BDB Forum Niedersch. - Bundesverband deutscher Banken

Transcrição

BDB Forum Niedersch. - Bundesverband deutscher Banken
Bundesverband deutscher Banken
Deutschland zwischen Globalität
und nationalen Blockaden
Achtes Gesellschaftspolitisches For um der Banken
Schönhauser Gespräche
Schönhauser Gespräche
Das Forum
Als Schlüsselbranche sind die Banken
vielseitig mit der Gesellschaft verknüpft:
Sie unterliegen Pflichten, Ansprüchen,
Er war tungen; auf ihre Mitwirkung ist der
Kreislauf der Wir tschaft angewiesen.
Aus Mitwirkung er wächst Mitverantwor tung. Das gilt nicht nur für das Verhältnis der Banken zur Kundschaft; sie
schulden darüber hinaus der Öf fentlichkeit, der Gesellschaft und auch dem
Staat ihr Wissen und ihren Rat. Insoweit
sind sie zur Mitsprache aufgerufen.
Der Mitsprache, dem freien
Austausch von Meinungen, Ansichten
und Informationen dient das Gesellschaftspolitische Forum der Banken, als
Schönhauser Gespräche nach dem Or t
der bisherigen Veranstaltungen benannt.
Zum Gespräch eingeladen sind alljährlich Repräsentanten aus Politik, Gesellschaft und Wir tschaft.
Das Thema
Die Globalisierung schreitet voran;
Wir tschaft und Gesellschaft verändern
sich in atemberaubender Geschwindigkeit. Ist die Politik, die sich noch
weitgehend im nationalen Rahmen
vollzieht, auf diesen Wandel vorbereitet? Sind die Deutschen flexibel genug,
um sich auf die neuen Rahmenbedingungen und die gewachsenen Anforderungen einzustellen?
Wie kann Deutschland im Inneren und
nach außen Handlungsfähigkeit zurückgewinnen?
Fragen, die sich stellen, wenn es
um Deutschlands Zukunft geht.
Fragen, die im Mittelpunkt der Achten
Schönhauser Gespräche standen.
Schönhauser Gespräche
Achtes Gesellschaftspolitisches Forum der Banken
am 23. November 2000 auf Schloss Schönhausen,
Berlin-Niederschönhausen
Vakat
Deutschland zwischen Globalität
und nationalen Blockaden
Achtes Gesellschaftspolitisches For um der Banken
Schönhauser Gespräche
Inhaltsübersicht
Begrüßung und Einführung
7
Dr. Manfred Weber,
Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes,
Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Innenansicht
11
Dr. h. c. Lothar Späth, Ministerpräsident a. D.,
Vorstandsvorsitzender, Jenoptik AG, Jena
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Außenansicht
19
Dr. Herwig Schlögl, Stv. Generalsekretär, OECD, Paris
Nationale Blockaden: Zur Neudefinition der Rolle des Staates
25
Prof. Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt,
Deutsche Bank Gruppe, Frankfurt am Main
Diskussion
33
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest, Kronberg im Taunus
Wie kann Deutschland Handlungsfähigkeit zurückgewinnen?
41
Wolfgang Clement, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen,
Düsseldorf
Perspektive Europa: Teil der Lösung oder Teil des Problems?
51
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im
Deutschen Bundestag, Berlin
Diskussion
58
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
Zusammenfassung und Ausblick
81
Stefan Baron, Chefredakteur, Wirtschaftswoche, Düsseldorf
Verabschiedung
87
Dr. Manfred Weber
Teilnehmer
88
Die bisherigen Veranstaltungen – Schönhauser Gespräche
92
5
Begrüßung und Einführung
Dr. Manfred Weber
Hauptgeschäftsführer und Mitglied des Vorstandes,
Bundesverband deutscher Banken, Berlin
eine sehr verehrten Damen, meine Her-
schon wieder in einen niedrigeren Gang zurück-
ren. Ich begrüße Sie ganz herzlich im
schalten? Ich habe jedenfalls in den letzten Wo-
Namen des Bundesverbandes deutscher Banken,
chen den Eindruck gewonnen, dass dies ge-
auch im Namen unseres Präsidenten, Herrn Dr.
schieht. Man kann ja auch leicht in den Rück-
Heintzeler. Aufgrund eines Trauerfalles in seiner
wärtsgang geraten. Haben wir den Reformstau
Familie kann er leider am diesjährigen Forum
denn tatsächlich schon überwunden, über den
nicht teilnehmen.
wir zuvor in Deutschland so viel diskutiert
M
Das ist das Achte Gesellschaftspolitische
haben? Ich denke, es wäre mehr als zweifelhaft,
Forum der Banken. Wir wollen mit diesen
diese Frage zu bejahen. Zu viele Aufgaben sind
Schönhauser Gesprächen wichtige Fragen er-
noch unerledigt. Es wäre viel zu früh, um sich
örtern, Probleme, bei denen auch politischer
entspannt zurückzulehnen.
Handlungsbedarf besteht, deren Lösung für unser
Auch das Lob, das kürzlich der Interna-
Land wichtig ist. Ich denke, unser heutiges Thema
tionale Währungsfonds Deutschland für seine
„Deutschland zwischen Globalität und nationa-
Haushalts- und Finanzpolitik erteilt hat – ich
len Blockaden“ erfüllt diese Bedingungen. Wenn
meine: zu Recht –, war ja mit einer deutlichen
zurzeit über unsere wirtschaftliche Zukunft ge-
Warnung versehen. Es sei völlig offen, so der
sprochen wird, dann stehen die Globalisierung
IWF, ob die derzeitige konjunkturelle Stärke
und ihre Auswirkungen im Mittelpunkt und da-
zum Sprungbrett für dauerhaftes und robustes
mit auch die Frage: Wie können wir uns darauf
Wachstum werde oder ob „Deutschlands Ge-
einstellen? Welche Anpassungen sind notwendig?
schichte enttäuschender Konjunkturverläufe
Kurzum: Wo steht Deutschland heute?
aufgrund starrer Strukturen bestätigt wird“.
Wenn man sich diese Frage stellt, muss
In der Tat: Wenn wir den Konjunktur-
man, so meine ich, zunächst feststellen: In der
motor am Laufen halten wollen, sind weitere
Politik bewegt sich wieder etwas. Das ist für sich
Anpassungen unausweichlich. Das gilt – das ist
betrachtet so schlecht ja nicht. Die Regierung
heute Gott sei Dank fast Allgemeingut ge-
Schröder hat nach den ersten äußerst holprigen
worden – zunächst einmal für die Sozialversi-
zwölf Monaten im zweiten Jahr ihrer Amtszeit
cherungsbeiträge, einfach auch um die Abga-
Tritt gefasst. Das eine oder andere Reformpro-
benbelastung in diesem Bereich in vertretbaren
jekt ist auf den Weg gebracht worden. Ich denke
Grenzen zu halten.
beispielsweise an das Sparpaket, ich denke an die
Wir brauchen darüber hinaus – ein ganz
Steuerreform. Manches hätte man sich hier etwas
aktuelles Thema – eine überzeugendere Form
mutiger, etwas entschlossener, etwas entschiede-
der Alterssicherung, und zwar nicht nur im Be-
ner gewünscht. Gleichwohl lautet per saldo mein
reich der betrieblichen Altersvorsorge, sondern
Urteil: Das sind positive Weichenstellungen.
insbesondere auch den Aufbau einer eigenstän-
Man muss aber weiter fragen: Ist es damit ge-
digen freiwilligen zusätzlichen privaten Alters-
tan? Darf die Regierung bei den Reformen jetzt
vorsorge. Hier liegt ein Entwurf auf dem Tisch.
„Darf die Regierung bei den Reformen jetzt schon wieder in einen niedrigeren Gang zurückschalten?“
7
Begrüßung und Einführung
Dr. Manfred Weber
Die Grundtendenz ist meines Erachtens richtig:
erforderlichen Rahmenbedingungen einfordern.
denz, eine Aufhellung des Meinungsbildes er-
Weitergedacht heißt das doch: Wenn nationale
weniger im Bereich der gesetzlichen Rente, mehr
Nur dann werden wir unser Hauptanliegen,
kennbar wird. Man sieht zunehmend auch die
Untätigkeit und Misserfolge nur allzu häufig mit
im eigenverantwortlichen, im privaten Bereich,
Arbeitsplätze neu zu schaffen und langfristig zu
Chancen und nicht nur die Risiken, die mit
dem Hinweis auf europäische und globale Ent-
und zwar kapitalgedeckt. Schaue ich mir die
sichern, erreichen können.
diesem Prozess verbunden sind. Die Deutschen
wicklungen entschuldigt werden, braucht man
bewegen sich offensichtlich.
sich auch nicht darüber zu wundern, dass die
Einzelheiten an, dann komme ich jedoch zu dem
In den USA ist es gelungen, für 30 Millio-
Urteil: Mit dieser Reform wird die Regierung –
nen abgebaute Arbeitsplätze 50 Millionen neue
Die Frage lautet wiederum nur: Bewegen
Menschen über kurz oder lang das Vertrauen in
wenn man dem Entwurf folgt; die Beratungen
Arbeitsplätze zu schaffen. Warum sollte das
wir uns schnell genug? Ist dieser positive Grund-
die Gestaltungskraft der Politik verlieren. Si-
stehen ja noch an –, dem Anspruch nicht gerecht
nicht auch bei uns möglich sein?
trend stabil genug, damit er sich nicht beim
cher: Im Zuge dieses Prozesses der Globalisie-
nächsten Gegenwind, etwa in der internationa-
rung sind traditionelle Handlungsspielräume,
len Wirtschaftskonjunktur, wieder umkehrt?
sind Instrumente der Politik verloren gegangen
werden, mehr Klarheit und Ordnung in die
Alterssicherung zu bringen.
für den Euro-Kurs. Das kann im Moment nie-
Hier sind zumindest Zweifel angebracht.
oder haben sich geändert. Das heißt aber doch
Ich fürchte, wenn dieser Entwurf so Gesetz
manden so richtig erfreuen. Gleichwohl: Warum
Denn was als entscheidende Grundbedingung
nicht, dass die Politik am Ende ihrer Möglich-
wird, werden wir in Bälde eine neue Diskussion
sollten wir uns hieran nicht ein Beispiel nehmen?
für eine größere und dauerhafte Zuversicht
keiten angekommen ist. Es führt doch auch gar
über die Reform der Alterssicherung führen
Warum sollten wir nicht mit dem nötigen Selbst-
fehlt, ist auch und nicht zuletzt das Vertrauen
nicht weiter, ständig von der „Ohnmacht“ oder
müssen. Ich weiß nicht, ob man das der Be-
vertrauen ans Werk gehen?
der Menschen in die Politik, mit diesen Proble-
vom „Verschwinden“ der Politik zu reden oder
Der diesjährige Nobelpreisträger für Öko-
men der Globalisierung fertig zu werden. Nur
gar vom „Ende der Geschichte“.
Ich denke auch an die Flexibilisierung des
nomie, der Amerikaner James Heckman, hat es
32 Prozent der Deutschen, so unsere repräsen-
Meine Damen und Herren, um unsere Zu-
Arbeitsmarktes. Der IWF hat zu Recht – ähnlich
den Europäern einmal mehr ins Stammbuch ge-
tative Umfrage, trauen der Politik zu, dass sie
kunft zu gestalten, brauchen wir auch wieder
wie der Sachverständigenrat – den Finger in die-
schrieben. Er meint: „Der wichtigste Grund für
diese Probleme meistern kann.
mehr Selbstvertrauen in unsere eigenen Fähig-
se Wunde gelegt. In welche Richtung gehen wir
die derzeitige Euro-Schwäche ist das mangelnde
hier? Anstelle einer notwendigen Liberalisierung
Vertrauen in die Reformfähigkeit Europas.“
Wenn wir nach den Gründen dafür fragen,
keiten. Wenn wir politische Handlungsfähigkeit
warum die Bürger der Politik in der Sache so we-
zurückgewinnen wollen, müssen wir insbesondere hier ansetzen.
sehe ich vorgeschlagene Maßnahmen, die zu
In der Tat: Wie sollen andere dieses Ver-
nig zutrauen, so scheint die Politik selbst – diesen
einer neuen Regulierung führen. Das sind falsche
trauen bekommen, wenn selbst wir es nicht
Eindruck muss man auch haben – dazu nicht un-
Ich weiß sehr wohl: Das Thema Glo-
Weichenstellungen. Ich nenne ferner die Ein-
haben? Hier ist auch ein Ansatzpunkt der Um-
wesentlich beizutragen. Ich meine das in dem
balisierung lässt sich weder auf die wirtschaft-
engung der Möglichkeiten befristeter Beschäfti-
frage, die wir ja traditionell im Vorfeld der
Sinne, wie es Frau Professor Landfried kürzlich in
lichen Komponenten noch auf die mentale
gungsverhältnisse, die Ausweitung der Mitbestim-
Schönhauser Gespräche durchführen: Wie stehen
der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb.
Dimension reduzieren, die ich gerade angespro-
mung und den Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit.
die Deutschen zur Globalisierung? Sind sie bereit,
Sie ist der Meinung, dass das mangelnde Ver-
chen habe. Globalisierung ist ein vielschichtiges
Schlagwortartig hört sich manches gut an; be-
diese Herausforderung anzunehmen? Haben sie,
trauen der politischen Eliten in die Gestaltbarkeit
Thema. Lassen Sie uns deshalb keine weitere
züglich der Auswirkungen in der Praxis muss
mit anderen Worten, Vertrauen?
der entgrenzten Welt deren eigene Passivität ge-
Zeit verlieren, lassen Sie uns einsteigen in das
genüber den Prozessen der Entgrenzung erkläre.
Schönhauser Gespräch.
man große Bedenken haben.
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so erfolgreich ist, hat auch gewisse Konsequenzen
Ohne den Propheten spielen zu wollen:
völkerung zumuten sollte, zumuten kann.
„Mit neuen Regulierungen ist in
diesen Zeiten ebenso wenig wie
mit Abschottung und Protektion
ein Blumentopf zu gewinnen.“
Die Tatsache, dass Amerika wirtschaftlich
Die Ergebnisse dieser Umfrage sind er-
Mit neuen Regulierungen – lassen Sie es
nüchternd und hoffnungsvoll zugleich: ernüch-
mich salopp ausdrücken – ist in diesen Zeiten
ternd, weil die Globalisierung noch immer von
ebenso wenig wie mit Abschottung und Protek-
vielen Deutschen, ja von zu vielen Deutschen,
tion ein Blumentopf zu gewinnen. Wir müssen
eher als Bedrohung denn als Chance wahrge-
auf den Wettbewerb setzen, auf Leistungsorien-
nommen wird; hoffnungsvoll, weil im Vergleich
tierung. Wir müssen von der Politik die hierzu
zu früheren Umfragen eine gewisse positive Ten-
„Die Deutschen bewegen sich
offensichtlich. Die Frage lautet
wiederum nur: Bewegen wir uns
schnell genug?“
9
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Innenansicht
Dr. h. c. Lothar Späth, Ministerpräsident a. D.,
Vorstandsvorsitzender, Jenoptik AG, Jena
eine Damen und Herren! In 25 Minuten
der Struktur her im Osten größer als im Westen.
eine solche Übersicht zu geben, das kann
Ich kann nur davor warnen, in Ostdeutschland
eigentlich nur bedeuten, Stichworte aufzuzählen.
weiterhin mit einer strategischen Subventions-
Ich will versuchen, mich vor allem mit ein paar
politik und ähnlichen Maßnahmen etwas be-
Stichworten zu befassen, welche die Überschnei-
wegen zu wollen. Vergessen Sie es! Wir brauchen
dung von Wirtschaft und Politik betreffen.
im Osten das, was wir auch im Westen brauchen
M
Wir befinden uns derzeit in einem Zu-
– nämlich eine innovative Politik und eine inno-
stand, dass wir zunehmend die Notwendigkeit
vative Wirtschaft. Es müssen möglichst schnell
von Reformen erkennen. Aber die Machbarkeit
die Hochschulen ausgebaut und Forschungsein-
von Reformen scheint lediglich in einem Umfang
richtungen geschaffen werden, um im Osten eine
möglich zu sein, der im Verhältnis zu dem Tempo,
entsprechende moderne Infrastruktur zu ent-
das Ökonomie und Globalisierung vorlegen,
wickeln. Wir dürfen nicht mit dem Fehler fort-
deutlich geringer ist. Ich glaube, das Schlimmste
fahren, zunächst im Osten den Westen zu kopie-
ist der Versuch der Politik, sich dauernd über jene
ren und dann den Osten zusammen mit dem
Themen zu unterhalten, welche die Politik nicht
Westen umzustellen, etwa nach dem Motto: Jetzt
mehr bestimmen wird. Die Globalisierung schrei-
sind im Westen wie im Osten die Problemlagen
tet unabhängig davon fort, was die deutsche Wirt-
gleich, also können wir mit der Reform begin-
schaftspolitik dazu sagt. Das interessiert außer
nen. Das ist gedanklich der größte Fehler, den
jenen, die Innenpolitik betreiben, niemanden.
wir machen können.
Lassen Sie mich das, was ich meine, am
Wenn ich in Singapur meinen Geschäfts-
Beispiel der deutschen Wiedervereinigung ver-
partner begrüße und mich mit „Späth, Ost-
deutlichen. Die deutsche Wiedervereinigung ist
deutschland“ vorstelle, bekomme ich zur Ant-
abgeschlossen, auch in ökonomischer Hinsicht.
wort: „Chong, Westsingapur“.
In Amerika für die neuen Bundesländer Investo-
Dieser Gesprächspartner ist zunächst irri-
ren mit der Begründung zu suchen, dort gebe es
tiert. Er ist vielleicht 30 Jahre alt, hat vor zehn
viele Arbeitskräfte, die auf der Straße liegen,
Jahren mit dem Studium begonnen und versteht
war vor zehn Jahren ein spannendes Thema,
von deutscher und europäischer Politik etwa so
auch noch vor drei Jahren. Ich habe in Jena heute
viel wie ich von den Osttimor-Problemen. Man
mit all den Problemen zu kämpfen, die ich auch
redet in einem solchen Fall am besten übers Ge-
im Westen hätte. Man bekommt sowohl in Jena
schäft, damit man sich nicht gegenseitig durch
als auch in Stuttgart keine Facharbeiter mehr.
missverständliche Äußerungen irritiert.
Auch in Jena kann ich kein Industriegelände
In der Politik ist es auch wichtig, ein
hinzubekommen. In Jena habe ich es mit 12 Pro-
Kapitel gegebenenfalls für abgeschlossen zu
zent Arbeitslosigkeit zu tun, in Baden-Württem-
erklären. Das ist psychologisch vielleicht sehr
berg wären es 5 Prozent, denn der Umfang der
schwierig, aber so bekommt man eine Pro-
nicht mehr benötigten Qualifikationen ist von
blematik vom Tisch.
„Die Globalisierung schreitet unabhängig davon fort, was die deutsche Wirtschaftspolitik dazu sagt.“
11
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Innenansicht
Dr. h.c. Lothar Späth
Ein Problem, das uns sowohl im Osten als auch
lichen Kantenlänge eines Karamellbonbons an-
Okinawa erinnert, was dort beschlossen wurde,
fassung als auch der politischen Kräfte scheitert.
im Westen herausfordert, ist die europäische
sehe, bin ich nicht sicher, ob hier die zukünftigen
welche wilde Reaktion auf diese Konferenz auf
Man kann der früheren Regierung von CDU/CSU
Dimension. Dazu will ich jetzt keine weiteren
großen Fortschritte im Wettbewerb der Binnen-
den Finanzmärkten erfolgte. Niemand hat mir
und FDP sicher nicht vorwerfen, sie habe nichts
Ausführungen machen; in dieser Hinsicht freue
märkte zu erwarten sind. Wir haben in Deutsch-
die Beschlüsse dieser Konferenz nennen und die
Großartiges vollbracht. Hier denke ich vor allem
ich mich auf die Ausführungen von Herrn Walter.
land jahrelang über das Reinheitsgebot beim
Reaktion der Finanzmärkte darstellen können.
an die Zeiten des unglaublichen Wandels im Zu-
Ich habe zunehmend Zweifel, ob eine Strategie,
Bier gestritten. Daran wird sichtbar, dass wir
Auf dieser Konferenz wurde im Grunde
sammenhang mit der deutschen Einheit. Trotz
die für ein Europa zutreffend war, das es Gott
aufpassen müssen, dass wir nicht die Schieds-
nichts beschlossen. Man hat lediglich fest-
Transferleistungen von mehr als 1 Billion DM ist
sei Dank nicht mehr gibt, einfach auf eine neue
richter im Binnenmarkt werden, während die
gestellt, dass sich weltweit die Unterschiede zwi-
die D-Mark immer noch stabil. Hier ist Großarti-
Dimension von Europa übertragbar ist und ob
anderen die Spieler sind, auch auf anderen Bin-
schen Sommer und Winter leicht verändern, was
ges geleistet worden. Das möchte ich vorweg-
die Idee der Vereinigten Staaten von Europa, die
nenmärkten, beispielsweise der NAFTA.
aber keine nachhaltigen Probleme erzeugen
schicken, um nicht als Nestbeschmutzer zu gelten.
vielen institutionellen Überlegungen zugrunde
Vor kurzem hat mir ein Freund mit Ent-
werde. Darüber hinaus solle es den Armen bes-
Die 90er-Jahre sind aber schlicht verloren
liegt, etwa in Richtung der Nachbildung eines
setzen gesagt: „Weißt du eigentlich, dass die
ser gehen, ohne dass die Reichen geschädigt
gegangen, was die Notwendigkeit betrifft, den
Parlaments und eines Nationalstaates, über-
Hälfte aller Bundesligaspieler Ausländer sind?“
werden. Die Finanzmärkte haben nicht reagiert.
beginnenden Globalisierungsprozess, der zeit-
haupt noch sinnvoll ist oder ob man nicht den
Auf meine Frage hin, wie es denn bei den
Der finanzielle Aufwand für diese Konferenz lag
gleich mit der deutschen Einheit sichtbar wurde,
Mut haben muss, Europa neu zu denken.
Schiedsrichtern sei, hat er mir geantwortet: „Da
allerdings bei etwa einer halben Milliarde DM.
mit den richtigen politischen Aktionen zu beglei-
Es gibt keine europäische Wirtschafts-
„Der Staat wird weder auf europäischer noch auf nationaler
Ebene die wesentlichen Elemente
der Globalisierung stark beeinflussen können.“
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gibt es noch genügend Deutsche.“
Stellen Sie sich demgegenüber vor, was
ten. Es ist eigenartig, dass die neue Regierung als
politik, genauso wenig wie es eine deutsche
Hier wird ein deutsches Problem sichtbar,
passiert, wenn Alan Greenspan für 13 Cent ein
reformfreudig gilt. Es kommt eben immer auf
Wirtschaftspolitik gibt. Wo wollen Sie denn im
das zunehmend ein europäisches Problem wird:
Ortsgespräch mit einem Journalisten führt, die-
das Niveau an, das man zugrunde legt. Ich will
Internet im Hinblick auf den Flächentarifvertrag
Wir haben zu viele Schiedsrichter, während die
sen zum Spaziergang um 17 Uhr einlädt, dann
die Steuerreform gar nicht kritisieren, aber wei-
die Grenze durch Europa ziehen?
Stürmer fehlen.
um 17.10 Uhr hustet und erklärt: „Ich denke
tere Reformen müssen folgen. Außer dieser
Im Grunde genommen müssen wir so-
In diesem Zusammenhang erwähne ich
über die Zinsen nach.“ Hier sehen Sie den Un-
Steuerreform wird man vielleicht noch die Ren-
wohl in der Politik als auch in der Wirtschaft zu
die Diskussion über die Green Card und die
terschied in der Größenordnung hinsichtlich
tenreform hinbekommen. Auch da müssen sich
ganz ähnlichen Verhältnissen kommen. Die
Ausrichtung unserer zukünftigen Bildungspo-
dessen, was die Globalisierung und deren Ord-
weitere Stufen anschließen. Die Gesundheitsre-
Wirtschaft muss ihre Probleme mit strategischen
litik. Es stellt sich die Grundfrage, ob wir heute
nungshüter im Vergleich zu politischen Entschei-
form muss zur Beruhigung der Gemüter auf der
Allianzen lösen. Sie wird die Globalisierung im
nicht für die 25 Jahre büßen müssen, in denen
dungen bewirken können.
Strecke bleiben. Bei der Mitbestimmung müssen
Grunde mit Netzwerken bewältigen. Ich weiß
wir den risikofreien Fortschritt in Europa woll-
Das bedeutet allerdings nicht, dass die
neue Regulierungen eingeführt werden, um ge-
nicht, ob die Politik einen anderen Weg als jenen
ten. Ich wiederhole: Die Globalisierung findet
Politik nicht wichtig ist. Die entscheidende Fra-
rade noch eine Mehrheit für die Rentenreform
der Schaffung von Netzwerken beschreiten
auf jeden Fall statt. Wir sind Gegenstand der
ge ist vielmehr, ob die Politik tut, was ihre Auf-
zu sichern, bevor die Kraft erlahmt.
kann. Man muss überlegen, wie solche Netz-
Globalisierung, nicht Handelnde im Rahmen
gabe ist, nämlich Politik zu betreiben. Damit
Nach den nächsten Landtagswahlen und
werke aussehen müssen, welche Dichte sie ha-
der Globalisierung. Der Staat wird weder auf
sind wir bei der Innenansicht Deutschlands. Sie
der Sommerpause beginnt der Wahlkampf 2002.
ben können. Es können Netzwerke sein, die den
europäischer noch auf nationaler Ebene die
scheint mir dadurch geprägt zu sein, dass nun-
Da will man niemanden mehr beunruhigen. Sol-
Euro-Raum absichern, es können Netzwerke
wesentlichen Elemente der Globalisierung stark
mehr die Erkenntnis vorhanden ist, dass
che Perspektiven sind im Grunde genommen
sein, welche die europäische Politik absichern.
beeinflussen können. Wenn ich deutlich machen
umfassende Reformen dringend notwendig
katastrophal.
Ich glaube, die Politik muss sich wieder mehr
will, wie sehr sich die Wirtschaft von der Politik
sind, der Spielraum gering ist und die Bereit-
Ich will versuchen, die erforderlichen fun-
den politischen als den wirtschaftlichen Themen
unabhängig gemacht hat, frage ich das Audi-
schaft, nachhaltige Reformen durchzuführen,
damentalen Reformen anzusprechen. Da ich nicht
widmen. Wenn ich mir die Richtlinie zur einheit-
torium, ob man sich noch an die Konferenz von
am Harmonisierungsdruck sowohl unserer Ver-
wieder gewählt werden muss, kann ich das in ei-
„Das bedeutet nicht, dass die
Politik nicht wichtig ist. Die entscheidende Frage ist, ob die
Politik tut, was ihre Aufgabe ist,
nämlich Politik zu betreiben.“
13
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Innenansicht
Dr. h.c. Lothar Späth
ner Form tun, die ein Stück weit brutal sein kann.
später keine Rente erhält, persönlich unter-
seines Rentenbeitrags, und wenn der Bevölke-
alles längst im Gange ist. Vonseiten der Politik
Lassen Sie mich mit dem Thema Steuern begin-
schreibt, wird das seine Wahlchancen nicht er-
rung immer wieder verdeutlicht wird, dass es ei-
werden dann aber wieder ganz begeistert junge
nen. Ich bin sehr dafür, dass die Belastungen ver-
höhen. Die Opposition wird den Teufel tun, ihm
nen Zusammenhang zwischen der Höhe der ge-
Unternehmen unterstützt, die auf den Neuen
ringert werden. Die Senkung des Spitzensteuer-
den Rücken zu stärken.
leisteten Beiträge und den zu erwartenden Ren-
Markt kommen und nichts anderes tun, als neue
satzes ist hauptsächlich auf den internationalen
Zu den Betriebsrenten: Diejenigen Unter-
tenleistungen gibt, dann muss akzeptiert werden,
Verfahren und neue Produkte zu entwickeln, die
Wettbewerb der Standorte zurückzuführen. Sie
nehmen, die in dieser Hinsicht nicht rechtzeitig
dass der Autofahrer am Wochenende sagt:
das Leben verlängern und es schöner machen.
wird die deutsche Wirtschaft gar nicht so sehr
ausgestiegen sind und heute noch voll in der
„Jetzt fahre ich 1 000 Kilometer mit dem Auto,
Wären sie erfolgreich, bedeutete dies eine Kata-
beeinflussen, wie wir dies weithin glauben.
Verantwortung für die Erfüllung der Ansprüche
um etwas für meine Rente zu tun!“ So werden
strophe für die Lohnnebenkosten. Die einzige
Alle sind glücklich, dass wir nun eine
stehen, brauchen sich keine Sorgen zu machen,
neue Staus produziert, für deren Beseitigung
vernünftige Lösung könnte sein, dass die Bürger
Steuerreform haben, wenn man auch zugibt,
was sie ihren Aktionären in den nächsten Jahren
man die Mineralölsteuer erneut erhöhen müsste.
zum Schluss alles selbst bezahlen. So würden sich
dass viele Maßnahmen falsch sind. Man glaubt,
wohl anbieten können. Wenn die Aktionäre
Ich will damit verdeutlichen: Es gibt keine
man sei – wie es in der Politik heißt – auf dem
gleichzeitig die Bezieher der Betriebsrenten sind,
Separierung der Probleme und damit auch keine
Früher gab es alle vier Jahre eine Gesund-
richtigen Wege. Die Skeptiker hingegen erklären,
mag das anders sein.
Übersicht über die Probleme. Vor wenigen Tagen
heitsreform, dann alle vier Monate, jetzt alle
Wenn man die Staatslasten aus der nicht
konnte man in der Zeitung lesen, dass die Deut-
vier Wochen. Die Herstellung des Bundesgesetz-
gedeckten Rentenversicherung einmal kapitali-
sche Bahn AG bankrott ist und ein Defizit von
blattes lässt kürzere Rhythmen nicht zu. Man
Ich meine, viel entscheidender ist die Frage,
siert, wird einem angst und bange. Dasselbe gilt
40 bis 50 Milliarden DM erwartet. Heute ist zu
kann jedem vernünftigen Menschen erklären,
wie wir die volkswirtschaftlichen Erträge ein-
für die erforderlichen Rückstellungen für die Be-
lesen, dass die Bahn mit einer unglaublichen An-
dass das Gesundheitswesen teurer wird, der
setzen. Hier spielt die Rentenreform eine fun-
triebsrenten und den Druck des Gesetzgebers
strengung 5 Milliarden DM bis zum Jahre 2005
Aufenthalt auf Mallorca hingegen billiger. Heute
damentale Rolle. An der Rentenreform wird
zur Sicherung dieser Ansprüche.
investieren will.
braucht man eben weniger Geld für einen
auf diesem Wege dürfe man nicht fortschreiten,
anderenfalls werde aus der Chance eine Krise.
„Wenn die Staatslasten sichtbarer
wären, käme es nicht zu solchen
verrückten Lösungen wie jener,
dass man partiell seine Rentenbeiträge an der Tankstelle bezahlen kann.“
14
„Früher gab es alle vier Jahre eine
Gesundheitsreform, dann alle vier
Monate, jetzt alle vier Wochen.
Die Herstellung des Bundesgesetzblattes lässt kürzere Rhythmen
nicht zu.“
die Probleme der Gesundheitsreform auflösen.
deutlich, dass fundamentale Veränderungen er-
Es wird eine Mehrwertsteuererhöhung als
Einige Bemerkungen zum deutschen Ge-
Mallorcaaufenthalt, aber mehr für gesundheit-
forderlich sind. Die Notwendigkeit der Renten-
einzige Lösung übrig bleiben. Der Globalhaus-
sundheitswesen. Hier finden wir Beweise dafür,
liche Maßnahmen. Jeder weiß, dass jemand, der
reform basiert auf unpolitischen Problemen: Die
halt planwirtschaftlicher Art führt dazu, dass
wie Fakten und Entwicklungen geleugnet wer-
früher mit 65 Jahren unter der Aufsicht des Fach-
Bevölkerung wird heute im Durchschnitt sieben
derartige Probleme nicht direkt sichtbar sind.
den. Man kann niemandem klarmachen, dass
arztes an seinem zweiten Herzinfarkt verstorben
Jahre älter. In absehbarer Zeit werden die medi-
Wenn die Staatslasten sichtbarer wären, käme
das deutsche Gesundheitswesen zukünftig billi-
wäre, heutzutage sechs Bypässe erhält und sich
zinischen Fortschritte dazu führen, dass man ein
es nicht zu solchen verrückten Lösungen wie je-
ger wird oder dass auch nur die Kosten stabil
mit 70 Jahren zum Seniorensport anmeldet.
weiteres Mal fünf bis sieben Jahre älter wird.
ner, dass man partiell seine Rentenbeiträge an
bleiben. Das Gesundheitswesen und der Wellness-
Jeder weiß, dass man auch in Deutschland
Unsere gegenwärtige soziale Sicherung ist ein ty-
der Tankstelle bezahlen kann. Heutzutage ist
bereich sind nach der Internetentwicklung die
gentechnisch hergestellte Produkte konsumiert,
pisches Kind der Industriegesellschaft und taugt
nicht einmal eine Bilanz möglich, welche Mittel
großen innovativen Bereiche. Wenn wir das In-
obwohl man im Grunde gegen die Gentechnik
nicht für eine Dienstleistungsgesellschaft.
einer Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur
ternet und die virtuelle Welt beherrschen, wenden
ist. Sobald der Arzt sagt, man müsse so etwas
Eine mögliche Veränderung besteht in der
zugute kommen und welche Summen für
wir uns wieder den Menschen, der Familie und
schlucken, weil man anderenfalls in die Gruft
Senkung der Rentenhöhe und einer daraus resul-
andere Zwecke eingesetzt werden. Man kann
dem Wohlfühlen zu.
müsse, ist man willens, unter Ausblendung aller
tierenden Stärkung der privaten Initiative. Das
jedem Autofahrer klarmachen, dass er an der
Die Menschen werden immer älter. Dabei
ist für die heute 20-Jährigen machbar, aber bei
Tankstelle mehr bezahlen muss, wenn er auf
stehen wir erst am Anfang der Transplantations-
Wir betreiben ein Gesundheitswesen, das
den heute 50-Jährigen beginnt der Ärger. Selbst
den Straßen nicht so häufig im Stau stecken will.
medizin und der Gentechnik. Zwar wird es auch
nicht funktionieren kann, und wir halten an
wenn der Bundeskanzler die Briefe an die Un-
Wenn dem Autofahrer von den Politikern er-
auf diesen Gebieten Kommissionen geben, die
einer Rentensystematik fest, die ebenfalls nicht
glücksgeneration, die Beiträge bezahlt hat und
klärt wird, er zahle an der Tankstelle einen Teil
das alles zu verhindern versuchen, auch wenn
funktionieren kann. Wenn wir die Verkehrs-
Risiken solche Produkte zu schlucken.
15
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Innenansicht
Dr. h.c. Lothar Späth
„Wenn der Staat in der Lage
wäre, sein gesamtes System in
Profit Center aufzuteilen,
könnte er erkennen, wo die
Probleme liegen.“
infrastruktur verbessern wollen, dürfen wir die
kurzfristig eine Lösung darstellen. Das hat aber
Ein großes Problem ist die Inkompatibilität
Hochschulreform, eine große Experimentier-
Mittel, die für diesen Bereich eingenommen wer-
einen angenehmen Nebeneffekt. Schon jetzt ist
von Erfahrungen der Älteren mit den Bedarfs-
freude dynamischer Art in dieser Gesellschaft.
den, nicht anderweitig ausgeben. Die Reste von
das Problem vorhanden, dass die Produktivitäts-
anforderungen der Jungen. Damit sind wir
Ich habe jetzt zehn Jahre lang experi-
Ideologie aus der Anfangszeit der derzeitigen
steigerung den Dienstleistungssektor mit immer
beim Stichwort Bildungsreform. Bezüglich der
mentiert, vielleicht mehr als andere. Alles, was
Bundesregierung bewirken so etwas wie die Öko-
mehr Personal versorgt. In Baden-Württemberg,
Bildungsreform wissen wir inzwischen alle,
ich in Jena geplant habe, war falsch. Alles, was
steuer, hingegen nicht so etwas wie die erwähnte
das wirtschaftlich gesehen ausgezeichnet dasteht,
dass wir sie nur im Wettbewerb bewerkstel-
mir andere vorgeschlagen haben, war auch
Gliederung von Risiken und Finanzierungsele-
sind in den letzten zehn Jahren 10 Prozent aller
ligen können. Ich hoffe, dass ich diese Reform
falsch. Unser Glück war, dass wir nicht ver-
menten. Wenn in einem Betrieb ein neues Produkt
Produktionsbetriebe eingegangen und 20 Pro-
noch erlebe, nämlich Wettbewerb im deutschen
sucht haben, Altes zu regenerieren, sondern
hergestellt wird, muss dieser Vorgang für sich ge-
zent des Personals sind aus diesen Betrieben aus-
Bildungswesen.
dass wir einfach Neues probiert haben. Beim
nommen kalkuliert werden. Wenn der Staat in der
geschieden. Gleichzeitig stieg der Umsatz um
Gestern Abend war ich in einem Internat
Erproben von Neuem ist das Risiko geringer
Lage wäre, sein gesamtes System in Profit Center
25 Prozent. Hier zeigt sich das ganz typische
in Roßleben, in Thüringen gelegen, weitab vom
als beim Festhalten am Alten. Zuerst aber
aufzuteilen, könnte er erkennen, wo die Probleme
Bild: Wir haben wieder Wachstum, aber die
pulsierenden Leben. Dort habe ich ein paar
muss Vertrauen geschaffen werden. Nach wie
liegen, und auf diese Weise könnte er den Pro-
Arbeitslosigkeit verschwindet nicht.
