ausland aus wiederholt versucht, durch Waffengewalt
die Täter plündern, stehlen und mitnehmen, was ih-
zurück an die Macht zu kommen. Sie wurden aber im-
nen gefiel. Die Milizen wurden mit Waffen und Hand-
mer zurückgeschlagen.
granaten (vornehmlich aus China) ausgerüstet. Ein
Teil operierte an Straßensperren und ein Teil „reinig-
Am 1. Oktober 1990 griff die FPR Ruanda von Ugan-
te“ die Stadtteile von „Komplizen“. Jeder Tote, jedes
da aus an. Nach zunächst großen Erfolgen konnte
geplünderte Haus wurde so bezeichnet. Der Chef der
sie wieder zurückgeschlagen werden. Sie verlegte
Straßensperren (ein früherer Holzkohlenhändler) ent-
sich auf Guerillaangriffe von der ugandischen Grenze
schied über Leben und Tod. Aufgehetzte Jugendliche,
aus und gewann langsam an Boden. Die Bevölkerung
zu denen sich die kleinen Diebe, Schwarzhändler und
wurde mehr und mehr aus den Grenzgebieten vertrie-
Gelegenheitshändler gesellten, schlugen die Leute
ben und Anfang 1990 lebten über 1 Million Flüchtlinge
mit Steinen und Knüppeln. Andere wurden erschos-
in Vertriebenenlagern. Im August 1993 kam es zum
sen oder mit Küchenmessern erledigt. Das Vergnü-
Friedensvertrag von Arusha, der unter anderem die
gen, andere zu morden, war offensichtlich bei man-
24
Ruanda
Der Völkermord in Ruanda erzeugte darüber hinaus erhebliche regionale Probleme. Nachdem die RPF die Hutu-Machthaber vertrieben, damit den Völkermord
beendet und eine neue Regierung gebildet hatte, flohen im Sommer 1994
Hunderttausende Hutu in den Osten von
Zaire (Demokratische Republik Kongo).
Unter den Flüchtlingen waren viele Täter, die anschließend zur Wiedereroberung Ruandas rüsteten. Die ruandische
Armee nahm diese Aktivitäten mehrfach
zum Anlass, um im westlichen Nachbarland zu intervenieren.
Zeugnisse christlicher
Glaubensstärke
Es war die Hölle!
Inmitten der Hölle, die sich in Ruanda
austobte, gab es viele Zeugnisse christli-
chen Jugendlichen vorhanden. RTLM unterstrich in
cher Glaubensstärke. Hier seien zwei Augenzeugen-
den permanenten Durchsagen immer wieder, dass
berichte geschildert.
die Tutsi-Rebellen keinen Hutu, besonders keine Studierten, am Leben ließen. Bei den Milizen mussten die
Felicitas Niyitegera, eine Ruandesin aus dem Hu-
Jugendlichen zu Beginn vielfach zum Töten gezwun-
tustamm, ungefähr 60 Jahre alt, war als „Auxiliaire de
gen werden, zum Beispiel bei den Angriffen auf die mit
l ´Ápostolat“ - Helferin einer katholische Laiengemein-
Tutsi überfüllten Kirchen. Dort mussten Soldaten die
schaft - in Gisenyi. Sie und ihre Mitschwestern hatten
Jugendlichen anschreien, weil die zögerten, auf die
Tutsi-Flüchtlinge in ihr Haus aufgenommen. Ihr Bruder
Leute loszugehen. Die Kämpfe weiteten sich schnell
war Kolonel in der ruandischen Armee in Ruhengeri.
auf das gesamte Land aus.
Er ahnte, dass sie sich damit in Gefahr befand und
forderte sie telefonisch auf, zu verschwinden und so
Im Verlauf und im Nachgang der Ereignisse wurden
dem sicheren Tod zu entgehen.
die Vereinten Nationen (UN) und Staaten wie die
Sie antwortete ihm mit folgendem Brief: „Lieber Bru-
USA, Großbritannien und Belgien wegen ihrer Untä-
der, danke, dass du mir helfen willst. Aber anstatt mein
tigkeit kritisiert. Dabei stand die Frage im Mittelpunkt,
Leben zu retten und die 43 Personen alleine zu las-
aus welchen Gründen keine frühzeitige humanitäre
sen, für die ich verantwortlich bin, habe ich mich ent-
Intervention erfolgte, beziehungsweise warum die vor
schieden, mit ihnen zu sterben. Bete für uns, dass wir
Ort stationierten Friedenstruppen der Vereinten Natio-
bei Gott ankommen und sag „Auf Wiedersehen“ an
nen, die United Nations Assistance Mission for Rwan-
unsere alte Mutter und unseren Bruder. Wenn ich erst
da (UNAMIR), bei Ausbruch der Gewalt nicht gestärkt,
bei Gott angekommen bin, dann lege ich Fürbitte für
sondern verkleinert wurden. Gegen Frankreich wurde
dich ein. Pass auf dich auf. Danke, dass du an mich
überdies der Vorwurf erhoben, sich an den Verbre-
gedacht hast. PS: Und wenn Gott uns rettet, wie wir
chen beteiligt zu haben.
es ja hoffen, dann werden wir uns demnächst wiederRuanda
25
sehen. Deine Schwester Felicitas.“
habe ihnen gesagt: „Hört mal, Kinder, die Menschen
Ihr Bruder hat diesen Brief am 12.04.1994 bekommen.
sind böse in diesen Tagen. Sie haben euren Vater und
In den Tagen ist es ihr gelungen, vielen Menschen
Oliver umgebracht. Sicherlich werden sie euch auch
das Leben zu retten, indem sie alle über die Grenze
holen. Aber habt keine Angst! Ihr werdet schon etwas
schmuggelte. Am 21.04. sind die Milizen angekommen,
leiden müssen, aber danach werdet ihr Papa treffen
um alle mit einem Lastwagen zum Friedhof zu bringen.
und Oliver auch, denn es gibt ein anderes Leben mit
Da sagte Felicitas zu ihren Mitschwestern: „Die Stunde
Jesus und Maria. Dann werden wir alle zusammen
der Wahrheit ist gekommen, auf geht´s.“ Sie sind dann
und froh sein können.“ Am nächsten Tag hat man dann
gemeinsam auf den Lastwagen gestiegen, singend und
die Kinder abgeholt. Diejenigen, die sie mitgenommen
betend. Auf dem Friedhof angekommen war das Ge-
haben, berichteten, sie seien sehr ruhig und mutig
meinschaftsgrab schon vorbereitet. Die Mörderbande
gewesen.“ Marie-Therese wirkte bei dem Bericht aus-
hatte aber Angst vor dem Kolonel und wollte Felicitas
geglichen und ruhig. Sie ist eine wahre Christin.
retten. Einer sagte zu ihr: „He du, hast du keine Angst
zu sterben? Du siehst doch, dass es hier ernst ist und
„Wahre Versöhnung in Ruanda“
zur Sache geht. Du wirst als Letzte getötet.“ Da sie alle
Eine Ordensfrau berichtet vom Dienst
doch angesehene Personen waren, wurden sie durch
der Kirche in Afrika
Gewehrschüsse umgebracht. Insgesamt waren es 30,
Von Carmen Elena Villa
die erschossen wurden. Danach hatte die Killerbande
ROM, 13. Oktober 2009
Felicitas noch einmal retten wollen. „Nein“, sagte sie,
„ihr habt alle meine Mitschwestern umgebracht, also
„Einem durch grausame Menschenrechtsverletzun-
hat es keinen Sinn, dass ich am Leben bleibe!“ Sie war
gen, Kriege und soziale Nöte gequälten Kontinent wie
dann an der Reihe, die Einunddreißigste. Ihr Bruder
Afrika kann die Kirche Heilung, Befreiung und Versöh-
kam an, als sie schon entkleidet ins Gemeinschafts-
nung schenken.“, meint Sr. Geneviève Uwamariya
grab geworfen worden war. Er hat das Grab noch ein-
vom Institut „Santa Maria von Namur“ in Ruanda. Sie
mal aufmachen lassen und sie dann in würdiger Weise
sprach bei der II. Sonderversammlung der Bischofs-
bestattet. Seine Abschiedsworte: „Felicitas, du wolltest
synode für Afrika und ließ die Teilnehmer dabei an ih-
sterben, so bete jetzt für uns.“
ren persönlichen Erfahrungen teilhaben: Die Ordensschwester verlor selber Angehörige beim Völkermord
Marie-Therese aus dem Hutustamm war Lehrerin in
in Ruanda im Jahr 1994, einem der blutigsten Ereig-
Zaza, Emmanuel, ihr Mann, war Tutsi und Facharbeiter
nisse des 20. Jahrhunderts. Zwischen 800.000 und ei-
im Schulbereich von Zaza. Sie hatten vier Kinder, drei
ner Million Menschen wurden in der Zeit vom 6. April
Jungen und ein Mädchen. Am Sonntag verschwand
bis Mitte Juli 1994 in Ruanda ermordet. In annähernd
Emmanuel mit seinem ältesten Sohn und versteckte
100 Tagen töteten Angehörige der Hutu-Mehrheit etwa
sich. Montagnacht kamen sie nach Hause, um sich zu
75 Prozent der in Ruanda lebenden Tutsi-Minderheit
verabschieden. Am 12.04. wurden sie verfolgt und um-
sowie moderate Hutu, die am Genozid nicht teilnah-
gebracht. Die Mutter bekam die Nachricht, als sie mit
men oder ihn zu verhindern suchten. Unter den Er-
ihren drei Kindern bei ihren Eltern war, weil „man“ bei
mordeten waren auch Sr. Uwamariyas Vater und viele
ihr plündern kam. Am 13.04. holten dann die Männer
ihrer Verwandten. Im Rahmen der Synode berichtete
auch ihre zwei anderen Söhne, um sie umzubringen.
sie von einem Erlebnis, das drei Jahre nach dem Blut-
Am folgenden Tag berichtete die Mutter den zwei Or-
bad stattfand.
densschwestern, die alles bezeugten: „Ich bin glücklich,
Am 27. August 1997 begab sie sich gemeinsam mit
denn ich habe die beiden Jüngeren gut vorbereitet. Ich
einer „Gruppe der göttlichen Barmherzigkeit“ zu ihrem
26
Ruanda
Geburtsort Kybuye und traf dort auf Gefangene, die
fen, der zuhören würde, dass auch er inneren Frieden
sich am Völkermord beteiligt hatten. Das Treffen dien-
wiederfinden kann.“
te als Vorbereitung auf das Heilige Jahr 2000. Wäh-
Von diesem Zeitpunkt an sammelte Sr. Uwamariya
rend des Beisammenseins machte Sr. Uwamariya
zugestellte Botschaften von Sträflingen, in denen die
eine Einladung: „Wenn Du ein Opfer warst, biete Ver-
Überlebenden um Vergebung gebeten wurden. Insge-
gebung an und verzeihe denen, die Dir das angetan
samt 500 Briefe kamen zusammen. Nachdem einige
haben.“ Nur auf diesem Weg würde das Opfer von der
Briefe beantwortet wurden und bei Sr. Uwamariya ein-
Last der Verbitterung befreit werden, und der Verbre-
trafen, entstanden Freundschaften zwischen einigen
cher von der Last, ein Übel angerichtet zu haben.
Gefangenen und ihren früheren Opfern. Die Häftlinge
„Sofort stand ein Gefangener auf und bat um Verge-
konnten echte Verzeihung erfahren. Daraus entstan-
bung“, berichtete Sr. Uwamariya. „Ich war wie verstei-
den auch Treffen der Opfer. „Das waren Maßnahmen,
nert, als ich einen Freund der Familie wiedererkannte,
die vielen dazu dienten, Versöhnung zu erleben.“
der mit uns gemeinsam aufgewachsen war. Er gestand
Im Dorf von Sr. Geneviève Uwamariya gibt es sehr
mir, dass er meinen Vater getötet hat. Er nannte mir
viele Witwen und Waisenkinder. Seit 1994 wurde es
Details über den Tod meiner Geliebten.“ Sr. Uwamari-
von den Häftlingen wieder aufgebaut. Vereinigungen
ya umarmte ihn und sagte: „Du bist und wirst weiterhin
ehemaliger Häftlinge, die in unterschiedlichen Pfarrei-
mein Bruder sein.“ Die Ordensfrau berichtet, dass sie
en geboren wurden, arbeiten dort mit den Überleben-
fühlte, wie eine Last von ihr genommen wurde: „Ich
den zusammen und laut Sr. Uwamariya funktioniert
fand wieder inneren Frieden und dankte dem, den ich
es sehr gut. „Man versucht, in jedem Liebe aufblühen
umarmte“, so Sr. Uwamariya. Zu ihrer Überraschung
und innere Heilung folgen zu lassen, die Befreiung er-
rief der Häftling aus: „Gerechtigkeit kann ihr Werk voll-
möglicht.“, so Sr. Uwamariya. „Das ist es, warum die
bringen und mich zum Tod verurteilen, aber nun fühle
Kirche in unseren Ländern wichtig ist: weil sie ein Wort
ich mich frei!“ Sie fügte hinzu: „Ich wollte jedem zuru-
anzubieten hat, das heilt, befreit und versöhnt.“
Täglich kommen bis zu 250 Patienten zum Gesundheitszentrum. Sie gehen dafür bis zu 15 Kilometer zu Fuß!
Ruanda
27
Die Missionsstation
2.Teil: Die Missionsstation
der Clemensschwestern
Ende 1973 reisten die ersten zwei Clemensschwestern
nach Ruanda und begannen nach einer kurzen Ein-
• Schulung von Laien als Geburtshelfer
gewöhnungszeit 1974 ihre Tätigkeit in der einfachen
• Betreuung Kranker in Gefängnissen
und kleinen Gesundheitsstation in Kaduha. Innerhalb
• Starthilfe für zurückkehrende Flüchtlinge
weniger Jahre bauten sie die Station, mit finanzieller
• organisatorischen und finanziellen Hilfe beim An-
Unterstützung aus der Heimat, zu dem heutigen Ge-
welche Waisenkinder aufgenommen haben
bau von Nahrungsmitteln.
sundheitszentrum - Centre de Santé Kaduha - aus.
Viele Schwestern folgten in den nächsten Jahren, sei
es zum Besuch oder, um über eine längere Zeit dort
Der weite Weg nach Kaduha
zu arbeiten. Sie alle erlebten viele Höhen und Tiefen,
Kaduha liegt nahe der Grenze zum Kongo, etwa 130
die ein Einsatz in der Mission mit sich bringt.
km westlich der Hauptstadt Kigali. Der Weg dorthin
führt über sandige Pisten und benötigt viel Zeit. Be-
Die primären Aufgaben im Gesundheitszentrum be-
sonders in der Regenzeit ist die Strecke teilweise
standen in der:
unpassierbar. In der gesamten Region leben die gut
• ambulanten Versorgung Kranker mit möglicher
350.000 Menschen fast ausschließlich von der Land-
stationärer Behandlung
wirtschaft. Kaffee und Tee sind, neben den allgemei-
• Führung der Mütterschule
nen Nahrungsmitteln, die wichtigsten Produkte. Eine
• Impfaufklärung und Durchführung der Programme
Familie auf dem Land erwirtschaftet auf ihrem kleinen
in der Station und in den zwei Außenstationen
Grundstück damit ein durchschnittliches Einkommen
• Leitung eines kleinen Waisenhauses mit Kriegs-
von einem Euro pro Tag.
bzw. Aidswaisen ab 1994
• Hilfsleistung wie Nahrung, Kleidung und Schulgeld
Die überwiegend katholischen Einwohner von Ka-
für Kinder, die in ruandische Familien vermittelt
duha haben ihre Heimat in der Kirche und in starken
wurden
familiären Bindungen. Der Tagesablauf ist geprägt
• Schulung und Betreuung von ehrenamtlichen
von der Landarbeit. Der fehlende elektrische Strom in
Mentoren, die sich um die Familien kümmern,
den Häusern lässt abends keine besonderen Aktivitä-
28
Die Missionsstation der Clemensschwestern
der Clemensschwestern
In der Regenzeit ist oft über Tage kein Durchkommen
nach Kaduha möglich.
Der tägliche Gang zur Wasserstelle ist überwiegend
Aufgabe der Kinder.
ten mehr zu. Das hat sich 2011 geändert. Kaduha ist
Den Mittelpunkt der Gemeinde bildet die Pfarrkirche
an das Stromnetz angeschlossen worden. Damit ist
mit dem dazugehörigen Gemeindehaus. Der in 2009
eine spürbare Verbesserung der Lebensqualität inner-
neu errichtete, überdachte Marktplatz wird an jedem
halb des Dorfes erreicht. Die über alle Hügel verteilten
Donnerstag zum Mittelpunkt aller Menschen der ge-
Familien werden jedoch noch Jahre auf elektrischen
samten Region.
Strom warten müssen. Wasser muss immer noch von
den Quellen geholt werden. Schule, Kirche, Gesund-
Das Leben und Arbeiten spielt sich im Innenhof ihrer
heitszentrum und einige weitere Gebäude im Ort wer-
von Sträuchern umgebenen Hütten und auf den kleinen
den inzwischen über selbstverlegte Rohrleitungen von
Feldern in der Nähe ab. Die Feldarbeit wird überwie-
den Quellen versorgt.
gend von den Frauen und Mädchen besorgt, während
Die Missionsstation der Clemensschwestern
29
die Jungen die Kühe und Ziegen auf die Weide treiben.
Spätnachmittags findet sich die Familie wieder ein.
Man sitzt vor dem Holzfeuer im Hof und isst, die Männer trinken dabei selbstgemachtes Bananenbier, ein
für unsere Verhältnisse undefinierbares Gebräu, das
uns so schmeckt, wie es riecht und aussieht. Die Menschen auf dem Land pflegen in der Regel nur einmal
am Tag zu essen. Die Mahlzeiten bestehen fast jeden
Tag ausschließlich aus Pataten (Süßkartoffeln), Sorgho
(Getreide) und Kochbananen. Letztere werden behandelt wie unsere Kartoffeln. Selten gibt es Früchte wie
Ananas oder Gemüse, da diese Produkte lieber, so wie
auch Kaffee oder Tee, verkauft und getauscht werden.
Missionsarbeit vor Ort: Auch in dem kleinen Bergdorf
Kaduha lassen sich die Kinder gerne fotografieren.
Als Haustiere werden Hühner, Ziegen und Rinder gehalten. Die Hühnereier werden ebenfalls verkauft, dies
besonders, da man glaubt, sie machten unfruchtbar.
Die sehr mageren ruandischen Kühe liefern nur etwa
1 bis 1 ½ Liter Milch pro Tag. Erstrebenswert ist daher
eine europäische Kuh. Diese ist aber nur für etwa 800
Euro zu haben, ein in der Regel unerschwinglicher
Preis. Milch, Fleisch und Felle der Ziegen verbraucht
man selber. Das Ziegenfell dient noch vielfach als Trage für das Baby, das bei allen Arbeiten der Mutter auf
ihrem Rücken seinen Platz hat, bis es laufen kann.
Wie alles begann
Schwestern der Ordensgemeinschaft „Chanoinesses de St. Augustin“ aus Belgien bauten 1965 in Kaduha, unmittelbar neben der Pfarrkirche, ein großes
Schwesternhaus in der Hoffnung, viele ruandische
Mädchen in ein Noviziat aufnehmen zu können. Es
kamen auch viele junge Mädchen zum Eintritt in die
Ordensgemeinschaft. Diese verließen aber bald nach
der Noviziatsausbildung in Brüssel den Orden wieder.
Sie hatten in Belgien ein Stück von der Welt gesehen,
die sie vorher nicht kannten, und erkannt, dass sich
noch andere Berufsmöglichkeiten ergaben. Nur insgesamt drei Schwestern blieben in der Gemeinschaft. Es
Die Kirche von Kaduha hat eine traurige Geschichte.
Nun ist sie wieder Mittelpunkt der Menschen in Kaduha.
30
Die Missionsstation der Clemensschwestern
war für den Konvent und viele europäische Missionsstationen, die gerne einheimische junge Leute in ihre
Das Hüten der Tiere erledigen ebenfalls
meist die Kinder.
Die heranwachsenden Kinder
übernehmen bereits früh Verantwortung
für die Familie. So tragen sie wie selbstverständlich ihre jüngeren Geschwister.
Gemeinschaft aufnehmen wollten, eine harte Lehre.
trum, und das zugehörige Wohnhaus als zu klein für
Solch ein Verhalten hatten die Europäer nicht erwar-
den Fall, dass, wie geplant, noch weitere Schwestern
tet. Die in Kaduha verbliebenen Schwestern widmeten
kämen. Sie lehnten daher das Angebot ab. Seit dem
sich den größten Teil des Tages dem Gebet. Sie hal-
Auszug der belgischen Schwestern befindet sich in
fen auch in der Pfarrkirche und in der Jugendseelsor-
den Gebäuden die Sekundarschule Don Bosco, die
ge. Die übernommene Versorgung von Kranken in der
ebenfalls zur jetzigen Diözese Gikongoro gehört.
angrenzenden Station sowie den Dienst in der Schule,
stellten sie ein, da das gemeinsame Gebet, ihr Haupt-
Den vielen hilfsbedürftigen und kranken Menschen in
anliegen, nicht mehr durchgeführt werden konnte. Die
der Region Kaduha konnte durch den Rückzug der
Ordensschwestern gaben kurz nach dem Eintreffen
Schwestern aus der Krankenbetreuung nicht mehr
der Clemensschwestern ihre Missionsstation ganz
hinreichend Hilfe zuteil werden. Provisorische Lösun-
auf und kehrten nach Belgien zurück. Das Schwes-
gen brachten nicht den notwendigen und erhofften Er-
ternhaus wurde zunächst den Clemensschwestern
folg. Die einzige, weltliche Krankenschwester, Arlette,
zur Übernahme angeboten. Diese befanden das Areal
versuchte, die Betreuung aufrecht zu erhalten, war
als zu groß und ungeeignet für ein Gesundheitszen-
aber alleine mit der Aufgabe völlig überfordert.
Das Gelände der belgischen
Schwestern war nicht geeignet
für das neue Gesundheitszentrum. Heute ist in den
teilweise verfallenen Gebäuden
die Sekundarschule eingerichtet. Sie ist dringend
renovierungsbedürftig, nur
fehlen auch dazu die Mittel.
Die Missionsstation der Clemensschwestern
31
Arlette inmitten der Clemensschwestern und
mit Pater Bettentrup
Die „Baumeister“ der Missionsstation der Clemensschwestern
von Kaduha: Bischof Gahamanyi und Direktor Vienenkötter
Die Suche nach einer ausländischen Ordensgemein-
Herrn Direktor Vienenkötter war Ruanda nicht unbe-
schaft, die bereit war, die kleine Station zu überneh-
kannt. Bereits 1960 war er dort und hatte ein Herz für
men, begann.
Land und Leute. Er setzte sich deshalb persönlich für
das Gelingen der Mission ein.
Aus den anfänglichen Gesprächen zwischen dem in
Ruanda tätigen Pater Bettentrup (Gemeinschaft der
Bei einem Besuch von Bischof Gahamanyi 1972 in
„Weißen Väter“) und Bischof Gahamanyi von Butare
Münster wurde konkreter über die Mission gespro-
erwuchs der Wunsch, den ihnen bekannten Bischof
chen. Der Bischof weilte für einige Wochen im Müns-
von Münster und Direktor Vienenkötter zu bitten,
terland und wurde dabei von der jungen Schwester M.
