Predigt im Abschlussgottesdienst
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Predigt im Abschlussgottesdienst
Predigt im Abschlussgottesdienst am 29. April 2016, Claudia Ostarek Der Friede Gottes sei mit uns allen. Amen. Liebe Schwestern und Brüder, eine interessante und spannende Konsultation liegt hinter uns. Wir haben gehört, welche Impulse die Reformation im 16. Jahrhundert für das diakonische Handeln der Kirche heute geben kann. Eines ist durch alle Beiträge hindurch deutlich geworden: Glaube und Handeln gehören zusammen und zwar nicht weil wir etwas für unser Heil tun können, sondern weil Gott uns frei gemacht hat zu verantwortlichem Handeln in unserer Welt, frei zu einer Praxis der Liebe. Wir können als Kirche gar nicht anders als uns an die Seite der Menschen zu stellen, die ausgegrenzt werden, die in Not geraten oder deren Rechte oder gar Würde nicht geachtet werden. Doch für mich ist immer wieder die Frage wichtig, wie es möglich ist, theologische Erkenntnisse wie wir sie auf so einer Konsultation gewonnen haben, tatsächlich umzusetzen. Wie kommen wir von der Erkenntnis zum Handeln? Was folgt den Vorträgen, den wunderbaren Begegnungen, die wir hier hatten, und dem theologischen Gespräch? Ich möchte mit dieser Frage den Ergebnissen unserer Konsultation einen Weg in die Praxis öffnen und tue das anhand eines Bibeltextes aus dem Matthäusevangelium. Matthäus 14,22-32: 22 Und alsbald trieb Jesus seine Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm hinüberzufahren, bis er das Volk gehen ließe. 23 Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er allein auf einen Berg, um zu beten. Und am Abend war er dort allein. 24 Und das Boot war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. 25 Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem See. 26 Und als ihn die Jünger sahen auf dem See gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. 27 Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! 28 Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. 30 Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, hilf mir! 31 Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? 32 Und sie traten in das Boot und der Wind legte sich Ich richte meinen Blick auf Petrus. Er hat viel mit Jesus erlebt, viel gehört, ist begeistert, fühlt sich stark. Mit ihm an der Seite kann er so vieles mehr tun als allein. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Schwestern und Brüder, aber auch ich bin immer wieder begeistert, zu Christus zu gehören. Vor allem wenn ich erlebe, dass wir als christliche Gemeinde weltweit vernetzt sind. Überall auf der Welt gibt es Christen. Wir feiern Gottesdienst und Abendmahl und setzen uns gemeinsam für andere Menschen ein. Ich sehe in vielen Ländern, auch hier in Japan wie Kirchen versuchen, Menschen, denen es nicht gut geht, zur Seite zu stehen, etwas für sie zu tun. In Deutschland sehe ich im Moment, wie viele Menschen aus den Kirchengemeinden Flüchtlingen helfen und sie vor Anfeindungen zu schützen. Ich sehe, in wie vielen Feldern Diakonie aktiv ist und immer wieder über neue Wege nachdenkt, wie wir der Liebe Gottes in unserer Welt Raum geben können. Gemeinsam, ökumenisch verbunden, sind wir stark und können etwas erreichen. Ja, ich bin begeistert zu Christus zu gehören. Jesus redete mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! heißt es in Unserer Geschichte. Petrus ist begeistert und fühlt sich stark. Er sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. 29 Und Jesus sprach: Komm her! UndPetrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Den Blick auf Jesus richtend geht Petrus voller Mut und Begeisterung los. Losgehen, liebe Schwestern und Brüder, darum geht es. Das hat Jesus seinen Jüngern und auch uns gelehrt. Losgehen, weil Christus sagt: Seid getrost, fürchtet euch nicht. Liebe Geschwister, lasst uns losgehen, lasst uns die Liebe zum Nächsten leben. Lasst uns Menschen in Not helfen und für humane Strukturen sorgen. Lasst uns politisch so Einfluss nehmen, dass es gerecht und friedlich zugeht. Das Evangelium zielt darauf, Menschen Mut zu machen, unsere Welt zu gestalten, und zwar so, dass alle Menschen gut in ihr leben können. Vom Wissen zum Handeln zu kommen heißt zunächst einmal loszugehen, und zwar voller Vertrauen, dass wir als Kirche Jesu Christi etwas bewegen können, dass wir wie Petrus etwas hinkriegen, was eigentlich unmöglich erscheint. Unsere Geschwister in Lateinamerika haben in der Theologie der Befreiung den Weg einer solchen Praxis des Glaubens in drei Schritten beschrieben: Sehen, Urteilen, Handeln Zunächst geht es darum, genau zu schauen, wer da ist. Um welche Menschen geht es? Wie leben sie, was passiert mit ihnen? Wie ist der Kontext, in dem sie leben? Wofür schämen sie sich, was macht ihnen Angst, was macht ihnen Freude? Aber auch auf sich selbst zu schauen: Wo stehen wir? An welcher Stelle sind wir vielleicht verflochten in ungerechte Strukturen? Im Urteilen geht es um reflektierte Praxis. Dabei helfen uns Bibeltexte, aber auch Sozialwissenschaften und andere Analyse-Methoden um unsere Gesellschaft und die Menschen die darin leben zu verstehen. In Reflektionsprozessen untersuchen wir Kontexte, ordnen ein, bewerten, evaluieren unser eigenes Handeln. Und mit diesem Wissen machen wir uns weiter auf den Weg, handeln. Sehen, Urteilen, Handeln. Später ist in der lateinamerikanischen Befreiungstheologie das Feiern als vierter Schritt dazu gekommen. Eine wirklich gute Ergänzung für den Weg der Praxis. Zurück zu unserem Bibeltext: Ja, Petrus geht los, mutig, übers Wasser. Er meint etwas bewältigen zu können, was vor ihm niemand geschafft hat. Doch dann bekommt er Angst. Die Realität holt ihn ein. Er kann nicht wie Jesus auf dem Wasser gehen, er merkt, dass er untergehen wird. Er ist verunsichert, hat Angst, sein Mut geht verloren. