Kolumbien-aktuell No. 297 / 28. September 2000
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Kolumbien-aktuell No. 297 / 28. September 2000
Kolumbien-aktuell Relmässige Infos zu: Menschenrechte, Drogenkrieg, Vertreibungen,Friedensprozess, Politik, Wirtschaft, Regionen, interner bewaffneter Konflikt, soziale Bewegungen, Paramilitarismus, Guerilla, Massaker, Chronik der Ereignisse,NGOs ect. No. 297 28. September 2000 Inhaltsverzeichnis: 1. Interner bewaffneter Konflikt: Zurückhaltende Prognose Der Prozess mit dem ELN 2. Soziale Bewegungen: Der Süden antwortet auf den Plan Colombia Handlungsvorschläge 3. Menschenrechte: Ungeklärter Tod von sechs Kindern durch die Armee Indigenas der Sierra Nevada verlangen Gerechtigkeit 4. Chronologie: September 2000 1. Interner bewaffneter Konflikt: Zurückhaltende Prognose Trotz des kritischen Zustandes, in dem sich die Friedensgespräche befinden, und der Aufrufe einzelner Kreise, die der FARC überlassene Entspannungszone aufzuheben, werden sich die Prophezeiungen über den Tod des Prozesses nicht erfüllen, solange dieser sowohl für die Guerilla wie für die Regierung dienlich ist. „Der Friedensprozess liegt im Sterben“, meinten die Sprecher der FARC. Grund für diese neue Diagnose war die Reaktion verschiedener offizieller Kreise auf die Aufnahme des Milizionärs Arnubio Ramos in der Entspannungszone durch die FARC. Ramos war durch die Entführung eines Flugzeugs der Gesellschaft Aires, das er zur Landung in San Vicente del Caguán zwang, aus seiner Gefangenschaft geflohen. Für die Kritiker der Friedensverhandlungen war die Weigerung der FARC den Milizionär auszuliefern der Beweis dafür, dass die FARC die Entspannungszone zur Ausübung von Verbrechen benutzen. Die Aufrufe zum Abbruch der Verhandlungen kamen aus verschiedenen Kreisen, bis Präsident Pastrana sich zugunsten des Prozesses äusserte: Ein Vorfall dieser Art könne nicht einen Dialog zum Scheitern bringen, in dem versucht werde, einen 40-jährigen Krieg zu beenden. Man könnte sagen, dass der Prozess nicht im Sterben, sondern im Koma liegt. Sein jetziger Abbruch scheint mehr ein Trugbild, denn eine Realität zu sein. Die Regierung hat sich national und international zu diesem Prozess verpflichtet und von daher würde ein Abbruch von Seiten des Auslandes als verfrüht angeschaut und den Verhandlungswillen der Regierung in Frage stellen. Zudem erscheint eine militärische Lösung noch nicht als eine reelle Möglichkeit zur Beendigung des Konfliktes. Während der Plan Colombia noch nicht voll umgesetzt wird, ist es wahrscheinlich, dass von offizieller Seite der Verhandlungstisch als eine gangbarere Lösung betrachtet wird. Von Seiten der Guerilla ist es unbestreitbar, dass die Entspannungszone ihr erlaubt hat, die militärische Kapazität auszubauen und gleichzeitig eine Verhandlungslösung des Konfliktes ins Auge zu fassen. So kommt es, dass trotz der politischen Unterschiede Guerilla und Regierung in diesem strategischen Interesse sich sehr gleichen. Es ist eine paradoxe Situation, jedoch aufgrund der Ereignisse alles andere als verwunderlich: Der Verhandlungstisch hat solange Sinn, als er den Akteuren erlaubt, ihre eigenen Kriegsstrategien zu klären. Es ist nicht anzunehmen, dass der Prozess bei dieser Gelegenheit abgebrochen wird, nicht nur weil es den Wunsch zu verhandeln gibt, sondern auch aufgrund der gegenseitigen Erkenntnis, dass ein militärischer Sieg noch nicht möglich ist. Von daher die Notwendigkeit, den Verhandlungstisch weiter zu führen, obwohl die Probleme am Rande weiterhin sämtliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Die Hauptthemen