Schwestern einer Ordensgemeinschaft nach Ruanda
Milgitha in einem roten VW Käfer durchs Land gefah-
zu entsenden, um dort eine Missionsstation zu grün-
ren. Er war von Sr. M. Milgitha angetan und hatte es
den. Pater Bettentrup reiste im Auftrag von Bischof
nicht schwer, bei ihr das Interesse an der Missionsar-
Gahamanyi nach Münster. Bischof Tenhumberg von
beit zu wecken. Es mussten aber noch der Bischof von
Münster brachte ihn über Direktor Vienenkötter mit
Münster und die Oberen der Gemeinschaft überzeugt
den Clemensschwestern in Verbindung.
werden. Dies führte zu intensiven Gesprächen, waren
die Clemensschwestern doch kein Missionsorden und
hatten daher berechtigte Befürchtungen, Schwestern
so weit in die Welt zu entsenden. Auch fehlte der Gemeinschaft jegliche Erfahrung zu Einsätzen im Ausland, besonders in dem zu der Zeit noch unbekannten, fernen Ruanda.
Vom II. Vatikanischen Konzil her wurde den Nicht- Missionsgemeinschaften angetragen, die Diaspora oder
ein Missionsland ideell, finanziell und, wenn möglich,
Bischof
Tenhumberg
32
Bischof
Gahamanyi
Die Missionsstation der Clemensschwestern
auch personell zu unterstützen. Diesem Aufruf des
Konzils wollten die Clemensschwestern folgen und
gaben auch aus dem Grund der Bitte des Bischofs
den Organismus, für eine Zelle des Organismus, wi-
von Butare statt.
dernützlich wäre. Diese entsetzliche Widernützlichkeit
kennen Sie besser als ich. Egoismus der Zelle heißt am
Mit Schwester M. Ignatis erklärte sich eine weitere
Ende Zerstörung, und das heißt aber Krebs. Und da-
Schwester bereit, nach Ruanda in die Mission zu ge-
von, von dieser Verzweiflung, ist heute die Menschheit
hen. Anfang 1973 wurde mit den Vorbereitungen be-
bedroht, und in diese Situation hinein stellt sich nun der
gonnen. Die Schwestern gingen zunächst für einige
Herr, hat er sich zu allen Zeiten gestellt, von Ewigkeit
Monate nach Belgien, um die französische Sprache
zu Ewigkeit. Er ist der, der vom Vater gesandt ist. In der
zu erlernen.
Kirche spielt das Wort von der Sendung eine entscheidende Rolle. Der Herr hat es so formuliert: „Wie mich
Am 04. September 1973 fand dann die Aussendungs-
der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“ Und so ist es
feier für die Schwestern statt. Die nachfolgende An-
selbstverständlich für das Leben der Kirche gewesen,
sprache während der Eucharistiefeier hielt Herr Dom-
wenn Gemeinschaft sich gebildet hatte, wenn sie sich
kapitular Stammkötter:
so gefestigt hatten, ihre Aufgabe ihnen klar geworden
ist, dann knieten Einzelne aus der Gemeinschaft nie-
Meine lieben Mitchristen!
der und ließen sich stellvertretend für Gott und für die
Meine lieben Schwestern!
Gemeinde die Hände auflegen, sie ließen sich salben,
Unser Diözesanbischof hat mich gebeten, heute Mor-
die Gemeinde betete über sie und dann wurden sie ge-
gen noch einmal seinen Gruß, seinen Dank, seinen
sandt, dann erhielten sie Anteil an der Sendung, die der
Glückwunsch und seinen Segenswunsch für die Zu-
Herr vom Vater für die sündige, gebrochene, schuldige,
kunft zu bringen, Ihnen allen, vor allem aber denen, die
vor allem für die leidende Welt empfangen hatte. Und
heute ausgesandt werden im Namen des Herren.
das, was am Anfang der Schöpfung gestanden hat, im
Advent Christi gestanden hat, was zu allen Zeiten in der
Unsere Welt, in der wir heute leben, bietet ein seltsam
Kirche lebendig gewesen ist, das vollzieht sich in dieser
zerrissenes Bild. Die Kirche, noch mehr aber die Orden
Stunde: Sendung vom Herrn, Sendung vom lebendi-
in der Kirche, haben eine doppelte Aufgabe, immer und
gen Gott für den Dienst an den Menschen. Eine solche
heute: zunächst einmal, Zeugnis ablegen von der Abso-
Stunde braucht nicht viele Worte. Der Herr selber hat
lutheit Gottes. Er hat im Leben des Menschen den ers-
auf die entscheidende Stelle in der Schrift verwiesen
ten Rang. Er ist der Erste und der Letzte. Davon muss
und hat sie selbst in seine Hände genommen: „Der
gezeugt werden. Dann aber haben die Orden die Aufga-
Geist des Herrn ruht auf mir, denn er hat mich gesalbt.
be, klar zu machen, dass im Leben des Menschen die
Er hat mich gesandt, den Armen die Heilsbotschaft zu
erste Sorge der Mitmensch ist, die erste Sorge der Men-
bringen, den Gefangenen die Freiheit, den Blinden das
schen. Wenn wir heute unsere Welt sehen, dann stößt
Augenlicht zu verkünden, die Geschlagenen in Freiheit
uns manches ab, aber wer die Augen der Liebe hat,
zu setzen und ein Gnadenjahr des Herrn auszurufen.“
sieht hinter politischem Extremismus, sieht sogar hinter
Darin ist die Sendung dieser Stunde enthalten und von
totalem Sexualismus die große Not des Menschen, den
der Sendung des Herrn ist diese Stunde, die wir nun
Menschen, der von der Verzweiflung bedroht ist. Und
mit bewegten Herzen feiern, ein Stück, das mit großer
gar nicht zu unrecht. Wenn vielfach ungeschrieben das
Freude erfüllt, mit herzlicher Mitmenschlichkeit, mit Ju-
Gesetz der Wirtschaft das Gesetz des Handelns ist,
bel und mit Dank gegen den lebendigen Gott. An die-
dann muss im Menschen Verzweiflung sein. Und diese
ser Sendung des Herrn hat diese Stunde ihren Anteil.
Verzweiflung schreit in solchen Formen. Egoismus ist
Wenn wir als Priester den Einsetzungsbericht spre-
für den Menschen so widernützlich, wie Egoismus für
chen, im Namen Christi und in der Person sprechen,
Die Missionsstation der Clemensschwestern
33
Ankunft der Schwestern in Ruanda
Das anfängliche, bescheidene Wohnhaus wird bezogen.
dann sprechen die beiden Schwestern, die heute die
Das Centre de Santé wird eingerichtet
Sendung erfahren, in einer besonders intensiven Weise
Während des ersten Besuches von Direktor Vienen-
mit dem Herrn und mit uns, und die Worte lauten: Für
kötter in Kaduha wurden die allgemeinen Grundsät-
euch und für alle. Und wir miteinander sprechen zu den
ze für die Arbeit der Schwestern und den Ausbau der
beiden in unserem Beten und unserem Bitten heute:
Station mit Bischof Gahamanyi abgestimmt und fest-
Für euch. Amen.“
gelegt. Die nachfolgende Aktennotiz dazu wurde von
Direktor Vienenkötter nach seiner Rückkehr aus Ru-
Die Schwestern traten, gestärkt durch die Segnun-
anda verfasst:
gen und Gebete, die lange Reise nach Ruanda an.
Ihr erstes Ziel war Butare, eine kleine Stadt im Süden
des Landes an der Grenze zu Burundi. Butare war
auch der Sitz der Diözese von Bischof Gahamanyi.
• Die Klemensschwestern sind grundsätzlich bereit,
nach Kaduha zu gehen.
• Schwester M. Ignatis übernimmt die Verantwor-
In der „Cela“, einer Schule der „Weißen Väter“, soll-
tung für das Centre Nutritionell und Schwester M.
te zunächst die Landessprache Kinyarwanda erlernt
Milgitha für das Dispensaire.
werden. Ein vom Gesundheitsministerium geforder-
• Sie wünschen, dass Arlette noch solange bleibt,
tes, erweitertes Fachpraktikum war in der Gesund-
wie es für beide Seiten zuträglich ist, damit die
heitsstation von Muganza zu absolvieren. Wegen der
Schwestern richtig eingeführt werden; sicherlich
unbefriedigenden Versorgungssituation entschieden
drei Monate, wenn nötig länger.
sich das Ministerium und die Diözese jedoch für ei-
• Die Schwestern würden es nicht für ausgeschlos-
nen direkten Einsatz in Kaduha und den Ausbau des
sen halten, wenn sie auch in Zukunft mit Arlette
Centre de Santé. Das einsame Bergdorf lag Bischof
zusammenarbeiten.
Gahamanyi besonders am Herzen, da er in der Re-
• Die Schwestern werden zunächst, und wahrschein-
gion geboren wurde. Die nötige Abstimmung mit dem
lich auch in Zukunft, im Haus wohnen, das jetzt
Mutterhaus in Münster erfolgte durch den Bischof.
Arlette bewohnt. Das Kloster der Chanoinesses
Somit erreichten Sr. M. Ignatis und Sr. M. Milgitha im
wäre nach deren Fortgang frei für eine andere Auf-
Frühjahr 1994 Kaduha. Dieser Ort sollte nun für lange
gabe.
Jahre die Heimat der Clemensschwestern sein.
34
Die Missionsstation der Clemensschwestern
tet würde. Die Schwestern möchten jedoch keine
falschen Forderungen an die Pfarrei stellen, sondern
sind um eine gute Zusammenarbeit bestrebt.
Die Clemensschwestern nehmen die Arbeit auf
Zunächst bezogen die Schwestern das kleine, bescheidene Haus, das von der weltlichen Krankenschwester
Arlette bewohnt wurde. Sofort wurde mit der Arbeit
und dem Ausbau des Centre de Santé begonnen. Die
Station bestand aus dem Dispensaire (Krankenstation) und dem Centre Nutritionell (Mütterschule). Im
Direktor Vienenkötter bemühte sich mit Bischof Gahamanyi in
den ersten Jahren stets selber um das Wohl der Schwestern.
• Wenn jedoch eine dritte Klemensschwester dazukommt, würde die jetzige Wohnung zu eng sein.
• Die Klemensschwestern möchten in der Diöze-
Dispensaire werden täglich 150 bis 250 Menschen
versorgt. Die Kranken, die von nah und fern - oft bis
zu 15 km - kommen, sind elend. Häufig haben sie den
Weg mit hohem Fieber zurückgelegt. Wird ein Kranker
transportiert, geschieht das durch die jeweilige Dorfgemeinschaft mittels selbstangefertigter Tragen.
se Butare keinerlei Besitz erwerben. Wenn die
Chanoinesses für das Haus der Krankenschwes-
Die Kranken erhalten die notwendige Therapie in Form
tern ein Entgelt von etwa 7.000 DM wünschen,
von Tabletten, Injektionen, Verbänden und Einreibun-
so möchten die Klemensschwestern, dass das
gen. Für jede Behandlung haben die Patienten 20
Wohnhaus Eigentum der Diözese Butare wird, die
FRW (etwa 3 Cent) zu zahlen. Falls erforderlich, erfolgt
Klemensschwestern können der Diözese Butare
die Unterbringung in dem kleinen Hospital der Station.
beim Ankauf helfen.
Auch fahren Mitarbeiter regelmäßig in die umliegen-
• Wenn die Chanoinesses Kaduha verlassen, soll
den Bergregionen, um dort Impfungen durchzuführen.
die Diözese die Klemensschwestern als Verant-
Der Alltag hat sich bei
wortliche für das Dispensaire und das Centre
den Schwestern sehr
Nutritionell bei dem Gesundheitsministerium an-
bald eingespielt und sie
melden. Alle rechtlichen Angelegenheiten mit dem
haben sich in Kaduha
Gesundheitsministerium sollen über die Diözese
gut eingelebt. Schnell
abgewickelt werden.
wurden Kontakte mit
• Es muss noch der zuständigen Behörde gemeldet
der
Kirchengemein-
werden, dass die beiden Schwestern ihr Prak-
de und Bevölkerung
tikum in Kaduha beenden möchten und nicht in
geschlossen.
Muganza, wie zuerst vom Gesundheitsministerium
waren die Schwestern
vorgesehen war.
herzlich
Überall
willkommen,
• Es ist Sorge zu tragen, dass die beiden Schwestern
erhofften sich doch alle
mindestens das eine oder andere Mal in der Woche
Menschen in der Regi-
eine Heilige Messe haben, indem sie entweder die
on eine Verbesserung
Arbeitszeit der Messe anpassen können oder dass
der medizinischen Ver-
ein Gottesdienst außerhalb der Arbeitszeit eingerich-
sorgung.
Ausgabe von Medikamenten
Die Missionsstation der Clemensschwestern
35
Schwester M. Ferdinande tritt die lange Reise nach
Ruanda an. Sie hat später viel zu berichten.
Das kleine Gesundheitszentrum um 1973
Die tägliche Arbeit im Dispensaire und im Centre Nu-
Auch kann es sein, dass ein Kranker nachts zum Arzt
tritionell hat Sr. M. Ferdinande, die 1978/79 für acht
gebracht werden muss, oft auch eine schwangere
Monate und später noch einmal für zwei Monate in
Frau, wenn sich Komplikationen bei der Entbindung
Kaduha war, in ihrem umfassenden Bericht anschau-
einzustellen drohen. Ich weiß nicht, wie oft das schon
lich dargestellt. Mit einigen Auszügen aus dem Bericht
geschehen ist, während alle ruhig schliefen, dass
soll der Alltag im Zentrum dargestellt werden:
dann die verantwortliche Schwester aus dem Bett heraus musste, um in dunkler Nacht einen Kranken weg-
Dispensaire - Krankenstation -
zubringen. Das geschieht dann folgendermaßen: Ein
Das Dispensaire war ursprünglich eine reine Entbin-
Wächter kommt ans Tor, gibt unserem Nachtwächter
dungsstation, wurde aber schon früh ausgeweitet
einen kleinen Zettel, auf dem der Bescheid steht, dass
zu einer Krankenambulanz. Später kam ein kleines
ein Kranker die Hilfe der Schwester braucht. Unser
Hospital dazu. Solch ein Dispensaire steht in Ruanda
Hauswächter schellt bei uns an, begleitet dann die
meist unter der Leitung einer Krankenschwester, nicht
Schwester durch die dunkle Nacht zum Dispensaire
eines Arztes. In unserem Fall ist es Sr. M. Milgitha. Sie
und leuchtet ihr dabei mit seiner Lampe. Wenn die
ist in der Lage, die sehr häufig auftretenden Krankhei-
Schwester Glück hat, ist die Angelegenheit mit Tab-
ten wie Malaria, Würmer, Tbc, Lepra und viele andere,
letten zu erledigen. Andernfalls muss sie die oben be-
die mit Hilfe einfacher Laboruntersuchungen erkannt
schriebene Fahrt antreten.
werden können, zu behandeln. Sobald es sich aber
um Operationen, Knochenbrüche oder um nicht ohne
Mit der Pflege im Hospital sieht es folgendermaßen
weiteres erkennbare Gebrechen handelt, muss der
aus:
Kranke in einem Auto zu einem Arzt gebracht werden.
Es geht um vieles bequemer als bei uns in den Kran-
Doch dieser ist weit entfernt, wenigstens für Kaduha:
kenhäusern. Hier braucht man nur verhältnismäßig
50 km schlechte Wegstrecke sind da zu bewältigen.
wenig Personal für die Krankenpflege. Alles Übrige
Kostbare Stunden gehen fürs Fahren verloren.
machen die Angehörigen selber. Jeder Kranke bringt
36
Die Missionsstation der Clemensschwestern
mindestens eine Person aus seiner Familie mit, die für
Die Mütter der Gemeinde Kaduha besuchen mit ihren
ihn sorgt, die ihm Essen kocht und ihm zu trinken gibt,
Kindern im Vorschulalter einmal monatlich diese Schu-
wenn es notwendig ist, oder ansonsten die dienstbe-
le um zu lernen, wie sie ihre Kinder nach dem Entwöh-
reite Schwester holt. Auch braucht man kein Personal
nen ernähren müssen. Gerade diese Phase der Ent-
für die Küche oder zur Zubereitung des Essens. Wie
wöhnung ist für das Kind die am meisten gefährdete
schon gesagt, für die Mahlzeiten sorgen die Angehö-
Zeit, besonders in einem armen Land wie Ruanda, in
rigen selbst. Es gibt für sie Kocheinrichtungen, einfa-
dem es so wenig Abwechslung in der Ernährung gibt.
che, offene Feuerstellen draußen im Hof. Dort sitzen
In ihrer großen Unwissenheit machen sich die Müt-
sie dann und bereiten die Speisen für sich und die
ter wenig Sorge, was sie ihrem Kind zu essen geben,
Patienten vor: Eine sehr bequeme Einrichtung, die es
wenn es nicht mehr gestillt werden kann: Es muss das
in ganz Afrika gibt. Die Angehörigen sind so stark mit
essen, was alle Erwachsenen täglich essen, nämlich
ihren erkrankten Familienmitgliedern verbunden, dass
Bohnen und Patate. Wenn das Kind diese Kost nicht
sie sie nicht verlassen, wenigstens im Normalfall. Es
verträgt, verliert es schnell an Gewicht. Es stellen sich
gibt natürlich auch schlimme Ausnahmen.
Störungen ein, besonders durch Eiweißmangel. Es ist
sehr anfällig für jede Krankheit. Masern, zum Beispiel,
Wenn man am Abend oder bei Nacht mal das kleine
sind dann todbringend. Und viele Kinder fallen diesen
Hospital betritt und sich fragt, wo bleiben die denn alle,
Schwierigkeiten zum Opfer. In der Mütterschule nun
es sind doch gar nicht so viele da, da sieht man sie
wird diesem Übel entgegengearbeitet. Miteinander be-
dann neben ihren kranken Angehörigen auf dem Bo-
reiten die Frauen dann ein gutes Mahl für die Kinder, in
den kauernd, einfach auf einer Matte liegend, in eine
dem alle wichtigen Nährstoffe wie Eiweiß, Kohlehydra-
Decke eingerollt und tief schlafend. Manchmal wagt
te, Mineralien, Vitamine und Fett enthalten sind.
es auch einer, sich in ein freies Bett zu legen. Aber das
ist verboten, das dürfen sie nicht, dann müssen sie
Die Mütter sind, entsprechend ihren Wohngemein-
Strafe zahlen. Die freien Betten sind deshalb auch nur
schaften, nach Hügelgruppen eingeteilt. Täglich, von
nackte Eisengestelle ohne Bettzeug. Da kann man
montags bis freitags, kommt eine Gruppe von ca. fünf-
genau so gut auf dem Boden liegen.
zig Frauen für einen Vormittag. Jede Gruppe kommt
einmal im Monat und das drei Jahre lang. Laut Pro-
Bei Nacht sorgt dann ein Nachtwächter eigens für
das Hospital, damit alles in Ordnung ist. Und wenn
ein Patient ruft, so erscheint erst der Nachtwächter mit
der Lampe und fragt nach dem Begehren. Und wenn
Schwierigkeiten bei dem Patienten auftreten, wird die
diensthabende Schwester gerufen, die ein eigenes
Zimmer in dem Hospital hat und dort schlafen darf, bis
sie gerufen wird.
Centre Nutritionell - Mütterschule Als ich nach Kaduha kam, wurde ich gebeten, ein wenig mitzuhelfen in dieser Mütterschule. So lernte ich,
nachdem ich vier Wochen zur Eingewöhnung im Land
verbracht hatte, was es auf sich hatte mit dieser Mütterschule. Ich möchte hiermit ihr Programm vorstellen:
Unterricht in der Mütterschule
Die Missionsstation der Clemensschwestern
37
gramm soll es morgens um 8.30 Uhr beginnen, und
zwar mit dem Kinderwiegen. Dann folgt die Besprechung mit der jeweiligen Pflegerin über den Zustand
des Kindes, das Vorzeigen dessen, was die Frauen
zu Hause für ihr Kind gekocht haben, die Nachfrage
in Form eines kleinen Examens, ob auch der Gruppe die Nährwerte bekannt sind. Dann folgen zwei
Stunden Belehrung über Ernährung und Hygiene,
über Krankheiten und über Gartenbau. Und während
der Unterweisung wird das gemeinsame Mahl für die
Kinder gekocht. Die Frauen müssen dazu selbst Zutaten mitbringen, ebenso das Brennholz. Sie kochen
das Gemüse selbst unter der Aufsicht einer unserer
Angestellten. Nach der letzten Unterrichtsstunde geschieht dann die Verteilung von Lebensmitteln sowie
Das Essen für die Mütter wird auf einer einfachen
Kochstelle hergerichtet.
auch des Gemüses für die Kinder. Wer aber am Morgen sein Examen nicht bestanden hat, empfängt nicht
Brief von Schwester M. Ferdinande an die Mit-
zwei Knöpfe als Bewilligung der Lebensmittel und
schwestern in der Heimat
muss dann leer ausgehen: eine sehr gefürchtete, aber
Kaduha ist besonders in den ersten Jahren auf Grund
gerechte Strafe.
fehlender Kommunikations- und schlechter Postwege von und nach Münster nur sehr schwer zu errei-
Um 12.30 Uhr ist die Schule beendet und die Frauen
chen. Allen Schwestern wurde die große Distanz sehr
gehen dann wieder nach Hause. Oft haben sie einen
schnell bewusst. Es entwickelte sich dadurch ein Ei-
weiten Weg zu Fuß, mehrere Stunden. Doch bringen
genleben, das nicht immer nur Vorteile brachte. Die
sie es fertig, wenn es sein muss, ohne Uhr pünktlich
Verantwortung für die Mission drückte vielfach sehr
zur Stelle zu sein.
stark auf den Schultern der Schwestern. Sie lernten
aber, damit umzugehen und den Kontakt zur Heimat
Betreut werden die Frauen von ruandischen Mädchen,
so gut wie eben möglich aufrecht zu erhalten. Viele
die selbst nur eine dreimonatige Ausbildung in einer
Briefe, besonders aus den Anfängen, bezeugen das
eigens dafür eingerichteten, praktischen Mütterschu-
Bedürfnis der Schwestern, die Verbindung zu den Mit-
le erhalten haben. Als ich anfangs dort war, waren es
schwestern der Gemeinschaft und der eigenen Fami-
fünf Mädchen und ein Mann. Die fünf Mädchen sorg-
lie stets aufrecht zu erhalten. Beispielhaft soll das mit
ten für die Unterrichtung der Frauen und für die Pfle-
dem nachstehenden Brief, den Schwester M. Ferdi-
ge der unterernährten Kinder in dem kleinen Hospital.
nande an die Jubilarinnen der Gemeinschaft schrieb,
Der Mann war zuständig für die Feldarbeit und zeigte
dargestellt werden:
den Frauen, wie sie auf dem Feld arbeiten mussten.
