Hauskauf als Sparmassnahme

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Hauskauf als Sparmassnahme
8 WIRTSCHAFT
NORDWESTSCHWEIZ
MONTAG, 21. MÄRZ 2016
Hauskauf als Sparmassnahme
NACHRICHTEN
Immobilien Entlastung des Budgets durch tiefe Hypozinsen verführt zum Eigenheimkauf
Roger Agnelli stirbt
bei Flugzeugabsturz
EIGENTUMSQUOTEN 2013
CHF Festhypothek 5 Jahre
CHF Festhypothek 10 Jahre
CHF 3-Monats-Libor-Hypothek
CHF 3-Monats-Libor-Zinsen
95,6%
Rumänien
Slowakei
4,0%
90,5%
Kroatien
88,5%
Polen
3,0%
83,8%
Leland
81,2%
Tschechische Rep.
80,1%
Slowenien
2,0%
76,6%
Portugal
74,2%
Italien
73%
Irland
69,6%
Niederlande
1,0%
Eric Olsen sieht viel
Potenzial in Indien
64,3%
Österreich
57,3%
-1,0%
2009
37,5%
LEBEN SIE ZUR MIETE ODER IM EIGENHEIM?
Eigenheim
41,7%
37,5%
34,6%
31,3%
30,1%
28,5%
Miete
58,3%
62,5%
65,4%
68,7%
69,9%
71,5%
2010
2011
2012
2013
FIXE- ODER VARIABLE HYPOTHEKEN
Fest
Libor
81%
9000 – 12 000
über 15 000
81%
72%
64%
VON TOMMASO MANZIN
Bodenständigkeit und Solidität der
Schweizer sind sprichwörtlich, auch
und gerade in Finanzangelegenheiten.
Weniger bekannt ist, dass ihre Privatverschuldung wegen der Hypotheken
eine der höchsten weltweit ist. Der Anteil der Eigenheimbesitzer ist zwar kleiner als im Ausland, aber gekauft wird
zu einem grösseren Teil durch Kredit
statt Erspartes. Das Vermögen pro
Haushalt übertrifft die Schulden immerhin klar. Doch diese Netto-Betrachtung kann in die Irre führen. Nicht alle
Vermögenswerte sind nämlich gleich liquide, also in flüssige Mittel wandelbar,
sollten diese einmal benötigt werden.
Das gilt gerade auch für Immobilien,
den grössten Aktivposten der Bevölkerung. Wer Wohneigentum nicht unter
dem Kaufpreis verscherbeln will,
braucht Zeit, um einen Käufer zu finden – besonders in Zeiten, in denen viele gleichzeitig verkaufen müssen. Umso
mehr rächt es sich dann, wenn die Immobilie zu Zeiten erstanden wurde, in
denen die Preise hoch waren und der
Markt an der Grenze zur Überhitzung.
Just an diesem Punkt steht der
Schweizer Markt seit Jahren, getrieben
von tiefen Hypothekarzinsen und hoher Zuwanderung. Die Notenbank
warnt notorisch vor Preiskorrekturen
im Fall steigender Zinsen. Durch die
Umsetzung der Einwanderungsinitiative könnte auch die zweite Stütze des
Markts in Wanken geraten. Doch trotz
stolzer Preise haben auch jetzt noch
viele Haushalte die Absicht, Wohneigentum zu erwerben.
Letzter Platz in Europa
Es dürfte einer der seltenen Bereiche
sein, in dem die Schweiz die rote Laterne hält: Trotz höchstem Wohlstand hat
sie die geringste Quote von Wohneigentümern Europas (vgl. Grafik). In der
eidgenössischen Strukturerhebung von
2013 betrug die Quote 37,5 Prozent. In
Osteuropa sind 80 Prozent oder mehr
üblich. Auch unsere Nachbarn sind
fleissigere Häuslebauer: In Deutschland
wohnen 53, in Österreich 57, in Frankreich 64 und in Italien 73 Prozent der
Haushalte in den eigenen vier Wänden.