Computerfreaks gesehen, die sich mit Begeiste-
vor ist man in Deutschland misstrauisch ge-
Es gibt folgendes grundsätzliche Problem,
rung in einem 1530 gebauten Gebäude der In-
genüber Neuerungen. Die Deutschen lieben
Unsere erste Antwort auf die Globalisie-
das auch ganz starke soziale Wirkungen hat. In
ternetvernetzung widmen. Gott sei Dank hält
Amerika, wollen es aber nicht kopieren. Die
rung war eine starke Produktivitätssteigerung.
der Industriegesellschaft konnte man das Alters-
sich diese Generation nicht an die Spielregeln
Hälfte der Deutschen sagt: „Wir müssen wer-
Das war erfolgreich. Die Erfolge beispielsweise
problem lösen. In der Industriegesellschaft konn-
der Gewerkschaften und der Arbeitgeberver-
den wie die Amerikaner, sonst schaffen wir es
der deutschen Automobilindustrie bestehen da-
te der ältere Arbeitnehmer das, was er an Mus-
bände. Vergleichen Sie einmal den Organisa-
nicht.“ Die andere Hälfte sagt: „Wir wollen
rin, dass sie die japanischen Hersteller dadurch
kelkraft nicht mehr hatte, durch Lebenserfahrung
tionsgrad hinsichtlich der Gewerkschaften und
bloß nichts verändern, sonst werden wir wie
überholt hat, dass sie 20 Prozent mehr Autos
ausgleichen. Das ist in der modernen Informati-
der Arbeitgeberverbände bei den Start-up-Un-
die Amerikaner!“
mit 20 Prozent weniger Beschäftigten produziert.
onsgesellschaft nicht mehr möglich. Wenn Sie zu
ternehmen mit dem Organisationsgrad der klas-
Diese typisch deutsche Haltung wird
Heutzutage denkt sie gründlich darüber nach,
Hause mit Ihren Kindern 20 Minuten lang Video-
sischen Firmen der Old Economy. Es gibt beson-
nicht weiterführen. Wir müssen den Begriff In-
wie man 40 Prozent mehr Autos mit 40 Prozent
spiele machen, können Sie den Wert Ihrer Leben-
ders viele Funktionäre dort, wo nichts mehr zu
novation ohne Freiheit, ohne Deregulierung,
weniger Beschäftigen produzieren kann. Diese
serfahrung abschließend einschätzen! Nicht mehr
holen ist; der Organisationsgrad ist ganz
ohne Solidarität neu definieren als eine begeis-
Reaktion mit einer Produktivitätssteigerung
der Opa mit dem Werkzeugkasten, der das Haus
schwach dort, wo Dynamik herrscht.
terte Hingabe an die Humanität. Dann sollten
wird noch ein paar Jahre positive Effekte her-
in Ordnung hält, ist der Liebling der Familie, son-
Weil Produktivitätssteigerungen nicht
wir auch einmal wieder mehr über europäische
vorrufen – bis uns die anderen wieder einholen.
dern der Opa muss heutzutage warten, bis ihm
ausreichen, um die vorhandenen Probleme zu
Werte diskutieren, wenn es schon um eine Al-
Die Produktivität zu steigern kann also nur
der Enkel das Videogerät einstellt.
lösen, brauchen wir eine Bildungsreform, eine
ternative zu Amerika geht.
blemen langfristig gesehen zu Leibe rücken.
16
17
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Außenansicht
Dr. Herwig Schlögl, Stv. Generalsekretär, OECD, Paris
eine Damen! Meine Herren! Es ist für
das Ende des Aufschwungs in den USA prophe-
mich eine große Freude, hier die OECD
zeit haben. Das reicht in die Mitte der 90er-Jah-
vertreten zu dürfen und einige Ideen und Analy-
re zurück. Es ist anders gekommen. Auch der
sen zu Ihrem wichtigen Thema beitragen zu
Präsident der amerikanischen Notenbank ist in
können. Die Außenansicht fordert natürlich den
seinen Bewertungen schließlich wesentlich vor-
internationalen Vergleich heraus.
sichtiger geworden und hat mit seiner Politik zu
M
Lassen Sie mich daher mit einem vergleichenden Blick auf die Entwicklung in den USA, in
dieser Entwicklung, insbesondere der Entwicklung des Produktionspotenzials, beigetragen.
Europa und in Japan in den 90er-Jahren begin-
Ich möchte hier folgende interessante Ent-
nen. Ich glaube, wir alle haben mit einer gewissen
wicklung besonders hervorheben. Es gab in den
Faszination die Wachstumsdynamik der US-Wirt-
USA, gestützt auf die ICT-Technologie, am so
schaft in den 90er-Jahren verfolgt. Es lohnt sich,
genannten Ende des Wachstumszyklus seit 1995
nach den Ursachen dieser außerordentlichen Ent-
eine Beschleunigung des Produktivitätszuwach-
wicklung in den USA zu fragen. Es lassen sich
ses. Nach dem, was in unseren Lehrbüchern
drei Ursachengruppen bestimmen, nämlich ers-
steht, nimmt am Ende eines Zyklus der Produk-
tens die makroökonomische Stabilität durch den
tivitätszuwachs ab.
Abbau des Budgetdefizits und durch eine am
Natürlich sind die 90er-Jahre drittens
Geldwert orientierte Geldpolitik. Vielleicht noch
auch durch eine Kombination glücklicher Um-
wichtiger ist die frühzeitige Liberalisierung und
stände gekennzeichnet. An erster Stelle stehen
Deregulierung wichtiger Infrastrukturbereiche,
die niedrigen Öl- und Rohstoffpreise. Der Öl-
lange bevor man in Europa und in Japan an diese
preis betrug im Januar 1999 noch 10 Dollar pro
Themen herangegangen ist. Zu nennen ist hier
Barrel. Zu den glücklichen Faktoren für die USA
auch eine hohe Flexibilität der Arbeitsmärkte.
gehört auch die Tatsache – sie hat gewiss öko-
Als zweite Ursachengruppe möchte ich
nomisch und politisch handfeste Gründe –, dass
die Innovationskraft und die Dynamik des Un-
die USA auch in den 90er-Jahren die erfolgreich-
ternehmenssektors erwähnen. Sie ist gekenn-
ste Volkswirtschaft als Importeur von Investi-
zeichnet durch eine extrem hohe Investitions-
tionskapital und als Importeur von Humankapi-
rate im Bereich der Informations- und Kommu-
tal waren. Gerade der Faktor Humankapital ist
nikationstechnologien (ICT), natürlich auch
ganz entscheidend für die Dynamik der ameri-
gestützt auf eine Industrie, die derartige Pro-
kanischen Volkswirtschaft. Nicht nur in Silicon
dukte herstellt. Hier spielen die USA eine be-
Valley, sondern auch in anderen so genannten
achtliche Führungsrolle. Die ICT-Industrie hat
Centers of Excellence haben mittlerweile sehr
mit einem Drittel zur Gesamtwachstumsrate in
viele Nichtamerikaner, nicht zuletzt Deutsche
den 90er-Jahren in den USA beigetragen.
und Franzosen, ihren Arbeitsplatz gefunden.
Sie wissen wahrscheinlich, dass ökono-
Diese drei Ursachenkomplexe hatten
mische Experten und wissenschaftliche Institute
natürlich auch Auswirkungen auf die Situation
„Europa hat bei der Liberalisierung und Deregulierung gegenüber den USA noch erheblichen Aufholbedarf.“
19
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Außenansicht
Dr. Herwig Schlögl
„In Europa haben die Liberalisierung und die Deregulierung wichtiger Infrastrukturbereiche mit
einem erheblichen Timelag gegenüber den USA begonnen.“
20
in Europa. In Europa haben die Liberalisierung
mit der geringen Sparquote und dem extrem ho-
bleme nicht lösen. Im Gegenteil muss man die
gesamten deutschen Systems betrachtet wurde.
und die Deregulierung wichtiger Infrastruktur-
hen Leistungsbilanzdefizit der USA zusammen,
Ohnmacht der Defizitfinanzierung erkennen.
Ich nenne die Stichworte Green Card und Zu-
bereiche mit einem erheblichen Timelag gegen-
das in der Tat das Risiko einer Umkehrung der
Mittlerweile beträgt die Gesamtverschuldung in
wanderung und die sehr ernste Auseinanderset-
über den USA begonnen. Inzwischen ist diese
Kapitalströme mit entsprechenden Konsequen-
Japan 130 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
zung mit dem Rechtsradikalismus und der Aus-
wichtige Aufgabe in Angriff genommen worden;
zen für den Dollarkurs und die Zinsen beinhaltet.
Bevor ich etwas näher auf Deutschland ein-
länderfeindlichkeit. Es ist für die Politik nicht
gleichwohl besteht hier erheblicher Aufholbe-
Für Europa liegen die Risiken nach wie
gehe, möchte ich kurz etwas zur New Economy
einfach, dieses Bild zu korrigieren. Wir in der
darf, nicht zuletzt im Bereich des ICT-Sektors.
vor im strukturellen Bereich. Man muss sich fra-
sagen. Der lange Wachstumszyklus in den USA
OECD konstatieren sehr klar, dass die Bundes-
Bei den Internetzugangskosten sowie der Zahl
gen: Wird es eine Reformpause geben? Wird
hat einige zu der Auffassung verleitet: Das öko-
regierung zumindest drei wichtige Reformansät-
der Internetprovider per 1 000 Einwohner befin-
man angesichts der einigermaßen vertretbaren
nomische Entwicklungsmodell hat sich verändert,
ze auf den Weg gebracht hat: die Steuerreform,
det sich Deutschland im Vergleich zu den USA,
positiven Wachstumszahlen im Grunde genom-
wir leben in einer so genannten New Economy,
die Haushaltskonsolidierung und Ansätze zur
zu Finnland und zu Schweden noch in der Start-
men selbstgefällig, auch selbstgefällig in der Po-
insbesondere im ICT-Bereich, auf dem Gebiet der
Reform der sozialen Sicherungssysteme.
phase. Ich benutze bewusst den Begriff „Start-
litik, auch im Unternehmenssektor, gestützt auf
Biotechnologie und anderen neuen Sektoren. Es
Die Steuerreform entspricht im Grund-
phase“, weil wir es hier mit einer Technologie zu
den schwachen Euro? Wir wissen, dass die Ab-
wäre ein Fehlschluss, im makroökonomischen
satz den Grundlinien der OECD: Verbreiterung
tun haben, die in besonderer Weise geeignet ist,
wertung einer Währung auf lange Sicht nicht
Sinne von einer New Economy zu sprechen,
der Steuerbasis und Senkung der nominalen
nachgeahmt zu werden. Der Zugang zu diesen
von Vorteil ist, sondern im Gegenteil letztlich
wenn man damit das Ende von Konjunktur-
Steuersätze.
Technologien ist relativ einfach. Europa verfügt
die Wettbewerbsfähigkeit eher reduziert.
zyklen, von Inflation und von Arbeitslosigkeit
Bei der Haushaltskonsolidierung geht die
meint. Eine solche New Economy werden wir im
Orientierung der OECD in Richtung einer Ver-
nächsten Jahrzehnt wohl nicht erleben.
besserung der Qualität der Staatsausgaben bei
über das entsprechende Potenzial. Deshalb glaube
Zu Japan möchte ich nur bemerken, dass
ich, dass Europa unter den richtigen politischen
es sich hier um einen Sonderfall handelt. Was
Rahmenbedingungen die Chance hat, den langen
die 90er-Jahre für die USA waren, waren sie mit
Auf mikroökonomischer Ebene leben wir in
Wachstumspfad, den wir in den 90er-Jahren in
umgekehrtem Vorzeichen für Japan: Japan hat
der Tat in einer Electronic Economy. Hierdurch
Die Rentenreform mit ihrer Komponente
den USA beobachtet haben, nachzuahmen.
ein Jahrzehnt der Stagnation und deflationärer
werden sich die Funktionsweise der Märkte und
der, wie ich vermute, freiwilligen kapitalgestütz-
Ich möchte jetzt nicht die einzelnen
Entwicklungen hinter sich. Auch die Prognosen
die internen Unternehmensabläufe radikal verän-
ten Zusatzversicherung geht in die richtige Rich-
Wachstumszahlen wiedergeben, wie sie in dem
für die nächsten ein, zwei Jahre sind nicht be-
dern. Was letzteren Punkt angeht, können wir nur
tung. Offen ist zweifellos die Frage, wie die Ver-
vor kurzem erschienenen Economic Outlook der
sonders beeindruckend.
Vermutungen anstellen. Wir erkennen, dass hier
teilung der Lasten zwischen den Generationen
einem entsprechenden Abbau der Defizite.
OECD zu finden sind. Sicherlich wird sich das
Nach meinem persönlichen Eindruck ist
revolutionäre Umbrüche im Gange sind, die erst
erfolgen soll. Das halte ich für eine extrem wich-
Wachstum in den USA abschwächen. Fairerwei-
in Japan ein ganzes industrielles Entwicklungs-
Mitte der 90er-Jahre begonnen haben. Sie sind
tige und letztlich politische Entscheidung.
se muss ich, wenn ich vom Aufholpotenzial Eu-
modell gescheitert, das auf einer gezielten Welt-
möglicherweise eine Erklärung für die Beschleuni-
ropas spreche, hinzufügen: Nach unseren jetzi-
marktexpansion, finanziert durch billige Kredite,
gung des Produktivitätszuwachses in den USA.
gen Prognosen bleibt das Wachstum in Europa,
unter Missachtung der Rentabilität und flan-
Damit komme ich zu Deutschland. Das
die deutsche Vereinigung unzureichend wahrge-
wenn auch geringfügig, immer noch hinter dem
kiert durch einen geschützten Binnenmarkt sowie
Deutschlandbild im Ausland ist vielfach ver-
nommen. Diese Belastungen sind abzulesen an
Wachstum der USA zurück, obwohl sich das
die Abschöpfung der Verbraucher beruhte. Die-
zerrt. Zumal ich hier wichtige Politiker sehe,
den nach wie vor hohen Nettotransferzahlungen
Wachstum in den USA abschwächen wird.
jenigen Länder wie beispielsweise Südkorea, die
weise ich darauf hin, dass es vielfach verzerrt
des Bundes, der Länder, der Sozialversicherungs-
Das ist sozusagen unsere Normalprognose.
das japanische Modell nachgeahmt haben, haben
wird durch Einzelthemen der politischen Dis-
träger usw. Diese Transferzahlungen – etwa 100
Ich möchte nicht verschweigen, dass die Risiken
mit denselben Problemen zu kämpfen. Allein
kussion. Ich erinnere mich an die Diskussion
Millionen DM pro Jahr – enthalten eine extrem
einer wirtschaftlichen Entwicklung nach unten
mit einer kontinuierlichen Defizitfinanzierung,
über die deutschen Ladenöffnungszeiten, die im
hohe Konsumkomponente. Das heißt, aus poli-
in den USA höher sind als in Europa. Dies hängt
wie sie in Japan erfolgt, kann man derartige Pro-
Ausland als Kennzeichen für die Rigidität des
tischen Gründen geht ein großer Teil dieser
Von außen her werden die anhaltenden
Belastungen der deutschen Volkswirtschaft durch
„Es wäre ein Fehlschluss, von
einer New Economy zu sprechen,
wenn man damit das Ende von
Konjunkturzyklen, von Inflation
und von Arbeitslosigkeit meint.“
21
Deutschland im internationalen Wettbewerb: Die Außenansicht
Dr. Herwig Schlögl
Transfers letztlich in den Konsum, sprich: in den
werbsfähigkeit Deutschlands, Frankreichs und
Defizitausgleich West/Ost bei der Rentenversi-
anderer wichtiger europäischer Länder hängt
cherung und der Arbeitslosenversicherung. Meine
auch vom Erfolg der europäischen Politik und
Experten sagen mir, dass dies zukünftig auch bei
der künftigen europäischen Integration ab. Dazu
der Krankenversicherung der Fall sein wird.
gehört mit an erster Stelle der Erfolg des Euro.
Die deutsche Vereinigung ist im ökonomischen Sinne eine Hypothek im Hinblick auf die
Ich glaube, die Zukunft des Euro wird
nis erregend ist – die OECD wird in ihrem neuen
entscheidend davon abhängen, ob wir in Politik
Länderbericht Deutschland darauf hinweisen –,
und Wirtschaft mehr Konvergenz in Europa
dass der Aufholprozess der neuen Länder offen-
haben werden oder wieder zu mehr Divergenz
sichtlich ins Stocken geraten ist. Die Politik
kommen. Genau diese Tendenzen werden mei-
muss sehr sorgfältig über Struktur und Höhe der
nes Erachtens von den internationalen Devisen-
Transferleistungen nachdenken.
märkten sehr, sehr sorgfältig beobachtet.
Hinsichtlich der anderen Bereiche der
Es geht nicht nur um die Reformfähigkeit
deutschen Politik und anderer Elemente der
Deutschlands, sondern es geht auch um die Re-
Wettbewerbsfähigkeit gibt es vonseiten der
formfähigkeit der Europäischen Union; das
OECD einige Warnungen. Wir erkennen, dass
brauche ich hier nicht weiter auszuführen. Ein
die Gefahr besteht, insbesondere im Bereich der
ganz entscheidender Bereich im ökonomischen
Flexibilisierung der Arbeitsmärkte das Rad zu-
Sinne ist auch die Agrarpolitik. Sie stellt eine ex-
mindest partiell zurückzudrehen.
trem hohe ökonomische Belastung für die Wett-
men an sich ist beachtlich, gestützt auf mäßige
bewerbsfähigkeit und die Zukunftsfähigkeit
Deutschlands und Europas dar.
Lohnabschlüsse, die den Vorteil haben, dass sie
Mein Fazit lautet, dass Deutschland in
zum Teil längerfristig vereinbart sind. Dies ist
der Tat auf dem Weg ist, in einer Reihe von Be-
ein Wettbewerbsvorteil im System. Das darf
reichen zu reformieren, dass Deutschland,
man nicht verschweigen.
wenn man sich die Wirtschaft anschaut, in Eu-
Positiv wirken die Produktivitätszuwäch-
ropa „second to none“ ist. Deutschland sollte
se und last, not least die Schwäche des Euro.
weiterhin an dem Grundsatz festhalten, sich
Im Hinblick auf die Lohnstückkosten ist seit
am internationalen Kontext zu orientieren, ins-
1995 eine beachtliche Stabilität festzustellen.
besondere an der Dynamik und der Innovati-
Dies trägt natürlich zur Wettbewerbsfähigkeit
onskraft in den USA. Insofern meine ich: Die
Deutschlands bei.
Situation in Deutschland und die Perspektiven
Lassen Sie mich abschließend noch etwas
zu Europa und zum Euro sagen. Die Wettbe-
22
nicht bestanden.
globale Rolle der deutschen Wirtschaft. Besorg-
Die Wettbewerbsfähigkeit der Unterneh-
„Die deutsche Vereinigung ist im
ökonomischen Sinne eine Hypothek im Hinblick auf die globale
Rolle der deutschen Wirtschaft.“
Der Euro hat seinen abschließenden Test noch
Deutschlands sind gut, aber nicht so gut, dass
man zur Selbstgefälligkeit übergehen könnte.
Nationale Blockaden: Zur Neudefinition der Rolle des Staates
Prof. Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt, Deutsche Bank Gruppe, Frankfurt am Main
eine sehr verehrten Damen! Meine Her-
päische Staatensystem beruhte bis zum Westfäli-
ren! Gilt „panta rhei“ auch für die res
schen Frieden auf der Idee der Universalitas, also
publica? Nach gängiger Auffassung steht das
dem Anspruch und dem Selbstverständnis einer
Modell des 19. Jahrhunderts, der Nationalstaat,
europäischen Ordnung mit einer Führungsmacht.
ebenso wie das Modell des 20. Jahrhunderts,
Regelwerke als Basis für Staaten und ihre
der Wohlfahrtsstaat, auf dem Prüfstand. Wie
Abgrenzung gegeneinander sind ebenso neu. Sie
lautet die Antwort im 21. Jahrhundert ange-
sind eine Erfindung des 19. und 20. Jahrhunderts.
sichts der Realität der Globalisierung? Wie kann
Zumindest erfolgte ihre Verwirklichung erst zu
dem Einzelnen im 21. Jahrhundert im Rahmen
dieser Zeit. Handel und Industrialisierung waren
dieser Realität Schutz geboten werden?
die Faktoren, die Standards erzwungen haben,
M
Es gibt viele, die der Globalisierung mit
Sorge entgegentreten, gar Angst vor ihr haben.
die Bildungssysteme herausforderten, die die
Sprache zu einem wichtigen Medium machten.
Der Bestseller zu diesem Thema trägt deshalb in
Der Nationalstaat also doch nicht die
seinem Titel auch den Begriff „Globalisierungs-
Norm, doch nicht das Normale? Wodurch wer-
falle“. Dies suggeriert, dass es früher einmal so
den die Grenzen des Nationalstaats heute gebil-
etwas wie den wirklich souveränen National-
det? Die Kongruenz zwischen gesellschaftlichen,
staat gegeben hat. Aber es war wohl auch im 19.
wirtschaftlichen und politischen Räumen ist zer-
Jahrhundert so, dass Toleranz und Kooperation
stört. Es gibt gesellschaftliche und wirtschaft-
der Nachbarn relevant waren. Autarkie war im-
liche Wirklichkeiten, die jenseits des Nationalen
mer nur eine Notlösung und nie eine wirkliche
liegen. Neu ist die Delegation staatlicher Funkti-
Option staatlichen Handelns. Auch im Verhält-
on an internationale Organisationen wie den In-
nis zum Individuum herrschte der Staat nicht
ternationalen Währungsfonds und die Welt-
unbeschränkt: Selbst in der Diktatur gab es
handelsorganisation. Aber demgegenüber haben
Nischen individueller Freiheit.
wir noch sehr oft politisch die Begrenzung ge-
Historisch betrachtet scheint mir der Na-
nau auf diese Einheit.
tionalstaat zumindest in Europa nicht naturge-
Die Nationalstaaten haben nach den Er-
wachsen zu sein. Für mich ist der Nationalstaat
fahrungen der Kriegs- und Zwischenkriegszeit
in Europa, mit einer größeren historischen Elle
unter amerikanischer Führung die Macht in in-
gemessen, das eigentliche Artefakt, insbesondere
ternationalen Organisationen zu teilen gelernt.
der ethnisch definierte Nationalstaat. Wir sind
Das ist die eine Wirklichkeit, die zu ignorieren
der Raum der Völkerwanderungen. Das Römi-
nicht lohnt. Eine zusätzliche neue Wirklichkeit,
sche Reich, das Heilige Römische Reich Deut-
verbunden mit dem Stichwort Globalisierung,
scher Nation, Habsburg, das Commonwealth
ist die Einflussnahme durch multinationale Fir-
sind Wirklichkeiten, die mit der exzessiven Beto-
men und Nichtregierungsorganisationen. Sind
nung des souveränen Nationalstaats offenkun-
wir mit diesen Nationalstaaten, die zum Teil
dig nicht so recht zusammenpassen. Das euro-
Souveränität an internationale Organisationen
„Befinden wir uns in einem Raum, in dem der Nationalstaat ohne Gestaltungskraft ist?“
25
Nationale Blockaden: Zur Neudefinition der Rolle des Staates
Prof. Dr. Norbert Walter
„Der Staat kann Bedingungen
schaffen, um die Gunst mobiler
Faktoren zu gewinnen. Diese
mobilen Faktoren sind Sparer,
Investoren, mobile Arbeitnehmer
und mobile Manager.“
26
und zum Teil an wirtschaftliche und gesell-
dung –, durch die Informationstechnologie und
haben noch immer ihre amerikanische, japani-
das Gelingen der privaten Wirtschaftstätigkeit
schaftliche Spieler verlieren, die nicht demokra-
die Medien. Ich vermute, dass ohne Radio und
sche oder europäische Farbe. Die Finanzmärkte
und für die Befriedigung gesellschaftlicher Wün-
tisch legitimiert sind, in neuen Strukturen ange-
Fernsehen die Schlussakte von Helsinki nicht
sind noch immer in einem enormen Maße seg-
sche dringend brauchen, immer öfter ihrer Na-
kommen? Befinden wir uns in einem Raum, in
ausgereicht hätte, um den Kommunismus zu
mentiert. Wie können wir erklären, dass die Ja-
tur nach international. Sie emanzipieren sich
dem der Nationalstaat ohne Gestaltungskraft
Fall zu bringen.
paner für eine Verzinsung in Höhe von 1,7 Pro-
vom Nationalen. Das gilt zum einen für Fragen
ist? Ich glaube nicht. Der Staat kann in diesem
Aber nicht nur die Ausbildung und die
zent pro Jahr sparen, obwohl es auf diesem Glo-
der Sicherheit. Wer in Europa einen Binnen-
neuen Geflecht Bedingungen schaffen, um die
Informationstechnologie, sondern auch die Ver-
bus offenkundig bessere Alternativen gibt und es
markt schafft, also die Binnengrenzen beseitigt,
Gunst mobiler Faktoren zu gewinnen. Diese mo-
minderung der Transportkosten ist ein entschei-
darüber hinaus weniger gefährdete Papiere als
definiert die Sicherheit als eine europäische Auf-
bilen Faktoren sind Sparer, Investoren, mobile
dender Faktor dafür, dass diese Wirklichkeit
Anleihen der japanischen Regierung gibt?
gabe für die Polizei, die Armee und die Justiz.
Arbeitnehmer und mobile Manager. Diese zu
nicht mehr verdrängt werden kann. Internatio-
Der Nationalstaat hat lange Zeit geglaubt,
Es kann nicht sein, dass man dann, wenn man
attrahieren ist die Schlüsselaufgabe. Ihre Er-
nale Kontakte sind heute weniger Kontakte der
mit der Steuerhoheit ein Instrument in der Hand
den Binnenmarkt will über die politische Union
füllung definiert Gelingen und Erfolg. Das ist
Regierungen und der Administration, sie sind
zu haben, um steuern zu können. Angesichts der
so debattiert, als sei dies eine Option, zu der
auch eine Realität – eine Realität, der man sich
zumeist Geschäftsbeziehungen, akademischer
Mobilität von Produktionsfaktoren reduziert
man Ja oder Nein sagen könnte.
in der politischen Klasse oftmals nicht gerne
Austausch, die Kooperation von NGOs. Der
sich diese Möglichkeit immer öfter auf Steuern
Aber auch die persönliche Unversehrtheit,
stellt, denn sie ist verbunden mit Implikationen,
nationalstaatliche Einfluss ist noch immer vor-
auf immobile Faktoren. Diese werden in einem
also etwas, was durch staatliche Instanzen zu ge-
die mit alten Vorstellungen und alten Regelun-
handen, aber er ist eher zu sichern bei der Be-
Staat, der allokativ das Gestern fördert und dis-
währleisten ist – ich nenne beispielhaft Probleme
gen insbesondere des Wohlfahrtsstaats nicht in
wegung von Personen und physischen Gütern.
tributiv das Risikovermeidende fördert, als An-
der Umwelt und der Ernährung –, wird immer
Einklang zu bringen sind.
Da unsere Welt immer öfter virtuell wird, ist das
griff auf die schützenswerten Rechte angesehen.
sichtbarer zu einer Aufgabe, die durch eine na-
Die Bedeutung der mobilen Faktoren ist
Konzept des nationalstaatlichen Einflusses –
Wir haben also ein Dilemma: Wir können
tionale Einheit nicht zu erfüllen ist. Hier nenne
deshalb so groß, weil damit die Souveränität im
Herr Späth hat darauf hingewiesen – immer
bei der vorhandenen Globalisierung immer öfter
ich nur die Stichworte Terrorismus, Drogen,
Sinne der Weisungsgewalt des Staates und die
seltener wirklich relevant.
faktisch nur immobile Faktoren besteuern, aber
Rinderwahnsinn und Ölpest. Hier liegen offen-
Verlässlichkeit der Besteuerungsbasis nicht
Gleichwohl: Wer erklärt, die Globalisie-
genau dort regt sich der Widerstand. Wie kön-
kundig Sachverhalte vor, die Antworten erfor-
mehr gegeben sind. Wenn der Staat in dieser
rung sei etwas, was sozusagen ohne den Staat
nen Anreize geschaffen werden, wie können
dern, die jenseits des Nationalstaats liegen.
neuen Realität Regeln setzt, die nicht im Ein-
geschehen ist, übertreibt. Der Staat, auch der
Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit
Ähnlich liegen die Antworten, die der
klang mit Präferenzen stehen, ist die Emigration
Nationalstaat, ist Pate für eine der wichtigsten
der Staat durch solche Anreize steuert, anstatt
Staat in Bezug auf die Stabilität der Finanzmärkte
möglich, während früher allein die innere Emi-
Voraussetzungen für diesen Prozess, nämlich
durch Steuern zu steuern? Der Staat kann auch
zu geben hat, in wichtigen Bereichen jenseits des
gration die Option war. Eine innere Emigration
die Liberalisierung. Es gab und gibt eine fortge-
immer öfter nicht mehr autonom wirken beim
Nationalen. Es kann nicht sein, dass die Fusion
hat nicht diese dramatischen Folgen wie die
setzte politische Entscheidung für ein neues Sys-
Setzen von Normen. Er wird immer öfter zum
zwischen der Deutschen Börse und der London
faktische Emigration.
tem. Dieses scheint irreversibel zu sein, weil es
Koordinator und zum Moderator.
Stock Exchange durch das hessische Wirt-
In vielen Fällen braucht es gar nicht mehr
den Interessen der meisten entspricht. Es gibt
Es gibt einen Bereich, der definitions-
schafts- und Sozialministerium gesteuert wird.
zur faktischen Abwanderung zu kommen. Es
keine Volksaufstände gegen die damit verbun-
gemäß, der konstitutiv Aufgabe des Staates
Diese Frage hat mich, wie Sie sich leicht vorstel-
reicht die Drohung der Abwanderung bereits
denen Segnungen.
bleibt: die Kollektivgüter. Das sind diejenigen
len können, in der letzten Zeit durchaus be-
aus, ein verändertes Verhalten der Politik zu
Dies alles hört sich nach kompletter Glo-
Güter, die wir als Private nicht bereitstellen kön-
schäftigt. Für solche Fragen brauchen wir
provozieren. Dies alles ist deshalb so, weil heut-
balisierung, nach kompletter Entgrenzung, dem
nen beziehungsweise wofür es keine Anreiz-
offenkundig europäische Antworten. Wir brau-
zutage die Mobilitätshürden viel niedriger sind:
völligen Abschied vom Nationalen an. Dies ist
strukturen gibt, damit wir sie bereitstellen. Frei-
chen aber eine staatliche Aufsicht. Wir brauchen
durch die Ausbildung – auch die Sprachausbil-
aber falsch. Die meisten multinationalen Firmen
lich werden diese kollektiven Güter, die wir für
für den „lender of last resort“ Antworten. Diese
„Der Staat kann auch immer öfter
nicht mehr autonom wirken beim
Setzen von Normen. Er wird immer öfter zum Koordinator und
zum Moderator.“
27
Nationale Blockaden: Zur Neudefinition der Rolle des Staates
Prof. Dr. Norbert Walter
„Der Nationalstaat wird angeknabbert, aber er ist noch immer
der Eckstein für die Lösungen.“
28
Antworten können aber beispielsweise dann,
Ganz offenkundig findet auf dieser Ebene die
nicht spricht. Jene Länder, die keine Standards
sorge für andere Risiken gibt. Das ist allerdings
wenn immer mehr Banken nicht mehr auf das
kulturelle Gestaltung, die Bildungspolitik, die
haben und wenig Steuern erheben, sind nicht je-
nicht gleichbedeutend mit einer staatlichen Insti-
Geschäft im Heimatland beschränkt sind, son-
Wirtschaftsförderung statt. Diesen Regionen
ne, in denen sich die Unternehmen und die Bür-
tution, die dieses gewährleistet. Dort kann und
dern Global Player oder mindestens europäische
steht nicht nur der eigene Nationalstaat offen,
ger am wohlsten fühlen. Anderenfalls wären die
muss Wahlfreiheit herrschen.
Anbieter sind, nicht mehr auf der nationalen
sondern die Welt. Es ist klar ersichtlich, dass in
Staaten Afrikas sehr viel begehrter. Stabilität
Interessant ist, dass der Widerstand ge-
Ebene verharren.
unserer staatlichen Ordnung gute Bürgermeister,
und Infrastruktur sind entscheidende Faktoren.
gen die Erosion des Nationalstaats von links
Die kollektiven Güter, die der staatlichen
die zum Anfassen sind, wieder gewählt werden
Es ist wichtig, mit ihnen positiv zu wuchern.
und von rechts kommt, dass wir eine Allianz
Einflussnahme bedürfen, die über die Landes-
und Identifikation sowie Akzeptanz auslösen.
Marktwirtschaft und Demokratie sind of-
von nationalen, ökologischen und Verteilungs-
grenzen hinausreichen, erfordern die Abgabe
Dort gibt es eine viel höhere Akzeptanz als für
fensichtlich nicht gleichzusetzen mit dem Ende der
interessen haben und dass diese auf merkwür-
nationaler Souveränitätsrechte. Oder sollte ich
die abstraktere höhere staatliche Ebene. Daher
Geschichte. Wir befinden uns mitten im Wettbe-
dige Weise gegen die Globalisierung koalieren.
stattdessen konstruktiver sagen: Sie erfordern
spricht vieles dafür, dass in der Zukunft hoheit-
werb der Modellvarianten. Die Modellvarianten
Diese Erfahrung haben wir in Seattle machen
das Gewinnen von Souveränität in diesen Fra-
liche Rechte, wo immer möglich, auf dieser Ebene
unterscheiden sich im Grad der Intervention bei
können. Die Verlierer einer solchen Koalition
gen durch gemeinschaftliche Antworten auf
angesiedelt werden sollten, da sie dort verläss-
der Allokation und der Distribution. Die Antwor-
sind vor allem die Ärmeren, aber auch die Be-
diese Herausforderungen?
licher mit den Präferenzen der Bürger in Ein-
ten darauf sind noch nicht endgültig gefunden.
weglicheren und damit am Ende, weil nur die
In dem Moment, da ich es so formuliert
klang zu bringen sind. Dass dies nicht nur ein
Am Ende kommt es auf den Staat und
Beweglicheren etwas voranbringen, alle. Diese
habe, stehe ich sofort vor dem Dilemma, dass
Abstraktum ist, zeigt die sehr lebendige und zu
die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes an.
rückwärts gerichteten Koalitionen von Seattle
solche Antworten die Bürger offenkundig mit ei-
Recht geführte Debatte über den Länderfinanz-
Eine Besserung der Situation wird augenschein-
oder von Prag gilt es deshalb argumentativ zu
nem Identitätsproblem befrachten. Die Bürger
ausgleich in Deutschland.
lich nicht durch eine besonders engagierte
attackieren. Sie sind in ihren Motivationen
wissen nicht, wer für sie steht, an wen sie sich
Der Nationalstaat wird angeknabbert,
Industriepolitik bewirkt, sondern immer öfter
ernst zu nehmen, aber hinsichtlich ihrer Instru-
wenden sollen. Europa beispielsweise ist offen-
aber er ist noch immer der Eckstein für die Lö-
durch die Verbesserung der Möglichkeiten für
mente sind sie nicht zu akzeptieren.
kundig zu fern. Europa ist aber nach meiner
sungen. Eine Weltregierung ist weder wahr-
die Individuen und die Firmen. Es kommt ent-
Mit dem, was ich beschrieben habe, habe
Einschätzung für diese Frage ein außerordent-
scheinlich noch ist sie wünschenswert. National-
scheidend – hier kann ich das Plädoyer von
ich deutlich gemacht, dass auch die Staaten,
lich fruchtbares Übungsfeld für die Welt.
staaten, die den beschriebenen Herausforderun-
Herrn Späth nur vehement unterstützen – auf
nicht nur die Unternehmen und nicht nur die
Die Fragen, die ich eben beschrieben habe,
gen zügig, entschlossen und kreativ entsprechen,
folgende Faktoren an: Erziehung, Forschung
Arbeitnehmer, im Wettbewerb stehen. Bei aller
sind keine typisch europäischen Fragen; sie sind
haben im Wettbewerb einen Vorteil, sie können
und Motivation zum Strukturwandel. Bei letz-
Bereitschaft zum Vergleich: Der Staat ist konsti-
internationale Fragen. Aber kaum jemand, we-
eine Vorbildfunktion erfüllen.
terem Punkt sind natürlich insbesondere die
tutionell etwas anderes als ein Unternehmen.