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken. Liebe Schwestern und Brüder, dieses Gefühl kenne ich gut. Wir setzen uns für Menschen ein, die gesellschaftlich nicht anerkannt sind, und merken, dass das in unserm Umfeld überhaupt nicht gut ankommt. „Wie, in ein Flüchtlingsheim gehst du? Kümmer dich doch lieber um dein Studium“ So etwas oder etwas ähnliches hören ehrenamtliche Helfer in Deutschland oft. Ich weiß nicht, wie es hier in Japan ist, aber ich stelle mir vor, dass Traditionen viele Grenzen setzen und verhindern können, dass sich Gemeindemitglieder an die Seite der Entrechteten stellen. Widerstand der eigenen Freunde oder gar der eigenen Familie kann einen verunsichern auf dem Weg der Praxis. „Muss das denn sein, dass wir ausländischen Kindern in der Kirchengemeinde Hausaufgabenhilfe anbieten?“ wurde in der Gemeinde, in der ich lange Pfarrerin war, diskutiert. Wir sind doch in erster Linie für die eigenen Gemeindeglieder da. Hieß es im Kirchenvorstand. Den Mut verliere ich auch manchmal, wenn ich merke, dass die Menschen, denen ich helfen will, gar keine Hilfe wollen, obwohl sie sie brauchen. Es gibt so viele Gründe, den Mut zu verlieren, verunsichert zu werden oder sogar Angst vor dem eigenen Weg zu bekommen. Petrus ist zutiefst verunsichert. Er beginnt zu sinken, kann nicht weitergehen. Und zu versinken ist eine existentielle Bedrohung. Doch er tut etwas, was wir in unseren Verunsicherungen heutzutage oft vergessen: Er schrie: Herr, hilf mir! Liebe Schwestern und Brüder, Gebet ist Teil des Weges der Praxis. Spiritualität und Praxis gehören zusammen. Davon haben wir in den Vorträgen gehört. In den Verunsicherungen unseres Lebens, unseres gemeinsamen Weges als Kirche, sich immer wieder an Gott zu wenden, mit der Bitte um Beistand, das kann uns Kraft und neuen Mut machen. Im diakonischen Handeln in Deutschland suchen wir im Moment nach Wegen beides wieder stärker zusammen zu bringen: Soziales Engagement und Spiritualität; Diakonie und Gottesdienst; Auf meinen Reisen in die weite Welt, sehe ich, dass wir Deutschen in dieser Hinsicht so manches von anderen Kirchen lernen können. Petrus bekommt die ersehnte Hilfe: Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn. So heißt es im TextDiese Geste Jesu lehrt uns Vertrauen. In den tiefsten Verunsicherungen auf unseren Wegen sind wir nicht allein. Christus streckt uns seine Hand aus und hält uns, lässt uns nicht untergehen. Nur in diesem Vertrauen können wir den Weg der Praxis des Glaubens beschreiten. Vertrauen ist mehr als theoretisches Wissen oder Erkenntnis. Es geht tief ins Herz. Vertrauen wird erfahrbar, wenn wir losgegangen sind, wenn wir unterwegs sind, etwas gewagt haben. Welche Bedeutung das Vertrauen, der Glaube für unser Leben in der Nachfolge Jesu Christi hat, haben die Reformatoren stark gemacht, davon haben wir viel in der Konsultation gehört. Martin Luther konnte seinen Weg gehen, weil er Jesus Christus vertraut hat und weil ihn dieses Vertrauen frei gemacht hat zum Handeln. Johannes Calvin hat betont, dass wir aus Dankbarkeit heraus die Gebote halten und Nächstenliebe üben, um Jesus Christus zu verherrlichen. Die Bibellesen und die Praxis der Nächstenliebe gehören zusammen, sie sind unzertrennlich. Liebe Schwestern und Brüder, am Anfang habe ich gefragt, wie theologische Erkenntnis zum Handeln wird. Ich denke, es geht darum zunächst mutig loszugehen, zusammen mit anderen, zusammen mit Schwestern und Brüdern aber auch mit Menschen, die vielleicht anderen Glaubens sind, aber dieselben Ziele verfolgen. Loszugehen, um für und mit den Menschen für Recht und Frieden einzustehen, schwierige Lebenssituationen zu verbessern, sich für diese Welt so einzusetzen, dass alle in ihr ein gutes Leben haben können. Anfangen, losgehen, sehen, was dran ist, mit Menschen sprechen, hinsehen, reflektieren und mit dem Gelernten weitergehen. Jeder Weg ist voller Verunsicherungen, die manchmal sehr tief geht. Da hilft es, zu beten, im Gespräch mit Gott zu sein. Wir gehen weiter im Vertrauen auf Jesus Christus, der uns seine Hand entgegenstreckt wie er es bei Petrus getan hat. Mögen wir alle diese Konsultation als Reflektion der Praxis unserer Kirchen verstehen und ökumenisch verbunden den richtigen Weg finden, die uns aufgetragene Nächstenliebe auf gute Weise zu leben. Und so bitten wir um den Frieden Jesu Christi, der höher ist als alle menschliche Vernunft. Amen.