in dieser ersten Etappe - die Schaffung von Arbeitsplätzen und der Gefangenenaustausch - werden verschoben werden, bis eine Lösung auf das Problem des geflohenen Milizionärs Ramos gefunden worden ist. Es ist klar, dass die FARC ihren Mann nicht ausliefern und dies mit dem gerechtfertigten Argument begründen werden, dass dieser Vorfall aufgrund von Fehlern der nationalen Gefängnisverwaltung INPEC geschehen konnte. In diesem Sinn ist es wahrscheinlich, dass die Lösung darin bestehen wird, neue Spielregeln festzulegen, in denen u.a. einer internationalen Überwachung eine bedeutende Rolle zukommen würde. Diese Erfahrung zeigt, dass der Prozess noch gar nicht richtig angelaufen ist und vielleicht nie einen harmonischen Rhythmus haben wird, sondern im Gegenteil immer wieder mit neuen Hindernissen konfrontiert sein wird. Ebenso ist deutlich, dass das gegenseitige Misstrauen nicht überwunden ist. Die Interpretation jeglicher Aktion des jeweils andern Akteurs bedeutet für den andern eine Provokation, dies auch dann, wenn oft der Wunsch besteht, die Gemüter nicht zu erhitzen. So bedeutet zum Beispiel der Plan Colombia oder die von der Regierung geplante Steuerreform für die Guerilla eine Provokation, während sie für die Regierung selber nur Pläne sind, um das Land nach ihrem Verständnis aus der jetzigen Realität zu „retten“. Das Gleiche geschieht auch auf der Gegenseite: Während die Nichtauslieferung des Milizionärs konsequent mit dem Konzept der Loyalität der FARC ist, bedeutet dies für die Regierung ein Missbrauch der Entspannungszone durch die Guerilla. Zu all dem kommt die unterschiedliche Sichtweise der heikelsten Themen, so die Besetzung von Ortschaften, die Entführung, der Paramilitarismus oder das Wirtschaftsmodell. Hier sind die verschiedenen Standpunkte noch entgegen gesetzter und verhindern eine Anerkennung der Legitimität des Gegners trotz dieser grossen Differenzen. Der Dialog beinhaltet, dass vor einem Nachgeben der andere bereit ist, den Gesichtspunkt der Gegnerseite zu verstehen. Doch in diesem Fall verharren beide Seiten auf ihren eigenen Überzeugungen. Daher geht die gegenseitige Satanisierung weiter und es gibt keine solide Basis für Reformen. Obwohl beide Seiten am Verhandlungstisch bleiben werden, ist es wenig wahrscheinlich, dass sie aufhören werden im natürlichen Vorgehen des Gegners eine Provokation zu sehen. Darum hat der „Plan B“, den offensichtlich nicht nur die Regierung hat, und der das Gewicht ganz auf den militärischen Aspekt verlegt, derart Gewicht gewonnen. Dies ist ersichtlich in den Armeeoperationen in der Region von Sumapaz und den Bestrebungen von FARC und ELN sich gegen den Plan Colombia zu verbünden. Trotzdem zeigt die Bereitschaft von Guerilla und Regierung, über den Fall des geflüchteten Milizionärs zu verhandeln auf, dass der Friedensprozess zumindest gerettet werden konnte. Dieser Vorfall zeigte alarmierend auf, wie schwach der Prozess ist. Ein Vorankommen des Prozesses ist immer noch eine Illusion, Leitspruch ist daher Geduld zu haben. Keine der beiden Seiten ist bereit, die bisher erreichten kleinen, aber bedeutsamen Fortschritte über Bord zu werfen, auch wenn diese Fort-schritte weniger dem Prozess als den beiden Akteuren selber zugute kamen. Der Prozess mit dem ELN Trotz der Massenentführung ausserhalb der Stadt Cali vom 17. September durch den ELN entschied die Regierung die Annäherungen fortzusetzen. Haupthindernis ist die Begegnungszone, deren Installierung von den Paramilitärs torpediert wird. Andrerseits hat der oberste Kommandant des ELN, Nicolas Gómez Bautista alias Gabino, ein Treffen mit Manuel Marulanda Vélez, dem Chef der FARC, vorgeschlagen mit dem Ziel, die Aggressionen zwischen FARC und ELN zu beenden und eine gemeinsame Strategie gegen den Plan Colombia zu entwerfen. 