Diese sechs Leute waren meine Mitarbeiter während
Liebe Jubilarinnen des Frühjahrs 1979!
meines Aufenthaltes in Kaduha. Mit ihnen habe ich
Da ich ja nicht mit Euch zusammen, wenigstens mit
manch schöne, aber auch viele, sehr viele, schwere
einigen von Euch, den großen Tag Eures Jubels mit-
Stunden verbracht mit der Arbeit und Sorge um die
feiern kann, will ich wenigstens Euch meinen, sowie
Frauen.
auch Schwester M. Milgithas Gruß und Glückwunsch
zukommen lassen! Gott sei Dank fand ich unter all
38
Die Missionsstation der Clemensschwestern
meinen Sachen und Büchern den Zettel, auf dem alle
ben wurde und die Räder schrecklich rutschten. Da
Jubiläen dieses Jahres aufgezeichnet sind. So bin ich
hat es mächtig gespritzt. Von oben bis unten war ich
nun im Bilde und schreibe ganz schnell, damit mein
voller rotem Matsch, wie getauft! War ja auch gerade
Brief Euch wenigstens noch in der Jubel-Oktav er-
Ostern! Als wir dann zu Hause ankamen, nach Stun-
reicht! Die Schwestern in der Verwaltung des Mutter-
den, war ich wie eine Mumie mit getrockneter Lehm-
hauses, die ja, Gott sei Dank, stets bereit sind, all un-
schicht bedeckt. Brauchte mich nur abzustauben!!! Ein
sere frommen Wünsche zu erfüllen, bitte ich hiermit,
weiteres Hindernis wird für die Reisenden dies sein,
diesen meinen Brief zu vervielfältigen und einer jeden
am 18. Mai, dass die Flüsse über die Ufer getreten
von Euch zukommen zu lassen.
sind, dass die Brücken überschwemmt sind. Wenn sie
dann glücklich den 4 Stunden langen Weg bis vor Ki-
Große Geschenke kann ich nicht machen, die be-
gali (153 km) geschafft haben, trotz aller Hindernisse,
kommt Ihr auch sicher zur Genüge, mein Geschenk
kann es ihnen passieren, dass sie doch noch wieder
sei einfach nur dieses: Euch ein wenig erzählen von
umdrehen, oder einen großen Umweg machen müs-
hier, wie sehr das Interesse für Afrika vorne ansteht.
sen, da gesagt wird, der große Fluss vor Kigali hat
Dann kann wohl noch was werden aus unserer Euthy-
die Brücke überschwemmt, es ist kein Durchkommen.
mia-Station.
Wenn Euch also, liebe Schwestern, dieser mein Brief
noch rechtzeitig erreicht, so wisst Ihr, sie haben den
Es ist von hier aus schwierig, Post abzuschicken. Man
Weg trotz allem geschafft. So ist das hier in Afrika.
muss erst eine Autofahrt von 1 ½ bis zwei Stunden machen, um zur Post zu kommen. Briefträger, - die gibt es
Doch nun auch mal was Schönes von hier. Schön ist
hier nicht! Da muss mal jeder sehen, wie er seine Post
es vor allem, dass das Leben hier ruhiger verläuft. Das
erhält, beziehungsweise wegbekommt in die nächste
kommt mir sehr zugute, da ich hier nun erst richtig
Stadt. Doch ist nachbarliche Hilfe eine sehr geschätz-
merke, wie sehr ich in Deutschland gerannt bin.
te Einrichtung hier; wer eine Fahrt macht, sagt es oft
den anderen und fragt, ob er was zu besorgen hat. So
Die Abende stockdunkel bei Kerzenlicht, weil es im
fährt just am 18.05. eine Schwester aus der Nachbar-
Moment auch wenig Petrol gibt für den Lichtmotor,
schaft in die Heimat nach Europa, da nimmt sie meine
sind herrlich lang. Statt der ewigen Autogeräusche,
Post mit. Gebe Gott, dass sie durchkommt mit dem
die es zu Hause immer gibt und die man dort schon
Auto nach Kigali, der Hauptstadt von Ruanda, von wo
gar nicht mehr hört, hört man hier bis ins stille Zim-
das Flugzeug startet. Es ist nämlich jetzt Regenzeit,
mer das Gezirpse und Gegurgele von allerhand Gril-
die „Straßen“ – sprich schlechten Wege - sind dann
len, Unken und solchem Getier, das beim Dunkelwer-
noch um einiges schlechter als sonst: aufgeweicht von
den erst lebendig wird. Das erinnert mich stark an die
vielem Regen, überschüttet von Erdmassen und um-
Abende meiner Jugendzeit, als unsere ganze Fami-
gestürzten Bäumen und allem, was da so die Hügel
lie bei gutem Wetter draußen saß und den schönen
hinabschießt bei den starken Regenschauern! Und
Abend genoss. Und wenn dann hier mal wirklich ein
da es hier nicht so was wie Straßenwacht oder ADAC
Auto vorbeifährt, so ist man, wie früher, versucht auf-
gibt, macht so schnell niemand was, damit die Straße
zuspringen, ans Fenster zu gehen, um zu sehen, was
wieder frei wird. Auch wir beide, Schwester M. Milgi-
es für ein Auto ist und wohin es fährt. In vielen Dingen
tha und ich, haben schon einige Male festgesessen im
ist hier die Zeit um 30-40 Jahre zurück und für uns
Matsch mit dem Auto. Da müssen hilfsbereite Leute
Christen die Gelegenheit, die vielfach große Unkennt-
für einige Groschen schieben, bis es wieder geht! Ein-
nis der Menschen hier in gute Bahnen zu lenken. Das
mal geriet ich hinter den Wagen, als gerade gescho-
sieht dann praktisch so aus, dass wir ihnen den Wert
Die Missionsstation der Clemensschwestern
39
des Lebens zeigen, wie Güte, Gerechtigkeit, Ehrlich-
die alle von mir wollten. Doch nun verstehe ich vie-
keit, gegenseitiges Helfen, Einsatz der eigenen Person
les mehr. Kann auch schon etwas die Sprache, oder
für den Anderen bis zum Ende der Kraft. Das ist alles
Französisch, das die Kinder ja in der Schule schon
hier längst nicht selbstverständlich, vielmehr ist nur
in den ersten Jahren lernen. Ganz begierig sind sie,
jeder, der es schon zu etwas gebracht hat, bestrebt,
auch mal ein deutsches Wort zu hören und zu lernen.
sein bisschen zu mehren, wie er nur kann, auch auf
Wenn sie es aussprechen können, ist der Jubel groß.
Kosten anderer, und ja nicht danach zu sehen, wann
da einer was von ihm will, weil er arm und krank ist.
Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit gegenüber
Das habe ich so richtig bei meinen Mitarbeiterinnen in
Fremden als Gast erfahren wir hier auch beim Besuch
der Mütterschule erlebt.
in den Familien, die wir ja von der Mütterschule aus
machen müssen. Wenn wir dann eingeladen werden,
Doch wollte ich eigentlich nur was Schönes von hier
in den „Hof“ treten zu dürfen, Platz zu nehmen auf
berichten, z.B. wie freundlich man andererseits mit-
dem sicher einzigen Stuhl, den es im Haus gibt, natür-
einander ist. Der Gruß hier ist eine sehr eindrucks-
lich nach der üblichen Begrüßung, dann kann man mit
volle Weise der Begegnung, die wir gar nicht mehr
ihnen sprechen, auch mal fragen, wie es den Kindern
kennen. Jeder will jeden, besonders wenn er etwas
geht, fragen nach dem „Garten“ und ob sie auch alles
höher steht, also etwas besser gekleidet ist als der
sachgerecht angelegt haben. Sie freuen sich darüber
andere, begrüßen, nicht nur eben „Guten Tag“ sagen,
und geben willig Auskunft. Dann folgt der Abschied:
sondern zuerst eine mehr oder weniger intensive Um-
Mann und Maus gehen mit, oft ein ganzes Stück Wegs
armung(!!!), dann das Handschütteln, die Frage nach
bis zur nächsten Familie, dann beginnt zunächst die
dem Wohlergehen, Frage nach Neuigkeiten, dann ei-
Frau, meist stets mit einem kleinen Kind auf dem Arm,
nige Zeit Schweigen mit häufigem „Hm, hm“ und dann
zu bitten, „Auf Wiedersehen“ sagen zu dürfen, spä-
vielleicht, wenn wirklich nichts mehr zu sagen ist, gibt
ter einige andere der größeren Personen, zuletzt der
man sich nochmal die Hand und geht mit guten Wün-
Mann. Einmal, als es stark regnete und der Weg kaum
schen auseinander. Nun ist es schlimm, wenn es je-
passierbar war, nahm der Mann seine Hacke mit, ging
mand mal eilig hat aus irgendeinem Grund. (Aber das
vor uns, um den Weg freizuschaufeln. Vorher hatte mir
ist eigentlich nur bei uns verrückten Europäern der
die Frau ihren Wanderstab in die Hand gegeben, da-
Fall!!!!) Denn diese Begegnungen gibt es x-mal auf
mit ich auch gut laufen könne und nicht ausrutsche.
einem Weg von ca. einem Kilometer. Da darf sich nie-
Ob es so was bei uns noch gibt???
mand vornehmen, bis dann und dann am Ziel zu sein
oder er muss entsprechend mehr Zeit einkalkulieren.
Und nun ist schon mein Briefpapier bald auf der
Da wollen so viele begrüßt werden, wollen wissen, wo
2. Seite voll.
man hingeht (Das zu fragen ist hier keine Unhöflichkeit.). Wollen was Neues erfahren oder geben. ... Be-
Ich denke, Euch hiermit eine große Freude bereitet
sonders für uns Weiße ist es sehr wichtig, jedem Zeit
zu haben, liebe Jubilarinnen, da ich weiß, wie gern
zu schenken, der uns die Hand geben und begrüßen
Ihr aus dieser Euch so fremden Welt etwas hört. Ich
will, vor allem Kindern. Wenn ich mal spazieren gehe,
wünsche Euch die Freundlichkeit und Zufriedenheit,
habe ich gleich eine ganze Traube von Kindern hinter
die die Menschen sich hier trotz aller Armut und auch
mir, auch wenn ich ihnen nichts zu geben habe, nicht
Drangsale bewahrt haben und grüße Euch nochmals
einmal Worte, weil ich nicht genügend ihre Sprache
ganz herzlich, zusammen mit Schwester M. Milgitha,
kenne. Schön ist das manchmal. Am Anfang aber hat
in Liebe
es mich mächtig geängstigt, da ich nicht wusste, was
Eure Schwester M. Ferdinande
40
Die Missionsstation der Clemensschwestern
Anmerkungen des Autors:
Ausbau des Centre de Santé
In dem umfangreichen Bericht und dem Brief von
Die vorhandenen Räumlichkeiten reichten schnell
Schwester M. Ferdinande steckt viel Wahres über
nicht mehr aus, um dem stetigen Anstieg der Patien-
die Menschen in Ruanda, deren Mentalität und deren
tenzahlen und der Frauen in der Mütterschule gerecht
Miteinander. Zum Glück konnte sich die Landbevöl-
zu werden. Immer häufiger erfolgten Behandlungen
kerung ihre Kultur bis heute weitgehend bewahren.
unter freiem Himmel. Die Patienten hatten teilweise
Aber auch der für die Menschen in Ruanda bekann-
über Stunden außerhalb des Zentrums auf die Be-
te Neid untereinander und deren Missgunst spiegeln
handlung zu warten. Vor allem während der Regen-
sich in den Texten wieder. Wie gerne habe ich Auszü-
zeiten führte das vielfach für die Kranken zu einer
ge davon übernommen und mich bei einem Besuch
weiteren Beeinträchtigung ihrer gesundheitlichen Si-
mit Schwester M. Ferdinande über ihre Erlebnisse in
tuation. Die Räumlichkeiten waren nicht nur zu be-
Kaduha unterhalten. Hatten wir uns doch viele Din-
grenzt, sie waren auch völlig überaltert und renovie-
ge zu erzählen. Ihre tiefen positiven, aber auch ne-
rungsbedürftig. Zügig wurde daher damit begonnen,
gativen Eindrücke über ihren ersten, achtmonatigen
erste Pläne für die Erweiterung und die Umgestaltung
und den weiteren, zweimonatigen Aufenthalt sind ihr
des Gesundheitszentrums zu erarbeiten. Es sollte
noch allgegenwärtig. So manch eine ihrer Aussagen
den zeitgemäßen Anforderungen entsprechend aus-
hat mich sehr nachdenklich gemacht, deckten sie sich
gebaut und modernisiert werden. Ein kleines Hospital
doch meist mit meinen eigenen Erfahrungen und Er-
war zu errichten und die Mütterschule musste integ-
lebnissen.
riert werden. Das Mutterhaus in Münster erklärte sich
Der von Hand gezeichnete Bauplan dient als Grundlage des neuen Centre de Santé.
Die Missionsstation der Clemensschwestern
41
Das neue Wohnhaus für die
Schwestern wird errichtet
Schon bald nach ihrer Ankunft in
Kaduha stellten die Schwestern fest,
dass es ihnen nicht möglich war, mit
mehreren Personen in dem kleinen
Haus zu wohnen, das den belgischen Schwestern gehörte. Dies
besonders, wenn mit Sr. M. Quirina im November 1976 noch eine
Das Zentrum strahlt in neuem Glanz.
dritte Schwester nach Kaduha kommen würde. Auch für Besucher stand
bereit, die Kosten des Aus- und Umbaus zu überneh-
kein geeigneter Platz zur Verfügung. Die hygienischen
men. Mit der Planung und Bauleitung wurde der Bau-
Verhältnisse und das fehlende Wasser beeinträchtig-
meister der Diözese Butare, Bruder Gratian, betraut.
ten die Lebensbedingungen zu sehr. Das Mutterhaus
Nach vielen Gesprächen wurde von ihm, natürlich von
hatte sich daher bereit erklärt, nach der Finanzierung
Hand, ein Bauplan gezeichnet und zur Genehmigung
des Centre de Santé auch die Finanzierung eines
eingereicht. Der Plan ließ die damalige Einfachheit
neuen Wohnhauses zu übernehmen. Die Planung und
der Ruander auch in diesen Dingen erkennen.
Detailpläne, wie wir sie in Deutschland schon
immer kennen oder gar statische Berechnungen
gibt es nicht. Fast täglich war an der Baustelle
über die Ausführung „zu verhandeln“. Alle erforderlichen Materialien konnten in der Umgebung
beschafft werden. Viele hilfreiche Hände aus der
Gemeinde Kaduha waren für die Errichtung erforderlich. Dies war sehr willkommen, verdienten
sich die überwiegend Arbeitslosen in der Region
so doch etwas Geld zum Lebensunterhalt. Das
gab ihnen ein besonderes Selbstwertgefühl. War
es doch etwas ganz Besonderes für sie, in dem
einsamen Bergdorf, „IHR“ Gesundheitszentrum
selber zu errichten.
Das neue Wohnhaus der Schwestern
42
Die Missionsstation der Clemensschwestern
Das neue Wohnhaus sollte genügend Platz für die Schwestern und Gäste bieten.
Bauleitung erfolgte ebenfalls durch den Baumeister
schaffen werden. Auch sollte es ihnen, durch Baustil
der Diözese Butare, Bruder Gratian. Mit dem Wohn-
und Ausstattung, ein Heimatgefühl vermitteln. In kur-
haus sollte den Schwestern eine Stätte der Ruhe und
zer Zeit war das Gebäude errichtet.
Besinnung zum Ausgleich für ihre tägliche Arbeit geFortan verfügten die Schwestern über ein Wohnhaus
nach „europäischem“ Standard. Auch das nun endgültig fertig erstellte Centre de Santé war beispielhaft
für Ruanda und bot den Mitarbeitern und Patienten
optimale Bedingungen. Bei der Abrechnung der Bauarbeiten gab es einige „für Afrika übliche“ Probleme.
Die Schwestern lernten dadurch einen vorsichtigen
Umgang mit Geldern, die von Deutschland überwiesen werden. Alles klärte sich aber letztlich auf und der
Einweihung durch Bischof Gehamanyi stand nichts
mehr entgegen.
Bischof Gahamanyi weiht das neue Wohnhaus ein.
Die Missionsstation der Clemensschwestern
43
Der Genozid erreicht Kaduha
des Besuches war der Unterricht in der Schule gera-
Das neu geschaffene Centre de Santé wurde von al-
de wieder aufgenommen worden. Noch immer lagen
len Patienten und Mitarbeitern sehr schnell angenom-
an dem Ort verstreut Kleidungsstücke und Knochen.
men und mit Leben erfüllt. So vergingen die Jahre und
Einige Schüler spielten ganz in der Nähe mit verstreu-
ein gewohnter Alltag eines unermüdlichen Einsatzes
ten Rippenknochen anderer getöteter Kinder. Der Kir-
stellte sich ein. Besucher kamen und gingen. Sie alle
chenkomplex wies Spuren gewaltsamen Eindringens
erhellten den Alltag der Schwestern und brachten In-
und verzweifelter Lebenskämpfe auf. Der Küchenbe-
formationen aus der Heimat. Viele, selbst zwischen-
reich war, wahrscheinlich durch eine Granate, in die
menschliche Probleme die eine solche Mission in der
Luft gesprengt, einige Türen aufgebrochen worden.
„Einsamkeit“ auch unter den Schwestern zur Folge
An den Wänden waren blutige Fingerabdrücke und
hatte, galt es in all den Jahren zu lösen. Ab etwa 1990
von Schlägen mit Macheten herrührende Spuren zu
änderte sich, bedingt durch aufflammende politische
erkennen. Fenster und Türen waren übersät mit Ein-
Konflikte unter den Volksstämmen der Tutsi und Hutu,
schusslöchern.
jegliches Leben und Wirken in Ruanda. Auch der Alltag,
Kurz nachdem die Nachricht vom Tod Habyarimanas
und damit die Arbeit im Centre de Santé, veränderte
eingetroffen war, begannen „Intellektuelle“ das Ge-
sich in einem zunächst nicht eindeutig identifizierba-
rücht zu streuen, Tutsi bereiteten sich darauf vor, Hutu
ren, schleichenden Prozess. Es kam zu vermehrten
zu ermorden. Unterpräfekt Joachim Hategikimana for-
Spannungen unter Patienten und Mitarbeitern. Immer
derte am 7. April aus Gikongoro Nationalpolizisten an.
wieder erfuhren die Schwestern von kriegerischen
Es wurden drei Polizeibeamte entsandt, die jedoch,
Auseinandersetzungen zwischen den Tutsi und Hutu.
anstatt Tutsi zu schützen, noch am selben Abend vier
Die Informationen wurden mit der Zeit immer konkre-
von ihnen festnahmen, weil sie angeblich die Aus-
ter und die Sorge um die eigene Sicherheit wuchs, bis
gangssperre verletzt hatten. Die vier, unter ihnen zwei
letztlich 1994 der Bürgerkrieg in einer ganz besonde-
Angestellte des landwirtschaftlichen Entwicklungs-
ren Härte und Brutalität Kaduha erreichte.
projektes von Gikongoro, wurden von den Polizisten
mehrere Tage lang in Haft gehalten und während die-
Der nachfolgende, authentische Interviewbericht von
ser Zeit brutal zusammengeschlagen, bevor man sie
„Human Rights Watch“ beschreibt das Massaker in
wieder auf freien Fuß setzte.
Kaduha:
Der Unterpräfekt rief mit Beginn der Krise seine Un-
Die Kirche in Kaduha liegt hoch auf einem Hügel.
tergebenen zusammen und wies sie – ähnlich wie es
Oberhalb befindet sich eine Grundschule und unter-
der Präfekt getan hat - an, sicherzustellen, dass In-
halb die Sekundarschule, ein Gesundheitszentrum
formationen der Befehlshierarchie folgend nach oben
und ein Militärkrankenhaus. Als das Team von Human
gemeldet würden, vom Zellenvorsteher über die Ge-
Rights Watch den Ort im Februar 1995 besuchte, hat-
meinderatsmitglieder und Bürgermeister bis hin zum
ten die Behörden erst kurz zuvor Hunderte Leichen
Unterpräfekten. Nach Angaben eines Verwaltungs-
exhumiert, nachdem Regenfälle die Erde über drei
beamten mussten sie jedem Vorfall nachgehen und
flachen Massengräbern nahe der Kirche abgetragen
reagieren, wenn etwas passiert war, nicht jedoch im
hatten. Auf zwei Bahren, die jeweils rund 27 m maßen,
Vorfeld tätig werden.
lagen zwischen 500 und 1.000 Leichen.
Ab dem 8. April, als der Unterpräfekt wegen der Tötung in der Kirche von Mushubi in Muko Ermittlungen
In der Nähe der Schule gab es noch andere Mas-
aufnahm, begann er auch, Angreifer festzusetzen. Als
sengräber, weitere zwölf befanden sich entlang der
Hategekimana auf eine Gruppe stieß, die ein Tutsi-
Straße zwischen Kirche und Schule. Zum Zeitpunkt
Haus belagerten, nahmen er und die ihn begleitenden
44
Die Missionsstation der Clemensschwestern
Polizisten die Verfolgung der Angreifer auf, feuerten
ten. Die ersten Tutsi, die in Kaduha eintrafen, stamm-
Schüsse auf sie ab und töteten einen von ihnen. Eine
ten aus entfernten Regionen. Die in der unmittelbaren
Woche später, am 15. April, gelang es dem Unterprä-
Umgebung der Kirche lebenden Tutsi begaben sich
fekten, gemeinsam mit einigen Polizeibeamten, eine
erst um den 14. April dorthin, nachdem ihnen Hutu
große Menge zu entwaffnen, die sich gerade auf dem
aus dem Bergland Übergriffe angedroht hatten. Viele
Masizi-Markt versammelte, um Tutsi anzugreifen, wel-
Tutsi flüchteten auf eigene Initiative hin in die Kirche,
che sich in das Bürgermeisteramt von Musange ge-
andere mit Hilfe öffentlicher Verwaltungsbeamter, so
flüchtet hatten. Nach Auskunft von Augenzeugen gab
wie diejenigen aus Musebeya. Der Bürgermeister von
die Polizei Schüsse in die Luft ab, woraufhin die Men-
Muko – möglicherweise auch einige seiner Amtskol-
ge auseinanderstob und so viele Speere, Macheten,
legen - hatte sich zunächst geweigert, den Tutsi bei
Knüppel und andere Waffen zurückließ, dass damit
ihrer Flucht nach Kaduha behilflich zu sein, hat seine
fast ein ganzer Raum hätte gefüllt werden können.