Die hiesige Wohneigentumsquote
liegt bereits 10 Prozentpunkte höher als
in den 1970er-Jahren. Die Schweiz ist
damit immer noch ein Land von Mietern, doch Wohneigentum wird populärer, zeigt eine Umfrage des Marktforschers GfK im Auftrag des Immobilienberaters Money Park. Demgemäss ist
die Eigentumsquote seit 2013 nochmals
gestiegen: In der Deutschschweiz betrug
sie Ende 2015 über 40 Prozent. Und der
Trend vom Mieter zum Hausherrn dürfe
anhalten: Über 30 Prozent der Deutschschweizer haben vor, in den nächsten
10 Jahren ein Eigenheim zu kaufen, 11
Prozent sind sich ganz sicher.
Koste es, was es wolle
Bei Haushalten mit Einkommen von
mindestens 15 000 Franken pro Monat
Der Konzernchef des fusionierten Zementkonzerns Lafarge Holcim, Eric Olsen, sieht grosses Wachstumspotenzial auf dem indischen Markt. In einem
Interview mit der «Schweiz am Sonntag» sagte der Manager, dass mit einem Pro-Kopf-Verbrauch an Zement
von erst 200 bis 225 Tonnen je Jahr
noch viel Luft nach oben sei. Grosse
Investitionen in die Infrastruktur sind in
Indien noch nicht getätigt worden. Daher sieht er für seine Branche zahlreiche Geschäftsmöglichkeiten. (SDA)
2016
BELEHNUNG NACH EINKOMMEN IN CHF
10%
4500 – 7000
65,4%
9% 10%
7000 – 9000
68,3%
9% 10%
9000 – 12 000
76,6%
90%
12 000 – 15 000
2015
Libor & Fest
4500 – 7000
7000 – 9000
2014
17%
14%
11%
71%
12 000 – 15 000
22%
71,7%
über 15 000
QUELLE: EUROSTAT/STATISTA, BUNDESAMT FÜR STATISTIK (BFS)
PUBLIREPORTAGE
LAFARGE HOLCIM
0,0%
67,4%
Frankreich
Schweiz
Beim Absturz eines Privatflugzeugs ist
der ABB-Verwaltungsrat Roger Agnelli
und dessen Familie ums Leben gekommen. Der ABB-Konzern bestätigt
diese Angaben. Der Konzernchef von
ABB, Ulrich Spiesshofer, sagte gegenüber sda: «Es ist eine furchtbare Tragödie, die mich sehr erschüttert. Mit
Roger haben ABB, aber auch ich persönlich einen langjährigen Mentor
und Freund verloren. Meine Gedanken sind bei den Familien.» In der
Nacht ist nach Angaben der brasilianischen Notfalldienste bekannt geworden, dass sich das Unglück im Norden von São Paulo ereignet hatte. (SDA)
HYPO-ZINS-ENTWICKLUNG SEIT 2009
Die Eigentumsquote ist definiert als Anteil Haushalte, die in der
eigenen Wohnung oder dem eigenen Haus wohnen.
2015
2013
2000
1990
1980
1970
ABB-VERWALTUNGSRAT
GRAFIK: NCH/MTA
liegt die Quote der Kaufentschlossenen
bei über 20 Prozent, fast 30 Prozent
möchten «eher» kaufen. Insgesamt fast
50 Prozent. Wer es sich leisten kann,
den zieht es ins Eigenheim.