Unternehmer angesprochen.
Der Staat in der Demokratie erfordert die Ab-
der in Amerika noch in Asien, hat im Verlauf
Viele befürchten, dass die Globalisierung
der letzten 50 Jahre so viele konstruktive Erfah-
und der Wettbewerb, unter den Nationalstaaten
Ich glaube, es muss noch etwas hinzutre-
stimmung. Dort ist die Abstimmung konstitu-
rungen gesammelt, wie man es machen kann
einerseits und zwischen den Nationalstaaten
ten: Eine staatliche Ordnung, die dauernd über
tiv. Dort ist deshalb Geschwindigkeit nicht al-
und wie man es nicht machen sollte, um in
und internationalen Organisationen, aber auch
die Zukunft redet, muss die Zeitpräferenz, wel-
les. Abstimmung erfordert Zeit. Wenn wir in
dieser Frage voranzukommen, wie die Europäer.
den Regionen andererseits, dazu führen, dass die
che die Menschen haben, notfalls korrigieren.
der Wirtschaft dieses nicht akzeptieren, wenn
Der Nationalstaat wird aber nicht nur
Staaten im Wettbewerb zu immer niedrigeren
Ich überlasse es jedenfalls nicht den Einzelnen,
wir nicht begreifen, dass der Staat immer
durch die Globalisierung angeknabbert, er wird
Standards und zu immer niedrigeren Steuern
obwohl ich ein entschlossener Marktwirtschaft-
langsamer sein muss und sein wird als die Un-
auch angeknabbert von den Regionen, in
Zuflucht nehmen, dass es also einen Wettbe-
ler bin, ob sie für ihr Alter vorsorgen. Ich halte
ternehmen, tendieren wir zu falschen Lösungen.
Deutschland von den Ländern oftmals sogar
werb hin zum Minimalstaat gibt. Die Antwort
es für sachgerecht, dass es eine obligatorische
Das bedeutet natürlich nicht, nicht nach Lö-
von den darunter liegenden lokalen Einheiten.
darauf lautet, dass die Evidenz dafür überhaupt
Verpflichtung zur Altersvorsorge und zur Vor-
sungen zu suchen, wie der Staat im Rahmen
„Der Staat ist konstitutionell
etwas anderes als ein Unternehmen. Der Staat in der Demokratie
erfordert die Abstimmung.“
29
Nationale Blockaden: Zur Neudefinition der Rolle des Staates
Prof. Dr. Norbert Walter
dieser Abstimmungsnotwendigkeiten effizien-
besser ist, erst zu handeln und dann zu denken,
Es scheint mir falsch zu sein, über den Staat
Es ist erkennbar, dass das Denken jenseits des
ter werden kann. Dafür gibt es wahrlich viele
ob es nicht besser wäre, erst zu denken und dann
und unsere gesellschaftliche Verfasstheit in Zu-
Nationalstaats bei Politikern mittlerweile eben-
Beispiele und Gelegenheiten.
zu handeln. Dies gilt namentlich für Technolo-
kunft zu sprechen, ohne etwas über die Baustei-
so wenig ausgeprägt ist wie bei der Bevölke-
Wie überwinden wir unsere Blockaden?
gien, deren Folgen nur schwierig abzuschätzen,
ne, die sozusagen das Gewebe darstellen, zu
rung insgesamt. Ich befürchte fast, dass meine
Durch Herrn Späth als lauten Wecker der Gesell-
aber für viele Lebensbereiche potenziell drama-
sagen. Ich glaube, dass es immer wichtiger
Generation ihren Kindern nicht vermitteln
schaft? – Ich wünschte es, aber ich glaube es
tisch sind, wie z. B. die Gentechnologie.
wird, die Familie für wichtiger zu halten, als die
kann, dass man für Europa arbeiten muss, um
nicht. Ich glaube, dass die Krise als Auslöser not-
Offenkundig ist, dass die Konsensgesell-
68er-Generation glaubte. Ich denke, wenn wir
die Integration aufrechtzuerhalten. Ich befürchte,
wendig ist. Wir haben bezüglich der Altersver-
schaft unseres Landes ein ideales Modell war –
dies nicht von uns aus begreifen, wird der sich
dass der Rückfall in nationalstaatliche Konzepte
sorgung und der demographischen Entwicklung
ich betone: war. Ein australischer Kollege hat es
verbreitende Islam unseren westlichen Gesell-
näher liegt, als viele von uns meinen.
eine volle Generation verschlafen. Wie soll ich
einmal sehr gut formuliert, indem er sagte: Euer
schaften diese Erkenntnis vermitteln. Es sollte
Was folgt aus alledem? Der Nationalstaat
darauf hoffen, dass Einsicht unter solchen Um-
Gesellschaftsmodell ist hervorragend geeignet für
nicht der Nationalstaat sein, der den Menschen
ist nicht überflüssig, muss aber seine Rolle neu
ständen zu Antworten führt? Ich glaube schon,
Fahrten auf der perfekten Autobahn in einem S-
einen vertrauten Orientierungspunkt, das Ge-
definieren. Auch Staaten müssen sich auf Kern-
dass es am Ende der Krise bedarf, um die Refor-
Klasse-Mercedes, aber verdammt ungeeignet für
fühl der Zugehörigkeit, Halt in einer turbulen-
aufgaben konzentrieren, Entscheidungsprozesse
men zustande zu bringen. Wohlstand macht de-
den Knüppeldamm oder eine schlammige Straße.
ten Welt gibt, sondern die Familie.
straffen, den geringeren Handlungsspielraum
fensiv, fördert Schutzinteressen und macht träge.
Unsere Konsensgesellschaft fährt leiden-
Der Nationalstaat ist ein gewünschter Fix-
effizient nutzen. Gleichzeitig muss es selbstver-
schaftlich bei unverwandtem Blick in den
punkt, seine Bedeutung sollte aber nicht über-
ständlich werden, Aufgaben, wo nötig, an regio-
Es gibt offenkundig auch noch so etwas
Rückspiegel. Das ist eine rücksichtsvolle Art
schätzt, nicht überbetont werden, droht doch
nale Institutionen und internationale Orga-
wie nationale Charaktere: Aufgeschlossene,
des Fahrens, aber nicht geeignet bei dichtem
immer die Gefahr eines übersteigerten Nationa-
nisationen zu delegieren. Ist das neue Modell,
Neugierige, Mutige. Eine Bürgermeisterin von
Verkehr und vor allem dann, wenn die Straße
lismus, des Chauvinismus. Die Globalität erfor-
von dem ich gesprochen habe, die Triade mit
Köln hat mir einmal gesagt, es sei nicht verwun-
kurvig wird. Unser Korporativismus ist nicht
dert gerade die Überwindung der Leitkulturmen-
Amerika, Europa und Asien als Pfeilern, aufge-
derlich, dass wir anders seien als die Amerika-
geeignet, diesen Umbruch frühzeitig zu erken-
talität. Wir brauchen stattdessen Verfassungs-
baut aus nationalen Modulen, deren regionale
ner. Schließlich seien diejenigen, die besonders
nen und zu begleiten.
patriotismus. Einen solchen brauchen wir aber
Unterschiedlichkeit ihren Reichtum ausmacht
Neben der Konsensgesellschaft steht auch
nicht allein auf der nationalen Ebene, sondern
und den Wunsch der Bürger nach Nähe be-
jene andere deutsche Spezialität, der Föderalis-
auch auf europäischer. Das, was ich in den letzten
friedigt, unser neues Modell? Ich glaube, ich
Ich will das nur zitiert haben und mir nicht
mus, auf dem Prüfstand: Steckt auch dieser in
Tagen über die Europäische Grundrechte-Charta
habe es nur unzureichend beschrieben. Deshalb
ganz zu Eigen machen, denn ich bin ja auch noch
der Krise? – Meine Antwort lautet: ja und nein.
lesen durfte, scheint mir viele gute, wichtige und
möchte ich abschließend in einem Satz zusam-
immer hier. Wir sollten durchaus auch das „vote
Wir brauchen für unsere staatliche Ordnung
weiterführende Elemente zu enthalten – gleich-
menfassen, worauf ich setze: Ich setze darauf,
by non exit“ so vieler Talente als Ausdruck dafür
sicherlich nicht die Abschaffung des Föderalis-
zeitig aber auch zu viele den Status quo vertei-
dass der Nationalstaat im 21. Jahrhundert auf
nehmen, dass der Standort Deutschland offen-
mus, aber seine Umgestaltung: weg mit den Ge-
digende Artikel. Das sind die Artikel, die in
dem Weg ist zu „verschweizern“. Eine Währung
sichtlich Hoffnung begründet. Man darf trotz
meinschaftsaufgaben, klare Zuordnung von
der zweiten Hälfte dieser Charta zu finden sind.
und ein internationaler Finanzplatz, eine Armee,
des Erfolges der Amerikaner in den 90er-Jahren
Verantwortung und finanzielle Anreize für gutes
50 Jahre Frieden in Europa – zu lange, um
viele Sprachen, starke Kantone mit finanzpoli-
hin und wieder durchaus fragen, ob es wirklich
Verhalten, also auch in diesem Sinne Wettbewerb.
unseren Einigungswillen fortdauern zu lassen?
tischer Autonomie und viel Bürgersinn.
Heterogenität macht die Entscheidung schwer.
„Ich glaube schon, dass es am
Ende der Krise bedarf, um die
Reformen zustande zu bringen.
Wohlstand macht defensiv,
fördert Schutzinteressen und
macht träge.“
gut zu Fuß waren, ausgewandert. Hier geblieben
seien nur die Fußkranken.
30
„Die Globalität erfordert gerade
die Überwindung der Leitkulturmentalität. Wir brauchen stattdessen Verfassungspatriotismus –
auch auf europäischer Ebene.“
31
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest, Kronberg im Taunus
Meine Damen
zeugen, dass wir diese Handlungsfähigkeit nicht
und Herren, wir sollten uns bei der Diskussion
mehr besitzen, dass wir sie zurückgewinnen
auf ein paar Gesichtspunkte konzentrieren, die
müssen und dass wir sie auch zurückgewinnen
bisher immer wieder aufgetaucht sind: Es geht
können. Da sind viele gefordert, wir auch.
zum einen um überholte Strukturen und hinter
David Marsh:
ihnen zum anderen auch um überholte Denkwei-
kung zu Europa. Mir als einem wohlwollenden
sen. Ferner war von den zurückgehenden Steue-
benachbarten Ausländer scheint es ein Parado-
rungsmöglichkeiten der Nationalstaaten die Re-
xon zu sein, dass nun die gemeinsame europäi-
de. Für viele lautet die Alternative: Wenn die
sche Währung existiert, aber niemand in der
Staaten einem gewissen Maß an Flexibilität nicht
Lage ist, sie richtig einzusetzen. Versagt hier die
genügen, kann man abwandern, denn es gibt
Politik? Wir benutzen dieses Instrument nur,
Vernetzungen ganz abseits der staatlichen Ebene.
um Riesensummen Euro auf den Kapitalmärk-
Immer wieder tauchte die Frage auf: Hin-
ten aufzunehmen und dann in den USA statt in
ken die Staaten – das gilt nicht nur für Deutsch-
Europa Investitionen zu tätigen. Wie kann man
land – allzu sehr den Entwicklungen hinterher?
dies erklären?
Prof. Dr. h. c. Joachim Fest:
Zunächst eine kleine Bemer-
Wie lässt sich die Lücke zwischen den Entwick-
Ich muss mit Herrn Walter ein wenig ins
lungen in der Wirtschaft und den Entwicklungen
Gericht gehen, weil er behauptet hat, es werde
im politischen Bereich schließen? Von der Wirt-
eine gewisse Krise benötigt, damit in Deutsch-
schaft her wird immer mehr Flexibilität gefordert.
land überhaupt etwas passiert. Ich glaube,
Sollte man diese Forderung nach mehr Flexibi-
Deutschland ist gegen Krisen gewappnet, und
lität nicht auch an die staatliche Ebene richten?
zwar aus guten Gründen. Deutschland war doch
Unser heutiges Thema
in den ersten Jahren des vergangenen Jahrhun-
lautet: „Handlungsfähigkeit zurückgewinnen:
derts Weltmeister, was Krisen angeht; jetzt soll
Deutschland zwischen Globalität und natio-
Deutschland so undynamisch und handlungs-
nalen Blockaden“.
unfähig sein, dass man nicht mehr in der Lage
Dr. Ger t Dahlmanns:
Ich meine, der eigentliche Imperativ für
ist, eine richtige Krise herbeizuführen?
Deutschland und vielleicht auch für Europa
Ich finde, das ist gut so. Deutschlands
lautet: Handlungsfähigkeit zurückgewinnen!
Stärke liegt in der Herbeiführung einer gewis-
Mit der Frage, was dem entgegensteht, betreten
sen unterschwelligen Katharsis. In den Betrie-
wir eine riesige Bühne. Wir sollten den Schein-
ben gibt es jeden Tag sozusagen Revolutionen.
werfer auf einen einzigen Punkt auf dieser Büh-
Daher rührt ja auch die Wettbewerbsfähigkeit
ne richten, nämlich auf den Souverän, den Bür-
der deutschen Industrie.
ger, den Wähler. Wir werden mit allen unseren
Ich glaube, in Zukunft müssen Sie diese
Bemühungen und allen richtigen Analysen nicht
Kombination aufrechterhalten: für die Außen-
ohne Krise zum Ziel gelangen, wenn es nicht
welt eine gewisse Fassade einer scheinbaren
gelingt, den Bürger, den Wähler davon zu über-
Lähmung, damit der Euro richtig unterbewertet
„Wir sind schon viel zu lange auf dem Weg der Konsensgesellschaft vorangeschritten.“
33
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
bleibt, aber innerhalb des Landes eine Fortset-
haben wollen, müssen wir den Sozialstaat to-
den eigentlich gar nicht dargestellt. Die Frage
europäischen Rahmen meine Handlungsfähig-
zung der Reformen in den Betrieben, die jeden
tal verändern. Das wollen wir aber auch nicht.
ist, warum die Politiker so wenig risikobereit
keit sehr viel geringer. Wir klagen darüber, dass
Tag landauf, landab bewerkstelligt werden. Wei-
Wenn der Nationalstaat so sehr an Bedeutung
sind, denn sie müssten ja den Strukturwandel
Europa nicht so gut funktioniert, dass der Euro-
ter so mit dieser gelungenen Kombination!
verliert – Herr Walter, Sie werden wohl Recht
durch die Gesetzgebung beschleunigen. Mir fällt
Kurs niedrig ist. Wir sollten aber feststellen,
Herr Marsh,
haben mit dieser Feststellung –, müssen wir
auf, dass die Menschen mit kreativer Fantasie,
dass es den Euro immerhin gibt. Wenn ich mir
ich habe meine Zweifel, ob diese Kombination
dann nicht bestimmte Dinge, die jetzt staatlich
die Innovatoren, die Unternehmer – manche
anschaue, wie ich mich heutzutage in Europa
auf Dauer so gelungen sein wird. Aber das bleibt
geregelt sind, internationalisieren? Sie haben auf
nennen sie auch Spinner – immer in der Minder-
und darüber hinaus bewegen kann, finde ich,
abzuwarten.
Europa hingewiesen; das stimmt. Es ist bisher
heit sind. Wenn man der Minderheit hilft, ist das
dass wir gegenüber früher enorme Fortschritte
Herr Walter hat gesagt, es bedarf der Krise,
mit Ausnahme Ihrer Bemerkung zu Seattle kein
nicht notwendigerweise die Grundlage für den
gemacht haben.
um unsere Probleme zu lösen. Ich stimme ihm
Wort gesagt worden zu den internationalen Re-
nächsten Wahlerfolg. Die Mehrheit ist eher –
Der Fragestellung, wie wir noch hand-
zu. Wir erleben im Augenblick, dass Reform-
geln, insbesondere Wettbewerbsregeln, um die
nicht im politischen Sinne gemeint – konser-
lungsfähiger werden können, würde ich mich
ansätze gehandelt werden, die als Reform be-
man die außenhandelspolitischen Regeln viel-
vativ, erhaltend, Besitzstände wahrend, nicht Be-
sofort anschließen. Aber den negativen Grund-
zeichnet werden, in Wirklichkeit aber Rück-
leicht ergänzen muss.
sitzstände riskierend.
ton finde ich nicht richtig. Jeder weiß, dass wir
D r. O t t o G r a f L a m b s d o r f f :
„Es ist gar nicht politically correct, etwas gegen die Konsensgesellschaft zu sagen. Ich halte sie
aber für einen höchst bedenklichen Weg.“
34
schritte sind. Sowohl Herr Späth als auch Herr
Nach der Konferenz von Seattle hatte ich
Deshalb fürchte ich, dass auch das Partei-
viele Probleme zu lösen haben, dass vieles sehr
Schlögl haben auf die Vorgänge auf dem Ar-
einen Briefwechsel mit der Leitung von Green-
ensystem dazu führt, dass Änderungen erst mit-
verbesserungswürdig ist. Aber wir sollten dabei
beitsmarkt hingewiesen. Sie haben verheerende
peace. Es ist in der Tat erforderlich, die Seattle-
hilfe einer Krise möglich sind, während in den
nicht außer Acht lassen, dass im Ganzen ge-
Auswirkungen. Das schöne deutsche Wort „not-
Koalition mit Argumenten zu attackieren. Aber
weniger regulierten Staaten dieser Bereich von
sehen die Chancen und Möglichkeiten, die wir
wendig“ bedeutet ja, dass immer erst die Not
niemand kümmert sich darum, es geschieht über-
Chancen und Risiken privatisiert ist. Wir disku-
heute haben, größer sind als früher. Wir beschäf-
etwas wendet, obwohl man vorher erkennen
haupt nichts. Die deutsche Politik rührt sich nicht
tieren darüber, verhindern es und stellen, nach-
tigen uns vielleicht zu sehr mit der Fragestel-
kann, dass man es anders machen müsste.
hinsichtlich der Fragen von Seattle und der WTO.
dem die anderen die Innovationen durchgeführt
lung, ob wir die gegebenen Chancen zu wenig
Ich halte das für eine Folge der Konsensge-
Es wird während der Amtszeit des derzeitigen Ge-
und das Risiko getragen haben, fest, dass auch
nutzen. Diese Fragestellung ist in Ordnung, aber
sellschaft. Wir sind damit bisher sehr gut gefah-
neraldirektors der WTO keine Gipfelkonferenz
Chancen vorhanden sind. Wir sind zu Ex-post-
wir müssen auch berücksichtigen, dass uns sol-
ren. Es ist gar nicht politically correct, etwas ge-
mehr geben können. Das alles liegt im Argen.
Innovatoren geworden. Das Ausland macht uns
che Chancen überhaupt gegeben sind. Wir nut-
gen die Konsensgesellschaft zu sagen. Ich halte sie
Pr of. Dr. Gerhar d Pr osi:
Die Frage ist, wa-
vor, wie man Chancen ergreift; anschließend tun
zen sie auch in erheblichem Umfang.
aber für einen höchst bedenklichen Weg, auf dem
rum sich die Strukturen nicht anpassen, warum
wir es dann auch. Denken Sie beispielsweise an
Rüdiger von Voss:
wir schon viel zu lange vorangeschritten sind. Ich
wir keine Evolutionen haben, sondern Krisen,
die Biotechnologie, an den so genannten Jobkil-
ten Buch von Odo Marquard mit dem Titel
brauche Ihnen nicht zu erklären, was seit der Kon-
Revolutionen brauchen. Herr Walter sagte, es
ler Mikroelektronik, dessen Entwicklung wir
„Philosophie des Stattdessen“ ein Kapitel über
zertierten Aktion und dem Bündnis für Arbeit
wäre vielleicht ganz gut, erst zu denken und
früher verhindert haben. Überall sind wir zu rei-
die „Kompensationstüchtigkeit“, in dem der
unter diesem Titel alles veranstaltet worden ist.
dann zu handeln. Könnte das vielleicht einer der
nen Imitatoren geworden. Herr Walter, vielleicht
Verfasser ausführt, dass die Globalisierung
Es liegt mir daran, Herrn Walter zuzustimmen:
Gründe sein? Wir wägen immer die Risiken ab,
müssen wir manchmal doch erst handeln und
kompensatorische Antworten stimuliert. Auf
Auch ich bin Marktwirtschaftler, jedenfalls
stellen immer die Probleme dar und verschlafen
dann über die Risiken nachdenken.
der einen Seite ist eine verstärkte Individualisie-
nehme ich das für mich in Anspruch; ich bin
darüber die Chancen.
Pr of. Dr. Hans Joachim Langmann:
„Wir sind zu Ex-post-Innovatoren
geworden. Das Ausland macht
uns vor, wie man Chancen ergreift; anschließend tun wir es
dann auch.“
Es gibt in dem lesenswer-
Mein
rung festzustellen, auf der anderen Seite als Ant-
sogar ein Liberaler – aber er hat völlig Recht,
In den Medien werden die potenziellen
Eindruck ist, dass ein zu negativer Grundton
wort auf die Europäisierung die Regionalisierung.
wenn er von der Verpflichtung zur privaten
Risiken einer Neuerung dargestellt. Miesmachen
vorherrscht. Ich finde, ich verfüge über eine sehr
Ich schließe nicht aus, dass die unruhige politi-
Vorsorge spricht. Anderenfalls geht das zu-
bringt vielleicht Stimmen. Die schlechte Nach-
große Handlungsfähigkeit. Vor zehn oder zwölf
sche Entwicklung unserer Zeit einen Hinweis
lasten der Gesellschaft. Wenn wir das nicht
richt ist die gute Nachricht. Die Chancen wer-
Jahren war sowohl im nationalen als auch im
darauf liefert, dass es noch nie so notwendig
35
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Wir werden nach der Fusionswelle möglicherweise erleben,
dass große Einheiten auseinander brechen, weil sie nicht
beherrschbar sind.“
war wie heute, einen handlungsfähigen Staat
Wir werden nach der Fusionswelle mög-
Das Gefühl der Bürgerinnen und Bürger besagt,
Deutschland ein so perfektioniertes Arbeits-
zurückzuerobern. Europa wird uns ja bei der
licherweise erleben, dass große Einheiten ausei-
eigentlich ist die Welt ganz in Ordnung. Wir kön-
und Tarifrecht haben. Ich habe gestern gehört,
Lösung der Rentenfrage ebenso wenig helfen
nander brechen, weil sie nicht beherrschbar
nen den Gutachten allerdings entnehmen, dass es
im Bundestag werde ein Hörgeräteakustiker-
wie bei der Reform der Sozialsysteme. Also
sind. Ich glaube, deshalb müssen wir in anderer
im Hinblick auf die Beschäftigungsdynamik in
schutzgesetz beraten. Ich weiß nicht, ob es
muss der Staat handlungsfähiger werden. Wir
Weise als bisher über den Staat nachdenken.
anderen Ländern besser aussieht als bei uns.
stimmt, aber geglaubt haben es alle. Jede Grup-
müssen dazu beitragen, dass die politischen
Prof. Dr. h. c. Joachim Fest:
Herr von Voss,
Die Politiker sind auch deshalb ängstlicher
pe, jeder Interessenverband bekommt die ge-
Prozesse auch in dem Dialog zwischen Staat
kann es nicht sein, dass der Einfluss der Natio-
geworden, weil es die Erfahrungen aus den Jah-
wünschte gesetzliche Normierung zur Absiche-
und Gesellschaft so ablaufen, dass eine Stär-
nalstaaten zurückgeht und dennoch nichts an
ren 1998 und 1999 gegeben hat. Die frühere Bun-
rung des eigenen Bereichs. Dabei leben wir in
kung des Staates ermöglicht wird. Die Gruppen
ihre Stelle tritt?
desregierung hat 1998 viele Veränderungen vor-
einer Zeit der Deregulierung, der Entbürokrati-
werden es allein nicht schaffen; sie sind auch
Christian Wulf f:
Ich fühle mich zu einer Aus-
genommen und ist dafür abgewählt worden. Die
sierung und der Verschlankung.
im Bündnis für Arbeit nicht ausreichend hand-
sage ermutigt, weil hier die Frage gestellt wurde,
jetzige Bundesregierung hat 1999 eingeräumt,
Die Bürgerinnen und Bürger haben Angst,
lungsfähig, um eine für alle Bürger legitimierte
warum die Politik so ängstlich sei, so wenig mu-
dass Veränderungen doch erforderlich sind.
wenn der rechtliche Schutz vermeintlich verrin-
und überzeugende Korrektur auf den Weg zu
tig, die Handlungsfähigkeit zu reklamieren und
Dafür wurde sie bei den Wahlen 1999 abgestraft.
gert wird, und sehen nicht die Chance, die darin
bringen.
Veränderungen voranzutreiben. Ich glaube, dass
Wer erklärt, dass sich bei der Rente etwas
stecken kann. Hier scheint mir die Kernaufgabe
Ich glaube trotz aller weltweiten Überle-
eine Gesellschaft in einer Krise mit großen Pro-
tun muss, dass es Kürzungen und Einschrän-
der Gesellschaftspolitik zu liegen.
gungen nicht, dass der Nationalstaat überflüssig
blemen, die offenkundig sind, Veränderungen
kungen geben muss, wird abgewählt. Wer hin-
Eckhar t Thomas:
wird. Ich glaube eher, dass es zu einer – wenn
leichter durchsetzen kann als eine Wohlstands-
gegen erklärt, das alles müsse nicht so schlimm
fen, was Herr Langmann gesagt hat. Auch ich
auch zeitlich verlagerten – Rückbesinnung auf
gesellschaft. Nach dem Krieg hat sich jeder auf
werden, wird gewählt. Dabei spielt keine Rolle,
bin der Meinung, wenn ich mich in meinem un-
die Notwendigkeit staatlicher Strukturen kommt,
das Morgen, auf die nächsten Jahre, auf die Zu-
von welcher Partei solche Äußerungen jeweils
ternehmerischen Umfeld umsehe, dass das Glas
auf die Notwendigkeit von Obrigkeit. Das halte
kunft überhaupt gefreut, weil es ja nur besser
kommen. Hier gibt es ja auch Variationsmög-
halb voll und nicht halb leer ist. Ich kann als be-
ich nicht für ausgeschlossen. Je stärker die Glo-
werden konnte. Wenn es vielen Menschen im
lichkeiten. Das ist ein echtes Problem für den
sonders rühmenswertes Beispiel dafür die Stadt
balisierung um sich greift, desto unvermeid-
Lande gut geht, fürchten sich viele vor dem
Umgang mit den Wählern.
Frankfurt anführen, die es geschafft hat, den
licher wird es, dass die Bürgerinnen und Bürger
Morgen, vor der Zukunft, weil es ihnen ja auch
Was bedeutet das für diejenigen, die Ver-
Neubau einer Großdruckerei, bei der wir drucken
nach einer neuen Heimat suchen und nicht nur
schlechter gehen könnte und weil Besitzstände
änderungen für notwendig erachten? Ich glaube,
lassen, innerhalb von sechs Wochen nach Stel-
verwiesen sein wollen auf den Staat als den
ins Wanken geraten könnten.
man muss dem Einzelnen eine Verheißung bie-
lung des Bauantrags zu genehmigen. Wer hätte
Insofern ist es ein tagesaktuelles Problem,
ten. Man muss dem Einzelnen deutlich machen,
so etwas vor fünf Jahren für möglich gehalten?
Wir werden möglicherweise erleben, dass
dass die Stimmung in Deutschland besser sein
dass die Veränderungen ihm und seiner Familie
Heute gibt es auch zwischen Unternehmen und
die Bürgerinnen und Bürger ihre Mitsprache-
dürfte als die tatsächliche Lage. Die Gutachten –
Vorteile bringen. Man muss die Bürgerinnen
Betriebsräten eine ganz andere Art der Ge-
möglichkeiten reklamieren und, auf diesem
des ifo-Instituts, des Sachverständigenrats, des
und Bürger ermutigen, solche Veränderungen zu
sprächsbereitschaft als vor zehn Jahren.
Votum aufbauend, nach – ich formuliere es ein-
Internationalen Währungsfonds, der OECD –
wollen und zu erkennen, dass eine private, freie
Der erste Diskussionsredner hat den
mal polemisch – neuen Obrigkeiten Umschau
besagen, dass Deutschland bei der Beschäfti-
Alterssicherung nach eigenen Schwerpunkten
Wähler in den Mittelpunkt gerückt. Mich, der
halten werden. Dafür müssen wir Vorsorge tref-
gungsdynamik auf Platz 15 zurückgefallen ist.
besser ist als ein staatliches Gesamtsystem, dass
ich im Medienbereich arbeite, treibt die Frage
fen. Ich glaube nicht, dass es zu einer Internatio-
Wir haben fast 3 Prozent Wachstum, trotzdem
im Gesundheitswesen die Wahlmöglichkeit beim
um: Wie transportieren wir die Botschaft zum
nalisierung kommen wird, die an der Stelle des
entstehen keine neuen Arbeitsplätze. Wie soll
Leistungskatalog nicht eine soziale Diskriminie-
Wähler, zum Bürger? Ich registriere mit großer
Nationalstaats größere Einheiten hervorruft, die
sich die Situation denn bei 1 oder 1,5 Prozent
rung, sondern vielmehr eine echte Chance bietet.
Trauer, wie die aufrüttelnde Botschaft von
handlungsfähig sind.
Wachstum darstellen?
Es bedrückt mich besonders, dass wir in
Roman Herzog verpufft ist. Ich knüpfe einige
„actor of last resort“.
36
Ich möchte an das anknüp-
„Die Bürgerinnen und Bürger
haben Angst, wenn der rechtliche
Schutz vermeintlich verringert
wird, und sehen nicht die Chance,
die darin stecken kann.“
37
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Cicero war seiner Heimat Apulien sehr verbunden und liebte sie.
Aber er war gleichzeitig stolzer
Bürger von Rom.“
Hoffnung daran, dass vielleicht das, was Sie,
hinzugefügt: Der Eckstein ist angeknabbert, dies
inhaltet das Ausschalten der Gruppeninte-
darf man um Gottes willen nicht vor den Wahl-
Herr Späth, heute in Ihrem vorzüglichen Vor-
müssen wir zur Kenntnis nehmen und – wenn es
ressen und das Anhören des Souveräns Bürger.
en tun! Da aber nach den Wahlen immer vor
trag aufgezeigt haben, aufgenommen wird. Ich
geht – konstitutiv ausfüllen. Ich denke, das gilt
Manche bei uns weisen süffisant darauf hin,
den Wahlen ist, besteht das Problem, dass der
finde es eine Aufgabe, die der besten Kräfte wür-
auf der europäischen Ebene ebenso wie – Stich-
dass die Schweiz ja nur ein kleines Land ist. Ich
souveräne Bürger nicht handeln kann, weil er
dig ist, in der jüngeren Generation – damit mei-
wort Finanzausgleich – auf den darunter liegen-
finde es immer wieder faszinierend: Man meint,
das Problem nicht begreift.
ne ich diejenigen, die heute um die 40 Jahre alt
den Ebenen. Wir benötigen sicherlich beides.
die Leute seien doof, aber in der Summe treffen
Mein Ansatz lautet, ob nicht wenigstens die
Vielleicht darf ich Ihnen, Herr von Voss,
sie die richtigen Entscheidungen, selbst wenn sie
Chance besteht, dass die Medien und andere
zurufen, was Cicero von sich sagte. Er war sei-
sagen: Lasst die Europäer erst einmal ihr Durch-
dazu beitragen, eine Ordnung der Probleme zu
Zu der Bemer-
ner Heimat Apulien sehr verbunden und liebte
einander in Ordnung bringen, anschließend
verlangen. Es geht nicht, dass man an der
kung von Herrn Prosi, besser erst zu handeln
sie. Aber er war gleichzeitig stolzer Bürger von
kommen wir schon; beim Zehnerli sind wir da-
Tankstelle seine Rentenbeiträge bezahlt. Wenn
und dann zu denken: Ich handele nach der Me-
Rom. Ich möchte, dass wir dieses ins 21. Jahr-
bei und das Weggli behalten wir. Das alles sind
man den Bürgerinnen und Bürgern nüchtern
thode, den Gedanken beim Reden zu konkreti-
hundert übersetzen.
Entscheidungen des Souveräns Bürger. Ich kann
die Probleme hinsichtlich der Infrastruktur,
sieren. Mir scheint, dass diejenigen, die sich so
Dr. h. c. Lothar Späth:
hier keine Gruppeninteressen erkennen.
der Finanzierung des Verkehrs, des Wettbe-
verhalten, durchaus darüber reflektieren dürfen,
Bürger. Die verdammte Konsensgesellschaft lebt
Das Unternehmerlager ist ziemlich optimi-
werbs zwischen Auto, Schiene und Flugzeug
ob diese Methode für alle Probleme angemessen
davon, dass die Interessengruppen am runden
stisch; auch ich gehöre dazu. Wir können näm-
erklärt, wird das auch begriffen. Das beobach-
ist. Ich darf noch einmal auf die BSE-Problema-
Tisch sitzen und unter dem Begriff Konsens die
lich handeln, ohne die Lasten des Staates am
te ich immer wieder. Aber kaum hat man es er-
tik hinweisen. In diesem Zusammenhang wäre
Verteidigung der Summe ihrer Interessen durch
Schluss ertragen zu müssen, notfalls durch Aus-
klärt, erzählt ein anderer, es gehe um eine Fra-
Denken vielleicht doch besser gewesen.
Ausgleichsverhandlungen verstehen, dass die
wanderung. Der Staat bleibt auf seinen Renten-
ge der sozialen Gerechtigkeit und der Senkung
Zu der Frage, ob denn eine Krise die ein-
Länder in der Kultusministerkonferenz statt des
und Pensionsproblemen sitzen. Die Innovatoren
der Lohnnebenkosten. Und die Unternehmer
zige Chance böte: Natürlich hoffe ich dringend,
föderalen Wettbewerbs das Einstimmigkeits-
gehen fröhlich von dannen und betrachten von
klatschen auch noch Beifall zu einer Entwick-
dass es nicht so ist. Ich räume ein: Ich weiß, dass
prinzip einführen, damit sich nichts bewegt.
außen, wie die Krise abläuft. Die Veränderung,
lung, dass künftig die Rentenbeiträge auch
die wir bewirken können, besteht darin, dass der
über die Mineralölsteuer finanziert werden,
Bürger als Souverän begreift, was los ist.
und anschließend wird ein Zuschuss der Ren-
sind – nach Fackelträgern zu suchen, welche die
Botschaft von Roman Herzog aufnehmen.