Meinung aber später geändert und sie ermutigt, sich
Die Verantwortung, in seinem eigenen Amtssitz den
dorthin auf den Weg zu machen. Einige Überleben-
Tutsi Schutz zu gewähren, mochte Hategekimana hin-
de glauben, dass die Behörden bei einem Treffen mit
gegen nicht übernehmen. Ein Zeuge, der am 9. April
dem Unterpräfekten den Beschluss gefasst haben,
gegen 18.00 Uhr zusammen mit einer Gruppe Tutsi
die Tutsi nach Kaduha zu locken, um sie in einem ein-
aus Muko in der Unterpräfektur eintraf, berichtete: Wir
zigen großen Massaker, anstatt weiterhin in kleinen
sind dorthin gegangen, weil es der Sitz der Regierung
Gruppen, umzubringen. Ein solcher Beschluss hätte
war und wir glaubten, dort Zuflucht zu finden. Die
dem Muster, dem das Morden in anderen Teilen des
Hoffnung mag um so größer gewesen sein, als Hate-
Landes folgte, durchaus entsprochen. Hategekimana
gekimana selbst aus Kaduha stammte und die Men-
postierte fünf Polizisten an der Kirche, um die Tutsi
schen darauf vertrauten, dass er in seinem Heimatort
zu beschützen. Etwa eine Woche lang blieb die Lage
keine Massaker zulassen würde. Der Unterpräfekt
ruhig, und die Tutsi kehrten bei Bedarf in ihre Häuser
sammelte die Macheten und Speere, die die Tutsi bei
zurück, um ihre Nahrungsmittelvorräte aufzufüllen.
sich trugen ein, erklärte der Gruppe, dass er sie nicht
Eine Zeugin berichtete:
aufnehmen werde, und geleitete sie zur Kirche von
Kaduha. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kirchen noch
„Während dieser Zeit standen sich Hutu und Tutsi
nicht Schlachthöfe geworden, und die Tutsi suchten
weiterhin nahe. Hutu brachten Essen und das Vieh,
aus freien Stücken im Gotteshaus Zuflucht.
das ihre Tutsi-Nachbarn zurückgelassen hatten. Ei-
Als die Anschläge von einem Hügel auf den nächs-
nige Menschen gingen selbst in ihre Häuser zurück,
ten und von einer Gemeinde auf die andere übergrif-
um Dinge zu holen, die sie zuvor nicht mitgenommen
fen, war es für die Tutsi nicht mehr möglich, in ihren
hatten.“
Häusern zu bleiben. Auch wurde es zunehmend für
Die Zeugin gab des Weiteren an, dass sich die Situa-
sie schwierig, bei ihren Hutu-Nachbarn Unterschlupf
tion am 17. April, kurz nachdem auf nationaler Ebene
zu finden. Angreifer in Muko beispielsweise drohten,
eine aggressivere Politik beschlossen worden war und
sie würden Hutu dazu bringen, jeden Tutsi, den sie
mit Oberfeldwebel Ntamwemezi ein neuer Beamter
versteckt hielten, zu töten. Anfänglich waren es Hun-
der Nationalpolizei den Dienst in Kaduha angetreten
derte, später Tausende Tutsi aus den Gemeinden
hatte, dramatisch geändert habe. Sie fuhr fort:
Musebeya, Muko, Karambo und Musange, die im
„Vom 17. April an verwehrten sie den Menschen, Nah-
Pfarrzentrum von Kaduha, in der Kirche selbst, in den
rungsmittel zu bringen, und die Tutsi konnten die Kir-
angrenzenden Schulen, im Gesundheitszentrum und
che nicht mehr ungehindert verlassen. Sie wurden von
in sämtlichen sonstigen umliegenden Gebäuden lager-
Personen, die Sperren eingerichtet hatten, angehal-
Die Missionsstation der Clemensschwestern
45
ten. Solltest du dich entschlossen haben, hinaus zu
zu suchen und anschließend wieder zu kommen.
gehen, nach Hause zu gelangen, um etwas Essen zu
Am selben Tag spürte der aus Burundi stammende
holen, konnten sie dich töten. Einige Menschen, die
Gemeindepfarrer Robert Nyandwi eine Tutsi-Lehrerin
hinausgegangen waren, wurden umgebracht.“
in ihrer Wohnung auf, in der sie sich versteckt gehal-
Am 18. April sollen der neu eingetroffene Oberfeld-
ten hatte. Die Lehrerin wohnte in der Nähe einer Bar,
webel der Nationalpolizei und der Unterpräfekt Tutsi
die als CDR-Treffpunkt bekannt war. Von dem Priester
gezwungen haben, das Gesundheitszentrum zu ver-
erfuhr sie, dass der Angriff von der Bar aus gestartet
lassen und sich in den Kirchenkomplex zu begeben.
werden würde. „Ich bringe dich zum CND2.“, soll der
Schwester Milgitha, die das Zentrum leitete, wurde
Priester insistiert haben - eine ironische Anspielung
lediglich gestattet, schwerkranke Tutsi bei sich zu be-
auf das nationale Parlamentsgebäude in Kigali, das
halten.
der RDF als Hauptquartier diente. Die Lehrerin erin-
Ab dem 18. April nahm der Unterpräfekt keine Verhaf-
nert sich:
tungen von Personen mehr vor, die Tutsi angriffen. Am
„Er packte mich an den Arm und zerrte mich auf die
20. April beobachtete ein Verwaltungsbeamter, dass
Straße. Wir machten uns zu Fuß zur Kirche auf. Doch
„überall Gruppen waren, die sich zusammentaten,
als wir den Weg erreichten, sah ich eine riesige Men-
um nach Kaduha zu ziehen, um das Lager, das heißt,
ge von Menschen, die Bananenblätter trugen und Ma-
die an der Kirche lagernden Tutsi, zu vernichten“. Der
cheten mit sich führten. Ich riss mich von ihm los und
Unterpräfekt hörte auch auf, in der Nachbargemein-
rannte davon. Ein Freund hielt mich in seinem Haus
de Musange junge Menschen anzusprechen, die ihm
versteckt. Der Gemeindepfarrer Rober Nyandwi wollte
nicht bekannt waren, die aber behaupteten, aus der
mich der Menge, die sich zum Angriff auf die Kirche
Gegend zu stammen. Der Zeuge berichtet weiter:
vorbereitete, ausliefern.“
„Ich sah, dass diese jungen Menschen, die Militäruni-
Das Morden begann schließlich am 21. April noch
form trugen, Fremde waren. Aber ich konnte da nicht
vor dem Morgengrauen, als Angreifer Granaten in ein
wirklich nachhaken. Ich konnte mich nicht mit dem
Haus warfen, in das sich mehrere männliche Tutsi ge-
Militär anlegen, vermutete aber, dass sie insgeheim
flüchtet hatten, unter ihnen jene vier, die am 7. April
geschickt worden waren. Sie stammten nicht aus un-
verhaftet und geschlagen worden waren. Bei Tages-
serer Gegend, das konnte ich sehen. Ich fragte den
anbruch gingen Tausende Menschen aus Musebeya,
Chef der Nationalpolizei, einen Mann aus Ruhengeri,
Muko und anderen Gemeinden zum Angriff über, un-
doch der sagte nur: „Mach dir keine Sorgen“.“
terstützt von Nationalpolizisten, Soldaten in Zivil und
Nach Angaben eines anderen Zeugen durchsuchte
ehemaligen Militärs. Nachdem sie mehrere Stunden
der Unterpräfekt noch am selben Tag die Kirche von
Schüsse abgefeuert und Granaten geworfen hatten,
Kaduha nach Waffen.
hielten die Angreifer eine Weile inne, um auf Muniti-
Am 20. April, kurz vor Mittag, plünderte eine Men-
onsnachschub zu warten. Während dieser Zeit setz-
schenmenge den Viehbestand und anderes Eigentum
ten sie das Morden mit Macheten, Speeren, Knüppeln
der an der Kirche lagernden Tutsi. Es gelang den Tutsi,
und anderen Waffen fort. Ein Zeuge, der sich ganz in
die Angreifer zurückzuschlagen, ohne dass jemand zu
der Nähe versteckt hielt, erinnert sich:
Tode kam. Die zur Bewachung der Kirche abgestell-
„Ich konnte Gewehrsalven und Granatenexplosio-
ten Nationalpolizisten sollen die Angreifer zurückge-
nen hören, außerdem das Schreien von Menschen,
schlagen haben, möglicherweise weil sie erkannten,
die getötet wurden. Die Angreifer feuerten Schüsse
dass die Menge nicht groß genug war, um die Tutsi zu
ab und warfen Granaten in die Menge. Anschließend
bezwingen. Einige Zeugen gaben an, die Nationalpo-
rückten die Mörder in Gruppen vor und töteten mit tra-
lizisten hätten den Angreifern geraten, nach anderen
ditionellen Waffen alle noch lebenden Menschen. Es
46
Die Missionsstation der Clemensschwestern
begann am frühen Morgen des 21. April und dauerte
lassen, eine stumme Warnung vor den Konsequenzen
den gesamten Donnerstag und Freitag an. Am Freitag
jeglichen Widerstandes.
suchten sie vorwiegend noch Personen, die sich ver-
Simba, einer der politischen Führer, hielt sich einen
steckt hielten.“
Tag vor dem großen Angriff, in Begleitung von Militär-
Ein anderer Zeuge, der sich in der Kirche befunden
führern, in Kaduha auf. Nach Aussagen von Zeugen
hatte, berichtete: „Mit der Granatenexplosion sei das
traf er zusammen mit einer Militäreinheit aus Gikon-
Signal zum Angriff gegeben worden.“ „Die National-
goro ein, um die Kirche erstmals mit Schusswaffen
polizei, die uns angeblich beschützen sollte“, so seine
anzugreifen. Die Angriffe in Kaduha wurden von Mi-
Schilderung, „war in der Landwirtschaftsschule unter-
litärpolizisten unter der Befehlsgewalt von Oberfeld-
gebracht. Als wir aufwachten und feststellten, dass wir
webel Ntamwemezi, von ehemaligen Militärs und von
umzingelt waren, versuchten wir, uns zu verteidigen.
ortsansässigen, noch im aktiven Dienst befindlichen
Wir waren mehr Leute als sie, und so gelang es uns,
Soldaten ausgeführt. Ein Zeuge bemerkte zur Rol-
sie zurückzudrängen, indem wir sie mit Steinen be-
le der Soldaten und Nationalpolizisten, die erst eine
warfen. Doch die Nationalpolizei kam zu ihrer Verstär-
Woche zuvor von Diensteinsätzen in anderen Teilen
kung herbei. Sie begann, die Menge zu organisieren,
Ruandas nach Kaduha zurückgekehrt waren: „An der
feuerte Schüsse ab und warf Granaten.“
Kirche sah ich ausschließlich Nationalpolizisten in
Der Zeuge flüchtete gegen 11.00 Uhr mit einer gro-
Uniform. Die anderen Soldaten und Nationalpolizis-
ßen Gruppe von Menschen – er schätzte deren Zahl
ten trugen als Tarnung Zivilkleidung, hatten aber Ge-
auf etwa 1.000 – in Richtung Südosten. Eine andere
wehre bei sich. Ich habe sie selbst gesehen.“ Auch
Gruppe konnte sich ebenfalls aus der Umzingelung
die Hinterhalte, mit denen Flüchtlingsgruppen abge-
befreien und ergriff die Flucht nach Nordosten. Bei-
fangen wurden, sowie die Verfolgung und Exekution
de Gruppen sahen sich mit Angreifern aus dem Mili-
einzelner Überlebender, wurde von den Militärs orga-
tär und der Zivilbevölkerung konfrontiert, die entlang
nisiert. Unterstützt wurden sie dabei von den Milizen,
der Straße auf sie warteten. In Kaduha war kurz zuvor
unter ihnen Gruppen, die von außerhalb stammten,
eine neue Rundfunkantenne installiert worden, wo-
wie beispielsweise jene, die am 2. April in Musange
durch es sich für die Polizei womöglich einfacher ge-
gesehen worden waren. Oberschüler aus dem Nor-
staltete, ihre Einheiten über die Flüchtlingsbewegun-
den Ruandas, die vorübergehend in Kaduha lebten,
gen zu informieren. Als Militärs sich den flüchtenden
und Mitarbeiter des Gesundheitszentrums haben sich
Tutsi in den Weg stellten, befahlen sie diesen, sich auf
ebenfalls an dem Blutbad beteiligt. Ein Zeuge berich-
den Boden zu setzen, und begannen anschließend,
tet, Oberfeldwebel Ntamwemezi habe einem Schüler,
auf sie zu schießen und mitten in die Menge hinein
der sich als bester Mörder hervorgetan hatte, eine
Granaten zu werfen.
Geldprämie von 30.000 ruandischen Francs (etwa
Am selben Tag ermordeten in Kaduha Angreifer den
40 €) ausgehändigt. Der Pfarrer, Pater Nyandwi, soll,
stellvertretenden Staatsanwalt Oscar Gasana, dessen
nach Angaben desselben Zeugen, den Schüler mit ei-
Frau, die Tutsi war, und mehrere Kinder der beiden.
ner Radiokassette belohnt haben. Ähnlich wie andern-
Gasana zählte zu den moderaten Hutu. Vor Ausbruch
orts spielten auch in Kaduha Intellektuelle, unter ihnen
des Völkermordes hatte er sich geweigert, an tutsi-
Lehrer und Schulinspektoren und Geschäftsleute mit
feindlichen Maßnahmen mitzuwirken. Er galt als eine
Zugang zu Fahrzeugen, bei der logistischen und or-
derjenigen Personen, denen es hätte gelingen kön-
ganisatorischen Unterstützung des Völkermords eine
nen, in Kaduha Widerstand gegen den Völkermord zu
maßgebliche Rolle.
organisieren. Seine und die Leiche seiner Frau wur-
Bei den weitaus meisten Angreifern handelte es sich
den einige Tage lang nackt auf der Straße liegen ge-
um einfache Bürger aus Kaduha und den angrenzen-
Die Missionsstation der Clemensschwestern
47
waren ebenfalls zahlreiche Tutsi ermordet
worden, entweder gleich während der Angriffe oder später auf der Flucht. Ein Zeuge
berichtete: „Diejenigen Tutsi, die nicht am
ersten Tag getötet worden waren, wurden
überallhin verfolgt, bis man schließlich auch
sie umbrachte.“
Bis zu 11.000 Menschen verloren so in wenigen Tagen in Kaduha ihr Leben. Viele Mörder konnten auch in Kaduha gefasst werden.
Sie kamen in Ruanda in Gefängnisse, die bis
heute noch extrem überfüllt sind.
Clemensschwestern verlassen Ruanda
Kriegsverbrecher in ihrer typischen Kleidung auf dem
täglichen Weg zur Arbeit
Das Abschlachten der Tutsi durch die Hutus
hatte in Kaduha gerade ein Ende erfahren,
da verbreitete sich die Nachricht, dass die
den Gemeinden, insbesondere aus Musebeya und
Tutsi-Armee (FPR), von Norden kommend, auf Kad-
Muko. Nach Schätzungen eines Zeugen waren alleine
uha zu marschiere und täglich an Boden gewinne. Sie
rund 400 Menschen aus Musebeya gekommen, um
trieben immer mehr Hutu vor sich her, die aus Angst
zu plündern und zu morden. Am Tag nach dem ersten
versuchten, in andere Gegenden oder ins benachbar-
Angriff waren die Organisatoren daran zu erkennen,
te Burundi und Zaire (Kongo) zu flüchten. In Kaduha
dass sie neue Kleider trugen, die sie den Opfern ent-
befürchteten nun viele Menschen einen Racheakt der
wendet hatten.
Tutsi an allen, die den Hutu in irgendeiner Weise bei
Bis Ende April hatten die Angreifer in Kirchen, Schu-
dem von ihnen durchgeführten Massaker Unterstüt-
len, Gesundheitszentren und Gemeindezentren Tutsi
zung gewährt hatten. Von offizieller Stelle gewarnt,
niedergemetzelt. Zu diesem Zeitpunkt, so ein Verwal-
mussten aus Sicherheitsgründen für einige Zeit auch
tungsbeamter, „waren fast alle Lager vernichtet“. Bei
die Clemensschwestern Kaduha verlassen und nach
kleineren Zwischenfällen, draußen in den Bergen,
Deutschland zurückkehren. Es zeigte sich jedoch,
dass die Tutsi-Armee mit besseren Waffen ausgestattet war und die Hutu ihnen nichts entgegenzusetzen
hatten. Die Tutsi kämpften sich damit immer schneller
vor, vermieden es aber, sich durch ein „Abschlachten“ an den Hutu zu rächen. Ihr Bemühen war es, die
Macht in Ruanda zu übernehmen und die Schuldigen
des Massakers vor ein Gericht zu bringen.
Die Vereinten Nationen richteten kurz nach dem Krieg
in Arusha (Tansania) einen Kriegsgerichtshof ein. Er
Die Dorfgemeinschaft richtet über einer Kriegsverbrecher.
Er muss in der rosa Gefangenenkleidung vor ihnen aussagen.
48
Die Missionsstation der Clemensschwestern
ist noch heute mit der Aufarbeitung der Geschehnisse
des Genozid befasst. Viele Mörder sitzen seit der Zeit
Diese Frauen saßen fast drei Jahre
unter extremen Bedingungen in
diesem Gefängnis, bis über einen
Menschenrechtler ihre Unschuld
bewiesen werden konnte.
in Gefängnissen, weitere kommen immer noch dazu.
Wiederaufnahme der Arbeit
Um die Vielzahl der kleineren Vergehen der Bevölke-
Den Tutsi war es, bei allem was sie an brutalen Morden
rung zu ahnden und um den Versöhnungsprozess zu
erleben mussten, gelungen, weiteres unnötiges Blut-
fördern, wurden in jedem Ort Laiengerichte (Gacaca)
vergießen zu vermeiden. Kurz darauf haben sie in Ru-
unter der Leitung von Dorfältesten eingesetzt. Ihre
anda die Macht übernommen und eine Militärdiktatur
Aufgabe ist die Aufarbeitung aller Geschehnisse. Alle
eingerichtet. Die Clemensschwestern konnten es da-
Bürger der Orte wurden verpflichtet, an den Sitzungen
her wagen, wieder nach Kaduha zurückzukehren, um
der Gacaca teilzunehmen. Ein Kriegsverbrecher wur-
ihre Arbeit fortzusetzen. Glücklich waren sie, dass das
de nur zum Gacaca zugelassen, wenn er sich vorher
gesamte Centre de Santé während ihrer Abwesenheit
schriftlich für schuldig erklärt hatte. Über sein Straf-
nicht zerstört und geplündert wurde. Viele Flüchtlinge
maß entschieden nach eingehendem Verhör die Dorf-
hatten sich auch in dem Gesundheitszentrum einge-
ältesten zusammen mit der Gemeinschaft des Ortes.
funden. Ihnen galt es nun vorrangig zu helfen.
Die Gacaca wurden auch sehr kritisch gesehen: Kamen doch auch viele Unschuldige ins Gefängnis, die
das System oder die Gemeinschaft nicht mehr haben
wollte. Sie wurden daher letztlich wieder abgeschafft.
So haben Frauen bei der Landarbeit ein kleines, bis
dahin unbekanntes Massengrab entdeckt. „Das Grab
sollte nicht existieren“, deshalb kamen die Frauen ins
Gefängnis. Man warf ihnen vor, die Menschen selber
getötet zu haben. Menschenrechtler konnten diese
Frauen später wieder freibekommen. Das ist nur ein
Beispiel dafür, unter welch emotionalem Druck sich
die Bevölkerung Ruandas befand und teilweise immer
noch befindet.
Flüchtlinge im Gelände des Centre de Santé
Die Missionsstation der Clemensschwestern
49
Das Flüchtlingslager von Kaduha
Viele Hutus flüchteten vor den Tutsi bei deren Ein- und
Vormarsch in Ruanda und sammelten sich in großen,
selbsterrichteten Lagern, so auch auf den Hügeln rings
um Kaduha. In der gesamten Region sollen es bis zu
800.000 Menschen gewesen sein. Die Vereinten Nationen begannen noch in 1994 damit, die „wilden Lager“ aufzulösen und die Menschen in ihre Heimatorte
oder andere Lager zu transportieren. Somit waren alle
Flüchtlingslager in der Region Kaduha bereits Anfang
1995 wieder aufgelöst.
An Normalität war aber noch lange nicht zu denken.
Zu tief war die Kluft zwischen Hutu und Tutsi und zu
Die Flüchtlinge errichteten sich einfache Hütten.
groß der angerichtete Schaden. Viele Organisationen helfen seit der Zeit dem Land beim Wiederaufbau. Auch die Clemensschwestern leiteten eine große
Hilfsaktion ein. Sie konnten dabei auf den Kreis der
Ruanda-Freunde als Spender zählen.
Zu Advent 1994 schrieb Sr. Mariata an die RuandaFreunde in Deutschland:
Aus Ruanda, dem Land der 1.000 Hügel, ist ein
Land der „1.000 Schrecken“ geworden; dort ist
das Furchtbarste und Schrecklichste geschehen,
was die Welt in diesem Jahrhundert erlebt hat.
Ruanda ist das größte Massengrab in Afrika,
Ruanda ist das größte Flüchtlingslager der Welt.
Im Februar 1995 kam Sr. Mariata von ihrem ersten
Besuch in Ruanda nach dem Völkermord zurück und
schickte den folgenden Brief an den Kreis der Ruanda-Freunde:
Am 26. Januar landeten Schwester Agnetis und ich
pünktlich um 7.45 Uhr auf dem Flughafen in Kigali,
Ruanda.
Wir waren in dem Land, das wir so sehr liebten und
das uns im vergangenen Jahr über die Medien und
Augenzeugenberichte in furchtbarer Weise so nahe
gekommen ist. Den Augenblick, als meine Füße den
50
Die Missionsstation der Clemensschwestern
Auf allen Hügeln um Kaduha lebten die Flüchtlinge
in unerträglichenVerhältnissen.
Flüchtlingslager wurden um und in Kaduha bis Ende
1994 aufgelöst, die Flüchtlinge wurden in ihre Heimat
oder in andere Flüchtlingslager mit Hilfe der UNO gebracht.
Dieses Bild und dieses Geschehen habe ich mit eigenen Augen noch sehen können, es spielt sich täglich
weiter ab.
Seit dem 7. Januar ist unsere ambulante Station wieder
in Betrieb. Mit den noch lebenden und neuen Mitarbeitern gilt es neu anzufangen. Täglich kommen Kranke,
Arme, Menschen, die ihre Angehörigen suchen, Bittsteller; sie sprechen über ihre Sorgen und Nöte und
erwarten Hilfe, bekommen auch Hilfe, soweit es un-
Die Vereinten Nationen führen den Rücktransport der
Flüchtlinge von Kaduha durch.
seren Schwestern möglich ist. Bei allem steht immer
die bange Frage im Raum: Ist auch dieser Mensch ein
Mörder?
Boden dieses Landes berührten und mir Halt nach
Neben der Arbeit in der Station kümmern sich die
acht Stunden Flug gaben, kann ich nicht mit Worten
Schwestern auch um die Kirche in Kaduha, in der
beschreiben.
fast 2.000 Menschen ermordet wurden und in der an-
Glücklich waren wir, als wir mit all den guten Wün-
schließend eine große Plünderung stattfand.
schen, Gaben und Hilfen, die uns mit auf den Weg
Mit viel Liebe ist die Kirche von den äußeren Spuren
gegeben wurden, den Zoll passiert hatten.
der Gräueltaten gereinigt und am 23. Dezember von
Am Abend um 19.00 Uhr erreichten wir unsere Station
Bischof Gahamanyi gesegnet worden, unter Anteil-
in Kaduha und konnten es nicht fassen, dass das Euthy-
nahme der Lebenden und im Schutze der UNO und
miahaus (Wohnhaus unserer Schwestern) keine Kriegs-
des Militärs. Auch das Priesterhaus und die Gebäude
spuren zeigte, obwohl rundherum Kirche, Pfarrzentrum
der Pfarrei sind ausgeraubt und zerstört. Unter Anlei-
und viele Hütten geplündert und zerstört waren.
tung der Schwestern beginnen die Aufräumarbeiten
Lassen Sie mich nach zwei Wochen Ruanda das von
und Renovierungen.
den Erlebnissen in Worten fassen, was mir möglich
Wie erstarrt stand ich mit meinen Mitschwestern an
ist.
dem großen Massengrab und bin ein Stück über den
Als Schwester Milgitha und Schwester Quirina nach
Hügel mit den vielen kleinen Grabhügeln gegangen.
dem furchtbaren Morden in Kaduha und Aufenthalt
Auch das Leid der Mitarbeiter ist mitzutragen. Eine
im Krieg bis Mitte Juni, dann Flucht und Aufenthalt in
Angestellte hat sechs Geschwister und ihre Eltern ver-
Deutschland, am 2. September wieder in der Missi-
loren, eine Angestellte hat ihren Mann im Gefängnis.
onsstation ankamen, waren dort in der näheren Um-
Everist, der seit 1973 unseren Schwestern treu zur
gebung 200.000 Flüchtlinge, die von Ärzten ohne
Seite steht, hat seine drei Kinder in Zaire, acht Mitar-
Grenzen versorgt wurden. In der Präfektur Gikongoro
beiter sind getötet worden.