2. Soziale Bewegungen: Der Süden antwortet auf den Plan Colombia Am 8. und 9. September wurde ein Treffen mit dem Titel „Der Süden antwortet auf den Plan Colombia“ durchgeführt. Eingeladen dazu hatte der Bürgermeister von Puerto Asis und der Gouverneur des Dep. Putumayo zusammen mit einem Bündnis von NGO rund um die Initiative „Paz Colombia“. Gegen 375 Personen, darunter auch eine Delegation aus Ecuador, versammelten sich, um über die angespannte Lage in den Dep. Cauca, Valle, Nariño, Putumayo und Caquetá aufgrund der Umsetzung der ersten Phase des Plan Colombia zu beraten. Nach Gesprächen in drei verschiedenen Arbeitsgruppen präsentierten die Organisatoren die wichtigsten Punkte ihrer Besorgnis in der Deklaration von Puerto Asis, die an einer öffentlichen Veranstaltung am 9. September bekannt gemacht wurde. Da wir die Schlussfolgerungen der Arbeitsgruppe „Illegaler Drogenanbau, Umwelt und Entwicklung“ für besonders relevant betrachten, präsentieren wir einige der Schlussfolgerungen. Die Teilnehmenden stimmten darin überein, dass der Plan Colombia ohne Anhörung oder Mitbeteiligung der Bevölkerung entworfen wurde und „die lokalen Realitäten wie auch die Initiativen der betroffenen Gemeinschaften und der lokalen und regionalen Behörden ausser acht liess“. Zudem betrachten sie den Plan Colombia als „eine Strategie, die darauf abzielt, die Übergangs- und Demokratisierungsprozesse in der andinen Region zu destabilisieren und rückgängig zu machen sowie repressive Massnahmen gegen die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Proteste, ausgelöst durch die Globalisierung und die Durchsetzung des neoliberalen Modells zu treffen. Diese repressiven Massnahmen werden zu einem Instrument der Aufstandsbekämpfung und werden sich negativ auf die Verschärfung und Ausweitung des Krieges auswirken, der seit 30 Jahren in Kolumbien im Gange ist“. Die Rolle der USA und ihre Militärhilfe bedeutet eine „absolute Intoleranz“ gegenüber den Kokapflanzern. Die Kommission zog folgenden Schluss: „Gegenüber der chemischen und biologischen Bekämpfung sollen manuelle Techniken der Ausrottung von illegalen Drogenpflanzung studiert werden, sofern diese Ausrottung freiwillig erfolgt und mit den Gemeinschaften vereinbart ist, zudem graduell durchgeführt werden und an die Bedingung nachhaltiger Investitionen im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich geknüpft sind. Es braucht Aktionen zur Wiederherstellung der sozialen Netze, eine Ethik der Toleranz, des Respekts vor dem Leben und volle Garantien zur wirksamen Anwendung der Justiz. Die in Puerto Leguizamo und in Guambia gemachten Erfahrungen sollen in die Studie miteinbezogen werden.“ „Das Problem der illegalen Drogenpflanzungen hat seinen Ursprung in der Krise des landwirtschaftlichen Sektors in Kolumbien, dem Fehlen von Bedingungen zur Wahrung der Konkurrenzfähigkeit der Landwirtschaft trotz der wirtschaftlichen Öffnung und der fehlenden Berücksichtigung minimaler Bedingungen für eine nachhaltige Bewirtschaftung des Landes. Diese Krise wurde durch die Gegenlandreform verschärft, wo aus dem Drogenhandel stammende Kapitalien zur Konzentration von mehr als 4 Mio. Hektar landwirtschaftlich äusserst fruchtbaren Landes in wenigen Händen investiert wurden. Dieses Land wird praktisch ausschliesslich für extensive Viehzucht verwendet, mit negativen Auswirkungen auf die Produktivität des Bodens und auf die Schaffung von Überschüssen zugunsten der Landbevölkerung.