P r o f . D r. N o r b e r t Wa l t e r :
38
Der Souverän ist der
es in Europa oftmals statt Krisenlösungen auch
Wir haben kein Wahlrechtssystem, das zu
Monti-Lösungen gibt. Wir sollten in unserer Ge-
Mehrheiten führt, sondern eines, das durch Ko-
sellschaft, in unserer Wirtschaft und in unserer
alitionsstrukturen die Konsensgesellschaft herbei-
Wegen der Komplexität mancher Themen
tenversicherung zur Straßenfinanzierung ge-
Politik die Chance, den „bösen Buben“ Europäi-
zwingt. Der Souverän ist hier der Dumme, weil er
– ich erinnere an das Gesundheitswesen oder
fordert, damit die Schiene nicht untergeht!
sche Kommission zu haben, sehr viel aktiver als
gezwungenermaßen die falschen Entscheidungen
die Rentenproblematik – versucht die Politik
Dieses Verwirrspiel lässt den Souverän Bürger
bisher nutzen, damit von dorther die dringend
trifft. Er wählt eine politische Gruppierung in die
mit einem Verwirrspiel ohnegleichen, die
in einem größeren Gemeinwesen nicht erken-
erforderliche Umgestaltung in Fragen der Libe-
Bundesregierung und als Ausgleich wählt er bei
Wiederwahl zu sichern. Man kann den Wählern
nen, worin das Problem besteht.
ralisierung vorangebracht werden kann, um zu
den Landtagswahlen sofort die Opposition in die
nicht mutig zurufen: Ich sage dir, auch wenn du
Herr Walter, ich gebe Ihnen zu: Wahr-
Hause im demokratischen Prozess bei nicht voll-
Gegenposition. Anschließend ärgert er sich darü-
mich abwählst, wenn wir diese Opfer jetzt nicht
scheinlich ist dies alles erst in der Krise mög-
kommener Informiertheit unserer Bürger immer
ber, dass er diese Personen gewählt hat, damit
bringen, dann müssen sie unsere Kinder bringen!
lich. Aber es wäre doch außerordentlich gut,
noch die Wiederwahl sichern zu können.
diese etwas entscheiden, was diese aber nicht tun.
– Die Antwort könnte lauten: Das ist ein gutes
wenn in einem modernen Staat, in dem man
Zu den Ausführungen von Herrn von Voss:
Ich möchte den Begriff der Verschweize-
Wort! Wenn der Politiker dann aber sagt, dies
über so viele Informationsmöglichkeiten ver-
Ich hoffe, deutlich genug gesagt zu haben, dass
rung aufnehmen, den Herr Walter gebraucht
wolle er in Gesetzesform gießen, wird der Wäh-
fügt, gewisse Weichenstellungen schon vor Ein-
wir den Nationalstaat brauchen. Ich habe ihn
hat, den ich hier zum ersten Mal gehört habe
ler erklären: Das wirst du schön bleiben lassen!
tritt der Krise erfolgen könnten. Das ist nur ei-
sogar als einen Eckstein beschrieben. Ich habe
und der mir sehr gut gefällt. Dieser Begriff be-
Alle Berater werden dem Politiker sagen: Das
ne Hoffnung. Aber so lange ich lebe, hoffe ich.
„Wir haben kein Wahlrechtssystem, das zu Mehrheiten
führt, sondern eines, das durch
Koalitionsstrukturen die Konsensgesellschaft herbeizwingt.“
39
Wie kann Deutschland Handlungsfähigkeit zurückgewinnen?
Wolfgang Clement, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
eine sehr verehrten Damen und Herren!
Wir erwarten bei allen Unsicherheiten, die es
Es ist mir ein Vergnügen, dass ich vom
gibt und die ich jetzt im Einzelnen nicht zu schil-
Bundesverband deutscher Banken eingeladen
dern brauche, einen länger dauernden wirt-
wurde. Es ist für jemanden, der in der preußischen
schaftlichen Aufschwung. Es gibt rund 600 000
Provinz lebt, immer wieder ein Erlebnis, nach
Erwerbstätige mehr und rund 270 000 Arbeits-
Berlin kommen zu dürfen. Ich freue mich auf
lose weniger als noch vor einem Jahr.
M
die Diskussion mit Ihnen und will mich eingangs
auf ganz wenige Bemerkungen konzentrieren.
Übertragen auf Nordrhein-Westfalen bedeutet dies: Wir haben zum ersten Mal seit etwa
Deutschland ist, wie wir wissen, im Auf-
zehn Jahren eine solche Erholung auf dem Ar-
bruch. Die wirtschaftlichen Rahmendaten weisen
beitsmarkt endlich auch im Ruhrgebiet. Sie wis-
erkennbar nach oben. Eine Welle von Firmen-
sen vermutlich, dass wir in Nordrhein-Westfalen
gründungen belebt den Wettbewerb. Unerledigte
den stärksten Anpassungsprozess durchzuma-
Probleme wie die Konsolidierung der Staats-
chen hatten, den es im Westen der Bundesrepu-
finanzen oder die Unternehmensteuerreform
blik Deutschland jemals gab. Wir haben in die-
sind angepackt worden.
ser Landschaft in den letzten 20 Jahren 1,7 Mil-
Das alles stammt nicht, wie Sie geahnt
lionen industrielle Arbeitsplätze verloren. Wir
haben, von mir, auch nicht aus der Halbzeit-
haben diesen Verlust zahlenmäßig bereits aufge-
bilanz der Bundesregierung, sondern – Herr
fangen. Wir haben sogar leicht über diese Zahl
Dr. Weber wird es erkannt haben – aus einer
hinaus zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.
Studie, die der Bundesverband deutscher Banken
Die Bedingungen sind jetzt so günstig wie
vor einigen Monaten veröffentlicht hat. Ich kann
nie, die Arbeitsmarktsituation – sie ist für mich
das, was dort festgestellt wird, nur bestätigen.
einer der wichtigsten Maßstäbe – wieder in den
Demnach ist es ganz offensichtlich so,
Griff zu bekommen. Es ist offensichtlich mög-
dass wir Begriffe wie Blockade oder Reform-
lich, die Arbeitslosigkeit zurückzudrängen. Es
stau, die bis vor einiger Zeit die politische
ist ja auch nicht einzusehen – das sage ich als je-
Debatte bei uns mit geprägt haben, in Wahrheit
mand, der aus Nordrhein-Westfalen kommt –,
vergessen können. Der Aufschwung ist – das ist
dass in den Niederlanden die Arbeitslosigkeit
die Realität – vor allen Dingen auf dem Ar-
weniger als 3 Prozent beträgt, in Nordrhein-
beitsmarkt in Gang gekommen. Wir haben ein
Westfalen aber etwa 9 Prozent, natürlich sehr
Wirtschaftswachstum von 3 Prozent. Wir er-
stark geprägt durch das Ruhrgebiet.
warten auch weiterhin ein Wirtschaftswachs-
Der Blick auf Nordrhein-Westfalen kann
tum. Es ist nicht zwingend, dass wir in
gelegentlich täuschen. Im Sauerland, woher
Deutschland die positiven Signale, die es gibt,
Herr Merz kommt – das meine ich nicht abwer-
jeweils herunterreden. Wir könnten eine solche
tend, denn schließlich kommen meine Eltern
Situation auch einmal zur Kenntnis nehmen.
auch von dort –, im Münsterland, in Ostwest-
Aber das fällt uns oft nicht leicht.
falen, am Mittelrhein gibt es Arbeitsamtsbezirke
„Wir brauchen in Deutschland eine Rückbesinnung auf Eigenverantwortung und Selbstverwaltung.“
41
Wie kann Deutschland Handlungsfähigkeit zurückgewinnen?
Wolfgang Clement
mit 6 Prozent Arbeitslosigkeit, nicht unter-
winden, neue Technologien und neue Unter-
brochen 100-Jährigen. Das ist immer wieder ein
setzung – ganz, wie Sie wollen – mit der Bundes-
schiedlich zu den Gegebenheiten in Süddeutsch-
nehmen ins Land zu bringen und zu entwickeln.
schönes Erlebnis; das ist der einzige Vorteil, den
regierung über die Entfernungspauschale und
land. Aber es gibt Probleme im Ruhrgebiet, im
Dieser Prozess bedeutet, die erfolgreichen Pro-
ich gegenüber meinem Vorgänger habe.
Ähnliches. All dies kostet ja Geld.
rechtsrheinischen Köln – das wird oft übersehen
zesse in Deutschland fortzusetzen: die Liberali-
Wir müssen in der Altersvorsorge eine
Hieran wird übrigens auch deutlich – aber
– oder im ehemaligen Aachener Kohlerevier, die
sierung der Medien- und Telekommunikations-
Neujustierung vornehmen. Das bedeutet, die
dieses Thema will ich jetzt nicht weiter vertiefen –,
es anderswo nicht gibt.
politik, die Haushaltskonsolidierung und die
Beiträge kontrolliert in Grenzen zu halten. Ich
wie problematisch Mischfinanzierungen sind.
Die erwähnten Daten zeigen, dass es mög-
große Steuerreform, die übrigens für ein Land
habe es noch nicht erlebt, dass eine Rentenre-
Hier in Berlin, weit weg von Nordrhein-West-
lich ist, die Arbeitslosigkeit zurückzudrängen.
wie Nordrhein-Westfalen im Jahre 2001 einen
form vorgelegt werden konnte, bei der die Stabi-
falen, wird eine Entfernungspauschale oder
Wir haben die Absicht, was übrigens für das ge-
Einnahmerückgang von 5,5 Milliarden DM be-
lität der Beiträge für mindestens zwei Jahrzehnte
Ähnliches beschlossen, aber die Kosten sind zu
sellschaftliche Klima und nicht nur für die wirt-
deutet. Es kommt darauf an, den Reformkurs
garantiert wurde.
über 50 Prozent von den Ländern zu tragen. Das
schaftliche Entwicklung wichtig ist, die Jugendar-
fortzusetzen. Was ist dazu in der nächsten Zeit
Neben der Stabilisierung der Beiträge ist
ist auf die Dauer nicht vernünftig. Wir müssen
beitslosigkeit innerhalb von fünf Jahren faktisch
zu tun? Auf diese Frage will ich einige kurze
es wichtig, die heutigen Rentner nicht zu verun-
eine Entmischung vornehmen im Verhältnis zwi-
auf null zu bringen. Zurzeit hat sie sich in etwa
Antworten zu geben versuchen.
sichern, sondern ihnen das zu sichern, was sie
schen den Ländern und dem Bund, im Verhält-
Zunächst geht es natürlich darum, das Be-
sich erworben haben. Das gilt übrigens auch für
nis zwischen dem Bund und Europa.
gonnene fortzusetzen. Das heißt, der nächste
diejenigen, die innerhalb der nächsten zehn Jahre
Wenn wir uns auf die wirklich notwen-
Es ist möglich, dass wir unseren Platz in
Schritt ist die Rentenreform. Bei allem, was hier
in Rente gehen, denn sie können sich gegen eine
digen Reformen konzentrieren, ist als nächster
der Weltwirtschaft behaupten und an den Vor-
in Berlin ansonsten diskutiert wird, ist die Ren-
Rentenreform nicht zur Wehr setzen. Die bei-
Schritt eine Gesundheitsreform erforderlich. Ich
teilen der Globalisierung teilnehmen. Es ist auch
tenreform die wichtigste Reform, die wir vor
tragsbezogene Rente muss gesenkt werden,
habe zu dieser Problematik keine Patentantwort.
möglich, diese Ziele unter der Orientierung an
uns haben. Ich war – optimistisch, wie ich bin –
während gleichzeitig eine neue Säule errichtet
Meiner Einschätzung nach gibt es eine solche
den Grundlagen der Chancengleichheit, der so-
davon ausgegangen, dass sie bis zum Sommer
wird, nämlich die private und die betriebliche
auch nicht. Wir haben uns bei der Diskussion
zialen Gerechtigkeit und unserem herkömm-
dieses Jahres faktisch abgehandelt sein wird,
Vorsorge, die – so weit sozial erforderlich –
über die Kostenbegrenzung und Budgetierungen
lichen Verständnis von sozialer Marktwirtschaft
wenn auch noch nicht gesetzgeberisch. Nun zieht
staatlich begünstigt wird. Dazu gibt es aus
verfangen und drehen uns im Kreise. Es gibt kein
zu erreichen. Deswegen, um das offen zu sagen,
es sich etwas länger hin. Aber ich gehe davon aus,
meiner Sicht keine Alternative. Es mag an dieser
weltweit ideales Gesundheitssystem, wenn ich das
klingt ein Motto wie jenes dieser Veranstaltung
dass bis zum Frühjahr nächsten Jahres die Ren-
oder jener Stelle Diskussionsbedarf geben, aber
richtig sehe. Aber bessere Systeme als das deut-
– „Handlungsfähigkeit zurückgewinnen: Deutsch-
tenreform absolviert sein wird, und zwar entlang
keinen grundsätzlichen.
sche Gesundheitssystem gibt es. Das Gesundheits-
land zwischen Globalität und nationalen Blo-
den Linien, welche die Bundesregierung vorge-
Ich will hier hinzufügen, dass aus der
system in der Bundesrepublik Deutschland ist
ckaden“ – in meinen Ohren etwas pessimistisch,
zeichnet hat. Aus meiner Sicht gibt es dazu keine
Sicht der Länder – vermutlich aller Länder;
ganz offensichtlich innovationsfeindlich. Teilwei-
„Es ist möglich, dass wir unseren
für Banker eigentlich völlig ungewöhnlich pessiPlatz in der Weltwirtschaft behaupmistisch. Wir befinden uns aus meiner Sicht
ten und an den Vorteilen der Gloauch nicht in einem Schwebezustand zwischen
balisierung teilnehmen.“
Alternative. Es gibt keine Alternative dazu, die
jedenfalls trifft das für Nordrhein-Westfalen zu
se gibt es an den Hochschulen und in Forschungs-
Balance zwischen den aktiven Arbeitnehmerinnen
– die Verschiebung der Förderung der betrieb-
stätten noch Innovationen, aber anschließend
und Arbeitnehmern auf der einen Seite und den
lichen Altersvorsorge um ein Jahr richtig ist.
werden sie beispielsweise in den USA umgesetzt,
Globalisierung und Blockaden, sondern wir be-
Rentnerinnen und Rentnern auf der anderen Seite
Dies bedeutet nämlich, dass wir unsere Kassen
angefangen beim Katheter. Leider wandern in den
finden uns in einem Prozess der Veränderung,
wieder herzustellen. Das ist in einem Renten-
noch einigermaßen unter Kontrolle halten kön-
meisten Fällen auch die entsprechenden Forsche-
den wir in dieser Form noch nicht erlebt haben.
system immer wieder erforderlich. Wir müssen die
nen. Ich habe auf den Einnahmerückgang im
rinnen und Forscher ins Ausland ab.
Bezogen auf Nordrhein-Westfalen bedeutet
Balance auch deshalb wieder herstellen, weil die
nächsten Jahr hingewiesen. Alles andere würde
Wir brauchen hier neue Anstrengungen.
dieser Prozess der Veränderung beispielsweise,
Menschen gottlob immer älter werden. Ich gratu-
uns im Moment überfordern. Daher rührt übri-
Sie bestehen aber nicht, glaube ich, in den ge-
den Rückbau der Industrialisierung zu über-
liere in Nordrhein-Westfalen derzeit ununter-
gens auch unsere Diskussion oder Auseinander-
genwärtigen Diskussionen zwischen Regierung
halbiert. Sie geht jetzt in deutlich höherem Tempo
zurück als die allgemeine Arbeitslosigkeit.
42
„Wir müssen eine Entmischung
vornehmen im Verhältnis zwischen
den Ländern und dem Bund, im
Verhältnis zwischen dem Bund und
Europa.“
43
Wie kann Deutschland Handlungsfähigkeit zurückgewinnen?
Wolfgang Clement
und Opposition, sondern in einem neuen Ver-
umfassen, die später in eine Betreibergesellschaft
aus vernünftiges Projekt ist. Wir diskutieren
zess ein, einschließlich bei den Schulen. Die Stel-
such, der mit allen an der Gesundheitswirtschaft
übergeleitet werden kann. Ferner brauchen wir
derzeit über die Finanzierung dieses Projekts
lung der Schulleitung soll gestärkt werden. Wir
Beteiligten gestartet werden muss.
einen Einstieg in ein entfernungsabhängiges
Metrorapid. Es soll möglichst eine private
haben an zunächst 200 Schulen begonnen, die
Hier handelt es sich um eines der zu-
Nutzungsentgelt, beginnend mit den LKWs, aus
Finanzierung sein.
Autonomie der Schulen zu stärken, einschließ-
kunftsfähigsten und wichtigsten Themenfelder,
meiner Sicht – anders, als der Kollege Klimmt es
Wir brauchen andere Güterverteilsysteme.
mit denen wir es zu tun haben, übrigens auch
gesehen hat – sofort ausgeweitet auf Privat-PKWs.
Wir können die derzeitige Situation insbeson-
Die Probleme der Unterrichtsversorgung
was den Weltmarkt angeht. In Nordrhein-West-
Auf der anderen Seite sollte ein Abbau anderer
dere in einem so dicht besiedelten Raum wie
durch eine zu geringe Zahl von beispielsweise
falen reden wir auf diesem Gebiet zwischen dem
Steuern erfolgen. Wir benötigen etwa 4 Milliar-
Nordrhein-Westfalen nicht durchhalten. Die
Informatik- und Mathematiklehrern kann man
Klinikum in Aachen und dem Herzzentrum in
den DM an zusätzlichen Einnahmen, um den
Diskussion dieser Themen ist für mich wichtiger
bei 160 000 Pädagogen in Nordrhein-Westfalen
Bad Oeynhausen über insgesamt 800 000 Be-
Straßenbau in dem erforderlichen Umfang fort-
als vieles andere, worüber gestritten wird.
nicht mehr zentral von Düsseldorf aus lösen.
schäftigte, also über einen der beschäftigungs-
setzen zu können.
44
„Wir brauchen in Deutschland
insgesamt und erst recht im Bildungssystem eine Rückbesinnung
auf Eigenverantwortung, auf
Selbstverwaltung.“
Diese Probleme müssen von dem mittelständi-
Als Ländervertreter sage ich es nur ungern:
chen, das insbesondere die Länder angeht. Es
Das dritte große Reformfeld, das ich an-
Aus meiner Sicht ist es richtig, auf die Kfz-Steuer
handelt sich um den Bereich Bildung, Wissen-
Das gilt erst recht für die Hochschulen.
sprechen möchte, betrifft den Verkehr und das
zu verzichten und entsprechend umzusteigen. Da-
schaft und Forschung. Hier geht es um das ver-
Wir haben den Prozess einer stärkeren Autono-
Thema Mobilität. Hier weiß man in einem
zu ist allerdings eine Kompensation erforderlich,
mutlich wichtigste Reformfeld, mit dem wir es
mie der Hochschulen eingeleitet. Wir gehen
Land wie Nordrhein-Westfalen möglicherweise
und zwar eine vollständige. Wir haben da so un-
zu tun haben. Betrachten wir einmal die Region
damit in einen Prozess der Kooperation und der
am besten Bescheid. Verkehrlich gesehen sind
sere Erfahrungen, was Kompensationen anlangt.
Nordrhein-Westfalen und die Beneluxstaaten.
Konkurrenz der Hochschulen hinein, den wir
bisher in Deutschland nicht gekannt haben.
wirksamsten Sektoren.
„In unserem Lande ist nichts so
wichtig wie die Sicherung der Mobilität. Es gibt kein wichtigeres
Wirtschaftsthema.“
Schließlich möchte ich ein Thema anspre-
lich der Personalhoheit.
schen Unternehmen „Schule“ gelöst werden.
wir in Nordrhein-Westfalen in Deutschland am
Themen wie die Bahnreform und Ähn-
Hier leben 44 Millionen Menschen. Die Wirt-
höchsten belastet. 750 Kilometer Autobahn
liches möchte ich jetzt nicht ansprechen, aber ich
schaftskraft entspricht der von Großbritannien.
Zweitens: Wir müssen Schulen und Hoch-
haben eine Verkehrsbelastung von über 60 000
sage mit allem Nachdruck, hier in Berlin: In unse-
Dort ist die Dichte an Schulen, Hochschulen,
schulen mit allem ausstatten, was die neuen
Kraftfahrzeugen pro Tag zu bewältigen. Nicht
rem Lande ist nichts so wichtig wie die Sicherung
Fachhochschulen und Forschungsstätten so
Medien zu bieten haben. Am Ende dieses Jahres
selten sind es 100 000 bis 120 000 Kraftfahr-
der Mobilität. Es gibt kein wichtigeres Wirt-
hoch wie nirgends auf der Welt. Diese Region ist
werden bei uns alle Schulen mit einem Internet-
zeuge. Bayern ist nach Nordrhein-Westfalen das
schaftsthema. Ich habe vorhin nur angedeutet,
bereits heute in verkehrlicher Hinsicht – bei
anschluss und einem PC ausgestattet sein. Wir
Bundesland mit dem zweitlängsten Autobahn-
wie sich in Nordrhein-Westfalen die Verkehrsbe-
allen bestehenden Problemen – weiter ent-
wollen im Laufe der nächsten anderthalb Jahre
netz. Dort sind über 400 Kilometer Autobahn
lastung darstellt. Wer sich die Entwicklung des
wickelt als andere Bereiche. Unsere Wettbe-
alle Klassen entsprechend ausstatten. Wir quali-
sechsspurig ausgebaut; in Nordrhein-Westfalen
Personenverkehrs und vor allen Dingen des
werbsfähigkeit hängt davon ab, dass wir die
fizieren zurzeit unsere 160 000 Lehrerinnen und
sind es von den 750 Kilometern Autobahn
Güterverkehrs bis zum Jahre 2010/2015 an-
qualifiziertesten Arbeitnehmer, Techniker, Wis-
Lehrer entsprechend. Bei 40 000 Lehrerinnen
weniger als 350 Kilometer.
schaut, muss zu dem Ergebnis kommen, dass es
senschaftler, Ingenieure haben. Wenn das der
und Lehrern ist dies bereits erfolgt.
Hier gibt es ein Finanzierungsproblem, das
in überschaubarer Zeit zum Stillstand auf unse-
Fall ist, fühlen wir uns unschlagbar.
mit den bisherigen Finanzierungsinstrumenten
ren Autobahnen kommt, wenn wir nicht zu einer
nicht lösbar zu sein scheint. Deshalb glaube ich,
grundlegenden Veränderung kommen.
Hier handelt es sich um langwierige Pro-
Das bedeutet eine erhebliche Umstellung
zesse. Wir können sie nicht erfolgreich durch-
in unseren Bildungssystemen. Dazu nur ein paar
stehen ohne das Zusammenwirken mit der pri-
Stichworte.
vaten Wirtschaft. Ohne dass sich Unternehmen
dass die Vorschläge der Pällmann-Kommission
Natürlich weiß ich, dass sich Veränderun-
nicht nur in Teilen, sondern insgesamt vernünftig
gen nicht nur auf der Straße, sondern auch auf
Erstens: Wir brauchen in Deutschland ins-
sind. Die hier fällige Reform sollte, beginnend
der Schiene abspielen müssen. Wir brauchen In-
gesamt und erst recht im Bildungssystem eine
mit den Bundesautobahnen, den Einstieg in eine
novationen wie den Transrapid oder in Nord-
Rückbesinnung auf Eigenverantwortung, auf
Drittens: Der Staat wird sich nach meinem
Finanzierungsgesellschaft für die Bundesstraßen
rhein-Westfalen den Metrorapid, der ein über-
Selbstverwaltung. Wir leiten bei uns diesen Pro-
Verständnis aus der Bildungspolitik nicht zurück-
dort teilweise in außerordentlich beeindruckender Weise engagieren, ist das nicht zu schaffen.
45
Wie kann Deutschland Handlungsfähigkeit zurückgewinnen?
Wolfgang Clement
„Wir müssen gerade auf dem Gebiet der Bildung zu einem anderen
Verhältnis zwischen Staat und privatem Engagement kommen.“
ziehen. Schulen, Hochschulen, Bildung und Wis-
nen und Meister im Tischlern, im Nähen und
Luxemburg leben, wissen das. Deshalb be-
den Beneluxstaaten und Frankreich enorme
senschaft bleiben eine öffentliche Aufgabe. Wir
Ähnlichem unterrichten, haben bisher 12 Pro-
ginnen wir mit dem Englischunterricht in allen
Potenziale, und zwar zu beiderseitigem Nutzen.
werden unsere Anstrengungen auf diesem Sektor
zent der Schüler eine Berufsausbildung erfolg-
dritten Grundschulklassen. Wir setzen unsere
Wir müssen in der Europäischen Union den
verstärken müssen. Wir wissen – die neuen Me-
reich absolvieren können. Durch den Einsatz
Bemühungen um mehr Fremdsprachenkennt-
Integrations- und den Erweiterungsprozess fort-
dien sind dafür nur ein kleines erstes Beispiel –,
von Berufspraktikern in diesen Schulen konnte
nisse fort, um den Anschluss an unsere Nach-
setzen. Wir müssen gleichzeitig die Europäische
dass diese Aufgabe nicht mehr allein durch die
diese Quote auf jetzt 60 Prozent erhöht werden.
barn zu finden.
Union wieder vom Kopf auf die Füße stellen. Wir
öffentlichen Hände zu erfüllen ist. Wir müssen
Daran ist erkennbar, dass auf diesem Gebiet
Wir möchten natürlich auch nichts un-
müssen – anders formuliert – die Balance zwi-
gerade auf dem Gebiet der Bildung zu einem
enorme Entwicklungen möglich sind. Wir kön-
versucht lassen, um im internationalen Wettbe-
schen Brüssel, den Mitgliedstaaten und den
anderen Verhältnis zwischen Staat und priva-
nen eben nicht alles über einen Leisten schlagen.
werb bestehen zu können. Wir führen in Nord-
Regionen neu austarieren.
tem Engagement kommen.
Dasselbe gilt natürlich auch für die besonders
rhein-Westfalen in mindestens einer Schule pro
Wir müssen – da unterscheidet sich meine
Begabten, denen wir entsprechende Entwick-
Kreis und pro Stadt das Abitur nach zwölf Jah-
Position nicht von jener Bayerns; es handelt sich
lungschancen geben müssen.
ren ein. Ich vermute, diese Möglichkeit werden
hier im Grunde genommen um die Position aller
Ich begrüße es, dass die Deutsche Bank
zusammen mit der Ruhr-Universität in Bochum
46
ein Weiterbildungsprogramm aufgelegt hat. Es
Die Entwicklung auf diesem Sektor ist
letztendlich alle Schulen offerieren. Das Abitur
Bundesländer – die Europäische Union dazu
gibt viele solcher Beispiele. Wir haben in Nord-
überaus beeindruckend. Meine Philosophie dazu
nach zwölf Jahren ist nicht ein Angebot allein
bringen, sich auf die Aufgaben zu konzentrieren
rhein-Westfalen die Türen für private Hoch-
lautet, dass wir gut beraten sind, die Breite der
für Hochbegabte, sondern ein Normalangebot,
und sich auf diese zurückzuziehen, die europa-
schulen und private Bildungseinrichtungen ge-
Bildung und Ausbildung zu erhalten. Das ist un-
das an den Schulen zur Verfügung gestellt wer-
weit gelöst werden müssen. Das andere muss
öffnet. Das begann mit der Privaten Universität
sere Stärke, das haben wir in Deutschland besser
den soll und muss.
preisgegeben werden.
Witten/ Herdecke. Es gibt inzwischen mehrere
entwickelt als andere Länder: jeder und jedem
Ich gehe davon aus, dass wir nach relativ
Es gibt auf diesem Sektor unglaubliche
private Fachhochschulen. Wir lassen Schulen
ihre bzw. seine Chance zu geben, auch den
kurzer Zeit feststellen können, was vernünftiger
Fehlentwicklungen. Wir erleben in Zeiten einer
für Hochbegabte in privater Trägerschaft zu.
Schwächeren. Wenn man diese Breite in der in-
ist: das Abitur nach zwölf Jahren oder nach
Europäischen Währungsunion, dass wir nicht
Tabus kann es auf diesem Feld nicht geben.
ternationalen Konkurrenz erhalten will, braucht
13 Jahren. Wir können diese Diskussion, die
etwa annähernd gleiche steuerrechtliche Stan-
Es kann nur darum gehen, alle Möglichkeiten zu
man auch die absolute Spitze. Das ist nicht anders
uns über viele Jahre beschäftigt hat, hoffentlich
dards haben, sondern wir erleben unter dem
nutzen, um insbesondere die junge Generation
vorstellbar, als dass wir die Talente fördern, die
bald beenden.
Einfluss einer ersten leichten Krise, nämlich
entsprechend ihren Talenten qualifizieren zu
sich entwickelt haben. Wir kehren zurück zu einer
Ich will nicht unerwähnt lassen, dass aus
dem Anstieg der Ölpreise, dass die Staaten un-
können. Das gilt für Lernschwächere genauso
gewissen Form der Differenzierung. Nirgendwo
der Sicht eines Landes wie Nordrhein-Westfalen,
terschiedlich reagieren und es auf engstem
wie für die Begabtesten. Für Lernschwächere
sonst ist die Differenzierung so angebracht wie
aus seiner Interessenlage heraus, der europäische
Raum zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Es
müssen wir – fast könnte man sagen: wieder –
im Bildungssystem; nicht um Unterschiede her-
Prozess von überaus großer Bedeutung ist. Wenn
handelt sich um Wettbewerbsverzerrungen, die
dazu übergehen, junge Leute, die erkennbar
auszuarbeiten, sondern um Unterschieden ge-
wir überhaupt von Blockaden sprechen, dann
absolut unzuträglich sind. Ich nenne hier als
einen Schulabschluss nicht erreichen, ab der
recht werden zu können und damit die Entwick-
müssen wir feststellen, dass hier ein Kernpro-
Beispiele Maßnahmen zugunsten von Unter-
achten Klasse in Betrieben ausbilden zu lassen –
lungsmöglichkeiten zu fördern.
blem liegt. Ich argumentiere hier aus der Sicht ei-
glasgartenbaubetrieben in den Niederlanden,
wir haben dazu die ersten Modellversuche ein-
Natürlich gehört zu allem, was Bildung
nes Landes mit 18 Millionen Einwohnern, einer
zugunsten des Güterverkehrsgewerbes in den
geleitet – oder Ausbilder aus den Betrieben in
und Wissenschaft angeht, die Internationalisie-
Exportstärke, die ungefähr jener von Spanien
Niederlanden, zugunsten der Landwirtschaft in
die Schulen kommen zu lassen.
rung. Wir in Deutschland sind eine unglaublich
entspricht, und dessen Exporte zu 60 Prozent in
sämtlichen Nachbarstaaten. Die Europäische
Die Ergebnisse sind teilweise beein-
introvertierte Gesellschaft. Wir in Nordrhein-
die Staaten der Europäischen Union gehen. Wir
Union muss sich auf jene Felder konzentrieren,
druckend. Bei Schulen für Lernschwächere in
Westfalen, die wir in unmittelbarer Nach-
sind auf Europa angewiesen, wir sind Europäer.
die überwölbend sind und, unbeackert, wie sie
Nordrhein-Westfalen, in denen jetzt Meisterin-
barschaft zu den Niederlanden, Belgien und
Wir sehen in dem Austausch insbesondere mit
sind, bearbeitet werden müssen. Ich nenne als
„Wir müssen die Europäische
Union wieder vom Kopf auf die
Füße stellen, die Balance zwischen
Brüssel, den Mitgliedstaaten und
den Regionen neu austarieren.“
47
Wie kann Deutschland Handlungsfähigkeit zurückgewinnen?
Wolfgang Clement
„Die Länder erwarten, dass es auf
der Gipfelkonferenz in Nizza ein
Signal zu einer klaren Kompetenzabgrenzung gibt.“
Beispiele die Außen- und Sicherheitspolitik, die
dort gemeinsam nach einem Hamster gesucht:
lich ist –, bei gemeinsamem guten Willen über-
Wenn man in Berlin ist, muss man wohl unwei-
Zuwanderungspolitik, die Wirtschafts- und
die Stadt Aachen, die niederländischen Ge-
wunden werden können. Wir haben es nicht ge-
gerlich über die Zuwanderung sprechen. Sie
Währungspolitik.
meinden, die Landesregierung von Nordrhein-
schafft, in Deutschland zu einem Einvernehmen
werden überrascht sein: In den Ländern ist das
Wir brauchen steuerrechtliche, letztlich
Westfalen, die Bundesregierung und die Euro-
zu kommen. Jetzt suchen wir nach einer eu-
eigentlich kein so großes Thema. Eine so geringe
auch soziale und ökologische Standards. Die
päische Kommission. Wir standen vor einem
ropäischen Lösung.
Zuwanderung wie derzeit hatten wir schon lan-
Mitgliedstaaten und die Regionen sind in der
Gerichtsverfahren. Es wurde jahrelang die Re-
Generell umschrieben lautet unsere Vor-
ge nicht mehr. Das gilt sowohl für die Asylbe-
Lage, diese Standards auch umzusetzen, besser,
alisierung eines Gewerbegebiets verhindert,
stellung, die Geschäftsbankenaktivitäten einer
werber als auch für die deutschstämmigen Zu-
als das heute geschieht. Wir erleben unbe-
weil dort ein Hamster vermutet wurde. Wir
privaten Aktiengesellschaft im Rahmen der
wanderer und Bürgerkriegsflüchtlinge, die wir
schreibliche bürokratische Missgeburten. Wir
haben ihn nicht gefunden. Nun haben wir mit
Westdeutschen Landesbank zu übertragen. Es
überwiegend zurückschicken.
haben in Nordrhein-Westfalen den FFH-Prozess
dem Bau beginnen dürfen.
wird Sie nicht überraschen: Diese private Aktien-
Ich weiß, dass wir eine Zuwanderungs-
gerade abgeschlossen, das betrifft die Umset-
Diese Richtlinien sind übrigens nicht allein
gesellschaft gibt es bereits. Das ist also nicht so
regelung benötigen, nicht um den Fachkräfte-
zung der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Dazu
eine Erfindung der Europäischen Kommission,
problematisch. Ich denke, dass wir dadurch den
bedarf zu decken, sondern um den internatio-
gab es über 400 Behördensitzungen. Das ganze
sondern sie sind vermutlich aus den Mitglied-
notwendigen Bewegungsspielraum in diesem
nalen Austausch zu fördern, an dem es bei uns
Land ist in Aufruhr über die Frage, welche Ge-
staaten selbst gekommen. Es gibt drastische Fehl-
Sektor auch für die Bank selbst schaffen.
mangelt. Das gilt nicht nur für die Hoch-
biete wann wohin gemeldet werden müssen. Die
entwicklungen, die wir beseitigen müssen.
Das hätten wir eigentlich auch miteinander
schulen, sondern auch für viele Unternehmen.
Meldung erfolgt nach Berlin, von dort aus nach
Die Länder erwarten, dass es auf der
hinbekommen können. Jetzt erreichen wir es ver-
Beispielsweise gilt für die Softwarebranche,
Brüssel. Wenn es auf diesem Weg eine Be-
Gipfelkonferenz in Nizza ein Signal zu einer
mutlich auf einer anderen Ebene. Der Bundes-
dass jedes Unternehmen erklärt: Die einzige
schwerde beispielsweise einer Naturschutzorga-
klaren Kompetenzabgrenzung gibt. Es muss
kanzler hat dazu gestern die Gespräche vorbe-
Grenze für unser Wachstum stellt der Mangel
nisation gibt, beginnt der Prozess von vorn.
klar werden, dass es sich um wirkliche Abgren-
reitet. Allerdings möchten wir dies nur tun, wenn
an Fachleuten dar.
Wohin dies alles führen kann, könnte ich
zungen handelt, die ständige Erweiterungen
gleichzeitig klargestellt wird – das möchte ich
Ich will hier alle Schlagworte beiseite lassen, die
Ihnen sehr gut anhand der Dechstein-Fleder-
ausschließen. Die Bundesregierung stellt sich
deutlich sagen –, dass das deutsche Sparkassen-
sowieso nicht helfen. Wir müssen das Thema
maus beschreiben, die es im Teutoburger Wald
vor, diesen Prozess spätestens im Jahr 2004 mit
wesen erhalten bleibt, wie es sich heute darstellt.
