Santiago de Chile

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Santiago de Chile
Erfahrungbericht
1. Allgemeine Information
Studienfach
Praktikumsanlass
Heimatuniversität
Gastorganisation
Praktikumszeitraum
Humanmedizin
Praktisches Jahr, Chirurgie
Ludwig-Maximilians-Universität München
Clínica Alemana (Universidad del Desarrollo)
Av. Vitacura 5951 - Vitacura - Santiago de Chile
Tel: 0056-2101111 - Fax: 0056-2101214
www.alemana.cl; www.udd.cl
12/2010 bis 02/2011
2. Praktikumssuche
Die Idee den chirurgischen Pflichtteil des Praktischen Jahres, das man am Ende
des Medizinstudiums absolviert, in Chile zu verbringen, gründete darauf, dass
ich – fasziniert von diesem Land durch frühere Aufenthalte dort – intensiver in
das Alltagsleben der Chilenen eintauchen wollte, indem ich einem geregeltem
Praktikumsalltag nachgehe. So stellte ich bei den hierfür wichtigen
Universitätsämtern und Internetportalen für Medizinstudenten Recherchen an,
um die in Frage kommenden Universitäten in Chile bzw. in der Hauptstadt
Santiago mit den assoziierten Lehrkrankenhäusern ausfindig zu machen. Hierzu
erkundigte ich mich zunächst bei der einschlägigen Internetseite www.pjranking.de, um dann noch die Maßgaben des Prüfungsamtes Medizin der LMU)
hinsichtlich des Anerkennungsprozedere einzusehen. Hiervon darf man sich
nicht abschrecken lassen, vor allem wenn das Krankenhaus, so wie in meinem
Fall die Clínica Alemana, nicht im aktuellen PJ-Katalog, der als inoffizielle
Bemessungsgrundlage für die Gültigkeit der Auslandspraktika fungiert,
aufgeführt wird. Es lohnt sich dies bei der Wahl der Praktikumsinstitution vorab
zu berücksichtigen (www.unimuenchen.de/studium/administratives/pruefungsaemter/07_med/dateien/pj_
krankenhauser.pdf)
Neben der Universidad del Desarrollo bietet sich die Möglichkeit das PJ an der
Pontificia Universidad Católica de Chile und der Universidad de Chile zu
absolvieren. Letztere werden im PJ-Katalog berücksichtigt, sodass die spätere
Anerkennung des Praktikums beim medizinischen Prüfungsamt problemlos von
Statten gehen sollte! Letztendlich entschloss ich mich aber trotz der fehlenden
Auflistung im PJ-Katalog für ein Praktikum an der Clínica Alemana, da es sich
nicht zuletzt um eine der führenden Kliniken des Landes handelt und die LMU
über Prof. Noachtar aus der Neurologie am Klinikum Großhadern ein
fachunspezifisches Kooperationsvertrag mit diesem Krankenhaus unterhält,
wodurch die späterer Anerkennung evtl. erleichtert werden könnte.
Meine Bewerbung umfasste einen aktuellen Lebenslauf, ein Motivations- und
Empfehlungsschreiben. Alle Unterlagen habe ich in spanischer Sprache
eingereicht. Hierbei lief die Korrespondenz über Señora Priscila Salazar, die sich
besonders um die Belange der ausländischen Studenten und Fellows kümmert
und gemeinsam mit den jeweiligen Kliniken die Rotationspläne erstellt. Bis alle
Praktikumsmodalitäten geklärt sind, kann das durchaus 5-6 Monate
unaufhörlichen Nachfragens bedeuten. Es lohnt sich daher auf alle Fälle sich
frühzeitig (> 6 Monate Vorlaufzeit) um das Praktikum zu kümmern.
3. Vorbereitung vor Abreise
Die für das Stipendium geforderten Versicherungen hatte ich über den
Marburger Bund sowie über die Allianz abgeschlossen. Hierbei ist es sinnvoll im
Vorhinein entsprechende Angebote speziell für medizinische Berufe zu prüfen.