“ Handlungsvorschläge 1. Einen Prozess der Dezentralisierung der Debatte über den Plan Colombia zu entwickeln und zwar so, dass die Weiler, Gemeinden und indigenen Schutzgebiete (Resguardos), die, obwohl sie keinen illegalen Drogenanbau haben, von den Offensiven des Plan Colombia schwer betroffen sein werden, in die Diskussion miteinbezogen werden. 2. Einen Organisierungsprozess auf Gemeinde- und Departementsebene zu schaffen, um so lokale Antworten auszuarbeiten, in denen die soziale, politische und kulturelle Verschiedenheit der Regionen berücksichtigt wird. Eine Informationskampagne, Analysen und einen Organisierungsprozess auf lokaler Ebene durchzuführen, um so die örtlichen Vorschläge zu sammeln und eine Antwort des Südens aus der Sicht der Gemeinschaften umzusetzen. 3. Aktionen zu entwickeln zur Schaffung einer lateinamerikanischen Friedenskommission auf der Grundlage der Anerkennung und die Ausarbeitung von Antworten auf die Folgen des Plan Colombia auf die andinoamazonische Region. Es sollen Aktivitäten auf internationaler Ebene zur Unterstützung des Friedens in Kolumbien und zur Abwendung der Folgen der Kriegsoffensive wie auch der ökologischen Schäden durch die Intensivierung der chemischen und biologischen Besprühungen mit ihren verheerenden Auswirkungen auf die Biodiversität entwickelt werden. 3. Menschenrechte: Ungeklärter Tod von sechs Kindern durch die Armee Vor mehr als einem Monat tötete die Armee sechs Kinder. Die Erklärungen hoher Funktionäre der Regierung, der Staatsanwaltschaft und der Aufsichtsbehörde, welche die Militärs von der vorsätzlichen Tötung freisprachen, besorgen die Menschenrechtsorganisationen. Am 15. August 2000 starben im Weiler La Pica in der Gemeinde Pueblorrico im Dep. Antioquia sechs Kinder durch Schüsse der Armee. Weitere vier Kinder wurden verletzt. Sie waren mit 31 KlassenkollegInnen und drei Erwachsenen auf einer ökologischen Exkursion. Seit dem Vorfall wurden verschieden Versionen über das Geschehen verbreitet, einerseits durch die Armee, andrerseits durch die BewohnerInnen und die Opfer selber. Verschiedene Kommissionen, zusammengesetzt aus Vertretern der Staatsanwaltschaft, der Aufsichtsbehörde, der Ombudsstelle und des UNO-Menschenrechtsbüros besuchten den Ort des Geschehens, um die Ursachen aufzudecken. Die militärische Führung bekräftigte noch am gleichen Tag des Ereignisses, dass es zu einem Gefecht zwischen der Armee und Guerilleros des ELN gekommen sei und die Kinder in das Kreuzfeuer hineingeraten seien. Doch die Aussagen der Opfer wiesen dies vollumfänglich zurück und zwangen Verteidigungsminister Fernando Ramirez Acuña und den Generalstaatsanwalt Alfonso Gómez Méndez dazu, die Verantwortung der Armee anzuerkennen, sie machten darauf „menschliches Versagen“ für den Vorfall verantwortlich und wiesen eine Vorsätzlichkeit zurück. Aufgrund dieser Erklärungen gab die Staatsanwaltschaft den Fall an die Militärjustiz weiter, welche den Prozess gegen die 23 involvierten Soldaten führen sollte. Die Aufsichtsbehörde ihrerseits eröffnete eine Disziplinaruntersuchung gegen acht für den Tod der sechs Kinder verantwortliche Soldaten, stimmte aber darin mit der Staatsanwaltschaft überein, dass es sich nicht um ein vorsätzlich begangenes Verbrechen gehandelt habe. Doch die Dinge sind nicht klar. Dies wird aus einem Bericht von zehn Menschenrechtsorganisationen deutlich, die den Ort des Geschehens am 16./17. August besuchten und die Zeugenaussagen von einigen am Ausflug teilnehmenden Kindern, BewohnerInnen des Weilers, Augenzeugen, Eltern und Angehörigen der Opfer