Nur wer es sich leisten kann? Auf den
ersten Blick, ja. Bei den Befragten mit
Einkommen bis 4500 Franken haben
«nur» 16 Prozent die Absicht, bis 2026
ein Eigenheim zu erstehen, «nur»
4 Prozent sind sich ihrer Absicht sicher.
Man könnte aber überrascht sein,
dass überhaupt jemand mit einem Einkommen von unter 4500 Franken pro
Monat daran denkt, eine Hypothek aufzunehmen. Wichtig: In der Studie wird
pro Haushalt gerechnet - d.h. inklusive
Doppelverdiener. Nimmt man die Einkommensschicht von 4500 bis 7000
Franken dazu, steigt der Anteil der fest
entschlossenen Haushalte zudem von
4 auf 10,4 Prozent.
Vom Mieter zum Hausherrn
Das zeigt, wie unwiderstehlich die tiefen Zinsen nur schon deshalb sind, weil
die Miete teurer ist als Hypothekarzins
und Teil-Amortisation. Dass die BetonGoldgräberstimmung selbst tiefste Einkommensschichten erfasst, erstaunt
nicht – man spart, wo man kann. Unterhaltskosten und die Belastung höherer
Zinsen geraten dabei aus dem Fokus.
Dies könnte sie die kurzfristige Budgetoptimierung durch Immobilienkauf teuer zu stehen kommen, wenn die makroökonomischen Bedingungen eine andere Kostenwahrheit offenlegen.
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SCHWEIZER SIND MIETER
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Gründe für wenig
Eigentum
■
Je höher die Mobilität, desto tiefer
die Eigentumsquote. Ein Grund ist der
liberale Arbeitsmarkt (man zieht wegen dem Jobwechsel eher um).
■ Die Schweiz ist stark verstädtert.
Zählt man nur die verfügbare Baufläche (ohne alpine Regionen, Wälder,
usw.), hat sie die dichteste Besiedelung in Europa. Die Miete ist aber
vor allem in ländlichen Gebieten im
Verhältnis zum Kauf teurer.
■ Der Mieterschutz ist weniger ausgeprägt als in anderen Ländern. Darum wird hierzulande mehr in Mietwohnungen investiert. Und deshalb weisen Schweizer Mietwohnungen einen
im Vergleich zum Ausland höheren
Standard auf.
■ Hoher Ausländeranteil: Ausländer
sind sehr mobil und investieren eher
in ein Eigenheim in ihrer Heimat, wohin sie nach dem Erwerbsleben oft
zurückkehren.
■ Späte Einführung des Stockwerkeigentums: Bis 1965 war es nur
möglich, Einfamilienhäuser zu erwerben, nicht aber Eigentumswohnungen.
■ Wohneigentum wird in der Schweiz
weniger gefördert als in anderen Ländern. Die Regelungen (z. B. max. 80
Prozent Belehnung) erschweren den
Kauf eines Eigenheims.
✒ Aufgeschnappt
✒ Abzocken geht
weiter
Nicht nur mit der Umsetzung der 2014 angenommenen Einwanderungsinitiative tut sich
der Bundesrat schwer,
noch mehr mit der ein
Jahr älteren Abzockerinitiative von
Thomas Minder. Gemäss «SonntagsZeitung» umgehen mehrere Konzerne
darin verbotene Entschädigungen an
Organmitglieder, weil kein griffiges Gesetz den Volkswillen umsetze. Besonders kritisiert werden Millionenzahlungen an Zürich-Ex-Chef Martin Senn,
Kuoni-Ex-Chef Peter Meier und Holcim-Ex-Chef Bernard Fontana. (TM)
✒ Unter 4000 Fr. monatlich
Viele Berufsabgänger erwartet die finanzielle Misere, wie Auszüge aus dem
vom Kanton Zürich herausgegebenen
«Lohnbuch 2016» in der «SonntagsZeitung» zeigen: In Rund 40 Berufen liegt
der Mindestlohn unter 4000 Franken
im Monat. 400 000 Arbeitnehmer sind
betroffen. Am wenigsten verdient eine
Absolventin Haushaltslehre Landwirtschaft mit 2311 Franken. Aber auch Filialleiter einer Bäckerei leben mit 3995
Franken nicht in Saus und Braus. (TM)

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