Da mein Praktikum kürzer als 3 Monate dauerte und unvergütet war, hielt ich
mich in Chile mit einem für EU-Staaten kostenfreien Touristenvisum auf,
dessen Gültigkeit maximal 90 Tage beträgt. Das Visum wird bei Einreise
problemlos ausgestellt, sofern man einen Reisepass vorweist, der länger als 6
Monate nach Einreise gültig ist. Allerdings kann man sich das Touristenvisum
gegen eine Gebühr von ca. 100 USD einmalig verlängern lassen (Departamento
de Extranjería in C/Agustinas 1235, Tel. 0056-2-5502469, Santiago). Die
inoffizielle, aber häufig praktizierte, Methode den Aufenthalt in Chile zu
verlängern, scheint durch eine Ausreise ins benachbarte Argentinien möglich,
wobei man sich ein neues Touristenvisum bei Einreise nach 24h ausstellen
lassen kann. Wichtig zu beachten ist, dass man die Tarjeta de Turismo bei
Ausreise bei der Policia Nacional wieder zurückgeben muss. Mehr
Informationen unter: www.santiago.diplo.de
Für genaue Informationen zu empfohlenen Impfungen und aktuellen
Reisehinweisen zu Chile eignet sich die Internetseite des Auswärtigen Amtes:
www.auswaertiges-amt.de
Angereist bin ich mit einem für Junge Leute bzw. Stundeten vergünstigtem
Flugtarif, gebucht bei STA-Travel, wofür man den ISIC Student Card braucht
oder jünger als 26 Jahre sein sollte. Dennoch kostet ein Hin- und Rückflugticket
nach Chile in etwa 1000 Euro aufwärts. Die meisten Verbindungen haben einen
Stopp-over in Madrid, São Paulo oder, die billigste, aber zeitaufwändigste
Variante, in Atlanta. Von Deutschland aus fliegt Lufthansa nur von Frankfurt
direkt nach Santiago de Chile. Nach Ankunft am Flughafen kann man entweder
per öffentlichen Bus, z.B. der Gesellschaft TurBus, direkt ins Zentrum an einige
Haltestellen der Metrolinie L1 gelangen oder, falls man es etwas komfortabler
und weniger zeitaufwändig haben möchte, kann man in einem
stadteilspezifischen minibus der Gesellschaft TransVip Platz nehmen. Diese
gepflegten colectivos fahren ca. alle 15 Minuten und setzen einen direkt vor der
Haustüre ab. Kostenfaktor ca. 9 Euro pro Fahrt.
Da die Chilenen ein durchaus schwer verständliches Spanisch sprechen, dass
nur so von Eigenheiten, lokalen Redensarten (modismos) und unsauberer
Aussprache strotzt, ist es sicherlich von Vorteil, wenn man einen guten
Grundstock an Spanischkenntnissen mitbringt. In meinem Fall habe ich vor
Abreise keinen Spanischkurs besucht, da ich meine Kenntnisse nach einem
Auslandssemester in Spanien und dem Besuch des MeCuM-Wahlfachs Spanisch
für Mediziner (das durch die Unterrichtsweise der damals zuständigen Lehrerin
Señora Maria Rojas Riether sehr kurzweilig war) für ausreichend hielt. Wer sich
darüber hinaus auf den medizinischen Fachjargon vorbereiten möchte, dem
seien etwaige Bücher Spanisch für Mediziner und die Manuals zu verschiedenen
Themengebieten der Internetseite der Medizinischen Fakultät der Universidad
Católica empfohlen (http://escuela.med.puc.cl/).