wie auch von einigen Behördenmitgliedern der Gemeinde und der Hilfe leistenden Ärzte aufgenommen haben. Der Bericht stellt klar, dass es keinen Zusammenstoss mit dem ELN gegeben hat und die Kinder also nicht als lebende Schutzschilder benutzt worden waren. Ebenso wurde die Hypothese eines „Fehlers“ der Armee, die von der Staatsanwaltschaft, der Aufsichtsbehörde und dem Verteidigungsministerium verbreitet wird, hinterfragt. Dies aus folgenden Gründen: In erster Linie kann sich die Armee nicht von der Verantwortung frei sprechen, da es eine Forderung an die gesetzliche Gewalt ausübenden Institutionen ist, möglichen mit der Gewaltanwendung verbundenen Folgen und Risiken vorzubeugen. Eine Unterlassung verstösst gegen das Genfer Protokoll, das Kolumbien unterzeichnet hat. In zweiter Linie ist es unverständlich, weshalb die Soldaten während mehr als 40 Minuten auf die Kinder schossen, und die Gruppe der unbewaffneten Kinder und Erwachsenen in Sportanzügen nicht von einer Gruppe von Guerilleros unterscheiden konnte und auch nicht auf die Schreie der Kinder und der herbeigeeilten Bauern hörte. Nach dem Urteil der NGO-Kommission kann aufgrund der Zeugenaussagen und der erhobenen Beweise die Hypothese einer vorsätzlichen Aktion der Militärs nicht verworfen werden. In diesem Fall handelt es sich um einen mehrfachen Mord und folgedessen um eine Verletzung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts. Zudem wird die Handhabung der Untersuchung hinterfragt, da am Ort des Geschehens auch 72 Stunden nach der Tat weder die Staatsanwaltschaft noch die Aufsichtsbehörde Zeugenaussagen aufnahmen oder involvierte Militärs verhörten. Es wird befürchtet, dass auch diese Tat in der Straflosigkeit endet. Der Bericht der NGO-Kommission macht mehrere Empfehlungen mit dem Ziel, den Tod der Kinder aufzuklären. Aus den Empfehlungen möchten wir folgende hervorheben: 1.Die Untersuchung soll von der ordentlichen (zivilen) Justiz geführt werden, da der Vorfall und die Umstände des Angriffs nicht als eine eigentliche Amtsausübung betrachtet werden können; 2. Der Generalstaatsanwalt Alfonso Gómez Méndez soll sich für befangen erklären, die Funktionen seines Amtes in diesem Fall auszuüben, da er eine faire Prozessführung durch seine Vorbeurteilung des Verhaltens der Soldaten und die Erklärung, diese hätten nicht vorsätzlich oder absichtlich gehandelt, verletzt hat. Ein ad hoc-Staatsanwalt soll die Untersuchung führen. 3. Den Opfern des Vorfalls soll Schutz geboten werden. 4. Die Regierung soll die involvierten Soldaten vom Dienst suspendieren. 5. Die Opfer sollen entschädigt werden. Die NGO-Kommission ruft die sozialen, nationalen und internationalen Organisationen dazu auf, den Fall permanent zu verfolgen. Das UNO-Menschenrechtsbüro wird aufgefordert eine analytische Arbeit zur Menschenrechtssituation in der Region durchzuführen und die Untersuchung des Vorfalls zu überwachen. Die Erklärung unterzeichnen: Corporación Jurídica Libertad; Anwaltskollektiv José Alvear Restrepo; Humanidad Vigente; Christliche Basisgemeinden; Solidaritätskomitee mit den Politischen Gefangenen CSPP; Permanentes Menschenrechtskomitee Héctor Abad Gómez; Interkongregationale Kommission Justicia y Paz; Vereinigung der Familienangehörigen von Verhaftet-Verschwundenen ASFADDES. Indigenas der Sierra Nevada verlangen Gerechtigkeit Die Situation von Vernachlässigung und Aggression gegen die indigenen Gemeinschaften ist ausnahmslos und allgemein. Doch wegen der Verschärfung des Konfliktes, seiner Dynamik und der Logik der Akteure aufgrund ihres Interesses an strategischen Zonen wie der Sierra