Zuwanderung mit dem Thema Qualifizierung
gibt. Sie verhindert bis jetzt den Bau der A 33.
klaren Beschlüssen zu den Kompetenzfragen
Wir haben diesbezüglich unser Ziel noch nicht
verbinden. Ich glaube, unsere Bürgerinnen und
Inzwischen kenne ich diese Fledermaus präzise.
fortzusetzen, was zu einer Wiederherstellung
ganz erreicht. Aus Gründen der Bedienung auch
Bürger würden es nicht akzeptieren, wenn wir
Sie fliegt in etwa 20 Zentimetern Höhe, und
der Balance führen kann.
der sozial Schwächeren und der kleinen und
isoliert darüber diskutierten, ausländische Fach-
Natürlich darf ich es in diesem Kreise
mittleren Betriebe wäre es gut – so lautet auch
leute zu gewinnen, ohne gleichzeitig alles zu tun,
nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass die
meine Erfahrung als ehemaliger Wirtschafts-
um die Qualifizierung der eigenen Mitarbeiter
Ein anderes Beispiel: Wir errichten im
Blockaden, die zwischen Privatbanken und
minister –, eine gewisse Parallelität zwischen öf-
zu fördern und dazu beizutragen, dass sie von
deutsch-niederländischen Grenzbereich ein grenz-
Landesbanken existieren – gelegentlich war ich
fentlich-rechtlichem und privatem Sektor zu er-
den enormen wirtschaftlichen und technolo-
überschreitendes Gewerbegebiet. Wir haben
nicht sicher, wer für die Blockade verantwort-
halten, jedenfalls im kommunalen Bereich.
gischen Fortschritten einen Vorteil haben.
zwar nur bei Nacht. Es soll offensichtlich verhindert werden, dass sie auf der A 33 landet.
48
49
Perspektive Europa: Teil der Lösung oder Teil des Problems?
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, Berlin
eine Damen und Herren! Nach dem vor-
zum Euro geschafft, im westeuropäischen Teil ei-
hergehenden weitgehend nordrhein-west-
ne dauerhafte Friedens- und Freiheitsordnung zu
fälisch geprägten Ritt durch die Bundespolitik
errichten. Innerhalb dieser politischen Ordnung
will ich nicht der Versuchung erliegen, dazu eine
dieses Kontinents nach dem Zweiten Weltkrieg
Replik zu geben, allerdings nur unter der Vorbe-
wurde die deutsche Einheit möglich. Die deut-
dingung, dass Sie mein Schweigen dazu nicht als
sche Einheit ihrerseits hat einen neuen Impuls für
Zustimmung missinterpretieren. Ich rege an, in
den Fortgang der europäischen Einigung gesetzt.
der anschließenden Diskussion das Thema der
Dies lässt uns, für sich genommen, auf die
Neuordnung des Föderalismus in Deutschland
zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts mit großer
zu behandeln, weil ich die Befürchtung habe,
Befriedigung zurückblicken. In dieser Hinsicht
dass dieses Thema etwas zu sehr aus der Sicht
hat die Politik einen großartigen Erfolg zu ver-
der Länder betrachtet wird. Diese Befürchtung
melden. Dies reicht bis in eine ganze Reihe von
wird immer dann besonders unterstrichen, wenn
politischen Entscheidungen hinein, die wir in
der bayerische und der nordrhein-westfälische
der Gegenwart zu treffen haben. Ich will hier
Ministerpräsident einer Meinung sind.
einige wenige Aspekte herausgreifen.
M
Ich will mich in der kurzen mir zur Verfü-
In den Europäischen Verträgen ist die
gung stehenden Zeit auf das vorgeschlagene The-
Wettbewerbspolitik fest verankert. Diese Wett-
ma konzentrieren: „Perspektive Europa: Teil der
bewerbspolitik besteht im Wesentlichen aus
Lösung oder Teil des Problems?“ Ich möchte zu-
zwei Teilen, nämlich der Fusionskontrolle und
nächst einen kurzen Rückblick geben, mich dann
der Subventionskontrolle. Wir haben im eige-
etwas länger bei der Gegenwart aufhalten und
nen Land eine im Wesentlichen auf die nationa-
anschließend einen Blick in die Zukunft werfen.
len Zusammenschlüsse konzentrierte Fusions-
Lassen Sie mich mit dem Rückblick begin-
kontrolle. Wir haben sie durch die Europäi-
nen. Die Geschichte der Europäischen Union,
schen Verträge auf das Gebiet der Europäischen
die unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mit
Union ausgedehnt und haben eine wirksame
der politischen Initiative von Robert Schuman
Kontrolle der Unternehmenszusammenschlüsse
und der berühmt gewordenen Rede von Winston
im europäischen Binnenmarkt durch die Verab-
Churchill in Zürich begonnen hat, ist wohl die
redungen, die im EG-Vertrag getroffen worden
erfolgreichste und außergewöhnlichste Ge-
sind und die durch den Amsterdam-Vertrag
schichte, die der europäische Kontinent seit Karl
geringfügig verändert, aber doch in ihrer Sub-
dem Großen erlebt hat. Wir haben es durch die
stanz bestätigt worden sind.
Europäischen Verträge, den EWG-Vertrag, den
Das heißt, wir sind auf die Globalisierung
Euratom-Vertrag, den EGKS-Vertrag und die
jedenfalls im europäischen Maßstab ausreichend
spätere Integration dieser Verträge zu einem ein-
vorbereitet durch ein Instrument, das den Wett-
zigen Vertrag, durch die Geschichte der Euro-
bewerb innerhalb des europäischen Binnen-
päischen Union bis hin zum Binnenmarkt und
markts garantiert. Nachdem in den 50er-Jahren
„Wie viel Staat brauchen die Bürger im zusammenwachsenden Europa?“
51
Perspektive Europa: Teil der Lösung oder Teil des Problems?
Friedrich Merz
„Die Haushaltskonsolidierung
ist erst in Gang gekommen durch
die Notwendigkeiten und die vertraglichen Verabredungen im Vorfeld der Einführung des Euro.“
52
der Versuch, zu einer weltweiten Fusionskon-
ses deutsche Problem auch in Deutschland lös-
Mitgliedstaaten noch immer mit einer Vetoposi-
Haupterreger der BSE-Erkrankung zu sein, aus
trolle zu gelangen – ausgerechnet von Kuba aus-
bar gewesen wäre und uns nicht jahrelang in
tion erfolgreich handelspolitische Gespräche
der Nahrungskette zu eliminieren. Wenn die
gehend –, gescheitert ist, jedenfalls vorläufig,
Brüssel auf offener Bühne beschäftigt hätte.
blockieren können. Wir brauchen nach meiner
Europäische Union an dieser Stelle ihre Hand-
haben sich die Wettbewerbsbehörden in Asien,
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang
festen Überzeugung auch in der Handelspolitik
lungsfähigkeit nicht beweist, brauchen wir uns
Amerika und Europa zu einer so erfolgreichen
auf eine Überschrift hinweisen, die heute in der
nicht nur ein umfangreiches Mandat der Euro-
über eine mangelnde Zustimmung zur europäi-
Zusammenarbeit verabredet, dass auch der
„Berliner Zeitung“ zu finden ist und die, wie ich
päischen Union, sondern auch die Möglichkeit,
schen Politik nicht zu wundern.
weltweite Wettbewerb bei weltweiten Zusam-
denke, auch in diesem Zusammenhang das
mit Mehrheiten zu entscheiden, und zwar auch
Wie sieht nun die europäische Zukunft
menschlüssen effizient kontrolliert werden kann.
Richtige aussagt: „Brüssel ist kein Feindesland.“
in den sensiblen Bereichen, bei denen einige Mit-
aus? Wir haben mit dem Euro einen Schritt ge-
Das zweite Bein der europäischen Wett-
So schreibt die „Berliner Zeitung“ heute im Zu-
gliedstaaten noch immer ihre Vorbehalte haben.
tan, der sich in der politischen Kontinuität der
bewerbspolitik fehlt uns in Deutschland: Wir
sammenhang mit dem Streit um die Landesban-
Wir erleben gleichzeitig mit der zunehmen-
Entwicklung der europäischen Politik befindet:
haben kein Instrument einer nationalen Subven-
ken und die grundsätzliche Frage: Wie viel Staat
den Übertragung von Souveränitätsrechten auf
Die ökonomische Integration soll Schrittmacher
tionskontrolle. Dies hat ausschließlich die Eu-
brauchen die Bürger im zusammenwachsenden
die europäische Ebene eine starke Verbürokrati-
der nachfolgenden politischen Integration sein.
ropäische Union übernommen, auch für uns in
Europa? Ein Subventions- und ein Kartellverbot
sierung der Institutionen, der politischen Prozesse
Dies war seit dem Abschluss der Verträge in den
Deutschland. Wir haben es so gewollt, wie es in
sind die klaren Antworten aus dem Vertrag über
und hier insbesondere der Kommission. Meine
50er-Jahren ein Wesensmerkmal der europäi-
den Verträgen steht. Bundestag und Bundesrat
die Europäische Union.
Damen und Herren, es ist meine feste Überzeu-
schen Politik. So war es auch im Schuman-Plan
haben dem zugestimmt. Deswegen müssen wir
Die Haushaltssanierung in den Mitglied-
gung, dass wir die Zustimmung der Bürger in Eu-
angelegt: Mit der ökonomischen Integration soll
es nicht nur ertragen, sondern wir sollten es
staaten der Europäischen Union wäre ebenfalls
ropa zu dem, was die Europäische Union zwin-
die politische Integration befördert werden.
begrüßen, dass die Europäische Union diese
nicht auf diesen Weg gekommen, wenn wir
gend machen muss, nur gewinnen können, wenn
Zum Euro: Anders, als es der Präsident
Funktion einer wirksamen Kontrolle der Sub-
nicht durch die Vorbereitungen zum Euro einen
wir hier zu einer größeren Transparenz und zu ei-
der Europäischen Zentralbank vor einigen Tagen
ventionen übernommen hat.
entsprechenden europäischen Zwang in den
ner stärkeren demokratischen Legitimation auch
öffentlich gesagt hat, steckt nach meiner Auffas-
Ich begrüße ganz ausdrücklich, Herr Mi-
Mitgliedstaaten hätten umsetzen müssen. Die
der Tätigkeit der Institutionen zurückkehren.
sung hinter der Schwäche des Außenwerts des
nisterpräsident, dass jetzt in Nordrhein-West-
Haushaltskonsolidierung, die nicht erst mit
In besonders eindrucksvoller Weise hat
Euro mittlerweile mehr ein politisches als ein
falen eine zielführende Diskussion über die Neu-
dem Regierungswechsel 1998 in Deutschland
die Europäische Union in den letzten Tagen ihre
ökonomisches Problem. Ökonomisch lässt sich
ordnung des öffentlichen Bankensektors beginnt.
begonnen hat – sie ist richtig, sie ist notwendig,
Handlungsunfähigkeit dort bewiesen, wo es um
die Außenwertschwäche des Euro durchaus be-
Aber geben wir es bitte offen zu: Ohne das Ver-
sie war überfällig –, ist erst richtig in Gang ge-
ein elementares Interesse des Verbraucherschutzes
gründen, auch durch die Abstände der Wachs-
tragsverletzungsverfahren der Kommission ge-
kommen durch die Notwendigkeiten und die
in der Europäischen Union ging. Ich spreche hier
tumsraten zu den USA. Aber schon ein Blick auf
gen die Bundesrepublik Deutschland wäre dieses
vertraglichen Verabredungen im Vorfeld der
die schon mehrfach erwähnte BSE-Problematik
die Währungsrelation gegenüber dem Schweizer
Verfahren so nicht in Gang gekommen. Dank
Einführung des Euro.
an. Es gehört für mich persönlich zu den Ab-
Franken, dem britischen Pfund und auch dem
der Initiative auch der Geschäftsbanken der Bun-
So weit zu den Lichtseiten der Gegenwart.
artigkeiten unserer modernen Lebensmitteler-
japanischen Yen lässt eine solche Begründung
desrepublik Deutschland und des Vertragsver-
Es gibt auch Schattenseiten. Graf Lambsdorff,
zeugung, dass an normalerweise nur Pflanzen
unvollständig erscheinen. So schrieb das „Han-
letzungsverfahrens kommt es jetzt zu einer wirk-
Sie haben heute Morgen bereits auf die Probleme
fressende Tiere die geschredderten Kadaver der
delsblatt“ vor einigen Tagen völlig richtig:
samen Kontrolle der in Deutschland an die öf-
bei der Handelspolitik hingewiesen. Die Handels-
gestorbenen Tiere oder der geschlachteten Tiere
„Hinter dem Dollar steht nicht nur Alan Green-
fentlichen Banken ausgereichten Subventionen.
politik ist in der Tat – jedenfalls zum Teil – in die
verfüttert werden und dass die Europäische
span, sondern die ganze USA. Wer steht aber ei-
Ich möchte in Klammern hinzufügen, weil
Zuständigkeit der Europäischen Union überge-
Kommission und die Europäische Union insge-
gentlich außer der EZB hinter dem Euro? Die
wir hier Gäste des Bundesverbands deutscher
gangen. Große Teile sind nach wie vor mit dem
samt offensichtlich nicht in der Lage sind, diesen
europäischen Staaten jedenfalls nicht. Und da
Banken sind: Ich hätte mir gewünscht, dass die-
Einstimmigkeitsprinzip verbunden, so dass die
Teil, der in dem berechtigten Verdacht steht, der
soll ein Außenstehender, ein Japaner oder ein
„Wer steht aber eigentlich außer
der EZB hinter dem Euro? Die
europäischen Staaten jedenfalls
nicht.“
53
Perspektive Europa: Teil der Lösung oder Teil des Problems?
Friedrich Merz
„Das Europäische Parlament
dürfte dem Anspruch, eine
handlungsfähige Institution
zu sein, mittlerweile am
nächsten gekommen sein.“
54
Amerikaner zum Beispiel, an den Euro und seine
Das Europäische Parlament hat sich in seiner
Agrarsektor. Wenn diese Agrarpolitik der Euro-
nur Grundrechte zu formulieren als Abwehr-
Zukunft glauben?“ Wo ist die politische Dimen-
Zusammensetzung verändert. Das Parlament
päischen Union auf die potenziellen neuen Mit-
rechte der Bürger gegen das Handeln der Institu-
sion dessen, was wir in der Europäischen Union
hat seine Handlungsfähigkeit insbesondere im
gliedstaaten im Zuge der Osterweiterung über-
tionen der Europäischen Union, sondern auch
jetzt auf den Weg bringen müssen?
Zuge des Gesetzgebungsverfahrens, der Zusam-
tragen wird, würde allein für ein Land wie
Regeln des Verfahrens zwischen den Institutio-
Diese Europäische Union – da sind wir
menarbeit zwischen Rat und Parlament bewie-
Polen ein zusätzliches Agrarbudget in der Eu-
nen und insbesondere die Abgrenzung der Zu-
uns sicher einig, Herr Ministerpräsident Clement
sen. Das Parlament dürfte dem Anspruch, eine
ropäischen Union in Höhe von 10 Milliarden
ständigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und
– muss sich auf ihre Kernkompetenzen konzen-
handlungsfähige Institution zu sein, mittlerweile
Euro erforderlich werden. Sie sehen allein an
Europäischer Union auf die Tagesordnung der
trieren. Diese Kernkompetenzen sind schnell be-
am nächsten gekommen sein.
dieser Zahl, dass eine Übertragung der Agrar-
europäischen Politik zu setzen.
schrieben: Es ist die Wirtschafts- und Währungs-
Das größte Problem muss man wohl in
politik, so wie mit dem Euro angelegt, es ist aber
der Zusammensetzung und in der Arbeit des Ra-
auch eine gemeinsame Außen- und Sicherheits-
tes sehen: früher ein Allgemeiner Rat, später
Es erscheint mir umgekehrt aber unvor-
allerdings weder praktikabel noch justiziabel
politik bis hin zu einer gemeinsamen Verteidi-
hinzugekommen der Rat der Staats- und Regie-
stellbar, dass in der alten Europäischen Union
ausformuliert ist, in praktische Politik dergestalt
gungspolitik einschließlich, wie ich hinzufügen
rungschefs und dann eine Aufsplitterung der
die alte Agrarpolitik fortgesetzt und in den Bei-
umzusetzen, dass zwischen Europäischer Union
möchte, einer gemeinsamen Rüstungs- und Rüs-
Zuständigkeiten in eine unübersehbar gewordene
trittsländern der Europäischen Union eine neue
und Mitgliedstaaten eine Kompetenzordnung
tungskontrollpolitik. Es ist aber gewiss auch die
Vielzahl von Fachministerräten, die als Gesetz-
Agrarpolitik installiert wird. Hier muss die Eu-
neu hergestellt wird, wird es auch bei der Ableh-
innere Sicherheit, jedenfalls bei der Bewältigung
gebungsorgan in der Europäischen Union Ent-
ropäische Union selbst eine grundlegende Re-
nung von großen Teilen der Bevölkerung gegen-
der Probleme, die sich aus der grenzüberschrei-
scheidungen treffen, die praktisch von nieman-
form vornehmen.
über der Politik der Europäischen Union bleiben.
tenden organisierten Kriminalität ergeben.
dem mehr nachvollzogen werden können.
politik im Verhältnis eins zu eins auf die neuen
Beitrittsländer nicht möglich ist.
Wenn es nicht gelingt, das Subsidiaritätsprinzip, das schon heute im Vertrag steht, das
Wir haben deshalb schon zu Beginn der
Das Wort vom Verfassungsvertrag, ge-
Damit sind die drei Säulen der politischen
Meine Damen und Herren, ich glaube, hier
Verhandlungen über die so genannte Agenda
prägt in der Mitte der 90er-Jahre in einer innen-
Kompetenzen der Europäischen Union wohl be-
steht das größte Problem zur Lösung an. Ich halte
2000 den Vorschlag gemacht, die Agrarpolitik
politischen Debatte in Deutschland, hat mittler-
schrieben: äußere Sicherheit, innere Sicherheit
viel von den Vorschlägen, die Zuständigkeiten im
ähnlich wie die übrigen Strukturfonds der Eu-
weile Eingang gefunden in eine größere Zahl
und Wirtschafts- und Währungsunion.
Rat wieder auf einen Allgemeinen Rat zu konzen-
ropäischen Union einer so genannten Kofinan-
von europäischen Vereinbarungen, von Texten,
Was aber muss die Europäische Union
trieren und insbesondere das Problem der durch
zierung durch die Mitgliedstaaten der Europäi-
auch von Reden, die beispielsweise der französi-
tun, um dieses Ziel ihrer Kompetenzen zu errei-
Beamte der jeweiligen Ministerien besetzten Fach-
schen Union zu unterziehen. Dies würde auch zu
sche Staatspräsident in jüngster Zeit in Deutsch-
chen? Ich will versuchen, es anhand von drei
ministerräte zu beseitigen. Wenn die Europäische
einer wesentlich höheren Effizienz der Ausgaben
land gehalten hat. Wir können also zuversicht-
Bedingungen einzugrenzen.
Union nicht zu einem funktionsfähigen Zwei-
beitragen – wohl wissend, dass dies jedenfalls im
lich sein, dass mit dieser Kompetenzordnung –
Erstens: Diese Europäische Union muss
kammersystem aus Parlament und Rat kommt
Augenblick mit unseren französischen Nach-
also Grundrechte, Verfahrensregeln und Kom-
ihre eigenen Institutionen wieder handlungs-
und sich der Rat wirklich als Gesetzgebungsor-
barn so nicht formulierbar ist.
petenzabgrenzung zwischen Europäischer Union
fähig machen. Eine EU-Kommission mit 19 Mit-
gan und nicht als verlängerte Exekutive der jewei-
Drittens: Die Europäische Union braucht
gliedern aus 15 Mitgliedstaaten und in Zukunft
ligen Länderregierungen versteht, werden wir in
eine Kompetenzordnung, eine Kompetenzord-
mit vielleicht 20 oder gar 27 Mitgliedern an der
der Europäischen Union das notwendige Maß an
nung in der Abgrenzung auch zu den Zuständig-
Ich will aus gegebenem Anlass darauf hin-
Spitze wird nicht handlungsfähig sein. Die Euro-
Transparenz und auch das notwendige Maß an
keiten und Kompetenzen der Mitgliedstaaten.
weisen, dass aus meiner Sicht die Zuständigkeit
päische Kommission muss die europäische Exe-
demokratischer Legitimation nicht erreichen.
Hier haben wir mit der Charta der Grundrechte
für die Arbeitsmarktpolitik dabei im Wesent-
„Die Europäische Union braucht
eine Kompetenzordnung; auch in
der Abgrenzung zu den Zuständigkeiten der Mitgliedstaaten.“
und Mitgliedstaaten – ein Schritt in die richtige
und notwendige Richtung getan wird.
kutive sein. Dazu braucht sie einen schlanken
Zweitens: Die Europäische Union muss
einen ersten wichtigen Schritt in die richtige
lichen in der Hand der Mitgliedstaaten und in-
Verwaltungsapparat mit einer auch politisch
ihre Finanzen ordnen. Mehr als die Hälfte des
Richtung getan, nämlich im Rahmen eines Ver-
nerhalb der Mitgliedstaaten – jedenfalls in den
handlungsfähigen Spitze.
Haushalts der Europäischen Union fließt in den
fassungsvertrags der Europäischen Union nicht
großen – auch in der Länderzuständigkeit und
55
Perspektive Europa: Teil der Lösung oder Teil des Problems?
Friedrich Merz
„Die Osterweiterung muss gelingen, weil wir nur dann den
Anspruch aufrechterhalten können, eine gesamteuropäische
Friedens- und Freiheitsordnung
zu errichten.“
56
in der kommunalen Zuständigkeit bleiben muss.
neun auf zwölf Mitglieder und von zwölf auf
Alle Versuche, eine europäische Arbeitsmarkt-
15 Mitglieder war im Vergleich zu dem, was
politik zu formulieren, werden allein daran
jetzt auf die Tagesordnung gesetzt wird, eine
scheitern, dass eine größere Zahl von Mitglied-
leichte politische Übung.
staaten kein Interesse mehr daran haben kann,
Diese Osterweiterung kann nur gelingen, wenn
beispielsweise mit der Bundesrepublik Deutsch-
die notwendigen Voraussetzungen, so wie ich sie
land zusammen Arbeitsmarktpolitik zu betrei-
zu beschreiben versucht habe, geschaffen werden.
ben. Welches Interesse sollten die Niederlande
Sie muss gelingen, weil wir nur dann den
haben, welches Interesse sollten die Dänen haben,
Anspruch aufrechterhalten können, mit den zu
mit Deutschland zusammen in der Europäischen
Europa zählenden Ländern Osteuropas und
Union Arbeitsmarktpolitik zu betreiben? Dies
Mittelosteuropas eine gesamteuropäische Frie-
müssen wir schon selber leisten. Die Arbeits-
dens- und Freiheitsordnung zu errichten. Diese
marktpolitik wird eine im Wesentlichen nationale
politische Dimension einer gesamteuropäischen
Zuständigkeit bleiben.
Friedens- und Freiheitsordnung bedarf der ver-
Wenn sich die Europäische Union auf die-
tieften Debatte in unserem Land. Wir wissen aus
sen Weg begibt, also die Neuordnung der Insti-
vielen Umfragen, dass die Zustimmung der Bür-
tutionen, die Ordnung ihrer Finanzen und die
gerinnen und Bürger zu dem, was auf der
Herstellung einer Kompetenzordnung, dann
europäischen Tagesordnung steht, in den letzten
dürfte dies auch der richtige Weg sein, um die
Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist.
Osterweiterung der Europäischen Union zu er-
Ich begrüße deswegen ausdrücklich noch
möglichen. Meine Damen und Herren, bei der
einmal die Gelegenheit, im Rahmen eines sol-
Gipfelkonferenz in Kopenhagen zum Abschluss
chen Forums zwischen Wirtschaft, Wissen-
der finnischen Ratspräsidentschaft Ende letzten
schaft und Politik den Austausch über dieses
Jahres ist zwölf osteuropäischen und mittel-
wichtige Thema fortzusetzen. Wir werden aber
europäischen Staaten und der Türkei der Beitritt
auch alle – Sie in den Unternehmen, Sie in den
in Aussicht gestellt worden. Die Europäische
Universitäten und wir in der Politik – ein
Union steht mit dieser Erweiterung vor der
wesentlich höheres Maß unserer Kraft aufwen-
größten Herausforderung ihrer Geschichte.
den müssen, ein wesentlich höheres Maß an
Eine solche große Zahl von potenziellen neuen
Überzeugungskraft einsetzen müssen, um die
Mitgliedern hat es in der Geschichte der Euro-
Mehrheit der Bevölkerung auf diesem Weg zu
päischen Union noch nicht gegeben. Die Er-
einer gesamteuropäischen Friedens- und Frei-
weiterung von sechs auf neun Mitglieder, von
heitsordnung wirklich mitzunehmen.
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest, Kronberg im Taunus
Meine Da-
ben. Sie hat mit dem Globalisierungsprozess zu
ben wir bei der bisherigen Kompetenzverteilung?
Diese Übertragung führt dazu, dass von der
men und Herren! Im Hintergrund der Überle-
tun, mit dem Wegfall der Grenzen, mit der Digi-
Müssen wir hier Veränderungen vornehmen?
Bundesebene her versucht wird, in die Kompe-
gungen, die wir heute angestellt haben, stand ja
talisierung und auch mit der Tatsache, dass wir
Meine Antwort lautet: Wir müssen hier si-
tenzen der Länder einzusteigen. Das aber halte
immer das Thema Globalisierung. Es ist ver-
ernst nehmen müssen, was wir ununterbrochen
cherlich einige Veränderungen vornehmen. Wir
ich für problematisch. Wir haben ja durch die
schiedentlich die Sorge und auch die Hoffnung
über die Wissensgesellschaft und die Informati-
haben im medialen Sektor und auf den Gebieten
föderale Struktur unseres Landes enorme Stär-
ausgedrückt worden, dass von dieser Globalisie-
onsgesellschaft im Munde führen: Die bestmögli-
Kultur und Telekommunikation unterschiedliche
ken entwickelt. Im Gegensatz zu vielen Vorurtei-
rung ein gewisser Druck auf die Verhältnisse
che Qualifikation ist die bestmögliche Standort-
Kompetenzverteilungen zwischen Bund und Län-
len ist der föderale Bundesstaat auch ökono-
auch in diesem Land ausgehen werde, wodurch
sicherung. Das habe ich deutlich machen wollen.
dern, die auf die Dauer nicht zuträglich sind. Das
misch erfolgreicher als unsere zentralstaatlich
etwas mehr Bewegung entstünde. Ich erinnere
Was die Entwicklung des Föderalismus
müssen wir überwinden. Anschließend müssen
organisierten Nachbarstaaten. Deshalb glaube
nur deshalb daran, damit wir für die nun begin-
angeht: Ich unterscheide mich überhaupt nicht
wir entsprechend die Finanzmittel neu verteilen,
ich, dass wir gut beraten sind zu versuchen, die-
nende Diskussion eine Art Mittelpunkt haben.
von Herrn Merz, wenn er, bezogen auf die eu-
die mit diesen Mischfinanzierungen zwischen
se föderale Vielfalt zu erhalten.
Zunächst aber möchte ich das aufgreifen,
ropäische Ebene, den Vertrauensverlust der Poli-
Bund und Ländern verbunden sind. Das Problem
Die entsprechende Entwicklung wird sich
was Herr Merz zu Anfang gesagt hat. Wir soll-
tik beschreibt. Dies gilt nämlich durchgängig. In
der finanzschwächeren Länder in Deutschland
in Deutschland früher abzeichnen als in den an-
ten ein paar Worte auch über den Föderalismus
Deutschland und in Europa sind die Verant-
besteht nämlich darin, dass sie sich an dieses
deren Ländern. Wir haben neun Nachbarstaa-
in Deutschland verlieren. Herr Clement hat ja
wortlichkeiten und die Kompetenzen nicht klar.
Thema nicht herantrauen, weil sie befürchten, so
ten. Die deutschen Bundesländer – nicht nur
durchaus disparat darüber berichtet. Er hat ei-
Es gibt bei den Verantwortlichkeiten inzwischen
finanzielle Möglichkeiten zu verlieren.
Nordrhein-Westfalen im Verhältnis zu den Bene-
nerseits freundliche Worte dafür gefunden, er
Vernetzungen, die unüberschaubar geworden
In diesem Prozess befinden wir uns derzeit.
luxstaaten oder das Saarland im Verhältnis zu
hat andererseits aber erklärt, dass durch die
sind. Inzwischen sind sie selbst für Profis schwer
Wir diskutieren gerade den Finanzausgleich so-
Frankreich –, sondern auch Baden-Württemberg
Mischfinanzierung und anderes sich der Födera-
überschaubar. Deshalb trete ich gemeinsam mit
wohl zwischen Bund und Ländern als auch zwi-
oder die ostdeutschen Länder werden sich nach
lismus gerade im Bildungswesen gelegentlich als
anderen Länderchefs in der Bundesrepublik –
schen den alten und den neuen Bundesländern.
außen orientieren und werden dort teilweise
Hemmschuh erweist.
nicht mit allen – dafür ein, vor allen Dingen die
Wir hoffen, dass wir in der ersten Hälfte des
neue Kultur- und Wirtschaftsregionen wieder
Ich möchte Herrn Clement und Herrn
Mischfinanzierung, die Mischverantwortung in
nächsten Jahres zu einer Verständigung über die
entdecken und gemeinsam nutzen.
Merz bitten, dazu ein paar zusätzliche Bemer-
Deutschland abzuschaffen und wieder zu klaren
Finanzverteilung kommen können. Jedenfalls die
Eine solche Entwicklung liegt bei uns in
kungen zu machen.
Kompetenzen zunächst im Bundesstaat zu kom-
finanzstärkeren Länder möchten, dass in unmit-
Nordrhein-Westfalen wegen der angrenzenden
men sowie gleichzeitig die Kompetenzfrage in
telbarem Zusammenhang damit auch die Proble-
Beneluxstaaten nahe, nicht um uns aus dem Na-
Bezug auf die europäische Ebene zu klären.
me der Mischfinanzierung geklärt werden, besei-
tionalstaat zu verabschieden, sondern um die
tigt werden. Hier gibt es keinen so großen Unter-
Potenziale nutzen zu können, die in einer sol-
schied zwischen dem Bund und den Ländern.
chen Zusammenarbeit stecken. Deshalb glaube
P r o f . D r. h . c . J o a c h i m F e s t :
Wolfgang Clement:
Ich kann mich nicht erin-
nern, Herr Fest, dass ich im Zusammenhang mit
58
dem Föderalismus von einem Hemmschuh gerade
In Bezug auf die Kompetenzen, die auf der
im Bildungswesen gesprochen habe. Ich habe viel-
europäischen Ebene angesiedelt sein sollten, die
mehr über die Aufgaben gesprochen, welche die
aber genau definiert sein müssen und nicht unun-
Wenn man über die Zukunft des Födera-
ich, dass wir gut beraten sind, die föderalen
Länder in der Bildungspolitik haben. Ich habe ver-
terbrochenen Wucherungen unterliegen dürfen,
lismus und über das Verhältnis der Mitglied-
Strukturen zu pflegen. Wir werden versuchen,
sucht, die Reformaufgaben zu beschreiben.
unterscheide ich mich in nichts von dem, was
staaten zur Europäischen Union spricht, stellt
sie einzusetzen. Ich glaube, wir sind dabei erfolg-
Die Tiefe dieses Prozesses einer Reform
Herr Kollege Merz ausgeführt hat. Bezogen auf
man fest, dass das Hauptproblem darin be-
reicher, als manches erste Urteil über Kultusmi-
des Bildungswesens ist außerordentlich. Wir ste-
die Mischfinanzierung in Deutschland handelt es
steht, dass es vor allem die in Deutschland ori-
nisterkonferenzen oder Ähnliches signalisieren
hen nach meinem Verständnis auf diesem Gebiet
sich eigentlich um ein technisches Problem. Zu-
ginären Bundeskompetenzen sind, die an die
könnte. Die Verständigung zwischen den Län-
vor einer so großen Veränderung, wie wir sie in
nächst einmal muss erneut die Kompetenzabgren-
Europäische Union gehen. Hier geht es nicht so
dern erfolgt mindestens genauso schnell wie die
den vergangenen 50 Jahren noch nicht erlebt ha-
zung zwischen Bund und Ländern erfolgen: Blei-
sehr um die bisherigen Kompetenzen der Länder.
Gesetzgebung auf der Bundesebene.
„Im Gegensatz zu vielen Vorurteilen ist der föderale Bundesstaat
auch ökonomisch erfolgreicher als
unsere zentralstaatlich organisierten Nachbarstaaten.“
59
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
Bevor ich etwas zum deutschen
Sie selbst beschrieben haben, werden immer
Damals hat jeder gesagt: Wir haben endlich ei-
der nach Karlsruhe marschieren. Deshalb muss
Föderalismus sage, möchte ich, Herr Professor
mehr Bundeskompetenzen nach Brüssel abwan-
nen großen Schritt nach vorn getan im Hinblick
die Vorfrage beantwortet werden: Welche Form
Fest, eine Vorbemerkung zum Verhältnis der Bun-
dern, nicht durch den Vertrag von Maastricht.
auf die gemeinsame Verantwortung von Bund
von Föderalismus wollen wir haben? Wenn wir
desrepublik Deutschland zu Europa machen. Ich
Friedrich Merz:
und Ländern.
den Wettbewerbsföderalismus haben wollen,
habe in der Zeit, in der ich dem Europäischen
deralismus in Deutschland: Niemand von uns
Daraus ist aus meiner Sicht heute einer
dann müssen wir uns über die Frage unterhal-
Parlament angehört habe, die Binnenmarktge-
stellt den Föderalismus infrage. Aber wir müs-
der größten Hemmschuhe für eine schnelle und
ten, ob die Gleichwertigkeit der Lebensverhält-
setzgebung von 1989 an miterlebt. Ich habe
sen uns doch darüber klar werden, welchen Fö-
problemnahe Entscheidungsfindung des Bundes
nisse in der Bundesrepublik Deutschland, die
während dieser Zeit gesehen, wie sich die
deralismus wir in Deutschland wollen: Wollen
und der Länder geworden. Ich bin sehr dafür,
unser Grundgesetz postuliert, bedeutet, dass
deutschen Länder in Brüssel etabliert haben. Seit
wir den kooperativen Föderalismus? Oder wol-
dass wir darüber reden, wie wir hier wieder zu
wirklich sämtliche Unterschiede zwischen Gar-
es den Vertrag von Maastricht gibt, gibt es in
len wir den Wettbewerbsföderalismus? Hierüber
einer stärkeren Entflechtung der Zuständigkei-
misch-Partenkirchen und Flensburg durch den
Brüssel mehr Vertreter der Länder und deren Be-
gibt es keinen Konsens. Hierüber gibt es in allen
ten, der Kompetenzen des Bundes und der Län-
Finanzausgleich beseitigt werden müssen.
amte als Vertreter des Bundes und deren Beamte.
politischen Parteien unterschiedliche Auffassun-
der kommen können. Das hat etwas mit der Fi-
Ich bin definitiv der Auffassung, dass dies
Das Bild der Bundesrepublik Deutschland in
gen – bis auf die FDP, die es – mit Verlaub gesagt
nanzierung zu tun; denn wir brauchen hier eine
nicht sein sollte. Diejenigen, die sich anstrengen,
Brüssel ist diffus geworden, weil die Länder ein
– auch etwas einfacher formulieren kann, weil
strikte Beachtung des Konnexitätsprinzips. Der
müssen belohnt werden, auch durch eine erhöh-
überproportional hohes Maß an Mitentschei-
sie in den Ländern nicht so stark in der Verant-
allgemeine Grundsatz lautet: Wer zahlt, schafft
te Steuerkraft, und diejenigen, die Fehler ma-
dung und Kompetenzen in Brüssel beanspruchen,
wortung steht wie die großen Volksparteien.
an. Für die Politik ist dieses Prinzip weitgehend
chen, müssen dafür bestraft werden.
Friedrich Merz:
„Das Bild der Bundesrepublik in
Brüssel ist diffus geworden, weil
die Länder ein überproportional
hohes Maß an Mitentscheidung
in Brüssel beanspruchen.“
Zunächst noch eine Be-
wobei sie sich übrigens auf den neu gefassten Ar-
Meine Präferenz liegt bei einem sehr viel
außer Kraft gesetzt. Wenn wir in Berlin Gesetze
Wolfgang Clement:
tikel 23 unserer Verfassung berufen können, den
stärkeren Wettbewerbsföderalismus. Wenn wir
machen, ist fast immer die Zustimmung des
merkung zu Artikel 23 des Grundgesetzes. Wir
ich für eine der größten Fehlentscheidungen halte,
völlig zu Recht – da gebe ich Ihnen Recht, Herr
Bundesrats erforderlich. Dies lähmt uns in ge-
müssen sicherlich noch einmal über die Frage
die der Gesetzgeber in Deutschland im Zuge einer
Clement – über den Wettbewerb in den Ländern
wisser Weise. Die Länder beklagen ihrerseits zu
diskutieren, wie die Aufgabenverteilung ausse-
Neuordnung des Grundgesetzes getroffen hat.
sprechen, dann müssen wir auch bereit sein, den
Recht, dass sie zu wenig Zuständigkeiten haben.
hen soll. Es geht dabei um die Rolle der Regio-
Das, was in Artikel 23 steht und zweier ausführ-
Wettbewerb zwischen den Ländern zuzulassen.