– dazu gehört Kaduha - waren 800.000 Flüchtlinge.
Am Tag meiner Ankunft sind in der Präfektur siebzig
Unsere Station war weder geplündert noch zerstört,
Menschen ermordet worden. Das Morden geht tagtäg-
einige Getreue hatten alles bewacht.
lich weiter.
Die Freude des Wiedersehens mit den noch Leben-
Unsägliches Leid ist über die Familien, die Menschen,
den war groß. Jetzt galt es Hand anzulegen. Die
gekommen: in jeder Familie sind Tote zu beklagen, in
Die Missionsstation der Clemensschwestern
51
jeder Familie sind Mörder, bekannt oder unbekannt.
In jeder freien Minute und während unserer Tischzei-
Täglich werden Menschen verhaftet; so wurden
ten bis spät in die Nacht haben unsere Schwestern
Schwester Milgitha, die zu Besorgungen in Kigali war,
immer wieder darüber berichtet, was sie mit eigenen
drei Männer aus dem Auto heraus verhaftet, darunter
Augen gesehen, mit ihren Ohren gehört und bei jeder
ein Angestellter und zwei Rechtsanwälte.
Begegnung immer noch von Menschen hören. Dazu
In den Gefängnissen ist Platzmangel, alle sind über-
gehört auch an jedem Tag die Freude über das Wie-
füllt: für die meisten gibt es nur Stehplätze. Einen win-
dersehen eines Menschen, den man nicht mehr unter
zigen Einblick konnte ich in die Gefängnisse von Kigali
den Lebenden glaubte. Es ist ein ständiges „Suchen“
und Butare nehmen. Wir haben uns jeweils bis zum
und „Fragen“ nach Menschen.
Gefängnisdirektor durchgearbeitet und erhielten für 10
Auf meine Frage, was konkret jetzt getan werden
Minuten eine Besuchserlaubnis, d. h. die uns bekann-
kann, soll, muss, – sagten meine Mitschwestern: Es
ten Gefangenen wurden herausgeholt, dabei gelang
muss einfach alles getan werden. Einige Beispiele sei-
mir aber ein Blick durch die offene Tür hinter die Ei-
en genannt:
sengitter. Unterwegs hatten wir immer Straßensperren
Es muss Kindern geholfen werden, ihre oder eine neue
zu überwinden, manchmal wurden wir durchsucht.
Familie zu finden; jede Familie braucht eine Starthilfe
In der Hauptstadt Kigali ist das Leben mit den Flücht-
zum Hüttenbau, für Nahrungsmittel und Kleidung; sie
lingen aus Uganda und Burundi wieder eingekehrt.
benötigen Samen und eine Hacke, um das Feld zu be-
Zwischen den vielen zerstörten Häusern und Hütten
stellen, sie benötigen medizinische Versorgung.
werden die geplünderten Waren und Lebensmittel aus
Die größte Hilfe ist nicht materieller Natur, sie heißt:
aller Welt angeboten.
Ohne zu verurteilen an die Menschen zu glauben und
In Ruanda waren 162 verschiedene Hilfsorganisatio-
mit ihnen zu hoffen, dass der große Graben des Miss-
nen im Einsatz. Derzeit sind noch 100 Organisationen
trauens und der Hass untereinander überwunden wer-
im Land. Über 5.000 UNO-Soldaten geben der Bevöl-
den kann.
kerung einen gewissen Schutz; in Kaduha selbst sind
Eine Augenzeugin sagte mir:
150 UNO- Soldaten aus Sambia stationiert, ebenso 50
Soldaten der neuen Armee APR. Im Auftrag der UNO
„Alles, was mit Liebe gegeben wird,
sind 80 Vertreter der Menschenrechtskommission und
geht nicht verloren.“
80 Zivilpolizisten – darunter auch Deutsche - im Land,
um das Rechts- und Polizeiwesen mit aufzubauen.
Wenn wir diesem Wort in uns Raum geben, wird unse-
In der Hauptstadt soll es nur noch einen Rechtsanwalt
re sichtbare materielle Hilfe ein Baustein für den Frie-
geben. Es herrscht Mangel an Ärzten, Rechtsanwäl-
den werden.
ten, Polizisten, Priestern, Lehrern usw.; sie sind ent-
Im Namen von Schwester M. Milgitha, Schwester M.
weder getötet, geflüchtet oder im Gefängnis. Vertreter
Quirina und Schwester M. Agnetis – sie ist nach zwei
der Europäischen Union waren im Land. Die EU will
Jahren dort wieder im Einsatz - sage ich ein herzliches
sich am Wiederaufbau beteiligen.
und persönliches DANKE für all das, was mit Liebe
Das Schul- und Ausbildungswesen liegt völlig brach,
gegeben ist und weiter getan wird.
nur die Primarschulen sind wieder geöffnet. Auch unsere Mütterschule, die zur ambulanten Station gehört,
Vergelt´s Gott und herzliche Grüße
ist noch nicht wieder in Funktion. Unsere Waisenkinder
sind in Heimen bzw. Kinderdörfern untergebracht und
werden von uns noch weiter unterstützt. Eine Angestellte sorgt für sieben Kinder, die in unserer Station leben.
52
Die Missionsstation der Clemensschwestern
Eure - Ihre Schwester Mariata
Kreuz der Kapelle im
Euthymia-Haus von Kaduha
Der Tod von Schwester M. Agnetis
furchtbarer Weise heimgesucht hatte, zählte sie und
Kurze Zeit nach dem Genozid und ihrer Rückkehr
ihre Mitschwestern zu den ersten Deutschen, die nach
nach Kaduha verstarb am 31. Oktober 1995 Schwes-
Ruanda zurückgekehrt sind, um den Ärmsten und
ter M. Agnetis an Herzversagen als Folge einer Mala-
Verlassensten in der tiefen Provinz beizustehen. Der
ria. Der plötzliche Tod kam für alle sehr überraschend.
Sous-Präfekt und die drei Bürgermeister von Kaduha
Schwester M. Agnetis kam am 27. Juli 1985 nach Ka-
und den umliegenden Gemeinden haben dies mir ge-
duha und blieb dort bis zum 06.02.1993. Gesundheits-
genüber am 31. Oktober in Kaduha in eindrucksvoller
bedingt musste sie für einige Zeit in die Heimat reisen.
Weise gewürdigt.
Am 25. Januar 1995 kehrte sie nach Ruanda zurück.
Die hohe Achtung, die den Clemensschwestern in
Der Deutsche Botschafter schrieb an die Generalobe-
Kaduha entgegengebracht wird, war auch der Grund
rin, Schwester M. Pacis:
für deren Hilfsbereitschaft, ohne die es der Botschaft
(Auszug aus dem Brief vom 07. November 1995)
nicht möglich gewesen wäre, die sterblichen Überreste von Schwester M. Agnetis so schnell auf den Weg
Zum Tod von Schwester M. Agnetis möchte ich Ihnen
in die Heimat zu bringen.
im Namen der Deutschen Gemeinde in Ruanda und
in meinem eigenen unser tief empfundenes Beileid
Mit dem Ausdruck meiner ausgezeichnetsten Hoch-
aussprechen. Schwester M. Agnetis hat sich in bei-
achtung bin ich Ihr Ihnen ergebener
spielhafter Weise in den Dienst des Nächsten gestellt.
August Hummel
Nach Krieg und Genozid, der ja Kaduha in besonders
Botschafter
Die Missionsstation der Clemensschwestern
53
Die Generaloberin Schwester M. Pacis informierte
von dort nach Münster geholt.
den Kreis der Ruandafreunde:
Schwester M. Quirina, die mit einer ruandischen
Münster, den 04. November 1995
Krankenschwester Schwester M. Agnetis in den letzten Stunden beigestanden hat, gilt unser besonderer
„Wir sterben nicht an einer Krankheit;
Dank. Danken möchte ich dem Deutschen Botschafter
Gott ruft uns!“
in Ruanda und den deutschen Freunden, aber auch
Worte aus der Predigt unseres Bischofs
den vielen Ruandern, die Schwester M. Quirina zur
Seite standen und ihr Trost gaben. Die große Trauer
Sehr geehrte Freunde und Wohltäter,
in Ruanda um Schwester M. Agnetis konnten Schwes-
in großer Betroffenheit teile ich Ihnen mit, dass am
ter M. Milgitha und ich bei unserer Ankunft erfahren.
31. Oktober 1995 gegen 05.00 Uhr unsere Schwester
Für mich ist es noch unfassbar, wie diese Menschen
M. Agnetis in Kaduha-Ruanda an einem akuten Herz-
nach allem „Erlebten“ in der Lage waren, mit uns zu
versagen infolge einer Malaria verstorben ist.
trauern.
Wir sind davon überzeugt, dass sich Schwester M.
Wir können das, was sehr schmerzlich und auch noch
Agnetis fürbittend für Ruanda und seine Menschen
unbegreiflich ist, nur annehmen in der Gewissheit, dass
einsetzen wird. Das mag alle trösten, die sie dort und
immer und überall Gottes Wille an uns geschieht.
hier schmerzlich vermissen und ihr über den Tod hin-
Schwester M. Milgitha, die aus Anlass des Geburts-
aus verbunden bleiben.
tages ihrer 89-jährigen Mutter hier zu Hause weilte,
ist heute morgen mit Schwester Mariata nach Kaduha
Die feierliche Beisetzung fand am 09.11.1995 statt.
zurückgeflogen. Schwester M. Agnetis wird am Sonn-
Die nachfolgende Predigt hielt Herr Spiritual Hövels:
tag mit Sabena überführt und von uns am Flughafen
in Brüssel abgeholt.
Am Vortag von Allerheiligen starb Schwester M. Agnetis in Kaduha im afrikanischen Staat Ruanda. Wenn Sie,
Was uns alle betroffen macht, verbindet uns noch
Schwester Pacis, in Ihrem Brief an Ihre Mitschwestern
stärker im Gebet.
am 31. Oktober schreiben: „In Betroffenheit teile ich
In dieser Verbundenheit grüße ich Sie mit unseren
Euch mit, dass heute Morgen gegen 5.00 Uhr unsere
Schwestern in Afrika und mit Schwester Mariata
Schwester M. Agnetis an einem akuten Herzversagen
herzlich
infolge der Malaria gestorben ist.“, dann haben Sie mit
Ihre Schwester M. Pacis
diesen Worten der Betroffenheit ausgesagt, was in vielen von uns innerlich ist: Das hat uns tief getroffen. Eine
Schwester Mariata, die sofort nach Bekanntwerden
Schwester sagte mir: „Zunächst war ich ganz verwirrt,
des Todes nach Ruanda reiste, schrieb dazu:
als ich die Nachricht hörte. Dann habe ich geweint und
Am 31. Oktober erreichte uns in der Morgenfrühe
dann habe ich gebetet.“ Alle, die Schwester M. Agnetis
aus Ruanda die Nachricht, dass Schwester M. Agne-
gekannt haben, sei es als Familie oder viele Bekannte,
tis nach einer nur wenige Tage andauernden Krank-
Verwandte, Angehörige, wie man es so sagt Freunde
heit (Malaria) verstorben ist. Schwester M. Milgitha,
und Bekannte, und vor allem Sie, liebe Schwestern,
die aus Anlass des 89. Geburtstages ihrer Mutter in
hat die schmerzliche Nachricht vom plötzlichen Tod
Deutschland weilte, und ich sind, so schnell es ging,
eben betroffen gemacht.
mit der nächsten Sabena nach Ruanda geflogen.
Das brutale Morden um das Haus der Schwestern
Als wir in Kigali landeten, wurde Schwester M. Agnetis
ging fast wie ein Wunder an ihnen vorüber. Ist es nicht
mit der gleichen Maschine nach Brüssel überführt und
schlimm, dass man nicht einmal genau die Zahl weiß,
54
Die Missionsstation der Clemensschwestern
wie viele sich gegenseitig getötet haben, man spricht
Berufung und der Entschluss, sich für die Aufgabe in
von etwa einer Million. Die Schwestern blieben ver-
Afrika, in Kaduha, Ruanda, zur Verfügung zu stellen,
schont. Und dann überfällt eine tückische Krankheit
bis zum Tod.
Schwester M. Agnetis, sie stirbt an deren Folge. So
Bis zum Tod. Seit 1975, mit Ausnahme von zwei Jah-
nüchtern sehen wir das mit irdischem Blick. So nüch-
ren wegen Krankheit, war sie dort tätig, vor allem auf
tern kann man das vielleicht als Aktennotiz vermerken,
der Krankenstation. Eine Mitschwester von ihr sagte
sie stirbt in Folge einer tückischen Krankheit. Aber der
mir: „Sie liebte Afrika, und die Afrikaner liebten sie“.
Getaufte sieht nicht nur mit dem irdischen Blick. Der
Ich fragte in diesen Tagen zwei Mitschwestern von
Getaufte sieht mit dem Blick, mit dem Auge des Glau-
Schwester M. Agnetis: „Wer war denn diese Schwes-
bens; und das des Glaubens nimmt wahr, was Jesus
ter?“ Da sagte jemand von Ihnen, wie man so sagt:
soeben im Evangeliumstext sagte: „Wenn du glaubst,
„Sie war totgut.“ Sofort wiederholte diese Schwester:
wirst du die Herrlichkeit Gottes schauen.“ Was für ein
„Sie war einfach gut.“ Eine zweite Schwester sagte mir:
Wort! Wenn du glaubst, wirst du Gottes Herrlichkeit
„Zurückhaltend im Wesen, von tiefer Frömmigkeit, die
schauen. Und einige Verse weiter heißt es, dass Jesus
sie nach außen hin kaum zeigte, geprägt, einfach in
den toten Lazarus ruft und sagt: „Lazarus, komm her!“
ihrer Art, - jetzt kommt das Wort wieder -, war sie eine
Das heißt doch wohl: Die Fessel des Todes möge dich
gute Ordensfrau.“
verlassen. Der Tote vernahm die Stimme dessen, der
Liebe Mitchristen, gibt es etwas Größeres, als über
Leben ist und Leben schenkt, und kam heraus aus der
Menschen sagen zu können: Er ist ein guter Mensch,
Enge des Todes. Und vor dieser Sicht ist es verständlich,
sie war eine gute Ordensfrau? Was Besseres kann man
dass in dem eben erwähnten Brief, oben ein markan-
über Menschen nicht sagen. Der Lateiner sagt, wenn
tes Wort steht, ein Wort unseres Bischofs: „Wir sterben
man etwas Gutes sagt: „Benedicere.“ Und wir über-
nicht an Krankheit, Gott ruft uns.“ Ich weiß nicht, wie es
setzen dann wieder Benedicere: Segen, Gesegnete.
Ihnen geht? Mir geht das Wort nicht so leicht über die
Du warst eine von Gott gesegnete Schwester, Schwes-
Lippen. Wir sterben nicht an Krankheit, Gott ruft uns.
ter M. Agnetis, und Gott möge dir Teilhabe schenken
Aber Gott hört nie auf, Menschen zu rufen. Muss es
an der Fülle seines Segens.
nicht genau im Augenblick des Todes so sein,
dass er ruft: Dürfen wir es dann nicht sagen:
der Mensch stirbt nicht an einer Krankheit,
Gott ruft uns? Schwester M. Agnetis, die im
Leben offen und sensibel war für das Rufen,
für die Stimme Gottes, wird auch im Augenblick des Todes gehört haben: Schwester M.
Agnetis, komm heraus aus der Enge des Todes. Sie hat sich zeitlebens bemüht, dem Ruf
Gottes zu folgen; durch die Taufe wurde sie
gerufen in die große Glaubensgemeinschaft
der Christusglaubenden. Und dann hat sie
durch ihre erste Profess 1966 und die ewige
Profess 1970 bekundet, dass eine besondere
Berufung an sie ergangen ist zum Ordensleben, als Clemensschwester. Gottes Ruf. Aufmerksam bleibend reift in ihr dann die innere
Diese Afrikaner liebten Schwester M. Agnetis und
sie liebte die Afrikaner.
Die Missionsstation der Clemensschwestern
55
Schwester Mariata und Schwester M. Quirina
mit „ihren“ Kindern
Auch die schöne Kleidung der Kinder kam von den vielen lieben
Helfern aus Deutschland.
Waisenkinder im Centre de Santé
Die Landbevölkerung sagt, wie bereits angesprochen:
Vor der Übergabe des Centre de Santé an die indischen
Kinder sind der wahre Reichtum Ruandas, sie bringen
Schwestern sind die wenigen, noch verbliebenen Kinder
Glück und Hoffnung in die Familien. Sie sind Arbeitskraft
von Schwester M. Milgitha aus dem Centre de Santé in
und Ernährer der Eltern und Großeltern. Zu oft durchle-
andere Heime gebracht worden. Nach dem Willen des
ben Kinder aber ein grauenhaftes Schicksal. Viele Seu-
Gesundheitsministeriums dürfen verständlicherweise
chen und Krankheiten führen nicht nur zu einer hohen
künftig keine Waisenkinder mehr in Gesundheitszentren
Kindersterblichkeit, auch sind oft die Eltern davon be-
leben. Die Infektionsgefahr ist einfach zu hoch. Trotzdem
troffen. Nicht immer ist die Dorfgemeinschaft dann in der
lassen die Schwestern die Straßen- und Waisenkinder
Lage, die Hinterbliebenen aufzunehmen und zu versor-
der Region Kaduha nicht aus ihrer Aufmerksamkeit. Sie
gen. Findet sich niemand, so landen sie häufig auf der
bemühen sich weiter um ihr Wohlergehen und helfen bei
Straße. Diese am Rande der Zivilisation lebenden Kinder
der Vermittlung in Heime und Familien.
brauchen stets Hilfe. Durch die seit etwa 1990 begonnenen, kriegerischen Auseinandersetzungen ist die Zahl der
Waisenkinder aber sprunghaft angestiegen. Nach dem
Besuche aus der Heimat
Ende des Genozid sind daher Waisenkinder auch von
Von Beginn der Mission in Kaduha an sind regelmäßig
den Schwestern in Kaduha aufgenommen worden. Sie
Besucher aus der Heimat nach Ruanda gereist. Alle
lebten im Centre de Santé, bis sie in Familien gegeben
hatten sie das Bedürfnis, den Schwestern im Centre
werden konnten oder als Heranwachsende in Jugendhei-
de Santé bei ihrer Missionsarbeit zur Seite zu stehen
men eine neue Heimat fanden. Mitarbeiter des Centre de
und ihnen ein Heimatgefühl zu vermitteln. Diese star-
Santé kümmerten sich stets um die Kinder. Sie versorg-
ke Unterstützung tat den Schwestern gut. Viele Reise-
ten sie mit allem Notwendigen und sorgten dafür, dass sie
berichte, Niederschriften und Tagebücher sind in der
die Schule besuchten und ihre Hausaufgaben machten.
Zeit verfasst worden. Sie alle spiegeln die Erlebnisse
Immer wieder wurden Kinder abgegeben und es kamen
in eindrucksvoller Weise wider. Sie vermitteln auch
neue hinzu. Es war stets eine kleine Gemeinschaft, zwar
das Bedürfnis der Reisenden, alles Erlebte für sich
leidgeprägt, jedoch mit strahlenden Augen.
noch einmal zu verarbeiten.
56
Die Missionsstation der Clemensschwestern
2004: Erste Reise von Schwester Christel in
endlich auch unsere Glückwünsche loswerden, denn
Begleitung von Schwester Mariata
Schwester M. Milgitha hatte Geburtstag. Die ersten
Ihren ersten Besuch stattete die Generaloberin,
zwei Nächte verbrachten wir in Kigali, in einem Hotel,
Schwester Christel Grondmann, im Juli 2004 in Ka-
das nach dem Krieg gebaut worden ist, einfach aber
duha ab. Dabei wurde sie, wie später auch in 2007,
sauber. Für mich war zu dieser Zeit alles noch wie ein
von Schwester Mariata begleitet. Nach ihrer Rückkehr
Traum. Am Sonntag lernte ich Kigali kennen. So groß,
schrieb sie folgende Zeilen:
wie die Stadt ist, hätte ich sie mir nicht vorgestellt, aber
viele Menschen sind nach dem Krieg hier hingezogen,
Liebe Schwestern,
weil sie Angst haben. Nach Aussagen von Schwester
heute vor einer Woche bin ich wohlbehalten von Ru-
Mariata hat sich viel verändert in den Jahren. Es wird
anda zurückgekommen. Wenn ich jetzt an meinem
viel gebaut und es ist sauberer geworden.