Nevada von Santa Marta und der Serrania del Perija, werden die indigenen Gemeinschaften der Iku, Kogi, Wiwa, Kankuamo und Yukpas, die seit jeher diese Gebiete bewohnen und für die diese Erde heilig ist, zu Opfern einer systematischen und umfassenden Verletzung ihrer Rechte. Dies hat eine schwere Krise der Menschenrechte und eine besorgniserregende humanitäre Situation zur Folge. Diese wird noch durch die zunehmende Verarmung aufgrund der staatlichen Vernachlässigung verschärft wie auch durch die wachsende soziale Schuld der lokalen, regionalen und nationalen Behörden gegenüber den indigenen Völkern. Daher erbaten die betroffenen Gemeinschaften den Besuch einer humanitären Kommission, damit diese sich ein Bild der aktuellen Situation macht und Empfehlungen verabschiedet. Diese Kommission war aus VertreterInnen von mehr als 20 Organisationen zusammengesetzt, darunter humanitäre-, Menschenrechts-, staatliche- und nichtstaatliche-, nationale und internationale Organisationen, welche die Gegend im Juli 2000 besuchte. Sie stellte fest, dass die Lebensbedingungen der indigenen Gemeinschaften besorgniserregend sind, dass sie Opfer sämtlicher Konfliktakteure wurden, die in ihrem Gebiet einen günstigen Raum für ihre militärischen Strategien und in der Bevölkerung potentielle Militante oder Informanten sehen oder sie als menschliche Schutzschilder brauchen oder zu anderen Dienstleistungen zwingen. In der Region operieren drei Fronten der FARC-EP, zwei des ELN und eine des EPL. Die Paramilitärs haben ihre Lager in der Ebene des Dep. Cesar, von wo aus sie ihre Übergriffe auf die indigenen Dörfer und die Massaker und aussergerichtlichen Hinrichtungen an der Bevölkerung verüben. Die Armee hat das operative Kommando No. 7 in Valledupar, der Hauptstadt des Dep. Cesar postiert, wo sich auch das Bataillon La Popa befindet. Zudem hat die Armee eine Basis am Berg Inwara (El Aguacil) im Territorium der Arhuaco errichtet, was eine ernsthafte Bedrohung für die Indigenas und deren Tiere bedeutet, da die angrenzenden Gebiete vermint wurden und zudem die Basis das Risiko eines eventuellen Angriffs mit Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung birgt. Die Präsenz der bewaffneten Akteure und die Art und Weise, wie die Feindseligkeiten geführt und die Zivilbevölkerung bedrängt werden, hat bei den indigenen Völkern zu einer zunehmenden Angst aufgrund der aufgezwungenen Unterwerfung, die ihre Autonomie, die Entscheidungsgewalt der indigenen Autoritäten und die kulturellen Werte verletzt und zudem eine Invasion ihres Territoriums bedeutet. Besorgniserregend sind auch die Aussagen von Indigenas gegenüber der Kommission, dass die Armee Patrouillen mit vermummten Personen durchführt, was die Angst vor gemeinsamen Aktionen von Armee und Paramilitärs schürt. Diese Situation konnte vor Ort festgestellt werden, wozu noch das Problem von Neuzuzügern kommt, die illegale Drogenpflanzungen anlegen und sich produktives Land aneignen wollen. Die Kommission versuchte im Hinblick auf präventive Aktionen zur Verhinderung zukünftiger noch schlimmerer Unglücke und auf Berufung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts mit interkulturellem Charakter als Handlungsebene eine Linie zwischen dem kulturell und theologisch geschützten und rechtlich anerkannten Gebiet zu ziehen und von indigenen Territorien als strategische Reserven für die Biodiversität und öffentlicher natürlicher Ressourcen auszugehen. Sie empfahl dem Staat die Einhaltung seiner Verantwortung gegenüber den indigenen Völkern in Bezug auf soziale Investitionen insbesondere im Gesundheitsbereich; die