Ich wäre bereit, darüber zu reden, den Ländern
nen in Europa. Ich sehe die Situation nicht so
lich formulierter Ausführungsgesetze bedarf, löst
Wenn dies allgemeine Meinung ist, sind wir
mehr Zuständigkeiten im Wettbewerbsföderalis-
skeptisch wie Sie, Herr Merz, aber ich gebe zu,
im Grunde genommen den Bundesstaat auf und
schon einen großen Schritt weiter.
mus zu geben, wenn die Länder ihrerseits bereit
wir haben hier bisher noch keine klaren Konturen und auch keine klare Kompetenzverteilung.
lässt die Bundesrepublik Deutschland in Brüssel
Herr Clement, Sie haben von dem techni-
wären, dem Bund eine größere Entscheidungs-
nur noch als eine Summe von 16 Ländern in Er-
schen Problem der Mischfinanzierung gespro-
autonomie bis hin zur Einnahme und zur Ausga-
scheinung treten. Ich halte das auch von der
chen. Ich sehe das nicht als ein technisches Pro-
be der Steuermittel zu geben.
Außenwirkung her für problematisch.
blem an, sondern als ein zutiefst politisches Pro-
Schließlich ein Wort zum Finanzausgleich:
balance einbezöge, könnte Europa nicht gelingen.
Wenn das, was Sie gesagt haben, Herr Cle-
blem, das einen wesentlichen Bestandteil der
Auch hier muss zuvor die Frage beantwortet
Artikel 23 des Grundgesetzes ist ein problemati-
ment, richtig wäre – es wäre schön, es wäre richtig
schwierigen Entscheidungsprozesse in Deutsch-
werden, ob wir für einen kooperativen Födera-
scher Versuch. Ich habe hier niemandem gegen-
–, nämlich dass durch den Vertrag von Maastricht
land ausmacht, wenn es nicht sogar zur Ent-
lismus oder für den Wettbewerbsföderalismus
über Kritik zu üben, denn ich war an seiner Ent-
überwiegend Bundeskompetenzen auf die Eu-
scheidungsunfähigkeit führt.
sind. Wenn diese Frage nicht beantwortet wird,
stehung selbst beteiligt. Nordrhein-Westfalen be-
Der große Finanzverbund, durch den fast
wird es beim so genannten Maßstäbegesetz ei-
zieht in die Arbeit seiner Repräsentanz in Brüssel
90 Prozent der Steuermittel zwischen Bund,
nen Formelkompromiss geben, und nach der
zunehmend die Wirtschaft ein. Wir suchen dort
Nicht, dass wir anei-
Ländern und Gemeinden neu verteilt werden,
ersten Jahresrechnung werden diejenigen, die
die Kooperation mit der Wirtschaft. Dadurch wird
nander vorbeireden: Durch die Entwicklung, die
war ein gefeiertes Kind der großen Koalition.
das Gefühl haben, zu viel gezahlt zu haben, wie-
unsere Repräsentanz ihren Charakter verändern.
ropäische Union übertragen wurden, hätte es dieser Entwicklung durch die Länder nicht bedurft.
Wo l f g a n g C l e m e n t :
60
Einverstanden. Jetzt zum Fö-
Ich meine, wenn man die Regionen nicht
mit ins europäische Spiel und auch in die Macht-
„Es muss die Frage beantwortet
werden, ob wir für einen kooperativen Föderalismus oder für den
Wettbewerbsföderalismus sind.“
61
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Der Motor meines politischen
Tuns speist sich aus dem Vergleich
insbesondere mit Bayern. Uns beflügelt sowohl die Kooperation als
auch die Konkurrenz.“
Hier besteht allerdings dennoch Diskussions-
dass Länder, die sich in einer solchen Phase be-
Aber dann schob er ein Beispiel nach und erklär-
Auch wenn die Europäische Union irgendwann
und Erörterungsbedarf, wie wir in Zukunft un-
finden und schwächer sind als Nordrhein-West-
te, es gehe schlechterdings nicht an, dass die
einmal aus 25 Mitgliedern besteht, wird man
sere Aufgaben werden wahrnehmen können. Ich
falen, auf Solidarität angewiesen sind. Sie brau-
Gärtner in Nordrhein-Westfalen und die Gärt-
sich rasch einigen, Vereinheitlichungen vorzu-
hielte es aber für falsch, zukünftig die Regionen
chen die Mischfinanzierung.
ner in den Niederlanden unterschiedlich hohe
nehmen. In dem Augenblick aber, da wichtige
vollkommen auszuklammern. Europa ist heute
Ich stimme zu: Wir brauchen auch den
Steuerbelastungen hinsichtlich der Heizkosten
Länder wie Nordrhein-Westfalen und Bayern
tatsächlich regionenblind. Nordrhein-Westfalen
Wettbewerbscharakter. Der Motor meines po-
zu tragen hätten. Es ist für die Betreffenden si-
ihre Regionalinteressen erkennen, könnte eine
hat 18 Millionen Einwohner. Nordrhein-Westfa-
litischen Tuns speist sich aus dem Vergleich
cherlich ein Ärgernis, wenn sie in einem Land le-
wirkungsvolle Bremse vorhanden sein.
len ist nirgendwo vertreten. Aber Staaten mit ei-
insbesondere mit Bayern. Uns beflügelt sowohl
ben, das die Heizkosten künstlich verteuert.
ner viel geringeren Einwohnerzahl, die ich jetzt
die Kooperation als auch die Konkurrenz. Das
Wenn man daraus folgerte, man sollte in
res Grundgesetzes quasi der Pfahl in unserem
nicht nennen will, weil ich nicht arrogant er-
macht unsere Stärke aus. Wir befassen uns
Brüssel einen Standard aushandeln, ginge man
Fleische ist. So ist es ja auch beabsichtigt. Ich
scheinen möchte, sind in Brüssel mit einem
zurzeit mit einem Benchmarking auf allen
das Risiko eines politischen Kartells ein. Dann
finde, so sollte es auch noch eine Zeit lang blei-
Kommissar vertreten.
Feldern, das sich auf die Bundesländer und
würden sich die Mitgliedstaaten rasch darauf ei-
ben. Das soll nicht heißen, dass wir uns nicht
Europa bezieht.
nigen, dass man – aus welchen Gründen auch
vorstellen können, ein Europa der Regionen zu
immer – eine Ökosteuer einführt.
schaffen, das die Nationalstaaten ablöst. Inso-
Demnächst kommen die drei baltischen
Staaten hinzu. Sie haben gemeinsam noch nicht
Wir werden einen Kompromiss finden müs-
einmal die Einwohnerzahl von Sachsen. Hier
sen, der beiden Aspekten gerecht wird: der Solida-
Ich finde, der Wettbewerb ist eine ganz
fern möchte ich der Ansicht von Herrn Walter
kommt es wirklich zu Problemen. Ich sehe hier
rität auf der einen Seite und dem Wettbewerb auf
gute Sache. Sollen die nordrhein-westfälischen
hinsichtlich der Ablösung des Nationalstaats
zunehmend ein Legitimationsproblem.
der anderen Seite. Dabei kommt Nordrhein-West-
Gärtner doch dem Landesvater und dem Bundes-
prognostisch nicht folgen.
Ein föderaler Staat ist auf die Bundestreue
falen im Verhältnis zwischen den A-Ländern und
rat auf den Hacken stehen, damit hier in Berlin
Ich fände es sehr gut, immer ein bisschen
der Länder angewiesen. Dieses Prinzip ist mir
den B-Ländern eine besondere Rolle zu. Ein Kom-
nicht allzu rasch eine Ökosteuer eingeführt wird!
Sand im Getriebe des allzu schnellen Delegierens
längst in Fleisch und Blut übergegangen. Aber
promiss ist nicht so leicht zu finden, aber wir sind
Die angeführte Wettbewerbsverzerrung
nach oben zu haben. Es ist wichtig, mahnende
wir müssen auch das jeweilige Gewicht und die
nahe am Ziel. Wir möchten gern eine einvernehm-
existiert; man kann sie nicht wegdiskutieren und
Stimmen wie die von Herrn Clement oder Herrn
jeweiligen Interessen einbringen können. Hier
liche Lösung zwischen allen Ländern, die beiden
sie ist ärgerlich genug. Aber wahrscheinlich be-
Stoiber zu hören, auch aus anderen Ländern. Ich
besteht wirklich noch Erörterungsbedarf.
Gesichtspunkten Rechnung trägt.
steht eine größere Chance, sie im Wettbewerb
meine, Artikel 23 unseres Grundgesetzes, von
Ich denke, dass die
der Besteuerungen zu beseitigen, als wenn man
dem wir wissen, warum er geschaffen wurde
unterschiedliche Interessenlagen und Sorgen. Aber
Frage, ob man einen Wettbewerbsföderalismus
den Standard nach oben delegiert und irgend-
und der auf den ersten Blick ein bisschen merk-
dieses Problem ist lösbar. Es wird im Rahmen der
oder einen so genannten kooperativen Födera-
wann eine für Europa einheitliche Ökosteuer
würdig erscheint, kann auf die Dauer seine
Diskussion über den Länderfinanzausgleich zu lö-
lismus haben will, sowohl für den Fortgang der
kommt, die immer wieder erhöht wird.
Funktion erfüllen.
sen sein. Insofern beantwortet sich dann auch Ihre
Europäischen Union als auch für die Frage
Ich sehe den Anspruch der Länder, euro-
Frage nach dem Wettbewerbsföderalismus. Wir
„Handlungsfähigkeit zurückgewinnen“ Bedeu-
päische Regionalinteressen einzubringen – das
Herr Barbier sei ein Journalist, der den Wettbe-
brauchen auf der einen Seite das Bemühen um
tung hat. Ministerpräsident Clement hat gesagt,
ist praktisch die Debatte über Artikel 23 unseres
werbsgedanken vertritt. Das, was gegenwärtig in
annähernd gleiche Lebensbedingungen. Man
selbstverständlich solle Brüssel nicht alles selber
Grundgesetzes –, eher so wie Ministerpräsident
den Niederlanden, in Belgien, in Luxemburg, in
kann nicht leugnen, dass es je nach Entwicklungs-
machen; er hat dabei hinzugefügt, dort solle
Clement.
Frankreich auf dem Sektor der Energiepreise zu-
stand unterschiedliche Bedingungen gibt.
man sich auf die Festlegung von Standards
Es gibt die Neigung, auch in einer erwei-
gunsten des Güterverkehrs, der Landwirtschaft
Nordrhein-Westfalen, das seit 38 Jahren
zurückziehen. Ich war an dieser Stelle – wie
terten Europäischen Union Dinge zu vereinheit-
und anderer Bereiche geschieht, ist nichts anderes
ein Zahlerland ist, befindet sich derzeit in einer
übrigens an vielen anderen Stellen auch – ge-
lichen, also eben keinen Wettbewerbsföderalis-
als eine sektorale Beihilfe. Auf Deutsch gesagt
schwierigen Phase. Ich könnte mir vorstellen,
neigt, ihm zuzustimmen.
mus in der Europäischen Union einzuführen.
handelt es sich um eine Subvention. Wie können
Hinsichtlich der Mischfinanzierung gibt es
62
Ich weiß sehr wohl, dass Artikel 23 unse-
D r. H a n s D . B a r b i e r :
Wolfgang Clement:
Bisher dachte ich immer,
„Es gibt die Neigung, auch in
einer erweiterten Europäischen
Union Dinge zu vereinheitlichen,
also eben keinen Wettbewerbsföderalismus einzuführen.“
63
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
Sie so etwas verteidigen, Herr Barbier? Das tun
Bundeskanzler Kohl erklärt hat, nämlich dass ei-
ter. Man hätte diesen Versuch doch nach zwei
Schritt war die deutsche Einheit. Deswegen habe
Sie doch nur, um mir die Ökosteuer um die Oh-
ne Währungsunion ohne eine irgendwie geartete
Jahren aufgeben müssen, in der wohl begründe-
ich mich auch immer geweigert – das ist aller-
ren hauen zu können! Das, was dort geschieht, ist
politische Union auf Dauer nicht überlebens-
ten Hoffnung, dass der Hamster längst tot ist.
dings lange her –, jemals Mitglied eines Land-
eine unzulässige Subvention.
fähig sei, stimmt absolut. Wie kann die politi-
Wo l f g a n g C l e m e n t :
sche Union bewerkstelligt werden zu einem
nicht sicher, ob sich die britischen Hamster fort-
Es gibt durchaus den Fall, dass
Zeitpunkt, da Franzosen und Deutsche zwar
pflanzen. Bei uns ist das noch so!
in Nordrhein-Westfalen Steuerbelastungen erfol-
währungspolitisch vereint sind, aber politisch
Pr of. Dr. h. c. Joachim Fest:
Es wird ver-
sert. Sie kann sich aber verbessern, Herr Cle-
gen, während in den angrenzenden Ländern für
nach wie vor getrennte Schlafzimmer haben?
mutet, dass es in der Umgebung von Hamburg,
ment, wenn man der Vorstellung vom Wettbe-
fünf oder sieben Jahre Steuerfreiheit gewährt
Die englischen Partner warten hier ungeduldig
im Mühlenberger Loch, eine bestimmte Wach-
werbsföderalismus wirklich folgt und die richti-
wird. Wie wollen Sie da noch einen Investor
auf eine Antwort.
telart gibt. Nur weil man deren Existenz dort
gen Konsequenzen zieht. Es geht dabei nicht nur
Dr. Hans D. Barbier:
David Marsh:
„Dass eine Währungsunion ohne
eine irgendwie geartete politische
Union auf Dauer nicht überlebensfähig sei, stimmt absolut.“
tages zu werden. Was sollte ich denn dort? Dort
gibt es ja gar nichts zu entscheiden.
Die Situation hat sich seither nicht gebes-
nach Nordrhein-Westfalen locken? Im deut-
Ich habe eine Frage an Herrn Clement
vermutet hat – gesehen hat dieses Tier niemand –,
um die Mischfinanzierung, sondern auch um die
schen Steuerrecht gilt nun einmal das Legalitäts-
hinsichtlich der Westdeutschen Landesbank.
hat man den Bau einer Bahnstrecke oder eines
Gemeinschaftsaufgaben sowie um den vertika-
prinzip. Weder Landesminister noch Bundesmi-
Weshalb versuchen Sie nicht, die Investment-
Wohngebiets verhindert. Herr Marsh, das ist al-
len und den horizontalen Finanzausgleich.
nister können hier irgendetwas gewähren. In
bankteile der Westdeutschen Landesbank nicht
so nicht so selten, wie Sie meinen. Das gibt es
Natürlich muss man an die neuen Länder den-
den Niederlanden hingegen ist es möglich.
nur zu privatisieren, sondern auch zu europäi-
nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern auch
ken. Es wäre ein guter Schritt vorwärts, wenn
Das ist der Mangel, den wir
sieren? Es gibt sehr viele europäische Banken,
in anderen Gegenden Deutschlands.
man solche Absurditäten wie das Hafenprivileg
erkennen. Die Unternehmensbesteuerung muss
die durchaus ein Bündnis mit der Westdeutschen
D r. O t t o G r a f L a m b s d o r f f :
nach Standards erfolgen, wenn auch in gewissen
Landesbank eingingen. Täten Sie dies, erfüllten
kung zu Artikel 23 des Grundgesetzes: Hier sitzen
Bandbreiten. Es geht nicht darum, Gleichmache-
Sie die Europapolitik nicht nur mit Banken-
lauter Mittäter. Wir haben ihn miteinander for-
Das reicht aber nicht aus. Man muss sich
rei zu betreiben. Aber man braucht Mindeststan-
leben, sondern in einem Land, in dem der Be-
muliert. Ich halte diese Bestimmung für eine Fehl-
darüber hinaus über die Steuerpolitik und die
dards. Anderenfalls kann man im Wettbewerb
griff „Fusionitis“ nicht immer zu guten Erfolgen
entwicklung. Ich bin nicht so nachsichtig wie
Finanzverfassung Gedanken machen. Meine
nicht bestehen. Es geht nicht darum, dass uns die
führte, würden Sie den Beweis dafür antreten,
Herr Barbier. Ich sehe, dass es auch ein paar Vor-
Frage lautet: Sind Sie bereit, einer Lösung des
Unterglasgartenbaubetriebe bedrängen; wenn
dass die Banken in einem grenzüberschreitenden
züge gibt. Aber wenn außenpolitische Entschei-
Problems näher zu treten, das darin besteht,
nichts geschieht, werden sie demnächst nicht
Sinne durchaus mit Erfolg fusionieren können.
dungen in Brüssel nicht getroffen werden können,
dass der Bund die indirekten Steuern erhebt, sie
Wolfgang Clement:
Eine Bemer-
und die Bezahlung großer Regierungen in kleinen Ländern abschaffen könnte.
mehr existieren können. Diese Betriebe werden
Herr Clement, Sie haben die Horrorge-
weil sich der deutsche Verhandlungsführer bei
bekommt und auch allein ausgibt, wobei die
bei uns in Nordrhein-Westfalen im Verhältnis zu
schichte mit dem Hamster gebracht. Damit ha-
den Ländern rückversichern muss und erklärt, er
Länder nicht mitzureden haben? Für die Ein-
den niederländischen Betrieben systematisch platt
ben Sie die schlimmsten antieuropäischen Storys
müsse erst nach Hause fahren, um mit 16 Län-
kommen- und Körperschaftsteuer gibt es eine
gemacht. Bisher gibt es in Nordrhein-Westfalen
in den Massenblättern in Großbritannien über-
dern zu sprechen, dann ist eine Entwicklung ein-
gemeinsame Bemessungsgrundlage. Die Hebe-
noch etwa 2 000 solcher Betriebe. Wenn die bis-
troffen. Als britischer Miteuropäer kann ich an
geleitet, die auf Dauer nicht durchzuhalten ist.
sätze können die Länder allein bestimmen. Da-
herige Entwicklung noch anderthalb Jahre fort-
diese Story einfach nicht glauben. Ich glaube
Was wir mit dem deutschen Föderalismus
bei gibt es einen Wettbewerb unter den Ländern.
schreitet, gibt es bei uns keinen einzigen solchen
nicht, dass die normale Lebenserwartung eines
veranstaltet haben, kann man feststellen, wenn
Die Frage, ob das Saarland demnächst irgendwo
Betrieb mehr. Das ist ein ganz kritischer Punkt.
Hamsters mehr als zwei Jahre beträgt – zumin-
man sich den Verfassungsartikel über die kon-
eingegliedert werden muss, kann sich auch da-
Herr Merz, Sie haben erklärt,
dest trifft dies nicht auf einen britischen Hamster
kurrierende Gesetzgebung ansieht. Das ist alles
durch lösen, dass sich zeigen wird, ob auch ein
die Schwäche des Euro sei teilweise auf die Poli-
zu –, es sei denn, die Gesundheitsreform hat hier
von den Ländern an den Bund verkauft worden,
kleines Land wirtschaftlich erfolgreich ist oder
tik zurückzuführen. Das, was die Bundesbank
Fundamentales bewirkt. Sie haben ganz bewusst
um es einmal deutlich auszudrücken. Das be-
nicht. Wenn es erfolgreich ist, wird es bestehen
schon vor zehn Jahren gesagt hat, was auch
gesagt: Es handelt sich um lediglich einen Hams-
gann mit der großen Koalition. Der nächste
bleiben; anderenfalls wird es von größeren
David Marsh:
64
Zum Teil!
Herr Marsh, ich bin
„Ich habe mich immer geweigert,
jemals Mitglied eines Landtages
zu werden. Was sollte ich denn
dort? Dort gibt es ja gar nichts
zu entscheiden.“
65
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Zwar ist im Grundgesetz von
der Gleichmäßigkeit der Lebensverhältnisse die Rede, aber mit
Wettbewerbsföderalismus hat
das wahrlich nichts zu tun.“
Nachbarn eingegliedert. Anders geht es nicht.
noch in der Steinzeit. Dann hätten wir das Ren-
deutschland erlebt – das habe ich selbst ganz un-
Deutschland eintritt. Man kann die Kompeten-
Herr Merz hat vollständig Recht: Zwar ist im
tenproblem auch nicht, weil man mit durch-
mittelbar mitbekommen –, wie blitzschnell sich
zen neu austarieren im Sinne von mehr Klarheit.
Grundgesetz von der Gleichmäßigkeit der Le-
schnittlich 25 Jahren sterben würden.
dort die Länder herausgebildet haben. Man hät-
Die Einnahmen aus der indirekten Besteuerung
bensverhältnisse in den einzelnen Ländern die
Wolfgang Clement:
Die Westdeutsche Lan-
te sich ja auch andere Ländergliederungen als
nehmen stärker zu als die anderen Steuereinnah-
Rede, aber diese haben wir in den vergangenen
desbank wird, soweit es um den Privatbankenteil
die nun entstandenen vorstellen können. Es geht
men. Dass der Bund hier Interesse zeigt, kann
40 Jahren weder zwischen Ostfriesland und dem
geht, in eine Aktiengesellschaft überführt. Diese
hier auch um außerordentlich stark wirkende
ich mir gut vorstellen. Aber das Interesse der
Rhein-Main-Gebiet noch zwischen Hessen und
Aktiengesellschaft wird selbstverständlich inter-
emotionale Fragen. Es geht um Bindungen, um
Länder ist gleichrangig. Derjenige, der auf die
Sachsen und auch nicht zwischen Sachsen und
national handeln. Sie wird selbstverständlich alle
Heimatgefühle und Ähnliches.
Einkommensteuer angewiesen ist, bekommt das
Mecklenburg herstellen können. Das funktio-
Möglichkeiten der Zusammenarbeit nutzen,
In Deutschland sind wir deshalb, wie sich
Ungleichgewicht zu spüren, das wir befürchten
niert nicht. Dieser Grundsatz ist ein großes Hin-
auch über die Grenzen hinaus. Einer der Vor-
zeigt, nur unter äußerst schwierigen Bedingun-
und das den Föderalismus in Probleme bringen
dernis, denn mit Wettbewerbsföderalismus hat
würfe der Privatbanken lautet ja, dass sie zu sehr
gen in der Lage, hier zu Veränderungen zu gelan-
kann. Graf Lambsdorff, wir sind bereit, weiter
das wahrlich nichts zu tun.
über die Grenzen hinausgeht.
gen. Deshalb haben wir im Rahmen der Länder
zu gehen, als kurz nur über die Mischfinanzie-
Herr Clement, bei Ihrer Geschichte vom
Herr Marsh, wir benötigen dazu natürlich
zu Beginn unserer Diskussion über den Länder-
rung und die Gemeinschaftsaufgaben zu reden.
Hamster habe ich teilnehmend Ihrer Kollegin
eine gewisse Übergangszeit, wir brauchen für eine
finanzausgleich klar gesagt: Wir stellen im Zuge
Ich gebe zu: Das bedarf zwischen den Ländern
Höhn gedacht.
gewisse Zeit eine Patronatserklärung. Ich will das
der Diskussion über den Länderfinanzausgleich
noch einer eingehenden Diskussion.
Ich möchte auf
Modell jetzt nicht im Einzelnen beschreiben. Wir
nicht die Existenz eines Landes infrage, weil wir
Herr Professor Prosi, was die Standards in
das Problem hinsichtlich der Standards zurück-
stehen erst am Beginn der Verhandlungen mit der
anderenfalls nicht zu einem Ergebnis gelangen
Europa angeht: Auch ich bin nicht der Meinung,
kommen. Herr Clement und Herr Merz, wie
Europäischen Kommission. Diese Verhandlungen
können. Das hat zur Folge, dass man bestimmte
dass wir gewissermaßen eine europäische
weit wollen Sie mit den Standards eigentlich ge-
haben bisher nicht zum Erfolg geführt.
Dinge zusichern muss, beispielsweise den Stadt-
Gleichschaltung herbeiführen sollten. Ich bin al-
P r o f . D r. G e r h a r d P r o s i :
66
hen? Sie sprachen von Steuern und Subventio-
An der erwähnten Aktiengesellschaft ha-
staaten eine bestimmte Höherbewertung hin-
lerdings der Auffassung, dass man in bestimm-
nen. Aber die Wettbewerbsfähigkeit wird ja
ben zunächst die heutigen Gewährsträger die
sichtlich der Einwohnerzahl. Über das Hafenpri-
ten Bereichen mindestens Bandbreiten haben
auch durch die Höhe der Löhne, der Sozialabga-
Anteile. Das ist anschließend veränderbar. Wir
vileg müssen wir noch im Einzelnen diskutieren.
muss. Das ist nicht neu. Herr Barbier hat es ein
ben, der Investitionen in die Infrastruktur und
werden uns dann ganz normal im Markt bewe-
Wir werden in dieses Feld einen Schuss
bisschen abfällig dargestellt, aber wir brauchen
dergleichen bestimmt. Wollen Sie auch dieses
gen, selbstverständlich mit allen Möglichkeiten
Wettbewerb hineinbringen. Das erfordert eine
gemeinsame Standards für die Energiebesteue-
standardisieren?
und Formen der Zusammenarbeit.
gewisse Zeit. Man kann nicht von heute auf
rung in Europa. Es kann keine andere nord-
Ich meine, wir sollten über jeden Unter-
Graf Lambsdorff, es ist immer wohltuend,
morgen das Steuer herumwerfen und völlig neu
rhein-westfälische Sichtweise geben. Für uns ist
schied in Europa froh sein, denn durch die Un-
Ihnen zuzuhören, weil Sie das Verhältnis bei-
beginnen. Es gibt in der Bundesrepublik Deutsch-
die Höhe der Energiebesteuerung in den Nieder-
terschiede ist der Austausch, ist das Lernen von-
spielsweise zwischen Bund und Ländern und un-
land annähernd gleiche Lebensverhältnisse, auch
landen wichtiger als die Frage, wie die Energie
einander, ist Fortschritt möglich. Wir sollten al-
ter den Ländern selbst so zugespitzt formulieren.
zwischen Ostfriesland und anderen Regionen.
in Ostdeutschland besteuert wird. Hier geht es
so gerade die Unterschiedlichkeit und nicht die
Ich kann aus der Sicht von Nordrhein-Westfalen
Das äußert sich auch in den sozialen Gegeben-
einfach um ökonomische Tatsachen; das hat
Standardisierung und die Gleichheit fördern.
sehr gelassen reagieren, weil wir beispielsweise
heiten. Ich bin damit einverstanden – das kann
nichts mit Emotionen zu tun. Der wirtschaftli-
Stellen Sie sich einmal vor, wir würden in ganz
nie irgendwelche Gebietsansprüche erhoben ha-
ich nur für Nordrhein-Westfalen sagen und
che Austausch zwischen den Beneluxstaaten und
Europa nach Hamstern suchen! Dadurch käme
ben. Sie unterschätzen die Rolle des Regionalis-
weiß, wie man in Bayern darüber denkt –, dass
Nordrhein-Westfalen ist intensiver als jener zwi-
es zu einem absoluten Stillstand bei den Infra-
mus und des Föderalismus, die Rolle der Länder
man über die Gemeinschaftsaufgaben und die
schen Nordrhein-Westfalen und den übrigen
strukturinvestitionen. Hätte man damit sehr
in Deutschland generell, wenn Sie allein ökono-
Mischfinanzierung hinausgeht und in eine
Bundesländern. Insofern sind wir beispielsweise
frühzeitig begonnen, befänden wir uns heute
mische Fragen thematisieren. Wir haben in Ost-
Diskussion über die Kompetenzverteilung in
bei der Energiebesteuerung oder der Besteue-
„Der wirtschaftliche Austausch
zwischen den Beneluxstaaten und
Nordrhein-Westfalen ist intensiver
als jener zwischen NordrheinWestfalen und den übrigen Bundesländern.“
67
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Ein weltweites Problem ist
eher die Überbesteuerung, nicht
die Unterbesteuerung.“
rung von Kapitalerträgen darauf angewiesen,
Dass eine unterschiedlich hohe Besteuerung oder
päischen Union bei Freiheit des Waren-, Dienst-
auf der Basis dieser Grundlage erhoben wer-
dass wir zu gemeinsamen Standards gelangen.
ein sehr stark unterschiedlicher Lohn keine sta-
leistungs- und Kapitalverkehrs zu schaffen. Die
den, müssten sich im Wettbewerb herausbilden.
Darum bemühen sich ja auch alle.
bile Lösungen darstellen, weil dadurch ungeheuer
Frage ist nur, welche Standards es sein sollen,
Bei einer anderen Regelung hätten es die Finanz-
Ich will nicht eine völlige Gleichheit der
große Wanderungen ausgelöst werden, ist klar.
wie die Maßstäbe aussehen sollen.
minister der Mitgliedstaaten in der Hand, den
Steuersysteme, aber wir benötigen ein wenig
Da gibt es zwischen Ihnen, Herr Clement, und
Ich möchte das am Beispiel der Steuerpoli-
Wettbewerb völlig auszuschalten und adminis-
Schutz davor, dass diese Systeme sektoral ausge-
mir keine unterschiedliche Auffassung. Mein Ver-
tik verdeutlichen. Selbstverständlich benötigt
trativ ein hohes Steuerniveau festzusetzen, statt
nutzt werden. Die Schwäche des Euro liegt auch
fahren zur Ermittlung des Standards ist allerdings
man in einem europäischen Binnenmarkt ein
dass über den Wettbewerb ein niedriges Steuer-
in der Tatsache begründet, dass wir die europäi-
ein anderes als Ihres. Meine Ermittlung läuft so-
binnenmarktkonformes Mehrwertsteuersystem.
niveau erzwungen wird. Ich glaube, an dieser
sche Währung nicht unterfüttert haben, dass wir
zusagen über eine Wettbewerbsbeziehung, Ihre
Dieses gibt es bis heute nicht, weil das Einstim-
Stelle ist eine Differenzierung notwendig.
sie nicht mit einem ausreichenden gemeinsamen
liefe über eine politische Absprache.
migkeitsprinzip gilt und sich die Mitgliedstaaten
Ein ganz interessantes Thema sind die
Handeln gerade in diesen Fragen versehen haben.
Wolfgang Clement:
Ich stimme Ihnen zu, al-
nicht darauf verständigen können, dass im
Flughäfen. Auch ich kenne die diesbezügliche
Auch bei den ökologischen Standards be-
lerdings mit Ausnahme der Energiebesteuerung.
Raum der Europäischen Union die Mehrwert-
Debatte in Nordrhein-Westfalen. Hier geht es
darf es einer Annäherung. Es ist doch nicht zu-
Ich glaube, dass wir in Europa zu einer gemein-
steuer des Herkunftslandes gelten soll. Das wäre
im Wesentlichen um das Nachtflugverbot. Der
träglich, dass die Flughäfen, die auf engstem
samen Energiebesteuerung kommen müssen,
der richtige Standard: Es müsste die Mehrwert-
Flughafen Maastricht, der relativ weit von der
Raum beieinander liegen, mit völlig unterschiedli-
auch im Interesse der Steuerung. Hinsichtlich
steuer des Herkunftslandes gelten, nicht die des
nächsten Wohnbebauung entfernt liegt, hat mit
chen Bedingungen antreten und für die Anlieger
solcher empfindlicher Sektoren stimme ich
Bestimmungslandes. Dann träten nämlich die
dem Nachtflugverbot keine Probleme. Der Flug-
unterschiedliche Belastungen bringen. Der wirt-
Ihnen nicht zu. Ich gehe davon aus, dass wir uns
Mehrwertsteuersätze in einen Wettbewerb zu-
hafen Köln/Bonn gerät zunehmend unter den
schaftliche Erfolg eines Flughafens hängt heute
in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union
einander. Anderenfalls hat niemand ein Interesse
Druck der Anwohner. Wenn sich die nordrhein-
davon ab, dass man den Anliegern möglichst viel
bestimmte Handlungsmöglichkeiten erhalten
daran, danach zu differenzieren, ob ein PKW
westfälische Landesregierung dazu entschließt,
zumutet. Hier könnten wir durch europäische
müssen. Diese Diskussion führen wir derzeit.
aus Deutschland oder aus Frankreich kommt,
auf dem Köln/Bonner Flughafen ein Nachtflug-
Standards den Bürgern viele Belastungen ersparen.
Wir erleben, dass sich diese Standards
weil in beiden Fällen dieselbe Mehrwertsteuer
verbot zu erlassen, warum muss dann die Eu-
Es ist doch ein Unterschied,
herausmendeln, beispielsweise bezüglich der Ka-
erhoben wird: bei einem Verkauf in Deutschland
ropäische Union den Maßstab setzen, dass dies
Herr Clement, ob sich ein Standard, etwas unge-
pitalertragsbesteuerung. Deutschland ist hier
die deutsche Mehrwertsteuer, bei einem Verkauf
auch in Maastricht der Fall sein muss, obwohl
fähr Einheitliches, im Wettbewerb zwischen den
zum Handeln bereit, wenn auch die anderen
in Frankreich die französische Mehrwertsteuer.
dort praktisch keine Anwohner betroffen sind?
Niederlanden, Belgien und Nordrhein-Westfalen
Länder wie Großbritannien, Luxemburg und die
Die Besteuerung nach dem Herkunftsland wäre
Dies kann doch wohl nicht der gemeinsame eu-
etwa hinsichtlich der Energiebesteuerung oder
Schweiz dazu bereit sind. In diesem Fall sind wir
ein Standard, der binnenmarktkonform wäre.
ropäische Standard sein. Ich finde, hier sollte
der Löhne bildet oder ob man diesen Standard
bereit, die Höhe der Kapitalertragsbesteuerung
Bei den direkten Steuern gibt es ein ande-
man sehr sorgfältig differenzieren. Man sollte
zuvor festlegt. Das Argument, dass der Wettbe-
zu senken, und zwar im Interesse einer gemein-
res Problem, Herr Clement: Bei den direkten
Gleiches gleich behandeln, Ungleiches sollte
werbsstandard beispielsweise bei der Besteuerung
samen Besteuerung. Es wäre für uns immer noch
Steuern bin ich sehr dafür, dass wir einheitliche
man aber auch ungleich behandelt lassen.
dazu führt, dass die Staaten ausbluten, weil man
besser, uns an dem Standard auszurichten, der
Standards in Europa hinsichtlich der Bemes-
David Marsh hat die politische Union an-
sich wechselseitig unterbietet, hat doch keinerlei
sich im europäischen Wettbewerb herausbildet.
sungsgrundlage haben. Das bedeutet, dass bei-
gesprochen. Ich habe zum Thema politische
empirische Fundierung. Ich meine, ein weltweites
Hier liegt doch nicht unser Problem.
spielsweise in den Niederlanden inländische
Union drei Bereiche erwähnt. Bei der Wirt-
Problem ist eher die Überbesteuerung, nicht die
Friedrich Mer z:
Ich möchte das Problem der
Konzerngesellschaften genauso besteuert wer-
schafts- und Währungsunion sind wir auf einem
Unterbesteuerung. Insofern gäbe es Spielraum für
Standards etwas differenzierter betrachten.
den müssten wie ausländische. Dies ist gegen-
guten Weg. Von einer gemeinsamen Außen- und
einen Standard, ermittelt durch den Wettbewerb
Natürlich gibt es die Notwendigkeit, eine ganze
wärtig nicht der Fall. Die Bemessungsgrundlage
Sicherheitspolitik sind wir noch weit entfernt.
der Regionen.
Reihe von gemeinsamen Standards in der Euro-
müsste dieselbe sein, aber die Steuersätze, die
Als Beispiel möchte ich den Balkan ansprechen.