Schreibtisch im Mutterhaus sitze, wandern meine Ge-
Am Montag sah die Stadt ganz anders aus. Es waren
danken oft zurück in das Land, das so weit weg war
unendlich viele Menschen, Motorräder und Autos un-
für mich, und zu den Menschen, die mir fremd waren.
terwegs. Jeder fuhr und ging so, wie er wollte, aber es
Ich weiß, dass viele von Euch diese Reise im Gebet
ging alles gut. Ich war froh, hier nicht fahren zu müs-
begleitet haben, und dafür möchte ich Euch ganz herz-
sen. Nach vielen Besorgungen machten wir uns am
lich danken. Für mich war es eine große Unterstützung
frühen Nachmittag auf den Weg nach Kaduha. An der
und gab mir Halt. Über diese Zeit in Ruanda habe ich,
Stadtgrenze fuhren wir durch den ersten Kontrollpos-
wie ich es häufiger mache, ein Tagebuch geführt. So
ten. Dann ging es langsam immer mehr bergauf. Un-
möchte ich Euch heute teilhaben lassen an dieser Rei-
terwegs sah man Menschen, die vom Markt kamen
se, indem ich das Tagebuch wieder zur Hand nehme
oder andere, die ihre Schubkarren mit Zuckerrohr vor
und darin blättere. Mit ziemlichem Unbehagen habe
sich her schoben. Je höher wir fuhren, umso besser
ich mich mit Schwester Mariata und Herrn Burlage am
wurde die Luft. In Kaduha sind immer um die 28 Grad,
Samstag, dem 20.06.2004 auf den Weg nach Brüssel
aber es weht ein frischer Wind und morgens ist es
gemacht. Schnell war das Gepäck eingecheckt und
empfindlich kalt. Kaduha liegt etwa auf 2.000 m Höhe.
wir hatten viel Zeit, uns den Flughafen anzusehen. Um
Kigali liegt in einem Kessel und von daher ist es dort
10.30 Uhr begaben wir uns dann endlich mit Brussels
feucht-schwül. Eine Stunde fuhren wir über eine recht
Airlines in die Luft. Da ich einen Fensterplatz hatte,
gute Straße und dann bogen wir rechts ab auf die Pis-
konnte ich viel von der Landschaft sehen, Luxemburg,
te. Ja, das war schon eine besondere Erfahrung, denn
den Bodensee, die schneebedeckten Alpen. Es ging
gegen diese Piste ist ein Feldweg bei uns noch gut.
nach Athen runter über das Mittelmeer. Wir erreichten
Wir waren zu Beginn der Trockenzeit dort und so wur-
Afrika, ich sah Kairo. Dann erblickte ich die endlose
de viel Staub aufgewirbelt auf dem Weg, der von Sand,
Wüste. Dieses Bild hat mich sehr beeindruckt und mir
Steinen und Schlaglöchern bestimmt wird. Nach eini-
fiel das Buch von Saint Exupéry „Stadt in der Wüste“
ger Zeit hatte ich mich aber gut an diese Fahrweise
ein. Ab dann wurde es ruhiger in mir. Als die Sonne
gewöhnt und das blieb auch die weitere Zeit so. Etwas
unterging, überflogen wir den Viktoriasee und bei Dun-
anderes nahm mich viel mehr gefangen: die wunder-
kelheit erreichten wir um 18.40 Uhr unser Ziel: Kigali.
schöne und atemberaubende Landschaft. Viel Grün,
Kaum hatten wir die Passkontrollen hinter uns und war-
Bananenplantagen, Sorghofelder, Nadelwälder, Fel-
teten noch auf unser Gepäck, entdeckten wir Schwes-
der mit Süßkartoffeln und Wälder lösten sich ab. Man
ter M. Milgitha. Es gab eine herzliche Begrüßung und
sagt ja, dass in Ruanda das Paradies ist, zumindest,
mit ihrem Geleitschutz kamen wir schnell durch den
dass Gott hierher zum Schlafen kommt. Um so schwe-
Zoll. Wir fuhren zu ihrer kleinen Wohnung und konnten
rer konnte ich mir vorstellen, dass vor 10 Jahren ein
Die Missionsstation der Clemensschwestern
57
solch fürchterlicher Krieg hier gewütet hat. Auf Spuren
ßen stehen können. Sie werden von Frauen versorgt,
davon traf ich in den folgenden Tagen immer wieder.
die eine Ausbildung haben oder angelernt wurden. Bei
Zur Zeit ist Ruanda relativ ruhig. Es befinden sich aber
uns haben sie aber eine Verdienstmöglichkeit, denn
immer noch über 100.000 Menschen in den Gefäng-
die Arbeitslosigkeit im Land ist sehr groß. Nur ein Bei-
nissen, es gibt jeden Tag neue Verhaftungen, viele
spiel: Eine Krankenschwester verdient im Monat 20
Verbrecher werden noch gesucht und das Geschehe-
Euro. Die Währung ist aber sehr schlecht, 1 Euro sind
ne sitzt tief in den Menschen. Der Kongo im Westen
700 ruandische Franc. Wir haben unsere Ambulanz
rüstet auf, um das Land zu überfallen, und in Burundi
besucht und ich sah davor Frauen mit ihren Kinder sit-
im Süden herrscht Bürgerkrieg. Dieses schöne Land
zen, die an Eiweiß- und Vitaminmangel leiden: für mich
wird ein Pulverfass bleiben. Gegen 17.00 Uhr erreich-
ganz schwer zu verstehen, da es im Land so viele Süd-
ten wir die Station und die Begrüßung beginnt mit viel-
früchte gibt, die wir bei uns teuer bezahlen müssen.
fältigen Umarmungen. Ja, da stehen sie, unsere Kinder
Jetzt haben wir ein Grundstück gepachtet, wo den
in ihrer Sonntagskleidung, singen, klatschen und
Müttern gezeigt wird, wie diese Pflanzen angebaut
schauen uns mit großen Augen an. Ein kleiner Junge
werden. Später soll es Kurse geben, wo ihnen beige-
ist ganz verstört, da er jetzt drei Milgithas vor sich hat.
bracht wird, wie sie die Früchte zum Essen verarbeiten
In den nächsten Tagen wird er aber ganz anhänglich.
können. Da sind viele kleine Schritte erforderlich, um
Nachdem ich kurz unsere Station angesehen habe,
zum Erfolg zu kommen. Wir haben das (Militär)Kran-
beginnt meine erste Nacht in Kaduha. Ab dem nächs-
kenhaus von Kaduha besucht, das vor dem Krieg von
ten Tag beginnen für mich ganz reiche und lehrreiche
Algerien aufgebaut worden ist. Es ist großzügig und
Tage. Wir sind viel mit Schwester Milgitha und ihrem
weitläufig, aber innen gleicht es mehr einer Ruine. Al-
Fahrer unterwegs und ich bekomme so einen Eindruck
les, was nur abmontiert werden konnte, ist weg. In die-
vom Land, von den Menschen, von dem, was im Auf-
sen Räumen ist auch unsere Mütterschule unterge-
bau ist und von dem, was noch fehlt. Wir besuchen die
bracht, zu der täglich 40-60 Frauen kommen. Sie
Räume, in denen unsere Kinder untergebracht sind.
werden während der Schwangerschaft beraten, und
Zur Zeit betreuen wir 48 Kinder in der Station. Die älte-
wenn es Komplikationen gab, an das Hospital verwie-
ren sind Kriegswaisen und ich habe gefragt, woher die
sen. Auf Wöchnerinnenstationen muss man alles ver-
anderen kommen. Ein Teil sind Aidswaisen oder haben
gessen, was wir von deutschen Krankenhäusern ken-
selber Aids. Andere kommen aus zerrütteten Familien,
nen. Uns wurde ein Neugeborenes gezeigt mit einer
ein Elternteil hat den Krieg überlebt und hat jetzt eine
Spina bifida. Für dieses Kind gibt es keine Hilfe, es
neue Beziehung. Da sind die Kinder über, nicht gewollt.
wird sterben. Es wird hier aber auch viel Gutes getan
In Ruanda gibt es auch einen Frauenüberschuss, der
und den Frauen geholfen. Der Arzt hat mir das ganze
ein Problem ist. Für eine afrikanische Frau ist es wich-
Krankenhaus gezeigt, es hat mich sehr betroffen ge-
tig, Kinder zu bekommen, und so ist es jetzt auch
macht. Zum Schluss sind wir durch die technische Ab-
manchmal ganz gleich, von wem die Kinder sind,
teilung gegangen: ein Sono- und ein Röntgengerät.
Hauptsache, sie hat welche. So gibt es immer wieder
Diese können aber nur abends gebraucht werden, weil
Kinder, die auf der Straße und im Busch leben. Das
dann das Krankenhaus Strom hat. Ich erlebe hier aber
kleinste bei uns war 4 Wochen alt, ein kleines Mäd-
auch noch etwas, was mich froh gemacht hat. In einem
chen. Ihre Mutter war bei der Geburt an einer Gerin-
Raum war eine Veranstaltung für Animateure. Das sind
nungsstörung gestorben. Da gibt es in Kaduha keine
Frauen und Männer, die wir hier als Mentoren bezeich-
Hilfe, weil alle medizinischen Möglichkeiten weit weg
nen würden. Sie werden ausgebildet, um staatliche
sind. Ich erlebte, dass wir unseren Kindern wirklich
Programme, Informationen weiterzugeben und zu kon-
eine Zukunft geben, damit sie später auf eigenen Fü-
trollieren. Das ist sehr wichtig, denn die Menschen hier
58
Die Missionsstation der Clemensschwestern
in dem kleinen Dorf sind nur durch sie zu erreichen. Sie
Beim jetzigen Treffen bekamen sie alle 5 Kilogramm
sind auch wertvolle Helfer bei Impfungen und Konsulta-
Bohnen mit für ihre Familien. Beim nächsten Treffen
tionen in den Außenstationen. Diese Aufgabe machen
sollen die Kinder, die noch keine Ziege haben, eine be-
sie ehrenamtlich und müssen dafür so manchen Tag
kommen. Eine Ziege gibt etwas her für die Familie, sie
opfern. Als Lohn bekommen sie an diesem Tag eine
liefert Milch. 75 Ziegen müssen gekauft werden, eine
Flasche Limo, ein Foto mit uns, und das war eine große
Ziege kostet 20 Euro. Dieses Geld ist wirklich gut ange-
Ehre für sie. Dieses Projekt, meine ich, kann man nur
legt, weil damit Kinder unterstützt werden, die zu den
unterstützen und das haben wir auch mit einer kleinen
Ärmsten gehören. Ich könnte noch viel erzählen und
Gabe getan. Weiter bin ich in der Realschule oberhalb
schreiben, aber dieser Bericht gibt schon einen kleinen
unseres Hauses gewesen. Hier werden zur Zeit 420
Einblick vom augenblicklichen Leben in Ruanda. Eins
Schüler unterrichtet, im Alter von 12 bis 25 Jahren. Die-
muss ich aber doch noch erzählen. Am letzten Abend
ser Altersunterschied ist durch den Krieg bedingt, weil
in Kaduha wurde für uns ein Abschiedsfest gegeben,
es da keinen Unterricht gab. Die neue Regierung legt
das von unseren Kindern und Mitarbeitern gestaltet
aber viel Wert darauf, dass die Kinder zur Schule ge-
worden ist. Die Kinder waren wieder alle in ihren Sonn-
hen. Viele Schüler/-innen wohnen auch in der Schule.
tagskleidern, die Frauen in ihrer wunderschönen, tradi-
Sie schlafen mit 30 bis 40 Personen in einem Raum
tionellen Tracht und die Männer im Sonntagsstaat. Das
und die sanitären Anlagen sind völlig mangelhaft, weil
Programm dauerte zwei Stunden lang. Jede Gruppe
die Wasserversorgung unzureichend ist. Die Klassen-
führte etwas auf. Was mich am meisten angesprochen
räume haben Möbel, wie man sie bei uns im Schulmu-
hat, war eine Pantomime der Schulkinder: „Leben in ei-
seum findet, nur viel verbrauchter. Die jungen Men-
ner afrikanische Familie“. Man kann das Gesehene gar
schen sind aber froh, hier zu sein und etwas lernen zu
nicht schildern, wir hätten es für Euch filmen müssen.
können. Sie sind ja die Zukunft Ruandas. Zweimal bin
Für mich wird es ein unvergesslicher Abend bleiben.
ich mitgefahren zu Außenstationen, über eine endlose
Als wir unter einem wunderbaren Sternenhimmel zu un-
Piste und waghalsige „Brücken“, aber immer durch eine
serem Haus gingen, leuchtete über uns das Kreuz des
anziehende Landschaft. Auf den Außenstationen fan-
Südens. Am nächsten Tag hieß es Abschied nehmen
den Impfungen und Konsultationen statt. Bei einer Imp-
und die Fahrt ging nach Kigali. Um 19.40 Uhr hebt un-
fung helfe ich mit, obwohl ich kein Wort verstehe, aber
ser Flieger ab in Richtung Brüssel. Da spüre ich sehr,
mit einem Helfer geht das gut. 21 Kinder sollen es sein,
dass ein Stück meines Herzens in Ruanda geblieben
aber zum Schluss waren es 53. Schwester Milgitha
ist. Ich habe das Land und die Menschen lieben ge-
führt inzwischen die Konsultationen durch und das ist
lernt. Am letzten Tag in Kaduha bekam ich eine Karte,
auch ein gutes Projekt. Neben unseren Waisenkindern
auf der zwei Wörter stehen: „Gira Amahoro“ – „Gehe in
werden von uns noch ca. 250 Kinder betreut, die nach
Frieden“. Ja, Frieden wünsche ich diesem Land und je-
dem Krieg und auch jetzt noch in Familien gegeben
dem einzelnen Menschen, der dort lebt. Mir ist auf die-
wurden. Alle drei Monate kommen diese Kinder mit ih-
ser Reise klar geworden, dass wir diesen Menschen
ren Erziehungsberechtigten zum Gespräch. Häufig gibt
helfen müssen. Sie leben mit einer neuen Hoffnung,
es Probleme im Miteinander, da Kinder wie Erwachse-
und diese gilt es zu unterstützen, damit sie fähig wer-
ne traumatisiert sind. Ist ein Kind krank, bekommt es
den, ihr Leben selber in die Hände zu nehmen. Da kann
einen Zettel, mit dem es sich auf unserer Station mel-
ich nur allen danken, die dieses Werk unterstützen und
den kann und dort kostenlos behandelt wird. Ansonsten
es mittragen.
müssen die Kinder auch für medizinische Leistungen
zahlen. Diese Kinder dürfen aber nicht zur Belastung
Mit einem frohen und dankbaren Gruß
der Familien werden, denn sie haben keinen Status.
Eure Schwester Christel
Die Missionsstation der Clemensschwestern
59
2007: Zweite Reise von Schwester Christel in
en breit macht.
Begleitung von Schwester Mariata
Als ich vor 3 Jahren dort war, war es ein Land im Auf-
Im Juni 2007 reisten die Generaloberin, Schwester
bruch, heute ist es ein Land mit vielen Problemen. Der
Christel, und Schwester Mariata nach Ruanda, um
Deutsche Botschafter sagte uns in einem Gespräch:
anlässlich des 200-jährigen Bestehens der Gemein-
„Das Land wird in den nächsten 5 bis 10 Jahren drei
schaft die Jubiläumskerze in der Kapelle des Euthy-
Probleme haben, die es selber nicht lösen kann: die
mia-Hauses zu entzünden und das Jubelfest auch im
Überbevölkerung, die Nahrungsmittelversorgung und
fernen Ruanda mit einem gemeinsamen Gottesdienst
der steigende Energiebedarf. In Ruanda leben derzeit
zu begehen. Aus dem Rundschreiben von Schwester
5 Millionen Menschen, aber nur 3 Millionen kann das
Christel nach ihrer Rückkehr an die Mitschwestern sei-
Land selber ernähren. Wenn es so weiter geht, wer-
en einige Ausschnitte wiedergegeben:
den es in 10 Jahren 15 Millionen Menschen sein. Da
ist die Hungersnot vorprogrammiert.“ (Anmerkung des
Liebe Mitschwestern,
Autors: 2011 sind es bereits 11 Millionen Einwohner!)
am Sonntag bin ich gesund und dankbar mit Schwes-
Die Anzeichen dafür werden jetzt schon deutlich. Wir
ter Mariata wieder in Brüssel gelandet. Es waren für
haben ein SOS-Kinderdorf besucht, das bislang von
mich 12 reiche und gefüllte Tage in einem ganz ande-
Amerika mit Lebensmitteln versorgt wurde. Die Hilfe
ren Land.
wurde eingestellt, weil das Geld für den Neubau des
Danken möchte ich Euch allen für Euer begleitendes
Flughafens und der amerikanischen Botschaft ge-
Gebet bei dieser Reise und für all das, was ihr für Ru-
braucht wird. Zum anderen will der Präsident von Ru-
anda tut.
anda, dass die Bevölkerung selber für sich sorgt. Die
Ruanda ist ein Land voller Schönheit, aber auch ein
Grenzen dabei sieht er nicht.
Land der Gegensätze, ein Land, das zum Spielball der
Großmächte geworden ist, und wo sich viel Misstrau-
Die Kapelle
im Euthymia Haus
60
Die Missionsstation der Clemensschwestern
Eure Schwester Christel
Das Plakat ist für die Ausstellung zur 200-Jahrfeier der Clemensschwestern erstellt worden.
Die Jubiläumskerze wurde von Schwester Christel und Schwester Mariata nach Kaduha gebracht und in der
Kapelle des Euthymiahauses angezündet.
Die Missionsstation der Clemensschwestern
61
Die Kernsanierung des
Centre de Santé und des Wohnhauses
Bei ihrem zweiten Besuch 2007 hatte Schwester
Christel noch ein weiteres Geschenk in ihrem Reisegepäck: die endgültige Zusage, dass im Rahmen
des 200-jährigen Bestehens der Clemensschwestern die Mittel für eine Kernsanierung des gesamten Komplexes in Kaduha zur Verfügung stehen.
Nach etwa 30 Jahren, seit dem Neubau und der
Erweiterung, war dies zum Substanzerhalt und zur
Modernisierung auch dringend erforderlich. Über
Monate beherrschten nun täglich bis zu 100 Mitarbeiter der Firma Pirard aus Kigali das Geschehen
in dem Areal. Sie begannen in der Gesundheitsstation und renovierten als Letztes das Wohnhaus der
Schwestern. Über fast zwei Jahre wurde in Provisorien gelebt und gearbeitet.
Die Arbeiter der Firma Pirade. Auch das Baumaterial wurde
bemängelt.
Das ging nicht ohne Konflikte vonstatten. Schwes-
unter Leitung des Autors verhandelt. Alle Bauleiter
ter M. Milgitha fühlte sich mit der gesamten Situation
und die Juristen beider Seiten waren zugegen. Letzt-
überfordert und bat den Autor um seine Unterstützung.
lich konnten ein tragbarer Kompromiss und ein nicht
Er stellte in Abstimmung mit dem Bauunternehmer ei-
unerheblicher Nachlass erwirkt werden.
nen neutralen Bauleiter ein, der fortan zusätzlich die
Arbeiten begleitete. Dies half, viele Mängel unmittel-
Fortan erstrahlten alle Gebäude in neuem Glanz und
bar zu erkennen und nachzubessern. Auch bei der
verliehen dem Zentrum eine ansprechende Atmo-
Abrechnung zeigten sich viele Ungereimtheiten. Über
sphäre. Zum größten Teil konnte ein europäischer
drei Tage wurde daher in Kigali mit dem Unternehmer
Standard realisiert werden. Das Centre de Santé war
damit gleichsam für eine künftige Übergabe an eine
andere Ordensgemeinschaft hergerichtet.
Die Gesundheitsreform in Ruanda
Bereits Anfang 2004 fanden erste Gespräche zwischen dem Gesundheitsministerium und der „Deutschen Gesellschaft für technische Zusammenarbeit“
(GTZ, heute GIZ) zu einer grundlegenden Gesundheitsreform und dem Aufbau einer für alle Bürger zugänglichen, nationalen Krankenkasse statt. Ein Ziel
der Reform war, die Gesundheitsvorsorge aller Bürger
von Ruanda zu verbessern. Im Vordergrund der GeDie Renovierungsarbeiten werden von Bauleiter Charles
zusätzlich kontrolliert.
62
Die Missionsstation der Clemensschwestern
sundheitsreform stand die Weiterentwicklung der Gesundheitszentren zu Polikliniken, in denen eine umfas-
Gesundheitsministerium zeigte Verständnis für die
Situation von Schwester M. Milgitha und räumte für
das Centre de Santé eine Übergangszeit bis Ende
2010 ein.
Die Einführung des nationalen Krankenkassensystems veränderte zusätzlich die Situation in den Gesundheitszentren. Das Bestreben der Regierung
von Ruanda ist es, sowohl mit der Gesundheitsreform, als auch mit dem Krankenkassensystem eine
für ganz Afrika vorbildliche Gesundheitsprävention
und Gesundheitsbetreuung zu bewirken. Besonders der armen Landbevölkerung soll damit der
kostenfreie Zugang zu den Dienstleistungen der
Gesundheitszentren und zu den Krankenhäusern
ermöglicht werden. Alle Bürger Ruandas müssen
Die neue Mitarbeiterin der Krankenkasse
sich krankenversichern lassen. Werden Personen
bei der Registrierung als „arm“ eingestuft, übersende ambulante Versorgung und soziale Betreuung
nimmt der Staat den Krankenkassenbeitrag. Ansons-
der Patienten erfolgt. Die Einweisung von Kranken
ten ist pro Person derzeit ein Jahresbeitrag von 3.000
und Verletzten in Krankenhäuser hat nur zu erfolgen,
FRW (3,75 €) zu entrichten. Das hört sich wenig an, ist
wenn die Notwendigkeit dazu in den Gesundheitszen-
aber für eine Familie auf dem Land, mit vielen Kindern
tren festgestellt und bescheinigt wurde, oder im akuten
und nur geringem Einkommen, eine enorme Summe.
Notfall. Diese Vorgehensweise wurde als geeignete
Durch viel „Propaganda“ versucht das Gesundheits-
Möglichkeit gesehen, bei dem enormen Ärztemangel
ministerium, den Bürgern die Notwendigkeit der Ver-
in den ländlichen Bereichen eine Grundversorgung zu
sicherung zu verdeutlichen. In einem Gespräch erläu-
gewährleisten. Die an die Gesundheitszentren gestell-
terte die Gesundheitsministerin Dr. Agnes Binagwaho
ten Aufgaben wurden wesentlich erweitert. Umgehend
dem Autor ihre Ziele, besonders hinsichtlich der künf-
wurden auch soziale Themen, wie zum Beispiel die
tigen Eigenfinanzierung der Gesundheitszentren über
Verringerung des Bevölkerungswachstum durch in
die Krankenkassen. Bis zur endgültigen Realisierung
diesem Werk bereits genannte Familienplanung, ein-
ist es aber auch da noch ein weiter Weg. In jedem Ge-
schließlich Empfängnisverhütung, und eine verstärkte
sundheitszentrum ist seit Anfang 2008 ein Mitarbeiter
Aidsprävention, in das Programm aufgenommen. Alle
der Krankenkasse installiert. Er überwacht den ord-
Mitarbeiter mussten durch umfangreiche Schulungen
nungsgemäßen Ablauf der Dienstleistungen im Sinne
auf diese Aufgaben vorbereitet werden. Natürlich hatte
der Kasse und leitet die Abrechnung ein. Nachdem
das auch für die Leitung des Centre de Santé Konse-
Schwester M. Milgitha im September 2010 ihre Arbeit
quenzen. Schwester M. Milgitha gab gegenüber dem
in Kaduha beendet hatte, wurde, in Abstimmung mit
Gesundheitsministerium zu verstehen, dass sie sich
dem Caritasdirektor der Diözese Gikongoro, auch im
nicht in der Lage sehe, diese neuen Anforderungen
Centre de Santé Kaduha eine Mitarbeiterin der Kran-
im vollem Umfang zu erfüllen; inzwischen sei auch
kenkasse eingesetzt.
ihre Ablösung geplant und das Zentrum solle einer anderen Ordensgemeinschaft übergeben werden. Das
Die Missionsstation der Clemensschwestern
63
Vorbereitung zur
3. Teil: Vorbereitung zur
Übergabe des Centre de Santé
Es ist bisher in dieser Dokumentation zu Recht schon
Ordensgemeinschaft wurde im Mutterhaus der Cle-
viel Positives über das Wirken von Schwester M. Mil-
mensschwestern gemeinsam mit Schwester M. Mil-
githa berichtet worden. Um die Neutralität und Ganz-
githa beschlossen. Sie stimmte zu, Prof. Bernhard
heitlichkeit zu wahren, darf aber an dieser Stelle nicht
Tenckhoff die Leitung dieser Mission zu übertragen
verschwiegen werden, dass Schwester M. Miltgitha,
und ihn bei der Durchführung zu unterstützen. Je kon-
neben aller Hilfs- und Einsatzbereitschaft, sehr be-
kreter sich jedoch der Zeitpunkt der Übergabe näher-
stimmende Wesenszüge besitzt. Ihr teilweise patriar-
te, umso konsequenter lehnte sie es ab, Kaduha zu
chalischer Führungsstil führte bereits von Beginn der
verlassen. Das Verhalten von Schwester M. Milgitha
Mission an immer wieder zu zwischenmenschlichen
erschwerte in der Folgezeit die Mission sehr.