4. Vorbereitungen nach Ankunft
Über die Wohnungssuche kann ich leider kaum etwas berichten, da ich das
Glück hatte privat bei chilenischen Freunden unterzukommen und mich daher
nicht weiter darum kümmern musste. Möglicherweise kann es etwas schwierig
werden eine passende WG in Chile zu finden, da die meisten Chilenen erst sehr
spät das Elternhaus verlassen. Falls sie doch frühzeitig daheim ausziehen
sollten z.B. aufgrund eines Studienplatzes in einer anderen Stadt (den größten
Teil der jungen Leute zieht es aus allen Ecken des Landes - falls es sich die
Familien finanziell leisten können - nach Santiago), ist es üblich mit den
Sandkastenfreunden zusammenziehen oder bei Verwandten oder
befreundeten Familien unterzukommen. Generell lässt sich sagen, dass man
versuchen sollte in den Stadtteilen Providencia (relativ zentral gelegen, sicheres
Umfeld, gute Einkaufs- und Ausgehmöglichkeiten), Vitacura, Las Condes oder
Ñuñoa zu wohnen. Hierbei muss man mit monatlichen Mietpreisen zwischen
200-400 Euro rechnen. Diese Webseiten könnten bei der Unterkunftssuche
nützlich sein: www.housinginchile.cl, www.compartodepto.cl
Die Landeswährung sind chilenische Pesos. Eine gute Möglichkeit gebührenfrei
an Bargeld zu gelangen ist eine Kreditkarte der Direktbank DKB, mit der man
weltweit kostenlos Bargeld abheben kann, was das Leben sehr erleichtert. Falls
man ein chilenisches Bankkonto einrichten möchte, braucht man zuvor eine
persönliche Identifikationsnummer, ohne die in Chile sowieso nicht viel
funktioniert. Egal, ob Bankgeschäfte, Handyverträge, das telefonische Aufladen
der Handyprepaidkarte, Online-Erwerb von Bus- oder Flugtickets bei kleineren,
nationalen Transportgesellschaften, immer und überall ist eine R.U.T. (Rol
Único Tributario) von Nöten. Diese kann man sich bei der für den jeweiligen
Stadtteil zuständigen Verwaltungsstelle (SII - Servicio Impuestos Internos)
vormittags ausstellen lassen. Ich hatte keine R.U.T beantragt, obwohl ich im
Nachhinein überzeugt davon bin, dass mir dadurch einiges leichter gefallen
wäre. Der mit der Registrierung verbundene Aufwand zahlt sich sicherlich
später aus.
Möglichst bald nach Ankunft sollte man sich eine chilenische Handynummer
zulegen. Hierbei kann muss man sich zwischen einem Handyvertrag mit
Laufzeit (plan) oder einer Prepaidkarte (chip prepago) entscheiden. Außerdem
kann man zwischen vier großen Mobilfunkanbietern wählen: Entel, Claro,
Movistar, Telefónica. Entel scheint der Provider mit der besten landesweiten
Netzabdeckung zu sein. Viele Chilenen sind Entel-Kunden, woraufhin ich mir
auch eine Prepaidkarte von Entel besorgte. Diese gibt es nicht - wie man
meinen könnte - in den zahlreichen Handyläden, die sich an der Av. Providencia
und Av. 11 de Septiembre reihen, oder in Supermärkten und Kiosken, sondern
in sogenannten modulos de venta. Hierbei handelt es sich um kleine
Verkaufsstände in mitten der Einkaufspassagen der großen Malls Parque
Arauco oder Alto Las Condes. Ich kaufte meine Karte schließlich für ca. 5 Euro
bei GSM in der Mall Parque Arauco und benützte mein deutsches Handy, das
die Karte sogar trotz SIM-Lock akzeptierte. Die Freischaltung und Zuteilung der
Telefonnummer per Telefonanruf mit Eingabe von Tastenbefeldern ist nicht
ganz einfach, aber dafür kann man das Guthaben überall aufladen (z.B. in allen
farmacias, von denen es mehr als genug gibt), nur eben nicht in
Telefongeschäften und nicht per Telefonanruf, solange man keine R.U.T.
besitzen sollte..
Santiago zeichnet sich durch ein sehr gutes und effizientes öffentliches
Transportsystem aus, das aus Metro (www.metrosantiago.cl) und dem
Transantiago Busnetz (www.transantiagoinforma.cl) besteht. Für beide kann
man die Tarjeta Multivía BIP! benutzen, die es an den ausgewiesenen
Verkaufsstellen in den Metrostationen zu kaufen gibt und dort wie auch an
Automaten aufgeladen werden kann. Die Anschaffung kostet einmalig etwa 3
Euro und man muss ein Mindestguthaben von rund 2 Euro beim Erwerb
aufladen. Fahrten kosten dann, egal wie viele Stationen sie umfassen, je nach
Tageszeit zwischen 70 ct und 90 ct. Das Busnetz kann man übrigens
ausschließlich mit dieser Karte benutzen!
Das Streckennetz des Transantiago kann anfangs für einige Verwirrung sorgen,
aber sobald man einmal den täglichen Weg zur Praktikumsstelle
herausgefunden hat, funktioniert es hervorragend und zuverlässig. Der an den
Metrostationen kostenlos erhältliche „Übersichtsplan“ für ganz Santiago ist
sehr ausladend und eignet sich daher leider nicht zur Mitnahme. Außerdem
sind Busfahrpläne an den Haltestellen Mangelware; es empfiehlt sich daher
vorab den genauen Weg auf der Internetseite auszutüfteln.