Einhaltung des Gesetzes 21 von 1991, das den Artikel 169 des Abkommens mit der Internationalen Ar-beitsorganisation ILO über indigene- und Stammesgemeinschaften regelt; die Kultstätten zu respektieren und die Armee anzuhalten, ihr Personal auszuweisen; eine Studie der Menschenrechtssituation und des humanitären Völkerrechts im Dep. Cesar zu erstellen; einen pädagogischen Prozess zur Konfliktlösung und zur Förderung der Menschenrechte in Gang zu setzen; Strafverfolgungen einzuleiten gegen die verübten und bisher straffreien Übergriffe gegen diese indigenen Völker; ein Unterstützungsprogramm auf Departements- und Gemeindeebene zu initiieren, wo es indigene Gemeinschaften gibt; die illegalen Drogenpflanzungen nicht durch ziellose Besprühungen aus-zurotten, die schwere ökologische Folgen und Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit haben; den Vertriebenen Hilfe zukommen zu lassen und Programme für Jugendliche zu entwickeln, die einem grossen Risiko ausgesetzt sind, in den Konflikt involviert zu werden; ein Programm zum Schutz der Führungspersonen, der Ärzte und des medizinischen und paramedizinischen Personals aufzustellen und ein Frühwarnsystem einzurichten. Das UNO-Menschenrechts-büro wurde aufgefordert in seinem Bericht ein Dokument über die Situation der Indigenas miteinzubeziehen, das zur Umsetzung eines globalen Abkommens über Menschenrechte und humanitäres Völkerrecht in der Region beitragen soll. Die Degradierung des bewaffneten Konfliktes in Kolumbien, wo die Zivilbevölkerung Opfer aller Konfliktakteure wird, insbesondere der Paramilitärs, hat die Bauern zum verletzlichsten und bedrängtesten sozialen Sektor werden lassen, dessen Rechte ständig verletzt werden. Diese Tendenz hat sich in den letzten zwei Jahren noch konsolidiert. Die indigenen und die Schwarzengemeinschaften in den verschiedenen Regionen des Landes sind Ziel verschiedenster Aggressionen geworden, die nicht nur gegen ihr Leben und ihre Integrität gerichtet sind, sondern sich ganzheitlich gegen ihre Territorien, Kultur, Biodiversität, Kosmovision und ihre politische und administrative Autonomie richten. Der Kampf der indigenen und der Schwarzengemeinschaften übersteigt jedwelche eingeschränkte Konzeption der Menschenrechte. Ihre Forderungen gehen im Gegenteil von einem integralen Verständnis der Menschenrechte aus. Damit stehen sie nicht nur im Gegensatz zu den Bürgerinnen einer politisch organisierten Gemeinschaft, die sich staatliche Institutionen und eine bestimmte Form von Konfliktlösungen und der Durchsetzung der Justiz im Rahmen einer demoliberalen Gesellschaft geben, sondern damit fordern sie auch fundamentale Rechte nach Territorium und Kultur ein, die für diese Gemeinschaften genau so wichtig wie ihr eigenes Leben oder ihre Freiheit sind. Ein entwurzelter Indigena stirbt lebendig, er hört auf zu sein und zu existieren, denn seine Essenz ist die Gemeinschaft selber, lebend auf einem Territorium, das seine Heimat bedeutet, sein Referenzpunkt, der Ort seiner Vorfahren und das Einzige ist, was seinem Sein einen Sinn verleiht. Doch diese Art die Natur zu verstehen und sich in sie zu integrieren, ist auch Teil unserer Tragödie. Praktisch alle indigenen Ge-meinschaften, die in Kolumbien überleben, sind dem Angriff dessen ausgesetzt, was wir gemeinhin Fortschritt nennen. Sie wehren sich im Strudel der Uniformität und im Diktat der konzeptuellen Eindimensionalität unterzugehen, sie sind am Punkt zu sterben durch die Dynamik des Konfliktes, durch den Entscheid der Mächte und der Interessen wie auch durch das Beharrungsvermögen eines Krieges, der von einem Mittel zu einem Zweck für sich selber geworden ist. Daher bekräftigen die Indigenas, dass sie „kein Volk für den Krieg sind, sondern Völker, deren Aufgabe es ist, das Leben zu schützen und zu erhalten...