Konflikten. Zeitzeugen und Wegbegleiter von Schwester M. Milgitha haben darüber ausführlich berichtet.
Sie verweigerte sich fortan gänzlich gegenüber ihren
Auf deren wortgetreue Wiedergabe soll hier im Sin-
Obrigkeiten und war zu keinen Gesprächen bereit.
ne aller Betroffenen verzichtet werden. Bereits 1981
Alle Vermittlungsversuche, besonders durch den Bot-
wurde eine Delegation der Ordensgemeinschaft, mit
schafter der Bundesrepublik Deutschland in Ruanda,
Flugscheinen ausgestattet, nach Ruanda entsandt,
Herrn Elmar Timpe, erwirkten keine Einsicht. Ebenso
um die zerstrittenen Schwestern nach Deutschland
lehnte sie alle Angebote zur Übernahme einer an ihre
zurückzuholen. Da es dem Bischof von Butare da-
altersbedingte Konstitution angepasste Aufgabe in Ru-
mals nicht möglich war, kurzfristig andere Schwestern
anda ab. Letztlich blieb den Generaloberen und dem
als Nachfolgerinnen zu finden, wurde auf sein Bitten
Bischof von Münster, entsprechend dem Kirchenrecht,
hin der Rückruf auf unbestimmte Zeit aufgeschoben.
keine andere Wahl, als Schwester M. Milgitha aus der
Nachdem 1998 die vorletzte Clemensschwester von
Ordensgemeinschaft zu entlassen: ein schmerzlicher
Kaduha in die Heimat zurückkehrte, konnte keine
Prozess für alle Beteiligten. Schwester M. Milgitha lebt
Schwester mehr gefunden werden, die bereit war, in
heute als Privatperson Paula Kösser in Kigali. Möge
die Mission nach Afrika zu gehen. Schwester M. Milgi-
ihr ein friedvoller Lebensabend beschieden sein.
tha war fortan alleine dort tätig.
Diese Aussagen sollen dem besseren Verständnis der
Die Übergabe des Centre de Santé an eine andere
nachfolgenden Ausführungen dienen.
64
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
Übergabe des
Centre de Santé
staatliches Gesundheitszentrum geschaffen. Das sollte, laut Bischofskonferenz von
Ruanda, unbedingt verhindert werden. Da
sich der Bischof von Gikongoro alleine außer Stande sah, das Problem zu lösen, bat
er das Mutterhaus der Clemensschwestern
um Hilfe. Dieses Begehren wurde auch
von dem Vorsitzenden der Bischofskonferenz, Bischof Alexis Habiyambere, den
Clemensschwestern angetragen.
Zur Abstimmung der Vorgehensweise fand
am 01. Juni 2008 eine Besprechung im
Mutterhaus der Clemensschwestern statt,
an der die Generaloberin, Schwester Christel Grondmann, ihre Vertreterin, Schwester
Bemühen um eine Lösung für Schwester M. Milgitha:
Gesundheitsministerin Dr. Agnes Binagwaho, Botschafter Elmar Timpe
und die Stellvertreterin der Generaloberin, Schwester Margret
Margret Trepmann, Schwester M. Milgitha
und Prof. Bernhard Tenckhoff teilnahmen.
Dem Vorschlag von Schwester M. Milgitha
Da das Centre de Santé Kaduha der katholischen Kir-
folgend sollte er versuchen, für ihre Nachfolge eine
che und somit zur Diözese Gikongoro gehört, erhöhte
Ordensgemeinschaft in Indien zu finden. Bernhard
das Gesundheitsministerium den Druck auf Bischof
Tenckhoff sagte zu, diese Aufgabe ehrenamtlich zu
Augustin Misago, eine Fortführung der Station durch
übernehmen. Nachdem der Generalrat der Clemens-
eine geeignete Ordensgemeinschaft in der vorgegebe-
schwestern auch seine Zustimmung gegeben hatte,
nen Zeit zu vollziehen. Sollte es dem Bischof nicht ge-
wurde ihm die Vollmacht zur Leitung der Mission er-
lingen, würde in der Region durch das Ministerium ein
teilt.
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
65
66
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
67
68
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
69
Während Bernhard Tenckhoff sich bemühte, über sei-
zu und stellte die Kontakte zu mehreren Ordensge-
ne bestehenden Kontakte von Deutschland aus eine
meinschaften her. Es folgte in den nächsten Tagen ein
Verbindung zu den ihm bekannten und benannten in-
intensives Besuchs- und Besprechungsprogramm.
dischen Ordensgemeinschaften aufzunehmen, ergab
Mit der „Congregation of Teresian Carmelites“ gab es
sich eine glückliche Fügung. Bei einem Spaziergang
eine erste, konkrete Annäherung. Die Generalleitung
in seinem Wohnort Ostbevern begegneten sich Bern-
signalisierte ihre Bereitschaft, sich des Themas anzu-
hard Tenckhoff und die seinerzeit an der Loburg tätige,
nehmen.
indische Schwester Nicy. Ihr wurde das Anliegen der
Clemensschwestern erläutert. Sie sagte, dass der zu-
Am Rande der Besprechung machte Schwester M.
ständige Bischof, Dr. Francis Kallarakal von Kerala, im
Milgitha gegenüber einer Generalrätin die Anmerkung,
tiefen Süden Indiens, ihr Onkel sei. Gerne sei sie be-
dass sie Kaduha nicht verlassen möchte, sondern le-
reit, den Kontakt zum Bischof herzustellen. Innerhalb
diglich durch die Schwestern eine Unterstützung er-
weniger Tage erhielt Bernhard Tenckhoff eine Einla-
warte. Dies führte zunächst zu einigen Irritationen.
dung zum Besuch in Kerala. Umgehend wurde mit der
Die Generaloberin, Mother Daphne, unterbrach die
Vorbereitung der Reise begonnen. Sein Wunsch war
Sitzung und bat um Bedenkzeit bis zum nächsten Tag.
es, dass Schwester M. Milgitha ihn auf der Reise be-
Auf die Frage der Abgrenzung zwischen Sr. M. Milgi-
gleitet. Die Generaloberin richtete zusätzlich ein offizi-
tha und den Teresian Carmelites wurde am folgenden
elles Begehren an den Bischof.
Tag die Festlegung aus dem Mutterhaus der Clemensschwestern bestätigt, dass ein eindeutiger Schnitt mit
Am 20. April 2009 machten sich Schwester M. Milgitha
der Übergabe zu vollziehen sei. Den Teresian Car-
und Bernhard Tenckhoff von Ruanda aus auf den Weg
melites obliege die Entscheidung, ob und wie lange
nach Kerala. Sie wurden am Flughafen in Cochin von
nach der Übergabe des Centre de Santé Schwester
mehreren Priestern und Schwestern herzlich empfan-
M. Milgitha noch zur Einarbeitung verbleibe. Die Ge-
gen. Am Abend des ersten Tages kam auch der Bi-
spräche und der nun konkreter werdende Zeitpunkt
schof zur Begrüßung. Er sagte seine Unterstützung
der Übergabe führten zu der vorgenannten Kehrtwende in der bisherigen Unterstützung durch Schwester M. Milgitha.
Durch ihr ablehnendes Verhalten
gerieten in den folgenden Wochen
die Gespräche mit den indischen
Schwestern ins Stocken. Bernhard
Tenckhoff wurde daher im Herbst
des Jahres gebeten, erneut nach
Kerala zu reisen, um den Kontakt
mit den Teresian Carmelites wieder
aufzunehmen. Bei der Reise wurde
er von Schwester Mariata begleitet.
Die Wiederaufnahme vertrauensvoller Gespräche ist ihnen, zur Freude
aller Hoffnungsträger, und dank der
Das erste Gespräch im Mutterhaus der Teresian Carmelites in Kerala
70
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
guten Unterstützung durch Schwester Mariata, gelungen.
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
Am 20. April 2009 machten sich Schwester M. Milgitha und Bernhard Tenckhoff von
71
-
Ferner befindet sich im Cen-
tre de Santé ein Waisenhaus. Die
Kinder bleiben dort bis zum jugendlichen Alter, wenn vorher keine Vermittlung erfolgt. Sie werden durch
geeignete Mitarbeiter betreut und
besuchen die öffentlichen Schulen.
-
Das gesamte Centre wurde in
den vergangenen zwei Jahren kernsaniert und befindet sich in einem
gepflegten und technisch einwandfreien Zustand.
-
Die laufenden Betriebskosten
werden zum größten Teil vom
Bischof Dr. Francis Kallarakal wollte sich einen Überblick über die Situation
verschaffen. Er hat dazu die Gäste zum Gespräch bei Tisch geladen.
Mutterhaus über Spendengelder
erbracht. Für einige Mitarbeiter
Die nachstehende Aktennotiz gibt den Besprechungs-
übernimmt der ruandische Staat die Entloh-
verlauf wieder:
nung. Zusätzliche Aufwendungen, wie z. B. für
die Renovierung der Gebäude oder den Erwerb
Aktennotiz über das Gespräch im Mutterhaus der
von Fahrzeugen, werden durch das Mutterhaus
„Congregation of Teresian Carmelites“ am 18. No-
erbracht.
vember 2009 in Cochin, Indien
- Das gesamte Personal beläuft sich auf zeitweise bis zu 50 Personen. Einige wenige davon
Teilnehmer
sind qualifizierte Krankenpfleger und Kranken-
An der Besprechung hat der gesamte Generalrat der
schwestern.
Teresian Carmelites unter Leitung der Generaloberin,
- Sr. Milgitha leitet das Centre de Santé. Sie ist
Mother Daphne, teilgenommen. Schwester Mariata
seit 1973 in Ruanda und ist ausgebildete Kran-
und Prof. Tenckhoff nahmen für die Clemensschwes-
kenschwester.
- Da Sr. Milgitha annähernd 74 Jahre alt ist, wird
tern teil.
eine Ablösung erforderlich. Dies ist auch auf
Besprechungsverlauf
Grund ihres Gesundheitszustands dringend
1. Zunächst wird den Sitzungsteilnehmern die
angeraten.
gegenwärtige Situation des Centre de Santé
- Verständlicherweise fällt Sr. Milgitha der Über-
erläutert. Die wichtigsten Punkte dazu sind:
gang und das Loslassen schwer. Sie wird
- Die derzeitigen Aufgabenschwerpunkte des
daher, ihrem Wunsch entsprechend, in Ruanda
Centre de Santé sind die Gesundheitsvorsorge
bleiben dürfen und eine andere Aufgabe wahr-
sowie Betreuung von Schwangeren und Kran-
nehmen.
ken. Ebenso werden in der Region Kaduha
Impfungen durchgeführt. Die Aufgabenstellung
in der Region Kaduha. Wasser bekommt das
hat sich über die Jahre stets weiterentwickelt.
Centre über eine eigene Quelle, Strom über
Eine Anpassung an ein künftiges nationales
einen Generator und Solaranlagen.
Gesundheitsprogramm ist erforderlich.
72
- Die Infrastruktur entspricht den Gegebenheiten
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
- Derzeit stehen im Centre drei Autos zur Verfü-
gung. Sie befinden sich alle in einem einwand-
da“. Die Clemensschwestern werden bemüht
freien Zustand.
sein, diesen Kreis auch in Zukunft aufrecht zu
- Das Euthymiahaus verfügt über 10 Räume,
Küche, Bad, WC und einen großen Wohnraum
erhalten.
- In Ruanda befindet sich ein nationales Krankenversicherungssystem im Aufbau. Diese
sowie eine Kapelle.
- In einem Nebengebäude, das noch nicht reno-
Versicherung wird künftig die Kosten für die
viert wurde, stehen zusätzlich 6 Zimmer, Bad
Behandlung der Patienten im Centre de Santé
und Toilette sowie ein Gemeinschaftsraum zur
mittragen.
- Die Kosten für den laufenden Betrieb sind
Verfügung.
- Unmittelbar neben dem Centre befindet sich
eine katholische Kirche, in der täglich Gottes-
damit in den ersten Jahren weitestgehend gedeckt.
- Der genaue Zeitpunkt der Übergabe wird durch
dienste abgehalten werden.
- Im Dorf Kaduha befinden sich, in unmittelbarer Nähe zum Centre, ferner eine Grund- und
Hauptschule, ein Kindergarten und ein Militär-
die Teresian Carmelites in gegenseitiger Absprache festgelegt.
- Den Teresian Carmelites bleibt es ferner überlassen, den Zeitraum für eine Einarbeitung zu
krankenhaus.
- Lebensmittel können auf dem wöchentlich
bestimmen.
stattfindenden Markt oder in einer der Städte
3. Mittels Powerpoint- Präsentation wird den Teilneh-
erworben werden.
mern die Region und das Centre de Santé näher
2. Nach der Diskussion über die gegenwärtige Situa-
dargestellt. Ebenso werden Informationen über
tion werden Rahmenbedingungen für eine Über-
die Kultur des Landes und die politische Situation
gabe erörtert. Diese sind:
gegeben.
- Sowohl Weihbischof Ostermann, Münster, als
auch Bischof Misago, Gikongoro, erhoffen sich
Fazit der Besprechung
eine zügige Lösung, um keine Lücke entste-
Die Teresian Carmelites sind gewillt, den Clemens-
hen zu lassen. Beide Bischöfe werden sich mit
schwestern zu helfen und bekunden ihre Absicht, das
entsprechenden Briefen an Mother Daphne
Centre de Santé zu übernehmen. Um eine endgültige
wenden.
Entscheidung fällen zu können besteht der Wunsch,
- Die Generalleitung der Clemensschwestern hat
eine örtliche Besichtigung vorzunehmen und Gesprä-
in ihrer Sitzung am 09.06.2008 beschlossen,
che mit den zuständigen Personen, wie Bischof Mi-
das Centre de Santé einer anderen katholi-
sago, zu führen. Der Besuch in Ruanda soll bereits
schen Ordensgemeinschaft zu übergeben.
kurzfristig im Januar oder März 2010 erfolgen. Mother
- Die Übergabe wird zwischen beiden Mutterhäu-
Daphne bittet Prof. Tenckhoff, sie als ihr Vertrauter bei
sern vertraglich geregelt und erfolgt im gegen-
dieser Reise zu begleiten. Dies wird ihr durch Herrn
seitigen Einvernehmen.
Tenckhoff zugesagt.
- Weihbischof Ostermann stellt aus der Abteilung
Weltkirche einen Betrag von 20.000 Euro als
Erstfinanzierung für die indische Ordensge-
Cochin, den 18 . November 2009
meinschaft zur Verfügung.
- Derzeit erhält das Mutterhaus regelmäßig
Spenden aus einem „Freundeskreis für Ruan
gez. Sr. Mariata Kemper
gez. Prof. Bernhard Tenckhoff
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
73
Auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Alexis Habyiambere,
die Staatssekretärin im Gesundheitsministerium und heutige Ministerin, Dr.
Agnes Binagwaho, und der apostolische
Nuntius von Ruanda, Erzbischof Guido
Pecoravi, sprachen ihre einladende Bitte
an die Schwestern aus. Nun konnte mit
der konkreten Vorbereitung der Übergabe begonnen werden. Zu weiteren
Umringt von vielen Menschen fühlten sich die
Schwestern in Kaduha schnell heimisch.
Bei dem Besuch von Mother Daphne und ihrer Stellver-
Detailabstimmungen
reiste
Bernhard
Tenckhoff erneut nach Kerala, Indien.
Der nachstehende Bericht gibt die Ergebnisse wieder:
treterin Sr. Francina in Ruanda wurden sie seitens des
Generalrats der Clemensschwestern durch Schwester
Bericht über die Gespräche in Kerala
Margret und Schwester M. Bernwarde sowie Bernhard
vom 10. - 16. April 2010
Tenckhoff begleitet. Die Schwestern wurden durch den
Die erneute Reise von Bernhard Tenckhoff nach Ke-
Priester der benachbarten Kirchengemeinde, Father
rala diente der Repräsentanz bei der Einführung von
Bernard, die Mitarbeiter des Centre de Santé und viele
Bischof Dr. Francis Kallarakal zum neuen Erzbischof
Menschen der Gemeinde herzlich begrüßt. Sie fühlten
von Verapoly und der abschließenden Klärung von
sich direkt zu den Menschen hingezogen, ließe sich
Grundsätzen zur Übernahme des Centre de Santé in
doch für sie das Leben der Menschen und die Natur
Kaduha durch die Teresian Carmelites. Außerdem er-
des Landes mit ihrer Heimat Kerala vergleichen. Die
folgte eine Anfrage zur befristeten Entsendung („Aus-
Besichtigung des Centre de Santé und die Gespräche
zeit“) von Sr. M. Milgitha nach Kerala. Zu den Themen
mit den Mitarbeitern vermittelten den Schwestern die
fanden Gespräche mit dem Erzbischof, Mother Daph-
Gewissheit, dass sie keine Einarbeitung benötigten.
ne, Fr. Robbin und Sr. Bincy statt.
Alle anstehenden Aufgaben seien ihnen aus der umfangreichen Missionsarbeit in verschiedenen Ländern
1. Folgende Grundsätze zur Übernahme des Centre
der Welt bestens vertraut. Mother Daphne sagte zu,
de Santé wurden abgestimmt:
zur Übernahme des Centre de Santé die Genehmi-
- Die Teresian Carmelites werden das Centre de
gung ihrer Generalrätinnen und ihres Bischofs zu er-
Santé übernehmen. Der genaue Zeitpunkt wird
wirken. Bei einem Besuch in der Diözese Gikongoro
in dem Gespräch zwischen Sr. Charlotte und
betonte Bischof Augustin Misago erneut seine Einla-
Mother Daphne Ende April/Anfang Mai festgelegt.
dung an die Schwestern, nach Ruanda zu kommen.
Eine kurzfristige Entsendung wird angestrebt.
74
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
- Es werden zunächst fünf Schwestern nach
Kaduha kommen. Mindestens eine der
Schwestern soll deutsch sprechen. Die An-
zuständigen Stellen kooperieren und zusammenarbeiten.
- Mit Bischof Augustin Misago von Gikongoro
sprachen zur Auswahl erfolgen derzeit durch
sind die Eigentumsfragen (Grundstück/Gebäu-
Mother Daphne. Zwei Schwestern haben sich
de) abschließend zu klären.
schon bereit erklärt, nach Ruanda zu gehen.
- Drei der Schwestern sind für die Arbeit im
- Auf Basis der Grundsatzvereinbarung mit den
Clemensschwestern werden die Teresian Car-
Centre de Santé vorgesehen, die anderen zwei
melites ein Zusatzabkommen mit dem Bischof
sollen in der Schule unterrichten und in der Ge-
Augustin Misago anstreben.
meinde helfen. Alle Schwestern verfügen über
- Bischof Augustin Misago setzt das Gesundheitsministerium und alle weiteren staatlichen
die erforderlichen Qualifikationen.
- Die Schwestern werden auch missionieren. Es
ist vorgesehen, zu einem späteren Zeitpunkt
Stellen über die Veränderung in Kenntnis.
- Die Entsendung von Sr. Christel und Bernhard
Tenckhoff für die Übergangszeit wird erbeten.
eine Schwesternschule zu eröffnen.
- Alle Schwestern sollen durch die Lehrer der
Der Zeitraum wird sich aus dem Umfang der
Sekundarschule in Kaduha Sprachunterricht in
Arbeiten ergeben. Sr. Christel wird im Centre
Kynarwanda erhalten. Der Rektor der Schule
de Santé unterstützen. Bernhard Tenckhoff
hat dazu bereits seine Zusage gegeben.
unterstützt bei den Alltagsaufgaben im Außen-
- Auf Grund einiger Aussagen von Sr. M. Milgitha
verhältnis.
am Rande der Besprechung im April 2009 in
- In etwa zwei Jahren soll ein weiterer Konvent in
Kerala und ihres Verhaltens bei dem Besuch
Nyundo/Kinunu mit ebenfalls fünf Schwestern
von Mother Daphne und Sr. Francina in Ka-
gegründet werden. Die Schwestern planen,
duha sehen die Schwestern keine Möglichkeit
dort das neue Gesundheitszentrum von Bischof
einer kooperativen Zusammenarbeit mit ihr. Sie
Alexis zu leiten und in Schulen und Gemeinden
bitten darum, dass Sr. M. Milgitha das Centre
tätig zu werden.
de Santé vor dem Eintreffen der indischen
- Ebenfalls in etwa zwei Jahren sollen Priester
folgen, die neben der Betreuung der Schwes-
Schwestern verlassen hat.
- Zur Übernahme des Centre de Santé soll an-
tern auch in den Gemeinden und der Missi-
lässlich des Besuches von Mother Daphne in
onarsarbeit tätig werden. Dazu wird Mother
Münster eine Grundsatzvereinbarung zwischen
Daphne zur gegebenen Zeit mit Erzbischof
den Clemensschwestern und den Teresian
Francis sprechen.
- Die Übergabe der 20.000 Euro von Bischof
Carmelites unterzeichnet werden.
- Nach der Unterzeichnung informieren die
Clemensschwestern die erforderlichen Stellen.
Ebenso ist der Kreis der Spender zeitnah zu
Ostermann soll nach Unterzeichnung der Vereinbarung erfolgen.
- Die Clemensschwestern werden sich bemühen,
den Sponsorenkreis für einige Jahre aufrecht
informieren.
- Die Teresian Carmelites legen Wert darauf, ihre
zu erhalten.
Eigenständigkeit und Unabhängigkeit sowohl
gegenüber dem Bischof von Gikongoro als
2. Zur Entsendung von Sr. M. Milgitha nach Kerala
auch dem Gesundheitsministerium von Ruanda
wurde folgendes abgestimmt:
zu wahren. Sie werden alle fachlichen Vorga-
- Es besteht die Bereitschaft, Sr. M. Milgitha für
ben des Ministeriums befolgen und mit den
einige Zeit zur Erholung in Kerala aufzunehVorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
75
men. Erzbischof Francis hat seine Zustimmung
erteilt.
- Die Ordensgemeinschaft der Passionistinnen
würde die Betreuung übernehmen. Sie würden
Sr. M. Milgitha ein abwechslungsreiches Programm für einige Wochen/Monate vorschlagen.
- Ihre Unterbringung wäre vermutlich im Konvent
der Passionistinnen im Abertin Animation Center in Kottapuram.
- Eventuell anfallende Kosten sind durch die
Clemensschwestern zu tragen.
Die Bereitschaft zur Übernahme des Centre de Santé
in Kaduha durch die Congregation of Teresian Carmelites ist bestätigt. Auf der Grundlage sind im nächsten Schritt alle Formalitäten zu erledigen. Damit tritt
die Übergabe in die entscheidende Phase. Dies gilt
auch für die Ablösung von Sr. M. Milgitha. Der durch
die Clemensschwestern angestrebte Zeitpunkt ist erreicht. Die Forderung des Gesundheitsministers von
Ruanda, das Centre de Santé in 2010 an eine indische Ordensgemeinschaft zu übergeben, wird ebenfalls erfüllt.