5. Das Praktikum
Mein Praktikum absolvierte ich teils in der privaten Clínica Alemana wie auch in
dem öffentlichen Lehrkrankenhaus Hospital Padre Hurtado. Generell kann man
sagen, dass es sich bei Clínicas immer um private Gesundheitseinrichtungen
handelt und bei Hospitales um öffentlich- getragene Krankenhäuser.
Dementsprechend unterschiedlich können daher die technischen,
medizinischen Ausstattungs- und Therapiestandards der Häuser, das
Patientenspektrum und die Pathologien sein. Wohingegen beide Häuser als
Lehrkrankenhäuser der Universidad del Desarrollo dienen und die Patienten,
hinsichtlich der medizinischen Expertise, gleichgestellt sind, da die Ärzte der
Clínica Alemana ebenfalls in öffentlichen Häusern operieren. So habe ich,
sowohl während meiner Tätigkeit im Bereich Unfallchirurgie, wie auch in der
Viszeralchirurgie, die jeweiligen Ärzteteams zu Operationen in die öffentlichen
Häuser begleiten dürfen. Für mich war dieser Unterschied sehr lehrreich und
hat mich nachhaltig beeindruckt. Vor allem auch die Einblicke in das öffentliche
Gesundheitssystem, welches bemüht ist durch eine allgemeine
Versicherungspflicht im Rahmen des Fondo Nacional de Salud (FONASA) eine
Gleichberechtigung im Zugriff auf Gesundheitsleistungen mit unterschiedlich
gutem Erfolg zu erwirken, waren spannend.
Das Arbeitsklima in der Klinik war sehr angenehm und kollegialer als in
deutschen Krankenhäusern. Andererseits muss man klar sagen, dass die Clíncia
Alemana als Arbeitgeber sicherlich der Himmel auf Erden für einen chilenischen
Arzt ist, da die Arbeitsbedingungen vergleichsweise hervorragend sind.
Dementsprechend gut, aber eben auch konzentriert ist die Arbeitsatmosphäre,
da man als Privatklinik natürlich gewisse Standards zu erfüllen und zu halten
hat. Aufgefallen ist mir vor allem das freundschaftliche und kooperative
Verhältnis zwischen und auch innerhalb der verschiedenen Berufsgruppen. So
bekommt man von der OP-Schwester keine Tatze mit den
Operationsinstrumenten verpasst, wenn man in ihr Hoheitsgebiet, den
Instrumententisch eindringt, um einen benötigten Gegenstand zu greifen. Im
Gegenteil, die Schwestern nehmen sich, so auch die Ärzte, Zeit einem etwas
beizubringen. So übte ich mit der OP-Schwester täglich das Vokabular der
chirurgischen Instrumente, sie brachte mir Naht- und Knüpftechniken bei und
der Anästhesist zeigte mir mitunter während der Op seine neusten
Forschungsergebnisse auf dem Laptop. Die Chilenen sind, auch wenn es die
oftmals grobe Ausdrucksweise (sogar einige Oberärzte sprachen sich während
der Operationen mit einem freundschaftlichen, chilenisch-derben „oye
huevón“ an) nicht vermuten lassen würde, sehr höfliche, äußerst
zuvorkommende und stets interessierte Menschen. Montags wurde ich
prinzipiell bei einer ausgiebigen Kaffeepause nach meinen
Wochenendaktivitäten befragt („oye doctora, te han tratado bien?“, ob man
mich denn auch gut behandelt hätte?), ich wurde auf den Betriebsausflug am
Jahresende eingeladen, obwohl ich zu dem Zeitpunkt noch keine 2 Wochen auf
Station war, prinzipiell wurde mir als Frau immer die Türe aufgehalten und ich
durfte, obwohl die jüngste, aber oftmals einzige Frau im Team, den Raum oder
Aufzug immer als erste betreten und wenn man außerhalb im öffentlichen
Krankenhaus eingeteilt war, dann wurde man direkt nach Hause chauffiert, weil
einem keiner zumuten wollte in den schlechten Stadtvierteln die öffentlichen
Verkehrsmittel zu benutzen. Wenn man dies mit dem Umgang in
Krankenhäusern hierzulande vergleicht, ist das doch sehr ungewöhnlich.