“. 4. Chronologie: September 2000 1. Eine Freihandelszone zwischen der Andinen Staatengemeinschaft und dem Mercosur zu schaffen ist die Hauptschlussfolgerung von 12 in Brasilien versammelten Präsidenten. Zudem äusserten sie ihre Befürchtung, dass der bewaffnete Konflikt in Kolumbien durch die Umsetzung des Plan Colombia über die Grenzen ausufert. 3. Spanien kündigt die Unterstützung des Plan Colombia mit 124 Mio. US$ an und bittet die anderen Länder der Europäischen Union das Gleiche zu tun, dies mit dem Argument, Kolumbien „laufe Gefahr, sich in einen spektakulären Fokus der Destabilisierung der ganzen Region zu verwandeln, die für alle unsere Länder eine ausserordentliche Bedeutung hat und eine internationale Schlüsselregion ist“. 6. Nach der Anklage von Defiziten im Gesundheits- und Erziehungsbereich und den niedrigeren finanziellen Zuwendungen durch die Nation, wird in Villavicencio das Gipfeltreffen der Departementsgouverneure eröffnet, die von der Regierung die Ermächtigung verlangen, regionale Friedensgespräche aufnehmen zu können. 8. Der Friedensprozess gerät in eine Krise, da die Regierung von der FARC die Auslieferung von Arnubio Ramos verlangt, einem Milizionär der FARC, der ein Flugzeug der Gesellschaft Aires entführte und die Besatzung zur Landung in der Entspannungszone zwang. 10. Mit einem Aufruf zum No Más! Es reicht! in Manifestationen und künstlerischen und kulturellen Darbietungen schliesst die Nationale Friedenswoche, die während zehn Tagen der Zivilgesellschaft die Möglichkeit bot, ihre Ablehnung gegenüber allen bewaffneten Akteuren zum Ausdruck zu bringen. 12. Der Kongressabgeordnete Juan Manuel Corzo wird nach 17 Monaten Gefangenschaft freigelassen. Er war mit weiteren 39 Personen nach der Entführung eines Verkehrsflugzeuges durch ein Kommando des ELN festgehalten worden. Der ELN hat noch drei der entführten Passagiere in seiner Gewalt. Die internationale Organisation freier Gewerkschaften sagt in der Schweiz, dass durch die Ermordung von mindestens 69 Gewerkschaftsführern während des Jahres 1999 Kolumbien zum gefährlichsten Land für die Arbeitenden wurde. 15. Der ELN entführt in Rionegro, Antioquia, drei italienische Ingenieure, die für das Nationale Schokoladenunternehmen arbeiten. Zwei Tage zuvor hatte der ELN zwei russische und einen kolumbianischen Ingenieur entführt, die als Berater für den Bau des Wasserkraftwerkes Ponce II im Nordosten Antioquias tätig waren. Eine Steuerreform, welche die Besteuerung von Pensionsleistungen, weiterer Produkte des täglichen Grundbedarfs und von öffentlichen Dienstleistungen vorsieht, wird dem Kongress vom Finanzminister Juan Manuel Santos präsentiert, der damit 3,6 Billionen Pesos einzunehmen hofft. Zu den Massnahmen, die von den Gewerkschaften, oppositionellen Kongressabgeordneten und Industriellen abgelehnt wurden, gehört auch die Reduzierung der 30%igen Steuerbefreiung der kolumbianischen ArbeiterInnen. 17. Gegen 60 Personen werden vom ELN an der Strasse von Cali nach Buenaventura entführt. Der ELN hatte bereits letztes Jahr eine Massenentführung von Gläubigen aus der Kirche La Maria durchgeführt. Am gleichen Tag kommen bei Kämpfen mit der FARC in Urabá 19 Soldaten ums Leben. 20. Bis zum 15. Oktober 2000 wurde die Region Sumapaz, die an die Entspannungszone der FARC angrenzt, zum Gebiet spezieller Militäroperationen deklariert, dies nach 18 Tagen andauernder Gefechte mit der FARC.