Ostbevern, den 23. April 2010
gez. Prof. Bernhard Tenckhoff
Wie auch mit dem nachfolgenden Schreiben des
Weihbischofs Friedrich Ostermann verdeutlicht, bemühten sich viele Persönlichkeiten darum, dass Sr.
M. Milgitha den Weg für die indischen Schwestern frei
macht und ihr eine entsprechende anderweitige Aufgabe zuteil wird. Im September 2010 verließ sie das
Centre de Santé, Kaduha. Der Ankunft der indischen
Schwestern und der Unterzeichnung einer „Kooperationsvereinbarung“ zwischen den Teresian Carmelites
und den Clemensschwestern stand nun nichts mehr
im Wege.
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Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
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78
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
79
Übergabe des Centre de Santé an die Teresian
chen Applaus und festlichem Gesang begrüßt. Die
Carmelites
Clemensschwestern wurden mit gleicher Herzlichkeit
Mit großer Freude und viel Eifer machten sich die Mit-
und einem Dank aus Kaduha verabschiedet. Vor der
arbeiter des Centre de Santé, Priester und Helfer der
Kirche gab es viele erste Kontakte der Schwestern mit
Kirchengemeinde sowie Lehrer und Schüler der Se-
den Gemeindemitgliedern.
kundarschule daran, alle Vorbereitungen zur Übergabe zu treffen. Alles wurde hergerichtet, geputzt, Lie-
Anschließend ging es gemeinsam zur feierlichen
der und Tänze wurden einstudiert, der Gottesdienst
Übergabe ins Centre de Santé. Nach den Anspra-
wurde vorbereitet. Es sollte ein Festtag für Kaduha
chen von Bischof Augustin Misago, Sr. M. Bernwarde
werden. Die Einladungen zur Teilnahme an der Feier
und Mother Daphne erfolgte die offizielle Übergabe
ergingen an die Vertreter der Gemeinden, der Regie-
des Centre de Santé durch Sr. M. Bernwarde und Sr.
rung, des Ministeriums und die Kirchenvertreter. Am
Mariata an die Congregation of Teresian Carmelites.
13. März 2011 war es so weit. Die Schwestern waren
Symbolisch wurde ein Bild der seligen Schwester M.
einige Tage zuvor in Kigali eingetroffen und am Flug-
Euthymia und eine handgefertigte Osterkerze an Mo-
hafen von Schwester M. Bernwarde, Schwester Ma-
ther Daphne überreicht. Mother Daphne gab in ihrer
riata und Bernhard Tenckhoff in Empfang genommen
Dankesrede bekannt, dass die Schwestern in Kaduha
worden. Gemeinsam fuhr man zunächst zum Bischof
den Namen „Euthymia-Carmel-Convent“ erhalten.
von Gikongoro, um sich bei ihm offiziell anzumelden,
Das erfüllte alle mit Stolz. Das segensreiche Wirken
um dann weiter zur neuen Heimat, Kaduha zu rei-
der Clemensschwestern in Ruanda wurde damit be-
sen.
endet und eine hoffnungsvolle Zukunft mit den Teresian Carmelites begann. Es wurde noch ein langer Tag
Der Tag begann mit einem ergreifenden Gottes-
mit viel Gesang, Tanz und guten Gesprächen.
dienst in der voll besetzten Kirche. Bischof Augustin
Misago zelebrierte die Messe mit vier weiteren Pries-
Zum Abschied richtete der Priester von Kaduha,
tern. Die neuen Schwestern wurden der Gemeinde
Father Bernard, den Appell an die Clemensschwes-
Kaduha vorgestellt und von ihnen mit einem herzli-
tern:
Ankunft der Schwestern in Ruanda. Bernhard Tenckhoff inmitten
von (v.l.) Sr. Catharine, M. Daphne, Sr. Bernwarde, Sr. Mariata,
Sr. Joyce, Sr. Martha, Sr. Sneha
80
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
Herzliche Begrüßung durch die Mitarbeiter im Centre de Santé:
Das lange Warten und die Zeit der Ungewissheit hatten ein Ende.
Die Ansprache von Bischof Augustin Misago
wurde von Father Bernard ins Englische übersetzt.
Vorstellung der Schwestern vor der Gemeinde
„Don´t forget Rwanda!“
Die Clemensschwestern sagten zu, sich auch weiter-
der Gemeinde kann zusätzlich aufgenommen werden.
hin unterstützend um das Centre de Santé und die
Viele Projekte sind bereits geplant. All diese Aktivitä-
Menschen in Kaduha zu bemühen. Bis heute pflegt
ten wollen die Clemensschwestern auch in den kom-
das Mutterhaus einen engen Kontakt zu den Schwes-
menden Jahren mit der Unterstützung durch den Kreis
tern in Kaduha. Die Schwestern Sneha, Jocy und
der Ruandafreunde fördern. Die Menschen in Kaduha
Martha haben sich schnell in Kaduha eingelebt. An-
haben diese Unterstützung nicht nur verdient, sie
fang 2012 kamen noch zwei weitere Schwestern dazu.
haben sie auch dringend nötig.
Damit ist ihr Konvent komplett und die Arbeit innerhalb
Übergabe des Centre de Santé und der mitgebrachten
Geschenke. Links im Bild der gute Freund und Helfer,
Father Bernard, Priester der Gemeinde Kaduha
Bis in den Abend wurde gefeiert. Die Schülerinnen und
Schüler der Sekundarschule verdeutlichten den Gästen
mit Tänzen und Gesang die Kultur des Landes.
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
81
Artikel von der Redakteurin Maria Meik der
und die von Münster aus mit Sponsorengeldern unter-
Westfälischen Nachrichten vom 03.06.2011
stützt wurde, wie Generaloberin Schwester Charlotte
berichtet.
MISSIONSSTATION AN INDISCHE
ORDENSFRAUEN ÜBERGEBEN
Schwester Quirina ist 86 und längst aus Afrika ins Mutterhaus an der Raphaelsklinik zurückgekehrt. Schwes-
Schwester Maria Euthymia
nun auch in Ruanda
ter Milgitha ist ausgeschieden, und die Schwestern Ignatis und Agnetis sind gestorben. Allesamt haben sie
sich im Gesundheitszentrum im Armenhaus Ruandas
die Ärmel im Dienst des Nächsten aufgekrempelt.
Münster - Wunder gibt es immer wieder... Schwes-
Einer, der sich in Ruanda wie in seiner Westentasche
ter Maria Euthymia um Fürsprache bei Gott zu
auskennt, der dem Land und den herzlichen Men-
bitten - darauf vertrauen nicht nur die Clemens-
schen eng verbunden ist, ist Bernhard Tenckhoff. „Seit
schwestern. Jetzt hängt ein Bild ihrer selig ge-
2003 fahre ich jedes Jahr bis zu sieben Mal nach Ru-
sprochenen Mitschwester sogar in Kaduha, etwa
anda“, erzählt der Professor aus Ostbevern, der Ent-
150 Kilometer von Kigali entfernt, der Hauptstadt
wicklungshilfe erster Güte leistet.
von Ruanda in Zentralafrika. Und seit zwei Monaten gibt es hier sogar die Niederlassung: „Euthy-
Er hat Hochschullehrer in Ruanda ausgebildet. „Ent-
mia-Carmel-Convent“.
wicklungshilfe muss nachhaltig sein“, lautet die Devise von Tenckhoff, der auf Bildung setzt und in Ruanda
Und das macht die Clemensschwestern überglücklich.
gute Kontakte zu Behörden hat. Als er Schwester Mil-
Weil ihre Arbeit in der Missionsstation fortgesetzt wer-
githa und die Clemensschwestern im Jahr 2004 ken-
den kann, die sie 1973 mit viel Liebe aufgebaut haben
nenlernte, verspürte er Heimat und Herzenswärme.
Dem Ingenieur ging die Not der Menschen unter die
Haut, die in Scharen im Gesundheitszentrum auf eine
Impfung warten. Die Sterblichkeitsrate in Ruanda sei
hoch und Aids verbreitet, erinnert der Professor auch
an den grausamen Völkermord, der über 40 Prozent
Waisenkinder zurückgelassen habe.
„Aus den Clemensschwestern und mir wurde ein
‚Dream-Team‘“, freut sich Tenckhoff, der als Vermittler
alles klar machte für die Übergabe der Missionsstation
an die indischen Schwestern am 13. März.
Doch wie kommt man an sie ran? Antwort: Durch eine
Begegnung der wundersamen Art. Nicht irgendwo,
Das Herz der Clemensschwestern und das von Prof. Bernhard
Tenckhoff schlägt für Ruanda. Im Bild (v. l.) mit Generalrätin Sr.
Bernwarde, Generaloberin Sr. Charlotte und ihre Stellvertreterin Sr. Margret. Foto: (mm)
82
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
sondern in Ostbevern. „Als ich an der Loburg einen
Spaziergang machte, kreuzte plötzlich eine indische
Ordensfrau meinen Weg. Und sie war auch noch die
Nichte des Bischofs von Kerala“, erzählt Tenckhoff.
vielen Teilen Deutschlands und motivierenden Vorträ-
Alles andere fügte sich nach zweijähriger Verhandlung
gen hat sie um die Unterstützung gebeten, die dieses
zusammen.
Projekt erforderte. Sie fand dabei stets Gehör. Den
zahllosen Spendern sei auch dafür gedankt. Alle Ge-
Zur Übergabe der Station reiste auch die Afrikabeauf-
neraloberen standen der Mission, teilweise begründet,
tragte der Clemensschwestern, Schwester Mariata,
auch etwas kritisch zur Seite. Auch der nicht unerheb-
nach Ruanda - mit einem Bild von Schwester Maria
liche finanzielle Beitrag des Mutterhauses war für den
Euthymia als Geschenk.
Erhalt der Station von Nöten. Dies soll, wie bereits gesagt, auch weiterhin so sein, denn die Menschen dort
Für viel Geld haben die Ordensfrauen die weitläufi-
werden noch lange auf unsere Hilfe angewiesen sein.
ge Anlage renoviert. „Wir werden die Missionsstation
Nachfolgend sollen nur wenige, beispielhafte Rund-
erhalten und die indischen Schwestern unterstützen“,
schreiben und Veröffentlichungen aufgeführt werden.
sagt Generaloberin Schwester Charlotte.
Ein Dank gilt auch der Presse, die diese Mission stets
mit guten Artikeln unterstützt hat.
Von Maria Meik, MÜNSTER
Glücklich und mit Stolz nahm Sr. Mariata immer wieder großzügige Spenden entgegen und leitete das Geld
Weitere Unterstützung durch
nicht nur gezielt nach Kaduha, sie bemühte sich auch um
die Clemensschwestern und Ruandafreunde
deren Verwendung im Sinne der Ruandafreunde. Viele
Alles Erreichte war nur durch den selbstlosen Einsatz
Projekte konnten so Unterstützung aus Deutschland er-
vieler Helferinnen und Helfer und aller Spender mög-
fahren. Mit den künftigen Spenden sollen Projekte als
lich, die sich stets für die Menschen in der Region Ka-
„Hilfe zur Selbsthilfe“ initiiert und unterstützt werden, die
duha eingesetzt haben. Schwester Mariata hat sehr
es den Menschen in Kaduha ermöglichen, persönliches
früh damit begonnen, die Brücke zwischen der Station
Eigentum zu schaffen, damit ihren Lebensstandard zu
in Ruanda (wo sie bereits fünfzehnmal war), dem Mut-
verbessern und ihre Zukunft zu sichern.
terhaus und dem Kreis der Ruandafreunde in Deutschland zu „errichten und zu pflegen“. Fühlt sie sich doch
Schwester Mariata wird auch weiterhin bemüht sein,
deshalb nicht ohne Grund als halbe Ruanderin. Mit
die Ruandafreunde regelmäßig zu informieren.
regelmäßigen Rundschreiben, zahllosen Besuchen in
Die aktuellen Rundbriefe von ihr sind:
Schwester Mariata: Ihr Herz schlägt für Ruanda.
Eine Delegation der Ruandafreunde aus Ahlen
überbringt eine Spende. Die Gruppe ist seit langen
Jahren für die Menschen in Kaduha aktiv.
Vorbereitung zur Übergabe des Centre de Santé
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Schlussworte
Schlussworte
aus Münster und Kerala
Am 18. Mai 2011 fand im Mutterhaus unser diesjähri-
Am Schwerpunkt Gesundheit haben die Clemens-
ger Gemeinschaftstag statt. Gefeiert wurde die gelun-
schwestern mit ihrer Missionsstation, tief im Landesin-
gene Übergabe unserer Missionsstation in Ruanda an
nern, vor 38 Jahren ein Hilfeprojekt begonnen. Am 13.
die indische Schwesterngemeinschaft der Teresian-
März dieses Jahres wurde es in Kaduha den Teresi-
Carmelites.
an-Carmelites übergeben. Seither heißt die Niederlassung: Euthymia-Carmel-Convent.
In einem sehr lebendigen Vortrag von Herrn Prof. Bernhard Tenckhoff wurde uns das wunderschöne Land in
Zu den Bildern, die uns die konkrete Übergabe-
Zentralafrika mit seinen liebenswerten Menschen und
Feier zeigten, las unsere Generaloberin Schwester
seiner großen Armut und Gefährdung vor Augen ge-
Charlotte einen Brief der indischen Generaloberin
führt. Drei Entwicklungsschwerpunkte: Ernährung, Ge-
Mother Daphne vor, den diese noch in Kaduha ge-
sundheit, Bildung stehen für das Land im Vordergrund
schrieben hat:
– so Tenckhoff.
Zu Bildern von der ÜbergabeFeier in Ruanda las Schwester
Charlotte einen Brief der
indischen Generaloberin vor.
88
aus Münster & Kerala
Ehrenwerte Mother, Grüße in Frieden!
Dieser Brief bringt die Gefühle meiner tief empfundenen Dankbarkeit und Liebe zum Ausdruck!...
... Am 25. März reise ich morgens mit Sr. Catharine
von Kigali aus nach Indien zurück. Von dem Tag an
sind die Schwestern auf sich alleine gestellt. Aber sie
sind nicht alleine, die Gegenwart des auferstandenen
Gottes, der versprochen hat, immer mit uns zu sein, ist
bei ihnen. Die Gebete und Präsenz der seligen Sr. Euthymia sind hier allgegenwärtig. Danke für die lieben
Geschenke. Sie haben die Seelen meiner Schwestern belebt. Als ich im Mai 2010 in Münster war, haben du und ich gemeinsam am Grab von Euthymia
gebetet und darum gebeten, dass wir innerhalb eines
Jahres in das Euthymia Haus einziehen werden. Es
geschah!!! Danke, selige Euthymia, für deine starke
Unterstützung.
Wir haben das Haus „Selige Euthymia Carmel Haus“
genannt. Die Gemeinschaft wird ihren Gemeinschaftstag am 09. September zelebrieren. Täglich werden sie
zur seligen Euthymia beten und ich bin mir sicher, ihre
Wunder werden nach Kaduha wirken.
on der Clemensschwestern hier fortzuführen? Meine
Darf ich die Gelegenheit nutzen, liebe Mother Char-
Schwestern haben nicht die Diskriminierungen und
lotte, um dir und deinen Rätinnen für die Einladung
Unannehmlichkeiten zu ertragen, die ihr ertragen
zu danken, diese herausfordernde Mission in Zuver-
musstet. Somit können sie in Frieden leben und ihre
sicht und Vertrauen zu übernehmen und die Missi-
große Aufgabe beginnen.
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Gott machte Prof. Bernhard und deine Rätinnen zu
Ich schreibe dir erneut, wenn ich wieder in Indien bin.
seinen Erfüllungsgehilfen, um die Teresian Carmelites
Ich hoffe, dir geht es bald besser. Wir beten für dich.
von der Mission zu überzeugen und sie ihnen anzuver-
„Greetings of love“ von meinen Schwestern, Joyce,
trauen. Wenn ich an diesen Weg Gottes denke, bin ich
Martha und Sneha an dich und alle Schwestern dei-
überfüllt von Emotionen. Ich würdige und danke Gott
ner Gemeinschaft.
und euch allen für euren guten Clemensbruder, Prof.
Bernhard Tenckhoff für all seine Ausdauer, Begeiste-
Herzliche Grüße deine Sr. Daphne.
rungsfähigkeit, Verbindlichkeit, Mut und Entschlossen-
Kaduha, 15.03.2011
heit, um diese Mission zu erfüllen. Seine Einfachheit
und Bescheidenheit, selbstlos im Hintergrund zu bleiben, ist ebenso eines seiner großen Werte. Gott hat
Der Festgottesdienst stand unter den Worten Jesu:
eure Gemeinschaft mit ihm gesegnet. Danke für das
„Geht in alle Welt...!“ Die Zusage Jesu: „Ich bin bei
Vertrauen in seine Hilfe. „Danke“ ist das einzige Wort,
euch alle Tage – bis an das Ende der Welt“ – so Dr.
das ich kenne, um meine Dankbarkeit zum Ausdruck
Reidegeld, ist die Kraft, aus der die Kirche, und in ihr
zu bringen. Ich wiederhole es und meine es so!
die Orden, in dieser Zeit, in der so viele Fragen und
Das Euthymia Haus ist nun belebt durch Teresian Car-
Sorgen im Vordergrund stehen, der eigentliche Halt,
melites, aber es ist eures. Du und deine Schwestern
die innerste Orientierung ist.
sind immer herzlich willkommen, mit uns im Haus zu
sein und die Schönheiten Ruandas zu erleben. Bitte
zögert nicht zu kommen. Unsere Schwestern brauchen weiter eure Unterstützung. Ich habe darüber mit
Prof. Bernhard gesprochen.
Seine Schlussworte waren:
We don´t forget Rwanda.
Pfarrer Dr. Jochen Reidegeld, Ordensreferent im Bistum Münster, feierte den Dankgottesdienst.
90
Schlussworte
Schlusswort des Autors
Mit großer Freude habe ich mich daran gemacht, im
Archiv der Clemensschwestern die umfangreichen
Dokumente zu sichten und für die Chronik aufzubereiten. Durch die Gespräche mit Zeitzeugen wurde
das Geschriebene für mich noch in einer besonderen Weise mit Leben erfüllt. Auch meine persönlichen
Erfahrungen durch meine Tätigkeit in Ruanda sind
neutral eingeflossen. Das vorliegende Werk erhebt
nicht den Anspruch auf Vollständigkeit. Es ist ein
Kinder auf dem Weg nach Kaduha
repräsentativer Überblick über die 38 Jahre des
segenreichen Wirkens der Clemensschwestern in Ru-
Sr. Mariata und den vielen Clemensschwestern, die
anda, ist es doch gleichsam ein Stück Geschichte der
durch ihre aktive Unterstützung und ihre Gebete mit
Ordensgemeinschaft. Möge die Schrift die Leser nicht
zum Gelingen beigetragen haben. Ohne diesen star-
nur über die Missionsarbeit der Clemensschwestern
ken Rückhalt wäre es mir nicht möglich gewesen, die
in Afrika informieren, sondern gleichsam motivieren,
Mission zum Abschluss zu führen. Ein ganz besonde-
die Menschen in der Region Kaduha auch weiterhin
rer Dank gilt der Generaloberin, Schwester Charlotte.
zu unterstützen.
Sie war es, die besonders in allen äußerst schwieri-
Seit meiner ersten Reise nach Kaduha in 2004 fühle
gen Situationen immer für mich ansprechbar war und
ich mich den Menschen in der Region in einer beson-
mir mit Rat und Tat zur Seite stand. In vielen langen
deren Weise verbunden. Diese Verbundenheit und die
Besprechungen, meist gemeinsam mit einigen Gene-
zu den Clemensschwestern waren und sind für mich
ralrätinnen, wurde das weitere Vorgehen abgestimmt:
eine innere Verpflichtung, mich für die Sicherung der
Eine für mich beispielhafte, auf tiefem gegenseitigem
Zukunft des Centre de Santé mit einzubringen. Solch
Vertrauen beruhende Teamarbeit.
eine Mission lässt sich nur mit einem starken Rückhalt
aus dem Mutterhaus realisieren. Ich danke daher der
Münster, im Februar 2012
Generaloberin, Schwester Charlotte, den Generalrätinnen Sr. Margret und Sr. Bernwarde, sowie
Bernhard Tenckhoff
91
Literaturhinweis
Literaturhinweis
• Maria Meik,
• Monika Pichol,
„Missionsstation an indische Ordensfrauen über-
„Engel für Afrika“
geben
www.engelfuerafrika.de
Schwester Maria Euthymia nun auch in Ruanda“
Westfälischen Nachrichten vom 03.06.2011
• Bernhard Tenckhoff,
„Ruanda: Das Centre de Santé Kaduha“
Praktische Arbeitsmedizin, April 2009
• Bernhard Tenckhoff,
• www.wikipedia „Ruanda“
• www.wikipedia „Genozid in Ruanda“
• Archivmaterial der Clemensschwestern Münster
• Leihgaben von Schwester Mariata
„Segensreicher Einsatz der Clemensschwestern in
Ruanda wird fortgeführt.“
• Schlusstext:
Praktische Arbeitsmedizin, Mai 2010
www.clemensschwestern.de
• Hanna Jansen,
„Über 1000 Hügel wandere ich mit dir“,
Thienemann Verlag
Fotos: Archiv der Clemensschwestern Münster,
• P. Otto Mayer W.V.,
Ruanda: „Tagebuch des Grauens“
• Johannes Röser,
„Frauensache ist Männersache“
Christ in der Gegenwart, 64. Jahrgang, Heft 6
92
Schwester Mariata und Bernhard Tenckhoff
Kurzbiographie
Kurzbiographie
Bernhard Tenckhoff
Bernhard Tenckhoff war seit Anfang 2003 in Ruanda
regelmäßig bis zu sechsmal im Jahr tätig. Er lehrte
von 2003 bis 2010 als Professor an der technischen
Hochschule „Kigali Institute of Science and Technology“ und war dort in der Ausbildung des akademischen
Personals und beim Aufbau des neu eingeführten
Fachgebietes „Ingenieurmanagementsysteme“ (Qualität, Umwelt, Sicherheit, Gesundheit) tätig.
Von 2003 an baute er in dem nationalen Energieversorgungsunternehmen „Elektrogaz“ heute „WEGASA“
ein Qualitäts- und Sicherheitsmanagement auf.
Im Arbeitsministerium wurde mit seiner Hilfe eine nationale Aufsichtsbehörde für Arbeitssicherheits- und Gesundheitsschutzmanagement eingerichtet. Die neuen
Aufsichtsbeamten wurden theoretisch und praktisch
auf die neue Aufgabe vorbereitet.
In seiner Freizeit engagierte er sich in Ruanda in ver-
er als Mittler zum Mutterhaus in Münster. 2008 erteil-
schiedenen Projekten der Diözese Münster und von
te ihm die Generaloberin der Clemensschwestern die
Interplast Germany. So lernte er 2004 das „Centre de
Vollmacht, nach einer katholischen Ordensgemein-
Santé“ in Kaduha kennen. Fortan war er regelmäßig
schaft zu suchen und die Übergabe des Centre de
an Wochenenden dort und unterstützte das Centrum
Santé an die Gemeinschaft einzuleiten.
vorwiegend in technischen Fragen. Ebenso fungierte
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don´t forget
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