Ein Arzt gab mir ständig neue Tipps zur Gestaltung meines Freizeitprogramms
und machte mich täglich auf die tollsten Neuheiten hinsichtlich aktueller
Kunstausstellungen, Konzerte chilenischer Künstler, Theater und Filmfestivals
aufmerksam (s. u.). Die Mehrheit der chilenischen Ärzte stammt aus eher
wohlhabenden Familien, da das Studium an den Universitäten sehr teuer ist
und es nur wenige Stipendiumsmöglichkeiten gibt. Daher haben auch viele
bereits eine sehr gute Schulbildung genossen oder haben während der
Facharztausbildung die Möglichkeit gehabt einige Zeit in den USA oder aufgrund der Verbundenheit zu Deutschland durch die zahlreichen
deutschstämmigen Einwanderer im späten 19.Jahrhundert- in Deutschland zu
verbringen und beherrschen daher meistens eine Fremdsprache sehr gut. So
passierte es, dass ich von wildfremden Ärzten auf Deutsch angesprochen
wurde und sich sofort ein nettes Gespräch entwickelte. Ich habe von meinem
internado (Praktikum im Praktisches Jahr) dort sehr viel profitieren können,
obwohl es natürlich aufgrund des chilenischen Sommers, bzw. der Ferienzeit
ruhiger in der Stadt zugeht und dementsprechend auch die Zahl der (elektiven)
Operationen zurückgeht und ich wenn, einmal keine Operation anstand, in der
Notaufnahme oder in anderen Funktionsbereichen vorbeigesehen habe. Ich
war ziemlich frei in der Gestaltung meines Praktikums und durfte mir je nach
Auslastung den Themenbereich aussuchen, der mich interessierte. Im Grunde
fanden von morgens 8:00 bis abends um 20:00 planmäßig Operationen statt, so
wie samstags von 8:00 bis 14:00, da die Klinik als private Anstalt besonders auf
die OP-Auslastung und deren Rentabilität angewiesen ist. Für mich war das
natürlich praktisch, da es zur jeder Tageszeit genug zu sehen gab. Außerdem
war ich froh, dass ich nicht –wie es oftmals in deutschen Krankenhäusern Usus
ist – den halben Tag mit Blutentnahmen beschäftigt war, da dies dort nicht in
den Aufgabebereich der Studenten fällt.
6. Kultur und Gesellschaft
Obwohl die meisten santiaguinos im Januar/Februar der Hauptstadt den
Rücken zukehren, um das schöne Wetter an den zahlreichen Stränden des
Landes und den Seenlandschaften im Südens zu verbringen und die Stadt nach
dem vorweihnachtlichem, chaotischen Trubel damit wie ausgestorben wirkt,
gibt es tolle kulturelle Events für die „Daheimgebliebenen“. Um nur einige zu
nennen: Santiago a Mil (Theater-Festival), Festival Cine Bajo Las Estrellas (KinoOpenair), Internationales Jazzfestival im Stadtteil Providencia…
Auch das Festival de Viña in Viña del Mar zeigt jedes Jahr Konzerte
hochkarätiger, teils international bekannter, Stars. Ein weiterer positiver Aspekt
war die verbesserte Sauberkeit der Stadtluft Santiagos während dieser Zeit. Der
Smog war nur noch an wenigen Tagen sichtbar und die majestätische Cordillera
de los Andes ragte hinter den höher gelegenen Stadtteilen empor. Santiago ist
durchaus bemüht um eine höhere Lebensqualitätfür die Bürger, so gibt es in
den besseren Stadtteilen nun Fahrradwege und neu- angelegte
Joggingparcours, sowie an Sonntagen für den Autoverkehr gesperrte Straßen,
auf denen sich dann ganze Großfamilien auf Fahrrädern tummeln. Trotz allen
Fortschritts kann ich nicht empfehlen in Santiago Fahrrad zu fahren, da die
Autofahrer und Busfahrer noch nicht an Fahrradfahrer gewöhnt sind. Die
meisten Chilenen benützen daher die Gehsteige um mit dem Fahrrad
voranzukommen, was allerdings auch nicht ungefährlich ist…
In der Freizeit, wovon viele santiaguinos entgegen meiner anfänglichen
Vermutung, gar nicht so viel haben (dem Anschein nach wird später als in
Deutschland Feierabend gemacht), wird gerne ausgiebig gegrillt und so wird
man durch die chilenische Gastfreundschaft schnell Teil eines deftigen asados.