Dr. Hans D. Barbier:
68
„Man sollte Gleiches gleich behandeln, Ungleiches sollte man aber
auch ungleich behandelt lassen.“
69
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Gibt es in Deutschland nicht eine
größere Fantasie, als nun wieder
eine Politik zu betreiben, die gekennzeichnet ist durch Themen
wie das Recht auf Teilzeitarbeit?“
Die Europäer haben auf dem Balkan politisch
Köln/Bonn weiterhin Nachtflüge geben wird. Es
zeichnet ist durch Themen wie das Recht auf Teil-
spiel von Herrn Clement bezüglich der subven-
total versagt und sind erst dann in die militäri-
muss sie geben, so belastend das auch ist. Ich
zeitarbeit? Die von Herrn Schlauch angestoßene
tionierten Gewächshäuser zurückkommen, weil
sche Verantwortung mit einbezogen worden, als
möchte darauf hinweisen, dass meine Partei bei
Diskussion bezüglich der Tarifverträge will ich
sich daran sehr gut der Wirrsinn der Strukturpo-
die NATO zusammen mit den Amerikanern ent-
den Wahlen in den entsprechenden Wahlkreisen
jetzt außen vor lassen. Gibt es nicht die Möglich-
litik und der Energiepolitik in den Niederlanden
sprechende Beschlüsse gefasst hatte. Über diese
Wahlniederlagen einstecken musste.
keit, eine Sozial- und Gesellschaftspolitik unter
und in Deutschland zeigen lässt. Die Holländer
Beschlüsse könnte man den einen oder anderen
Ich möchte nur, dass wir uns in Europa
Rahmenregelungen zu betreiben, die sicherstel-
hatten lange Zeit Steinkohlezechen und haben
Satz verlieren, aber das will ich hier nicht tun.
darüber verständigen, welche Maschinen nachts
len, dass berechtigte soziale Standards nicht ver-
sie ganz gezielt in den 50er-Jahren geschlossen.
Es ist etwas geschehen, aber nicht deshalb, weil
fliegen dürfen und welche nicht. Dort findet der
loren gehen, aber dennoch die Vertragsauto-
Sie haben umstrukturiert und ganz auf die Karte
wir eine gemeinsame Politik betrieben haben.
eigentliche Wettbewerb statt. Solche Standards
nomie der Beteiligten gestärkt wird, damit
Gas gesetzt. Wir in Deutschland haben den Un-
Selbst heute wissen wir noch nicht, was wir auf
kann man festlegen. Wenn man sich darüber ver-
Mobilität und Freizügigkeit gefördert werden?
ternehmen in der Energiepolitik ständig – das
dem Balkan politisch eigentlich wollen.
ständigt, kann man einen ganz anderen Einfluss
Auf dem Arbeitsmarkt muss es zu mehr
setzt sich derzeit fort – neue Sonderlasten aufer-
Der dritte Bereich ist die Innen- und
ausüben, als wenn die einzelnen Flughäfen gegen-
Mobilität kommen. Derzeit profitiert der Ar-
legt. Ich nenne die Stichworte Kraft-Wärme-
Rechtspolitik, jedenfalls was grenzüberschrei-
einander ausgespielt werden können. Wir haben
beitsmarkt weitgehend nur vom demographi-
Kopplung, Ökosteuer und Stromeinspeisegesetz.
tende Tatbestände angeht. Es gibt auf dem Sek-
beispielsweise dafür bezahlt, dass eine bestimmte
schen Faktor. Es gibt in Deutschland zu wenige
Es wurde eine Gassteuer eingeführt, obwohl wir
tor der grenzüberschreitenden Kriminalitäts-
israelische Linie ihren Standort von Köln/Bonn
neue Wege, zu mehr Beschäftigung zu gelangen.
über keine nennenswerten Gasquellen verfügen.
bekämpfung keine gemeinsame europäische Jus-
nach Maastricht verlegt hat. Wir haben das fi-
Insofern war ich mit diesem Teil Ihres Vortrags,
Für Erdöl wurden Förderzinsen eingeführt. Dau-
tizpolitik. Es ist noch nicht einmal das Problem
nanziell gefördert, damit diese laute Maschine
Herr Clement, notwendigerweise unzufrieden.
ernd wird überlegt: Wo müssen wir bestimmte
der Nacheile geregelt. Polizeibeamte aus den
vom Flughafen Köln/Bonn verschwand.
Könnte es nicht endlich einen politischen Dialog
Branchen durch eine Differenzierung der Steuer-
Niederlanden dürfen einen Straftäter, der bei
Hier gibt es zum Teil absurde Verzerrun-
in Deutschland geben, bei dem moderne Themen
sätze und durch Ausnahmeregelungen schützen?
Moers den Rhein überquert, nur zehn Kilometer
gen. Hier geht es auch um ökologische Stan-
und zukunftsweisende Entwicklungen aufgegrif-
Die Holländer haben für die Gasförderung
weit in der Bundesrepublik verfolgen, dann ist
dards. Sie sind überaus wichtig, weil Lärm im-
fen werden, ohne dass man sich gegenseitig ver-
differenzierte Steuersätze eingeführt. Ob das nun
Schluss. Ab dort sind sie Privatpersonen.
mer mehr zu einem gefährlichen gesundheitli-
hakt und zurückkehrt in eine doch sehr tradierte
Subventionen oder akzeptable Differenzierungen
chen Problem wird.
Vorstellung von sozialem Schutz und vertragli-
beim Steuersatz sind, wird sich zeigen. Auf der
cher Gestaltung des Arbeitsverhältnisses?
anderen Seite werden die Holländer auf Deutsch-
Wir müssen in der Europäischen Union
Rüdiger von Voss:
und dies mit handlungsfähigen Institutionen
hat auch etwas mit Ihrem Typus zu tun, dass
Ich glaube, dass wir mit dem, was wir jetzt
land zeigen und erklären: Ihr haltet 5 bis 7 Milli-
verbinden. Wir haben diese Institutionen – Rat,
Sie in dynamischer und pragmatischer Weise
wieder zu diskutieren beginnen, die Ziele nicht er-
arden DM an Kohlesubventionen für angemes-
Kommission und Parlament –, aber wir müssen
moderne Themen aufzugreifen bereit und auch
reichen können. Weltweit haben die Elefanten das
sen, aber bei unseren 120 Millionen DM für die
sie so ausgestalten, dass sie handlungsfähig wer-
imstande sind. Für mich war auffallend, dass
Tanzen gelernt. In den östlichen Ländern gibt es
Gärtner schreit ihr laut auf! Die Deutschen wer-
den und ihre demokratische Legitimation stär-
Sie in Ihrem Vortrag bei der Schilderung der ar-
bereits exterritoriale Rechtsbereiche riesigen Um-
den in Brüssel niemanden finden, der dieses wir-
ken. Wenn sie nicht über eine solche Legitimati-
beitsmarktpolitischen Entwicklung in Nord-
fangs. Das wird international noch zunehmen.
re deutsche Energiesteuerrecht akzeptiert.
on verfügen, wird die Zustimmung der Bevölke-
rhein-Westfalen sehr schnell über strukturelle
Insofern frage ich mich, ob wir nicht doch
rung zu Europa weiter abnehmen.
Schwierigkeiten unseres Arbeitsmarkts hinweg-
eine andere Art von Gesellschafts- und Sozialpo-
Blockade erwähnen, die hier noch nicht beson-
Nur ein Satz zur Flug-
gegangen sind. Möglicherweise konnte das
litik betreiben müssen, wenn wir den jungen
ders angesprochen wurde, nämlich die fehlende
hafenproblematik. Ich möchte nicht, dass über-
wegen der knappen Redezeit nicht anders sein.
Menschen mehr Chancen bieten und moderne
Flexibilität des Arbeits- und Tarifrechts in
all die Nachtflüge eingestellt werden. Sie können
Gibt es in Deutschland nicht eine größere Fantasie,
Arbeitsverhältnisse schaffen wollen.
Deutschland. Die Bertelsmann-Stiftung hat kürz-
davon ausgehen, dass es auf dem Flughafen
als nun wieder eine Politik zu betreiben, die gekenn-
Max Dietrich Kley:
Wolfgang Clement:
70
Herr Ministerpräsident, es
grenzüberschreitend handlungsfähig werden
Ich möchte auf das Bei-
Christian Wulf f:
„Die Deutschen werden in
Brüssel niemanden finden, der
dieses wirre deutsche Energiesteuerrecht akzeptiert.“
Ich möchte eine nationale
lich zusammen mit Herrn Professor van Suntum
71
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Nach dem Betriebsverfassungsgesetz sind die Betriebsräte und
die Gewerkschaften für alles
zuständig, nur nicht für die Beschäftigungssicherung.“
eine Studie veröffentlicht, nach der die Probleme
und die Ameisen leben. Ich glaube, dass wir den
Zum anderen gibt es hier eine viel schlimmere
regierung eigentlich selbst. Sie braucht für diese
in Deutschland ganz wesentlich durch die man-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Betrie-
Entwicklung, denn wir registrieren eine abneh-
Reform nicht die Zustimmung des Bundesrats
gelnde Flexibilität unseres Arbeits- und Tarif-
ben mehr an Kompetenz und Entscheidungsfrei-
mende Zustimmung zu Europa und dem eu-
und auch nicht die Zustimmung der Gewerk-
rechts begründet sind. Hier, so heißt es, seien
raum überantworten müssen, statt branchenun-
ropäischen Gedanken gerade in Deutschland,
schaften. Sie kann diese Reform mit ihrer Bun-
dringend Änderungen erforderlich, um die Neu-
abhängig alles von Ostfriesland bis Berchtes-
dem bisherigen Vorreiter im Zusammenhang
destagsmehrheit beschließen – aber sie tut es
einstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbei-
gaden in gleicher Weise regeln zu wollen.
mit dem europäischen Gedanken.
nicht. Ich bin nicht gegen einen Konsens, aber
tern zu erleichtern, statt sie zu erschweren.
Reinhar d Fröhlich:
Was hinsichtlich der
Solche Nichtentscheidungen wie im Falle
wir führen hier seit Monaten eine Diskussion,
Wir haben gehört, dass die Unterglasgar-
Westdeutschen Landesbank geschieht, ist das,
BSE kann es nur geben, weil es keine funktionie-
die dem Ziel dient – jedenfalls wird dies so ver-
tenbaubetriebe in Nordrhein-Westfalen existen-
was wir vor sechs Jahren in Berlin – ich komme
rende europäische Öffentlichkeit gibt, weil es
mittelt –, die beste Lösung zu finden. Aber ir-
ziell gefährdet sind. Wenn man sich dort zwi-
von der Berliner Bankgesellschaft – erlebt ha-
nicht die Sanktionsmöglichkeit der Abwahl bzw.
gendwann muss sich die Bundesregierung darü-
schen Unternehmensleitung und Mitarbeiter-
ben. Mir sei der Hinweis erlaubt, dass die Tren-
der Nichtwahl gibt. Die Verantwortlichkeiten
ber im Klaren sein, welche für sie die beste Lö-
schaft darüber verständigen würde, in vier
nung zwischen öffentlich-rechtlicher und pri-
können nicht klar zugeschrieben werden.
sung ist. Dann muss sie dies auch gegen den
Punkten über den Tarifvertrag hinauszugehen
vatrechtlicher Tätigkeit bei Banken durchaus
Der europäische Gedanke wird unter ande-
Widerstand der Opposition und der Gewerk-
und in einem Punkt hinter ihm zurückzubleiben,
funktioniert. Aus eigener Erfahrung kann ich sa-
rem daran scheitern – denken Sie nur daran, dass
schaften durchsetzen. Dazu haben wir die Regie-
um die Arbeitsplätze zu sichern, wäre das rechts-
gen: Man kommt auf diese Weise gut voran und
der Euro-Kurs schlecht ist –, dass es keine Zu-
rung gewählt.
widrig, weil dies dem Günstigkeitsprinzip wider-
wir fühlen uns in dieser Position pudelwohl.
schreibbarkeit der Verantwortlichkeiten gibt, dass
Ich komme zum Stichwort Ladenschluss-
spräche, da man nur solche Vereinbarungen tref-
Herr Merz und Herr Clement, unterstützen Sie
es eine enorme Differenz zwischen Handlungs-
gesetz. Hier waren die Länder drauf und dran,
fen kann, die in jedem einzelnen Punkt günstiger
meinen Appell, dass die Landesbankenproble-
fähigkeit und demokratischer Legitimation gibt.
eine Liberalisierung zuzulassen. Der Bundes-
sind als der Tarifvertrag. Der Beschäftigungs-
matik nicht nur Sache der Landesregierungen
Ich will es etwas überspitzen – jetzt spricht
wirtschaftsminister hat sozusagen beschlossen,
sicherung kommt hier überhaupt keine Bedeu-
ist, sondern auch eine nationale Frage, gemäß
der Wahlforscher aus mir –: Es bleibt wahrschein-
dass hierfür kein Bedarf besteht. Ich weiß nicht,
tung zu. Nach dem Betriebsverfassungsgesetz
dem Thema dieser Veranstaltung, nämlich na-
lich für die demokratischen Entscheidungen nur
wie er diesen Bedarf gemessen hat. Man könnte
sind die Betriebsräte und die Gewerkschaften für
tionale Blockaden abzubauen?
noch das übrig, was nicht relevant ist: auf der
es doch den Unternehmen und den Käufern
alles zuständig, nur nicht für die Beschäftigungs-
Pr of. Dr. Jürgen W. Falter:
kommunalen Ebene, auf der Länderebene und auf
überlassen, darüber zu entscheiden, ob Bedarf
sicherung. Insofern ist der Verlust des Arbeits-
eine wichtige Aussage getroffen: dass der eu-
einer immer stärker ausgehöhlten Bundesebene.
existiert oder nicht.
platzes sozusagen ein höheres Gut als sein Erhalt.
ropäische Gedanke sehr stark unter einem
P r o f . D r. H a n s - E c k a r t S c h a r r e r :
Herr
Hier hat man sich ohne Not selbst
Nachdem Herr Clement für dieses Audito-
wachsenden Legitimationsdefizit leidet. Das
Clement, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführun-
blockiert, und zwar offensichtlich am Ende im
sollten wir sehr ernst nehmen.
gen gesagt, Blockade und Reformstau gehörten
Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern.
rium so viel Erfreuliches geäußert hat – Abitur
72
Herr Merz hat
nach der zwölften Klasse, Wettbewerb, Mobilität,
Dieses Legitimationsdefizit ist zum einen
der Vergangenheit an. Das möchte ich in Zwei-
Das will ich aber gar nicht der derzeitigen Bun-
Straßenausbau, keine Budgetierung im Gesund-
normativ-staatsrechtlich zu verstehen. Der
fel ziehen. Es ist sicher richtig und sollte nicht
desregierung besonders anlasten, denn dieses
heitswesen –, habe ich ein wenig die Hoffnung,
Wegfall des Einstimmigkeitsprinzips führt zu ei-
gering geschätzt werden, dass die große Steuer-
Problem verfolgt uns schon seit 20 Jahren.
dass Sie, Herr Ministerpräsident, nur aus Zeit-
ner Delegitimation von europäischen Entschei-
reform verabschiedet ist und einen bedeutenden
Hier ist man schon immer nur sehr langsam
gründen nicht mehr die Flexibilisierung des Ar-
dungen. Beim Einstimmigkeitsprinzip konnte
Reformschritt nach vorn bedeutet. Aber das ist
vorangekommen.
beits- und Tarifrechts genannt haben, dass Sie
man immer noch erklären: Es konnten legiti-
nur einer der erforderlichen Schritte. Herr Minis-
Herr Schlauch hat eine Regelung vorge-
dort aber auch einen Schwerpunkt setzen im Hin-
mierte Regierungen mitstimmen und Ja oder
terpräsident, Sie haben selbst auf weitere Re-
schlagen, die bereits praktiziert wird, sich aber
blick auf Mobilität, Flexibilität und Vielfalt ab-
Nein sagen. Nach dem Wegfall des Einstimmig-
formnotwendigkeiten hingewiesen.
in der Grauzone des Gesetzes bewegt, nämlich
weichender Regelungen. Die Dinosaurier sind tot
keitsprinzips können sie überstimmt werden.
Bei der Rentenreform blockiert sich die Bundes-
den Betriebsräten zu gestatten, im Einverneh-
„Der europäische Gedanke wird
unter anderem daran scheitern,
dass es keine Zuschreibbarkeit der
Verantwortlichkeiten gibt.“
73
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Wir haben heute die Möglichkeit, innerhalb des Tarifsystems
Tarife zu vereinbaren, die so niedrig sind, wie man es sich in den
Unternehmen selbst in den kühnsten Träumen nicht vorstellt.“
men mit den Unternehmensleitungen von den
ment, Sie haben vom Wettbewerb an den Schu-
das in den Niederlanden. Dort gibt es härtere
ten geraten. Das gilt im Übrigen auch für Fragen
Tarifverträgen auch nach unten abzuweichen.
len und Hochschulen gesprochen. Ich frage
Arbeitsschutzrechte als bei uns, also arbeitneh-
der Mitbestimmung. Aber so weit sind wir noch
Dies hat einen Sturm der Entrüstung hervorge-
mich, wie Sie das bewerkstelligen wollen.
merfreundlichere als bei uns. Dort hat man die
nicht. Wir kennen ja noch nicht einmal den Ge-
rufen. Hiermit wurde offensichtlich ein Tabu
Wo l f g a n g C l e m e n t :
Ich lade Sie ein, zu be-
Fantasie darauf konzentriert, gewissermaßen
setzentwurf. Wir können uns doch nicht gegen-
angesprochen, das man möglichst weiterhin als
sichtigen, was wir in Nordrhein-Westfalen bei-
Umgehungstatbestände zu erzeugen. Sie werden
seitig eine Blockadehaltung vorwerfen, wenn wir
Tabu behandeln möchte, das man auf keinen
spielsweise hinsichtlich der Schulen und Hochschu-
dort praktiziert, beispielsweise hinsichtlich der
den Gesetzentwurf noch gar nicht kennen!
Fall offen diskutieren möchte.
len getan haben, und es mit dem zu vergleichen,
Arbeitnehmerüberlassung, der Zeitarbeit und
Wir müssen ein bisschen mehr Kreativität
was wir uns vorgenommen und beispielsweise in
der Leiharbeit. Die Konditionen des Arbeits-
entwickeln. Wir müssen mehr Teilzeitarbeitsplät-
der Regierungserklärung formuliert haben.
schutzrechts entfallen, wenn ein Arbeitnehmer
ze schaffen; das ist ganz unzweifelhaft. Wir müs-
Der Vorschlag von Herrn Schlauch wurde
sofort unter den Teppich gekehrt. Das halte ich
unter dem Gesichtspunkt, unter dem wir hier
Wie Herr Schlauch kann nur jemand re-
an ein anderes Unternehmen auf Zeit ausgelie-
sen aus den 630-Mark-Jobs herauskommen,
diskutieren, nämlich Globalität und nationale
den, der im Tarifvertragsrecht nicht zu Hause ist,
hen wird. Solche Formen müssen wir aus meiner
natürlich am besten in einem ganz offenen Pro-
Blockaden, für katastrophal. Wenn wir über die
in diesem Bereich noch nie gearbeitet hat. Wir
Sicht auch in der Bundesrepublik Deutschland
zess, indem wir die Teilzeitarbeit so attraktiv und
Globalisierung reden, müssen wir uns auch da-
haben heute die Möglichkeit, innerhalb des Ta-
entwickeln. Dazu gibt es erste Anfänge. Wir ha-
so gut handhabbar wie möglich machen. Da un-
rüber unterhalten, wie wir auf Herausforderun-
rifsystems Tarife zu vereinbaren, die so niedrig
ben aus den Niederlanden ein Start-Arbeitsun-
terscheiden wir uns wahrscheinlich von anderen.
gen der Globalisierung und auf die Anpassungs-
sind, wie man es sich in den Unternehmen selbst
ternehmen abgekupfert, das mit solchen Zeit-
Herr Kley, Sie haben die Energiefragen an-
fähigkeit der Unternehmen an die Erfordernisse
in den kühnsten Träumen nicht vorstellt. Im
arbeitsverträgen arbeitet.
der Globalisierung reagieren möchten.
Bündnis für Arbeit auf Landesebene unterneh-
Das ist meines Erachtens in einem Land
arbeiterstadt. Als ich 1960 Abitur gemacht habe,
Herr Ministerpräsident Clement, Sie ha-
men wir den Versuch, niedrigst entlohnte Arbeit
der sozialen Marktwirtschaft die richtige Ant-
gab es dort 21 Schachtanlagen. Jetzt gibt es keine
ben, so denke ich, zu Recht die Bedeutung von
etwas besser zu stellen, um von der Sozialhilfe-
wort auf die Notwendigkeit der Flexibilisierung.
einzige Schachtanlage mehr. Die Zahl der Zechen
Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie ei-
grenze wegzukommen und dadurch Anreize zur
Wir müssen die Balance schaffen zwischen der
wird in Nordrhein-Westfalen insgesamt auf zehn
ner leistungsfähigen Infrastruktur in Deutsch-
Arbeitsaufnahme zu schaffen. Es gibt Tarife von
Sicherheit für den Einzelnen bzw. die Einzelne
sinken. Damals gab es in Nordrhein-Westfalen
land angesprochen. Ich glaube, hier hat es zum
2 000 oder 3 000 DM im Monat brutto. Weniger
auf der einen Seite und der notwendigen Flexibi-
600 000 Beschäftigte im Bergbau; jetzt sind es
Teil jahrzehntelang Versäumnisse gegeben. Im
kann man nun wirklich nicht bezahlen. Diese
lität, welche die Unternehmen brauchen, auf der
60 000. Bis 2005 werden es weniger als 35 000
Bundeshaushalt spiegelt sich dies nicht wider. Er
Diskussion über eine Entlohnung unter Tarif ist
anderen Seite. Ich vermute, dass der niederländi-
sein. Dieser Prozess wird sich fortsetzen. Alles ge-
wird noch soziallastiger, indem noch höhere An-
für mein Verständnis geradezu gespenstisch. So
sche Weg der richtige ist. Jedenfalls ist das unse-
schah allerdings unter der Bedingung, dass es kei-
teile als in der Vergangenheit für die Rentenver-
kann nur jemand diskutieren, der sich das Tarif-
re Einschätzung, und die Erfolge kann man ja in
ne betriebsbedingten Kündigungen gibt.
sicherung vorgesehen sind. Damit wird gleich-
werk noch nie angeschaut hat. Die Unternehmen
den Niederlanden studieren.
zeitig die eigentliche Reform der Rentenversi-
nutzen die Möglichkeiten der niedrigen Tarife of-
Das gilt auch für die Teilzeit. Es ist auffäl-
Sockel in der Nähe von 20 Millionen Jahreston-
cherung verzögert. Ich frage mich, inwieweit ein
fensichtlich gar nicht. Es gibt bei uns manche ge-
lig, dass 37 Prozent der Beschäftigten in den Nie-
nen zu erhalten. Es spricht einiges dafür, dass in
solches System auf Dauer lebensfähig ist.
spenstische Diskussion; diese gehört dazu.
derlanden in Teilzeit beschäftigt sind. In Deutsch-
Brüssel akzeptiert wird, dass es bei der Energie-
Ich bin dafür, im Steinkohlebergbau einen
Diese Probleme lassen sich nicht ohne
Zu Ihnen, Herr von Voss: Ich bin der Auf-
land beträgt dieser Anteil nur 17 Prozent. Hier
politik Selbstgestaltungsmöglichkeiten der Mit-
Geld lösen. Da man das Schwergewicht auf die
fassung, wir sollten auf unserem Kontinent ver-
liegt ein Manko. Über die Ausgestaltung im Ein-
gliedstaaten in der Größenordnung von 10 Pro-
Konsum- und Sozialausgaben legt, setzt man die
suchen, das, was sich unter dem Siegel soziale
zelnen wird man natürlich noch diskutieren müs-
zent des Umsatzes geben sollte. Das wären in
in der Vergangenheit vorhandene Blockade fort.
Marktwirtschaft entwickelt hat, unter den heu-
sen. Es ist erforderlich, dass die Regeln auch für
Deutschland 50 Millionen Jahrestonnen Stein-
Ein Ende sehe ich hier eigentlich nicht.
tigen Bedingungen so weit wie irgend möglich
kleine und mittlere Unternehmen geeignet sind,
kohleeinheiten. Im Jahre 2005 werden wir bei
zu erhalten. Aus meiner Sicht beispielhaft gelingt
damit diese nicht in bürokratische Schwierigkei-
26 Millionen Jahrestonnen Steinkohleeinheiten
P r o f . D r. h . c . J o a c h i m F e s t :
74
gesprochen. Ich komme aus Bochum, einer Berg-
Herr Cle-
„Wir müssen die Balance schaffen
zwischen der Sicherheit für den
Einzelnen und der notwendigen
Flexibilität, welche die Unternehmen brauchen.“
75
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Der Energiemarkt ist in Deutschland stärker liberalisiert als in
irgendeinem Staat innerhalb der
Europäischen Union oder auch
im Rahmen der gesamten Weltwirtschaft.“
liegen. Die anderen Kapazitäten kann man bei-
haftung. Wir befinden uns also auf zwei Sekto-
Wochenenden ins Ausland. Wenn man sich eine
siert worden ist. Wir diskutieren zurzeit zwi-
spielsweise zur Gewinnung erneuerbarer Energi-
ren in der Diskussion mit der Europäischen
Reihe von Reformen vornimmt, muss man natür-
schen den Hochschulen und dem Land über die
en einsetzen. Sie werden mir zustimmen: Diese
Kommission. Ich stimme zu: Es ist eine nationale
lich vonseiten der Politik Prioritäten setzen. Wir
Immobiliennutzung. Sobald diese Prozesse ab-
erneuerbaren Energien werden nicht entwickelt
Frage, wenn wir auch die Sparkassen einbezie-
haben zurzeit einiges zu tun. Ich halte viel davon,
geschlossen sind, werden wir den Hochschulen
werden können, wenn es keine entsprechenden
hen. Darüber diskutieren wir zurzeit mit der
die Reformen Schritt für Schritt vorzunehmen.
die entsprechende Autonomie gewähren. Im
Förderungsmechanismen gibt. Es gibt in Gelsen-
Europäischen Kommission. Ich hoffe sehr, dass
Eine vernünftige Ladenschlussreform kann
Ruhrgebiet gibt es Hochschulen, die nur 15
kirchen eine Solarzellenfabrik, die übrigens von
wir zu einer Verständigung über alle drei Fragen
aus meiner heutigen Sicht nur gelingen, wenn
Kilometer voneinander entfernt sind. Man wird
Shell gebaut wurde, mit Unterstützung der frühe-
kommen. Eine kleine ironische Bemerkung: Wir
man für die im Handel Beschäftigten die Arbeits-
zukünftig nicht jeden Standort als Volluniver-
ren Bundesregierung und der nordrhein-westfäli-
sind seit sechs Jahren hinter der Berliner Bank
zeiten neben den tarifvertraglichen Regelungen
sität erhalten können. Der Idealfall wäre eine
schen Landesregierung. Für eine gewisse Über-
her. Das ist der Westdeutschen Landesbank
festlegt. Das Problem im Zusammenhang mit
große Ruhruniversität, die auch auf internatio-
gangszeit brauchen wir eine solche Förderung.
nicht schlecht bekommen.
dem Ladenschluss besteht darin, dass der Laden-
naler Ebene noch besser konkurrieren könnte,
schluss heute gleichzeitig über die Arbeitszeit ent-
als das heute der Fall ist. Daraus ergibt sich
scheidet und es daneben keine Regelungen gibt.
dann der Wettbewerb. So sehen jedenfalls unse-
Diese Selbstgestaltung muss erhalten blei-
Herr Scharrer, es ist immer die Frage, ob
ben; anderenfalls wird der Umstieg nicht gelingen.
ein Glas halb voll oder halb leer ist. Sie sind, was
Ich gehöre nicht zu denjenigen, welche die Sonne
die Reformen angeht, im Umgang mit uns ein
Im Übrigen fände ich es für den Handel
an die Stelle aller anderen Energieträger setzen
bisschen zu bescheiden. Die Bundesregierung hat
ganz gut, wenn wir uns nicht nur mit dem La-
Herr Professor Falter, ich vermag jetzt aus
wollen. Sie wissen wie ich, Herr Kley, dass wir et-
– mit unserer Unterstützung – nicht nur die Steu-
denschluss beschäftigten, sondern beispielsweise
Zeitgründen nicht in gebührender Weise auf
wa im Jahre 2020 in Anbetracht der Entwicklung
erreform durchgeführt, sondern auch die Haus-
auch mit der Tatsache, dass wir in Deutschland
Ihren Hinweis einzugehen. Nur so viel: Es ist ab-
der Weltbevölkerung ungefähr das Doppelte an
haltskonsolidierung in einem Ausmaß vorgenom-
den Handel zurzeit völlig kaputtkonkurrieren
solut richtig, dass das Kernproblem das fehlende
Energie benötigen, um den Energiehunger der
men, dass es auch den Namen Reform verdient.
lassen, so dass am Ende ein französisches oder
Interesse der Öffentlichkeit an Europa ist. Die-
Weltbevölkerung stillen zu können. Wir brauchen
Bei der Rentenreform wird die Regierung
ein amerikanisches Handelsunternehmen in
ses Interesse weckt man aber auch nicht nur
also die heutigen Energiequellen plus neue Ener-
natürlich eine Entscheidung treffen, aber es
Deutschland übrig bleibt. In diesem Prozess be-
durch Kompetenzkorrekturen und entsprechen-
giequellen. Wenn wir solche nicht rechtzeitig ent-
spricht auch nichts dagegen, dass sie abtastet,
finden wir uns zurzeit. So etwas leistet sich
de Kontrollen, sondern hier liegt das Kernpro-
wickeln, werden wir nicht dabei sein.
was denn mehrheitsfähig ist. Im Übrigen sind
außer Deutschland kein anderes Land. Wenn
blem im medialen Bereich.
Der Energiemarkt ist in Deutschland im
Teile dessen, was kommen soll, zustimmungs-
wir über Kartelle und Konzentration sprechen,
Übrigen stärker liberalisiert als in irgendeinem Staat
pflichtig. Es wird sehr spannend, wie das aus-
muss man auch diese Problematik einbeziehen.
innerhalb der Europäischen Union oder auch im
geht. Diese Teile sind aber so attraktiv, dass ich
Was den Wettbewerb an den Hochschulen
sche Öffentlichkeit herzustellen. Alle diese Ver-
Rahmen der gesamten Weltwirtschaft. Ich meine,
glaube, dass sie vom Bundesrat akzeptiert wer-
angeht, Herr Professor Fest: Wir werden im ersten
suche waren bisher nicht erfolgreich. Ich stimme
hier haben wir uns wirklich nichts vorzuwerfen.
den. Spätestens im April, so denke ich, wird die
Anlauf an 200 Schulen in Nordrhein-Westfalen die
Ihnen zu: Entwicklungen wie im Zusammen-
Rentenreform in den Strukturen, wie sie heute
Schulleitung stärken und gleichzeitig ein Budget
hang mit BSE wären nicht vorstellbar, wenn es
diskutiert werden, durchgeführt sein.
sowohl für Sach- als auch für Personalkosten zur
eine europäische Öffentlichkeit gäbe. So werden
Herr Fröhlich hat gefragt, ob der Umbau
der Landesbanken eine nationale Angelegenheit
76
re Vorstellungen aus.
Als ehemaliger Journalist kenne ich ziemlich viele Versuche, so etwas wie eine europäi-
sei. Wir befinden uns in einem Verfahren mit der
Ich komme jetzt noch zum Ladenschluss.
Verfügung stellen. Das gilt erst recht für die Hoch-
die Nationalstaaten gegeneinander ausgespielt.
Europäischen Kommission. Das hat etwas mit un-
Auch ich bin für eine Änderung des gegenwärti-
schulen. Wir befinden uns in dieser Beziehung zur-
Hier geht es also nicht nur um Änderungen beim
seren Wohnungsbauförderungsmitteln zu tun, die
gen Ladenschlussrechts. Auch hier befindet sich
zeit in einer Übergangsphase, weil wir zunächst
Kompetenzkatalog.
wir in die Westdeutsche Landesbank eingebracht
Nordrhein-Westfalen in Konkurrenz zu den Nie-
einmal annähernd gleiche Wettbewerbsbedingun-
Friedrich Mer z:
haben. Das hat die Kommission angegriffen.
derlanden und den anderen Nachbarstaaten. Die
gen an den Hochschulen herstellen müssen.
den Tarifbereichen die Untergrenze längst er-
Darüber hinaus geht es um die Gewährsträger-
Einkaufsströme fließen bei uns abends und an den
Wir hatten einen Qualitätspakt, der viel kriti-
reicht ist, spräche nichts dagegen, § 77 Abs. 3
„Entwicklungen wie im Zusammenhang mit BSE wären nicht
vorstellbar, wenn es eine europäische Öffentlichkeit gäbe.“
Wenn es richtig ist, dass in
77
Diskussion
Moderation: Prof. Dr. h. c. Joachim Fest
„Dass der Binnenmarkt ein Erfolg
ist, bestreitet mittlerweile von
den vernunftbegabten Menschen
in dieser Europäischen Union
niemand mehr.“
78
des Betriebsverfassungsgesetzes ersatzlos zu
sind, für mehr Flexibilität, für mehr befristete
streichen, denn dann wird kein Betriebsrat in
Beschäftigung statt unbefristeter Arbeitslosig-
diesem Lande davon nach unten abweichende
keit, dann müsste das Land Nordrhein-West-
Regelungen treffen und ihnen zustimmen. Ich
falen am nächsten Freitag im Bundesrat dieses
kann insofern der Argumentation von Herrn
Gesetz ablehnen.
Clement nicht folgen. Der Bedarf an von Tarif-
Schließlich noch zur Frage der Einstim-
verträgen abweichenden Regelungen ist erkenn-
migkeit in Europa: Herr Professor Falter, ist es
bar größer. Wäre es anders, gäbe es nicht – ins-
wirklich wahr, dass die Europäische Union dort
besondere in den neuen Ländern – einen so mas-
an Legitimation verliert, wo das Einstimmig-
senhaften Verstoß gegen das Tarifvertragsrecht.
keitsprinzip aufgegeben und das Mehrheits-
Der prominenteste Fall dieser Art ist unverän-
prinzip eingeführt wird? Wenn diese These richtig
dert seit einem Jahr die Abweichung vom Bauta-
ist, hätten wir in der europäischen Öffentlich-
rifvertrag durch die Philipp Holzmann AG. Das,
keit überhaupt keine Zustimmung zum euro-
was da verabredet wurde, ist rechtswidrig, ver-
päischen Binnenmarkt bekommen dürfen. Aber
stößt gegen bestehendes Tarifvertragsrecht.
gerade im Zusammenhang mit dem Binnenmarkt
Trotzdem handhabt man es so mit Zustimmung
hat sich in den letzten Wochen und Monaten die
der Baugewerkschaft, der Belegschaft, der Un-
Zustimmung sogar erhöht. Dass der Binnen-
ternehmensführung und des Bundeskanzlers.
markt ein Erfolg ist, mit Mehrheit so verab-
Ich komme jetzt noch zu dem Themenkom-
schiedet, bestreitet, glaube ich, mittlerweile von
plex Flexibilität und Teilzeitbeschäftigung. Der
den vernunftbegabten Menschen in dieser Euro-
Deutsche Bundestag hat in der vorletzten Woche
päischen Union niemand mehr.
gegen unsere Stimmen eine Änderung des so ge-
Ich frage: Finden die aktuellen Maßnah-
nannten Beschäftigungsförderungsgesetzes verab-
men im Zusammenhang mit der BSE-Krise und
schiedet. Damit wurde faktisch ein Instrument zur
dem Verbraucherschutz öffentliche Zustimmung,
Flexibilisierung durch befristete Beschäftigungsver-
weil diese Maßnahmen einstimmig beschlossen
hältnisse beseitigt. Stattdessen wurde in das Gesetz
wurden? Gälte an dieser Stelle das Mehrheits-
ein Rechtsanspruch auf Teilzeit aufgenommen, auf
prinzip, wäre ein Großteil der Probleme ver-
die einseitige Änderung der Hauptleistungspflicht
mutlich bereits gelöst, gegen die Stimmen der
des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsvertrag.