Außerdem sind die jungen Chilenen begnadete Nachtschwärmer und feiern am
Wochenende gerne bis in die frühen Morgenstunden. Die Katerstimmung, zu
der auch das Nationalgetränk pisco, ein Traubendestillat, in allen Variationen
seinen Teil beiträgt, des nächsten Tages lässt es dann nur bedingt zu, dass auch
einmal Tagesausflüge oder sportliche Aktivitäten unternommen werden. Dies
passiert dann, auch aufgrund der Sommerhitze erst zu späterer Stunde am
Nachmittag. Auch sind die Chilenen Meister im aufspüren von Preisnachlässen
besonders was Speis und Trank betrifft. Zwar würde man nie in einem Geschäft
anfangen zu feilschen, dennoch wird gerne mit promociones geworben.
Meistens handelt es sich hierbei um Preisaktionen „2x1“, womit man
manchmal den ganzen Abend von einem Happy-Hour (typischer Weise Pisco
Sour) zur nächsten gerät und dabei auch immer noch Tagessnacks angeboten
bekommt. Am besten man verlangt gar nicht erst die Speise- und
Getränkekarte, sondern erkundigt sich gleich nach der aktuellen promo. Für
kulinarische und nächtliche Streifzüge empfehlen sich folgende Viertel:
Barrio Bellavista, Barrio Bellas Artes (C/ Lastarria), Barrio Brasil, Av. Providencia
zwischen den Metrostationen Manuel Montt und Tobalada). Wer es etwas
luxuriöser mag, der sollte sich die Restaurants und Bars von Av. El Bosque
Norte, Av. Vitacura und Av. Alonso Córdova ansehen. Das Zentrum, v.a. die
Gegend um die Plaza de Armas und den Mercado Central sollte man nachts
unbedingt meiden! Auch tagsüber sind hier und in der Metro die meisten
Taschendiebe unterwegs. Gut zu wissen ist auch, dass die Metro nur bis 23 Uhr
fährt!
Um politisch, gesellschaftlich und kulturell stets auf der Höhe der Zeit zu sein,
kann man sich über die neusten Trends und Events in der Hauptstadt auf
www.emol.cl informieren. Dies ist das Onlineportal der größten chilenischen
Tageszeitung El Mercurio und bietet einen guten Überblick. Santiago ist
sicherlich keine wunderschöne Stadt, da sie sich aufgrund der
wiederkehrenden Zerstörungen durch Erdbeben immer wieder aus den
Trümmern befreien musste, aber spätestens wenn man in der
Abenddämmerung an einem klaren Tag auf dem Cerro San Cristóbal sitzt und
die Stadt in Richtung des Andenmassivs überblickt, freut man sich dort zu sein
und möchte bleiben. Für die ersten Tage nach Ankunft empfiehlt sich ein
Besuch im Tourismusbüro Sernatur in der Av. Providencia 1550 und eine
kostenlose spanische oder englische Stadttour geführt durch junge Chilenen
mit http://freetoursantiago.cl .
7. Fazit
Chile ist ein Land voller Gegensätze, sowohl landschaftlich als auch
gesellschaftlich hinsichtlich finanzieller und politischer Gesichtspunkte. Es ist
unglaublich spannend in diese Welt näher einzutauchen und es wird einem
bald sehr leicht gemacht, die Chilenen schnell liebzugewinnen! Da die Chilenen
großen Stolz und Bewunderung für ihr Land empfinden, freuen sie sich über
jeden Besucher, der Interesse daran zeigt. Nie werden sie müde von ihrer
Heimat zu berichten und – nun ja, zu schwärmen, sodass diese Begeisterung
letztendlich hochgradig ansteckend ist J. Das Praktikum war eine unglaublich
interessante, anregende und lehrreiche Erfahrung für mich und ich kann es nur
wärmstens weiterempfehlen, wobei man klar sagen muss, dass man dem
„wahren“ Chile wohl eher im öffentlichen Krankenhaus begegnet!