Briten. Das Einstimmigkeitsprinzip hat bei die-
Jenseits aller verfassungspolitischen und
sem, meinem Empfinden nach ekelhaften Sach-
rechtlichen Fragen, die damit einhergehen:
verhalt bisher eine Lösung verhindert, und zwar
Wenn wir wirklich mehr Flexibilität schaffen
zulasten der Verbraucher und zugunsten einer
wollen, muss das Instrument der befristeten Be-
außerordentlich erfolgreichen Agrarlobby. Ist
schäftigung unverändert erhalten bleiben. Herr
das Legitimation? Darüber würde ich mit Ihnen,
Clement, wenn Sie so sehr – da stimme ich
Herr Professor Falter, und anderen bei Gelegen-
Ihnen zu – für mehr Arbeitnehmerüberlassung
heit gern noch einmal diskutieren.
Zusammenfassung und Ausblick
Stefan Baron, Chefredakteur, Wirtschaftswoche, Düsseldorf
erehrte Damen! Meine Herren! Den Letz-
auflösen zu können. Das war sicher nicht ganz
ten beißen die Hunde, heißt es. Ich bin
ernst gemeint, sonst wäre er ja heute nicht hier
der letzte Redner auf einer langen Liste, am
gewesen und hätte seine Zeit verschwendet. Das
Ende eines langen Tages. Ich habe wohl nur
wäre auch eine Bankrotterklärung der Politik
eine Chance, Ihre Aufmerksamkeit zu finden,
und der Vernunft.
V
wenn ich zurückbeiße, also zugespitzt und provozierend formuliere.
„Wo ist der German dream‘, das deutsche Modell‘, das international mithalten kann?“
’
’
Wenn wir Blockaden in der Politik auflösen wollen, müssen wir zunächst einmal un-
Die heutige Veranstaltung war mir zu
sere Selbstblockaden auflösen. Wenn wir etwa
deutsch, und zwar in zweierlei Hinsicht: Sie war
Deregulierung fordern, können wir nicht so re-
mir zu konsensual und sie war mir auch zu na-
guliert diskutieren, wie wir das heute getan
tional, obwohl zum Schluss viel über die Euro-
haben. Wir müssen das Netz weiter auswerfen,
päische Union gesprochen wurde.
wir müssen mehr Originaltöne von den gesell-
Die heutige Diskussion war mir außerdem
schaftlichen Brennpunkten einholen und nicht
zu oligopolistisch. Wenn es richtig ist, dass
immer das schon zum Ritual gewordene La-
Wettbewerb das Beste aus den Menschen he-
mento adagio abspielen.
rausholt – in dieser Einschätzung waren wir uns
Herr Walter hat erklärt, man müsse erst
jedenfalls im Zusammenhang mit dem Thema
nachdenken, bevor man handelt. Wir müssen
Wettbewerb der Regionen innerhalb der Eu-
darüber nachdenken, ob das wirklich uneinge-
ropäischen Union einig –, dann gilt dies sicher
schränkt richtig ist. In der New Economy gilt
auch für die Diagnose von Problemen und für
nämlich: Auf die Plätze, los, fertig! und nicht
das Finden von Lösungen, also die Therapie.
mehr: Auf die Plätze, fertig, los!
Ich hätte mir gewünscht, dass hier heute
In der Industriegesellschaft konnten wir es
ein junger Unternehmensgründer aufgetreten
uns noch leisten, konsensorientiert zu agieren.
wäre, dass wir einen Studenten gehört hätten,
Im Internetzeitalter, einem Zeitalter, das wir
der zum Beispiel die Humboldt-Universität ver-
auch als Humankapitalismus bezeichnen können,
lassen hat und jetzt in Stanford studiert und der
in dem es mehr als je zuvor auf Kreativität und
uns gesagt hätte, warum er dies getan hat und
Innovation ankommt, wird diese Konsensorien-
vielleicht gar nicht mehr daran denkt, nach
tierung leicht zur Fortschrittsbremse.
Deutschland zurückzukehren. Ich hätte mir ge-
Warum sind wir so konsensorientiert?
wünscht, dass wir hier einen Lehrer, etwa aus
Eine wichtige Ursache sehe ich darin, dass
Kreuzberg, hören, der über seine Probleme
Deutschland ethnisch so homogen ist. Herr
spricht, die er mit seiner Klasse hat, in der 80
Walter hat den ethnisch bestimmten National-
Prozent türkischstämmige Kinder sind.
staat als „Artefakt“ bezeichnet. In diesem
Herr Walter hat gesagt, wir müssten wo-
Punkt gebe ich ihm völlig Recht. Im Zeitalter
möglich abwarten, bis wir in eine schwere Krise
der Globalität wird ein ethnisch homogener
geraten, um die bestehenden Reformblockaden
Staat zum Standortnachteil.
81
Zusammenfassung und Ausblick
Stefan Baron
„Mit welcher deutschen Leitkultur können wir gegen die
amerikanische Leitkultur, die
dort American way of life‘
’
oder American dream‘ heißt,
’
erfolgreich bestehen?“
82
Damit komme ich zu meinem zweiten Kritik-
griff beurteilen mag, verstellt den Blick darauf,
land besser lösen?“ Darauf antworteten 27 Pro-
trächtlicher Produktivitätsfortschritt –, muss
punkt: Wir haben viel zu national diskutiert.
worum es beim Thema Immigration im Kern
zent mit Ja, 64 Prozent mit Nein. Das alles vor
man dafür sehr hohe Kapitalinvestitionen vor-
Wenn wir über Globalität diskutieren und kei-
geht. Die Frage lautet nicht, wie viele Leute wir
der BSE-Krise, vor der Osterweiterung und vor
nehmen. Und das erfordert entsprechend hohe
nen Referenten aus dem Ausland hören, spricht
hereinlassen wollen, die Frage lautet vielmehr:
der Euro-Einführung. Denn die meisten Bürger
Sparleistungen der Bevölkerung.
das für sich. Ich hätte mir gewünscht, dass hier
Wie viele Leute wollen überhaupt zu uns kom-
meinen: Der Euro ist erst da, wenn wir ihn in
ein IT-Spezialist, beispielsweise aus Bangalore,
men, von denen, die wir gebrauchen können, die
der Tasche haben.
spricht, der erklärt, warum er lieber nach Kali-
wir auch selber haben wollen?
Um die Produktivität in der geforderten
Weise zu erhöhen, um mit einem Verhältnis von
Die deutsche Bevölkerung betrachtet Eu-
drei zu eins oder zwei zu eins Aktive zu Rentnern
fornien geht als nach Deutschland. Ich hätte mir
Es geht nicht darum, ob man von deut-
ropa demnach eher als einen Teil des Problems
statt heute vier zu eins auszukommen, müssen
hier einen Unternehmer als Teilnehmer ge-
scher Leitkultur sprechen darf oder sollte oder
denn als Teil der Lösung. Hier liegt ein Spreng-
wir auch sehr viel stärker den Bereich E-Business
wünscht, der im Silicon Valley arbeitet und uns
was überhaupt darunter zu verstehen ist,
satz, der uns noch große Blessuren zufügen kann.
entwickeln. Herr Schlögl hat darauf hingewie-
erklärt, was dort anders läuft als bei uns. Ich
sondern es stellt sich die Frage: Mit welcher
Aus alledem geht hervor, dass der politi-
sen, dass ein Drittel des amerikanischen Wachs-
hätte mir einen Vertreter der Europäischen
deutschen Leitkultur können wir gegen die
sche Spielraum für eine stärkere Einwanderung
tums und der größte Teil der Produktivitätsfort-
Kommission gewünscht, der uns aus europäi-
amerikanische Leitkultur, die dort „American
sehr eng ist. Die Deutschen wollen ganz offen-
schritte auf diesen Bereich zurückzuführen sind.
scher Sicht darstellt, wo er die nationalen Blo-
way of life“ oder „American dream“ heißt,
sichtlich nicht, dass Deutschland ein Einwande-
Die erforderliche Bildungsreform muss
ckaden in Deutschland sieht.
erfolgreich bestehen? Was ist der „German
rungsland wird, jedenfalls wenn man den Begriff
umso radikaler sein, je weniger wir auf auslän-
Heute macht es nun wirklich keinen Sinn
dream“? Wie sieht das „Modell Deutschland“
Einwanderungsland so versteht, dass in 20, 30
disches Know-how, auf ausländisches Human-
mehr, ein Problem nur national und nicht unter
aus, das es uns ermöglicht, international mit
oder 50 Jahren die Mehrheit der hier lebenden
kapital zurückgreifen können.
globaler Beteiligung zu diskutieren. Das Thema
den Besten mitzuhalten? Darüber müssen wir
Menschen Zugewanderte oder direkt von diesen
der Immigration hat hier fast keine Rolle ge-
uns Gedanken machen.
Abstammende sind.
„Die Bildungsreform muss umso
radikaler sein, je weniger wir auf
ausländisches Know-how, auf ausländisches Humankapital zurückgreifen können.“
Es gilt das Prinzip der kommunizierenden Röhren. Je weniger Einwanderung wir zu-
spielt. Dabei handelt es sich nach meiner festen
Eine Mehrheit der Deutschen – das zeigt
Wenn es aber politisch nicht durchsetz-
lassen, desto mehr Produktivitätsfortschritte
Überzeugung um ein, wenn nicht gar das Schlüs-
die Umfrage des Bundesverbands deutscher Ban-
bar ist, größere Einwanderung nach Deutsch-
müssen wir erzielen. Wir müssen dann umso
selthema, in dem sich wie in einem Brennglas
ken – meint, das Boot sei voll. Auf die Frage,
land zuzulassen, wird der Reformdruck an
nachdrücklicher etwa die Ausbildungszeiten
verdichtet, was es bei uns an nationalen Blocka-
wie viele Ausländer in Zukunft in Deutschland
anderer Stelle umso stärker. Je weniger Ein-
verkürzen. Man kann sicherlich schon nach
den gibt. Unsere Handlungsfähigkeit und die
leben dürfen, antworteten 10 Prozent mit
wanderung man will, desto mehr müssen die
zwölf Jahren Abitur machen. Der Wehrdienst
Chance, Handlungsfähigkeit zu gewinnen, sind
„mehr“, 31 Prozent mit „weniger“ und 55 Pro-
Leistungen der Rentenversicherung gekürzt
kann entfallen, wenn eine Berufsarmee gebildet
entscheidend davon abhängig, wie wir mit die-
zent mit „etwa wie heute“. Auf die Frage:
werden, desto mehr muss der Generationenver-
wird. Man kann die Studiendauer auch von
sem Thema umgehen.
„Müssen wir in Zukunft unser nationales Be-
trag gelockert werden, desto mehr Arbeits-
sechs auf vier Jahre reduzieren.
Erlauben Sie mir deshalb einige Sätze da-
wusstsein als Deutsche stärker bewahren?“ ant-
marktreserven müssen mobilisiert werden.
Wir müssen aber nicht nur eine Bildungs-
zu: Ich glaube, es ist kein Berliner Thema, wie Sie
worteten 59 Prozent mit Ja, 38 Prozent mit
Desto mehr muss man beispielsweise dann
reform durchführen, die mehr Effizienz bringt,
gesagt haben, Herr Clement, obwohl es in den
Nein. Die in der Diskussion hier aufgeworfene
dafür sorgen, dass Frauen in Deutschland stär-
also etwa kürzere Studienzeiten, oder die zeit-
Ländern, insbesondere im Rheinland – woher
Frage, ob es vielleicht eine Renaissance des Na-
ker am Berufsleben teilnehmen. Flexibilisie-
gemäßere Inhalte zum Gegenstand hat, wir
auch ich komme –, nicht so heiß diskutiert wird.
tionalstaats in Deutschland geben werde, ist gar
rung und Deregulierung auf dem Arbeitsmarkt
müssen vor allem eine Bildungsreform anstre-
Es ist ein großes nationales Zukunftsthema.
nicht so aus der Welt.
werden dann umso dringender notwendig.
ben, die zu anderen Einstellungen führt. Wir
Ich möchte nicht auf die neurotische De-
Eine weitere Frage aus der erwähnten Un-
Herr Späth hat es angesprochen: Wenn
müssen uns dabei vor allem von der deutschen
batte über den Begriff der Leitkultur näher ein-
tersuchung lautet: „Lassen sich durch die eu-
man mit 40 Prozent weniger Beschäftigten 40
Kindergesellschaft emanzipieren, die noch im-
gehen. Diese Debatte, wie immer man den Be-
ropäische Einigung unsere Probleme in Deutsch-
Prozent mehr produzieren will – das ist ein be-
mer vom „Vater Staat“ spricht.
83
Zusammenfassung und Ausblick
Stefan Baron
Bei der Umfrage des Bankenverbands wurde die
nach wie vor an erster Stelle. Jeder Politiker, der
Frage gestellt: „Brauchen wir in Zukunft mehr
wieder gewählt werden will – und Politiker wol-
Markt oder mehr soziale Absicherung?“ 27 Pro-
len wieder gewählt werden –, begeht politischen
zent der Befragten in Deutschland sagten „mehr
Selbstmord, wenn er den Wandel zu sehr betont
Markt“, 48 Prozent „mehr soziale Absiche-
und die Sicherheit hintanstellt.
rung“. Das zeigt uns, dass die Diskussion, die
Bei der jetzigen Bundesregierung hatten
wir hier heute um mehr Deregulierung, mehr Re-
wir ein Jahr Chaos, ein Jahr Reform, nun wird
form geführt haben, an dem, was die Mehrheit
es vermutlich zwei Jahre Pause geben, obwohl,
der Bevölkerung will, offenbar völlig vorbeigeht.
wie wir heute alle gemeinsam festgestellt haben,
Es ist somit kein Wunder, dass Bundes-
der Reformstau keineswegs aufgelöst ist und
kanzler Schröder – wie es sein Vorgänger Kohl
Deutschland noch längst nicht fit ist für das 21.
auch getan hat – mit der Parole „Sicherheit im
Jahrhundert.
Wandel“ in die kommenden Wahlkämpfe gehen
will, denn für die Deutschen steht Sicherheit
84
Die Berliner Republik ist in puncto Reformfähigkeit nicht besser als die Bonner Republik.
Verabschiedung
Dr. Manfred Weber
M
eine Damen, meine Herren! Unsere Ta-
Herrn Professor Baring, Herrn Gibowski und
gung geht zu Ende. Wir haben eine Fülle
Herrn Professor Stürmer, mit ein. Für Ihre Un-
von Anregungen erhalten. Sicherlich – das hat
terstützung mein herzlicher Dank.
wohl auch niemand erwartet – haben wir die
Schließlich danke ich auch – ich glaube,
Frage, wie wir Handlungsfähigkeit zurückgewin-
ich tue das auch in Ihrer aller Namen – meinen
nen können, nicht abschließend beantwortet.
Mitarbeitern, die dafür gesorgt haben, dass nun
Schon von daher müssen wir im nächsten Jahr
zum achten Mal die Möglichkeit zur Durch-
mit den Schönhauser Gesprächen weitermachen.
führung eines solchen Forums gegeben war.
Mir bleibt für heute nur der Dank an alle
Vortragenden des Tages für ihre gelungenen
Meine Damen und Herren,
Beiträge, der Dank an Sie, meine Damen und
ich hoffe, dass die Fülle der Informationen und
Herren, für Ihr Kommen, Ihr Interesse und Ihre
Meinungen, die wir hier heute gehört haben,
engagierte Beteiligung an den Diskussionen.
Kreise ziehen wird. Vielleicht wird das eine oder
Bedanken möchte ich mich auch bei Ihnen, Herr Professor Fest, für die gewohnt sou-
andere Ihrer täglichen Arbeit Impulse geben.
Das würde ich mir wünschen.
veräne Diskussionsleitung, aber natürlich eben-
In jedem Falle würde ich mich freuen, Sie
so für Ihre Arbeit in unserem Beirat zur Vorbe-
auch im nächsten Jahr wieder bei den Schön-
reitung der Schönhauser Gespräche. Dieser
hauser Gesprächen begrüßen zu können.
Dank schließt selbstverständlich die anderen
Mitglieder unseres Beirats, Herrn Dr. Barbier,
Ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise.
Auf Wiedersehen!
87
Teilnehmer
Wolfgang Artopoeus, Präsident a. D., Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen, Berlin
Wolfgang R. Assmann, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied, Herbert Quandt Stiftung,
Bad Homburg vor der Höhe
Uto Baader, Vorsitzender des Vorstandes, Baader
Wertpapierhandelsbank AG, Puchheim
Dr. Hans D. Barbier, Leiter, Wirtschaftsredaktion, Frankfurter Allgemeine Zeitung,
Frankfurt am Main
Prof. Dr. Arnulf Baring, Historiker und Publizist, Berlin
Stefan Baron, Chefredakteur, Wirtschaftswoche,
Düsseldorf
Dr. Hans J. Barth, Geschäftsführender Direktor,
Prognos AG, Basel
Dr. Peter Barth, Präsident, ASU – Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer
e. V., Berlin
Hans-Jürgen Bartsch, Direktor und Mitglied der
Geschäftsleitung, Region Nordost, Dresdner Bank AG, Berlin
Markus Becker-Melching, Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Dr. Hans Bellstedt, Geschäftsführender Gesellschafter, Plato GmbH, Berlin
Dr. Winfried Benz, Generalsekretär, Wissenschaftsrat, Köln
Willi Berchthold, Vizepräsident, BITKOM –
Bundesverband Informationswirtschaft,
Telekommunikation und Neue Medien,
München
Prof. Dr. Charles B. Blankart, Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät, Institut für Öffentliche Finanzen, Wettbewerb und Institutionen, Humboldt-Universität, Berlin
Nikolaus Bömcke, Generalsekretär, Banking Federation of the European Union, Brüssel
Anton Börner, Geschäftsführer, Börner & Co.,
Ingolstadt
88
Ulrich Brümmer, Ressortleiter, Mitteldeutscher
Rundfunk, Dresden
Prof. Dr. Wilhelm Bürklin, Geschäftsführer, Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Wolfgang Büsselberg, Vorsitzender des Vorstandes a. D., Bankenverband Niedersachsen
e. V., Braunschweig
Dr. h.c. Karl Dietrich Bundschuh, Ombudsmann,
Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Dorothea Hülsmeier, Deutsche Presse-Agentur,
Berlin
Michael Graf von Buquoy, Direktor, Verbindungsbüro Bonn und Berlin, Commerzbank AG, Berlin
Dr. Hans-Werner Busch, Hauptgeschäftsführer,
Gesamtverband der metallindustriellen
Arbeitgeberverbände e. V., Köln
Frantisek Cerny, Botschafter, Botschaft der Tschechischen Republik, Berlin
Wolfgang Clement, Ministerpräsident des Landes
Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
Dr. Gert Dahlmanns, Vorstand, Frankfurter Institut, Stiftung, Marktwirtschaft und Politik, Bad Homburg vor der Höhe
Dr. Hansjörg Dellmann, Oberbundesanwalt,
Bundesverwaltungsgericht, Berlin
Peter Dietlmaier, Executive Director Corporate
Communications, Goldman, Sachs & Co.
OHG, Frankfurt am Main
Hansjörg Döll, Geschäftsführer, Bundesverband
deutscher Banken, Berlin
Claus Döring, Chefredaktion, Börsen-Zeitung,
Frankfurt am Main
Dr. Stefan Empter, Bereichsleiter, Wirtschaft,
Bertelsmann Stiftung, Gütersloh
Dr. Hans-Georg Engel, Vorsitzender, Verband
der Auslandsbanken in Deutschland e. V.,
Frankfurt am Main
Jürgen Engert, Gründungsdirektor, ARD-Hauptstadtstudio, Berlin
Prof. Dr. Jürgen W. Falter, Institut für Politikwissenschaft, Universität Mainz
Dr. Michael Fernholz, Mitglied der Geschäftsleitung, Deutsche Bank AG, Berlin
Dr. Hartmut Fest, Ministerialdirigent, Leiter
Arbeitsstab strukturelle Aspekte der Globalisierung, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin
Prof. Dr. h. c. Joachim Fest, Publizist, Kronberg
im Taunus
Walter Flecken, Mitglied der Geschäftsleitung
Region Nord, Deutsche Bank AG, Hannover
Stefan Flückiger, Botschaftsrat, Schweizerische
Botschaft, Berlin
Jan Foltín, Botschafter, Botschaft der Slowakischen Republik, Berlin
Prof. Gisela Frick, Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin
Reinhard Fröhlich Direktor, Bankgesellschaft
Berlin AG, Berlin
Dr. Jörg Frhr. Frank von Fürstenwerth, Geschäftsführendes Mitglied des Präsidiums
und Vorsitzender der Hauptgeschäftsführung, Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Berlin
Wolfgang G. Gibowski, Pressesprecher, Stiftungsinitiative der deutschen Wirtschaft,
Berlin
Dr. Rainer Glagow, Leiter, Verbindungsstelle
Berlin, Hanns-Seidel-Stiftung e. V., Berlin
Karl-Heinz Groß, Vorsitzender des Vorstandes,
Bankenverband Saarland e.V., Saarbrücken
Dr. Jan Grotheer, Präsident, Finanzgericht
Hamburg, Hamburg
Prof. Dr. Antonia Grunenberg, Lehrstuhl für
Siegfried Guterman, Leiter KS Unternehmenskommunikation, Dresdner Bank AG,
Frankfurt am Main
Dr. Edith Hagenguth-Werner, Geschäftsführerin,
Haniel-Stiftung, Duisburg
Thomas Hanke, Financial Times Deutschland,
Berlin
Wolfgang Hartmann, Mitglied des Vorstandes,
Commerzbank AG, Frankfurt am Main
Dr. Volker Hauff, Bundesminister a. D., Mitglied des Vorstandes, KPMG, Berlin
Hansgeorg Hauser, Mitglied des Deutschen
Bundestages, Berlin
Detlev Heering, Geschäftsführer, DaimlerChrysler Management Berlin GmbH, Berlin
Prof. Thomas Heilmann, Geschäftsführer, Scholz
& Friends, Berlin
Jan A. M. Hendrikx, Geschäftsführer, EURO
Kartensysteme EUROCARD und eurocheque GmbH, Frankfurt am Main
Heiner Herkenhoff, Geschäftsführer, Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Volker Jacobs, Leiter, Parlamentsredaktion, n-tv,
Berlin
Dietrich Jahn, Ministerialrat, Bundesministerium
der Finanzen, Berlin
Christian Jung, Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Matthias Jung, Mitglied des Vorstandes, Forschungsgruppe Wahlen/ ipos, Mannheim
Michael Jungblut, Leiter, Hauptredaktion WISO,
Zweites Deutsches Fernsehen, Mainz
Dr. Richard Kiessler, Chefredakteur, Neue Ruhr
Zeitung, Essen
Max Dietrich Kley, Stv. Vorsitzender des Vorstandes, BASF AG, Ludwigshafen am Rhein
Dr. Burkhard Koch, Vorstand, CEO, IQ International Incubator AG, Berlin
Politikwissenschaft, Carl-von-OssietzkyUniversität Oldenburg
89
Teilnehmer
Volkmar Kübler, Direktor, Dresdner Bank AG,
Frankfurt am Main
Dr. Hartmut Kühne, Redakteur Innenpolitik,
Rheinischer Merkur, Berlin
Jean-Pierre Laboureix, Finanzrat, Botschaft der
Französischen Republik, Berlin
wissenschaft, Ruhr-Universität Bochum
Dr. Melanie Piepenschneider, Leiterin, Politische
Akademie, Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.,
Berlin
Dr. h. c. Lothar Späth, Ministerpräsident a. D.,
Prof. Dr. Dr. h. c. Werner Weidenfeld, Direktor,
Vorsitzender des Vorstandes, JENOPTIK
Centrum für angewandte Politikforschung,
AG, Jena
Geschwister-Scholl-Institut für Politische
Prof. Dr. Peter Steinbach, Institut für Grundlagen der Politik, Freie Universität Berlin
Dr. Heiko Plate, Direktor, Commerzbank AG, Kiel
Stephan Steuer, Stv. Hauptgeschäftsführer, Bun-
Dr. Otto Graf Lambsdorff, Bundesminister a. D.,
Frank E. Portz, Staatssekretär, Hessisches Mi-
desverband deutscher Banken, Berlin
Ehrenvorsitzender, Freie Demokratische
nisterium für Wissenschaft und Kunst,
Partei, Berlin
Prof. Dr. Hans Joachim Langmann, Vorsitzender der
Geschäftsleitung, Merck KgaA, Darmstadt
Dr. Nader Maleki, Präsident, International Ban-
Wiesbaden
Prof. Dr. Gerhard Prosi, Direktor, Institut für
Wirtschaftspolitik, Universität zu Kiel
Dieter Rehwinkel, BBI – Berlin-Brandenburgi-
Folker Streib, Mitglied der Geschäftsleitung,
Filiale Berlin, Commerzbank AG, Berlin
Prof. Dr. Michael Stürmer, Chefkorrespondent,
Die Welt, Berlin
Eckhart Thomas, Verleger, P. Keppler Verlag
kers Forum e. V., Frankfurt am Main
sches Institut für deutsch-französische Zu-
David Marsh, Vice Chairman, Hawkpoint Part-
sammenarbeit in Europa e. V., Genshagen
Peter Tiedt, Projektmanager, BLEG – Berliner
Horst Rödinger, Geschäftsführer, Körber-Stif-
Landesentwicklungs-Verwaltungsgesell-
ners Limited, London
Dr. Hans-Joachim Massenberg, Geschäftsführer,
Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Heinz Klaus Mertes, Geschäftsführer und Chefredakteur, M Com TV Programmproduktion, München
Friedrich Merz, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mitglied des Deutschen
Bundestages, Berlin
Edgar Most, Mitglied der Geschäftsleitung,
Deutsche Bank AG, Berlin
Hildegard Müller, Bundesvorsitzende, Junge
Union Deutschlands, und Mitglied des
CDU-Präsidiums, Berlin
Dr. Karl Dietrich Nehring, Ministerialrat, Leiter,
Referat „Geld und Kredit“, Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie, Berlin
Prof. Dr. Ernst Nolte, Prof. em., FriedrichMeinecke-Institut, Berlin
Günter Nooke, Stv. Vorsitzender der CDU/CSUBundestagsfraktion, Mitglied des Deutschen Bundestages, Berlin
Dr. Christian Olearius, Sprecher der pers. haft.
Gesellschafter, M. M. Warburg & CO
KGaA, Hamburg
90
Prof. Dr. Stephan Paul, Fakultät für Wirtschafts-
tung, Hamburg
Dr. Hergard Rohwedder, Rechtsanwältin, Düsseldorf
Jan Roß, Redakteur, Hauptstadtredaktion, Die
Zeit, Berlin
Rainer Ruff, Regionsleiter, Deutsche Bank 24
AG, Berlin
Prof. Michael Rutz, Chefredakteur, Rheinischer
Merkur, Bonn
Dieter Salditt, Deutsche Bank Dialog, Frankfurt
am Main
Prof. Dr. Hans-Eckart Scharrer, Vizepräsident,
HWWA – Institut für Wirtschaftsforschung
Hamburg
Dr. Konrad Schily, Präsident a. D., Private Universität Witten Herdecke GmbH, Witten
Dr. Klaus G. Schlede, Vorsitzender des Aufsichtsrates, Deutsche Lufthansa AG, Köln
Dr. Herwig Schlögl, Stv. Generalsekretär, OECD,
Paris
Prof. Dr. Jacob de Smit, Rektor, European
Business School, Oestrich-Winkel
GmbH & Co. KG, Heusenstamm
schaft mbH, Berlin
Wissenschaften, Universität München
Ottheinrich Frhr. von Weitershausen, Geschäftsführer, Walter-Raymond-Stiftung, Berlin
Jochen Wendelstorf, Präsident, Bundesamt für
Finanzen, Bonn
Dr. Axel Wiesener, Mitglied der Geschäftsleitung, Deutsche Bank AG, Berlin
Bernd A.Wilken, Bankenverband Hamburg e. V.,
Hamburg
Christian Wulff, Vorsitzender der CDU-Fraktion,
Niedersächsischer Landtag, Hannover
Prof. Dr. Michael Zöller, Lehrstuhl für Politische
Soziologie, Universität Bayreuth
Dr. Alexander von Tippelskirch, Sprecher des
Vorstandes, IKB Deutsche Industriebank
AG, Düsseldorf, und Mitglied des Vorstandes, Bundesverband deutscher Banken, Berlin
Prof. Dr. Hans Vorländer, Dekan, Philosophische
Fakultät, und Senator, Technische Universität Dresden
Rüdiger von Voss, Bundesgeschäftsführer, Wirtschaftsrat der CDU e. V., Berlin
Prof. Dr. Norbert Walter, Chefvolkswirt, Deutsche Bank Research, Frankfurt am Main
Klaus Wagner-Wieduwilt, Geschäftsführer, Ostdeutscher Bankenverband e. V., Berlin
Dr. Manfred Weber, Hauptgeschäftsführer und
Mitglied des Vorstandes, Bundesverband
deutscher Banken, Berlin
Dr. Peter Weber, Präsident, Union der leitenden
Angestellten, Berlin
Olaf Wegner, Partner, Institut für Personal- und
Unternehmensberatung, Köln
Prof. Dr. Helge Sodan, Präsident, Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin
91
Die bisherigen Veranstaltungen – Schönhauser Gespräche
Wissenschaftlicher Beirat:
Dr. Hans D. Barbier,
Prof. Dr. Arnulf Baring,
Prof. Dr. h. c. Joachim Fest,
Wolfgang G. Gibowski,
Prof. Dr. Michael Stürmer
1993 Was hält die Deutschen noch zusammen? Die Wiederentdeckung
des Gemeinwohls
Entfremdung zwischen Ost und West
Über die psychologischen Schwierigkeiten
der Einheit
Monika Maron, Schriftstellerin
Macht die Einheit Deutschland stark?
Deutschlands Wirtschaft aus internationaler Sicht?
Kur t F. Viermetz, Vice Chairman der
J. P. Morgan Bank, New York
Auf dem Weg zur Einheit
Gemeinwohl versus Gruppeninteressen
Dr. Bernhard Vogel, Ministerpräsident von
Thüringen
Haben wir das Gemeinwohl wieder
entdeckt – oder nur die Notwendigkeit
der Wiederentdeckung?
Dr. Hanns Christian Schroeder-Hohenwar th,
Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates der Berliner
Handels- und Frankfur ter Bank AG
Deutschland in der neuen Weltordnung
Bedingungen der Handlungsunfähigkeit
Prof. Dr. Michael Stürmer, Leiter des Forschungsinstituts für internationale Politik und Sicherheit,
Ebenhausen
1996 Europa – warum? Der alte Kontinent auf der Suche nach
Gemeinsamkeit
Wer ist eigentlich Europäer?
Das Problem: Vielfalt in der Einheit
Henryk M. Broder, Publizist
Vision Europa
Neue Perspektiven für alte Nationalstaaten
Senator Jean François-Poncet
Handlungsfähigkeit für Europa
Weltmacht statt nationaler Ohnmacht
Prof. Dr. Henry A. Kissinger, Außenminister a. D.
Vision & Wirklichkeit
Zusammenfassung und Ausblick
Dr. Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a. D.
Stärkt Europa die Wirtschaft?
Erwartungen, Besorgnisse und neue Orientierungen
Dipl.-Ing. Jürgen E. Schrempp, Vorstandsvorsitzender
der Daimler-Benz AG
1997 Modell Deutschland: Verlust der Balance
Wie reformfähig ist die Bundesrepubik?
1994 Sozialstaat und Bürgerfreiheit: Müssen Staat und Bürger
ihr Verhältnis neu bestimmen?
Sonderbarer Sozialstaat
Notizen aus dem gesellschaftlichen Leben
Dr. Renate Merklein, Publizistin
Die konfiszierte Freiheit
Die Krise des Steuerstaates und die Grenzen
der Machbarkeit
Dr. Otto Graf Lambsdorff, MdB
Die verkannte Wirklichkeit
Oppor tunismus und Selbstbetrug in unserer Gesellschaft
Prof. Dr. Arnulf Baring, FU Berlin
Die Wiederentdeckung der Bürgertugenden
Ein neues Rollenverständnis zwischen
Bürger und Staat
Prof. Dr. Richard Schröder,
Humboldt-Universität, Berlin
Wie geht es weiter?
Zusammenfassung und Ausblick
Dr. Klaus von Dohnanyi, Bundesminister a. D.
Die Lehre aus der Vergangenheit
Deutschland im Konzer t der Welt
Dr. h. c. Helmut Schmidt, Bundeskanzler a. D.
Wirtschaft und Ideologie im Widerstreit
Dr. Eberhard von Kuenheim, Vorsitzender des Aufsichtsrates der BMW AG
92
Modell Deutschland
Verlust der Balance oder Modellverschleiß
Prof. Dr. Wilhelm Hennis, Universität Freiburg
Ein neues Bürgerbild
Maßstäbe und Imperative für die Gesellschaft
Prof. Dr. Berthold Leibinger, Geschäftsführender Gesellschafter der Trumpf GmbH & Co., Ditzingen
Ein neues Leitbild
Maßstäbe und Imperative für die Wirtschaft
Hilmar Kopper, Vorsitzender des Aufsichtsrates der
Deutschen Bank AG, Frankfurt am Main
Zusammenfassung und Ausblick
Prof. Dr. Fritz W. Scharpf, Direktor des Max-PlanckInstituts für Gesellschaftsforschung, Köln
1998 Dem Land Richtung geben:
Führung – Eigenverantwortung – Wettbewerb
1995 Deutschland im Umbruch: Die politische Klasse
und die Wirklichkeit
Die deutsche Politik und die Wirklichkeit
Realitätsver fehlung als deutsches Erbteil
Dr. Klaus von Dohnanyi, Bundesminister a. D.
Deutsche Seelenlage
Zwischen Traum und Katzenjammer
Dr. Cora Stephan, Publizistin
Deutschland –
Ein Verein zur Risikovermeidung?
Peter Schneider, Publizist, Berlin
Der deutsche Geist und die politische Realität
Herkunft und Wirkung eines
Intellektuellen-Stereotyps
Prof. Dr. Hermann Lübbe, Zürich
Führung und Wandel:
Die Herausforderung annehmen
Peter D. Sutherland, Chairman, Goldman Sachs
International, London
Wie geht es weiter?
Zusammenfassung und Ausblick
Prof. Dr. Fritz Stern, New York
Politik braucht Respekt vor
Eigenverantwortung
Prof. Dr. Michael Blumenthal, Direktor,
Jüdisches Museum, Berlin
Wettbewerb als Lebensform
Dr. h.c. Tyll Necker, Vizepräsident,
Bundesverband der Deutschen Industrie, Köln
Was zu tun ist:
Das Beispiel Arbeitsmarkt – I
Patrick M. Liedtke, Club of Rome,
Wirtschaftsbüro Liedtke, Griesheim
Was zu tun ist:
Das Beispiel Arbeitsmarkt – II
Prof. Dr. Manfred J. M. Neumann, Direktor,
Institut für Internationale Wirtschaftspolitik, Bonn
Am Vorabend:
The architecture of the Reichstag
and German unity
Sir Norman Foster, Foster and Partners, London
93
Die bisherigen Veranstaltungen – Schönhauser Gespräche
1999 Bilanz und Ausblick am Ende des Jahrhunderts:
Deutschland auf dem Weg in die „Berliner Republik“
Erfahrungen mit Deutschland
Cees Nooteboom, Schriftsteller, Amsterdam
Dr. Hans D. Barbier, Leiter der Wirtschaftsredaktion,
Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurt am Main
Bilanz am Ende unseres Jahrhunderts
Prof. Dr. Arnulf Baring, Historiker und Publizist, Berlin
Zusammenfassung und Ausblick
Dr. Mathias Döpfner, Chefredakteur, Die Welt, Berlin
Deutschland, was nun?
Dr. Gustav Seibt, Berliner Zeitung, Berlin
Auf dem Weg in die „Berliner Republik“?
Dr. Michael Naumann, Staatsminister für Angelegenheiten der Kultur und der Medien, Berlin
Dr. Josef Joffe, Leiter des Ressorts Außenpolitik,
Süddeutsche Zeitung, München
94
Am Vorabend:
Deutschlands Rolle in der Welt – wie neu, wie
wichtig?
Dr. Christoph Bertram, Direktor, Forschungsinstitut
der Stiftung Wissenschaft und Politik, Ebenhausen
Bundesverband deutscher Banken
Impressum
Herausgeber: Bundesverband
deutscher Banken, Berlin
Redaktion: Christian Jung, (030) 16 63 - 15 30
Gestaltung: Konzeption + Design
Trawny/Quass von Deyen, Köln
Illustrationen: Ute Helmbold
Lithographie: Auhage/Schwarz, Köln
Druck: J.P. Bachem, Köln
Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit
Genehmigung des Herausgebers

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